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Schweizerisches Bundesblatt.

1. Jahrgang. IV.

No 28

14. Juli 1909.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Reorganisation des politischen Departements.

(Vom 2. Juli 1909.)

Tit.

Sie haben gewünscht, wir möchten Ihnen über die Frage Bericht erstatten, ob nicht die Organisation des Bundesrates in einer Weise zu ändern sei, welche die Kontinuität in der Leitung der auswärtigen Beziehungen der Schweiz besser als bisher verbürge. Man erblickt einen Übelstand darin, dass der Bundespräsident, dessen Amtsdauer von der Bundesverfassung auf ein Jahr beschränkt ist, das politische Departement übernehmen muss, was alljährlich einen doppelten Wechsel zur Folge hat: in dem politischen Departement, das der abtretende Bundespräsident verlässt, und im Departement, dem der neu ernannte Bundespräsident . bisher vorstand.

Wir beehren uns, Ihrem Auftrage nachzukommen.

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L Die Bundesverfassung vom 12. September 1848 hat als oberste vollziehende und leitende Behörde der Eidgenossenschaft einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Bundesrat eingesetzt (Art. 83). Den Vorsitz im Bundesrat führt der Bundespräsident, der wie der Vizepräsident von den vereinigten Räten für die

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. IV.

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290 Dauer eines Jahres aus den Mitgliedern des Bundesrates gewählt wird. Weder der Präsident noch der Vizepräsident darf sein Amt während zwei unmittelbar .aufeinander folgenden Jahren bekleiden (Art. 86). Die Geschäfte des Bundesrates werden nach Departementen unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig zum Zweck, die Prüfung und Besorgung der Geschäfte zu fördern; der jeweilige Entscheid geht von dem Bundesrate als Behörde aus (Art. 91).

Es sind dies noch heute die verfassungsmässigen Grundlagen der Organisation des Bundesrates (Art. 95, 98 und 103 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874).

Das erste Gesetz über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 16. Mai 1849 sah' folgende Departemente vor: 1. Politisches Departement.

2. Departement des Innern.

3. Justiz- und Polizeidepartement.

4. Militärdepartement.

5. Finanzdepartement.

6. Handels- und Zolldepartement.

7. Post- und Baudepartement.

Dem politischen Departement waren folgende Geschäfte zur Vorberatung und Besorgung zugewiesen: 1. Der Verkehr mit auswärtigen Staaten und deren Stellvertretern; der Abschluss von Staats v ertragen aller Art, wobei bezüglich des Inhalts derselben die Mitwirkung der ändern Departemente, in deren Geschäftskreis sie der Sache selbst nach gehören, vorbehalten wurde.

2. Der Verkehr mit den Geschäftsträgern und Konsuln der Schweiz im Auslande.

3. Die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern.

4. Die Prüfung derjenigen Verträge, welche die Kantone von sieh aus mit ausländischen Behörden abzuschliessen befugt sind.

5. Die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen aussen im allgemeinen, sowie der völkerrechtlichen Verhältnisse im besondern.

6. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Innern.

291 7. Die Überwachung und Regulierung der Grenzverhältnisse zu dem Auslande.

Die Leitung des politischen Departements wurde bis zum Jahre 1888 jeweilen durch ßundesratsbeschluss dem Bundespräsidenten anvertraut. Es schien dies angezeigt, weil die auswärtigen Angelegenheiten und der Verkehr mit den in Bern beglaubigten Gesandten naturgemäss in erster Linie demjenigen Mitgliede der Exekutivbehörde zukommen, das die Bundesverfassung als Staatsoberhaupt der schweizerischen Eidgenossenschaft hatte einsetzen wollen. So fand alle Jahre der erwähnte Wechsel in mindestens zwei Departementen statt. Weitere Änderungen wurden nötig, wenn der abtretende Bundespräsident nicht das, Departement übernahm, das der neue Bundespräsident vakant liess..

Das politische Departement entwickelte sich nur langsam ;: erst im Jahre 1867 wurde eine ständige Sekretärstelle errichtet und Ende 1868 besetzt.

Durch den am 1. Januar 1879 in Kraft getretenen ßundesbeschluss vom 21. August 1878 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates wurden dem politischen Departement noch die Gesuche von Ausländern um Erteilung der bundesrätlichen Bewilligung zur Einbürgerung in der Schweiz (Bundesgesetz vom 3. Juli 1876) überwiesen. Hingegen ist in diesem Bundesbeschlusse nicht mehr davon die Rede, dass das politische Departement Staatsverträge aller Art abschliesst. Jedes Departement befasste sich fortan mit der Vorbereitung derjenigen Staatsverträge, welche der Sache nach in seinen Geschäftskreis gehörten ; so das Justiz- und Polizeidepartement mit Verträgen über Auslieferung und über polizeiliche und zivilrechtliche Verhältnisse, das Handelsdepartement mit Handelsverträgen u. s. w.

Von der Ansicht ausgehend, dass es sich bei der Organisation des Bundesrates um eine Frage des innern Geschäftsganges handle, hatte die Bundesversammlung in den Bundesbeschluss vom 21. August 1878 folgende Bestimmung aufgenommen: ,,Art. 30. Der Bundesrat ist ermächtigt, ausnahmsweise bezüglich einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige der Departemente von obiger Feststellung Abweichungen zu beschliessen.

