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Bundesgesetz über

Maß und Gewicht.

(Vom 24. Juni 1909.)

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Juni 1906 ; gestützt auf Art. 40 der Bundesverfassung vom 29. Mai .1874, beschliesst:

I. Allgemeines.

Art. 1. Die Festsetzung der in der Schweiz geltenden Maße und Gewichte ist Sache des Bundes.

Art. 2. Die Oberaufsicht über die Ausführung und .Anwendung dieses Gesetzes steht dem Bundesrat zu und -wird durch das eidgenössische Amt für Maß und Gewicht vermittelt.

Art. 3. Die direkte Überwachung der in Handel und Verkehr verwendeten Längen- und Hohlmaße, Gewichte und zugelassenen Wagen steht den Kantonen zu.

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. IV.

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II. Die gesetzlichen Maßeinheiten.

A. Maoeinheiten für Längen und Massen.

Art. 4. Den Maßeinheiten, welche in der Schweiz, gesetzlichen Kurs haben, dienen der Meter und das.Kilogramm als Grundlage.

Art. 5. Die Einheit der Länge ist der Meter. Brist bestimmt durch die Länge bei 0 ° des internationalen Prototyps M, welches durch die internationale- Generalkonferenz für Maß und Gewicht vom Jahr 1889 als solches sanktioniert wurde und im internationalen Bureau für Maß.

und Gewicht in Sèvres aufbewahrt wird.

Das schweizerische Urmaß des Meters ist die Kopie Nr. 2 des internationalen Prototyps, welches, wie dieses,, aus einer Legierung aus 90 % Platin und 10 % Iridium besteht und auf dem eidgenössischen Amte für Maß und Gewicht aufbewahrt wird. Die Länge dieses Urmaßes ist.

festgestellt durch das Certifikat des internationalen Bureaus für Maß und Gewicht.

Art. 6. Die Einheit der Masse ist das Kilogramm.

Es wird dargestellt durch die Masse des internationalen Prototyps K, welches im internationalen Bureau für Maß und Gewicht in Sèvres aufbewahrt wird.

Das schweizerische Urmaß des Kilogramms ist die Kopie Nr. 38 des internationalen Prototyps und besteht, wie dieses, in einem Zylinder aus 90 °/o Platin und 10 °/o Iridium, welcher auf dem eidgenössischen Amte für Maß und Gewicht aufbewahrt wird. Die Masse dieses Urmaßes ist festgestellt durch das Certifikat des internationalen Bureaus für Maß und Gewicht.

Die im Verkehrsleben zur Bestimmung der Massedienenden Maßgrössen werden als Gewichte bezeichnet.

227 Art. 7. Die aus dem Meter abgeleiteten Maße und ihre Bezeichnungen sind : Längenmaße.

Kilometer Hektometer Dekameter Meter Dezimeter Centimeter Millimeter Micron

= 1000 = 100 = 10

km hm dam m dm cm mm

= = =

/*

==

Met·n ·n

0,1 0,01 0,001 0,000 001

·n Ti

·n ·n

Flächenmaße.

Quadratkilometer km = l 000 000 Quadratmeter.

Hektare ha = 10000 ,, Are a = 100 ,, Quadratmeter m2 Quadratdezimeter dm 2 = 0,01 ,, Quadratcentimeter cm2 = 0,0001 ,, 2 Quadratmillimeter mm = 0,000 001 a

Körpermaße.

Dekaster Ster Kubikmeter Kubikdezimeter Kubikcentimeter Kubikmillimeter Art. 8.

sind:

das s m9 dm 3 cm3 mm 3

= 10

Kubikmeter.

-1

= = =

0,001 0,000 001 0,000 000 001

n T!

n ·n

Die aus dem Kilogramm abgeleiteten Maße

228 Massen (Gewichte).

Tonne t -- 1000 Kilogramm.

Metrischer Zentner q ^.-. 100 7) kg ^ 1000 Gramm.

Kilogramm hg ==, 100 Hektogramm dag = Dekagramm 10 Gramm g dg = Dezigramm 0,: cg = Centigramm 0,1 Milligramm mg = 0,1 Das metrische Karat, als Masseneinheit für Edelsteine und Perlen, wird zu 200 Milligramm festgesetzt.

