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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Schmalspurbahn von Zernez über den Ofenpass bis zur Landesgrenze bei Münster (Ofenbergbahn).

(Vom 6. Dezember 1909.)

Tit.

I.

Unterm 12. März 1906 reichte Herr Ingenieur Kürsteiner in St. Gallen im Auftrage der Gesellschaft der Bozen-Meranerbahn mit Sitz in Wien ein Gesuch ein um Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb einer Schmalspurbahn von Zernez über den Ofenpass bis zur Landesgrenze bei Münster, als Teilstück einer durchgehenden Linie Zernez-Schluderns eventuell Mals.

Der dem Konzessionsgesuche beigegebene allgemeine Bericht enthält kurz folgende Ausführungen.

Die zu konzessionierende Linie bilde das auf Schweizergebiet liegende Teilstück einer schmalspurigen Bahnverbindung zwischen der Vintschgaubahn (Meran-Mals), die voraussichtlich noch innert Jahresfrist werde eröffnet werden können und dem.

Engadin. Nachdem nun die Ausdehnung des schmalspurigen Bahnnetzes der Rhätischen Bahnen nach dem Engadin erfolgt sei, scheine es um so eher geboten, den an sich richtigen Gedanken der Erstellung einer Schienenverbindung zwischen der Schweiz und dem Tirol weiter zu verfolgen, als inzwischen auf österreichischer Seite die zirka 60 km lange Strecke Meran-Mals gebaut worden sei, womit das Etschtal nun eine ununterbrochene Bahnverbindung von

451 Bozen bis in die Nähe der Schweizergrenze erhalten habe. Schweizerischerseits stehe aber auch der Anschlnss des Unterengadins an das ßhätische Bahnnetz in Samaden unmittelbar bevor und die Rhätische Bahn sei bereits im Besitze der Konzession für die Strecke Schuls-Martinsbruck. Somit bleibe zwischen dem schweizerisch-bündnerischen Gebirgsbahnnetz und der tirolischen Etschtalbahn nur noch eine kurze Lücke offen, deren Schliessung speziell auch für die Schweiz notwendig und dringend erscheine.

Die Erstellung dieser Zwischenstrecke sei um so verlockender, als sich der Ofenberg vermöge seiner tiefen und ausgesprochen südlichen Lage und wegen der günstigen klimatischen Verhältnisse selbst dann für den Bahnbetrieb gut eigne, wenn der Kulminationspunkt auch etwas höher gelegt werden müsse als beispielsweise bei der Albulabahn.

In bezug auf den zu erwartenden Verkehr sei vor allern darauf hinzuweisen, dass es gelte, zwei der allerersten Fremdenund Touristenzentren Europas miteinander zu verbinden. Wenn heute der Verkehr zwischen Bozen-Meran und Sulden-Trafoi einerseits und dem Engadin anderseits verhältnismässig nur ein geringer sei, so sei das nur den umständlichen, zeitraubenden und kostspieligen Verbindungen zuzuschreiben, durch welche der Reisende gezwungen werde, sich langen Wagenfahrten zu unterziehen.

Hand in Hand mit dem Aufschwung des Fremdenverkehrs im Engadin seit dem Bau der Bahn habe auch der Touristenund Fremdenverkehr im benachbarten Etschtale und seinen Nebentälern des Ortlergebietes zugenommen. Diese Entwicklung des Verkehrs finde ihren besten Ausdruck im den stets wachsenden Einnahmen der Bozen-Meranerbahn, die bereits jährlich 40,000 Kronen per Kilometer übersteigen. Es sei sehr schwer, die Belebung des Verkehrs in den in Frage kommenden schweizerischen und tirolischen Tälern, welche die Erstellung einer direkten Bahnverbindung zwischen dem Engadin und Meran zur Folge haben müsste, in Ziffern auszudrücken, sie würde aber kaum hinter derjenigen zurückstehen, welche die Rhätische Babà dem Engadin gebracht habe. Wenn heute der Verkehr über dea Ofenpass in Ermangelung einer Schienenverbindung mit dem Südtirol noch ein relativ kleiner sei, so liege doch ein gewisser Beweis für dessen Entwicklungsfähigkeit schon darin, dass sich beispielsweise der Postverkehr über den Ofenpass seit 1899 um mehr als das doppelte gehoben habe. Diese Zunahme sei beinahe aus-

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schliesslich auf das Vordringen der Rhätischen Bahn ins Engadiu zurückzuführen.

Die Wichtigkeit der Bahn für den Lokalvorkehr erreiche deren Bedeutung für den Fremden- und Touristenverkehr nicht.