Von derartigen Beschlüssen ist der Bundesversammlung Mitteilung zu machen.tt Im Jahre 1887 bot sich dem Bundesrate der Anlass, yon dieser Befugnis Gebrauch zu machen und eine Organisation versuchsweise einzuführen, welche dem damaligen Vizepräsidenten

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die Annahme des Bundespräsidiums pro 1888 ermöglichte, ohne ihn zu nötigen, das ihm nicht zusagende politische Departement zu übernehmen.

Der am 1. Januar 1888 in Kraft getretene Bundesratsbeschluss vom 8. Juli 1887 hob das alte, vom jeweiligen Bundespräsidenten geleitete politische Departement auf und schuf ein von dem Wechsel des Bundespräsidiums unberührtes Departement des Äussern, dem sämtliche Geschäfte des politischen Departements (mit Ausnahme der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Innern) und ausserdem die ganze Handelsabteilung samt den internationalen Ausstellungen, dem gewerblichen, literarischen und künstlerischen Eigentum, der Kontrollierung des Handels mit Gold- und Silberwaren und der Beaufsichtigung des Auswanderungswesens zugewiesen wurden.

Die Bundesversammlung hatte durch Bericht des Bundesrates vom 5. April 1887 von der geplanten Neuerung Kenntnis erhalten und am 9. Juni 1887 folgenden Beschluss gefasst: ,,Die Bundesversammlung nimmt von der Mitteilung des Bundesrates vom 5. April 1887 betreffend versuchsweise Abänderung einzelner Bestimmungen des Bundesbeschlusses über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. August 1878 am Protokoll zustimmend Kenntnis und gewärtigt seinerzeit Bericht und Vorschlag des Bundesrates betreffend Revision jenes Bundesbeschlusses.a Am 23. Juni 1892 wurde sodann im Nationalrate folgende Motion angenommen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, gemäss seinem Bericht vom 5. April 1887 über die Reorganisation des Bundesrates beförderlich eine Vorlage über die Folgen jener Reorganisation und über die bei der stets steigenden Geschäftsvermehrung nötig werdenden Reformen in der Bundesverwaltung zu unterbreiten."1 Diesem Auftrage kam der Bundesrat mit Botschaft vom 4. Juni 1894 nach.

Diese Botschaft, welche wir der Feder eines Mannes verdanken, der während 33 Jahren im Bundesrate sass und fünfmal die Würde eines Bundespräsidenten bekleidete, bespricht in sehr einlässlicher Weise die Erfahrungen, die man mit der am 1. Januar 1888 in Kraft getretenen neuen Organisation des Bundesrates gemacht hatte, und kommt zum Schlüsse, dass es sich dringend empfehle, zum alten System zurückzukehren.

293 Sehr anschaulich wird darin geschildert, wie bei der neuen Einrichtung der Bundesrat als politische Behörde mehr und mehr in den Schatten gestellt wurde: ,,Der Bundesrat war früher in alle Vorgänge und Geschäfte des politischen Departements eingeweiht. Alle Berichte unserer Gesandten, auch die als konfidentiell bezeichneten, und auch alle nicht bloss kommerziellen und konkret geschäftlichen Berichte der Konsulate wurden vom Bundespräsidenten auf dem Wege der Zirkulation den Mitgliedern des Bundesrates zur Kenntnis gebracht. Sie erhielten stetige Mitteilung von den eingelangten Noten der fremden Gesandtschaften und ebenso von bedeutsamen, den Bundespräsidenten in persönlicher Audienz gemachten Eröffnungen. Die Verfügungen in politischen Angelegenheiten aller Art, auch Zwischenverfügungen, gingen auf Antrag des Bundespräsidenten vom Bundesrate aus.

Letzterer stund zu den politischen Angelegenheiten immer in einem ändern Verhältnisse als zu den Verwaltungsgeschäften der ändern Departemente, und während der Bundesrat letztern längst eine ganze Reihe von Geschäftskategorien zu direkter selbstständiger Verfügung delegiert hatte, wurden die politischen Angelegenheiten nach wie vor sozusagen vollständig in und vor dem Bundesrate abgewickelt. Mit dem neuen Regime trat hierin eine wesentliche Änderung ein. Die Zirkulationsakten wurden seltener; die Mitglieder des Bundesrates wurden nur mit denjenigen Eingängen bekannt gemacht, welche dem auswärtigen Amte hierfür geeignet erschienen ; aus dem persönlichen offiziellen Verkehr des auswärtigen Amts mit den Vertretern der auswärtigen Staaten wurden nur in seltenen ausserordentlichen Fällen Eröffnungen gemacht; das auswärtige Amt stellte sich im ganzen auf den Standpunkt der ändern Departemente, welche die Grosszahl ihrer Verwaltungsgeschäfte direkt und selbständig besorgen und nur wichtigere oder solche Angelegenheiten personeller oder finanzieller Natur, in betreff welcher eine Delegation im allgemeinen nicht stattfindet, vor den Bundesrat bringen."