Hohlmaße.

Die Einheit der Hohlmaße ist der Liter. Ein Liter ist das Volumen eines Kilogramms destillierten und luftfreien Wassers bei der Temperatur des Dichtigkeitsmaximums (4°) und unter dem atmosphärischen Normaldruck.

Für alle in Handel und Verkehr vorkommenden Verhältnisse, bei welchen die verlangte Genauigkeit geringer ist als "

1 kann angenommen werden, dass ein Liter

gleich einem Kubikdezimeter ist.

Die aus dem Liter abgeleiteten Maße sind: Liter.

Hektoliter hl = 100 Dekaliter dal ^ 10 1 Liter dl =.

Deziliter 0,1 Centiliter cl = 0,01 ,, ml -- Milliliter 0,001 ,,

B. Maßeinheit für Temperatur.

Art. 9. Die im schweizerischen Maß- und Gewichtsdienste angenommene thermometrische Skale ist die 100-

l

F

229 teilige Skale des Wasserstoffthermometers, welche als Fixpunkte die Temperatur des schmelzenden Eises (0 °) und diejenige des Dampfes des siedenden Wassers bei dem atmosphärischen Normaldruck (100 °) besitzt.

Der atmosphärische Normaldruck wird dargestellt durch den Druck einer Quecksilbersäule von der Dichte 13,59593, von 760 mm Höhe und unter dem Normaldruck der Schwere.

§45 (mittlere geographische Breite) 9,8067 --S6C

C. Elektrische Maßeinheiten.

Art. 10. Für die elektrischen Messungen gelten folgende gesetzliche Haupteinheiten: das internationale Ohm, das internationale Ampere, das internationale Volt und das internationale Watt.

Art. 11. Das internationale O h m ist die Einheit des Widerstandes. Es ist der Widerstand, welchen ein unveränderlicher Strom in einer Quecksilbersäule von gleichförmigem Querschnitt, von einer Länge von 106,300 Centimetern und einer Masse von 14,4521 Gramm bei der Temperatur 0 ° findet.

Art. 12. Das internationale A m p e r e ist die Einheit der Stromstärke. Es ist der unveränderliche Strom, welcher bei seinem Durchgang durch eine wässerige Lösung von Silbernitrat die Masse von 0,00111800 Gramm Silber in einer Sekunde abscheidet.

Die Elektrizitätsmenge, welche durch den Strom eines Ampere während einer Stunde geliefert wird, ist die AmpereStunde.

Art. 13. Das internationale V o 11 ist die Einheit der elektromotorischen Kraft und der Spannungsdifferenz. Es

230 ist die unveränderliche Spannungsdifferenz, welche zwischen den Endpunkten eines von elektromotorischer Kraft freien Leiters vom Widerstande eines internationalen Ohm dauernd wirkend, einen unveränderlichen Strom gleich einem internationalen Ampere erzeugt.

Art. 14. Das internationale W a t t ist die Einheit der Leistung (Effekt). Es ist die Leistung eines unveränderlichen Stromes von der Stärke eines internationalen Ampere unter der unveränderlichen Spannung eines internationalen Volt.

Die Arbeit, welche ein internationales Watt während einer Stunde entwickelt, heisst Wattstunde.

III. Das eidgenössische Amt für Maß und Gewicht.

Art. 15. Dem eidgenössischen Amt für Maß und Gewicht fallen folgende Aufgaben zu: 1. Die Kontrolle der kantonalen Eichstätten.

2. Die Prüfung und Vergleichung von Längenmaßen mit den Kopien der Urmaße und deren Stempelung.

· (Maßstäbe, Bandmaße, Messketten, Kalibermaße, Latten für Nivellements, Mikrometerschrauben, Ausdehnungskoeffizienten etc.).

3. Die Prüfung und Stempelung von Hohlmaßen.

(Volumenbestimmungen fester Körper, Hohlmaße für flüssige und gasförmige Körper, gradierte Gefäße etc.).

4. Die Prüfung und Stempelung von Gewichten und Wagen.

(Handelswaren, Wagen für pharmazeutische Zwecke, Aräometer, Densimeter, Alkoholometer etc.).

