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Schweizerisches Bundesblatt.

6l. Jahrgang. V.

N° 46

# S T #

17. November 1909.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem neuen zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien abgeschlossenen Staatsvertrag betreffend die Gotthardbahn.

(Vom

9. November 1909.)

Tit.

Die im Frühjahr 1882 erfolgte Eröffnung der Gotthardbahn, der ersten die Schweiz durchquerenden Alpenbahn, ist eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des schweizerischen Eisenbahnwesens. Grosse Hoffnungen wurden auf die neue Bahn gesetzt; man erwartete von ihr einen allgemeinen Verkehrsaufschwung und damit auch einen günstigen Einfluss auf die Verhältnisse der schweizerischen Privatbahnen, die wenige Jahre vorher schwere finanzielle Krisen durchgemacht hatten.

Heute, im Zeitpunkt des Überganges der Linie aus den Händen einer Privatgesellschaft an den Bund, darf mit Befriedigung ausgesprochen werden, dass die Erfolge der Gotthardbahn die vom Schweizervolke gehegten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen haben. Handel und Industrie haben in der vom Gotthardverkehr beeinflussten schweizerischen Zone einen mächtigen Aufschwung genommen und die von der Bahn durchzogenen Gegenden erfreuen sich eines von Jahr zu Jahr wachsenden Reisendenstromes.

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. V.

10

132 Aber nicht nur die Schweiz, sondern auch die beiden Staaten Deutschland und Italien, die durch Leistung von Subventionen das Zustandekommen des schwierigen Werkes ermöglichten, haben aus der neuen Linie' ganz bedeutende Vorteile gezogen. So verdankt Oberitalien die im Laufe der letzten 25 Jahre erfolgte rasche Entwicklung seiner Industrie wohl zu einem grossen Teile der Gotthardbahn und für Deutschland ist durch sie ein grosses Absatzgebiet für den Export der Erzeugnisse seiner Kohlen- und Eisenindustrie erschlossen worden.

Die Zahlen der nachstehenden Tabelle (Seite 133) erteilen über die Verkehrsentwicklung und die Bedeutung des bisherigen Verkehrs der Gotthardbahn näheren Aufschluss.

I. Verkehr und Einnahmen.

Betriebsjahr

1883 1888 1893 1898 1903 1908

Güterverkehr einschllesslich Gepäck und Tiere

Personenverkehr Anzahl

Einnahmen

Tonnen

Einnahmen

1,056,043 1,096,819 1,492,196 2,360,607 2,949,736 3,860,209

Fr.

4,434,771 4,045,807 4,883,796 6,845,010 8,909,989 10,872,159

469,711 672,555 805,881 979,743 1,169,594 1,845,442

Fr.

6,015,506 7,585,692 9,429,303 10,896,315 13,257,553 17,234,789

Total der Transporteinnahmen

Gesamteinnahmen

Fr.

10,450,277 11,631,499 14,313,099 17,741,325 22,167,542 28,106,949

Fr.

10,683,205 12,054,777 14,951,389 18,548,236 23,148,992 29,169,796

II. Yerkehrsdichtigkeit und kilometrische Einnahmen.

Personen

auf die ganze Bahnlänge bezogen

1883 1888 1893 1898 1903 1908

Einnahmen pro Bahnkilometer

GUter

Betriebsjahr Anzahl

Tonnen

207,055 194,805 259,263 377,571 523,377 678,479

278,677 383,452 470,030 "486,914 579,982 872,801

Personen

Fr.

16,672 15,210 18,360 24,801 32,283 39,392

Güter einschüesslich Total der TransGepäck und Tiere porteinnahmen Gesamteinnahmen Fr.

22,615 28,518 35,449 39,479 48,033 62,444

Fr.

Fr.

39,287 43,728 53,809 64,280 80,317 101,836

43,559 45,319 56,208 67,204 83,873 105,687

134

III. Import und Export der italienischen Bahnen.

Die Bedeutung des Gotthardverkehrs für Italien zeigt folgende Statistik des italienischen Auslandverkehrs, die wir dem Geschäftsbericht der italienischen Staatsbahnen für die Zeitperiode vom 1. Juli 1907 bis 30. Juni 1908 entnehmen.

über Ventimiglia .

_ Modane ,, Domodossola Luino . . . .

,,

Chiasso

,,7 ) _ ,,

A l a .. .. .. ..

Pontebba Cormons .

.

.

.

.

.

.

.

.

Import Tonnen 24,266 243,413 56,339 263,363 515,390 340,517 29»,533 213,513

Export Tonnen 16,313 108,263 40,103 278,109 233,377 290,437 57,526 65,615

Total Tonnen 40.579 351,676 96,442 541,472 748,767 630,954 356,059 279,128

Total

1,955,334

1,089,743

3,045,077

.

.

.

.

.

.

.

.

Von den 1,290,239 Tonnen, die über die Grenzstationen Chiasso und Luino zusammen ein- und ausgeführt worden sind, hat der grösste Teil den Gotthard transitiert, der somit zirka 2/B des durch die Eisenbahnen beförderten italienischen Warenverkehrs mit dem Ausland vermittelt.

IT. Gütertransitverkehr der Gotthardbahn.

Nach dem Geschäftsbericht der Gotthardbahn für 1907 stellte sich in diesem Jahre der Gesamttransitverkehr auf zirka 1,148,000 Tonnen. Davon entfielen : Tonnen auf den Verkehr Schweiz-Italien 96,600 ,, ,, ,, Italien-Schweiz 207,700 ,, ,, ^ Deutschland und weiterh er-Italien 677,100 ,, ,, ,, Italien-Deutschland und weiter. .

166,600 1,148,000 Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Gotthardlinie für Deutschland, das den Hauptverkehr liefert.

135 Die grosse wirtschaftliche und verkehrspolitische Bedeutung der Gotthardbahn liess denn auch bei Erlass der Rückkaufsbotschaft vom 25. März 1897 den Einhezug dieses Unternehmens in die Verstaatlichung als geboten erscheinen. Die Botschaft untersuchte immerhin, ob Bedenken staatsrechtlicher oder völkerrechtlicher Natur gegen den Einhezug sprechen, und ob nicht die besondern Verhältnisse zu den Subventionsstaaten dem Rückkauf entgegenstehen. Sie gelangte dabei zum Schlüsse, dass solche Bedenken nicht begründet seien.

Das Rückkaufsrecht des Bundes, so führte sie aus, sei ein souveränes Recht des Bundes, und als solches von der Zustimmung Deutschlands und Italiens durchaus unabhängig, nachdem der Staatsvertrag vom 15. Oktober 1869 über den Bau und Betrieb der Gotthardbahn ein solches Recht der beiden Staaten nicht festsetze. Dagegen sei selbstverständlich, dass der Bund als künftiger Eigentümer der Gotthardbahn bezüglich des Betriebes die Garantien erfüllen müsse, die er durch den Staatsvertrag für die Privatbahngesellschaft übernommen habe. Die Bestimmungen dieses Vertrages blieben auch nach dem Rückkauf fortbestehen und die Verpflichtungen der Gesellschaft gingen auf den Bund als Eigentümer über, so die Vorschriften betreffend den ununterbrochenen Betrieb der Bahn (Art. 6), die Zugsanschlüsse an die deutschen und italienischen Bahnen und die Minimalzahl der Züge (.Art. 7), die Maxima der Transporttaxen (Art. 8), die Taxherabsetzung hei einem Reinertrag von über 8 % (Art. 9), die Bestimmungen über die Tariffestsetzungen (Art. 10) und die Beteiligung der Subventionsstaaten am Reingewinn (Art. 18).

Alle diese Verpflichtungen bilden nach der Rückkaufsbotschaft keine Belastung, da die in ihnen niedergelegten Grundsätze bei einem rationellen Staatsbetrieb ohne weiteres anzuwenden seien. Einzig Art. 18 veranlasse eine lästige Komplikation, da die besondere Berechnung des Reinertrages der Gotthardbahn zur Ausmittlung einer allfälligen Dividende für die Subventionsstaaten und kantone die Fortführung einer besondern Ertragsrechnung für die Gotthardbahnstrecken bedinge, mit all den weitläufigen Abrechnungen gegenüber dem übrigen schweizerischen Staatsbahnnetze. Es wird daher vorgesehen, den Dividendenanspruch der Subvenienten durch eine Vereinbarung abzulösen. Eine solche dürfte um so leichter erzielt
werden, als die Aussicht auf den Fortbestand einer Dividende von mehr als 7 °/o gering sei.

Die Rückkaufsbotschaft übergeht die Frage mit Stillschweigen, ob bei Verstaatlichung der Gotthardbahn die Rückzahlung der

,136 für dieses Unternehmen geleisteten Subventionen zu erfolgen .habe, da nach dem Wortlaut der Staats vertrage eine solche Verpflichtung nicht besteht. Für den Bund hätte höchstens in Be.tracht kommen können, den Subvenienten einen gewissen Betrag .zur Ablösung ihres Anspruches auf die Reingewinnbeteiligung auszurichten, um sich im Gotthardverkehr volle Tariffreiheit zu verschaffen. Dieser Betrag hätte z. B. in der Weise berechnet .werden können, dass man analog der Berechnung des Rückkaufswertes der Aktien den auf den Zeitraum vom 1. Mai 1894 bis 30. April 1904 entfallenden durchschnittlichen jährlichen Anteil am Reinertrag ermittelte und diesen Betrag nach den für den Rückkauf massgebenden Konzessionsbestimmungen zum Zinsfuss von 4 % kapitalisierte.

Die in Betracht zu ziehenden Subventionen verteilen sich wie folgt auf die drei Subventionsstaaten : · Italien . . .

5 5 Millionen Franken Deutschland .

30 ,, ,, Schweiz . : .

28 ,, ,, Total

113

,,

Ausserdem leisteten Italien und die Schweiz gemäss dem Staatsvertrage vom 16. Juni 1879 an den Bau der Monte CeneriLinie je 3 Millionen Franken, welche Subventionen jedoch zu keinem Dividendenanspruch berechtigen.