Als weitere nachteilige Folge des Systems von 1888 bezeichnet die Botschaft das gänzliche Aufhören eines Wechsels in den Departementen. ,,Bekanntlich fand früher jedes Jahr eine Änderung in der Departementsvorsteherschaft statt, indem der neu ins Amt tretende Bundespräsident sein bisheriges Departement verliess
und das politische Departement übernahm. Gewöhnlich trat der abtretende Bundespräsident in das vakant gewordene Departement über; es kam aber auch vor, dass der Wechsel des Bundespräsidiums zu einem weitern Departements-

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Wechsel Anlass gab. Dieses System brachte es mit sich, dass die einzelnen Mitglieder mit mehreren Departeinentalvervraltungen einlässlicher bekannt wurden und der Bundesrat selbst bei Detailfragen eines Departements über die Erfahrungen Verschiedener verfügen konnte. Das besondere Interesse, das man für die Angelegenheiten und Fragen eines Departements behielt, welches man selbst verwaltet hatte, die dabei erworbene spezielle Kenntnis der Qualität seiner Beamten, die vielseitigere Verwaltungsbildung der einzelnen Mitglieder kam dem Bundesrat als Gesamtbehörde zugute, sowohl in seiner beratenden und entscheidenden als in seiner kontrollierenden Tätigkeit. Seit dem Jahre 1888 hat der Wechsel gänzlich aufgehört. Nur infolge von Austritten erhielten Departemente neue Vorsteher. Zwingende Veranlassung zu Änderungen war nicht mehr da, seit der Bundespräsident einfach Vorsteher seines Departements blieb."

Eine wesentliche Änderung trat seit 1888 auch in der Stellung des Bundespräsidenten ein. Solange dieser an der Spitze des politischen Departements stand, zählte er zu seinen Aufgaben : den Verkehr mit den auswärtigen Staaten und deren Vertretern, den Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsulaten der Schweiz im Auslande, die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und ausländischen Staatsregierungen und deren Stellvertretern, die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen aussen im allgemeinen, sowie der völkerrechtlichen Verhältnisse im besondern, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Innern -- Aufgaben und Funktionen, welche die Magistratur des Bundespräsidenten als höchste einheitliche Hüterin der vornehmsten Gesamtinteressen des Landes nach innen und nach aussen erscheinen Hessen.

Diese Funktionen gingen dem Bundespräsidenten im Jahre 1888 verloren. Von dem alten Bundespräsidenten, dessen Stellung und Würde eine bedeutendere und inhaltsreichere war, als die des einstigen Landammanns der Schweiz, blieb ihm nichts mehr übrig als die formelle Vertretung bei solennen Anlässen, bei Gesandtschaftsempfängen und nationalen Festen u. dgl. und das Ratspräsidium mit Entgegennahme der Vorschläge der Departemente und der Leitung der Verhandlungen.

Trotzdem brachte die Reorganisation von 1888 eine solche Überlastung des Bundespräsidenten mit sich, dass es diesem nicht mehr möglich war, seine Präsidialpflichten in vollem Umfange zu erfüllen, ohne die Geschäfte seines Departements zu vernach-

295 lässigen. Von der wenig beneidenswerten Lage des Bundespräsidenten unter dem Regime von 1887 entwirft die Botschaft folgendes Bild: ,,Ohnedies von seinem eigenen Departement, welches es auch sein mag, voll in Anspruch genommen, hat er während seines Amtsjahres nun auch die Präsidialgeschäfte zu besorgen. Der zeitraubenden Eröffnung und der formalen Überweisung der täglichen Bundesratskorrespondenz ist er zwar enthoben; aber er sollte doch anlässlich der Visierung der Überweisungen von dem Inhalt der Eingaben Kenntnis nehmen. Ebenso sollte er Zeit haben, die von den Departementen zur Vorlage an den Bundesrat abgegebenen Berichte und Anträge durchzulesen, um auf allfällig Zweifelhaftes aufmerksam zu machen und zu beurteilen, ob eine Vorlage liquid genug sei, um sofort behandelt zu werden, ·oder ob eine nähere Prüfung der Akten durch die Mitglieder ·des Rates angezeigt erscheine. Er hat nach wie vor die neu akkreditierten Gesandten zu empfangen und die abgehenden zu verabschieden. Er hat die nicht seltenen Delegationen anzuhören, welche den Bundesrat direkt mit ihren Anliegen bekannt zu machen wünschen, und in vielen beim Bundesrat anhängigen Angelegenheiten überhaupt Audienzen zu gewähren. Als Departementschef genötigt, seine Fachliteratur zu verfolgen, ist er als Bundespräsident im Falle, in umfassender Weise und möglichst stetig von den die Bundesverwaltung betreffenden Kundgebungen der Presse Kenntnis zu nehmen. Er hat die beschlossenen Motionen und Postulate im Auge zu behalten und sich um deren Behandlung durch die betreffenden Departemente zu bekümmern. Er hat alles wahrzunehmen, ·was die Bundesverwaltung und den Gang der Geschäfte im ganzen angeht, und sollte den Verhandlungen der Räte in ausgedehntem Masse beiwohnen und folgen können. Eine gleichzeitige vollständige Erfüllung der Départemental- und der Präsidialpflichten, wenn solche überhaupt möglich ist, erheischt unter vorhandenen Umständen eine Anspannung und Anstrengung, die nicht immer ohne Schädigung ausgehalten werden kann."

