441

# S T #

Bundesratsbeschluß über

den Rekurs von Dr. G. Wehrlin, Arzt in Murten, gegen einen Beschluß des Staatsrates von Freiburg betreffend Forderung einer Gebühr für die Ausübung des Arztberufes.

(Vom 12. November 1895.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t

hat in Sachen des Rekurses des Herrn Dr. G. W e h r l i n , Arzt in Murten, gegen einen Beschluß des Staatsrates des Kantons Freiburg vom 17. August abbin, betreffend Forderung einer Gebühr von Fr. 50 für die Bewilligung der Ausübung des Arztberufes im Kanton Frei bürg; auf den Antrag des Departements des Innern ; in Erwägung : 1. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Anwendung des auf Grundlage des Art. 33 der Bundesverfassung erlassenen Bundes.gesetzes vom 19. Dezember 1877 über die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der schweizerischen Eidgenossenschaft; der Bundesrat hat sich daher mit der Prüfung und Beurteilung derselben zu befassen (Art. 189, Absatz 2, des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege).

2. Mit der vorliegenden Streitfrage, ob die Kantone seit dem Inkrafttreten des genannten Bundesgesetzes über die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der schweizerischen Eidgenossenschaft, .vom 19. Dezember 1877, und der damit verbundenen Übernahme Bundesblatt 47. Jahrg. Bd. IV.

30

442 des medizinalen Prüfungswesens durch den Bund noch berechtigt seien, von den Inhabern eidgenössischer Medizinaldiplome Patentgebühren oder diesen äquivalente Gebühren für die Bewilligung der ärztlichen Praxis auf ihrem Gebiete zu fordern, hatte der Bundesrat schon in den Jahren 1879 und 1880 anläßlich zweier Rekurse gegen derartige Forderungen der Regierung von Bern sich gründlich zu befassen, und er gelangte damals dazu, sie folgendermaßen zu beantworten : Das eidgenössische Medizinaldiplom erledigt für den Besitzer gegenüber allen Kantonen ohne weiteres die Frage der wissenschaftlichen und praktischen Befähigung, entbindet ihn aber nicht von den Vorschriften fiskalischer und polizeilicher Natur, welche in den Kautonen betreffend Ausübung von Gewerben und wissenschaftlichen Berufsarten bestehen. Aus diesem Grunde erscheint die geforderte daherige Gebühr grundsätzlich gerechtfertigt.

Die durch das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1877 (A. S.

n. F. III, 379) gewährleistete Freizügigkeit des Medizinalpersonals für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft könnte jedoch illusorisch werden, wenn jeder Kanton das Recht hätte, für die Erteilung der Bewilligung zur Ausübung der medizinischen Berufsarten eine unbeschränkte Gebühr zu fordern.

Durch das angeführte Gesetz sind die Kantone von den Kosten, die sie früher für die Medizinalprüfungen zu bestreiten hatten, entlastet worden, da der Bund jetzt dieselben trägt. Die Kaotone haben daher lediglich noch zu untersuchen, ob die ihnen von den Medizinalpersonen, welche sich auf ihrem Gebiete niederlassen wollen, vorgelegten Ausweise gültig seien, worauf bejahendenfalls die Bewilligung zur Berufsausübung zu erteilen ist. Für diese Bethätigung scheint die Erhebung einer gewöhnlichen Kanzleigebühr eine genügende Entschädigung zu sein.

Dieser Anschauungsweise entsprechend wurde die Regierung von Bern, welche für eine Bewilligung zur Ausübung der ärztlichen Praxis in ihrem Kanton eine Gebühr von Fr. 100 gefordert hatte,, eingeladen, ihren Kanzleitarif im Sinne der Reduktion dieser Abgabe auf den Betrag einer angemessenen Kanzleigebühr zu revidieren, und sie hat der Einladung denn auch entsprochen, indem sie jetzt laut neulich eingeholtem Bericht für eine Bewilligung zur Ausübung des Arzt-, Zahnarzt-, Apotheker- und Tierarztberufes bloß noch eine Gebühr von
Fr. 1. 20 nebst Taxe des Formatstempels (30 bis 60 Cts.) bezieht.

3. Die durch den Staatsrat von Freiburg vom Rekurreaten verlangte Gebühr beträgt nun freilich bloß die Hälfte der seiner Zeit vom Kanton Bern für den gleichen Akt geforderten Taxe.

443

Dessenungeachtet gilt auch von ihr die an der Forderung Berns gernachte Aussetzung: sie erscheint angesichts der derrnaligen Umstände in ihrer jetzigen flöhe als eine ungerechtfertigte.

Zur Beleuchtung des Standpunktes, den der Kanton Freiburg einnimmt, sei noch bemerkt, daß nach der im Jahre 1879 durch das eidgenössische Departement des Innern vorgenommenen Untersuchung über die Höhe der von den Kantonen bezogenen Arztpatentgebühren sich ergab, daß schon damals alle Kantone mit Ausnahme Berns und Freiburgs jene Gebühren abgeschafft hatten, d. h. die Bewilligungen zur Ausübung der medizinischen Berufsarten auf ihrem Gebiete entweder unentgeltlich oder gegen eine geringe Kanzleigebühr erteilten.

4. Es ist nicht einzusehen, warum der im Kanton Freiburg sieh niederlassende Arzt für die Bewilligung der ärztlichen Praxis eine Gebühr von Fr. 50 erlegen soll; dagegen der in einem andern Kanton nahe am freiburgisehen Kantonsgebiet niedergelassene für dieselbe Bewilligung nur Fr. 4; während es doch infolge verschiedener Umstände sehr leicht möglich ist, daß der letztere auf freiburgischem Gebiet eine ebenso einträgliche oder noch ausgedehntere Praxis entfalten kann als der erstere, beschlossen: 1. Der Rekurs des Herrn Dr. Wehrlin wird abgewiesen.

2. Dagegen wird der Staatsrat des Kantons Freiburg eingeladen, seinen Emolumententarif vom 21. November 1850 mit Bezug auf die in seinem Kanton domizilierten Medizinalpersonen einer Revision im Sinne der Reduktion zu unterziehen und dem Bundesrat hierüber Bericht zu erstatten.

B e r n , den 12. November 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-(g=$=aSg=ä=g>-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über den Rekurs von Dr. G. Wehrlin, Arzt in Murten, gegen einen Beschluß des Staatsrates von Freiburg betreffend Forderung einer Gebühr für die Ausübung des Arztberufes. (Vom 12. November 1895.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1895

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.11.1895

Date Data Seite

441-443

Page Pagina Ref. No

10 017 224

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.