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Bundesratsbeschluß über

I. den gemeinsamen Rekurs folgender FeuerversicherungsAktien-Gesellschaften : 1. Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungsgesellschaft, in St. Gallen, 2. Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden (La Bâloise), in Basel, 3. Compagnie française du Phénix, in Paris, 4. Union, Allgemeine Versicherungsaktiengesellschaft, in Berlin, 5. Schlesische Feuerversicherungsgesellschaft, in Breslau, 6. Urbaine, Feuerversicherungsgesellschaft, in Paris, 7. L'Union, Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden, in Paris, 8. Hamburg-Bremer Feuerversicherungsgesellschaft, in Hamburg, 9. Northern Assurance Company, in London, 10. Gladbacher Feuerversicherungsgesellschaft, in M. Gladbach (Preußen); II. den besondern Rekurs der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft, in Bern, vertreten durch Herrn Dr. Paul Lindt, Fürsprecher, in Bern, gegen das von der Landsgemeinde des Kantons Glarus am 6. Mai 1894 angenommene Gesetz betreffend die obligatorische staatliche Mobiliarversicherung.

(Vom 1. Februar 1895.1

189 Der schweizerische 'Bundesrat hat

I. über den gemeinsamen Rekurs folgender FeuerversicherungsAktien-Gesellschaften : 1. Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungsgesellschaft, in St. Gallen, 2. Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden (La Bâloise), in Basel, 3. Compagnie française du- Phénix, in Paris, 4. Union,Allgemeine Versicherungsaktiengesellschaft,in Berlin, 5. Sehlesische Feuerversicherungsgesellschaft, in Breslau, 6. Urbaine, Feuerversicherungsgesellschaft, in Paris, 7. L'Union, Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden, in Paris, 8. Hamburg-Bremer Feuerversicherungsgesellschaft, in Hamburg, 9. Northern Assurance Company, in London, 10. Gladbacher Feuerversicherungsgesellschaft, in M. Gladbach (Preußen); II. über den besondern Rekurs der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft, in Bern, vertreten durch Herrn Dr. Paul Lindt, Fürsprecher, in Bern, gegen das von 'der Landsgemeinde des Kantons Glarus am 6. Mai 1894 angenommene Gesetz betreffend die obligatorische staatliche Mobiliarversicherung; auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Die ordentliche Landsgemeinde des Kantons Glarus hat am 6. Mai 1894 gegen den Antrag des Landrates einen vom Kantonalverband glarnerischer Grütlivereine und dem Glarner kantonalen Arbeiterbund in der Form eines ausgearbeiteten Gesetzentwurfes eingebrachten Antrag auf Einführung der obligatorischen staatlichen Mobiliarversicherung angenommen.

Dieser, Gesetz gewordene, Entwurf bestimmt u. a. was folgt:

190 § 1. Es wird für den Kanton Glarus eine auf Gegenseitigkeit beruhende Assekuranzanstalt gegen Mobiliarbrandschaden errichtet, welche, vorbehaltlich der in den §§ 2 und 3 enthaltenen Bestimmungen, für alles im Kanton befindliche Mobiliar obligatorisch ist.

Sie steht unter Garantie des Staates. Dieser haftet den Versicherten dafür, daß sie im Falle eines Brandunglückes die ihnen gesetzlich zugesicherten Entschädigungen (§§ 21 bis 37) rechtzeitig und vollständig erhalten.

§ 2. Ausgeschlossen von dieser Anstalt sind : 1. Alles Mobiliar, das sich in solchen Gebäuden und Etablissementen befindet, welche gemäß § 2 des Gesetzes über die Brandassekuranz vom 6. Mai 1888 in letzterer nicht versichert werden können, respektive von der Versicherung ausgeschlossen werden.

2. Warenvorräte, welche zum Betriebe eines industriellen Etablissements gehören.

3. Bares Geld, Banknoten, kostbare Steine.

4. Manuskripte, Geschäftsbücher, Forderungs- und EigentumsTitel jeder Art.

5. Das Rollmaterial der Eisenbahnen. Schiffe.

6. Das Mobiliar umherziehender Künstler und Handwerker.

7. Theaterdekorationen.

8. Alle Explosivstoffe.

§ 3. Das Obligatorium dieser Anstalt (§ 1) erstreckt sich im übrigen auf alle Kantonseinwohner.