Diesen misslichen Zuständen machte der Bundesbeschluss vom 28. Juni 1895 ein Ende, welcher das alte System wiederherstellte und in Art. 22 bestimmte : ,,Der jeweilige Bundespräsident übernimmt das politische Departement; im übrigen nimmt der Bundesrat alljährlich die Verteilung der Departemente vor, und jedes Mitglied ist gehalten, «eines derselben zu übernehmen."

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Die Spezialbefugnisse des Bundespräsidenten wurden im Art. 13 wie folgt umschrieben : ,,Dem Bundespräsidenten liegt die Leitung der Geschäfte des Bundesrates und die Vorprüfung der von den Departementen an den Bundesrat gelangenden Geschäfte ob. Er beaufsichtigt den Gang der gesamten Bundesverwaltung und sorgt für die beförderliche Erledigung der den Departementen zugewiesenen Geschäfte.1'" Artikel 23 übertrug dem politischen Departement die Vorprüfung und Besorgung folgender Geschäfte: 1. die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen aussen im allgemeinen, so wieder völkerrechtlichen Verhältnisse im besonderen; 2. die Aufrechterhaltung der Ruhe und öffentlichen Ordnung im Innern ; 3. den Verkehr mit auswärtigen Staaten und deren Stellvertretern ; 4. den Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsulaten der Schweiz im Auslande; 5. die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern ; 6. die Prüfung derjenigen Staatsverträge, welche die Kantone von sich aus mit ausländischen Behörden abzuschliessen befugt sind; 7. die Überwachung und Regulierung der Grenzverhältnisse zu dem Auslande; 8. die Einbürgerung von Ausländern und Optionsangelegenheiten ; 9. die Überwachung der Bundeskanzlei ; 10. die Organisation und den Geschäftsgang der Bundesbehörden ; 11. die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen ; 12. die Grenz- und Gebiets Verhältnisse der Kantone unter sich, soweit nicht das Bundesgericht hierin zuständig ist.

Der Bundesratsbeschluss vom 8. Dezember 1896 nahm endlich das Auswanderungswesen dem Departement des Innern abund teilte es vom 1. Januar 1897 an dem politischen Departement zu.

297 Dies die gegenwärtige Organisation des politischen Departements. Dass sie nicht vollkommen ist, dass der jährliche Wechsel des Departementschefs Unzukömmlichkeiten mit sich bringen kann, geben wir zu; allein diese Unzukömmlichkeiten sind jedenfalls bei weitem geringer als die, welche die Errichtung eines Departementes des Auswärtigen mit einem ständigen Vorsteher im Jahre 1887 zur Folge gehabt hat.

II.

Wir haben nachgewiesen, dass die Stellung des Bundespräsidenten unter dem Regime des Jahres 1887 unhaltbar geworden war, weil ihm zugemutet wurde, neben der Leitung einesvollen Departementes noch die allgemeine Leitung des Bundesrates und der Geschäfte des Bundes zu übernehmen. Der Bundesbeschluss vom 28. Juni 1895 befreite den Bundespräsidenten ausdieser unhaltbaren Stellung, indem er ihm von neuem das am wenigsten belastete politische Departement überwies. Es fragt sich nun, ob sich seither die Sachlage so verändert habe, das» heute das System des Bundesratsbeschlusses vom 8. Juli 1887 ohne Bedenken wieder eingeführt werden könnte. Diese Frage ist entschieden zu verneinen. Eine etwelche Entlastung der einzelnen Departementsvorsteher ist zwar durch Bundesratsbeschluss vom 9. April 1897 in der Weise erzielt worden, dass man die= Erledigung von minder wichtigen, keinen grundsätzlichen Entscheid involvierenden Geschäften den Abteilungschefs übertragen hat, allein die Geschäfte haben sich inzwischen infolge der Entwicklung des Bundes und seiner Gesetzgebung fortwährend vermehrt, so dass heute weniger als je daran gedacht werden könnte, dem Vorsteher eines ändern Departements als des politischen diespeziellen Obliegenheiten des Bundespräsidenten zu übertragen.

Man würde damit unerfüllbare Anforderungen an den Bundespräsidenten stellen, welcher trotz aufreibender Tätigkeit ausser stände wäre, die ihm als Bundespräsidenten obliegenden Pflichten zu erfüllen, ohne die Geschäfte des eigenen Departements zu vernachlässigen.

Herr alt Bundesrat Droz, der geistige Urheber des Systemsdes Jahres 1887, hatte das im Jahre 1893 bereits eingesehen.

Er schlug daher, um das auf seinen Antrag hin errichtete Departement des Auswärtigen zu erhalten, in einem bemerkenswerten, in der ,,Bibliothèque universelle et Revue suisse"1 (Jahrgang 1893, S. 449 u. ff.) veröffentlichten Aufsatz die Schaffung eines Präsidialdepartements mit folgendem Geschäftskreis vor :

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1. die Vertretung der Eidgenossenschaft als Staatsoberhaupt; 2. die Oberaufsicht über die Verwaltung, die Verteilung der Geschäfte unter die Departemente, die Prüfung der von diesen ausgehenden Anträge ; 3. die Überwachung der Bundeskanzlei und des Bundesarchivs ; 4. die Organisation und der Geschäftsgang der Bundesbehörden ; 5. die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen ; 6. die Grenz- und Gebietsverhältnisse der Kantone unter sich, soweit nicht das Bundesgericht hierin zuständig ist; 7. die Aufrechterhaltung der Ruhe und öffentlichen Ordnung im Innern.