Auf die erstgenannten Subventionen entfielen seit der Eröffnung der Gotthardbahn folgende Gewinnanteile : 1889 Fr. 68,000 1894 ,, 200,000 1895 ,, 200,000 1905 ,, 200,000 1906 ,, 200,000 im ganzen

Fr. 868,000

Für die Jahre 1907 und 1908 erhielt das Subventionskapital keine Gewinnanteile.

In. dem Zeitraum vom 1. Mai 1894 bis 30. April 1904 entfiel ein Anteil von Fr. 133,333 auf das Jahr 1894 (Betreffnis für 8 Monate) und Fr 200,000 auf das Jahr 1895, im ganzen somit Fr. 333,333 oder durchschnittlich Fr. 33,333 pro Jahr, welcher Betrag dem Zins zu 4 % eines Kapitals von Fr. 833,333 ent-

137 spricht. Dass die Subventionsstaaten sich mit einer solchen Abfindung für ihre sämtlichen vertraglichen Ansprüche begnügen würden, war von vornherein ausgeschlossen. Aber selbst, wenn die Gotthardbahn in der für den Rückkauf massgebenden Rechnungsperiode durchwegs den. Maximalertrag von 8 °/o erreicht hätte und dadurch den drei Subventionsstaaten jährlich Fr. 250,000 ( x /a °/o von 50 Millionen Franken) zugefallen wären Mtte sich nur der im Verhältnis zu den geleisteten Subventionen kleine Auskaufswert von Fr. 6,250,000 ergeben. Es hat denn auch der Bundesrat darauf verzichtet, den Subventionsstaaten ein solches Angebot zu machen. Vielmehr wurde von vornherein in Aussicht genommen, die Subventionsstaateu im Falle des Verzichtes auf ihre vertraglichen Ansprüche durch eine Herabsetzung der Taxzuschläge auf den. Bergstrecken zu entschädigen, eine Massnahme, die den drei Staaten grössere Vorteile als eine einmalige Geldentschädigung gewähren würde und über die ein Einvernehmen nicht schwer erzielbar zu sein schien.

Die ersten Schritte, um sich mit den Regierungen der beiden Subventionsstaaten über die durch die Verstaatlichung bedingten Änderungen in den Vertragsverhältnissen zu verständigen, erfolgten im Jahre 1897. Die Regierungen Deutschlands und Italiens erkundigten sieh nach dem Erseheinen der Rückkaufsbotschaft vom 25. März 1897 durch ihre Gesandtschaften bei dem Bundesrat, welchen Einfluss der Rückkauf der Gotthardbahn auf die zwischen dieser Gesellschaft und den Subventionsstaaten bestehenden Rechtsverhältnisse ausüben werde. Am 21. Mai 1897 erteilte der Bundesrat hierauf die Auskunft, dass das Recht der Schweiz, die Gotthardbahn auf den nächsten, in den Konzessionen vorgesehenen Termin, zurückzukaufen (d. h. mit Kündigung auf den 1. Mai 1904 und Rückkauf auf den 1. Mai 1909), unbestreitbar sei, dass aber die der Gotthardbahn aus den Staatsverträgen erwachsenen Verpflichtungen in ihrem ganzen Umfange auf die Eidgenossenschaft übergehen würden. Im Jahre 1904 wurde sodann den beiden Regierungen die erfolgte Ankündigung des Rückkaufs zur Kenntnis gebracht und ihnen im Laufe des gleichen Jahres der Auskauf der ihnen aus den Gotthardverträgen erwachsenen Rechte durch eine Reduktion der für den Güterverkehr über den Gotthard erhobenen Bergzuschläge angeboten.

Zur Erläuterung dieses Angebotes
sei folgendes bemerkt: Für die Berechnung der Taxen des Transitverkehrs über den Gotthard sind zwei Faktoren von Einfluss, erstens die kilometrischen Streckentaxen, zweitens die Taxzuschläge, die für

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-Strecken mit Steigungen von 15 %o und mehr eingerechnet werden. Der Art. 8 des Staatsvertrages, vom 15. Oktober 186i> setzt sowohl für die Streckentaxen als die Bergzuschläge bestimmte Maxima fest.

Im P e r s o n e n v e r k e h r dürfen für die Schweizerstunde (-- 4,8 km) in einfacher Fahrt höchstens folgende Taxen erhoben werden : in I. Klasse 50 Cts., in II. Klasse 35 Cts., in III. Klasse 25 Cts.

Für Strecken mit Steigungen von mindestens 15 %o ist eine1 Erhöhung dieser Taxen um 50 °/o zulässig.

Im G ü t e r v e r k e h r sind die Taxen wie folgt festgesetzt : für Güter in E i l f r a c h t 45 Cts. pro Tonne und Kilometer ohne jeden Taxzuschlag; für Güter i n g e w ö h n l i c h e r F r a c h t : 1. Rohstoffe in Wagenladungen, 5 Cts. pro Tonne und Kilometer, mit Zuschlag von 3 Cts. (= 60 %) pro Tonnenkilometer auf Strecken mit Steigungen von mindestens 15 %o j, 2. für alle andern Güter höchstens 14J/2 Cts. pro Tonne und Kilometer mit Zuschlag von 5 Cts. pro Tonnenkilometer auf Strecken mit mindestens 15 %o Steigung.

Nach dem Wortlaut des Staatsvertrages von 1869 beziehen ·sich diese Taxnormen nur auf den Verkehr zwischen Deutschland und Italien im Transit durch die Schweiz. Mit dem Bundesgesetz, betreffend die Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen vom 22. August 1878 sind sie indessen auf den Verkehr zwischen ·der Schweiz und Italien über die Gotthardbahn ausgedehnt worden.

In Berücksichtigung dieser vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen sind gegenwärtig die Taxverhältnisse in den Tarifen für den Transitverkehr über die Gotthardbahn wie folgt geordnet: Im P e r s o n e n v e r k e h r werden die im Vertrage vorgesehenen Maximaltaxen erhoben mit der einzigen Änderung, dass an Stelle der Schweizerstunde der Kilometer als Streckeneinheit getreten ist.

Im G ü t e r v e r k e h r sind, abgesehen vom Stückgutverkehr, die früheren Einheitssätze der preussischen Eisenbahnen angenommen "worden, die sich bedeutend niedriger als die zulässigen Taxmaxima und auch niedriger als die für den internen Verkehr geltenden Grundtaxen stellen. Für die Stückgutklasse l sodann findet die vertragliehe Maximaltaxe Anwendung, weil sich bei Zugrundelegung derselben die Gesamttaxe für die schweizerische Strecke

139 niedriger stellt als bei Annahme der betreffenden preussischen Grundtaxe. Als Grundtaxe für die Stückguttaxe 2 ist aus dem gleichen Grunde diejenige des internen Verkehrs gewählt worden.

Pro Tonne und Kilometer stellen sich die jetzigen Grundtaxen wie folgt:

"3 ÜJ

Cts

Stückgut

1 2 ClB.

Deutsch-italienischer Verkehr 27,s 14,5 Schweizerisch- italienischer Verkehr (exkl. G. B.- Italien) 27,2 14,5 Übriger Verkehr (G. B. intern, G. B, -Schweiz, G. B. -Ausland) 34 17

Cts.

*es>f tïji ^»13 A

B

CtB.

et«.

Spezialtarife

II

I

a

6

a

III 6

Cts. Cts. Uts. Cts.

a

b

et-.

et-.

5

3

13,5

8,3

7,4

6,2 5,6

6,2

4,3

13,5

8,3

7,4

6,2

5,6

6,2

4,s 5

9

7,5

8

6

13,5

11,5

10

3,3

6,, 4

Hinsichtlich der Taxzuschläge ist der Staatsvertrag vom 15. Oktober 1869 durch den Staatsvertrag zwischen Italien und der Schweiz vom 16. Juni 1879, Art. 6, dahin abgeändert worden, dass auf der Monte Ceneri-Linie (Giubiasco-Taverne) kein Zuschlag erhoben werden darf, weder für Güter in gewöhnlicher Fracht noch für den Personenverkehr, und zwar im Güterverkehr von der Eröffnung der Linie an, im Personenverkehr nach Erreichung eines jährlichen kilometrischen Bruttoertrages von Fr. 20,000, eine Einnahme, die schon im ersten Jahre nach Eröffnung der Bahn überschritten worden ist.

Im Personenverkehr und im Güterverkehr, soweit die preussischen Einheitssätze gelten, d. h. für Eilgut und Wagenladungen, werden die Taxzuschläge durch Distanzerhöhungen zur Durchführung gebracht. Im Personenverkehr beträgt der Zuschlag für Erstfeld-Chiasso 50,884 m und für Erstfeld-Pino Grenze 45,103 m.

Im Güterverkehr sind die Zuschläge anlässlich der ersten Ausgabe von Transittarifen für Erstfeld-Chiasso auf 64 km und für Erstfeld-Pino Grenze auf 50 km festgesetzt worden. Im Stückgutverkehr wird für die Bergstrecken der vertragliche Zuschlag von 5 Cts. pro Tonne und effektiven Kilometer eingerechnet.

Ausser der Gotthardbahn haben sich seinerzeit auch die am Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien beteiligten Gesellschaften der schweizerischen Centralbahn und der schweizerischen

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Nordostbahn freiwillig zur Annahme der preussischen Einheitssätze für diesen Verkehr entschlossen, ein Umstand, der geeignet war, auf die Entwicklung des Güterverkehrs sehr günstig einzuwirken. Selbstverständlich haben die schweizerischen Bundesbahnen dieses Zugeständnis aufrecht erhalten. Im ferneren wurden zur Belebung des Verkehrs für eine Reihe wichtiger deutscher und italienischer Exportartikel weitere Erleichterungen durch Schaffung von Ausnahmetarifen eingeführt.