Es sei aber doch darauf hinzuweisen, dass sie ein jetzt von der übrigen Schweiz gänzlich abgetrenntes, schönes und bevölkertes Tal in engere Verbindung mit dem übrigen Teil des Kantony Graubünden und den anderen Kantonen bringe. Ferner sei zu erwarten, dass auch der zwar noch in den Anfängen vorhandene Fremdenverkehr des Münstertales durch die neue Bahn einen kräftigen Aufschwung nehmen werde und dass das ganze Tal aus der besseren Verwertungsmöglichkeit seiner Produkte, in der Hauptsache Holz, und aus der billigeren Beschaffung der von auswärts einzuführenden Lebensmittel und Gebrauchsartikel, Nutzen ziehen würde.

Die projektierte Linie schliesse bei der Station Schluderns der Vintschgaubahn (Meran-Mals) an und überschreite bei Kilometer 12 zwischen den Stationen Taufers und Münster die Landesgrenze. Das Talgefälle gestatte von Laatsch bis Sta. Maria die Überwindung der bedeutenden Höhendifferenz von 463 m ohne künstliche Entwicklung, dagegen stosse man oberhalb der Station Sta. Maria, die auf erhöhter Terrasse südwestlich des gleichnamigen Dorfes projektiert sei, bei Valcava auf eine steil ansteigende Talstufe. Die grosse Breite des Tales gestatte aber eine zum grössten Teil offene Entwicklung des Tracés, allerdings mit einem Kehrtunnel von 1030 m Länge im rechten Talhang. Die Bahn erreiche sodann bei einer Höhe von 1620 m ü. M. die Station Fuldera, durchquere das Tal und gewinne den linksseitigen Hang, welcher zur Überwindung der zweiten Talstufe mittelst eines 1190 m langen Kehrtunnels unterfahren werde. Die Linie verbleibe nun auf dem linksseitigen, sonnigen Hang, bediene die Station Cierfs (1800 m ü. M.J im obersten Teil des Münstertales und trete dann in den 2520 m langen Ofenbergtunnel ein, der die Wasserscheide zwischen Inn und Etsch durchbreche. Nachdem die Bahn bei Cote 1973 ihren Kulminationspunkt und die Station Ofenberg erreicht habe, gelange sie längs der Poststrasse und des Ofenbaches zur Station Fuorn bei Kilometer 39,6. Das Tracé gestalte sich weiter wieder schwieriger. Bis zum Eintritt ins Inntal müsse die Linie auf mehr als 9 km Länge der wilden Schlucht des Ofen- und des Spölbaches folgen. Diese Strecke weise grosse Ähnlichkeit mit der Strecke Thusis-Tiefenkasten der Albulabahn auf. Nach dem Austritt aus dem wilden Tobel er-

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reiche die Bahn in weitem Bogen die von der Rhätischen Bahn projektierte Station Zernez.

Der technische Bericht enthält folgende Hauptangaben : Länge der Bahn: auf Schweizergebiet 40,680 m, ganze Linie bis Schluderns 52,680 m.

Spurweite : l m.

Maximalsteigung : 40 %o.

Höhecoten: Station Zernez 1500m, Ofenberg (Kulminationspunkt) 1973 m, Station Münster 1250 m.

Minimalradius: 120 m.

Zwischenstationen : 7 und eine Betriebsstatipn.

Betriebssystem : Elektrischer Betrieb. Einphasenwechselstrom von 6000 Volt aus dem zu erstellenden Kraftwerke an der Etsch bei Mals. Eventuell Dampfbetrieb.

Der Kostenvoranschlag für die genannte Linie SchludernsZernez setzt sich aus nachstehenden Posten zusammen : Allgemeine Verwaltung und technisches Personal Fr.

600,000 Bauzinsen ' . ,, 814,000 Expropriationen ^ 530,000 Unterbau : .', 11,119,000 Oberbau . . . : . · ,, 1,270,000 Hochbau und mechanische Einrichtungen . . ,, 600,000 Elektrische Leitungen und Transformatoren . .., 567,000 Rollmaterial '.n 1,165,000 Mobiliar und Gerätschaften ,, 80,000 Total Fr. 16,745,000 oder per Bahnkilometer Fr. 317,800.

II.

Das Gesuch um Erteilung einer Konzession für die Ofenbergbahn konnte nicht ohne weiteres behandelt und Ihnen zur Beschlussfassung unterbreitet werden, es musste vorerst die gesamte Frage der Anschlüsse des Unterengadins an die Vintschgaubahn ihre endgültige Lösung finden. Die Bestrebungen behufs Anschluss des Engadins an die Vintschgaubahn reichen bis zur Zeit der Vorstudien für dieses Projekt, d. h. bis ins Jahr 1892 zurück.