§ 4. Jeder Besitzer von Mobiliar, das nach obigen Bestimmungen bei der kantonalen Mobiliarversicherungsanstalt versichert werden muß, ist pflichtig, über dasselbe ein genaues Verzeichnis mit Angabe des wirklichen Wertes auf einem vom Regierungsrate festgestellten, bei der Gemeindekanzlei zu beziehenden Formulare (Police) aufzunehmen und dem Gemeinderate der gelegenen Sache einzureichen. Diese Behörde hat dafür zu sorgen, daß jeder Versicherungspflichtige rechtzeitig dieser Vorschrift nachkommt.

§ 14. Die Dauer einer Versicherung beginnt in dem Moment, wo sie erstinstanzlich durch den Gemeinderat festgestellt wurde.

Wird von dein Versicherten oder der Direktion des Innern eine Revision der Police verlangt, gilt bis zu deren Erledigung die erstinstanzlich genehmigte Police. Die Versicherung gilt für so, lange,, als das betreffende Mobiliar im Kanton und im Besitz; des Versicherten verbleibt und der in § 2, Ziff. l, vorgesehene Ausschlußgrund auf dasselbe nicht zutrifft.

191 Beim Absterben eines Versicherten dauert die betreffende Versicherung noch so lange fort, als das betreffende Mobiliar unverteilt bleibt.

§ 15. Wegen Übergang des Mobiliars aus einer Gemeinde des Kantons in die andere erleidet die Versicherung keinen Unterbruch; jedoch hat der Versicherte beförderlich die bezügliche Police beim Gemeinderate 'des bisherigen Wohnortes zu erheben und demjenigen des neuen Domizils abzugeben, welch letzterer von diesem Wechsel der Anstaltsverwaltung unverzüglich Kenntnis giebt, damit diese die nötigen Eintragungen in der Stammkontrolle und den betreffenden Gemeindekontrollen anordnen kann.

§ 17. Von jedem in der kantonalen Mobiliarversicherungsanstalt assekurierten Mobiliar ist ohne Rücksicht auf die bauliche Beschaffenheit der dasselbe beherbergenden Gebäude alljährlich eine Brandsteuer zu bezahlen, welche, unter Vorbehalt der Bestimmungen des § 18, 75 Rappen von je 1000 Franken des Assekuranzwertes beträgt.

§ 18. Sofern in einem Jahre die für stattgehabte Brandfälle zu entrichtenden Entschädigungen so bedeutend sind, daß zu deren Bestreitung und zur Deckung der Verwaltungskosten die ordentlicheo Jahresbeiträge, zuzüglich der Zinse und des verwendbiiren Teiles des Reservefonds, nicht ausreichen, ist das Deficit durch außerordentliche Assekuranzsteuern zu decken.

Dieselben bestehen in einem festen Zuschlag zu der ordentlichen Assekuranzsteuer.

Der Landrat hat jeweilen auf Bericht und Antrag des Regierungsrates zu bestimmen, auf wie viele Jahre die Deckung eines Deflcites zu verteilen und wie hoch die Steuer eines jeden Jahres dieser Periode anzusetzen sei.

§ 19. Übersteigen dagegen die Jahreseinnahmen (Brandsteuer, Zinse etc.) die Ausgaben, so wird der Überschuß in einen Reservefonds gelegt, welcher als Sicherheit der Anstalt dient und insofern ein unangreifbares Kapital bildet, als er dauernd niemals unter 1,UOO,OOU Pranken sinken darf, beziehungsweise, solange er diese Höhe noch nicht erreicht hat, um den Betrag sofort wieder geäuffnet werden muß (§ 18), der infolge großer Unglücksfälle daraus enthoben worden ist.

§ 20. Der Einzug der jährlichen ßrandsteuer geschieht auf Anordnung der Direktion des Innern jeweilen am Anfang eines Versicherungsjahres auf Grund der auf Schluß des Vorjahres bereinigten Kontrollen. Das Versicherungsjahr ist gleich dem bürger-

192 liehen Jahr. Zur Bezahlung des Beitrages ist derjenige pflichtig, der sieh im Moment des Einzugs im Besitz des betreffenden Mobiliars befindet; erfolgt dieselbe nicht innerhalb vierzehn Tagen nach angesetztem Termine, wird unverzüglich der Reehtstrieb eingeleitet.