Die oben erwähnte, im Jahre 1904 vom Bundesrate den Regierungen von Deutschland und Italien gemachte Offerte ging nun dahin, für den die Gotthardlinie transitierenden Güterverkehr die Distanzzuschläge herabzusetzen, und zwar im Verkehr über Erstfeld-Chiasso von 64 auf 50 km, im Verkehr über ErstfeldPino von 50 auf 40 km, in der Meinung, dass -die Streckentaxen keine Änderung erfahren sollten. Der mit dieser Herabsetzung verbundene jährliche Einnahmenausfall wurde auf zirka Fr. 600,000 berechnet, und es war zu erwarten, dass sich die Subventionsstaaten mit dieser Abfindung begnügen würden. Der Rückkauf an sich bot ja diesen Staaten schon die Gewähr dafür, dass die TarifVerhältnisse im Gotthardverkehr sich in Zukunft von selbst günstiger gestalten würden, indem die Bundesbahnen eher als eine Privatgesellschaft Wert darauf legen mussten, durch Taxherabsetzung auf eine weitere Vermehrung des Transitverkehres hinzuwirken.

Das Angebot fand jedoch, entgegen den Erwartungen, nicht die Zustimmung der beiden Regierungen. Mit gleichlautenden Noten vom 11. Februar 1909 gaben diese die Erklärung ab, dass die Schweiz nicht das Recht besitze, ohne vorherige Zustimmung Deutschlands und Italiens die Gotthardbahn zurückzukaufen und dass die beiden Staaten ihre Zustimmung an gewisse durch die Schweiz zu erfüllende Bedingungen knüpfen mussten.

Sie seien bereit, mit Zustimmung der Schweiz diese Frage einem Schiedsgericht zu unterbreiten, hofften jedoch, sich mit der Schweiz ohne die Anrufung eines Schiedsgerichtes durch Gewährung gewisser Konzessionen in einer Weise zu verständigen, die eine gerechte und billige Lösung bringe. Die Regierungen hätten nicht die Absicht, den Rückkauf der Gotthardlinie dadurch zu verunmöglichen, dass sie Bedingungen stellten, die nicht erfüllbar wären.

Bei allfälligen Verhandlungen über die Änderung oder Aufhebung

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·der Subventionsverträge würden sich die Regierungen von dem gleichen Geiste der Freundschaft und Billigkeit leiten lassen, der bei Abschluss dieser Verträge geherrscht habe. Anderseits seien die Regierungen genötigt, in der Behandlung dieser Angelegenheit ihre Interessen zu wahren, und sie müssten die bisher von der Schweiz gemachten Offerten als ungenügend bezeichnen. Am ·ehesten werde man durch Verhandlungen, die durch Spezialkommissäre unter Mitwirkung der bei der schweizerischen Regieruog akkreditierten Gesandten beider Regierungen zu führen wären, zu einer Verständigung gelangen und die Regierungen seien, sofern schweizerischerseits zugestimmt werde, bereit, hierauf einzutreten.

Als Ort des Zusammentritts der Konferenz wurde Bern vorgeschlagen.

In unserer Antwort, die am 23. Februar an die beiden Eegierungen abging, konnten wir unsere Überraschung über den neuen der Schweiz gegenüber eingenommenen Standpunkt nicht verhehlen. In der ganzen langen Zeit seit Beginn der Verstaatlichungsoperation, 1897, war mit keinem Wort davon die Rede gewesen, dass die Schweiz den Rückkauf der Gotthardbahn nicht ohne Zustimmung der beiden Subventionsstaaten bewerkstelligen dürfe. Diesen Anspruch der beiden Regierungen lehnten wir ent.schieden ab und hielten daran fest, dass der Rückkauf der Gotthardbahn einer solchen Zustimmung nicht bedürfe und der Voll·ziehung des Rückkaufes als eines autonomen Aktes die Verträge von 1869/71 in keiner Weise im Wege ständen. Die Verträge basierten auf den kantonalen Eisenbahnkonzessionen und Bundesbeschliissen, durch welche sie genehmigt würden und in welchen das Rückkaufsrecht, so wie es jetzt ausgeübt werde, festgesetzt sei.

Diese Tatsache sei für die Beurteilung der streitigen Frage entscheidend. Die Anregung, diese Frage einem Schiedsgerichte zu unterbreiten, lehnten wir ab, schon weil dadurch der Vollzug des Rückkaufes auf 1. Mai 1909 verunmöglicht worden wäre. Anderseits anerkannten wir, in Bestätigung der in den Jahren 1897 und 1904 den Regierungen beider Staaten gemachten Mitteilungen, dass diese Staaten gewisse, ihnen nach Massgabe der Staatsverträge zustehende Rechte besässen und erklärten uns von neuem als Rechtsnachfolger der Gotthardbahn pflichtig, vom 1. Mai 1909 an alle jenen Rechten entsprechenden Verbindlichkeiten zu übernehmen, sofern nicht im allseitigen
Einverständnis eine Änderung oder Ablösung erfolge.

Ungeachtet dieses grundsätzlich abweichenden Rechtsstandpunktes . und obschon wir unsere früher angebotenen Konzessionen

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als den billigerweise zu stellenden Ansprüchen genügend erachteten, erklärten wir uns mit konferenziellen Verhandlungen über die Abänderung der bestehenden Verträge einverstanden.

Schon am 24. März traten sodann die von den drei Regierungen ernannten Delegierten zur ersten Sitzung der Konferenz zusammen.

Die Verhandlungen erwiesen sich als ausserordentlich schwierig.

Erst am 20. April, nach Abhaltung von 16 Sitzungen, gelang es, sich über alle Punkte zu einigen.

Die Ergebnisse der Konferenz sind in dem neuen Staatsvertrage betreffend die Gotthardbahn nebst Schlussprotokoll und in dem besonderen italienisch-schweizerischen Übereinkommen niedergelegt (vide Beilagen).

Im einzelnen haben wir dazu folgendes zu bemerken: *&*·

I. Staatsvertrag zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien.

Die in A r t i k e l l aufgeführten früheren Verträge enthalten die Bestimmungen über den Bau und den Betrieb der Gotthardbahn. Die Bauverpflichtungen sind erfüllt. Die Verpflichtungen, hinsichtlich des Betriebes werden, soweit sie noch Geltung besitzen, durch den neuen Vertrag ersetzt. Es sei hierbei ausdrücklich erwähnt, dass alle das Subventionskapital betreffenden, Bestimmungen in Wegfall kommen. Eine Forderung auf Rückzahlung des Subventionskapitals ist an der Konferenz von keiner Seite gestellt worden. Wir haben auch absichtlich den Verzicht auf die Rückerstattung nicht verlangt, weil daraus die Diskutierbarkeit der Rückforderung hätte abgeleitet werden können. Der Dividendenanspruch des Subventionskapitals bei Überschreitung eines Reinertrages von 7 °/o auf dem Aktienkapital erlischt, desgleichen die Verpflichtung, die Taxen der Gotthardbahn zu reduzieren, sofern der Reinertrag des Aktienkapitals 8°/o übersteigt.

Mit dem neuen Staatsvertrag fallen, abgesehen von den drei im Schlussprotokoll unter Abschnitt I aufgeführten besondern Verträgen, alle zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz abgeschlossenen, die Gotthardbahn betreffenden Verträge dahin.

Die A r t i k e l 2 und 3 stimmen inhaltlich mit dem Artikel 6 des Staatsvertrages vom 15. Oktober 1869 überein.

A r t i k e l 4 enthält die Wiedergabe des Artikels 7, Absatz l, des alten Staatsvertrages mit unbedeutenden Änderungen im Text.

143 A r t i k e l 5 stimmt inhaltlich mit Art. 7, Absatz 3, des bisherigen Vertrages überein.

A r t i k e l 6 entspricht mutatis mutandis dem Artikel 7, Absatz 2, des alten Vertrages.

A r t i k e l 7 formuliert genauer die in Artikel 10, Absatz l, des alten Vertrages enthaltene und in Artikel 8 des neuen Vertrages übernommene grundsätzliche Verpflichtung der Schweiz, die Gotthardbahn gleich günstig zu halten wie andere Routen; die Grotthardlinie soll hinsichtlich der Grundtaxen und Verkehrsbegünstigungen nicht schlechter als andere Alpenbahnen gestellt werden. Zur Erläuterung fügen wir hier bei, dass als Verkehrsbegünstigungen z. B. in Betracht fallen : die Führung von internationalen Schnellzügen, Einrichtung von Lagerhäusern auf schweizerischen Zwischenstationen, Gewährung von Ausnahmetarifen für wichtige Exportartikel.

Die mit diesem Artikel übernommene Verpflichtung entspricht auch den schweizerischen Interessen ; die Schweiz hätte keinen Vorteil davon, den Transitverkehr über den Gotthard ungünstiger als denjenigen über irgend eine andere Alpenbahn zu behandeln. Bildet doch die Gotthardroute die längste schweizerische Transitlinie für den Verkehr zwischen den nördlich und südlich gelegenen Nachbarstaaten. Es betragen nämlich die effektiven Distanzen Basel S. B. B.-Chiasso 314 km Basel S. B. B.-Pino Grenze 283 ,, Vallorbe Grenze-Iselle Grenze 216 ,, Delle Grenze-Iselle Grenze via Lötschberg . . . . 246 ,, Eine Notwendigkeit, schweizeriseherseits für den Transitverkehr über eine andere Alpenbahn niedrigere Taxen als für die Gotthardlinie einzurechnen, tritt nur dann ein, wenn die Konkurrenzverhältnisse mit dem Ausland dazu nötigen. Für solche Fälle wird aber der Schweiz gemäss Artikel 9 eine ausnahmsweise Taxberechnung zugestanden.

