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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ratifikation des am 18. Juni 1909 zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Staatsvertrages betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon.

(Vom 19. November 1909.)

Tit.

Der Simplontunnel ist am 1. Juni 1906 dem Betriebe übergeben worden. Während er im Süden gute Zufahrtslinien in der Richtung von Mailand, Genua und Turin aufzuweisen hatte, standen ihm in westlicher und nördlicher Richtung nur ungenügende Zufahrten zur Verfügung. Diese Zufahrten waren einerseits die Linie von Paris nach Lausaune und Brig, die zwischen Pontarlier und Vallorbe eine mangelhafte Strecke aufwies, und anderseits die den beiden Ufern des Genfersees entlang führenden Linien, welche von den unter sich nicht verbundenen Bahnhöfen GenfCornavin und Genl'-Eaux=Vives ausgehen. Auf der Nordseite erhob sich die hohe Mauer der ßerneralpen, welche den Kanton Bern von der neuen internationalen Verkehrsader abschloss.

Es ist daher leicht verständlich, dass unter diesen Umständen drei Kantone alle Kräfte einsetzten, um eine bessere Verbindung mit dem Simplon zu erhalten und einen grossen internationalen Verkehrsstrom durch ihre Gebiete zu leiten.

Im Westen finden wir den Kauton Genf mit dem sehr natürlichen Bestreben, an der Boute von Paris nach Mailand zu

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liegen. Zu diesem Zwecke musste er mit der kürzern Linie, welche über Vallorbe-Lausanne führt, den Kampf aufnehmen können. Infolge dieses Wetteifers entstand das Projekt der Faucille-Bahn (Lons-le=Saunier-Genf), welche durch ihre geringe Höhenlage und ihre grossen Halbmesser den Vorzug der geringern Länge, welchen die Linie über Vallorbe voraus hat, ausgleicht. Ausserdem musste der Kanton Genf die Verbindung seiner beiden Bahnhöfe Cornavin und Eaux-Vives anstreben, sowohl um der Faucillebahn ihre Fortsetzung nach dem Simplon dem einen oder dem ändern Seeufer entlang zu sichern, als auch um diese Bahn als Zufahrt zu den sich in Annemasse vereinigenden savoyischen Linien dienen zu lassen.

Der Kanton Waadt bezweckte die Verbesserung des Juraüberganges zwischen Vallorbe und Frasne oder, falls eine umfassendere Korrektion vorgezogen werden sollte, zwischen Mouchard oder Andelot oder La Joux einerseits und Bussigny anderseits. Die eine wie die andere dieser Korrektionen war geeignet, dem Kanton Waadt seine Lage an der kürzesten Linie zwisi-hen Paris und Mailand zu sichern, was für ihn die Hauptsache war.

Der Kanton Bern war genötigt, zwei Schranken zu beseitigen, um eine wirksame Verbindung mit dem Simplon zu erhallen, nämlich diejenige der Alpen, sowie die immerhin noch zu hohe des Jura. Die Lösung dieser doppelten Aufgabe verschaffte ihm den Vorteil einer internationalen Linie, welche das Gebiet des Kantons in seiner Längsachse von Delle bis zur Wallisergrenze durchzieht.

Welches war nun unsere Haltung angesichts dieser von den beteiligten Kantonen mit grosser Zähigkeit verfolgten Projekte ?

Es war die Haltung einer auf das allgemeine Wohl bedachten Behörde, die aber auch dafür besorgt ist, die wirtschaftlichen Interessen irgend eines Kantons nicht in Gegensatz zu stellen zu denen des übrigen Landes. Und als über die Konzession der Linie Frasne-Vallorbe beraten wurde, nahmen wir keinen Anstand, am 9. Dezember 1902 dem Nationalrat durch den Vorsteher unseres Post- und Eisenbahndepartements folgende Erklärung abgeben zu lassen : ,,Ohne der Zukunft oder denjenigen vorgreifen zu wollen, die dereinst dazu berufen sein werden, die Frage der Zufahrtslinien zum Simplon zum Besten des Landes zu lösen, gibt der Bundesrat der Meinung Ausdruck, dass die Projekte für solche Zufahrtslinien, sobald sie sich auf
technische Studien und ausreichende finanzielle Zusicherungen stützen, bei den Bundesbehörden die Behandlung finden sollen, wie sie das Projekt der Bahnverbindung zwischen Frasne und Vallorbe gefunden . hat, immerhin

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unter der Bedingung, dass diese Projekte alle wünschbaren Garantien bieten für die Wahrung der schweizerischen Interessen."· Diese Haltung haben wir unveränderlich bewahrt, und wir haben mit allen Kräften die Anstrengungen der verschiedenen Kantone unterstützt, deren Wünsche dahin gehen, bessere Verbindungen mit dem Simplem und einen Platz an der Route des internationalen Verkehrs zu erhalten.

In bezug auf die Art und Weise, wie das Ziel am ehesten zu erreichen war, hielten wir es für ratsam, die Fragen gesondert zu behandeln. Es war nicht unsere Schuld, wenn die Eröffnung der Abkürzungslinie Frasne-Vallorbe, welch letztere sich nur als einfache Korrektion einer bereits bestehenden Linie darstellt, nicht gleichzeitig mit der Simplonlinie erfolgen konnte, so dass wir uns jetzt mitten in der Ausführungsperiode der ändern Zufahrtslinien zum Simplon befinden würden.

Aber die bekannten Schwierigkeiten erlaubten es nicht, auf diesem Wege vorzugehen, sondern führten dazu, mit der französischen Regierung eine Gesamtiösung des Problems der Zufahvtslinien zum Simplon zu vereinbaren.

Besondere Kommissäre wurden mit dieser Aufgabe betraut, welche nach ebenso eingehenden als freundlichen Verhandlungen, die im März 1908 und Juni 1909 stattfanden, ein Übereinkommen unterzeichneten, welches von den beiden Regierungen unverändert angenommen und am 18. Juni 1909 in einen Vertrag umgewandelt wurde.

Dieser Staatsvertrag betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon regelt überdies im Sinne eines freundnachbarlichen Einverständnisses die Frage des Rückkaufs der Linie Genf-La Plaine. Die Eidgenossenschaft und der Kanton Genf hatten und bewahren das Recht, diese Linie selbständig zurückzukaufen ; aber durch die Erwähnung des Rückkaufs sowie der Betriebsbedingungen der zurückgekauften Strecke im Vertrage wird das Vorgehen sowohl für die beiden Länder als auch für alle Beteiligten erleichtert.

Trotz der grossen Opfer, welche der Vertrag der Schweiz auferlegt, können wir Ihnen mit gutem Gewissen empfehlen, diese Dokumentierung guten Einverständnisses mit unserer Nachbarrepublik anzunehmen. Er wird unsern eisenbahnpolitischen Beziehungen zu Frankreich, welche stockten, während an allen ändern Grenzen unseres Landes neue, wichtige internationale Verbindungen entstanden, einen neuen Aufschwung verleihen.

Wir wollen nun die verschiedenen vereinbarten Lösungen erörtern und behalten uns vor, am Schlüsse dieser Botschaft einige das Ganze umfassende Betrachtungen anzubringen.

2S3 Ablmrswigslinie Frasne - Vallorbe.

Der grosse Vorteil" der Abkürzung Frasne-Vallorbe, deren Ausführung durch die zwei ersten Artikel des Vertrages vorgesehen ist, besteht in der technischen Verbesserung der gegenwärtigen Verbindung Paris-Mailand über Vallorbe. Diese Verbesserung bezieht sich auf folgende Punkte: a. Abkürzung der Bahnlänge; 6. Verminderung der Steigungen und der Höhenlage der Bahn ; c. Herstellung einer durchlaufenden Doppelspur zwischen Paris und dem Genfersee ; d. Wegfall der Spitzkehre im Bahnhof Vallorbe; e. Erstellung eines einzigen internationalen Bahnhofes auf der Strecke Genf und Lausanne-Paris.

a. V e r k ü r z u n g der B a h n l ä n g e . Die . gegenwärtige Linie von Paris nach Mailand über Pontarlier und Vallorbe ist die kürzeste unter allen denjenigen, welche diese beiden Städte miteinander verbinden. Sie hat eine Länge von 836 km, während die Distanz durch den Gotthard 892 km und durch den Mont Cenis 910 km beträgt. Da die Ausführung der Abkürzung Frasne-Vallorbe die Länge um 19 km verringert, so wird die Linie Paris-Mailand inskünftig eine Länge von 817 km aufweisen und unter den gegenwärtigen und zukünftigen Linien zwischen diesen beiden Grossstädten die kürzeste sein.

Die konkurrierenden Routen werden nämlich folgende Distanzen aufweisen : Paris-Neuenburg-Bern-Lötschberg-Mailand . . . ; 828 km Paris-Faucille-Genf-linkes Ufer dea Genfersees-Mailand 849 ,, Paris-Delle-Münster-Lengnau-Biel-Lötschberg-Mailand . 852 ,, Paris-Faucille-Genf-rechtes Ufer des Genfersees-Mailand 860 ,, Diese kürzeste Distanz verbleibt der Linie über Vallorbe selbst im Falle der Ausführung der Montblanc-Linie oder einer neuen Abkürzung von Lengnau nach Lyss.

Daraus erklärt sich das bedeutende Interesse, welches mit der Linie Paris-Simplon über Vallorbe stets verbunden sein wird, selbst wenn andere Linien im Falle wären, virtuelle Längen aufzuweisen, welche den der Linie über Vallorbe zukommenden Vorteil der Effektivdistanz ausgleichen würden. Dieser Vorteil der kürzesten Distanz ist besonders von der Gesellschaft der ParisLyon-Mittelmeerbahn, welcher daran gelegen ist, zwischen Paris und Mailand über die kürzeste Route zu verfügen, von jeher betont worden.

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Nach den letzten Angaben soll die Länge der Abkürzung Frasne-Vallorbe ungefähr 24,300 m betragen, wovon ungefähr 1835 m auf schweizerisches Gebiet entfallen. Der Tunnel des Mont d'Or wird eine Länge von ungefähr 6175 m aufweisen, und die Grenze wird auf der Seite der schweizerischen Tunnelmündung, ungefähr 2450 m von der Achse des gegenwärtigen Aufnahmsgebäudes in Vallorbe entfernt, liegen.

b. V e r m i n d e r u n g der Steigungen und der Höhenl a g e der L i n i e . Der höchste Punkt der gegenwärtigeu Lioie Frasne-Pontarlier-Vallorbe liegt 1014 m ü. M. und derjenige der direkten Linie 896 m ü. M., woraus sich eine Herabsetzung des Kulminationspunktes um 118 m ergibt.

Die höchste Steigung beträgt auf der gegenwärtigen Linie 25 °/oo und auf der direkten Linie nur 15 %o (13 %o im Mont d'Or-Tunnel).

Diese zwei Tatsachen, die Verminderung der Höhenluge und der Steigungen, werden den Betrieb der Linie besonders während des Winters erleichtern und die meisten Übelstände, welche der jetzigen Linie anhaften, beseitigen.

c. Herstellung einer d u r c h g e h e n d e n Doppelspur zwischen Paris und dem Becken des Genfersees. Es kann nicht genug darauf hingewiesen werden, dass die Doppelspur zur Sicherung eines guten internationalen Verkehrs nötig ist. Nun ist auf der Strecke Genf und Lausanne-Paris diese Doppelspur zwischen Vallorbe und Pontarlier noch nicht erstellt, was eine Verlängerung der Fahrzeiten zur Folge hat. Dieser Übelstand wird nach der Betriebseröffnung der Abkürzung FrasneVallorbe, welche von vornherein doppelspurig erstellt wird, verschwinden.

d. Beseitigung der Spitzkehre im B a h n h o f V a l l o r b e . Auch hier schaltet die Abkürzung einen der Übelstände der gegenwärtigen Linie aus, der sich in einem Zeitverlust für den Reisenden und einem komplizierteren Betriebe für die Eisenbahnen geltend macht.

e . E r s t e l l u n g e i n e s e i n z i g e n i n t e r n a t i o n a l e n Bahnh o f e s auf der S t r e c k e G e n f und L a u s a n n e - P a r i s . Diese Lösung ist für die Reisenden wie für die Verwaltungen gleich vorteilhaft. Sie ermöglicht es, auf dem Bahnhofe Vallorbe neben der Zollabfertigung beider Länder auch ihren Post-, Telegraphen-, Telephon-, Sanitäts- und Polizeidienst einzurichten. Während der Zeit der Dienstübergabe zwischen den Verwaltungen der schweize-

285 rischen Bundesbahnen und der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn unterzieht, sich der Reisende der Zollabfertigung und hat alle Bequemlichkeiten eines grossen internationalen Bahnhofes zu seiner Verfügung. Dies wird sowohl für den Personen- als für den Güterverkehr einen enormen Fortschritt gegenüber dem gegenwärtigen Zustand bedeuten, bei welchem die Abfertigungshandlungen sich zwischen dem schweizerischen Bahnhof Vallorbe und dem französischen Bahnhof Pontarlier teilen, was eine doppelte Störung sowohl für die Reisenden als auch für die Güter nach sich zieht.

Die französische Regierung wünscht diese Einrichtung eines einheitlichen internationalen Bahnhofes auf die neuen Linien auszudehnen, welche Frankreich mil den benachbarten Staaten verbinden werden, und hat zu diesem Zwecke den Gedanken der Einberufung einer internationalen Zollkonferenz angeregt, dem wir gerne zugestimmt haben.

Zusammenfassend machen wir über die technischen Verhältnisse der zukünftigen Verkehrsader Paris-Mailand folgende Angaben : Länge: 817 km.

Maximalsteigungen : Zwischen Varzo und Domodossola 25°/oo.

., Mouchard und Frasne 20°/oo.

Vallorbe und Daillens 20°/oo.

n Kulminationspunkte : Mont d'Or 896 m.

Simplon 705 m.

Doppelspur: Paris-Martigny; Granges-Siders ; Galarate-Mailand 622 km.