Bei jeder neuen Versicherung ist die erstmalige Brandsteuer gegen Übergabe der Police an den Versicherten durch letztern nach dem für das laufende Jahr festgesetzten Ansätze zu entrichten.

§ 33. Es wird von allem Recht auf Entschädigung ausgeschlossen : 4. Wer das nämliche Mobiliar gleichzeitig noch anderwärts gegen Feuerschaden versichert hat.

§ 38. Die Führung der Stammkontrollen, die Herstellung der Übereinstimmung derselben mit den Gemeindekontrollen, die Ausfertigung der Policendoppel, die Aufbewahrung der bei der Anstalt verbleibenden Originalpolicen, die Besorgung des Rechnungswesens und der Kassa wird einem Verwalter übertragen, der vom Landrate auf eine dreijährige Amtsdauer zu wählen und dessen Besoldung durch die Wahlbehörde jeweilen vor der Wahl festzusetzen ist.

Der Verwalter hat eine Amtsbürgschaft von genügender Höhe zu stellen, deren Genehmigung dem Landrate zusteht.

Die Rechnung ist jeweilen auf den 31. Dezember abzuschließen und beförderlichst dem Regierungsrate zur Prüfung vorzulegen.

§ 39. Die Oberaufsicht über die Anstalt ist dein Regierungsrate übertragen, der seinerseits die Direktion des Innern mit der unmittelbaren Aufsicht und Leitung dieses Institutes betraut.

Dem Landrate ist alljährlich die Rechnung zur endgültigen Genehmigung vorzulegen und im Amtsberichte Kenntnis vom Gange der Anstalt zu geben.

§ 40. Im Falle der Auflösung der Anstalt hat die Landsgemeinde über die Verwendung allfällig vorhandener Fonds zu entscheiden.

§ 41. Das Gesetz tritt, mit einziger Ausnahme der in § 4 enthaltenen Bestimmungen, sofort mit dessen Annahme durch die Landsgemeinde, der besagte § 4 auf den 1. Juli 1895 in Kraft.

§ 42. Die Besitzer von allem zum Obligatorium herbeigezogenen Mobiliar sind pflichtig, bis spätestens zum 1. Juli 1895 unter Beobachtung der hierfür festgesetzten Formen, dem Gemeinderate ihres Wohnortes, respektive der gelegenen Sache, die bezüglichen Versicherungspolicen einzureichen und die zur Bereinigung des Versicherungswertes erforderliche Mitwirkung eintreten zu lassen.

193 § 43. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossene Versicherungsverträge, durch welche zum Obligatorium herbeigezogenes Mobiliar bei andern Versicherungsanstalten über den Zeitpunkt der Betriebseröffuuüg der kantonalen Mobiliarversicherungsanstalt hinaus versichert wird, sind ungültig, und es wird weder für den Einzug der bezüglichen Versicherungsprämien noch für daherige Entschädigungsforderungen Gericht und Recht gestattet. Überdies kommen ·allfäUig die Bestimmungen von § 33, Ziffer 4, zur Anwendung.

Versicherungen, welche vor Inkrafttreten dieses Gesetzes für einen längern Termin als 1. Juli 1895 abgeschlossen wurden, können bis zum Ablaufe des Vertragstermines in Kraft bleiben.

S 44. Für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1895 wird nur die Hälfte eines ordentlichen Jahresbeitrages erhoben.

§ 45. Die durch die erste Einrichtung der Anstalt entstehenden außerordentlichen Aufnahmekosten sind auf mehrere Verwaltungsjahre zu verteilen.

§ 46. Der Regieruugsrat ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

Der Landrat wird erforderlich werdende Vollzugsverordnungen zu diesem Gesetze erlassen.

Der Landrat ist befugt, mit anerkannt soliden Gesellschaften in Rückversicherungsverhältnisse zu treten, falls dies ohne Erhöhung des ordentlichen Assekuranzsteueransatzes möglich ist.

Der in § 2 (siehe oben) angerufene § 2 des Gesetzes über die Brandassekuranz vom 6. Mai 1888 sehließt von der für alle Gebäude im Kanton Glarus obligatorischen, auf Gegenseitigkeit gegründeten und unter Garantie des Staates stehenden, Brandassekuranz aus: 1. Alle industriellen Etablissemente nebst den mit denselben in unmittelbarer Verbindung stehenden Gebäulichkeiten. -- Entsteht die Frage, ob ein Gebäude als industrielles Etablissement oder als Zubehörde eines solchen zu betrachten sei, so entscheidet die Militär- und Polizeidirektion.