A r t i k e l 8 entspricht dem Artikel 10, Absatz l, des alten Vertrages. Die der Schweiz auferlegten Verpflichtungen gehen jedoch insofern weiter als bisher, als an Stelle der Gotthardbahn nun die schweizerischen Bundesbahnen treten. Die Gotthardbahn durfte nach dem Wortlaut des alten Vertrages im Verkehr mit anderen Staaten, also z. B. im Verkehr Frankreich-

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Italien oder Belgien-Italien, oder Delle transit-Chiasso transit auf ihrer Strecke keine niedrigeren Taxen als im deutsch-italienischen Verkehr einrechnen. Nach Artikel 15, Absatz 2, des alten Vertrages wäre diese Verpflichtung bei Fusion der Gotthardbahn mit anderen Bahnge.sellschaften auf die neue, grössere Unternehmung übergegangen. Nun bildet die Verstaatlichung der Gotthardbahn tatsächlich nichts anderes als eine Vereinigung des Unternehmens mit den schweizerischen Bundesbahnen, also eine Fusion, weshalb die verlangte Übertragung der bestehenden Verpflichtung auf das ganze Netz der schweizerischen Bundesbahnen nicht abgelehnt werden konnte. Die schweizerischen Bundesbahnen müssen demgemäss im Verkehr zwischen Deutschland und Italien und über diese Länder hinaus nicht nur auf der Gotthardlinie, sondern auch auf den anderen für diesen Verkehr in Betracht kommenden Transitlinien (z. B. Simplon-Basel) den deutschen und den italienischen Bahnen mindestens die gleichen Vorteile und Erleichterungen zuteil werden lassen, die sie andern ausländischen Bahnen auf diesen Linien gewähren. Das Zugeständnis ist nicht von grosser Tragweite, da die schweizerischen Bundesbahnen kaum Veranlassung haben werden, anderen ausländischen Bahnen besondere Begünstigungen zu gewähren, sofern nicht Konkurrenzverhältnisse mit ausländischen Routen vorliegen, in welchem Falle gemässArtikel 9 die Verpflichtung der Gleichbehandlung dahinfällt.

Die Forderungen Deutschlands und Italiens gingen anfanglich weiter. Es war verlangt worden, dass auch allfällige Begünstigungen und Erleichterungen, welche die Bundesbahnen in ihrem internen Verkehr, sowie im direkten Verkehr mit arideren schweizerischen Bahnen zugestehen, auf den deutsch-italienischen Verkehr anzuwenden seien. Wir lehnten diese Begehren ab, da.

die Beordnung der intern schweizerischen Tarife der schweizerischen Gesetzgebung zusteht und es nicht angeht, die Tarifhoheit der Schweiz mit Bezug auf den internen Verkehr durch einen Staatsvertrag zu beschränken. Was den direkten schweizerischen Verkehr, d. h. den Verkehr zwischen Stationen der schweizerischen Bundesbahnen und solchen anderer schweizerischen Bahnen, betrifft, erklärte man schweizerischerseits, nur die der Gotthardbahn schon im alten Vertrage auferlegte Verpflichtung übernehmen zu können, mit anderen
schweizerischen Bahnen in keine Verbindung einzutreten, durch welche der im ersten Satz., des Artikels enthaltene Grundsatz verletzt würde. Nach Massgabe der hierzu im Schlussprotokoll gegebenen Erläuterung ist diese Verpflichtung nicht von grosser Bedeutung.

145 In A r t i k e l 9 wird der Schweiz die bei internationalen Konkurrenzverhältnissen in bezug auf Tarifmassnahmen nötige Bewegungsfreiheit gewährleistet. Ohne diese Bestimmung wären die Artikel 7 und 8 für die Schweiz unannehmbar gewesen.

Die schweizerischen Bundesbahnen sind zurzeit z. B. im französisch-italienischen Güterverkehr via Vallorbe-Lausanne-Iselle, soweit diese Linie die kürzeste Route bildet, gezwungen, ihre Einrechnungstaxen so zu regulieren, dass sich die Gesamttaxen von der Abgangsstation zur Bestimmungsstation nicht höher als via Modane stellen. Die Rücksicht auf diese Konkurrenz nötigt die Bundesbahnen wegen der in Frankreich geltenden Differentialtarife zu bedeutenden Taxkürzungen. Die Übertragung der hier durch die ausländische Konkurrenz aufgezvvungenen Taxermässigung auf die Gotlhardroute würde empfindliche Einnahmenausfälle verursachen, so dass eine Verpflichtung in diesem Sinne die Bundesbahnen zwingen würde, im Simplonverkehr auf den Wettbewerb mit dem Mont Cenis zu verzichten. Damit erlitte die Schweiz eine Einbusse, ohne dass der G otthardverkehr irgend einen Nutzen davon hätte. Mit Rücksicht hierauf ist der Schweiz für den Konkurrenzverkehr das in diesem Artikel enthaltene Zugeständnis gemacht worden. Immerhin musste schweizerischerseits die Verpflichtung übernommen werden, durch solche Massnahmen den Gotthardverkehr nicht zu schädigen, ein Zugeständnis, das auch im Interesse der Schweiz liegt. Diese Bestimmung soll Deutschland und Italien auch die Gewähr bieten, dass deutsche oder italienische Exporteure, denen für die Beförderung von Waren nach oder von Italien nur der Weg über den Gotthard zur Verfügung steht, nicht durch schweizerische, der Gotthardroute nicht gewährte Tarifermässigungen auf anderen Alpenübergängen gegenüber ihrer Konkurrenz tarifarisch geschädigt werden.

Die Konkurrenzverhältnisse im Verkehr nach und von Italien werden bei der Erstellung der Tarife für die versehie.denen Alpenübergänge Schwierigkeiten verursachen, weil die schweizerischen Bahnen bei den Transittarifen den ausländischen Tarifsystemen Rechnung zu tragen haben und diese unter sich bedeutend voneinander abweichen. Diese Schwierigkeiten sind jedoch nicht unüberwindlich. Die Tarife können so eingerichtet werden, dass diejenigen Industrieprodukte, für welche ein internationaler
Wettbewerb besteht, auf den schweizerischen Strecken tarifarisch möglichst gleichmässig behandelt werden. Bei der grossén Bedeutung des Transitverkehrs für die Erträgnisse der schweizerischen Bundesbahnen sind diese übrigens auch ohne die

146

vertragliche Verpflichtung zu einer gleichen Behandlung der Nachbarstaaten genötigt.

In A r t i k e l l 0 werden die gegenwärtig für den Personenverkehr über den Gotthard massgebenden Maxima der Grundtaxen einfacher Fahrt und der Zuschlagstaxen für die Bergstrecke festgelegt. Eine Ermässigung dieser Taxen ist von den Subventionsstaaten nicht verlangt worden, indem damit keine wirtschaftlichen Vorteile für sie verbunden wären. Wie bisher steht es der Schweiz frei, die Taxermässigung, die sie im Gotthardverkehr auf den Billetten für Hin- und Rückfahrt gewähren will, nach ihrem Ermessen festzusetzen.

Für den Gepäckverkehr werden zurzeit, da der alte Staatsvertrag hierüber keine Bestimmungen enthält, durchwegs die gemäss den kantonalen Konzessionen zulässigen Taxen angewendet.

Diese sind verhältnismässig hoch, so dass ihrer Anerkennung als Maxima auch für den internationalen Transitverkehr keine Bedenken entgegenstehen.

Dagegen wurde es schweizerischerseits abgelehnt, auch für die Beförderung von lebenden Tieren die unveränderte Beibehaltung der jetzigen Frachtsätze im Vertrage zu garantieren, weil Transittarife für den Viehverkehr nicht bestehen. Tiersendungen werden jeweilen an den Grenzstationen reexpediert, wobei für · die schweizerische Strecke die Frachtsätze des intern schweizerischen Tarifs für die Beförderung lebender Tiere zur Anwendung gelangen, für deren Festsetzung sich die Schweiz volle Freiheit vorbehalten muss.

A r t i k e l 11 verpflichtet die Schweiz, die im deutsch-italienischen und schweizerisch-italienischen Güterverkehr über den Gotthard derzeit zur Anwendung gelangenden Transittaxen nicht zu erhöhen. Diese Verpflichtung steht im Zusammenhang mit der durch Artikel 12 festgesetzten Reduktion der ßergzuschläge ; denn diese Reduktion hätte für die Subventionsstaaten keinen Wert, .

wenn es der Schweiz freistände, die kilometrischen Einheitssätze für den Transitverkehr zu erhöhen. Diese Verpflichtung besteht indessen nur solange, als die deutschen oder die italienischen Bahnen ihre für den Verkehr über den Gotthard gegenwärtig geltenden Taxen nicht erhöhen. Es sind damit auch die seitens der letztern Bahnen zur Einrechnung gelangenden Taxen durch den Staatsvertrag gewissermassen gebunden. In dieser Beziehung enthält der neue Staatsvertrag ein wichtiges Zugeständnis für die Schweiz. Nach dem Wortlaut der alten Ver-

147 träge erschien es fraglich, ob auf der Gotthardlinie irgend welche Taxerhöhungen zulässig wären. Nun sind die Voraussetzungen festgesetzt, unter denen solche vorgenommen werden können.

Durch den im Schlussprotokoll enthaltenen Zusatz zu Artikel 11 wird dies noch eingehender erläutert.

Sollte sich zukünftig der Eisenbahnbetrieb allgemein so verteuern, dass alle Länder zu Taxerhöhungen schreiten müssen, so ist also der Gotthardlinie diese Massnahme durch den Staatsvertrag ermöglicht.

Der letzte Satz des ersten Absatzes enthält noch einen Vorbehalt zugunsten der Schweiz, den wir erläutern wollen.

In Gleichstellung mit den Taxen über ausländische Konkurrenzrouten sind im Transitverkehr über die Gotthardlinie für gewisse Güter Ausnahmefrachtsätze eingeführt worden. Bei Herabsetzung der Zuschlagsdistanzen für die Bergstrecken gemäss Art. 12 wird sich die Tarifdistanz für die schweizerische Transitstrecke entsprechend reduzieren. Jene Ausnahmetaxen fallen dann auf 1. Mai 1910 dahin, insoweit sich die Frachtsätze bei normaler Berechnung auf Grund der neuen Tarifdistanzen gleich oder niedriger als bisher stellen. Diejenigen Ausnahmetaxen, bei denen -dies nicht der Fall ist, werden unverändert beibehalten. Hier kann nicht verlangt werden, dass die für die schweizerischen Strecken eingerechneten ermässigten Taxen im Verhältnis der eintretenden Distanzkürzungen weiter herabgesetzt werden. Es wird sich daher ausnahmsweise eine Erhöhung des auf den Kilometer ·entfallenden Einheitssatzes ergeben. Desgleichen ist die Schweiz an die bisherigen Einrechnungstaxen nicht gebunden, wenn sich die Frachtsätze der ausländischen Konkurrenzrouten, nach denen im Gotthardverkehr bestehende Ausnahmetaxen reguliert sind, ändern.