Keine Spitzkehre.

Ein einziger internationaler französisch-schweizerischer Bahnhot in Vallorbe.

Ein einziger internationaler italienisch-schweizerischer Bahnhof in Domodossola.

Diese Umstände ermöglichen einen vortrefflichen internationalen Betrieb und erschöpfende Ausnutzung der natürlichen Vorzüge des Simplons, der zwischen Frankreich und Italien eine sehr schnelle und sehr leistungsfähige Verbindung herstellen wird. In bezug auf die neueu Verkehrszonen, welche die Abkürzung Frasne-Vallorbe für den Simplon gewinnt, darf man sich keinen zu grossen Illusionen hingeben. Diese Zonen sind gering. Was die Linie Frasne-Vallorbe jedoch zur Entwicklung bringen wird, ist der Personen- und Güterverkehr der Gegenden, welche von der gegenwärtigen Linie Paris-Pontarlier-Mailand durchzogen

286 werden. Für diesen Verkehr bildet die dermalige mangelhafte Juraüberschienung ein eigentliches Hindernis. Er ist aber sehr entwicklungsfähig, und wir möchten last sagen, dass, vom Gesichtspunkte der Beziehungen zwischen Paris und dem reichen Gebiete des Genfersees aus betrachtet, die Erstellung der Abkürzungslinie Frasne-Vallorbe heutzutage eine Notwendigkeit für beide Länder sei.

Stellen wir nun fest, auf welchen rechtlichen und finanziellen Grundlagen die Abkürzungslinie gebaut und betrieben werden soll.

R e c h t l i c h e G r u n d l a g e n . Diese Grundlagen sind der gegenwärtige internationale Vertrag, die eidgenössische Konzession für eine Eisenbahn Vallorbe-Landesgrenze am Mont d'Or vom 18. Dezember 1902, welcher eine französische Konzession für die Strecke von Frasne nach der Grenze als Seitenstück dienen wird, und endlich der Vertrag zwischen der Jura-Siinplon Bahn, bezw.

den schweizerischen Bundesbahnen und der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn vom 14./15. Oktober 1902 betreffend den Bau und Betrieb einer bei Vallorbe an das schweizerische Bahnnetz anschliessenden Linie durch den Mont d'Or, nebst dessen Ergänzung durch Nachtrag vom 7./8. Juni 1909.

Da unsere Botschaft vorn 9. Oktober 1902 (Bundesbl. 1902.

IV, 623) in alle nähern Einzelheiten eingeht, so dürfen wir uns hier darauf beschränken, in grossen Zügen das Wesentliche der eidgenössischen Konzession der Linie Vallorbe-Landesgrenze am Mont d'Or, welche Sie durch Bundesboschluss vom 18. Dezember 1902 (E. A. S., XVIII, S. 245) der Jura-Simplon-Gesellschaft zuhanden der Gesellschaft der Puris-Lyon-Mitlelmeerbahn erteilt haben, auseinanderzusetzen. Den Bestimmungen dieser Konzession gemäss bleibt die Gesellschaft der Paris Lyon-Mittel meerbahn bis 1958 Eigentümerin der Linie von der französischen Grenze bis zum Bahnhof Vallorbe. Am 1. Januar 1959 soll die Linie unentgeltlich an die schweizerischen Bundesbahnen zurückfallen und ihnen in vollkommenem Zustande übergeben werden.

In Ausführung dieser Konzession ist zwischen der Paris-LyonMittelmeerbahn und der Jura-Simplon-Bahn, bezw. den heutigen schweizerischen Bundesbahnen der obenerwähnte Vertrag vom 14./15. Oktober 1902 zustande gekommen, den wir gemäss Art. 15 der Konzession genehmigt haben. Gemäss dem Worllaute dieses Vertrages liegt der schweizerischen Bundesbahn die Einrichtung
des Bahnhofes Vallorbe entsprechend seiner neuen Bestimmung ob; auch bleiben sie Eigentümer desselben, während der ParisLj'on-Mittelmeerbahn die Mitbenützung zusteht. Die Paris-LyonMittelmeerbahn erhebt die Einnahmen der Linie Frasne-Vallorbe bis zur Achse des Aufnahmsgebäudes im neuen Bahnhof Vallorbe,

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-welche den Schnittpunkt für die Tarife der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und der schweizerischen Bundesbahnen bilden wird. Am 1. Januar 1959 werden der technische Anschlusspunkt (Eintrittsweiche des ßahnhofes Vallorbe, französische Seite) und der Schnittpunkt tur die Tarife an die Grenze verlegt. Der Zusatzvertrag vom 7./8. Juni 1909 berührt diese Bedingungen nicht.

F i n a n z i e l l e G r u n d l a g e n . Die Schweiz beteiligt sich mit keinem finanziellen Beitrage am Bau der Linie Frasne-Vallorbe, von welcher sie bis 1. Januar 1959 auch keine Einnahmen bezieht. Um aber den Vorteilen Rechnung zu tragen, die ihr aus dem Bau der Linie Frasne-Vallorbe erwachsen, wird die ParisLyon-Mittelmeerbahn durch die schweizerischen Bundesbahnen auf folgende Weise begünstigt werden : Statt sich von ihr die Hälfte der gemeinschaftlichen Ausgaben für die Miete und den Betrieb des Bahnhofes Vallorbe bezahlen zu lassen, werden sie diese Hälfte um eine jährliche Summe von Fr. 290,000, welche der von den schweizerischen Bundesbahnen zu bezahlenden Hälfte hinzugefügt werden soll, vermindern. Diese Kombination, welche den Umständen in billiger Weise Rechnung trägt, bildet den Gegenstand des Art. 5 des Zusatzvertrages vom 7./8. Juni 1909.

Vom formellen Gesichtspunkte aus bemerken wir, dass der genannte Zusatzvertrag vom Verwaltungsrat der schweizerischen Bundesbahnen genehmigt worden ist und dass auch wir demselben gemäss Art. 15 der eidgenössischen Konzession Vallorbe-Grenze vom 18. Dezember 1902 die Genehmigung erteilen werden.

Die Konzession, der Vertrag und der Zusatzvertrag finden sich in der Beilage zu der Botschaft.

Wir erwähnen noch, dass der Anschluss der französischen und schweizerischen Bahnen in Vallorbe den Abschluss einer Reihe von französisch-schweizerischen Verträgen betreffend den Zoll-, Post-, Telegraphen und Telephon-, Sanitäts-, Veterinär- und Polizeidienst zur Folge haben wird, welche Verträge wir Ihnen seinerzeit vorlegen werden, wie dies bezüglich der gleichartigen Verträge für die Linie Brig-Domodossola geschehen ist.

Die Abkürzung Bussigny-Vallorbe.

Diese Abkürzung figuriert im Vertrage weder als sofortige noch als demnächstige Lösung. Art. 3 des Vertrages bestimmt einfach, dass das ,,Studium einer Abkürzung von Bussigny nach Valloibe den Gegenstand neuer Verhandlungen zwischen den beiden Staaaten zu bilden habe, sobald die beteiligten zwei Eisenbahnverwaltungen finden werden, dass die Verkehrsentwicklung

288 die Erstellung dieser Abkürzung erheische". Wir wünschen gewiss, dass diese Entwicklung derart sein möchte, dass die Erstellung der Abkürzung sich ohne Verzug aufdrängen würde.

Aber so weit sind wir noch nicht. Das zweite Geleise, welches die schweizerischen Bundesbahnen in vorzeitiger Ausführung des Art. 2 des Vertrages Paris-Lyon-Mittelmeerbahn -- Jura-SimplonBahn vom 14./15. Oktober 1902 mit grossen Kosten zwischen Vallorbe und Daillens erstellt haben, genügt für den in Aussicht genommenen und noch zu gewärtigenden Verkehr auf der Linie Paris-Vallorbe-Simplon. Gewiss ist die Beseitigung der Steigungen von 20 %o auf dieser Strecke wünschenswert, ebensowohl als auf der französischen Strecke Mouchard-Frasne. Sie würde eine sehr schätzenswerte Abkürzung auf schweizerischer Seite bewirken, aber auch einen grossen Kapitalaufwand und doppelte Betriebskosten bedingen, welche die schweizerischen Bundesbahnen nicht zu tragen vermöchten, selbst wenn der Kanton Waadt sich an dem Unternehmen beteiligen würde. Wir konnten daher dein dringenden Ansuchen Frankreichs nicht nachgeben und keine ö w weitergehendere Verpflichtung eingehen, als im Vertrage niedergelegt ist. Es wird wesentlich von Frankreich und der Paris-LyonMittelmeerbahn abhängen, dem Art. 3 eine praktische Tragweite zu geben, indem sie einen derartigen Verkehr auf die Linie ParisVallorbe-Simplon lenken, dass die gegenwärtige Doppelspur nicht mehr genügt, um ihn zu bewältigen, und die Erstellung der Abkürzung sich aufdrängt.

Abkürzung Bussigny-Morges.

Diese Abkürzung ist gebaut, aber nicht im Betriebe. Der Vertrug (Art. 4} sieht die Wiedereröffnung des Betriebes auf den Zeitpunkt vor, in welchem von der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn im Einverständnis mit den schweizerischen Bundesbahnen besondere direkte Züge von Paris nach Genf und urngekehrt eingerichtet werden.

Die Frage der Abkürzung Bussigny-Morges, welche bis jetzt eine durchaus interne Angelegenheit bildete, kann daher internationale Bedeutung erlangen, sobald die Paris-Lyon Mittelmeerbahn und die schweizerischen Bundesbahnen zwischen Paris und Genf einen hinreichenden Personenverkehr aufweisen werden, um direkte Züge zwischen beiden Städten zu alimentieren.

Wir glauben jedoch, dass die Frage der Abkürzung Bussigny-Morges eher auf innerem als auf internationalem Boden ihre Lösung finden wird. Wenn einmal der Bahnhof Genf Cornavin in das Eigentum der Bundesbahnen übergegangen und von ihnen

289 erweitert sein wird, wird es sieh in der Tat empfehlen, in demselben für die Linien Genf-Bern uud Genf-Neuenhurg besondere Güterzüge zu formieren, wie sie gegenwärtig wegen Platzmaugel im Genfer Bahnhofe in Renens gebildet werden. Wir wollen jedoch dieser Frage, die an technischen Schwierigkeiten überreich ist, nicht vorgreifen.

Im gleichen Artikel des Vertrages findet sich eine andere Bestimmung zu Gunsten des Kantons Genf, welche vorsieht, dass die beteiligten Verwaltungen, d. h. vor allen die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und die schweizerischen Bundesbahnen, die direkte Führung der Personenwagen von Paris nach Genf über MoucliardVallorbe und umgekehrt erleichtern werden. Ein sehr wichtiger Schritt in diesem Sinne ist insofern erfolgt, als die neuen Einrichtungen im Bahnhofe Retiens den schweizerischen Bundesbahnen die Möglichkeit gewährt haben, den Umweg über Lausanne für mehrere dieser direkten Wagen zu vermeiden.

Doppelspur St. Maurice-St. GingolpTi-Grenze (Art. 7).

Die Linie von Annemasse nach St. Gingolph über Thonon und Evian ist nicht für den grossen Verkehr erstellt worden. Zu diesem Zwecke mussi e sie verbessert und mit einem zweiten Geleise versehen werden Für diesen Fall hat die französische Regierung gewünscht, dass die schweizerische Regierung ihrerseits die Strecke St. Gingolph-St. Maurice mit einem zweiten Geleise versehe. Wir hatten keinen GrunH, diesem Gesuche nicht zu entsprechen, da das entscheidende Moment für die Legung eines zweiten Geleises auf dem französischen Ufer des Genfersees in der Entwicklung des nach dem Simplon bestimmten Verkehrs zu suchen sein wird.

Eine sofortige Ausführung verlangt Art. 5, welcher vorsieht, dass die auf dem französischen Ufer des Genfersees verkehrenden Züge in St. Maurice soviel als möglich guten Anschluss an die Züge der Simplonbahn über Lausanne erhalten sollen.

Der französischen Linie des Genfersees zukommender Verkehr vor Erstellung der Faucillebahn und der Verbindungslinie.

Nach den Bestimmungen des Art. 6 des Vertrages wird der Linie auf dem französischen Ufer des Genfersees derjenige Teil des französisch-italienischen Güterverkehrs überlassen, für den sie die kürzeste Linie bietet. Damit tritt nur eine Bestätigung des gegenwärtigen Zustandes ein.

290 Münster-Grenchen-Lenc/nau.

Wir verlassen hier das Kapitel über die Bahn Frasne-Vallorbe und die damit im Zusammenhange stehenden Linien (Art. l bis 7 des Vertrages), um die Frage der Münster-Grenchen Bahn, welche die grössten Schwierigkeiten geboten hat und die im wesentlichen auch die Frage der Lötschbergbahn ist, zu erörtern.

Wie schon gesagt, haben wir immer die Berechtigung der vom Kanton Bern gemachten Anstrengungen anerkannt, um sich ebenfalls eine gute Zufahrtslinie zum Simplon zu sichern. Diese Berechtigung ist übrigeas von keiner Seite bestritten worden. Dagegen hat die Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen -- nicht ohne gute Gründe hierfür anrufen zu können -- darauf hingewiesen, dass die Lötschbergunternehmung angesichts des gewaltigen Kapitalaufwandes, den sie erfordere, und des Schadens, den sie den kaum konsolidierten Bundesbahnen zufügen könne, als ein verfrühtes Unternehmen betrachtet werden müsse. Immerhin haben die Bundesbahnen anderseits zugeben müssen, dass es sich nicht um eine neu geschaffene Sachlage handelt, dass die Lötschbergbahn schon seit dem Jahre 1891 konzessioniert ist und dass das ßundesgesetz von 1897 über den Rückkauf ihnen keine Monopolstellung eingeräumt habe, die ihnen gestatten würde, eine unangenehme Konkurrenz fernzuhalten.