2. Pulver- und Dynamitmagazine, Ziegelhütten, Sennhütten, sofern sie keinen gehörigen gemauerten Rauchfang haben, sowie die an solche Sennhütten unmittelbar angebauten Ställe; endlich alle einzeln und von den Häusern entfernt stehenden Gebäude, die weniger als 100 Fr. am Werte sind.

Außerdem kann durch Verfügung der Militär- und Polizeidirektion ein Gebäude aus der Assekuranzanstalt ausgeschlossen Btmdesblatt. 47. Jahrg. Bd. I.

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werden, dessen bauliche Einrichtungen oder Benutzung eine besondere Feuersget'ahr mit sich bringen; ebenso solche Gebäulichkeiten, welche auf den Abbruch verkauft oder dem gänzlichen Verfall überlassen sind.

Ist ein Gebäude, um dessen Ausschluß es sich handelt, verpfändet, so ist dem oder den Pfandgläubigern amtliche Mitteilung mit angemessener Fristansetzung zu machen, um sie in den Fall zu setzen -- sei es durch Beseitigung gefährlicher Zustände, sei es durch anderweitige Versicherung -- ihre Rechte zu wahren.

Am nämlichen Tage -- 6. Mai 1894 -- hat die Glarner Landsgemeinde einen mit dem Gesetzentwurf betreffend die obligatorische staatliche Mobiliarversicherung in engem sachlichen Zusammenhang stehenden zweiten Antrag der bereits genannten Vereine gutgeheißen ; dieser Autrag betitelt sich ,,Änderung des Gesetzes über die Brandassekuranz vom 6. Mai 188H11 und hat folgenden Inhalt: ,,Die jährlichen Überschüsse der Brandassekuranzkasse werden zur Hälfte der neu zu gründenden staatlichen obligatorischen Mobiliarversicherung zugewendet für so lange, als: 1. die Gebäudeassekuranzsteuer nicht mehr als 50 Rappen vom Tausend der Versicherungssumme beträgt; 2. der Reservefonds derselben auf mindestens zwei Millionen Franken steht; 3. bis der Reservefonds der Mobiliarversicherungsanstalt eine halbe Million Franken beträgt."

II.

Gegen dieses Glarner Mobiliarversicherungsgesetz haben die eingangs genannten Versicherungsgesellschaften durch Eingaben vom 21./22. und vom 25. Juni 1894 den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen.

Die Rekurrenten berufen sich auf die in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit und begründen ihr Begehren, es möge der Bundesrat das Gesetz, als mit diesem Verfassungsartikel und mit dem Bundesgesetze vom 25. Juni 1885 betreffend das Versicherungswesen im Widerspruche stehend, aufheben, im wesentlichen durch folgende Ausführungen.

a. Das Rekursmemorial der FeuerversicJierungs-ÄktienGesellschaften.

Mit 1. Juli 1895 soll im Kanton Glarus das Staatsmonopol für das Mobiliarversicherungswesen unter Ausschluß aller und jeder Konkurrenz, ausgenommen die in § 2 des Gesetzes von der Staats-

195 anstalt abgelehnten Risiken, in Kraft treten. Darin liegt eine offenbare Verletzung des in Art. 31 der Bundesverfassung niedergelegten Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit. Denn Art. 31 der Bundesverfassung postuliert ein allgemein gültiges schweizerisches Grundrecht, anwendbar auf alle Zweige und Bethätigungen des Handels und des Gewerbes. Die Ausnahmen müssen in der Verfassung selbst ausdrücklich aufgestellt sein und sie sind es auch in den Vorbehalten bei litt, a--e des gleichen Artikels. Weder Bund noch Kantone können andere gewerbliche Monopole und Regale beanspruchen oder neu schaffen, als die in Art. 31 der Bundesverfassung vorgesehenen.

Ist die durch Privatgesellschaften betriebene Mobiliarversicherung ein Gewerbe und daher des durch Art. 31 der Bundesverfassung zugesicherten Schutzes teilhaftig?