In solchen Fällen haben sich die beteiligten Bahnverwaltungen jeweilen über die Neuberechnung der Taxen, sowie über die Anteilsausscheidung besonders zu verständigen.

A r t i k e l 12 hat in der Konferenz zu den lebhaftesten Debatten Anlass gegeben, weil von allen Vertragsbestimmungen die Reduktion der Bergzuschläge für den Güterverkehr im Transit über den Gotthard die finanziellen Interessen der Schweiz am meisten berührt.

Wie Eingangs erwähnt worden ist, war den beiden Subventionsstaaten schon im Jahre 1904 eine Herabsetzung der Berg«uschläge von 64 auf 50 km für Erstfeld-Chiasso und von 50 auf 40 km für Erstfeld-Pino Grenze, also im Durchschnitt von 57 auf Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. V.

11

148 45 km, angeboten worden. Der infolge der Kürzung um 12 km zu erwartende Rückgang der Einnahmen wurde damals auf zirka Fr. 600,000, also auf Fr. 50,000 für jeden ausfallenden Kilometer, berechnet.

An der Konferenz wurde diese Offerte von den Vertretern Deutschlands und Italiens als viel zu niedrig bezeichnet und eine Reduktion der Zuschläge um 65 °/o verlangt. Hierbei wurde ausgeführt, dass es sich nicht nur darum handle, durch die Herabsetzung der Bergzuschlage den Dividendenanspruch des Subventionskapitals abzulösen. Von viel grösserer Bedeutung sei für Deutschland und Italien der Hinfall der Verpflichtung, die Taxen der Gotthardbahn bei Überschreitung eines bestimmten Reinertrages herabzusetzen.

Hierfür müsse genügender Ersatz geboten werden. Die Verpflichtung zu einer solchen Herabsetzung habe übrigens schon seit mehreren Jahren bestanden. Wenn die Gotthardhahn bei der Ermittlung des Reinertrages nicht grosse Summen für die Amortisation von Verlusten aus früheren Jahren und für ausserordentliche Reservestellungen unter die Ausgaben der Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen hätte, so wäre, wie die auf der nächsten Seite ausgeführte Berechnung zeigt, der Reinertrag von 8 % in den Jahren 1904--1908 bedeutend überschritten worden.

Schweizerischerseits wurde diesen Feststellungen gegenüber darauf hingewiesen, dass von der Gotthardbahngesellschaft eine Herabsetzung der Taxen nicht wohl gefordert werden konnte, .solange sie noch Verluste aus früheren Jahren zu tilgen hatte.

Ein solches Begehren sei denn auch von den Subventionsstaaten nie gestellt worden und es ginge nun nicht an, die genehmigten Rechnungen früherer Jahre nachträglich abzuändern, um hierauf die Verpflichtung der Taxherabsetzung zu gründen. Zudem zeige das Ergebnis des Jahres 1908, dass der Betriebsüberschuss wieder im Abnehmen begriffen sei und auf die ausnahmsweise günstigen Ergebnisse der Jahre 1904--1907 nicht abgestellt werden dürfe.

Die Betriebsausgaben der Gotthardbahn hätten sich in letzter Zeit in einer Weise vermehrt, dass eine zukünftige Wiederholung des Überschreitens des Reinertrages von 8 % als ausgeschlossen erscheine. Sodann werden auch die Bundesbahnen, ganz abgesehen von der gesetzlich vorgeschriebenen Amortisation des Anlagekapitals, zu ausserordentlichen Abschreibungen genötigt sein, die den Reinertrag
beeinträchtigen. Ferner werde die Eröffnung der im Bau begriffenen Lötschbergbahn die Betriebsergebnisse der Gotthardlinie ungünstig beeinflussen, und eine weitere Einbusse würde die Ausführung eines der Projekte für eine Ostalpenbahn ergeben.

Reinertrag der Gotthardbahn in den Jahren 1904-1908.

1904

1905

1906

1907

1908

Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Ausbezahlte Dividenden . . . .

3,400,000

3,900,000

3,900,000

3,500,000

3,300,000

Tilgung von Verlusten aus früheren Jahren

1,420,000

1,930,000

1,650,000

1,660,000

480,000

500,000

300,000

--

· 800,000

800,000

--

--

1,227,342

5,320,000

6,130,000

6,777,342

5,960,000

4,580,000

. . . 4,000,000

4,000,000

4,000,000

4,000,000

4,000,000

1,320,000

2,130,000

2,777,342

1,960,000

580,000

Reservestellungen Ausserordentliche Einlage in den Erneuerungsfonds

Maximalertrag von 8% .

Überschuss

--

--

«5

150

Die von den Subventionsstaaten verlangte Reduktion des Bergzuschlages um 65 °/o hätte den Distanzzuschlag für ErstfeldChiasso von 64 auf 23 km, für Erstfeld-Pino Grenze von 50 auf 18 km, somit den durchschnittlichen Zuschlag von 57 auf 20y2 km herabgesetzt. Wird die kilometrische Einnahme aus dem Transitgüterverkehr, wie früher, auf Fr. 50,000 angesetzt, was auch nach neueren Erhebungen als zutreffend bezeichnet werden muss, so entspräche die verlangte Herabsetzung einem Einnahmenverlust von jährlich Fr. 1,825,000, ein Opfer, das der Schweiz nicht zugemutet werden konnte.

Immerhin erklärte man sich schweizerischerseits zu einem weiteren Entgegenkommen bereit, und es kam nach langen Verhandlungen eine Einigung in dem Sinne zustande, dass die Zuschläge vom 1. Mai 1910 an um 35%, vom 1. Mai 1920 au um 50% der jetzigen Beträge herabzusetzen sind. Es entspricht dies einer Kürzung des bestehenden durchschnittlichen Zuschlags um 19^2 km (von 57 auf ST1/^ km) vom l. Mai 1910 und um 28'/2 km (von 57 auf 28y2 km) vom 1. Mai 1920 an. Bei gleichbleibendem Verkehr ergibt sich damit ein jährlicher Einnahmenausfall von Fr. 975,000 vom 1. Mai 1910 an und von Fr. 1,425,000 vom 1. Mai 1920 an.

Ein Teil dieses Ausfalles wird wahrscheinlich durch vermehrten Verkehr gedeckt werden, da durch die Taxermässigung die Konkurrenzfähigkeit der Gotthardlinie anderen ausländischen Routen gegenüber erhöht und der Warenaustausch in der bisher vom Gotthard bedienten Verkehrszone erleichtert wird.

Wir wollen nicht unterlassen, an dieser Stelle zu betonen, dass die aufgetauchten Befürchtungen, es werde die Taxherabsetzung1 im Gotthardverkehr einen verderblichen Einfluss auf die Betriebsergebnisse der Lötschbergbahn und der projektierten Ostalpenbahn ausüben, unbegründet sind. Es liegt durchaus im allgemeinen schweizerischen Interesse, der Gotthardbahn, als wichtigster schweizerischer Transitlinie, ihren jetzigen internationalen Verkehr möglichst zu erhalten, während die neuen Alpenbahnen ihre Hauptaufgabe darin erblicken müssen, der Schweiz neuen Transitverkehr, zuzuführen. Die Lötschberglinie sollte vor allem zu einer Belebung des Verkehrs zwischen dem Nordosten yon Frankreich und Italien, eine allfällige Ostalpenbahn zu einer solchen zwischen dem östlichen Teile Deutschlands und Oberitalien fuhren.

151 In Ablehnung eines seitens der italienischen Vertretung an der Konferenz anfänglich gestellten Begehrens, die Reduktion des Bergzuschlages auch im Verkehr zwischen Stationen der italienischen Staatsbahnen und solchen der Gotthardbahn durchzuführen, ist im ersten Absatz des Artikels 12 ausdrücklich festgesetzt, dass sich die Ermässigung nur auf den über die Endpunkte der Gotthardbahn transitierenden Verkehr beziehe. Im Verkehr zwischen Italien und Stationen der Gotthardbahn kommen nämlich von jeher die im intern schweizerischen Verkehr geltenden Zuschläge zur Einrechnung, deren Festsetzung als intern schweizerische, vom Staatsvertrag unabhängige Angelegenheit zu betrachten ist. Neue, die schweizerische Tariffreiheit einschränkende Verpflichtungen wollten wir unter keinen Umständen übernehmen.

In den drei letzten Absätzen des Artikels sind sodann die Bedingungen festgesetzt, unter denen die Schweiz berechtigt ist, eine Wiedererhöhung der Bergzuschläge zu verlangen. Es hat hierbei die Meinung, dass eine solche Erhöhung nicht durchgeführt wird, wenn es sich nur um eine vorübergehende ausserordentliche Verteurung des Betriebes handelt, da schon die Umrechnung der Tarife stets längere Zeit erfordert. Als Anlagekapital würde bei Berechnung des Ertrages der Rückkaufspreis einschliesslich der übernommenen Anleihen zugrunde gelegt. Die Betriebsausgaben der Gotthardlinie sind leicht festzustellen, da für jeden Kreis der Bundesbahnen eine besondere Ausgabenrechnung geführt wird, welcher nur noch ein entsprechender Anteil der Kosten der Zentralverwaltung beizufügen ist und der neue Kreis V der Bundesbahnen mit dem Netze der verstaatlichten Gotthardbahn übereinstimmt. Grössere Schwierigkeiten bietet dagegen die Ausscheidung der Einnahmen, da diese für die einzelnen Kreise nicht besonders ermittelt werden. Es müssten jeweilen besondere Erhebungen gemacht werden, wenn die Umstände eine Erhöhung der Zusehläge zu rechtfertigen scheinen.