Die übrigen Geschäfte sollten, wie folgt, verteilt werden : A u s w ä r t i g e s . Wie nach dem Bundesratsbeschlusse vom 8. Juli 1887 mit den Auslieferungen und Heimschaffungen und ohne das geistige Eigentum.

I n n e r e s . Das Unterrichtswesen, die schönen Künste, das Sanitätswesen, die Industrie, die Landwirtschaft und das Forstwesen.

J u s t i z - und P o l i z e i d e p a r t e m e n t . Wie nach dem Bundesratsbeschlusse vom 8. Juli 1887 ohne die Auslieferungen, die Heimschaffungen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und mit dem Versicherungswesen und dem geistigen Eigentum.

M i l i t ä r d e p a r t e m e n t . Unverändert.

F i n a n z - u n d Z o l l d e p a r t e m e n t . Unverändert.

P o s t - und E i s e n b a h n d e p a r t e m e n t . Es sollte vier Abteilungen umfassen : 1. Eisenbahnen mit einem Generalinspektor zur Entlastung des Departementschefs ; 2. Post; 3. Telegraph ; 4. Öffentliche Bauten.

Dieser Vorschlag hatte nach den Ausführungen des Herrn Droz folgende Vorzüge :

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1. er beseitigte die Überlastung und den Pflichtenkonflikt des Bundespräsidenten ; 2. er ermöglichte einen successiven Wechsel in der Leitung der Departemente ; 3. er sicherte die Kontinuität in der Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten, da das Departement des Auswärtigen unter besonderm Chef verblieben wäre.

Auch dieses System birgt die Gefahr in sich, dass der ständige Chef des Departements des Auswärtigen, der allein mit den in Bern beglaubigten Gesandten verkehren würde, seine Geschäftsführung nach und nach der Kontrolle des Bundesrates entzieheu und eine, vielleicht von der traditionellen Richtungslinie abweichende, auswärtige Politik auf eigene Faust treiben könnte.

Ganz unangemessen ist sodann die Stellung, in die der Droz'sche Vorschlag den Bundespräsidenten versetzt, indem er ihm Geschäfte ganz untergeordneter Natur zuweist. Was bedeutet die ,,Vertretung der Eidgenossenschaft als Staatsoberhaupt", wenn der Verkehr mit den fremden Regierungen und ihren Vertretern und die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten überhaupt nicht dem Bundespräsidenten, sondern dem Chef des Departements des Auswärtigen zustehen? Wohl nichts anderes als die formelle Vertretung bei Gesandtschaftsempfängen, Dîners u. dgl. Die Überwachung der Bundeskanzlei und des Archivs, die Organisation und der Geschäftsgang der Bundesbehörden, die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen, die Grenz- und Gebietsverhältnisse der Kantone unter sich sind wahrlich keine Aufgaben, welche neben den eigentlichen Präsidialgeschäften, wie die Oberaufsicht über die Verwaltung und die Prüfung der von ·den Departementen ausgehenden Anträge, den Bundespräsidenten genügend beschäftigen könnten. Einzig die unter Ziffer 7 erwähnte ,,Aufrechterhaltung der Ruhe und öffentlichen Ordnung im Innern'1 stellt sich als ein Geschäft von Belang dar, aber die Sorge für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung steht in erster Linie den kantonalen Behörden zu, und selten bietet sich dem Bunde Aulass zum Einschreiten.

Wenn schon im Jahre 1893 aus diesen Gründen der Vorschlag von alt Bundesrat Droz mit Recht abgelehnt wurde, so wäre es heute bei der gegenwärtigen Geschäftslast undenkbar, dem Departement des Innern die Industrie und Landwirtschaft und dem Post- und Eisenbahndepartement noch die öffentlichen Bauten zuzuteilen, ohne diese beiden Departemente in unerträglicher Weise zu belasten.

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m.

"Wir glauben, nachgewiesen zu haben, dass es im Rahmen der geltenden Bundesverfassung nicht möglich ist, dem politischen Departement ohne grosse Unzuträglichkeiten einen ständigen Chef zu geben. Es sind aber noch diejenigen Lösungen zu prüfen, welche eine Revision der Bundesverfassung voraussetzen.

Dubs hatte in seinem Werke ,,Das öffentliche Recht der schweizerischen Eidgenossenschaft" (zweiter Teil, S. 68 a. ff.)

eine Einrichtung befürwortet, wonach die Regierung, wie in der helvetischen Verfassung vom 12. April 1798, in zwei Elemente ausscheiden müsste, in ein kleines Kollegium vielleicht von 3 bis 5 Mitgliedern, welches sich nur mit der Leitung des Ganzen befassen, die Gesetzgebung fortentwickeln, die Verwaltung kontrollieren und überwachen würde und für die politische Direktion nach aussen und nach innen tonangebend wäre, und in eine Anzahl von Einzeldirektoren der hauptsächlichsten Verwaltungszweige, gegen deren Entscheidung man dann bei jenem Kollegium Schutz finden könnte, da dasselbe in einer ganz unabhängigen Stellung sich befände. Eine solche Scheidung zwischen der eigentlichen Regierung und der laufenden Verwaltung wäre nach Dubs im eidgenössischen Staatsleben eine grosse Wohltat, wobei man für die Regierung einen häufigeren Wechsel, für die Verwaltung aber eine gewisse Stetigkeit ins Auge fassen könnte. Es würde damit auch der Nachteil verschwinden, der in dem jetzigen alljährlichen Departementswechsel liegt.