Diese Frage beantwortet sich mit Ja im Hinblick auf Art. 34 der Bundesverfassung, der vom G e s c h ä f t s b e t r i e b e von P r i vatu n t e r n e h m u n g e n auf dem Gebiete des Versicherungswesens spricht, im Hinblick ferner auf die bundesrätliche Rekurspraxis, wo wiederholt vom G e s c h ä f t s b e t r i e b , vom G e w e r b e der Versicherungsunternehmungen die Rede ist (vergi. Bundesratsbeschluß vom 13. Mai 1884 in Sachen der Schweizerischen Rentenanslalt, der Genfer und der Basler Lebensversicherungsgesellschaft gegen das neuenburgische Gesetz vom 20. März 1883 und Bundesratsbeschluß vom 19. Februar 1892 in Sachen der Lebensversicherungsgesellschaft New York), im Hinblick endlich auf frühere Entwürfe des Obligationenrechts, die einen Titel über das Versicherungswesen enthielten, und auf die Botschaft des Bundesrates und den Bericht der ständerätlichen Kommission zum Entwurfe des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens und auf die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes selbst (vergi, v. Salis, Schweiz. Bundesrecht IV, Nr. 1561, 1563, 1577).

Es ist nicht ausschlaggebend, daß möglicherweise eine Staatsanstalt die Versicherung nicht wie ein Gewerbe betreibt; darauf kommt es an, daß die Privatversicherungsgesellschaften, die jene ausschließen möchte, gewerbetreibende Geschäfte und Unternehmungen sind. ,,Mit der entgegengesetzten Argumentation1*, sagt Professor A. H eu s l er in einem Gutachten vom Jahre 1890,
,,könnte der Staat a l l e n Handel und al I e Gewerbe monopolisieren, wenn er der Sache nur immer ein staatspolizeiliches Mäntelchen umhängen würde, und dadurch das Prinzip des Art. 31 völlig illusorisch machen.

Der Art. 31 ist aber gerade ein Schutz des freien Verkehrs gegen Yelleitäten der Kantone aus irgend einem wirtschaftlichen oder

196 staatspolizeilichen Motive, und der Nichtvorbehalt des kantonalen Assekuranzmonopols in Art. 31 beweist nicht, daß man die Versicherungsgeschäfte überhaupt als außerhalb der Frage der Gewerbefreiheit stehend angesehen hat, sondern kann gegenteils nur beweisen, daß man staatspolitische Gründe wirtschaftlicher oder polizeilicher Natur für die Monopolisierung nicht als ausreichend und als maßgebend genug erachtet hat, um die Gewerbefreiheit durch eine Ausnahme zu gunsten der kantonalen Versicherungsanstalten zu beschränken, und darum diese Ausnahme nicht aufgestellt hat."

Es mag zugegeben werden, daß für eine allgemeine Verstaatlichung des Feuerversicherungswesens Argumente sich finden lassen.

Auf dem Boden der gegenwärtigen Bundesverfassung aber ist die Feuerversicherung ein reines Privatgewerbe, und die von der Verfassung (Art. 34) im Interesse der Fürsorge für das Gemeinwohl vorgesehenen Präventivmaßregeln ändern am Grundsatze der Gewerbefreiheit selbst nichts.

Das verfassungsrechtliche Prinzip des Art. 31 ist nach Wortlaut, Sinn und Geist dieses Artikels für a l l e Gewerbe aufgestellt, für welche nicht eine ausdrückliche Ausnahme besteht; es wird dabei nicht unterschieden zwischen gewöhnlichen und nicht gewöhnlichen Gewerben, zwischen solchen von rein privatrechtlichem Charakter und solchen, die öffentlichvechtliche Elemente in sich tragen : ob eine Geschäftsthätigkeit ein Gewerbe sei, entscheidet sich daher einzig und allein nach juristischen und privatrechtlicheu Begriffen.

Dagegen zählt der dem Art. 31 nachgehende Art. 34 bestimmte Gewerbe auf, denen gegenüber, wegen der öffentlichrechtlichen Elemente, die ihnen innewohnen sollen, dem Bunde ein staatliches Aufsichtsrecht zugesprochen wird.