Nachdem die bernischen Interessenten das für den neuen Alpendurchstich erforderliche Kapital zusammengebracht hatten, wurde der Bau der Lötschbergbahn beschlossen und die Wahl der technischen Normen der Linie derart getroffen, dass letzterer die Gleichstellung mit dem Gotthard gesichert war.

Auf unsern Antrag haben Sie der Berner Alpenbahn Gesellschaft eine Subvention für die doppelspurige Anlage des Tunnels gewährt und, indem Sie noch weiter gingen als wir, diese Subvention von 5 auf 6 Millionen erhöht, damit die ganze Linie Frutigen-Brig für den zweigeleisigen Ausbau vorbereitet werde (vgl. unsere Botschaft vom 28. Mai 1907, Bundesbl. 1907, IV, S. l, und Ihren Beschluss vom 24. September 1907, E. A. S., XXIII, S. 231).

Aus der Lötschbergfrage ging die Frage des Juradurchstiehs zwischen Munster und dem Aartale hervor. Hier handelt es sich dagegen um eine völlig intakte Sachlage, da noch keine Konzession erteilt worden war. Von dem Standpunkte ausgehend, dass der Bau der Haupllinien in Zukunft Sache der Bundesbahnen sein
solle, dass es aber zurzeit noch nicht zweckmässig sei, zur Erstellung der Linie Münster-Grenchen zu sehreiten, sprach sich die Verwaltung der Bundesbahnen in ihrer Vernehmlassung gegen

291 die Erteilung einer Konzession für diese Linie aus. Wir hielten es nicht für angezeigt, uns diesem Einsprüche anzuschliessen (siehe unsere Botschaft vom 19. Juni 1903, Bundesbl. 1903, III, 8. 429) und Sie haben, von einer ebenso weil herzigen Auffassung der Frage der Zufahrten zum Simplon beseelt^ dem Initiativkomitee die verlangte Konzession erteilt (E. A. 8. XIX, S. 189). Schliesslich wurde auf unsern Antrag durch Ihren ßeschluss vom 24. Juni 1909 (E. A. S. XXV, S. 166) die Konzession auf die Berner Alpenbahn-Gesellschaft übertragen.

Die Gesellschaft der Berner Alpenbahn Bern-LötschbergSimplon ist demnach heute im Besitz einer Konzession für eine Hauptliüie von Münster nach Grenchen mit eventuellen Abzweigungen nach Biel und Solothurn.

Nach der Konferenz vom 3. März dieses Jahres, in welcher unser Eisenbahndepartement erklärte, dass es zu einer Umgehung der Stadt Biel nicht Hand bieten könnte, hat die Berner Alpenbahn-Gesellschaft für den Juradurchstich folgendes Tracé angenommen: Münster S. B. B.-Grenchen-Lengnau S. B. B.-Biel. Zwischen Munster und Grenchen ist ein Tunnel von ungefähr 8250 m Länge vorgesehen, der in einen neuen Bahnhof Ober-Grenchen ausmünden wird. Von hier aus führt die Linie dem Abhänge des Berges folgend nach Lengnau hinunter, wo sie in die S. B. B.Linie Olten-Biel einmündet. Die Linie Münster-Lengnau wird eine ungefähre Länge von 12,570 m aufweisen.

Vom internationalen Standpunkte aus betrachtet, beseitigt, die Linie wirklich das Hindernis der Jurakette, da sie dieselbe bei einer Maximalhöhenkote von 550 m durchbohrt. Von Paris, Calais und Nancy wird man daher nach Biel und Bern auf einer Tallinie gelangen, an welche sich die Lötschberglinie mit einer höchsten Kote von 1245 m und die Simplonlinie mit einer solchen von nur 705 m anschliessen werden.

Aber die Münster-Lengnau-Bahn bedeutet eine weitere Ausgabe von wenigstens 20 Millionen, welche nicht vom Privatkapit»!

allein aufgebracht werden konnte. Mit Zustimmung der französischen Regierung wird sich daher die französische Ostbahn an der Finanzierung der neuen Linie beteiligen, allerdings in der Erwartung, für einen Teil des gezeichneten Kapitals ein Entgelt zu erhalten.

Zu diesem Zwecke war eine Verständigung über die Teilung des Verkehrs zwischen den schweizerischen Bundesbahnen und der Linie Münster-Lengnau notwendig. Wir schicken gleich voraus, dass wir einer solchen Verständigung nicht zugestimmt hätten, wenn die vorgesehene Teilung wichtige Interessen der schweife-

292 rischen Bundesbahnen im Sinne des Art. 21 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1901 betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen verletzt hätte. Wir haben uns daher gemeinsam mit den Bundesbahnen bemüht, eine für alle Beteiligten annehmbare Formel für die Verkehrsteilung zu suchen. Diese Formel ist gefunden und in dem am 3. Juni 1909 zwischen den schweizerischen Bundesbahnen und der Berner Alpenbahn-Gesellschaft abgeschlossenen Vertrage, welcher die gegenseitigen Beziehungen und Konkurrenzverhältnisse im Güterverkehr zu regeln bestimmt ist, niedergelegt worden. Dieser Vertrag gilt, was wir ausdrücklich betonen, nur für die Linie Münster-Lengnau, nicht auch für die Lötschberglinie (Spiez-Brig), deren Verkehrsteilung mit deu schweizerischen Bundesbahnen noch zu vereinbaren sein wird. Dieser Vertrag bildet den Gegenstand eines ausführlichen Berichtes der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen an den Verwaltungsrat der schweizerischen Bundesbahnen und wurde von letzterer Behörde genehmigt.

Wir beschränken uns darauf, zu bemerken, dass der genannte Vertrag vom Inkrafttreten des Staatsvertrages mit Frankreich vom 18. Juni 1909 abhängt, dass er für die Linie Münster-Lengnau 23 Taril'kilomeler vorsieht und bestimmt, dass der Hauptverkehr, d. h. der Transitverkehr, der Linie Münster-Lengnau, soweit sie die tarifmässig kürzeste ist, zu 70% und den schweizerischen Bundesbahnen zu 30% zufalle. In Zahlen ausgedrückt bedeutet die genannte Teilung für die schweizerischen Bundesbahnen einen ungefähren Verlust von mindestens Fr. 750,000.

Nach Ordnung der Verkehrsteilung handelte es sich um die Frage des Betriebes der Linie. Sollte die Berner Alpenhahn-Gesellschaft den Betrieb dieser in das Netz der schweizerischen Bundesbahnen eingeschlossenen kurzen Strecke von kaum 13 km selbst übernehmen? Dies wäre für sie kostspielig und für die schweizerischen Bundesbahnnn unbequem gewesen. Daher haben beide Parteien unserem Eisenbahndepartemeut am 3. Juni 1909 übereinstimmende Erklärungen abgegeben, aus welchen hervorgeht, dass die schweizerischen Bundesbahnen sich verpflichten, den Betrieb der Linie Münster-Lengnau zum Betrage der Selbstkosten nebst einem billigen Zuschlag für allgemeine Verwaltungskosten zu übernehmen.

Dieses Zusammentreffen von Umständen und Verträgen, die einen entscheidenden
Einfluss auf das gluckliche Zustandekommen des Vertrages ausgeübt haben, findet einen mittelbaren Ausdruok im Art. 8 des Staatsvertrages mit Frankreich, der folgenden Wortlaut hat:

293 ,,Wenn die zwischen der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen und den neuen Konzessionären der Linie MünsterGrenchen über die Verkehrsteilung erzielte Verständigung endgültig ·angenommen sein wird, so wird die französische Regierung die Ostbahngesellschaft ermächtigen, sich an dem für diese Linie nötigen Baukapital zu beteiligen unter dem Vorbehalt, dass diese Linie zwei Jahre nach der Vollendung der Lötschbergbahu fertig erstellt sein wird."

Wir halten darauf, hier eine wichtige Bemerkung anzubringen, ·nämlich die, dass sowohl die Lötschbergbahn als die Linie MünsterLengnau im Gegensatze zur Gotthardbaha rechtlich auf vollständig ·schweizerischem Boden erstellt werden. Der Bund hat es nur mit -einer Privatgesellschaft zu tun und nicht mit auswärtigen Staaten, und diese Privatgesellschaft, die Berner Alpenbahn-Gesellschaft, ist ·eine schweizerisi-he. Damit ist jede Quelle eines internationalen Konfliktes auf sicherste Weise ausgeschaltet.

Im Verlaufe der französisch-schweizerischen Verhandlungen ·über die Zufahrtslinien zum Simplon wurde von der französischen Delegation auf die grosse Entwicklung der Industrie im Norden und Osten Frankreichs hingewiesen, welche einen bedeutenden Exportverkehr aus jenen Gegenden nach Italien erhoffen lasse. Die fran.zösische Delegation wünschte daher für die Linie Delle Lötschberg-Simplon ein möglichst direktes Tracé und folglich die Durchquerung ·der Aareebene von Grenchen in der Richtung nach Busswil.

Von den Rücksichten abgesehen, welche die Stadt Biel als industrieller Mittelpunkt der betreffenden Gegend verdient, hielten wir -es für angezeigt, auf die dargelegten Absichten nicht einzugehen, bis der in Aussicht gestellte Verkehr eine greifbare Gestalt angenommen haben würde. Man wird sich daher der Linie MünslerLengnau-Biel solange bedienen, als sie die Abwicklung des Verkehrs in rationeller Weise zu bewältigen vermag, und wenn dies nicht mehr der Fall zu sein scheint, so würde das weitere Vorgehen nach der in das Konferenzprotokoll aufgenommenen Erklärung erfolgen, die lautet: ,,Wenn die beiden Regierungen ·dafür halten, dass die Entwicklung des Verkehrs die Erstellung -einer weitern Abkürzungsliuie in der Richtung nach Bern notwendig mache, wird das Studium dieser Frage den Gegenstand neuer ·Unterhandlungen zwischen den beiden Staaten bilden."
Wir glaubten, diese Genugtuung der französischen Regierung nicht vorenthalten zu dürfen. Da man uns neuen Verkehr zuführen will, schien es uns, dass wir in uns selbst und in unsere Kraft zur Hebung des Verkehrs mindestens so viel Vertrauen setzen -sollen, als uns die ändern entgegenbringen.

Bundeablatt. 61. Jahrg. Bd. VI.

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294: Nach dem Wortlaut der Erklärung ist es überdies ausgeschlossen, dass wir je zur Erstellung der Abkürzung bewogea werden können, wenn wir dabei nicht auf unsere Rechnung kommen.

Indem wir hier unsere Auseinandersetzungen über die Frage der Münster-Grenchen-Bah n beendigen, bemerken wir noch, dass, obwohl bei dieser Frage Rücksichten auf den internationalen Verkehr vorwogen, doch nicht vergessen werden darf, dass durch die neue Linie unser Eisenbahnnetz zwischen Basel und der Westschweiz verbessert wird.

Füucille-Linie.

Unter allen zwischen Frankreich und der Schweiz schwebenden Eisenbahnfragen war die Frage der Faucille-Linie offenbar am schwierigsten zu lösen. Indessen haben die Verhandlungen doch zu einem Ergebnis geführt, das einige als ein negatives bezeichnet haben, das wir aber für ein positives halten. Denn vor dem gegenwärtigen Vertrag war keine Faucille-Linie möglich, da alles bestritten war. Heute dagegen, wo alle Fragen im Einverständnis mit der französischen Regierung und der Paris-LyonMittelmeerbahn geregelt sind, könnte die Faucille-Linie zur sofortigen Ausführung gelangen.

Wenn wir uns heute fragen, wodurch die Erstellung der Faucille-Linie verzögert werde, so findTM wir lauter Momente, die vollständig ausserhalb der Aktionssphäre der Schweizer Regierung stehen. Denn sämtliche Fragen, die sich auf die Durchführung schweizerischen Gebietes und die Teilung des Verkehrs beziehen, sind im Vertrage geregelt, und es bleibt nur noch die Frage der für den Bau der Linie auf französischem Gebiete aufzubringenden finanziellen Hülfsmittel zu erledigen übrig. Der Kanton Genf kann sich an der Erstellung dieser Linie nach Belieben finanziell beteiligen, und der Bund wird seinerseits seinen Anteil tragen, indem er die Erstellung der schweizerischen Strecke übernimmt, was eine bedeutende finanzielle Leistung darstellt.

Es scheint somit, dass nichts die französische Regierung hätte abhalten sollen, unserm dringenden Gesuche nachzukommen und die Verpflichtung einzugehen, an die Erstellung der Faucille-Bahn innert bestimmter Frist heranzutreten. Die französische Regierungerklärte jedoch, sich nicht dazu entschliessen zu können, indem sie darauf hinwies, dass das Faucilleprojekt in technischer und finanzieller Beziehung noch zu unsicher sei.

Hätten wir unter diesen Umständen die Aufnahme der Frist als eine für den Abschluss des Vertrages unerlässliche Bedingung

295 hinstellen sollen? Eine solche Politik hielten wir nicht für empfehlenswert und glaubten vielmehr, dass die neuen Bande, welche die beiden Abkürzungslinien Frasne-Vallorbe und MünsterLengnau nächstens zwischen Frankreich und der Schweiz schaffen werden, unfehlbar die Erstellung der grossen Verkehrsader der Faucille nach sich ziehen werden, welche mit ihrer Verlängerung durch den Simplon vollends den Namen einer Tallinie zwischen Frankreich und Italien durch Jura und Alpen wird beanspruchen dürfen.

In Ermangelung der Aufnahme einer Fristbestimmuag hatten wir im Einverständnis mit dem Staatsrat des Kantons Genf der französischen Regierung vorgeschlagen, sich nachstehender Formel aazuschliessen: ,,Die französische Regierung verpflichtet sich, die nötigen Massnahmen zutreffen, um die Erstellung der Linie Lous-le-Saunier-- Schweizer Grenze, genannt Faucillebahn, zu sichern, sobald der Ausweis über genügende Hülfsquellen zur Ausführung dieses Unternehmens erbracht sein wird, und die schweizerische Regierung wird das Nötige vorkehren, um die Verlängerung der Linie bis Genf zu sichern."