Wir haben in unserer Botschaft vom 4. Juni 1894 (S. 23 und ff.) die Bedenken dargelegt, welche sich gegen eine solche Organisation erheben : ,,Sie geht weit über das Notwenige hinaus.

Was bisher sieben Bundesräte vollbracht, würde nunmehr mindestens die doppelte Zahl hochgestellter und demgemäss besoldeter Magistrate in Anspruch nehmen ; wie die fünf Bundesräte, so hätten auch die Verwaltungsdirektoren, die in den wenigsten Fällen die vorhandenen technischen Abteilungschefs überflüssig machen würden, ihre Sekretäre, Registraturen, Kanzleien mit einem Lokalitätenbedürfnis, dem nur durch neue Bauten entsprochen werden könnte. Eine Reduktion der Mitgliederzahl des Bundesrates auf drei wäre nicht ratsam und auch nicht tunlich, da das Fehlen eines einzigen Mitgliedes die Sitzung und Beschlussfähigkeit des Rates verunmöglichen würde, und ebensowenig liesse sich die Zahl der Verwaltungsdirektoren wesentlich vermindern, da sonst bei ihnen, die die ganze eigentliche Verwaltungsarbeit zu be-

301 wältigen haben, sofort dieselben Übelstände eintreten würden, unter denen jetzt die Bundesräte zu leiden haben. Was die direkte Verantwortlichkeit der Verwaltungsdirektoren anbelangt, in welcher eine moralische und politische Entlastung des Bundesrates liegen soll, so würde sie sich, wenn auch gesetzlich ausgesprochen, doch schliesslich als illusorisch erweisen, indem nach wie vor der Bundesrat als oberste leitende Behörde dem Lande gegenüber für die Akte der Verwaltung verantwortlich bliebe.

Die Wahl des Bundesrates durch das Volk würde ihm keineswegs unter allen Umständen die nötige Präponderanz und Autorität gegenüber den von der Bundesversammlung gewählten Verwaltungsdirektoren sichern, da letztere als eigentliche aktive Führer der Verwaltung einzig in direktem Verkehr mit den kantonalen Behörden und den Bürgern stehen und bald den Vorteil grüsserer ·G-eschäftskenntnis haben würden. Mit dem Wegfall des persönlichen Verkehrs würde den Bundesräten mehr und mehr die Kenntnis der Personen und Verhältnisse abhanden kommen, was hinwiederum die richtige Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe gefährden müsste. Das Auftreten der Verwaltungsdirektoren mit der hervorragenden Stellung, die sie inné haben, in der Bundesversammlung, wo sie mit und neben den Bundesräten die Gesetzesentwürfe, Budgets etc. zu diskutieren hätten, erscheint, wenn beide dasselbe vorzutragen haben, als überflüssig, wenn abweichende Standpunkte eingenommen werden, als verwirrend und schädlich, unter allen Umständen aber als eine Minderung und Schmälerung der Stellung der obersten Behörde vor den eidgenössischen Räten und vor dem Volke."

Diesen Ausführungen haben wir heute nichts beizufügen.

Wir haben das zweite System Droz auch deshalb bemängelt, weil es durch Schaffung eines Präsidialdepartements, noch mehr die bereits mit Arbeit überhäuften Vorsteher anderer Departemente belasten würde. Diesem Übelstande Hesse sich durch Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesrates von sieben auf neun abhelfen. Allein auch diese Lösung stösst auf Schwierigkeiten, die wir in unserer Botschaft vom 4. Juni 1894, S. 24- 25, hervorgehoben haben. ,,Dieser Vorschlag erheischt eine Änderung der Bundesverfassung. Nun ist aber bekannt, dass er, wenn auch im allgemeinen nicht ungünstig aufgenommen, doch sofort verschiedenen ernsten Reservationen rief,
welche im Lager seiner Freunde Spaltungen und Sistierung der in Aussieht genommenen Initiativbewegung zur Folge hatten.

Als c o n d i t o s i n e qua non wurde von der einen Seite ver-

302 langt, von der ändern bestritten, die Wahl des Bundesrates durch das Volk, eventuell bestimmte Sicherung gefordert für die proportionelle Berücksichtigung der politischen und sprachlichen Minderheiten, und zwar Sicherung durch präzise Vorschriften in der Verfassung selbst. Wer die Natur und Tragweite von Fragendieser Art kennt, wird nicht für zu pessimistisch halten, was ein einsichtsvoller Staatsmann der romanischen Schweiz, ein früheres Mitglied des Bundesrates, schreibt, dass nämlich die Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesrates zu einem Zankapfel werden müsse unter den unser Volk bildenden Rassen. Durch Machtspruch der Majorität der Bundesversammlung oder des Volkes.

und der Kantone kann allerdings ein solcher Streit erledigt werden ; aber es ist doch sehr fraglich, ob es wohl getan wäre, ihn.