In dem schon erwähnten Beschlüsse betreffend die Lebensversicherungsgesellschaft New York sagt der Bundesrat: ,,Die allgemein volkswirtschaftlichen Interessen, die bei dem Versicherungswesen beteiligt sind, haben in dieser wie in anderen Industrien zu einer Beschränkung des in Art. 31 ausgesprochenen Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit in Form von Specialgesetzen geführt, welche den Betrieb bestimmter Gewerbe der staatlichen Kontrolle unterstellen. Der Zweck dieser gesetzgeberischen Erlasse liegt überall in dem Schutze der öffentlichen Wohlfahrt, welche an dem normalen Gange jener Gewerbe
in hohem Maße interessiert ist. Die gleiche ratio legis liegt auch dem Bundesgesetze vom 25. Juni 1885 zu Grunde. Dieser Aufgabe war die kantonale Aufsicht nicht gewachsen. Es griff deshalb der Bund ein." (Vide v. Salis, IV, Nr. 1577.)

197 Über das Verhältnis zwischen litt, e (früher c) des Art. 31 und Absatz 2 des Art. 34 äußern sich die rekurrierenden Gesellschaften folgendermaßen : Weil man nicht wollte, daß die Kantone in Anwendung des a l l g e m e i n e n Vorbehaltes Verfügungen (Gesetze etc.) bezüglich der Privatversicherungsgesellschaften erlassen, und weil zu befürchten stand, daß zu einschneidende Kontrollvorschriften aus dem Titel der Gewerbefreiheit angefochten würden, hat man in Ergänzung und teilweiser Restriktion der litt, e des Art. 31 in einem besondern Art. 34 das Recht auf Erlaß bezüglicher Verfügungen -- immer ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit -- den sonst kompetenten Kantonen entzogen und ausdrücklich ein eigentliches Kontrollrecht des Bundes statuiert.

Art. 34 der Bundesverfassung behält auch Vorschriften über Fabrikbetrieb und Auswanderungsagenturen vor. Fallen nun etwa deshalb diese Betriebe nicht unter den Schutz des Art. 31 ? Einen solchen Schluß hat man sicherlich nicht ziehen wollen.

Es kann als richtig anerkannt werden, daß die Bundesverfassung dem Bunde nicht das Recht geben wollte und nicht gegeben hat, gegenüber kantonalen staatlichen Unternehmungen im Versicherungswesen ein Aufsichts- und Gesetzgebungsrecht auszuüben. Das ist aber der einzige Schluß, der aus Art. 34 für eine günstigere Stellung kantonaler Versicherungsanstalten gezogen werden kann. Der Schluß, daß damit ein kantonales Monopol garantiert sei, entbehrt aller und jeder Grundlage.

Abgesehen von der theoretischen und praktischen Möglichkeit, daß die staatliche Versicherungsanstalt eines Kantons oder mehrerer Kantone zusammen mit Privatgesellschaften konkurrieren kann, würde die Konsequenz des letztgenannten Schlusses einfach dahin führen, daß nicht nur die bei Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1874 vorhandenen kantonalen Anstalten mit Monopol weiterbestehen können , sondern daß auch andere Kantone das Monopol einführen können, im weitern, daß dasselbe für das Versicherungswesen schlechthin gelte.

Eine solche stillschweigende thatsächliche Garantie außer und neben der Verfassung hat nie und nimmer geschaffen werden wollen.

Niemand wird im Ernste behaupten wollen, daß Transport-, Unfallund Lebensversicherung auf Grund des Art. 34 von heute auf morgen von den Kantonen monopolisiert werden können. Der
Unterschied zwischen den verschiedenen Versicherungszweigen und dem auf sie gerichteten öffentlichen, volkswirtschaftlichen Interesse ist ja immer nur ein quantitativer, kein qualitativer, grundsätzlicher.

Art. l, Absatz 5, des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885 betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des

198 Versicherungswesens lautet: ,,In Bezug auf die kantonalen Versicherungsanstalten bleiben die gesetzlichen Bestimmungen der Kantone vorbehalten."

Will und kann damit das Monopolisierungsrecht der Kantone anerkannt und festgestellt sein? Sicherlich nicht.

Dieses Gesetz ist ja nur die Ausführung des Art. 34. Der citierte Absatz 5 seines Art. l kann daher nur den Sinn haben, festzustellen, daß dem Bunde ein A u f s i c h t s r e c h t über kantonale Anstalten n i c h t zustehe. Übrigens hätte die Legislative nicht in einem Gesetze einen Grundsatz aufstellen können, der durch Art. 31 der Verfassung ausdrücklich abgelehnt ist.