Diese Formel ist indessen von der französichen Regierung ebenfalls nicht angenommen worden, da sie vermeiden wollte, die ihr von den Interessenten eingereichten Pläne und Kostenvoranschläge als ungenügend zurückweisen zu müssen.

Unter diesen Umständen hat der Art. 12 des Vertrages folgenden Wortlaut erhalten: ,,Wenn die französische Regierung zum Bau einer Linie von Lons-ie-Saunier nach Genf durch die Faucille schreiten wird, so wird die schweizerische Regierung das Nötige vorkehren, um deren Erstellung auf Schweizergebiet zu sichern."1 Wir werden nun darstellen, dass wir durchaus alles getan haben, um die Hindernisse, die der Faucille-Bahn entgegenstehen, zu beseitigen und so die französische Regierung zu veranlassen, sobald als möglich mit dem Bau dieser Linie gemäss vorstehendem Artikel beginnen zu lassen.

In Genf galt mit Bezug auf die Faucille lange Zeit das Losungswort Faucille-Simplon auf dem schweizerischen Ufer. Dieses echt eidgenössische Losungswort wurde in Frankreich lebhaft bekämpft, weil die beiden Bahnhöfe in Genf nicht miteinander verbunden sind und Savoyen von der neuen Linie somit nur indirekt Nutzen gezogen hätte. Wir haben die Bedeutung dieses Einspruches erkannt und uns demnach verpflichtet -- zur Zeit, wo

296 die Verwirklichung des Faucilleprojektes gesichert sein wird -- auf Grund eines technischen und finanziellen, mit der Genfer Regierung zu vereinbarenden Programmes (Art. 13 des Vertrages) eine Verbindungsbahn zwischen den Bahuhöfen Cornavin und Eaux-Vives zu erstellen. So wird ein durchgelfendes Geleise zwischen Paris und Annemesse, dem Knotenpunkt der savoyischen Eisenbahnen, zustande kommen.

Infolge der Losung Faucille-Simplon auf dem schweizerischen Ufer sollte der Verkehr gänzlich dem rechten Ufer zufallen, was den Widerspruch des savoyischen Ufers und der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn als Eigentümerin der Linie des sudlichen Ufers hervorrief. Auch hier haben wir das äusserste Entgegenkommen gezeigt, indem wir in Art. 17, Absatz l, folgendes bestimmten: ,,Der französisch-italienische Güterverkehr, für den die kürzeste Route durch die Faucille und den Simplon führt, wird in beiden Richtungen zwischen den Linien auf dem rechten und linken Genferseeufer zur Hälfte geteilt.a Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Paris-LyonMittelmeerbahn gegenwärtig aus dem ihr auf der Linie Genf- EauxVives-Annemasse übergebenen Verkehr Vorteil zieht, hat der Vertrag den Lokalverkehr von Genf wie folgt geregelt: ,,Der Lokalverkehr von Genf (Genf-Cornavin und Stationen der Verbindungsbahn, unter Ausschluss von Genf- Eaux-Vives) mit Italien durch den Simplon verbleibt in beiden Richtungen den schweizerischen Bundesbahnen. Als nicht zum Lokalverkehr gehörig werden die Gütersendungen von und nach Frankreich und weiter betrachtet, die in Genf zur Réexpédition gelangen, ohne den Bahnhof oder die unter Bahnaufsicht stehenden Lagerhäuser verlassen zu haben."

Zugunsten unserer spätem Auseinandersetzungen über die Anwendung der Tarife der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn auf Genfergebiet können wir jetzt schon feststellen, dass die grossen materiellen Interessen Frankreichs und der Paris-Lyon-Mittel meerbahn, die mit dem Baue der Faucillebahn verknüpft sind, vollständig befriedigt werden, und zwar in einer Weise, die auch noch mit den Interessen der Schweiz und der Bundesbahnen vereinbar ist.

Es blieben nun noch die Eigentums- und Betriebsverhältnisse der Eisenbahnen auf Genfergebiet zu ordnen, wobei auf die verwickelten Interessen der schweizerischen Bundesbahnen und der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn Rücksicht zu nehmen war.

Das Studium der Frage liess bald erkennen, dass es im Interesse aller Parteien lag, zu nachstehenden Resultaten zu ge-

297 langen, welche dem Rückkaufe der Linie Genf-La Plaine Rechnung tragen : 1. Jedes Land wird Eigentümer der auf seinem Gebiete gelegenen Linien. An der Grenze erfolgt daher der Eigentumsanscbluss zwischen-der Paris-Lyon Mittelmeerbahn und den schweizerischen Bundesbahnen, welche Eigentümer der von Genf-Cornavin nach La Plaine-Grenze (Lyoner Linie), nach Meyrin-Grenze (Faucille-Linie) und nach Annemasse-Grenze (Verbindungsbahn) ausstrahlenden Linien sein werden.

2. Die schweizerischen Bundesbahnen werden den Betrieb dieser Linien übernehmen, d. h. sie werden mit ihrem Personal den Stationsdienst und den Bahndienst bis zur Grenze besorgen, während der Zugsdienst auf folgende Weise eingerichtet wird: Linie Genf-La Plaine (Art. 10 des Vertrages): Zugsdienst S. B. B., wobei verstanden ist, dass die von Bellegarde kommenden Züge der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn wie bisher ihren Endpunkt in Genf haben werden und umgekehrt.

Verbindungsbahn (Art. 15 des Vertrages). Der Betrieb der Verbindungsbahn durch die schweizerischen Bundesbahnen wird sich bis Annemasse erstrecken. -- Die schweizerischen Bundesbahnen werden der Paris-Lyon-Mittelmeerbiihn auf ihr Verlangen zu annehmbaren Bedingungen die Fortsetzung der direkten Züge und den Durchlauf der direkten Wagen sichern, die von der Faucille herkommen und nach Genf oder über die Verbindungsbahn nach Hochsavoyen gehen und umgekehrt.

Die technischen und finanziellen Fragen, die infolge der gemeinschaftlichen Benützung der vorerwähnten Linien entstehen, werden durch Verträge zwischen den beteiligten Verwaltungen geregelt.

3. Die anzuwendenden Tarife sind die schweizerischen Tarife für den internen Verkehr und die Tarife der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn für den französischen Verkehr nach und von den Linien Genf-La Plaine, Genf-Meyrin-Grenze, Genf Annemasse-Grenze, sowie für den durch Geufergebiet transitierenden nach Frankreich zurückgehenden französischen Verkehr (Art. 11 und 16 des Vertrages).

Wie sehr die unter Ziffer l--3 erwähnten Lösungen den Verhältnissen angepasst sind, geht klar aus folgenden Auseinandersetzungen hervor.

Einmal erhält die Frage des Rückkaufes der Linie GenfLa Plaine, erfolge er durch den Bund oder durch den Kanton Genf, eine gütliche Lösung, über welche die Parteien sich zum voraus zur besten Wahrung ihrer Interessen verständigt haben.

298 Sodann sieht auch der Kanton Genf seine Interessen geschützt.

Sein Handel wird fortfahren, die Tarife der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn zu gemessen, handle es sich um Import, Export oder Transit.

Seinen nach Frankreich gehenden oder von dorther kommenden Reisenden werden ebenfalls die Züge und Tarife der Paris-LyonMittelmeerbahn zur Verfügung stehen. Anderseits werden die schweizerischen Bundesbahnen ihren Genferlinien den gleichen guten Zugsdienst und die gleichen Tarifvorteile sichern, die auf ihren ändern Linien bestehen. Schliesslich werden sie den Bahnhof Genf zu einem würdigen Seitenstücke der ändern grosson schweizerischen Bahnhöfe und zur westlichen Kopfstation ihres Netzes machen.

Frankreich endlich sieht seine Eisenbahnbeziehungen mit dem Kanton Genf auf vorteilhafteste und weitherzigste Weise geordnet sowohl in bezug auf die Verhältnisse der zurückgekauften Linie Genf La Plaine als derjenigen der zu erstellenden Linien (FaucilleLinie und Verbindungsbahn). Die Gesellschaft Paris-Lyon-Mittelmeerbahn ihrerseits erhält diejenige Regelung ihres Zugdienstes und Tarifwesens, welche von ihr angestrebt wurde.

Was den Bund und die schweizerischen Bundesbahnen betrifft, so ist nicht zu verhehlen, dass ihnen grosse Opfer bevorstehenDer Bau des neuen Bahnhofes Cornavin, die Erstellung der Verbindungslinie, der Rückkauf der Linie Genf-La Plaine werden Summen verschlingen, zu deren Deckung der Ertrag dieses Teiles des Netzes nicht ausreichen wird. Dadurch, dass der Bund darauf verzichtet, die Verbindungsbahn mit einer Zuschlagstaxe zu belasten, und indem er die fortlaufende Anwendung der französischen Tarife der Faucille durch den Kanton Genf hindurch zulässt, hat er sich namentlich des Mittels beraubt, sich für die hohen Kosten der Ei-Stellung der Verbindungsbahn etwelchen Ersatz zu verschaffen.

Wenn aber der Bund vor allen diesen Opfern nicht zurückgewichen ist, so geschah dies deshalb, weil er die grossen Anstrengungen des Kantons Genf, der geneigt scheint, der Faucillebahn eine Subvention von 20 Millionen zuzuwenden, berücksichtigte und dieselben unterstützen wollte. Der Bund hat seinen Willen kundgegeben, durch Taten zu zeigen, dass er seinen Anteil an den Ausgaben, die zur Sicherung des wirtschaftlichen Gedeihens des Kantons Genf bestimmt sind, zu übernehmen gesonnen ist.

Wir beschliessen
unsere Auseinandersetzungen über die Genfer Linien, indem wir noch erwähnen, dass der Art. 18 des Vertrages den im Verkehr von oder nach Frankreich durch den Knnton .

Genf transitierenden Personen und Gütern die gleichen Zollerleichterungen zusichert, wie sie zugunsten der Personen und Güter, die

299 auf der Linie Karlsruhe-Konstanz die Kantone Basel und Schaffhausen 'durchtahren, eingeräumt sind. Art. 19 bestimmt noch die Stellung des Personals der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn nach dem Übergange der Linien Genf-La Plaine und Eaux-Vives-Annemasse an die schweizerischen Bundesbahnen. Der letzte Artikel (Art. 20) sieht vor, dass im Falle des Rückkaufes des Netzes der ParisLyon-Mittelmeerbahn die aus der Ausführung der obgenannten Bestimmungen resultierenden Rechte und Verpflichtungen auf den französischen Staat übergehen werden.

Schlussbetrachtungen.

Am Ende unserer Erörterung der Bestimmungen des Vertrages angelangt, halten wir es für angezeigt, hier die verschiedenen Einwände zu erwähnen, die gegen denselben erhoben werden können.

Zunächst ist gesagt worden, dass der Vertrag keinen neuen Verkehr schaffe und dass er sich darauf beschränke, der bestehenden Gotthardlinie Verkehr zu entziehen, zum grössten Schaden ·der schweizerischen Bundesbahnen und der Ländesfinanzen.

Nun haben wir aber gesehen, dass die Teilung des Verkehrs zwischen den schweizerischen Bundesbahnen und dem Lötschberg vom Vertrage nicht berührt wird und dass die zwischen der Münster-Lengnau-Bahn und den schweizerischen Bundesbahnen ·vorgesehene Verkehrsteilung auf eine für die letzteren annehmbare Weise abgegrenzt ist. Was die Bahn Frasne-Vallorbe betrifft, darf man, wie wir gesehen haben, weniger auf neue Verkehrs·zonen rechnen als auf die Entwicklung des Verkehrs in den von der gegenwärtigen Linie bedienten Gegenden. Die Faucille endlich ist berufen, neue Gegenden zu bedienen, deren Verkehr noch nicht mit genügender Genauigkeit abgeschätzt werden kann.

Im allgemeinen, namentlich infolge der Erstellung der Fau·cille-Linie, belastet der französisch-schweizerische Vertrag unser Land mit einer beträchtlichen Ausgabe, für die es unmöglich ist, einen sofortigen hinreichenden Ertrag zu finden. Man darf aber annehmen, dass diese Ausgabe einem beträchtlichen Teile unseres Landes einen grossen internationalen Verkehr zuwenden wird, wie dies seinerzeit durch die Gotthardbahn bezüglich der Zentralschweiz geschehen ist. Obwohl sich zwischen Fraokreich und Italien, Ländern mit gleichartiger Produktion, kaum ein so lebhafter wechselseitiger Verkehr wie zwischen Deutschland und Italien entwickeln wird, die sich in ihrer Produktion ergänzen, so ist doch zu erwarten, dass der gesamte Warenaustausch zwischen Frankreich, der Schweiz und Italien ohne zu grosse Verzögerung die grossen

300

Opfer rechtfertigen wird, welche der Bund, die Kantone und andere schweizerische Gemeinwesen zugunsten der Zufahrtslinieo zum Simplon sich auferlegen oder auferlegen werden.

Wenn die Kantone Genf, Waadt und Bern, iudem sie für ihre Opfer und Anstrengungen einen Ersatz finden, auf die Vorteile, die ihnen der Vertrag bieten wird, abstellen können, soglaubte sich dagegen ein Kanton -- der Kanton Neuen bürg -- durch das neue französisch-schweizerische Übereinkommen in seinen Interessen bedroht. Dieser Kanton fürchtet nämlich, dass infolge seiner Lage zwischen den neuen Linien Paris-Sirnplon über FrasneVallorbe und Paris-Simplon über Münster-Lötschberg der ihm zukommende internationale Verkehr über Pontarlier-Neuenburg-Bern sich nicht weiter entwickeln oder sogar zurückgehen könnte. Wir halten diese Befürchtung für unbegründet. Schon durch die Macht der Verhältnisse wird die Eröffnung der Lötschbergbahn ein neues Aufleben des Verkehrs und eine Vermehrung der Zugszahl auf der Linie Paris-Neuenburg-Bern hervorrufen.