A r t i k e l 13 sieht die Einrichtung eines Schiedsgerichtes mit möglichst einfachem Verfahren vor für den Fall, dass zwischen den vertragsschliessenden Parteien über die Anwendung des Vertrages Meinungsverschiedenheiten entstehen.

A r t i k e l 14 behandelt die Ratifikation des Vertrages. Die Klausel, dass der Vertrag ,,mit Rückwirkung auf 1. Mai 1909tlp in Kraft treten solle,
ist aufgenommen worden, damit von diesem Tage, d. h. von dem Übergange der Gotthardbahn an die schweizerische Eidgenossenschaft an, die Vertragsstaaten sich durch die

152 Bestimmungen des neuen Vertrages als gebunden betrachten, sowohl was ihre Beziehungen unter sich, als was ihre Beziehungen zur Gotthardbahngesellschaft anbetrifft. Es fallen also vom 1. Mai 1909 an im besondern die Artikel 9 und 18 des alten Staatsvertrages von 1869 betreffend die Zuwendung eines Teiles des Reingewinnes der Gotthardbahngesellschaft an die Subventionsstaaten, sowie die sich hieraus ergebende Verpflichtung, für das Gotthardbahnnetz eine besondere Rechnung zu führen, dahin.

Die Klausel der Rückwirkung des neuen Staatsvertrages ist dagegen für Drittpersonen und namentlich für das die Gotthardbahn benutzende Publikum belanglos, da hinsichtlich des Personenund Gepäckverkehrs die vor der Verstaatlichung bestandenen Verhältnisse unverändert bleiben, und, was den Güterverkehr anbetrifft, die ändernden Bestimmungen nicht vor dem 1. Mai 1910, d. h. dem Tage, mit welchem der Vertrag in Kraft tritt, in Wirksamkeit treten.

II. Schlussprotokoll.

Von den im Schlussprotokoll niedergelegten Erklärungen, die die gleiche Kraft wie die Arertragsbestimmungen besitzen, jedoch von verhältnismässig nebensächlicher Bedeutung sind, haben wir die unter I aufgeführten Zusätze zu den einzelnen Vertragsbestimmungen bei der Besprechung der einzelnen Artikel behandelt. Es erübrigt noch, die unter II--V enthaltenen Erklärungen zu erläutern.

D u r c h d i e u n t e r I I e n t h a l t e n e E r k l ä r u n g wird eine seit Jahren streitige Taxberechnungsfrage geordnet. Schweizerischerseits sind bisher die für den Gotthardverkehr geltenden ermässigten Transittaxen im deutsch-italienischen Verkehr nur für diejenigen Grenzstationen zugestanden worden, die auf der kürzesten Route zwischen Abgangs- und Bestimmungsort liegen. In der Regel ergeben sich über diese kürzeste Route, der auch die Führung des Transportes in erster Linie zusteht, ohne weiteres die niedrigsten Taxen. Bei denjenigen Relationen, für die der kürzeste Weg über den Bodensee führt, ist dies jedoch zum Teil nicht der Fall. Infolge der hohen Taxen, die für die Bodenseestrecke eingerechnet werden, kann sich der Umweg über Schaffhausen billiger stellen, wenn seitens der Schweiz über diesen Grenzpunkt die ermässigten Transittaxen eingerechnet werden.

153 Die Schweiz, unterstützt von Bayern, hat diese Berechnungsweise entgegen dem Verlangen der übrigen deutschen Bahnen wegen des sich dadurch ergebenden Einnahmenausfalles bisher abgelehnt.

Nun hat aber neuerdings Bayern der geforderten Änderung der Taxberechnung zugestimmt, und es konnte daher schweizerischerseits das an der Konferenz seitens der deutschen Delegation gestellte Begehren nicht wohl abgelehnt werden, um so weniger, als sich für die bisherige Berechnungsweise keine stichhaltigen Gründe ins Feld führen liessen. Das Zugeständnis wird einen Einnahmenausfall von Fr. 50--100,000 zur Folge haben, der aber durch vermehrten Verkehr zu einem grossen Teil gedeckt werden dürfte.

A b s c h n i t t III gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.

Zu A b s c h n i t t IV ist seitens der schweizerischen Delegation folgende ergänzende Erklärung abgegeben worden : Nach der jetzigen Praxis der schweizerischen Bundesbahnen erfolgen alle wichtigeren Vergebungen von Bauarbeiten auf dem Wege der allgemeinen Konkurrenzausschreibung. Die Lieferungsverträge für Kohle werden direkt mit den Lieferanten abgeschlossen ; die wichtigsten derselben sind gegenwärtig die Königliche Bergwerksdirektion in Saarbrücken und das Rheinische Kohlensyndikat. Die Lokomotiven und Wagen werden bei den schweizerischen Fabriken bestellt, solange diese zu annehmbaren Preisen liefern ; im gegenteiligen Fall würden diese Bestellungen auf Grund von allgemeinen Konkurrenzaussehreiben zugeteilt. Die Konkurrenzaussehreiben werden im Amtsblatte der schweizerischen Bundesbahnen und in den wichtigsten schweizerischen Zeitungen veröffentlicht.

Durch A b s c h n i t t V wird einem namentlich von der italienischen Regierung geäusserten Wunsche Rechnung getragen.

Es soll damit vermieden werden, dass die Beamten und Arbeiter italienischer Nationalität, die zum Teil seit Jahren im Dienste der Gotthardbahn stehen, infolge des Rückkaufes ihre Stelle verlieren.

III. SpezialÜbereinkommen mit Italien.

Bei Behandlung der durch Art. 12 des Vertrages geordneten Reduktion der Bergzuschläge war von der italienischen Regierung die Erklärung abgegeben worden, dass sie einer Ermässigung der

154

Bergzuschläge um 40 °/o bis zum Jahre 1920 und nachher um 50 °/o unter folgenden Bedingungen zustimmen könne : a. dass sich die Reduktion der Zuschlagstaxen auf die Zwischenstationen der Gotthardlinie erstrecke ; b. dass für diesen Verkehr die gegenwärtigen Tarife für den Güter- und Personenverkehr zu den gleichen Bedingungen wie für den italienisch-deutschen Verkehr festzulegen seien ; c. dass auf allen Strecken der schweizerischen Bundesbahnen für die Südfrüchte ein Ausnahmetarif gewährt werde.

Da diese Begehren den Verkehr mit Deutschland nicht berührten, wurden dieselben in einer besonderen Sitzung, an der nur die italienische und schweizerische Delegation teilnahmen, behandelt.

Schweizerischerseits wurde in dieser Sitzung abgelehnt, auf die Begehren a und b einzutreten, da diese intern schweizerische Verhältnisse berühren, deren Ordnung von jeher aus den Gotthardverträgen ausgeschlossen worden sei. Dagegen erklärte man sich bereit, folgende ausdrückliche Zusicherungen zu geben : 1. Für die aus Italien stammenden G e t r e i d e s e n d u n g e n , die in den Lagerhäusern in Brunnen untergebracht und von dort innerhalb eines Jahres in der Richtung Schwyz reexpediert werden, sollen die in Art. 11 und 12 des neuen Gotthardvertrages für den italienisch-schweizerischen Güterverkehr vorgesehenen Erleichterungen ebenfalls Anwendung finden.

Zur Erläuterung diene nachstehendes: Für diese Sendungen werden wie bisher, so auch in Zukunft die direkten Taxen von der italienischen Abgangsstation nach der schweizerischen Bestimmungsstation angewendet, die sich wegen der staffelförmigen Anlage des Ausnahmetarifs für Getreide niedriger stellen, als die Summe der Taxen ab der italienischen Station nach Brunnen und ab Brunnen nach der schweizerischen Bestimmungsstation. Vom 1. Mai 1910 an wird sich auch bei diesen Sendungen die Reduktion des Bergzuschlages geltend machen, sofern die schweizerische Bestimmungsstation über Zug, Immensee oder Luzern hinaus liegt. Es handelt sich also auch hier nur um die Sicherung des Fortbestandes bestehender tatsächlicher Verhältnisse.

2. Für den P e r s o n e n - und G ü t e r v e r k e h r zwischen Italien und der Gotthardbahn gelten hinsichtlich der schweizè-

155 riechen Strecke die für die Tarife der Bundesbahnen massgebenden gesetzlichen Vorschriften. Dabei hat es die Meinung, dass die auf der Gotthardbahn derzeit bestehenden Taxzuschläge keine Erhöhung erfahren.

Hierzu sei folgendes bemerkt: Die auf der Gotthardbahn für den V i e h v e r k e h r geltenden Frachtsätze können nicht vertraglich festgelegt werden, da in Ermangelung direkter Tarife die Sendungen im italienisch-schweizerischen Verkehr, wie schon in den Erläuterungen zu Art. 10 des Hauptvertrages ausgeführt worden ist, jeweilen auf der italienisch-schweizerischen Grenzstation reexpediert und innerhalb beider Staaten auf-Grund der internen Tarife taxiert werden.

Für" die Festsetzung der internen Tarife müssen sich aber beide Staaten volle Freiheit wahren.

3. Was das italienische B e g e h r e n c anbetrifft, so anerbot man sich schweizerischerseits, schon vom 1. November 1909 an die kilometrische Streckentaxe für die Tonne Südfrüchte auf allen Strecken der schweizerischen Bundesbahnen von 11 auf 7,4 Cts.

zu ermässigen und auf der Gotthardlinie für den Transitverkehr die bisherige ausnahmsweise ermässigte Taxe von 6,5 Cts. weiterhin zu gewähren.

Die italienische Regierung erklärte sich durch diese drei Zugeständnisse -befriedigt und gab daraufhin auch ihre Zustimmung zu der Ansetzung der Zuschlagsreduktion auf 35 % statt 40 °/o für die ersten 10 Jahre in Artikel 12 des Hauptvertrages.