5.'Die Prüfung und Stempelung von Thermometern, Barometern, Hygrometern, Manometern etc.

l

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<6. Die Prüfung und Stempelung von Gasmessern, Wassermessern,Wassergeschwindigkeitsmessern, Tachymetern etc.

7. Die Prüfung und Stempelung von elektrischen Maßen und Messinstrumenten.

(Voltmetern, Amperemetern, Wattmetern, Ohmmetern, Zählern für Gleich- und Wechselstrom etc.).

8. Die Prüfung und Stempelung von Zeitmessern.

9. Die Prüfung und Stempelung von Kreisteilungen, Niveaux etc.

10. Die Prüfung und Stempelung weiterer Messinstrumente, deren Bezeichnung dein Bundesrat zusteht.

Wo nach der Natur des Gegenstandes eine Stempelung nicht tunlich ist, kann sie durch eine andere Beurkundung ersetzt werden.

Art. 16. Das eidgenössische Amt für Maß und Gewicht hat seinen Sitz in Bern. Der Bundesrat kann an ändern Orten Zweiganstalten errichten oder andere Institute mit bestimmten Aufgaben betrauen ; er ordnet ihre Beziehungen zum eidgenössischen Amt.

Mit Bezug auf die Prüfung und Stempelung von elektrischen Messapparaten und von Gas- und Wassermessern sollen lokale Anstalten nach Möglichkeit und mit Bezug auf die Instrumente für Zeitmessung die gegenwärtig bestehenden astronomischen Observatorien berücksichtigt werden.

Art. 17. Das eidgenössische Amt für Maß und Gewicht untersteht dem eidgenössischen Departement des Innern.

Art. 18. Eine Fachkommission von 5 Mitgliedern, die auf Vorschlag des Departements des Innern vom Bundesrat auf eine. Amtsdauer von 3 Jahren gewählt wird, überwacht die Leitung des eidgenössischen Amtes für Maß und Gewicht. Sie hat die Methoden der Eichung festzustellen

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und dem Bundesrat Vorschläge über allfällige der amtlichenEichung zu unterstellende Messinstrumente zu machen, die in Art. 15 nicht erwähnt sind.

Art. 19. Das Personal des eidgenössischen Amtes für~ Maß und Gewicht besteht aus : einem Direktor, eingestellt in Besoldungsklasse I; einem Adjunkten, eingestellt in Besoldungsklasse II; einem Buchhalter und Korrespondenten, eingestellt inBesoldungsklasse IV; einem ersten Assistenten, eingestellt in Besoldungsklasse IV; Assistenten, Arbeitern und Hülfspersonal, eingestellt in Besoldungsklasse VII; einem Abwart, eingestellt in Besoldungsklasse VII.

Das Beamtenpersoual wird vom Bundesrat auf den Vorschlag des Departements des Innern für die gesetzliche Amtsdauer gewählt.

Art. 20. Der Bundesrat stellt auf Antrag der in> Art. 18 vorgesehenen Fachkommission die Gebühren fest, welche dem eidgenössischen Amte für Maß und Gewicht für dessen Arbeiten zu entrichten sind.

Art. 21. Der Kredit für das eidgenössische Amt fürMaß und Gewicht wird alljährlich bei der Beratung des, Budgets festgesetzt.

IV. Ausführungs- und Strafbestimmungen.

Art. 22. Jede Kantonsregierung bezeichnet diejenigen Behörden und Beamten, welchen die Beaufsichtigung und die Kontrolle der Verkehrsmaße übertragen sind. Die Beamten handeln nach einer vom Bundesrate erlassenen Instruktion. Die Regierung überwacht deren Handhabung

233 und bestimmt, unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat, die Zahl der Eichstätten, wählt sachkundige Eichmeister, welche sie in Pflicht nimmt, und sorgt dafür, dass wenigstens alle drei Jahre eine allgemeine Nachschau abgehalten werde, für welche die Eichmeister durch die Kantone zu entschädigen sind.

Für die amtliche Stempelung von Längen- und Hohlmaßen, sowie Gewichten und Wagen beziehen die Eichmeister die in der Vollziehungsverordnung festgesetzten Gebühren, sofern nicht die Kantone fixe Besoldungen ausrichten.