In militärischer Beziehung endlich ist es klar, dnss die beiden neuen Juradurchstiche zwischen Frasne und Vallorbe und durch die Faucille nicht geeignet sind, die Verteidigung des Landes zu erleichtern, während bei der Bahn Münstt-r-Lengnau das Gegenteil der Fall ist. Diese Einwände in militärischer Hinsicht sind von uns ernstlich in Betracht gezogen worden, aber wir haben denselben nicht den Vorrang vor den Erwägungen ökonomischer Natur geben können, welche zugunsten der Eröffnung der neuen Linien sprechen. Wir verhehlen uns nicht, dass wir, indem wir stets neue Zugangsstrnssen über unsere Grenzen öffnen, die Aufgabe unserer Armee erschweren, aber wir haben volles Vertrauen in dieselbe und erwarten von ihr, dass sie der neuen Lage, in welche unser Land durch den wirtschaftlichen Interessenstreit versetzt wird, gewachsen sein werde.

Zum Schlüsse bemerken wir, dass der französisch-schweizerische Vertrag über die Zufahrtslinien zum Simplon vom 18. Juni 1909 nach unserer Meinung den Punkt darstellt, wo eine Verständigung der Regierungen der beiden Länder auf Grund gegenseitiger Konzessionen möglich war. Wir haben auch die Überzeugung, dieWagschalen zwischen den berechtigten Interessen unserer verschiedenen Kantone im Gleichgewicht gehalten zu haben, ohne deswegen die allgemeinen Interessen
des Landes vernachlässigt zu haben. Schliesslich geben wir der Überzeugung Ausdruck, dass die Ausführung des Vertrages zeigen wird, dass er das zur rationellen und harmonischen Entwicklung der Eisenbahnbeziehungen der beiden Länder notwendige Mittel war.

301 Wir beantragen Ihnen daher, durch einen Bundesbeschluss den Staats v ertrag betreffend die Zufahrtslinien zum Simplem zu ratifizieren.

Wir benützen auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 19. November 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Beilagen : 1. Bundesbeschlussentwurf.

2. Französisch-schweizerischer Vertrag betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon vom 18. Juni 1909.

3. Konzession Vallorbe-Grenze vom 18. Dezember 1902.

4. Vertrag der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn mit der Jura-Simplon-Bahn (schweizerische Bundesbahnen) betreffend die Linie Frasue-Vallorbe vom 14./15. Oktober 1902, mit Ergänzung durch Nachtrag vom 7./8. Juni 1909.

5. Vertrag betreffend Teilung des Verkehrs zwischen der Linie MiinsterLengnau und den schweizerischen Bundesbahnen vom 3. Juni 1909.

6. und 7. Zwei Karten der Zufahrtslinien zum Simplon.

302

Seilage 1.

{Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen der Schweiz und Frankreich am 18. Juni 1909 abgeschlossenen Staatsvertrages betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des zwischen der Schweiz und Frankreich am 18. Juni 1909 abgeschlossenen Staatsvertrages betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon, und einer Botschaft des Bundesrates vom 19. November 1909, beschliesst: 1. Der genannte Staatsvertrag wird genehmigt.

2. Der Bundesrat ist mit der Ausführung und Inkraftsetzung dieses Beschlusses beauftragt.

303 Übersetzung.

Beilage 2.

StaatsYertrag betreffend

die Zufahrtslinien zum Simplon.

(Vom 18. Juni 1909.)

Der schweizerische Bundesrat und

der Präsident der französischen Republik, von dem Wunsche geleitet, die Fragen betreffend die Verbesserung der Zufahrtslinien zum Simplon in der für beide Länder vorteilhaftesten Weise zu lösen, haben zu ·diesem Zwecke den Abschluss eines Vertrages beschlossen und zu Bevollmächtigten ernannt Der schweizerische Bundesrat: Herrn Bundespräsident Dr. Adolf D e u c h er, Chef des Politischen Departements ; Herrn Bundesrat Robert C o m t e s s e , Chef des Finanz- und Zolldepartements ; Herrn Bundesrat Dr. Ludwig For r e r, Chef des Post- und Eisenbahndepartements ; Der Präsident der französischen Republik: Seine Exzellenz Herrn Graf d ' A u n a y , Botschafter der französischen Republik bei der schweizerischen Eidgenossenschaft,

304

die, nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Bestimmungen geeinigt haben : Artikel 1.

Die französische Regierung wird die Erstellung der Abkürzung Frasne-Vallorbe auf französischem Gebiet sichern und die Bahngesellschaft P. L. M. zur Übernahme des Baues und Betriebes des auf schweizerischem Gebiet gelegenen Teilstiickes ermächtigen.

Artikel 2.

Die Ausführungsarbeiten für die Linie Frasne-Vallorbe haben gemäss den Bedingungen des am 14./15. Oktober 1902 zwischen der P. L. M. und der ehemaligen JuraSimplon-Bahn abgeschlossenen und durch den am l,/S. Juni 1909 zwischen den schweizerischen Bundesbahnen und der P. L. M. vereinbarten Nachtrag- abgeänderten Vertrages zu erfolgen.

Der Bahnhof Vallorbe wird hinsichtlich der Zollverhältnisse ein internationaler Bahnhof sein. Die für den Zolldienst nötigen Einrichtungen bedürfen der vorgängigen Zustimmung beider Regierungen.

Die in Art. 26 des genannten Vertrages angesetzte Frist wird bis zum 31. Dezember 1910 verlängert.

Artikel 3.

Das Studium einer Abkürzungslinie von Bussigny nach Vallorbe wird Gegenstand neuer Verhandlungen zwischen den beiden Staaten sein, wenn nach Ansicht der beiden beteiligten Eisenbahnverwaltungen die Verkehrsentwicklung ihre Ausführung erfordert.

305

Artikel 4.

Die beteiligten Eisenbahnverwaltungen werden die Führung direkter Personenwagen von Paris nach Genf über Mouchard-Vallorbe und umgekehrt erleichtern.

Sollte die P. L. M., im Einverständnis mit den schweizerischen Bundesbahnen, besondere direkte Züge von Paris nach Genf und umgekehrt einrichten, so wären diese Züge über die Abkürzung Bussigny-Morges zu leiten.

Artikel 5.

Die schweizerischen Bundesbahnen werden in zufriedenstellender Weise dafür sorgen, dass die auf dem französischen Ufer des Genfersees verkehrenden Züge fortgesetzt werden ; ebenso sind die Züge der Linien St. Maurice-Bouveret und Lausanne-Brig tunlichst aneinander anzuschliessen.

Artikel 6.

Der Linie auf dem französischen Ufer des Genfersees wird derjenige Teil des französisch-italienischen Güterverkehrs zur Beförderung überlassen, für den sie die kürzeste Linie bietet; dabei bleibt die in Art. 17 vorgesehene Abänderung vorbehalten.

Artikel 7.

Für den Fall, dass die französische Regierung die Erstellung der Doppelspur auf dem französischen Ufer des Genfersees beschliessen sollte, verpflichtet sich die schweizerische Regierung ihrerseits, auch die Strecke zwischen St. Maurice und der Grenze mit Doppelgeleise zu versehen, wobei es die Meinung hat, dass die Legung des zweiten Geleises auf dem schweizerischen Gebiete gleichzeitig mit derjenigen auf der Strecke Annemasse - St. Gingolph-Grenze beendigt sein soll.

306

Artikel 8.

Wenn die zwischen der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen und den neuen Konzessionären der Linie Münster-Grenchen über die Verkehrsteilung erzielte Verständigung endgültig angenommen sein wird, so wird diefranzösische Regierung die Ostbahngesellschaft ermächtigen,, sich an dem für diese Linie nötigen Baukapital zu beteiligen unter dem Vorbehalt, dass diese Linie zwei Jahre nach der Vollendung der Lötschbergbahn erstellt sein wird.

Artikel 9.'

Wenn die Eidgenossenschaft oder der Kanton Genf vom Rückkaufsrecht hinsichtlich des Bahnhofes Cornavin und der Linie Genf-La Plaine Gebrauch machen wird, so hat der Rückkauf entweder gemäss den Bedingungen der Konzessionen oder auf Grund gütlicher Verständigung zwischen, den beteiligten Eisenbahnverwaltungen zu erfolgen.

Artikel 10.

Die von Bellegarde kommenden Züge der P. L. M.

werden wie bisher ihren Endpunkt in Genf haben und umgekehrt.

Die schweizerischen Bundesbahnen werden sich mit der P. L. M. über die technischen und finanziellen Bedingungen für den Durchlauf der Züge auf der zurückgekauften Linie, sowie für deren Zulassung in den Bahnhof Genf-Cornavin verständigen.

Artikel 11.

Auf der Linie Genf-Cornavin - La Plaine-Grenze haben die Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung über das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen Anwendung zu finden.

307

Immerhin sind die Tarife der P. L. M. (interne und Gemeinschaftstarife) für den internationalen Personen- und Güterverkehr dieser Linie von und nach Frankreich und weiter anzuwenden. Für die Anwendung dieser Tarife werden die französischen Strecken mit den schweizerischen zusammengenommen und es werden an der französischschweizerischen Grenze keine Übergangsgebühren erhoben, Artikel 12.

Wenn die französische Regierung zum Bau einer Linie von Lons-le-Saunier nach Genf durch die Faucille schreiten wird, so wird die schweizerische Regierung das Nötigevorkehren, um deren Erstellung auf Schweizergebiet zu sichern.

Artikel 13.

Zu diesem Zwecke verpflichtet sich die schweizerische Regierung, auf Grund eines technischen und finanziellen, mit der Genfer Regierung zu vereinbarenden Programmeseine Verbindungsbahn zwischen den Bahnhöfen Cornavin und Eaux-Vives zu erstellen.

Zur Ausführung dieser Verpflichtung ist die Schweiz, jedoch erst dann gehalten, wenn die Verwirklichung des Faucilleprojektes gesichert sein wird, wobei der Bau der Verbindungsbahn auf den Zeitpunkt der Betriebseröffnung der Faucillebahn vollendet sein muss.

Artikel 14.

Die schweizerische Regierung ist in keinem Falle verpflichtet, sich an den Kosten für den Bau der Faucillebahnzu beteiligen ; sie wird aber einer finanziellen Mitwirkung des Kantons Genf keine Hindernisse in den Weg legen.

Der französische Staat seinerseits hat sich weder an den Baukosten der in Frage stehenden Verbindungsbahn

308

noch an denjenigen der auf schweizerischem Gebiet gelegenen Teilstrecke der Linie Lons-le-Saunier - Genf zu beteiligen.

Artikel 15.

Der Betrieb der Verbindungsbahn durch die schweizerischen Bundesbahnen wird sich bis Annemasse erstrecken.

Die schweizerischen Bundesbahnen werden der P. L. M.

auf ihr Verlangen zu annehmbaren Bedingungen die Fortsetzung der direkten Züge und den Durchlauf der direkten Wagen sichern, die von der Faucille herkommen und nach Genf oder über die Verbindungsbahn nach Hochsavoyen gehen und umgekehrt.

Die beiden Verwaltungen haben sich über die technischen und finanziellen Bedingungen für den Durchlauf der Züge und Wagen und auch für deren Zulassung in die Bahnhöfe Genf-Cornavin und Annemasse zu verständigen.

Artikel 16.

Auf den Teilstrecken Meyrin-Grenze - Genf-Cornavin und Genf-Cornavin-Anuemasse-Grenze haben die Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebuüg über das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen Anwendung zu finden.

Immerhin sind auf diesen Teilstrecken sowohl für den Transitverkehr als für den internationalen Verkehr (Personen und Güter) von und nach Frankreich und weiter die Tarife der P. L. M. (interne und Gemeinschaftstarife) anzuwenden. Für die Anwendung dieser Tarife werden die französischen Strecken mit den schweizerischen zusammengenommen und es werden an den französisch-schweizerischen Grenzstationen keine Übergangsgebühren erhoben.

Artikel 17.

Der französisch-italienische Güterverkehr, für den der kürzeste Weg durch die Faucille und den Simplon führt,

309 wird in beiden Richtungen zwischen den Linien auf dem rechten und linken Genferseeufer hälftig geteilt.

Der Lokalverkehr von Genf (Genf-Cornavin und Stationen der Verbindungsbahn, unter Ausschluss von GenfBaux-Vives) mit Italien durch den Simplon verbleibt in beiden Richtungen den schweizerischen Bundesbahnen. Als nicht zum Lokalverkehr gehörig werden die Gütersendungen von und nach Frankreich und weiter betrachtet, die in Genf zur Réexpédition gelangen ohne den Bahnhof oder die unter Bahnaufsicht stehenden Lagerhäuser verlassen' zu haben.

Artikel 18.

Die im Verkehr von oder nach Frankreich den Kanton Genf transitierenden Personen und Güter werden von den Zollförmlichkeiten und Zollgebühren in gleicher Weise befreit sein, wie dies für die Personen und Güter auf der" Linie Karlsruhe-Konstanz bei der Durchfahrt durch die Kantone Basel und Schaffhausen der Fall ist.

Artikel 19.

Die Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen wird das zurzeit auf den Linien La Plaine-Genf-Cornavin und Genf-Eaux-Vives-Annemasse angestellte Personal schweizerischer Nationalität übernehmen.

Sie wird sich mit der P. L. M. darüber verständigen, dass innerhalb einer Frist von höchstens zwei Jahren nach der Übernahme jeder dieser Linien das unter den neuen Verhältnissen entbehrliche Personal französischer Nationalität auf dem Netze dieser Gesellschaft wieder angestellt wird, und dass diesem Personal die Vorteile, die es in bezug auf den Gehalt und die Rücktrittsgehalte geniesst, gewahrt bleiben.

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. VI.

21

310

Artikel 20.

Im Falle des Rückkaufs des Netzes der P. L. M. tritt für die Ausführung aller obgenannten Bestimmungen der französische Staat an Stelle der Gesellschaft.

Artikel 21.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden und es hat der Austausch der Ratifikationsurkunden spätestens am 31. Dezember 1909 in Bern stattzufinden.