Zuerst nahm die österreichische Regierung den Anschlusss in Nauders in Aussicht. An der Konferenz, welche auf die Anregung des österreichischen Eisenbahnministeriums am 3. Mai 1906 in Nauders stattfand, wurde von den Delegierten der Schweiz in

454 unserem Auftrage die Erklärung abgegeben, dass die schweizerischen Interessen in erster Linie eine Schmalspurbahn auf dem linken Innufer bis Schalkhof und von dort nach Pfunds verlangen, und dass auf Verhandlungen über andere Anschlüsse nur unter der Voraussetzung eingetreten werden könne, dass die Verbindung mit Pfunds vorher gesichert sei. Bevor also die Konzession für die Ofenbergbahn (Verbindung mit Meran und Südtirol) erteilt werden konnte, war erforderlich, dass die Ubatisene Bahn die Erteilung der Konzession für die Strecke Martinsbruck-Landesgrenze in der Richtung nach Pfunds nachsuche und erhalte, und dass auch die Fortsetzung dieser Linie auf österreichischem Gebiete nach Pfunds zum Anschluss an die projektierte Bahn MalsLandeck (Verbindung mit Innsbruck und Nordtirol) als gesichert betrachtet werden könne. Wir stellten deshalb im Einverständnis mit dem kleinen Rate des Kantons Graubünden und der Rhätischen Bahn vorläufig das Konzessionsgesuch für die Ofenbergbahn zurück und konnten dem wiederholt von den Konzessionsbewerbern geäusserten Wunsch, es möchte Ihnen die fragliche Konzessionsvorlage beförderlichst unterbreitet werden, keine Folge geben.

Wir verweisen sowohl mit Bezug auf diesen letzteren Punkt als für die Unterhandlungen betreffend Festsetzung des Anschlusses an das österreichische Bahnnetz in Pfunds auf die bei den Akten liegenden Korrespondenzen und Protokolle.

Unterm 11. Juni 1907 teilte uns Herr alt Regierungsrat F. Manatschal in Chur mit, dass die Bozen-Meranerbahn von ihrem Konzessionsgesuche für die Ofenbergbahn zugunsten eines von ihm, Herrn Manatschal, vertretenen Initiativkomitees zurückgetreten sei. Gleichzeitig übermachte er uns eine bezügliche Abtretungserklärung der Gesellschaft der Bozen-Meranerbahn.

Als Sie später dem Gesuche der Rhätischen Bahn um Ausdehnung ihrer Konzession auf die Linie Martinsbruck-Finstermünzschweizerisch-österreiehische Grenze bei Schalkel mittelst ßundesbeschlusses vom 21. Juni 1907 (E. A. S. XXIII, 110) entsprochen hatten und auch von der österreichischen Regierung mit Note vom 4. August 1909 die Zusicherung gegeben worden war, dass, sobald die Rhätische Bahn den Finanzausweis für den Bau der Verbindungslinie von der Landesgrenze bis nach Pfunds erbracht haben werde, die Bedingungen zur Erteilung der Konzession festgesetzt werden
könnten, wurde vom Eisenbahndepartement der Konzessionsentwurf für die Ofenbergbahn erstellt.

Der Kleine Rat des Kantons Graubünden hat sich mit Vernehmlassungen vom 3. August 1906 und 29. Mai 1909 für die Konzessionserteilung ausgesprochen.

455 In den konferenziellen Verhandlungen, welche am 29. Oktober 1909 in Bern stattfanden, wurde im allgemeinen dem Konzessionsentwurfe zugestimmt. Einem Wunsche der Konzessionsbewerber entsprechend, wurden in den verschiedenen Artikeln, welche die Taxansätze enthalten, für die ganze Strecke ZernezLandesgrenze einheitliche Taxen festgesetzt, in Abweichung der im Konzessionsgesuche angeregten Aufstellung von verschiedenen Taxen für die Strecken Zernez-Münster und Münster-Landesgrenze.

In bezug auf den zweiten Absatz des Art. 5 bemerken wir, ^dass diese Bestimmung, gemäss welcher auf schweizerischem Gebiete das Strecken- und das Stationspersonal schweizerischer Nationalität sein soll, noch nachträglich im Einverständnis mit den Konzessionsbewerbern aufgenommen wurde. Es wird sich empfehlen, diese Vorschrift inskünftig allen Grenzbahnen, die aum Teil auf fremdem Gebiete zu liegen kommen, aufzuerlegen.