mit allen seinen tiefgreifenden und lang andauernden Folgen entstehen zu lassen, wegen einer Veränderung, deren Notwendigkeit nicht bewiesen und die jedenfalls keine Kapitalfrage des Landesist. War bis jetzt der Bundesrat mit seinen sieben Mitgliedern ein Kollegium, welches keine Koterien kannte und durch das seine Beratungen und Beschlussfassungen beherrschende Bestreben nach Verständigung seine Kraft und Einheit zu bewahren suchte,, so ist zu befürchten, dass eine Vermehrung seiner Mitgliederzahl leichter schädliche Gruppierungen ermögliche, den festen innern Zusammhang lockere und damit die der Exekutive notwendig» Kraft zum Schaden des Landes vermindere. In einer Frage, für deren Beurteilung die Erfahrung besondere Beachtung beanspruchen kann, mag ins Gewicht fallen, dass unsere früheren Kollegen übereinstimmend die ausgesprochenen Ansichten teilen und ernstlich von der Anwendung des fraglichen Auskunftsmittel» abraten."

Diese Bedenken rechtfertigen es, nicht ohne zwingende^ Gründe die Zahl der Mitglieder des Bundesrates zu vermehren,, sondern abzuwarten, ob nicht durch andere Mittel eine etwelche Entlastung des Bundesrates und seiner Mitglieder herbeigeführt, werden kann. Als solche nehmen wir in Aussicht eine teilweise Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, durch welche die Entscheidung der Administrativstreitigkeiten ganz oder teilweise in grösserem Umfange als jetzt an das Bundesgericht übertragen werden könnte ; ferner die Einführung eines
Verwaltungsgerichtshofes, sofern dadurch gewisse Entscheidungsbefugnisse dem Bundesrat und den Departementsvorstehern abgenommen und auf andere Verwaltungsorgane, unterVorbehalt der Weiterziehung an ein Verwaltungsgericht, über-

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tragen werden, und endlich im Anschluss hieran eine Revision des Bundesratsbeschlusses vom 9. April 1897 über die Kompetenzen der Departemente und der Abteilungschefs.

Von einer einlässlichen Erörterung der aufgeworfenen Postulate nehmen wir Umgang, weil weder die Frage der Vermehrung der Zahl der Mitglieder des Bundesrates noch die Einführung von Verwaltungsdirektoren und anderes mehr in einem innern Zusammenhang mit der jetzt zu erörternden Frage steht, ob allfällige Vorteile, welche ein von dem jeweiligen Bundespräsidenten losgelöstes Departement zur Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten bieten würde, nicht durch weit schwerer wiegende Nachteile aufgewogen würden.

Man hat endlich die Anregung gemacht, die Amtsdauer des Bundespräsidenten auf di'ei Jahre auszudehnen. Hierüber ist zu bemerken : Unsere Vorfahren, welche die Menschen und ihre Schwächen kannten, haben die Amtsdauer des Bundespräsidenten auf nur ein Jahr festgesetzt. Dieser Bestimmung lag offenbar der Gedanke zu Grunde, dass es nicht klug sei, dieselbe Person allzulange in überragender Stellung zu belassen, weil in einer Republik auch der Schein eines persönlichen Regimentes vermieden werden sollte. Diese demokratische Einrichtung hat sich eingelebt, entspricht den Anschauungen des Schweizervolkes und gewährt jedem Mitgliede des Bundesrates die Möglichkeit, zu der obersten Magistrato der Republik zu gelangen.

Aus diesen Gründen sehen wir davon ab, einen diesbezüglichen Vorschlag zu machen, dessen Durchführung übrigens nicht ohne eine Änderung der Verfassung möglich wäre.

IV.

Es bleibt die Frage zu erörtern übrig, ob die Kontinuität gerade im politischen Departement wichtiger und notwendiger ist, als in allen ändern, so dass, um sie aufrecht zu halten, alle ändern Rücksichten und Interessen hintangesetzt werden müssten. Auch hierüber haben wir uns in der mehrerwähnten Botschaft (S. 44--45) in einlässlicher Weise vernehmen lassen : ,,Unsere internationalen Verhältnisse sind in gewöhnlichen Zeiten einfacher Natur. Sie betreffen hauptsächlich Handel und Verkehr, Niederlassung und Auslieferung, Grenzverhältnisse und Wahrung der Landesintegrität, europäische Kultur- und Humanitätsbestrebungen. Wir haben keine Machtfragen, keine Ausdehnungsinteressen, keine internationalen

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Seeangelegenheiten, keine aussereuropäischen Kolonien und bezügliche Politik, keine Allianzen oder Allianzprojekte, kein zahlreiches Korps von Vertretern in allen Weltteilen wie die Grossstaaten. Diesen beschränkten Aufgaben und einfachem internationalen Verhältnissen entsprechend sind auch die bezüglichen Geschäfte. Es sind nur ausnahmsweise umfangreiche, durch Jahre hindurch sich ziehende Angelegenheiten, wie etwa die Dappentalfrage, die Savoyerfrage, die spanische Pensionenfrage, die Gotthardangelegenheit, die Rheinregulierung, die Verhandlung von Handels- und anderen Verträgen, die bündnerische Inkamerationsfrage, die tessinische Bistumsangelegenheit, grössere Grenzregulierungsfragen u. dgl., wobei in vielen Fällen die Materien selbst von ändern Departementen behandelt werden, sondern, wie die Geschäftsberichte des Departements zeigen, meistens einzelne Vorkommnisse, kleine oder grössere, in der Regel innerhalb kurzer Zeit diplomatisch sich abspielende Konfliktfälle, welche freilich dann nicht selten in dieser kurzen Zeit die Sorge und Arbeitskraft des Departementsvorstehers in intensivster Weise in Anspruch nehmen.