Diese Abmachungen zwischen Italien und der Schweiz sind als besonderes italienisch-schweizerisches Übereinkommen dem neuen Staatsvertrag betreffend die Gotthardbahn als Anhang beigedruckt. Die Bestimmungen desselben geben uns zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Sie sind für die Schweiz nicht von erheblicher finanzieller Tragweite.

Die Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien, des dazu gehörenden Schlussprotokplles, sowie des zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Übereinkommens durch die Bevollmächtigten der beteiligten Regierungen hat am 13. Oktober 1909 in Bern 'stattgefunden. Der Originaltext ist in französischer Sprache abgefasst.

156 Gestützt auf die vorstehenden Erläuterungen beehren wir uns, Ihnen den nachfolgenden Bundesbeschluss zur Genehmigung zu empfehlen, und benutzen diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. November 1909.

;

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

157

(Entwurf.)

Bnndesbeschluss betreffend

Genehmigung des zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien am 13. Oktober 1909 abgeschlossenen Staatsvertrages, sowie des zwischen der Schweiz und Italien am 20. April 1909 abgeschlossenen Übereinkommens betreffend die Gotthardbahn.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. des am 13. Oktober 1909 mit Deutschland und Italien abgeschlossenen Staatsvertrages betreffend die Gotthardbahn ; 2. des am 20. April 1909 mit Italien abgeschlossenen Übereinkommens betreffend die Gotthardbahn; 3. der bezüglichen' Botschaft des Bundesrates vom 9. November 1909, beschliesst: Art. 1. Dem mit Deutschland und Italien abgeschlossenen Vertrage, sowie dem mit Italien abgeschlossenen Übereinkommen wird die Genehmigung erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

158 (Übersetzung.)

Staatsyertrag zwischen

der Schweiz, Deutschland und Italien betreffend die Gotthardbahn.

(Vom

13. Oktober 1909.)

Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen, im Namen des Deutschen Reiches,

und Seine Majestät der König von Italien, von dem Wunsche geleitet, aus Anlass der am 1. Mai 1909 erfolgten Verstaatlichung der Gotthardbahn durch die Schweiz die gegenseitigen, diese Bisenbahn betreffenden Beziehungen neu zu regeln, haben den Abschluss eines neuen Vertrages beschlossen und zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt: Der Bundesrat der Sclmveizerischen Eidgenossenschaft: Herrn Bundespräsidenten D e u c h e r und die Herren Bundesräte C o m t e s s e und F or r er,

159 Seine Majestät .der Deutsche Kaiser, König von Preussen: Seine Excellenz Herrn Kammerherrn und Wirklichen Geheimen Ra,t A l f r e d von B ü l o w , ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister des Deutschen Reiches bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Seine Majestät der König von Italien: Seine Excellenz Herrn Marchese C u s a n i G o n f a l o n i e r i , ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister des Königreichs Italien bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten sich über folgende Punkte ge^ einigt haben : Artikel 1.

Die nachbezeichneten, zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz über die Gotthardbahn abgeschlossenen Verträge, nämlich : 1. der Vertrag zwischen Italien und der Schweiz, abgeschlossen in Bern am 15. Oktober 1869, 2. der Vertrag zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz, abgeschlossen in Berlin am 28. Oktober 1871, 3. der Zusatzvertrag zwischen Deutschland, Italien und · der Schweiz, abgeschlossen in Bern am 12. März 1878, 4. der Vertrag zwischen Italien und der Schweiz wegen des Baus einer Eisenbahn über den Monte-Ceneri, abgeschlossen in Bern am 16. Juni 1879, werden durch den gegenwärtigen Vertrag ersetzt.

Artikel 2.

Die Schweiz wird die erforderlichen Anordnungen treffen, damit der Betrieb der Gotthardbahn in allen Beziehungen den Anforderungen entspricht, die man an eine grosse internationale Linie zu stellen berechtigt ist.

160

Artikel 3.

Von den Fällen höherer Gewalt abgesehen, wird die Schweiz den Betrieb der Gotthardbahn gegen jede Unterbrechung sicherstellen. Die Schweiz hat jedoch das Recht, die zur Aufrechterhaltung ihrer Neutralität und zur Verteidigung ihres Landes nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 4.

Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich im gemeinsamen Interesse, den Verkehr zwischen Deutschland und Italien tunlichst zu erleichtern und zu diesem Zwecke die Beförderung der Reisenden, Güter und Postsachen auf der Gotthardbahn so regelmässig, so bequem, so schnell und so billig wie möglich einzurichten.

Artikel 5.

Die Schweiz wird die erforderlichen Anordnungen treffen, damit die Züge der Schweizerischen Bundesbahnen, soweit als möglich, ohne Unterbrechung an die Züge der deutschen und italienischen Bahnen anschliessen.

Artikel 6.

Die Schw.eiz wird mit den deutschen und italienischen Bahnen auch in Zukunft einen direkten (kumulativen) Verkehr im Durchgang über den Grotthard unterhalten.

Artikel 7.

Der Verkehr über die Gotthardbahn soll stets die gleichen Grundtaxen und die gleichen Vorteile geniessen, die von den Schweizerischen Bundesbahnen irgend einer anderen, bereits bestehenden oder künftig zu bauenden Alpenbahn bewilligt sind oder noch bewilligt werden.

Artikel 8.

Hinsichtlich der Beförderung von Personen und Gütern aus Deutschland und Italien nach diesen beiden Ländern und

161

durch diese beiden Länder verpflichtet sich die Schweiz, dafür zu sorgen, dass die Schweizerischen Bundesbahnen den deutschen und den italienischen Eisenbahnen mindestens die gleichen Vorteile und Erleichterungen zuteil werden lassen, die sie, sei es anderen Eisenbahnen ausserhalb der Schweiz, sei es irgendwelchen Strecken und Stationen dieser Bahnen, sei es schliesslich den schweizerischen Grenzstationen gewähren sollten. Die Schweizerischen Bundesbahnen dürfen in keine Verbindung mit anderen schweizerischen Eisenbahnen eintreten, durch die dieser Grundsatz verletzt werden würde.

Artikel 9.

Ausgenommen von den Vorschriften der Artikel 7 und 8 sind die Fälle, in denen die Schweizerischen Bundesbahnen infolge des ausländischen Wettbewerbes genötigt sind, ihre Transittaxen ausnahmsweise herabzusetzen.

Jedoch dürfen Massnahmen dieser Art dem Verkehr über den St. Gotthard keinen Abbruch tun.

Artikel 10.

Für den im Durchgang über die Gotthardbahn sich bewegenden Personenverkehr werden folgende Höchstsätze festgesetzt: in 1. Klasse 10,416 Cts. für den km.

·n Hn 7,291 ,, ., ,, ,, ,, III.

,, 5,208 ,, ,, ·,, ,, Die Schweizerischen Bundesbahnen dürfen einen Zuschlag von 50°/o für solche Teilstrecken erheben, die eine Steigung von 15°/oo und mehr haben. Jedoch wird auf der Monte-Ceneri-Linie der Personenverkehr auch in Zukunft von einem Zuschlage befreit bleiben.

Im Gepäckverkehr dürfen die zurzeit im Durchgang über die Gotthardbahn gültigen Taxen und Zuschlagstaxen in Zukunft nicht erhöht werden.

162 Artikel 11.

Die Schweiz verpflichtet sich für die Schweizerischen Bundesbahnen, die gegenwärtig für den deutschen und italienischen Güterverkehr, im Durchgang über die Gotthardbahn, bestehenden Transittaxen in Zukunft so lange nicht zu erhöhen, als die deutschen oder italienischen Eisenbahnen ihre gegenwärtig für diese Verkehre bestehenden Taxen nicht erhöhen. Vorbehalten bleibt jedoch infolge der Herabsetzung der Bergzuschläge eine Neuregelung der ausnahmsweise ermässigten, durch den ausländischen Wettbewerb bedingten Transittaxen.

Die Schweiz übernimmt die -gleiche Verpflichtung hinsichtlich der Transittaxen, die gegenwärtig für den direkten italienisch-schweizerischen Verkehr im Durchgang über die Gotthardhahn bestehen.

'Artikel 12.

Für den Güterverkehr, der .sich im Durchgang über die Grotthardbahn bewegt (d. i. über die Endpunkte Immensee, Zug oder Luzern einerseits und Chiasso oder Pino andererseits), bewilligt die Schweiz eine Herabsetzung der zurzeit geltenden Bergzuschläge in der Weise, dass die gegenwärtig bestehenden Zuschläge von 64 km für Erstfeld--Chiasso und von 50 km für Erstfeld--Pino ermässigt ·werden : um 35°/o vom 1. Mai 1910 an, das heisst auf 42 km für die Strecke Erstfeld-Chiasso, ,, 33 ,, ,, ,, · ,, Erstfeld-Pino ; um 50% vom 1. Mai 1920 an, das heisst auf 32 km für die Strecke Erstfeld-Chiasso, ,, 25 ,, ,, ,, ,, Plrstfeld-Pino.

163 Wenn infolge gegenwärtig nicht vorauszusehender Ereignisse -- z. B. infolge eines Ausfuhrverbotes für Brennstoffe durch einen kohlenerzeugenden Staat .oder infolge einer aussergewöhnlichen Steigerung der Kohlenpreise --die vorstehend vereinbarte Herabsetzung der Bergzuschläge zur Folge haben sollte, dass das gegenwärtige Netz der Gotthardbahn nicht mehr die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung und Amortisation des in diesem Netze angelegten Anlagekapitals "und" der vorgeschriebenen Rücklagen in den Erneuerungsfonds, aufbringt, so wird die Schweiz berechtigt sein, eine Abänderung der obigen Vereinbarungen über die Herabsetzung der Bergzuschläge zu verlangen.

Eine hiernach zugestandene Wiedererhöhung der Bergzuschläge ist aufzuheben, sobald ihre Ursache beseitigt ist.

Auch dürfen höhere als die zurzeit bestehenden Zuschläge nie eingeführt werden.