Er tritt in Kraft am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden .

So geschehen zu Bern, in zweifacher Ausfertigung, den 18. Juni 1909.

sig.

,, ,, ,,

Dr. A Deucher.

Comtesse.

Dr. L. Forcer.

d'Aunay.

311 Beilage 3.

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer normalspurigen Eisenbahn von Vallorbe bis zur schweizerisch-französischen Grenze am Mont d'Or.

(Vom 18. Dezember 1902.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Direktion der Jura-Simplon-Bahn vom 12. Mai 1902 ; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1902, beschliesst: Der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft in Bern wird zu Händen der P a r i s - L y o n - M i t t e l m e e r - B a h n g e s e l l s c h a f t die Konzession für den Bau und den Betrieb einer normalspurigen Eisenbahn vom Bahnhof V a l l o r b e bis zur schweizerisch-französischen Grenze am M o n t d ' O r unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird bis zum 31. Dezember 1958 erteilt.

312

Art. 3. Die Konzessionärin hat im Kanton Waadt ein Rechtsdomizil zu verzeigen.

Art. 4. Der'Bundesrat ist berechtigt, jederzeit zu verlangen, dass für die Besorgung des Bahnunterhalts nur Personal schweizerischer Nationalität verwendet werde.

Art. 5. Binnen einer Frist von 12 Monaten, vom Austausch der Ratifikationen des abzuschliessendeu internationalen Vertrages an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Arbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen fünf Jahren, vom Beginn der Arbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführangsplänen, welche vorher dem ßundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit normaler Spurweite und zweigeleisig erstellt.

Die Gesellschaft hat auf ihre Kosten Minenlcammern anzubringen, wie sie der Bundesrat für erforderlich hält, um im Kriegsfalle eine wirksame Unterbrechung der Linie herbeizuführen.

'O Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem'Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Waadt und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die^Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahn Verwaltung behufs Erfüllung ihrer, Aufgabe

313 zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

. Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder aus dem Gebiet der Schweiz versetzt werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll taglich mindestens viermal nach beiden Richtungen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich auf der Station Vallorbe dem Transportreglement der schweizerischen Bisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Im übrigen wird der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft die Vorschriften aufstellen, welche auf den Verkehr der konzedierten Bahnlinie Anwendung zu finden haben.

Art. 14. Mit Bezug auf die Transporttaxen und die Tarifbestimmungen soll die Strecke Vallorbe-Landesgrenze für den gesamten Verkehr als integrierender Bestandteil des Netzes der Konzessionärin behandelt werden, und es ist diese verpflichtet, jederzeit für vollständige Gleichbehandlung dieser Strecke mit dem übrigen Teil dieses Netzes zu sorgen. Die auf die konzedierte Strecke anzuwendenden Tarife und Bestimmungen sind samt den jeweiligen Änderungen dem Bundesrat rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen.

Art. 15. Der Vertrag zwischen der Konzessionärin und der Jura-Simplon-Bahn, beziehungsweise deren Rechtsnachfolgerin, betreffend den Anschluss an das schweizerische Bahnnetz und die Mitbenutzung des Bahnhofes Vallorbe soll die Bestimmung enthalten, dass die konzedierte Linie mit allen Einrichtungen beim Ablauf der Konzession unentgeltlich an die Jura-Simplon-Bahn, beziehungsweise deren Rechtsnachfolgerin, falle und ihr in vollkommen befriedigendem Zustande zu übergeben sei. Dieser Vertrag unterliegt der Genehmigung des Bundesrates.

314 Art. 16. .Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche sofort in Kraft tritt, beauftragt.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 9. Dezember

1902.

Der Präsident: Cd. Zschokke.

Der Protokollführer: Ringier.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 18. Dezember

1902.

Der Präsident: Hoffmann.

Der Protokollführer: Schatzmann.

315 Übersetzung.

Beilage 4.

Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und Jura-Simplon-Bahn.

Vertrag über

den Bau und Betrieb einer Bahnlinie durch den Mont d'Or zur \ 7 erbindung mit dem schweizerischen ßahnnetz in Vallorbe.

(Vom 14./15. Oktober 1902.)

Die Gesellschaften Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und Jura-Simplon-Bahn, in der Absieht, die gegenwärtigen Bedingungen der Verbindung ihrer Netze in Vallorbe ohne Erstellung eines zweiten Geleises von Pontarlier nach Vallorbe, durch Tieferlegung des Kulminationspunktes der Verbindungslinie und durch Verringerung ihrer Steigungen, zu verbessern, haben folgendes Übereinkommen getroffen :

1. Abschnitt.

Erbauung und Betrieb der Linie durch den älont d'Or nach Yallorbe.

Art. 1.

Die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellsehaft verpflichtet sich, nach erhaltener Zustimmung der französischen und der schweizerischen Regierung, zum Bau und Betrieb einer doppelspurigen Linie durch den Mont d'Or, welche die Stationen Frasne und Vallorbe ohne Spitzkehre verbindet.

Nach dem Projektsentwurf von 1899/1900 wird diese Linie zu eiue erstellende Länge von ungefähr 24,115 m erhalten, wovon

Bau der Linie.

316 zirka 1650 m auf Schweizergebiet fallen. Der kleinste Krümmungsradius wird 400 rn betragen, die stärkste Steigung von 15 min wird im grossen Mont d'Or-Tunnel auf 13 mm herabgemindert.

Dieser Tunnel fällt in seiner ganzen Länge von 6225 m gegen die Schweiz zu ab. Der Scheitelpunkt der Linie soll 896,iB m über Meer zu liegen kommen. Die Landesgrenze befindet sich auf der gegen die Schweiz zu gerichteten Seite der Tunnelmündung in einer Entfernung von ungefähr 1895 m vom Mittelpunkt de» gegenwärtigen Aufnahmegebäudes in Vallorbe.

Art. 2.

Bahnhoferweiterung in Vallorbe.

Fristen und Förmlichkeiten der Ausführung.

Verbindung der beiden Bahnnetze.

Die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft verpflichtet sich, den gegenwärtigen Bahnhof von Vallorbe gemäss dem Projekt, dessen Plan und Kostenvoranschlag einen Anhang des vorliegenden Vertrages bilden, zu erweitern. Ferner verpflichtet sie sich, den Bahnhof als internationalen Bahnhof zu betreiben, in welchem der Austausch des internationalen Güterverkehrs und der Zolldienst beider Länder abgewickelt werden soll.

Gleicherweise verpflichtet sich die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft, auf der Bahnstrecke Daillens-Vallorbe das zweite Geleise zu erstellen.

Art. 3.

Die in den Art. l und 2 angeführten Verpflichtungen sollen innert einer Frist von höchstens fünf Jahren erfüllt werden, diese Frist gerechnet von dem Tage an, an welchem die Paris-LyonMittelmeerbahn-Gesellschaft, nachdem sie alle nötigen Förmlichkeiten erfüllt, die Ermächtigung zum Beginn der Arbeiten ei hallenhaben wird.

Die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft wird im Namen der ParisLyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft die erforderlichen Formalitäten ei lullen und diejenigen Dokumente beschaffen, welche zu einem Konzessionsgesuch auf Schweizergebiet nötig sind. Gleicherweise wird sie im Namen der letztgenannten Gesellschaft die zum Bau der auf Schweizergebiet gelegenen Bahnstrecke erforderlichen Formalitäten erfüllen.

Art, 4.

Die Grenze des Unterhalts und der Bahnaufsicht zwischen den beiden Gesellschaften wird durch die im Bahnhof von Vallorbe nach der französischen Seite hin gelegene Einfahrtsweiche gebildet. Ein Situationsplan soll die genauen Grenzen des beidseitigen Eigentums feststellen.

317 Jedoch sollen die nach der französischen Seite hin vorgeschobenen Deckungssigoaledurch die Jura-Simplon-Bahn Gesellschaft aufgestellt, unterhalten und bedient werden; die aus Frankreich kommeuden Telegraphen- und Telephonleitungen sollen durch die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn- Gesellschalt bis zum Aufnahmegebäude erstellt und unterhalten werden.

Die Mitte des Aufnahmegebäudes des neuen Bahnhofs soll massgebend sein für den Betriebsanschluss der beiden Netze, für den Schnittpunkt der Tarife und für die Berechnung des Wagendurclilaufes.

Art. 5. .

Die Kontrahenten verpflichten sich, die Formalitäten der Übergabe und Übernahme von Reisenden, Gepäck, Poststückeu, Paketpost, Frachtgut, Vieh, kurz aller Verkehrsgegenstände, sowie auch des Rollmaterials möglichst zu vereinfachen.

Diese Übergabe und Übernahme soll sich nach Massgabe der für den direkten Verkehr bestehenden Übereinkommen und besonders des ioternationalen Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr vollziehen. Diese Übereinkommen sollen gegebenenfalls für nicht vorhergesehene Fälle ergänzt werden.

Art. 6.

Der Austausch des Rollmaterials zwischen den beiden Gesellschaften wird durch die den Austausch in Pontarlier und in Genf betreffende Konvention vom 10. Januar 1874 geregelt.

Filr das durchgehende Rollmaterial sind die Bestimmungen der internationalen Verträge betreffend die technische Einheit im Eisenbahnwesen und betreffend die zollsichere Einrichtung der Eisenbahnwagen im internationalen Verkehr massgebend.

Formalitäten der Übergabe und Übernahme.

Materialaustausch.

Art.; 7.

Um die Zugsverbindungen zwischen den beiden Gesellschaften so günstig als möglich zu gestalten, wird die Fahrordnung der Züge jeder Gattung, für Abfahrt und Ankunft im Bahnhof Vallorbe, durch beidseitige Übereinkunft festgelegt.

Die Reisenden der auf der neuen Linie verkehrenden Expresszüge sollen in Vallorbe so wenig als möglieh zum umsteigen gezwungen sein. Um die Übergabe des Gepäcks zu beschleunigen, soll ein Kondukteur der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft diese Züge bis Lausanne, und umgekehrt, ein Kondukteur der

Direkte Züge. *

318 Jura-Simplon Bahn-Gesellschaft sie bis Dole begleiten. Diese Dienstleistungen sollen zwischen den Gesellschaften nicht vergütet werden.

II. Abschnitt.

Gemeinsame Benützung des Bahnhofes Vallorbe.

Art. 8.

Die Bahnpolizei im Bahnhof Vallorbe und seinen Zubehörden Bahnhofpolizei.

wird von der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft, als Eigentümerin desselben, allein ausgeübt.

Art. 9.

Die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft besorgt durch ihre Beamten Leistungen der Jura-Simplon- und Angestellten folgende Dienstverrichtungen für beide GesellBahn-Gesell- schaften : schaft.

1. die Billettausgabe für Reisende, ferner für Hunde, sowie deren Ein- und Auslad ; 2. die Einschreibung und den Ein-, Aus- und Umlad des Gepäckes, die Aufgabe mit Verwiegung und Etikettierung, dessen Lagerung und Auslieferung: 3. den Ein-, Aus- und Umlad der Poststücke und des Eil- und Frachtgutes ; 4. die Zusammensetzung, die Abfertigung, die Aufnahme und die Zerlegung der Züge; 5. den Telegraphen-, Telephon- und den Signaldienst; 6. den Rangierdienst im Bahnhof, das Verstellen der Maschinen und Wagen ; 7. das Umladen und die Reinigung der Güter- und Viehwagen; 8. die Lieferung des Wassers zur Speisung der Maschinen und für die Bahnhofbedürfnisse; 9. die Lieferung und den Unterhalt des Mobiliars und des Werkzeugs für Bahnhof und Bureaux, darin Inbegriffen das Mobiliar und die Betten der Schlaf'räume der Kondukteure (ausgenommen das in Art. 10 genannte Mobiliar und Werkzeug); 10. die Beleuchtung, Heizung und Reinigung der Bahnhofräumlichkeiten und der Bureaux ; 11. den Unterhalt aller Bahnhofeinrichtungen, der Geleise, Gebäude, der feststehenden Bahnanlagen mit allen Zubehörden;

319 "12. alle andern Verrichtungen, welche ein vollständiger Bahnhofbetrieb umfasst, sofern sie nicht im folgenden Artikel erwähnt sind.

Art. 10.

Jede Gesellschaft lässt durch besondere Angestellte, welche ausschliesslich von ihr gewählt und bezahlt werden, ausserhalb der gemeinschaftlichen Rechnungsführung, im ßahnhof Vallorbe folgende Verrichtungen ausführen : 1. die Revision und Eintragung von Eil- und Frachtgut, der Poststücke, des Viehtransports, sowohl bei Ankunft als Abfahrt, und die Regelung von Reklamationen und Rechtsstreitigkeiten ; 2. die Bedienung und den Unterhalt der Zugslokomotiven und den Dienst ihres Depots; 3. die Beleuchtung und die Heizung ihrer Züge; 4. die Schmierung ihrer Personen- und Güterwagen und das Waschen und Reinigen der Personen- und Gepäckwagen; 5. den Unterhalt ihres Rollmaterials.

Was die Material ver waltung und den Traktionsdienst anbetrifft, so wird jede Gesellschaft ftir die Anschaffung und den Unterhalt des Werkzeugs und des Mobiliars, die Lieferung der Verbrauchsmaterialien (ausgenommen des Wassers), ebenso für Heizung, Beleuchtung und Reinigung derjenigen Lokalitäten, welche sie braucht, oder welche für die unter Ziffer 2--5 soeben erwähnten besonderen Verrichtungen notwendig sind, sorgen.

Art. 11.

Die Verrechnung der Einnahmen aus dem Transport von Reiseaden, Gepäck und Hunden, von Vallorbe durch den Mont d'Or nach Frankreich und umgekehrt, soll durch das gemeinsame Bahnhofpersonal der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft durchgeführt werden gemäss den für die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft bestehenden Vorschriften. Die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellsehaft gibt zu diesem Zwecke den mit dieser Arbeit beauftragten Angestellten die nötigen Weisungen. Die durch die Angestellten der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft gemachten Einnahmen sollen täglich dem Vertreter der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft übergeben werden.