,,Das politische Departement ist im fernem nicht eine Verwaltung verschiedener, von Gesetzen, Verordnungen, Reglementen etc. beherrschter Gebiete und Anstalten, mit welchen der Departementsvorsteher genau vertraut sein und deren zahlreiches Personal er kennen muss; es hat auch keine jener gesetzgeberischen Aufgaben, deren Studium, Behandlung und Lösung oft durch Jahre sich hindurchzieht.

,,Nimmt man nun noch dazu, dass die politischen Geschäfte nicht in der Weise und in dem Umfang rein innerhalb des Departements behandelt werden, wie dies bei ändern Departementen geschehen kann, sondern dass sie von ihrem Entstehen an dem Bundesrate zur Kenntnis gebracht werden, dass dieser, fortwährend orientiert, in den verschiedenen Stadien der Behandlung mitwirkt, die Gesamtbehörde selbst also gewissermassen der ständige, permanente Träger der politischen Geschäftsverwaltung ist, und berücksichtigt man im fernem den grossen Vorteil, dass dasjenige Mitglied des Bundesrates, welches im nächsten Jahre das politische Departement zu übernehmen hat, dies zum voraus weiss und also in jeder Beziehung vollkommen vorbereitet in das Amt tritt, so ist wohl gestattet, zu sagen, dass der jährliche Wechsel
des politischen Departements nicht untunlieh und bezüglich der Kontinuität der Geschäftsbehandlung ·nicht mit so grossen Nachteilen verbunden ist, das1 er absolut

305 vermieden werden müsste. Vielen grossen Staaten, deren auswärtige Angelegenheiten unvergleichlich mannigfacher, komplizierter und schwieriger sind als die unsrigen, begegnet der Wechsel in der Führung derselben erstaunlich oft, und nicht selten ist er begleitet von einer Änderung des gesamten Kabinetts -- eine Betrachtung, welche geeignet ist, den jährlichen Wechsel unseres politischen Departements bei einem unveränderten Bundesrat bezüglich dessen Wichtigkeit in den richtigen Proportionen erscheinen zu lassen.14 Dem Vorsteher des politischen Departements ist übrigens eine ständige Kanzlei beigegeben (vgl. das Bundesgesetz vom 26. März 1897 über die Organisation des politischen Departements), deren oberste Beamte den Zusammenhang der Geschäfte, den formellen Geschäftsgang und die diplomatischen Gebräuche kennen. Es ist also für die Kontinuität in der Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten und für die Wahrung der Traditionen genügend gesorgt.

Wenn die bisherige Geschäftsgebarung je zur Kritik Anlass gegeben hat, so ist der Grund nicht in dem alljährlichen Wechsel in der Leitung des politischen Departements, sondern darin zu suchen, dass die verschiedenen Departemente nicht immer bei der Behandlung internationaler Fragen Hand in Hand gegangen sind. Dieser Mangel lässt sich dadurch beseitigen, dass die Departemente angewiesen werden, das politische Departement über alles, was unsere auswärtigen Beziehungen betrifft, auf dem laufenden zu erhalten und seine Mitwirkung bei wichtigen internationalen Fragen in Anspruch zu nehmen, und wir beabsichtigen, die erforderlichen Vorschriften aufzustellen und die bestehenden neuerdings in Erinnerung zu rufen. Eine Umgestaltung des politischen Departements nach dem Muster der Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten anderer Staaten, welche alle Beziehungen zum Auslande vermitteln und verschiedene Abteilungen (eine politische, eine Rechts-, eine Handelsabteilung u. s. w.)

umfassen, halten wir bei unsern einfachen Verhältnissen nicht für nötig. Ein so grosser und komplizierter Apparat würde viele Kosten verursachen und nur dazu beitragen, den Geschäftsgangschleppender zu machen.

Eine Einrichtung, die sich als zweckmässig erwiesen hat, ist die Bestellung von Delegationen für die Behandlung wichtiger und schwieriger Geschäfte. So sind wir verfahren bei
den Handelsvertragsunterhandlungen, bei der noch schwebenden Frage der Zufahrtslinien zum Simplon, bei der Regelung der freien Zonen, Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. IV.

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beim schwebenden Mehlkonflikt mit Deutsehland und bei den mit dem Rückkauf des Gotthard verbundenen Fragen. Der Vorsteher des politischen Departements nimmt stets an den Beratungen dieser Ausschüsse teil, insbesondere dann, wenn es sich um Fragen handelt, die eine internationale Tragweite haben.

Wir beantragen, es bei der gegenwärtigen Organisation des politischen Departements zu belassen, die sich auch in schwierigen Zeiten im ganzen bewährt hat; dagegen sind wir bereit, die Frage der Reorganisation des Bundesrates und seiner Departemente, sowie die Frage des Geschäftsganges im Sinne obiger Ausführungen weiter zu verfolgen und Ihnen darüber zu gegebener Zeit unsere Anträge zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 2. Juli 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

~=-
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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Reorganisation des politischen Departements. (Vom 2. Juli 1909.)

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Jahr

1909

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4

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28

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.07.1909

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289-306

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