Art. 23. In diesem Gesetze nicht aufgeführte Einheiten und Maße, welche sich von den Haupteinheiten ableiten lassen, werden durch Verordnung des Bundesrates bestimmt.

Art. 24. In der Vollziehungsverordnung wird der Zeitraum bestimmt, nach welchem die verschiedenen Arten von Messinstrumenten einer neuen Prüfung zu unterziehen sind.

Art. 25. In Handel und Verkehr dürfen nur geeichte Längen- und Hohlmaße, Gewichte, Wagen, Thermoalkoholometer, Gas- und Wassermesser und elektrische Messinstrumente zur Verwendung kommen.

Für die Wassermesser und die elektrischen Messinstrumente wird der Bundesrat den Zeitpunkt bestimmen, mit dem die Eichpflicht beginnt ; er wird die nötigen Verordnungen hierüber erlassen.

Der Bundesrat ist ermächtigt, die Eichpflicht auch auf weitere Messinstrumente auszudehnen.

Die Regierungen der Kantone haben die Handhabung dieser Bestimmungen zu überwachen.

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Art. 26. Die von einer kantonalen Eichstätte vorschriftsmässig vorgenommenen Eichungen haben in allen Kantonen gesetzliche Gültigkeit.

Art. 27. In schriftlich abgeschlossenen Verträgen und in amtlichen Aktenstücken sollen Maßangaben nach den in vorliegendem Gesetze festgesetzten Maßeinheiten bezeichnet werden.

Art. 28. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der Art. 25 und 27 dieses Gesetzes werden mit Bussen von Fr. l bis Fr. 100 bestraft, vorbehaltlich der Überweisung an den Strafrichter im Falle des Betruges.

Art. 29. Wer wissentlich unrichtige Maße und Messinstrumente gebraucht, auch wenn sie geeicht sind, ist, sofern die Übertretung nicht ein schwerer zu bestrafendes Vergehen enthält, mit einer Busse von Fr. l bis Fr. 200 zu belegen. Rückfall wird als wesentlicher Erschwerungsgrund angesehen.

Als unrichtig gelten die Maße oder Messinstrumente, welche über die in dei1 Vollziehungsverordnung festgestellten Grenzen hinaus von der Richtigkeit abweichen.

Art. 30. Wer Eichzeichen, amtliche Stempel oder Schablonen, die zu Eichzwecken bestimmt sind, fälscht oder verfälscht oder nachahmt, wer solche gefälschte, verfälschte oder nachgeahmte Eichzeichen, Stempel oder Schablonen wissentlich geltend macht, wird wegen Fälschung von Bundesakten, gemäss Art. 61 des Bundesstrafrechtes bestraft.

Art. 31. Für Bestrafung von Verbrechen und Vergehen eidgenössischer oder kantonaler Beamter und An-

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gestellter bleiben im übrigen die Bestimmungen der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung vorbehalten.

Art. 32. Die Untersuchung und Beurteilung der Übertretungen des ßundesstrafrechtes unterliegt der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 125 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März 1893).

Die Ahndung der in Art. 28 und 29 dieses Gesetzes erwähnten Übertretungen ist Sache der kantonalen Behörden.

Art. 33. Ungeeichte und ungenaue Maße und Messinstrumente (Art. 25) werden auf Kosten des Eigentümers berichtigt oder, sofern dies nicht geschehen kann, konfisziert und an die zuständige Behörde abgeliefert.

Gefälschte Stempel und Messinstrumente werden konfisziert und dem eidgenössischen Amte für Maß und Gewicht abgeliefert, um unbrauchbar gemacht zu werden.

T. Übergangsbestimmungen.

Art. 34. Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes fällt das Bundesgesetz über Maß und Gewicht vom 3. Juli 1875 dahin.

Art. 35. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 22. Juni 1909.

Der Präsident: A. Germann.

Der Protokollführer: Rillgier.

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Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 24. Juni 1909.

Der Präsident: A. Thélin.

Der Protokollführer: Schutzmann.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist zu veröffentlichen.

B e r n , den 26. Juni 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Datum der Veröffentlichung : 30. Juni 1909.

Ablauf der Referendumsfrist : 28. September 1909.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über Maß und Gewicht. (Vom 24. Juni 1909.)

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30.06.1909

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