Die dienstlichen Schreiben und Rapporte betreffend Zugsverkehr und Kontrolle (Statistik) des Rollmaterials samt Ausrüstungsgegenständen sollen vom gemeinsamen Personal der Jura-Simplon-

Besondere Leistungen jeder einzelnen Gesellschaft.

Verrechung der Einnnahmen und Statistik.

320 Bahn-Gesellschaft geführt, beziehungsweise aufgestellt werden. Zu diesem Zwecke wird die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft auch hierfür die bezüglichen nötigen Weisungen erteilen.

Art. 12.

Zollbehandlung.

Jede Gesellschaft wird für die Verzollung der Frachtgüter, Poststücke und Vieh, welche von einem Bahnnetz auf das andere übergehen, in Vallorbe besondere Angestellte halten, welche ausschliesslich von ihr gewählt und bezahlt werden.

Die Beamten der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft sind grundsätzlich mit den bezüglichen Operationen für den Aus- und Eintritt in Frankreich betraut, und die Beamten der Jura-SimplonBahn-Gesellschaft mit dem betreffenden Dienst für den Aus- und Eintritt in die Schweiz.

Im Verkehr zwischen Vallorbe loco und Frankreich durch den Mont d'Or und umgekehrt kann die schweizerische Zollhandlung durch die Angestellten der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft vollzogen werden. Bei in die Schweiz eingehenden Poststücken, welche über Vallorbe hinaus' bestimmt sind, wird die Verzollung durch die schweizerische Post ver waltung besorgt.

Art. 13.

Der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft werden für ihre Der Paris-LyonMittelmeerbahn- besonderen, die neue Linie betreffenden Dienste, folgende RäumGesellschaft zu- lichkeiten zugewiesen : geteilte Räum1. eine Lokomotivremise für 6 Maschinen, deren Zahl bis auf lichkeiten.

12 soll erhöht werden können, und ein Bureau für den Depotaufseher ; 2. Bureaux zur Besorgung des Einschreibens und anderer Schreibarbeiten, welche auf Frachtgut, Eilgut, Poststücke und Vieh bezug haben, ebenso Bureaux zur Zollabfertigung; 3. ein Bureau für ihren Vertreter; 4. Magazine für Beleuchtungs-, Heiz- und Schrniermaterial der Züge, ferner für die für den laufenden Unterhnlt verwendeten Gegenstände ; 5. eine Rampe zur Versorgung und Verteilung des Brennmaterials und ein Raum, in dem das zum Füllen der Wärmeflaschen notwendige heisse Wasser hergestellt werden kann; 6. Speise- und Schlafräume für Lokomotivführer, Heizer und Kondukteure und Aufenthaltslokale für das Arbeiterpersonal.

Überdies gestattet die Jura-Simplon-Buhn-GeseUschaft der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft den gemeinsamen Gebrauch

aller andern Bahnhofteile, ausg inommen diejenigen, welche der Jura-Simplon-Bahn für ihre besoideren, in Art. 10 verzeichneten Verrichtungen zukommen. Diese Benutzung erstreckt sich auf die Perrons, Ladeplätze, auf Räume und Gebäude, welche zum Personenverkehr und Gepäckdienst gehören, auf die Rampen für Fracht- und Eilgut, für Transitgüter, auf Geleise, Drehscheiben, auf eine den Maschinen der Paris-Lyon Mittelmeerbahn leicht zugängliche Drehscheibe von mindestens 17 Meter Durchmesser, auf Ladekräne, Wasserkräne, Signale und andere Zubehörden.

Die vom französischen und schweizerischen Zollamt für ihren .

Dienst im Bahnhof Vallorbe benötigten besonderen Lokalitäten werden von der Jura-Simplou Bahn-Gesellschaft zur Verfügung gestellt, welche auch für die Kosten des Unterhalts derselben auf Gemeinschaftsi'echnung zu sorgen hat.

Art. 14.

Die Oberbeamten des Betriebsdienstes der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn geben ihre Weisungen direkt den Beamten des gemeinsamen Dienstes, aber nur in denjenigen Fällen, welche den speziellen Dienst für ihre Gesellschaft betreffen.

Die Jura Simplon-Bahn-Gesellschaft soll gegenüber ihrem Personal die Strafen, Amtseinstellungen und Amtsenisetzungen verfügen, welche der Betriebsdienst der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn ihr beantragt.

[r.'fS Umgekehrt wird die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft gegenüber ihrem im Bahnhofdienst stehenden Personal, darin inbegriffen das Maschinen- und das Zugspersonal, diejenigen Strafen, Amtseinstellungen und Amtsentsetzungen verfügen, welche die Jura Simplon-Bahn für Übertretungen gegen die Bahnhof-Polizeivorschriften beantragt.

Art. 15.

Die Beamten und Angestellten der Jura-Simplon-Bahn, welche dem gemeinsamen Betrieb angehören, haben sich für die Verladung des Gepäckes und der Güter und für alle andern Dienstleistungen, welche sie für die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn verrichten, an die Réglemente dieser Gesellschaft und an die besondern Instruktionen, welche durch deren Oberbeamte dem Bahnhofvorstand von Vallorbe gegeben werden, zu halten.

Für die GuterzOge sollen die Wagen nach der Reihenfolge der Bestimmungsstationen bis Dole geordnet werden, Dole nicht inbegriffen.

Leitung des Personals.

Die Verrichtungen flir die ParisLyon-MittelmeerbahnGesellschaft.

322

Die Signale, das Rangieren sowie die Ein- und Ausfahrt der Züge, vvas auf Befehl und unter Überwachung des gemeinsamen Personals geschieht, richten sich nach den Reglementen und Dienstvorschriften, welche für ' den Bahnhof Vallorbe massgebend sind.

Beschaffung deiBillette und Drucksachen.

Wärmeflaschen.

Art. 16.

Die Billette, Drucksachen und Bücher aller Art, welche ausschliesslich für den Dienst nur einer der vertragschliessenden Gesellschaften bestimmt sind, sollen durch diese allein angeschafft werden. Die den gemeinsamen Betrieb betreffenden Drucksachen und die Bureaumaterialien sollen von der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft geliefert werden.

Art. 17.

Die Kosten der Einrichtungen zur Herstellung des heissen Wassers (vergi. Art. 13, Ziff. 5) werden der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft überbunden, aber die Bedienung, der Einund Auslad der Wärmeflaschen soll durch den gemeinsamen Bahnhof und auf dessen Rechnung gestellt werden.

Art. 18.

Rangiermanöver.

Die Lokomotiven der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn Gesellschaft können zu den Rangiermanövern, welche bei Ankunft oder Abfahrt der Züge von oder nach Frankreich vorzunehmen sind, benützt werden, vorausgesetzt, dass genügend Zeit zur Verfügung stehe, um diese Maschinen wieder für ihre reglementarische Abfahrt mit Sicherheit bereit zu stellen, und dass dadurch die für das Personal vorgeschriebene Arbeitszeit nicht überschritten werde.

Diese Rangiermanöver geschehen gratis, sofern sie für einen Zug nicht länger als 15 Minuten dauern. Wenn sie länger dauern, muss die ganze Zeit, welche zum Manövrieren gebraucht wurde, mit Fr. 0.10 pro Minute bezahlt und jeweilen kontradiktorisch in einer besonderen Bescheinigung festgestellt werden.

Art. 19.

Die Folgen von Verlusten, Irrtümern, Entwendungen und Beschädigungen, welche im Bahnhof Vallorbe vorkommen, oder zur Zeit der Übergabe des Gepäcks, der Güter, Lebensrnittel etc., 1. für Verluste, vom Transitverkehr herrührend, festgestellt werden, werden geBeschädimäss dem Reglement der französischen Eisenbahnen vom 1. Oktober gen etc.

1886 verteilt, sofern diese Bestimmungen nicht im Widerspruch

Verteilung der zu zahlenden Entschädigungen.

323

stehen mit dem internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890.

Dieselben Folgen bezüglich des Gepäcks, der Güter, Lebensmittel etc., von Vallorbe abgehend oder dahin bestimmt, fallen zu Lasten derjenigen Gesellschaft, welche davon betroffen wird.

Art. 20.

Die durch Brandfälle an Einrichtungen, Mobiliar und im Bahnhof Vallorbe gelagerten Gütern verursachten Schäden werden gemeinsam getragen. Hierbei sind Inbegriffen die Schäden, welche an Einrichtungen entstanden, die zum ausschliessliehen Gebrauch nur einer Gesellschaft bestimmt sind.

Dagegen übernimmt jede Gesellschaft, die durch Brandfälle verursachten Verluste oder Beschädigungen an ihrem Rollmaterial und an den auf ihren Wagen verladenen Gütern ganz und ver ziehtet auf jeden Regress auf die andere Gesellschaft.

Art. 21.

Die Folgen von Unfällen, die sich im Bahnhof Vallorbe ereignen, werden gemeinschaftlich getragen. Jedoch übernimmt jede Gesellschaft die Folgen der Unfälle, welche das ausschliesslich von ihr bezahlte, nicht im Gemeinschaftspersonal inbegriffene Personal betreffen oder die in ihren Zügen sich befindenden Reisenden.

Art. 22.

Die Nebeneinnahmen, die von der Vermietung des Bahnhofbüffets, von den für die Bahnhofbuehhandlungen bezahlten Mietzinsen, den Plakaten etc., von verschiedenen Vermietungen, der Gepäckaufbewahrung etc., herrühren, sollen von den Betriebskosten abgezogen werden.

Art. 23.

Die g e m e i n s a m e n Ausgaben für den internationalen Bahnhof Vallorbe setzen sich zusammen aus : 1. Miete für Areal, Gebäude, Geleise, Rampen etc.; 2. Betriebskosten jeder Art.

1. Die Miete wird mit Fr. 48,000 per Jahr berechnet werden, vermehrt um 4 Va °/o vom Betrag der Anlagekosten, welche von der Jura-Siniplon-Bahn-Gesellschaft zur Erweiterung des B-thnhofes Vallorbe entsprechend dem diesem Vertrage beigegebenen Flaue (Art. 2) zu machen sind (d. h. für: Landankauf, Unterbau, Kunst-

2. für Brandfälle.

S. für Unfälle.

Nebeneinnahmen.

Die Miete.

324 bauten, Gebäude, darin inbegriffen die Lokomotivremisen, Wasserreservoirs, Leitungen und Wasserkräne für die Maschinen, Mobiliar und Werkzeug [ausgenommen das Mobiliar und das Werkzeug für den Traktionsdienst und den Dienst des Rollmaterials jeder Gesellschaft -- Art. 10]; Geleise samt Zubehörden, Inbegriffen diejenigen der Depots, Schiebebühnen, Drehscheiben, der Wasserund Ladekräne, Brückenwagen, Signale,Zentralanlagen für Weichenstellung etc., etc., sowie die Gebäude und Lokalitäten für den Zolldienst beider Länder). Die Höhe der notwendigen Ausgaben soll durch gemeinsame Vereinbarung festgesetzt werden mit einem Zuschlag von 8 °/o für allgemeine Kosten.

2. Die Betriebsausgaben umfassen : die Ausgaben für Beaufsichtigung, Unterhalt und Betrieb des gemeinsamen Bahnhofes, wie sie in den vorstehenden Artikeln umschrieben sind, darin inbegriffen die Miete für die zu den Bahnhofmanövern nöligen Maschinen und Pferde, Gehalt und Lohn des mit dem Gemeinschaftsdienst beschäftigten Personals, sowie die Einzahlungen der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschat't in die Hülfs-, Pensions- und Krankenkassen des Gemeinschaftspersonals, alles erhöht um 5 °/o für allgemeine Kosten.

Die gemeinsamen Ausgaben für Miete und Betrieb, festgesetzt wie oben erwähnt, werden von den beiden Gesellschaften im Verhältnis von zwanzig Prozent (20 °/o) durch die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft und von achuig Prozent (80°/o) durch die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft getragen. Wenn indessen diese Ausgaben siebenhunderttausend Franken (Fr. 700,000) übersteigen, so soll der Mehrbetrag zu gleichen Teilen zwischen den beiden Gesellschaften geteilt werden.

Die Abrechnung der Gemeinschaftsausgaben für den Biihnhof Vallorbe soll alle Vierteljahre durch die Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft aufgestellt werden; sie ist der Paris-Lyon-MittelmeerbahnGesellschaft zur Anerkennung vorzulegen; letztere kann die Vorweisung aller als Beweis dienenden Belege verlangen.

Die baulichen Anlagen, welche später zu erstellen sind, sei es für die gemeinsame Benützung, sei es für den besondern Gebrauch der Paris - Lyon - Mittelmeerbahn - Gesellschaft, zur Ergänzung oder Erweiterung der in dem diesem Vertrage bei-

325

gefügten Plan vorgesehenen Einrichtungen, seien sie beidseitig als notwendig erklärt worden, oder seien sie durch die zustehenden Behörden verlangt worden, sollen durch die Jura-Simplon-Bahn·Gesellschaft entsprechend den mit der Paris-Lyon-MittelmeerbahnGesellschaft vereinbarten Projekten ausgeführt werden. Der Betrag der Kosten, durch Vereinbarung festgestellt, mit einer Erhöhung um 8 °/o für allgemeine Kosten, soll von der Jura-Simplon-BahnGesellschaft aufgewendet werden. Die Ausgaben für neue Einrichtungen zur gemeinsamen Benützung; sollen zum Baukapitel für den Bahnhof hinzugefügt werden. Wenn es sich um neue Einrichtungen, die für die Paris-LyonMittelmeerbahn-Gesellschaft speziell bestimmt sind, handelt, so soll diese der Jura-SimplonBahn-Gesellschaft eine jährliche Miete von 4^8 °/o von dem auf gleiche Weise wie oben erwähnt festgesetzten Betrage entrichten.