Ein Monopolisierungsrecht der Kantone im Versicherungswesen besteht also auf Grund der gegenwärtigen Bundesverfassung nicht.

Demnach hat der rekurrierte Landsgemeindebeschluß von Glarus mit seinem Gesetze einen Verfassungsbruch begangen.

Der Bundesrat hat allerdings durch zwei Entscheidungen kantonale Versicherungsmonopole anerkannt. Im Jahre 1875 wies er eine Beschwerde ab, mit welcher die Rechtsbeständigkeit des waadtländischen Gesetzes vom 7. Juni 1849 angefochten wurde, das die obligatorische staatliche Versicherung von Mobilien, unter Ausschluß jeder anderweitigen Versicherung, vorsieht. Im Jahre 1884 erklärte er die Beschwerde der Feuerversicherungsgesellschaften Helvetia und Bâloise gegen das die obligatorische staatliche Gebäudeassekuranz einführende Gesetz des Kantons Nidwaiden, vom 27. April 1884, für unbegründet.

Die rekurrierenden Gesellschaften wollen gerne zugeben, daß es dem h. Bundesrat hätte schwer fallen müssen, den durch die ohigen Ausführungen begründeten, unanfechtbaren Standpunkt bezüglich der Im m obi l i a r f eu e r v e r s i c h e r u n g einzunehmen und durchzuführen angesichts des Umstandes, daß gerade hier der Schutz der öffentlichen Wohlfahrt, die Wahrnehmung der staatspolitischen Interessen in weitaus höherem Maße geboten waren, als bei allen anderen Zweigen der Versicherung. Allein diese beiden gewichtigen Faktoren, die s. Z. den Ausschlag für die bundesrätlichen Entscheidungen gegeben haben, treffen im vorliegenden Falle nicht zu. Bis jetzt hat vor Glarus ein einziger Kanton die Mo b i l i a r v e r s i c h e r u n g staatlich monopolisiert, die Waadt, und die öffentlichrechtlichen Interessen sind hier in unvergleichlich geringerem Grade
im Vordergrund stehend, als bei der Immobiliarversicherung, ja sogar von vielen Seiten prinzipiell in Frage gestellt.

Zum Schlüsse ihrer Ausführungen weisen die Rekurrenten darauf hin, daß das rekurrierte Gesetz ihnen mit einem Schlage

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«inen Teil ihres Erwerbsfeldes, das sie mit Opfern an Zeit, Arbeit und Geld errungen haben, ohne allen und jeden Entgelt entziehen will, und daß dasselbe kaum als der Ausdruck des Gesamtvolkswillens betrachtet werden kann. Die große Minderheit des glarnerischen Volkes steht dem neuen Gesetze ohne Sympathie, ja mit Abneigung gegenüber; viele sind in ihren wohlerworbenen Rechten bei Gegenseitigkeitsgesellschaften gefährdet; den Industriellen droht die Gefahr, gar nicht mehr versichern zu können, da der Kanton sie in seiner Anstalt nicht aufnimmt, und die aus dem bessern Geschäfte herausgedrängten Gesellschaften es vorziehen, auch auf die schweren Risiken der Industrie zu verzichten ; alle diejenigen, deren Gebäude in der kantonalen Anstalt versichert sind, müssen durch die von der Landsgemeinde ebenfalls beschlossene Schmälerung des Gebäudeassekuranzfonds leiden. Wenn der Bundesrat den Rekurs gutheißt, so schützt er daher nach Ansicht der Rekurrenten· nicht bloß einige Privataktiengesellschaften, sondern er entspricht damit auch den Wünschen desjenigen Teiles der Glarner Bevölkerung, ,,der unter den finanziellen Folgen des neuen Gesetzes zweifellos mehr zu verlieren hat, als derjenige Teil, der dasselbe an die Landsgemeinde einbrachte und dort durchdrückte, je dadurch gewinnen kann".

*. Das Rekursmemorial der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft.

