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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Aufforderung zur Eintragung ins Handelsregister.

(Vom 29. Januar 1895.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Artikel 864, Absatz 2, des Bundesgesetzes über das Obligationenrecht (Novelle vom 11. Dezember 1888) bestimmt: ,,Wenn eine zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtete Person oder Gesellschaft dieser Obliegenheit nicht nachkommt, so soll der Registerführer von A m t e s w e g e n oder auf Begehren eines Dritten die E i n t r a g u n g v o l l z i e h e n .

In Ausführung dieser Gesetzesbestimmung nahm der Bundesrat in Artikel 26 (Absatz l und 2) seiner Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, vom 6. Mai 1890, folgende Vorschriften auf: ,,Wenn eine Person oder eine Gesellschaft, welche gemäß O. 865, Abs. 4, zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet ist, dieser Verpflichtung nicht nachkommt, oder wenn ein Dritter u n t e r A n g a b e der Gründe die Eintragung einer Person oder einer Gesellschaft verlangt, so hat der Registerführer unter Hinweis auf 0. 864 den oder die Eintragspflichtigen schriftlich aufzufordern, sich binnen fünf Tagen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder die Gründe der Weigerung schriftlich anzugeben.

,,Erfolgt i n n e r h a l b dieser Frist die E i n t r a g u n g n i c h t und werden auch k e i n e Weigerungsgründ a n g e -

111 g e b e n , so nimmt der Registerführer die E i n t r a g u n g von A m t e s w e g e n vor. Gleichzeitig macht er der kantonalen Aufsichtsbehörde Anzeige. Die Aufsichtsbehörde hat gegen den oder die Fehlbaren eine Ordnungsbuße auszufallen."

Stillschweigen des Aufgeforderten hat demnach ohne weiteres Zwangseintragung und Ordnungsbuße zur Folge.

Nun hat sich anläßlich einiger Rekursfälle gezeigt, daß Zwangseintragungen vorgenommen wurden, ohne daß die betroffenen Personen thatsächlich in den Besitz der an sie ergangenen Aufforderung gelangt waren.

War die Aufforderung nur durcli einen der Post übergebenen, gewöhnlichen, nicht eingeschriebenen Brief erfolgt, so ließ sich nicht leicht nachweisen, daß dieselbe erlassen worden, noch schwieriger war der Nachweis, wann und an wen sie bestellt wurde. Es kann im Bestreitungsfalle geradezu unmöglich werden, die Thatsache der Aufforderung festzustellen.

Die Folgen einer unrichtigen Zwangseintragung aber können oft nicht wieder gut gemacht werden.

Es ist deshalb notwendig, daß die Zustellung der Aufforderung zur Eintragung stets in einer Weise geschehe, die es ermöglicht, sich zu vergewissern, daß und wann sie erfolgt ist.

Wo daher die Zustellung der Aufforderung nicht auf direktem Wege durch dem Registerführer zur Verfügung stehende kantonale Angestellte (Weibel, Landjäger oder dgl.) erfolgen kann, oder wo nicht sonstwie eine sichere Zustellungsart zur Anwendung kommt (z. B. gemäß Art. 38 der Transportordnung für die schweizerischen Posten, vom 3. Dezembur 1894, wie für gerichtliche Akten"), sollen die Aufforderungen immer r e k o m m a n d i e r t zur Post gegeben werden.

Da unbestellbare Sendungen, oder Sendungen, deren Annahme durch den Adressaten verweigert wird, gemäß Art. 22 der Transportordnung für die schweizerischen Posten in der Regel sofort wieder an die Aufgabestelle zurückgelangen, so ist der Registerführer in den Stand gesetzt, seine Berechnung der für die Beantwortung der Aufforderung anberaumten Frist von fünf Tagen richtig zu treffen und die eventuelle Zwangseintragung n i c h t vor A b l a u f d e r o r d n u n g s g e m ä ß b e r e c h n e t e n F r i s t vorzunehmen.

Bei Berechnung der Frist soll nach Analogie der Vorschriften mehrerer ßundesgesetze der Tag, an welchem die Zustellung erfolgt, nicht mitgezählt werden, und die Beschwerde oder Anmeldung ist als rechtzeitig erfolgt zu betrachten, wenn sie am fünften Tage vor 6 Uhr abends eingereicht oder zur Post gegeben wurde.

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Wir ersuchen Sie, Ihre Registerführer im Sinne des Vorstehenden instruieren und sie im weiteren noch auf folgendes aufmerksam machen zu wollen : Art. 2 der Novelle vom 11. Dezember 1888 (0. R. Art. 864, Abs. 2) setzt voraus, daß der zur Eintragung in das Handelsregister Aufzufordernde auch w i r k l i c h nach 0. 865, Abs. 4 (Verordnung Über Handelsregister und Handelsamtsblatt, Art. 13) z u r E i n t r a g u n g v e r p f l i c h t e t ist.

Der R e g i s t e r f ü h r e r soll daher n i e m a n d zur Eintragung auffordern, von dem er nicht annehmen d a r f , d a ß a l l e d i e Eintragspflich b e g r ü n d e n d e n R e q u i s i t e bei ihm z u t r e f f e n . Leider wurde bisher vielfach nicht so verfahren, und es wurden Leute zur Eintragung aufgefordert und gelangten zur Eintragung, von denen sich der Registerführer bei strenger. Auffassung seiner Amtspflicht hätte sagen müssen, daß dieselben nicht eintragspflichtig sind.

Im übrigen benutzen wir gern diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschute zu empfehlen.

B e r n , den 29. Januar 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche eidgenössische Stände, betreffend Aufforderung zur Eintragung ins Handelsregister. (Vom 29. Januar 1895.)

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30.01.1895

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