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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession eines elektrischen Tramways von Capolago nach Bissone.

(Vom 7. Juni 1909.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 10. Mai 1908 unterbreitete Herr Antonio S o l d i n i in Maroggia das Gesuch um Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb eines elektrischen Tramways von C a p o l a g o nach B i s s o n e .

Nach dem allgemeinen Bericht bezweckt die projektierte Strassenbahn die Verbindung der wichtigen Ortschaften von Capolago, Melano, Rovio, Arogno, Valle d'Intelvi, Maroggia, Bissone unter sich. Diese Ortschaften haben, obschon sie zum Teil bereits an der Gotthardbahnlinie liegen, wenige Vorteile von derselben, weil sie, wie z. B. Melano und Bissone, keine Station an der genannten Bahn haben, oder weil zu wenig Lokalzüge bestehen, um den Anforderungen der Verkehrsentwicklung dieser Ortschaften zu genügen. Die Strassenbahn Capolago-Bissone soll die Fortsetzung der Linie Chiasso-Capolago-Riva S. Vitale bilden.

Nach dem technischen Bericht beginnt die projektierte Strassenbahn in der Nähe des Überganges der neuen Tramlinie Chiasso-Capolago-Riva S. Vitale über die Gotthardbahn, auf dem Gebiete von Capolago. Sodann durchläuft sie, die Kantonsstrasse in Anspruch nehmend, das Dorf Capolago, durchquert weiter die Dürfer Melano, Maroggia und Bissone. Sie verfolgt überall die Kantonsstrasse. Beim Durchgang in Maroggia und in der Ortschaft S. Nicolao sind einige Erweiterungen und Verbesserungen der Strasse vorgesehen.

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. IV.

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18 Der technische Bericht enthält folgende Hauptangaben: Länge der Bahn : 6800 m.

Spurweite: l m.

Maximalsteigung : 60 °/ooHöhencoten: Anfang der Linie 287,29 m, Capolago 277,09 m, Kulminationspunkt 295,94 m und Bissone 276,n m ü. M.

Minimalradius : 20 m.

Zwischenstationen : 3.

Gütertransport: Nicht vorgesehen.

Betriebssystem : Elektrizität ; oberirdische Zuleitung ; man wird womöglich den Dreiphasenstrom des hydro-elektrischen Werkes von Lugano benützen, transformiert in Gleichstrom à 750 V.

Der Kostenvoranschlag sieht für den Bau der Bahn eine Summe von Fr. 400,000 vor, oder Fr. 58,500 per Kilometer der Bahnlänge.

Der Staatsrat des Kantons Tessin erklärte in seinen Vernehmlassungen vom 14. Mai und 29. Juli 1908, dass er gegen die Konzessionserteilung keine Einwendungen zu erheben habe und dass er die Ermächtigung zur Strassenbenützung erteile.

Die Generaldirektion der S. B. B. teilte mit Schreiben vom 27. November 1908 mit, dass sie gegen die Konzessionserteilung nichts zu erinnern habe.

Bei den konferenzi eilen Verhandlungen, welche am 14. Mai 1909 in Bern stattfanden, wurde der vom Eisenbahndepartement ausgearbeitete Beschlussesentwurf angenommen.

Da der nachfolgende Entwurf uns zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass gibt, ersuchen wir Sie, denselben zu genehmigen und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 7. Juni 1909.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B un d e s p r ä s i d e n t :

Beucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kiugier.

19 (Entwurf.")

Bundesbeschluss betreffend

Konzession eines elektrischen Tramways von Capolago nach Bissone.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. zweier Eingaben des Herrn Antonio Soldini in Bissone (Tessinl, vom 10. Mai und 16. November 1908; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 7. Juni 1909, beschliesst: Einem Initiativkomitee, vertreten durch Herrn Antonio S o l d i n i in Bissone, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb eines elektrischen Tramways von C a p o l a g o nach B i s s o n e unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

20 Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Mareggia.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Art. 6. Binnen 24 Monaten, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der -tarn Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Buudesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrnt ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des Beschlusses des Staatsrates des Kantons Tessin vom 14. Mai 1908 und der betreffenden kantonalen Gesetze, soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. 's. w., sind Eigentum des Kanlons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

21 Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt den Transport von Personen und Handgepäck. Zum Transport von anderem Gepäck, sowie von Gütern und lebenden Tieren ist sie nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und DampfschifFunternehmupgen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 14. Der Gesellschaft ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und der Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmässige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesvat festgesetzt.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muss.

Art. 16. Für die Beförderung von Personen kann die Gesellschaft eine Taxe von je 10 Rappen für den ersten Kilometer und von 5 Rappen für jeden weitern Kilometer der Bahnlänge beziehen.

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Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird. Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 18. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann. Soweit dafür besonderer Platz in Anspruch genommen wird, ist die entsprechende Personentaxe zu bezahlen.

Art. 19. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der ao berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 20. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 21. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 22. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

23 Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, cinschliesslich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen Art. 23. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufuung genügender Brneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 24. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützunffsfonds vorbehalten. Zu ö welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneueruogs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rückkaufesumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22 x /2fachen Wert; -- wenn

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der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konaession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 25. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 24 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 26. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 15. Juli 1909 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession eines elektrischen Tramways von Capolago nach Bissone. (Vom 7. Juni 1909.)

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16.06.1909

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