Der Unterhalt dieser Anlagen geschieht .durch die Jura-SimplonBahn-Gesellschaft auf Rechnung der Paris-Lyon-MittelmeerbahnGesellschaft zu den Selbstkosten, mit einem Zuschlag von 5 °/o für allgemeine Kosten.

III.

Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

Art. 24.

Streitigkeiten, welche aus der Durchführung oder Auslegung Streitigkeiten.

dieses Vertrages entstellen könnten, sollen zwei Schiedsrichtern vorgelegt werden, von denen der eine durch die französische, der andere durch die schweizerische Gesellschaft bestimmt wird. Die Schiedsrichter verhandeln mit der Befugnis von Vermittlern und können gegebenenfalls einen dritten Schiedsrichter bestimmen.

Sollten die beiden Schiedsrichter innerhalb eines Monats, vom Tage ihrer Ernennung an, über die zu gebenden Entscheide oder die "Wahl eines dritten Kollegen nicht einig werden können, so wird «dieser Dritte auf Ansuchen der sich zuerst meldenden Partei vom Präsideuten des schweizerischen Bundesgerichts bezeichnet und hat das Amt eines Obmanns des Schiedsgerichts zu versehen.

Art. 25.

Gegenwärtiger Vertrag soll bis Ende 1958 dauern.

Vertragsdauer.

Bei seinem Ablauf wird die in der Schweiz gelegene Bahnstrecke (von der Grenze bis Vallorbe) unentgeltlich an die Jura SimplonBahn oder ihren Rechtsnachfolger zurückfallen und ihr in gutem Zustande übergeben werden; der Punkt des technischen GeleiseBundesblatt. 61. Jahrg. Bd. VI.

22

326

anschlusses und der Schnittpunkt für die Tarife werden alsdann an die Grenze zurückverlegt.

Art. 26.

Gegenwärtiger Vertrag muss von beiden Parteien vollzogen werden, sobald eine derselben den Vollzug vor dem 1. Dezember 1908 verlangt. Nach unbenutztem Ablauf dieser Frist wird jeder Teil von diesem Vertrage entbunden, sofern nicht ein neues Übereinkommen getroffen wird.

Art. 27.

Vorliegender Vertrag tritt erst mit Genehmigung der zuständigen Behörden in Kraft. Die auf die gemeinschaftliche Benützung des Bahnhofes Vallorbe bezüglichen Bestimmungen (Art. 8--23 dieses Vertrages) erwachsen in Kraft erst mit dem Tage der Betriebseröffnung der Linie durch den Mont d'Or.

Ina Doppel ausgefertigt in P a r i s , am 15. Oktober 1902 und in B e r n , am 14. Oktober 1902.

Der Direktor der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft :

G. Noblemaire.

Für die Direktion der Jura-Simplon-Bahn : Ruchonnet.

327

Schweizerische Bundesbahnen und Paris-Lyon-Mittelmeerbahn.

Nachtrag vom 7./8. Juni 1909 zum Vertrag vom 14./15. Oktober 1902 zwischen

der Gesellschaft der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und der Jura-Simplon-Bahn-Gesellschaft betreffend den Bau und Betrieb einer Verbindungslinie mit dem schweizerischen Bahnnetz durch den Mont d'Or nach Yallorbe und zur Mitbenutzung des Bahnhofes Vallorbe.

Zwischen den schweizerischen Bundesbahnen, vertreten durch die Generaldirektion, einerseits, und der Paris-Lvon-MittelmeerBahngesellschaft, vertreten durch deren Direktor, Herrn Mauris, anderseits, ist, unter Vorbehalt der Genehmigung durch die beidseitigen Verwaltungsräte, folgendes vereinbart worden : 1. Infolge der am Projekte von 1899/1900 vorgenommenen Abänderungen, und um die Verbindung der Linie mit dem Bahnhof Vallorbe leichter zu bewerkstelligen, wird die Länge der zu erstellenden Linie, welche im Alinea 2 des Art. l des Vertrages vom 14./15. Oktober 1902 auf 24,115 Meter vorgesehen war, wovon 1650 Meter 'auf Schweizergebiet, nunmehr auf ungefähr 24,300 Meter festgesetzt, wovon ungefähr 1835 Meter auf Schweizergebiet; die Länge des Mont d'Or-Tunnels wird von 6225 Metern auf ungefähr 6175 Meter herabgesetzt. Die Landesgrenze befindet sich auf der nach der Schweiz zu gelegenen Seite der Tunnel mündung in einer Entfernung von ungefähr 2450 Metern vom Mittelpunkt des gegenwärtigen Aufnahmegebäudes im Bahnhof Vallorbe, statt der früher berechneten Entfernung von 1895 Metern.

Bau der Linie.

328 Erweiterung des Bahnhofes Vallorbe.

2. Das Projekt für die Erweiterung des Bahnhofes Vallorbe, von welchem in Art. 2 und 23 des Vertrages vom 14./15. Oktober 1902 die Rede ist, wird durch das diesem Nachtrag beigelegte Projekt ersetzt.

Fristen, Ari und Weise der Ausführung der Arbeiten.

3. Die in Art. 3 des obenerwähnten Vertrages vom 14./15. Oktober 190- für die Erstellung der Linie vorgesehene Frist wird vou 5 auf 6 Jahre verlängert. Die Bestimmungen von Absatz 2 dieses Art. 3, welche sich auf die Erfüllung der für den Bau der aui' Schweizergebiet gelegenen Bahnstrecke nötigen Formalitäten beziehen, werden durch die folgenden ersetzt: Die schweizerischen Bundesbahnen erfüllen im Namen der Paris-Lyon-Mitlelmeerbahn-Gesellschaft die nötigen Formalitäten für die Erstellung der auf Schweizergebiet gelegenen Bahnstrecke, für welche dieser Gesellschaft durch Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1902 die Konzession erteilt worden ist.

Verteilung der Entschädigungen.

4. Das in Art. 19 des Vertrages vom 14./15. Oktober 1902 erwähnte Reglement der französischen Eisenbahnen vom 1. Oktober 1886 wird ersetzt durch das Übereinkommen betreffend die GüterÜbergabe und -übernähme, sowie die Verteilung von Entschädigungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr, vom 1. Juli 1907.

Verteilung der Gemeinschaftskosten fUr den Bahnhof Vallorbe.

5. Infolge der für die Ausführung der Linie eingetretenen Verspätung und wegen der Verlängerung des auf Schweizergebiet gelegenen Teilstückes werden die Bestimmungen von Absatz 4 des Art. 23 des vorerwähnten Vertrages vom 14./15. Oktober 1902, betreffend Teilung der gemeinsamen Kosten des Bahnhofes Vallorbe, abgeändert wie folgt: Die gemeinsamen Kosten für die Miete und den Betrieb des Bahnhofes Vallorbe werden zu gleichen Teilen zwischen den Schweizerischen Bundesbahnen und der Paris-Lyon-MittelmeerbahnGesellschaft geteilt.

Auf Grund der Vorteile, welche sich für die Schweizerischen Buudesbahnen aus der Erstellung der Linie Frasne-Vallorbe ergeben Werden soll, jedoch die auf die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft fallende Hälfte jährlich um Fr. 290,000 vermindert werden; diese Summe soll der auf die Schweizerischen Bundesbahnen fallenden Hälfte beigefügt werden.

6. Die Frist zur Ausführung des Vertrages vom 14./15. Oktober 1902, welche durch dessen Art. 26 auf den 1. Dezember 1908 festgesetzt ist, wird bis zum 31. Dezember 1910 verlängert.

329

Ausgefertigt im Doppel in P a r i s , am 7. Juni 1909 und in B e r n , am 8. Juni 1909.

Der Direktor der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn-Gesellschaft : Mauris.

Für die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, Der Präsident:

Weissenbach.

Beilage 5.

Vertrag zwischen

der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen in Bern einerseits und der Direktion der Berner Alpenbahn-Gesellschaft in Bern, als der Inhaberin der Eisenbahnkonzession für eine Eisenbahn von Münster nach Grenchen, eventuell mit Abzweigung nach Solothurn und Biel, anderseits, über die gegenseitigen Beziehungen und Konkurrenzverhältnisse im Güterverkehr.

(Vom 3. Juni 1909.)

Unter der Voraussetzung, dass a. die Berner Alpenbahn - Gesellschaft eine Eisenbahn von Münster nach Grenchen, mit Abzweigung gegen Biel und Einmündung in den S. B. B.-Bahnhof Lengnau als Hauptbahn erstellt und dem Betriebe übergibt, o. die genannte Gesellschaft für den internen, den direkten und den Transit-Güterverkehr die Tarifdistanz von 23 Kilometern berechnet, und c. ein Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon abgeschlossen wird und in Kraft Iritt, wird zwischen den unterzeichneten Direktionen folgender Vertrag abgeschlossen : Art, 1.

Die Gütertarife werden über die konkurrierenden Linien der beiden Verwaltungen gleichgestellt, soweit nicht infolge vollständiger Überlassung des gesamten Verkehrs an eine Route die andere Route auf die Gleichstellung zu verzichten hat.

331 Die sich aus der Taxgleichstellung ergebenden Ausfälle gehen zu Lasten der konkurrenzierten Distanzen. Die Taxverteilung wird demnach in der Weise durchgeführt, dass die in Betracht kommenden neutralen Taxanteile von den tarifmässigen Taxen vorabgezogen und die verbleibenden Reste effektiv-kilometrisch verteilt werden.

Art. 2.

Über die Leitung des Güterverkehrs wird folgendes vereinbart : a. Der lokale Güterverkehr zwischen den Gemeinschaftsstationen Münster und Lengnau wird der Münster-Lengnau-Bahn zur ausschliesslichen Bedienung überlassen.

b. Der Güterverkehr zwischen den Stationen der MünsterLengnau-Bahn (einschliesslich ihrer beiden Endstationen Münster und Lengnau") einerseits und den Stationen der schweizerischen Bundesbahnen und der übrigen schweizerischen Bahnen anderseits wird über diejenige Route geleitet, über die sich die kürzeste Tarifdistanz ergibt.

c. Der Güterverkehr von 'den über Münster in nördlicher und westlicher Richtung hinausgelegenen Eisenbahnstationen einerseits nach den über Lengnau in westlicher, östlicher und südlicher Richtung hinausgelegenen Eisenbahnstationen anderseits sowie umgekehrt (Transitverkehr) wird, soweit die kürzeste Tarifdistanz sich über die Münster-Lengnau-Bahn rechnet, wie folgt geleitet: siebzig Prozent über die Münster-Lengnau-Bahn, dreissig Prozent über Sonceboz.

d. Soweit ad b und c die tarifkilometrisch kürzeste Distanz gleichzeitig über zwei oder mehrere Routen liegt, -findet die Instradierung des Verkehrs über diese Routen zu gleichen Teilen statt.

Art. 3.

Der Güterverkehr mit der und über die Münster-LengnauBahn nach und von den ausländischen Bahnen wird auf den schweizerischen Strecken in gleicher Weise geleitet, wie der einschlägige Lokalverkehr der Grenzstationen, über die er ein- und ausgeht.

Über welche Grenzstationen die Sendungen zu leiten sind, richtet sich nach den hierüber von den Bundesbahnen mit den ausländischen Bahnen getroffenen Vereinbarungen.

332

Art. 4.

Die Leitung des nach Tarifgesetz in den Bereich der Solothurn-Münster-Bahn fallenden Güterverkehrs (kürzeste Tarifdistanz, über Solothurn-Müuster) bleibt besonderer Verständigung zwischen, dieser Bahn und den Bundesbahnen vorbehalten.

Art. 5.

Für die Leitung des vorstehend in Art. 2 und 3 nicht genannten Güterverkehrs kommen Strecken der Münster-LengnauBahn für die Instradierung nicht in Betracht und es werden Tarifeüber sie nicht erstellt.

Art. 6.

Den oben getroffenen Abmachungen entgegenstehende Vorschriften des Absenders über die Leitung der Transporte werden nach Massgabe der einschlägigen reglementarischen Bestimmungen» behandelt (§ 59, lit. J, des schweizerischen Transportreglements und Art. 6 des internationalen Übereinkommens).

Art. 7.

Über die Leitung des gemäss Art. 2 und 3 der MünsterLengnau-Bahn zufallenden Güterverkehrs bis und ab den Übergangsstationen Münster und Lengnau bleibt besondere Verständigung mit allfällig in Betracht kommenden dritten Bahnen vorbehalten.

Art. 8.

Die vertragschliessenden Parteien verpflichten sich gegenseitig, die vereinbarte Instradierung in keiner Weise, weder durch Tarifmassnahmen, Frachtnachlässe oder andere Begünstigungen, noch durch expeditorische Massnahmen oder Beeinflussung der Absender in irgendwelcher Art zu beeinträchtigen.

Art. 9.

Der vorliegende Vertrag tritt am Tage der Eröffnung der Münster-Lengnau-Bahn für den Güterverkehr in Kraft.

Die Leitung des Güterverkehrs nach den Abmachungen der Art. 2 und 3 hiervor beginnt mit dem Tage der Einführung der einschlägigen Gütertarife.

Art. 10.

Der Vertrag wird bis zum 1. Mai 1920 fest abgeschlossen»

333

Nach Ablauf dieses Termins gilt er jeweilen für ein weiteres Jahr als erneuert, sofern nicht durch eine der beteiligten Verwaltungen sechs Monate vorher Kündigung erfolgt ist B e r n , den 3. Juni 1909.

Für die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen ; unter Vorbehalt der Ratifikation durch den Verwaltungsrat:

Dinkelmann.

B e r n , den 3. Juni 1909.

Für die Direktion der Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon ; unter Vorbehalt der Ratifikation durch die zuständigen Gesellschaftsbehörden :

Ennz.

-<5S~-

Hirter.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ratifikation des am 18.

Juni 1909 zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Staatsvertrages betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon. (Vom 19. November 1909.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1909

Année Anno Band

6

Volume Volume Heft

49

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.12.1909

Date Data Seite

280-333

Page Pagina Ref. No

10 023 569

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