Da der in unserer Botschaft betreffend Konzession der Furka-Oberalpbahn (Bundesbl. 1908, IV, 701) erwähnte Bericht der Generalstabsabteilung vom 26./27. März 1906 auch die Ofenbergbahn behandelte, ist mit Zustimmung des Initiativkomitees als letzter Absatz des Art. 7 die nämliche Bestimmungbetreffend die durch das militärische Interesse gebotenen Bauten aufgenommen worden, die seinerzeit in der Konzession der genannten Furka-Oberalpbahn Aufnahme gefunden hat. Auch bezüglich dieser Bestimmung gestatten wir uns, auf die bei den Akten liegenden Korrespondenzen zu verweisen.

Weitere Bemerkungen haben wir nicht anzubringen.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Konzessionsentwurf zur Annahme und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer : ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

' K e r n , den 6. Dezember 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der Bundespräsident:

Deucher.

Der I. Vizekanzler :

Schutzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer Schmalspurbahn von Zernez über den Ofenpass bis zur Landesgrenze bei Münster (Ofenbergbahn).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Herrn Ingenieur Kürsteiner in St. Gallen namens der Bozen-Meranerbahn, vom 12. März 1906; 2. einer Eingabe des schweizerischen Initiativkomitees für eine Ofenbergbahn, vom 11. Juni 1907, samt Beilage; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Dezember 1909, beschliesst: Einem durch Herrn alt Regierungsrat F. M a n a t s c h a l in Chur vertretenen schweizerischen Initiativkomitee wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Schmalspurbahn von Z e r n e z über den O f e n p a s s bis zur L a n d e s g r e n z e bei M ü n s t e r (Ofenbergbahn]) unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

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Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren,, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet,, erteilt.

Art. 4.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Santa Maria.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Auf schweizerischem Gebiete soll das Strecken- und dasStationspersoual schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem.

Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit denErdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen 3 Va Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und demBetriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zumBetrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen; auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung, derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorgefür die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Die Bahnverwaltung hat dafür zu sorgen, dass die Tunnelarbeiten am Sonntag, mit Ausnahme der Arbeiten vor Ort und allfälliger unaufschiebbarer Arbeiten, eingestellt werden.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, die durch das militärischeInteresse gebotenen Stationsgeleise, Verladerampen und Minen, beim Bau und später, auf ihre Kosten auszuführen.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von einem Meter una eingeleisig erstellt und mittelst Dampf oder Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welch» durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteine-

·458 rangen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons ·Graubünden und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche ·die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen ·eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement
Art. 13. Die Beförderung von Personen soll vom 1. Mai 'bis 30. September täglich mindestens viermal und in der übrigen 2eit in der Regel täglich mindestens zweimal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen zweier Klassen nach dem Durchgangssystem aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen foeizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert

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·werden können. Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Art. 15. Für die Beförderung von Personen können per Kilometer der Bahnlänge Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: in der zweiten Wagenklasse 20 Rappen, in der dritten Wagenklasse 10 Rappen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern :für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist in beiden Wagenklassen die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 16. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist -die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reise.gepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mit:reisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 12 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisegepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und ·die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

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Es sind Klassen aufzustellen, für welche per 100 Kilogramm und per Kilometer folgende Taxansätze nicht überschritten werden dürfen : höchste Klasse 6 Rappen, niedrigste Klasse 3 Rappen.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderuug von Waren in Eilfracht kann die Taxe um, 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen.

Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert sind für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 3 Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, sind für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln usw. zeitweise niedrigere Taxen einzuführen, welchevom ßundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen können Taxen erhoben werden, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und folgende Beträge per Stück und per Kilometer nicht übersteigen dürfen : höchste Klasse 32 Rappen, niedrigste Klasse 6 Rappen.

Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 */o erhoben werden.

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Art. 23. Für Gepäck-, Güter- und Tiersendungen kann eine Minimaltransporttaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten darf.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von ·den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht ·erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind -nur mit Zustimmung ·des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Das Gewicht wird bei' Gütersendungen bis auf 20 kg ' für volle 20 kg gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

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Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für dasPersonal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt, bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus; dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundesoder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons.

Graubünden gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Ruckkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rüekkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert desdurchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 221/afachen Wert; -- wenn-

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der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durchdiesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschussder Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztem auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welcheauf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

. c. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung, des Bundesgerichtes.

Art. 31. Hat der Kanton Graubünden den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit, auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von.

der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriftendieses Beschlusses, welcher am 1. Januar 1910 in Kraft tritt, beauftragt.

-is^Xg-

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Schmalspurbahn von Zernez über den Ofenpass bis zur Landesgrenze bei Münster (Ofenbergbahn). (Vom 6. Dezember 1909.)

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15.12.1909

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