Bei Wiedererhöhung der Zuschläge hat die Schweiz auf das Meistbegünstigungsrecht Rücksicht zu nehmen, das die Gotthardbahn gegenüber den anderen Alpenbahnen (Art. 7), und der Verkehr zwischen Deutschland und Italien und umgekehrt gegenüber den anderen Verkehren (Art. 8) gemessen.

Artikel 13.

Falls unter den hohen vertragschliessenden Teilen Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung des gegenwärtigen Vertrages entstehen sollten, hat jeder von ihnen das Recht, schiedsgerichtliche Entscheidung zu verlangen.

Die Bildung des Schiedsgerichts und das Verfahren vor demselben sollen so einfach als möglich sein. Über die Ernennung des Schiedsrichters werden sich die beteiligten Regierungen auf diplomatischem Wege verständigen.

fiundesblatt.

61. Jahrg.

Bd. V.

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Gelangen sie zu keiner Verständigung, so ist die Regierung eines unbeteiligten Staates um diese Ernennung zu ersuchen.

Artikel 14.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden; der Austausch der Ratifikationsurkunden soll so bald als möglich in Bern stattfinden.

Der Vertrag soll am 1. Mai 1910 in Kraft treten mit Rückwirkung auf 1. Mai 1909.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen zu Bern in dreifacher Ausfertigung den 13. Oktober 1909.

(Sig.)

A. Deucher.

Comtesse.

L. Forrer.

v. Blilow.

Cusani.

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Schlussprotokoll.

Die Unterzeichneten sind zusammengetreten, um den neuen Vertrag betreffend die Gotthardbahn, über dessen Inhalt sie sich heute geeinigt haben, nochmals zu lesen und zu unterzeichnen. Bei dieser Gelegenheit sind in dem gegenwärtigen Schlussprotokoll die nachstehenden Erklärungen niedergelegt worden, die die gleiche Kraft besitzen und an dem gleichen Tage in Wirksamkeit treten sollen wie der Vertrag selbst.

I.

ZM Artikel l, Es besteht Einverständnis darüber, dass die nachstehenden Verträge in Kraft bleiben : 1. der Vertrag zwischen Italien und der Schweiz, abgeschlossen in Bern am 23. Dezember 1873, über den Anschluss der Gotthardbahn an die italienischen Bahnen in Chiasso und Pino und über die Einrichtung von Gemeinschaftsbahnhöfen in Chiasso und Luino; 2. der Vertrag zwischen Italien und der Schweiz, abgeschlossen in Bern am 16. Februar 1881, über den Polizeidienst auf den G-emeinschaftsbahnhöfen der Gotthardbahn ; 3. der Vertrag zwischen-Italien und der Schweiz, abgeschlossen in Bern am 15. Dezember 1882, über den Zolldienst auf den Gemeinschaftsbahnhöfen Chiasso und Luino.

166 An Stelle., der in diesen Verträgen genannten Eisenbahngesellschaften treten künftig die Schweizerischen Bundesbahnen und die italienischen Staatseisenbahnen.

ZM Artikel 8.

Der zweite Satz des Artikels 8 : ,,Die Schweizerischen Bundesbahnen dürfen in keine Verbindung mit anderen schweizerischen Eisenbahnen eintreten, durch die dieser Grundsatz verletzt werden würde"1 soll nur besagen, dass die Schweizerischen Bundesbahnen mit anderen schweizerischen Eisenbahnen in keine Verbindung eintreten dürfen, durch die sie auf ihren Strecken niedrigere Grundtaxen gewähren würden, als die, welche für den Durchgangsverkehr über den G-otthard zur Anwendung gelangen.

ZM Artikel 11.

Es besteht Einverständnis darüber: 1. dass die dort vorgesehenen Erhöhungen sich nur auf Waren der nämlichen Art erstrecken dürfen, 2. dass die Schweizerischen Bundesbahnen berechtigt sind, ihre Transittaxen zu erhöhen, wenn die Erhöhungen in Deutschland oder Italien Artikel ihrer Ausfuhr betreffen, 3. dass für die übrigen Fälle eine Verständigung zwischen den Schweizerischen Bundesbahnen und den deutschen oder den italienischen Bahnen vorbehalten bleibt.

n.

·

Die Schweizerischen Bundesbahnen werden mit Wirkung vom 1. Mai 1910 an die jetzigen oder künftigen Transittaxen für den Güterverkehr über den Grotthard in der

167

Weise zur Verfügung stellen, dass diese Taxen für alle schweizerischen Grenzstationen anwendbar sind, auch wenn letztere nicht auf dem kürzesten Wege gelegen sind.

Diese den Wechselverkehr zwischen Deutschland und Italien betreffende Bestimmung hat besondere Bedeutung für diejenigen Sendungen, für die der kürzeste Weg über den Bodensee führt, während die billigste Fracht sich über den Landweg bildet..

m.

Unter der Bezeichnung Gotthardbahn sind in dem Vertrage folgende Eisenbahnlinien zu verstehen: 1. Luzern-Immensee-Arth=Goldau-Giubiasco-Chiasso, 2. Zug-Arth=Goldau, 3. Giubiasco-Cadenazzo-Pino Grenze, 4. Cadenazzo-Locarno.

IV.

Für den Fall, dass aus Anlass einer späteren Elektrisierung der Gotthardbahn Materialbestellungen notwendig werden, erklärt die Schweiz, dass die Schweizerischen Bundesbahnen in Ansehung dieser Lieferungen an -ihrer bisherigen Übung festhalten und einen allgemeinen, der Industrie aller Länder zugänglichen Wettbewerb eröffnen werden.

Hinsichtlich der sonstigen Materialbestellungen für die Gotthardbahn erklärt die Schweiz, nicht die Absicht zu haben, in dem derzeitigen Verfahren der Schweizerischen Bundesbahnen eine Änderung eintreten zu lassen.

V.

In Erfüllung eines von der deutschen und der italienischen Kegierung ausgesprochenen Wunsches erklärt die

168

Schweiz, die Angestellten und Arbeiter deutscher und italienischer Staatsangehörigkeit, die aus Anlass der Verstaatlichung der Gotthardbahn aus dem Dienst der Gotthardbahngesellschaft in den Dienst der Schweizerischen Bundesbahnen übergetreten sind, nach Massgabe der hierüber bestehenden gesetzlichen Bestimmungen in ihren Stellungen belassen zu wollen, ohne sie zu verpflichten, die schweizerische Staatsangehörigkeit anzunehmen.

So geschehen zu Bern, in dreifacher Ausfertigung, den 13. Oktober 1909.

(Sig.) A. Deucher.

Comtesse.

L. Forrer.

v. Bülow.

Cusani.

169 (Übersetzung.)

Übereinkommen zwischen

der Schweiz und Italien betreffend die Gotthardbahn.

(Vom 20. April 1909.)

Anhang zu dem

Staatsvertrag vom 13. Oktober 1909 betreffend die Gottnardbaho.

Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft

und Seine Majestät der König von Italien, von dem Wunsche geleitet, einige Punkte zu regeln, die im neuen Staatsvertrage betreffend die Gotthardbahn nicht erwähnt sind und die speziell Italien und die Schweiz betreffen, haben den .Abschluss eines Übereinkommens beschlossen und zu diesem* Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt : Der Bundesrat der Schwelgerischen Eidgenossenschaft: Herrn Bundespräsidenten D e u c h e r und die Herren Bundesräte C o m t e s s e und F o r r e r ,

170 Seine Majestät der König von Italien: Seine Excellenz Herrn Marchese C u s a n i G o n f a l o n i e r i , außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister des Königreiches Italien bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten sich über folgende Punkte geeinigt haben : * Artikel 1.

Es besteht Einverständnis darüber, dass für die Getreidetransporte aus Italien, die in den Lagerhäusern in Brunnen eingelagert und von da im Laufe eines Jahres in der Richtung Schwyz reexpediert werden, in bisheriger Weise die direkten, für den Verkehr über Brunnen hinaus geltenden italienisch - schweizerischen Taxen Anwendung finden sollen. Demzufolge werden diese Getreidesendungen die gleichen Erleichterungen geniessen, die gemäss Art. 11 und 12 des genannten Vertrages den italienisch-schweizerischen Gütern im Durchgangsverkehr über die Gotthardbahn zugestanden worden sind.

Artikel 2.

Die Vorschriften der für das Tarifwesen der Schweiz zerischen Bundesbahnen geltenden Gesetzgebung werden zukünftig auch für den Personen- und Güterverkehr zwischen Italien und den Stationen der Gotthardbahn Anwendung finden. Dabei ist verstanden, dass die auf dieser Bahn gegenwärtig geltenden Zuschlagstaxen nicht erhöht werden sollen.

Artikel 3.

Zur Durchführung der Tarifbegünstigung für Südfrüchte (agrumi) werden die Schweizerischen Bundesbahnen einen neuen Ausnahmetarif unter Herabsetzung der Grund-

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taxe von 11 Cts. auf 7,<<, Cts. für die Tonne und den Tarifkilometer erstellen. Dieser Tarif soll auf 1. November 1909 zur Einführung gelangen.

Für den Durchgangsverkehr über die Gotthardbahn soll die jetzige kilometrische Taxe von 6,5 Cts. beibehalten werden.

Die Expeditionsgebühr wird nicht geändert.

Artikel 4.

Das durch die vorstehenden Bestimmungen getroffene Übereinkommen bildet einen Anhang 'zu dem neuen Staatsvertrag betreffend die Gotthardbahn und besitzt die gleiche Kraft wie der genannte Vertrag.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten das vorliegende Übereinkommen unterzeichnet, unter Beisetzung ihres Siegels.

So geschehen zu Bern, in zweifacher Ausfertigung, den 13. Oktober 1909.

(Sig.)

A. Deucher.

Comtesse.

L. Forrer.

Cusani.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem neuen zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien abgeschlossenen Staatsvertrag betreffend die Gotthardbahn. (Vom 9. November 1909.)

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Jahr

1909

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46

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17.11.1909

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131-171

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