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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Gewährleistung einer vom Volke am 17. März 1895 angenommenen Partialrevision der Verfassung des Kantons Solothurn vom 23. Oktober 1887.

(Vom 3. April 1895.)

Tit.

Der Regierungsrat des Kantons Solothurn Übermacht mit Zuschrift vom 25. vorigen Monats die vom dortigen Kantonsrate unterm 30. November 1894 in zweiter Beratung beschlossene und in der Volksabstimmung vom 17. März 1895 mit 8359 gegen 2776, also mit einer Mehrheit von 5583 Stimmen angenommene Partialrevision der kantonalen Verfassung vom 23. Oktober 1887.

Diese Revision enthält drei Teile: die Verfassungsinitiative, das proportionale Wahlverfahren und die Finanzreform.

Gemäß Art. 6 der Bundesverfassung ersucht der Regierungsrat um die eidgenössische Gewährleistung derselben.

Der Wortlaut der neuen Artikel ist Ihnen mit den bezuglichen Vollziehungsbestimmungen gedruckt mitgeteilt worden.

Die hauptsächlichsten Neuerungen gegenüber der Verfassung von 1887 sind: Die Abstimmungen und Wahlen, die bisher nur an Sonn- und Feiertagen stattfinden durften, können von nun an auch auf den vorhergehenden Tag ausgedehnt werden (Art. 10, Absatz 2). Diese Bestimmung bedeutet eine Erleichterung der Ausübung des Stimmrechts.

Das bisher bei Wahlen geltende Majoritätsprinzip macht dem Proportionalsystem Platz, und zwar obligatorisch für die Wahlen des Kantonsrates und der Gemeinderäte mit wenigstens 7 Mitgliedern, fakultativ für die übrigen Gemeinderäte und für Kommissionen (Art. 10, Absatz 4 und 5).

557 Nachdem bereits im Jahre 1887 die Gesetzesinitiative eingeführt worden, ist nun auch die Verfassungsinitiative anerkannt. Dreitausend Stimmberechtigte können den Erlaß, die Aufhebung oder Abänderung bestimmter Artikel der Verfassung verlangen, in Form einer allgemeinen Anregung oder eines ausgearbeiteten Entwurfs, und hierüber eine Volksabstimmung erwirken (Art. 80bli). Die politischen Volksrechte haben also eine Erweiterung erfahren.

Zur Verzinsung und Amortisation der Staatsschulden, sowie zur Deckung anderer Bedürfnisse, des Staates soll eine direkte Steuer erhoben werden, und zwar erstmals im Jahre 1896 (Art. 83).

Dieselbe beträgt l °/o vom Einkommen und 1lz °/oo vom Vermögen, nebst einem Progressionszuschlag von 10--100 °/o für Steuerbeträge von über Fr. 20 bis auf Fr. 200.

Art. 63 der Verfassung, wonach die Stimmberechtigung zu einem mäßigen, auf alle gleich zu verlegenden Beitrag an die öffentlichen Lasten verpflichtet, fallt weg.

Die Handänderungsgebühr bei Liegenschaften ist auf Vn^o, die Hälfte des bisherigen Ansatzes, reduziert ; auch die Sportein (staatlichen Gebühren) sind wesentlich herabgesetzt. Es ist dadurch den unbemittelten Volksklassen Rücksicht getragen worden.

Der Verkaufspreis des Salzes ist auf 12 Rappen per Kilogramm festgesetzt (bisher 14 Rappen).

Tit.

Aus der Prüfung der neuen Bestimmungen ergiebt sich, daß dieselben nichts dem Bundesrechte Widersprechendes enthalten.

Sie charakterisieren sich als Ausführung demokratischer und volkswirtschaftlicher Postulate und als Konsolidation des finanziellen Staatshaushaltes.

Wir beantragen Ihnen die Erteilung der Bundesgarantie nach dem unten folgenden Beschlussesentwurfe.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 3. April 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. II.

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558 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Gewährleistung einer Partialrevision der Verfassung des Kantons Solothurn vom 23. Oktober 1887.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft und des Antrages des Bundesrates vom 3'. April 1895, betreffend die am 30. November 1894 vom solothurniachen Kantonsrate beschlossene Partialrevision der kantonalen Verfassung vom 23. Oktober 1887 -- Einführung der Verfassungsinitiative und des proportionalen Wahl Verfahrens und Finanzreform -- ; in Erwägung : daß diese Verfassungsänderung in der Volksabstimmung vom 17. März 1895 von der absoluten Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen worden ist und nichts enthält, was den Vorschriften der Bundesverfassung zuwider wäre; in Anwendung vou Art. 6 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Der am 17. März 1895 vom Volke angenommenen Partialrevision der Verfassung des Kantons Solothurn wird die Bundesgarantie erteilt.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Gewährleistung einer vom Volke am 17. März 1895 angenommenen Partialrevision der Verfassung des Kantons Solothurn vom 23. Oktober 1887. (Vom 3. April 1895.)

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1895

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10.04.1895

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