Die im Jahre 1826 auf Veranlassung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft gegründete Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft hat nach Mitgabe ihrer 67. Jahresrechnung für den Zeitraum vom 1. Juli 1892 bis 30. Juni 1893 im Kanton Glarus Mobiliar im Gesamtwerte von Fr. 25,437,681 versichert, wovon Fr. 6,715,458 auf industrielle Risiken der siebenten Klasse, Fr. 18,722,223 auf Risiken der sechs ersten Klassen fallen. Nach der nämlichen Jahresrechnung bezog sie dafür an Jahresprämien Fr. 31,190. Nachschüsse wurden für das Jahr 1892/93 ebensowenig wie für die neun vorhergehenden Jahre verlangt. Im 68. Rechnungsjahre hat sich das Versicherungskapital noch vermehrt.

Das neue Mobiliarversicherungsgesetz des Kantons Glarus entzieht nun der Gesellschaft alle nicht industriellen Risiken. Dasselbe beeinträchtigt in hohem Maße die Interessen der einzelnen Versicherten, der Genossenschafter der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft. Das
Gesetz verstößt gegen die Bestimmungen der Art. 4, 31 und 34 der Bundesverfassung und gegen das Bundesgesetz betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens.

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Die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft wendet sich an den Bundesrat zum Schutze der durch die Art. 31 und 34 der Bundesverfassung und durch das citierte Bundesgesetso ihr angewiesenen Rechtsstellung und verlangt die Aufhebung des angefochtenen Glarner Gesetzes; sie stützt sich dabei (neben den auch von den Aktiengesellschaften geltend gemachten Gesichtspunkten) speciell auf folgende Anbringen : 1. Eine auf Gegenseitigkeit beruhende Genossenschaft im Sinne des Art. 678 O.-R., besorgt die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft die Versicherung des Mobiliars ihrer Genossenschafter als ein G e w e r b e , nicht anders als die Feuerversicherungsaktiengesellschaften.

2. Die Ansicht, daß der Art. 31 der Bundesverfassung der Gründung eines Staatsmonopols für die Assekuranz des Mobiliars gegen Feuerschaden entgegenstehe, vertrat im Jahre 1878 auch das Landsgemeinde-Memorial des Kantons Glarus ; sie ist ausgesprochen in der Botschaft des thurgauischen Regierungsrates, vom 24. Januar 1879, über eine kantonale obligatorische Mobiliarassekuranz, im Bericht der Kommissionsmehrheit des Zürcher Kantonsrates, vom 9. Juni 1879, betreffend die Einführung der obligatorischen staatlichen Mobiliarversicherung; sie wird unterstützt durch die Ausführungen, nach welchen der Bundesrat am 3. Dezember 1877 und die Bundesversammlung ara 8./14. Februar 1878 das Zürcher Banknotengesetz, welches der Kantonalbank das Notenmonopol erteilte, als bundesrechtswidrig erklärten.

Die Fassung des Art. 34 der Bundesverfassung mag dafür sprechen, daß ungeachtet des Art. 31 (Gewerbefreiheit) staatliche Versicherungsanstalten nicht absolut unzulässig seinsollen; bei der absoluten Fassung des Art. 31 kann jedoch aus Art. 34 mehr nicht gefolgert werden, als daß man dem Art. 31 B.-V. nicht zu ungunsten der b e r e i t s b e s t e h e n d e n staatliehen Versicherungsanstalten rückwirkende Kraf't beilegen wollte.

Wenn der Bundesrat in seinem Entscheid vom 19. August 1884 über den Rekurs zweier Feuerversicherungsgesellschaften gegen das Gesetz des Kantons Nidwaiden vom 27. April 1884 annahm, es sei auch unter der Verfassung von 1874 die Gründung einer neuen kantonalen Gebäudeversicherungsanstalt zulässig, so geschah dies wegen der eminenten Bedeutung, welche die Gebäudeassekurana gegen Feuerschaden für den Realkredit
eines Landes hat.

Der Bundesrat führt in den Erwägungen zu diesem Entscheide aus, daß die neben den privatrechtlichen und privatwirtschaftlichen im Versicherungswesen eingeschlossenen öfi'entlichrechtlichen, zur

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gemeinwirtschaftlichen und staatlichen Organisation führenden Elemente bei den einzelnen Versicherungszweigen in v e r s c h i e d e n e m G r a d e hervortreten.

Eine geringere, sehr zurücktretende Bedeutung der öffentlichrechtlichen Elemente ist nun gerade bei der Assekuranz von Mobiliar gegen Feuerschaden vorhanden, weil der Mobiliarbesitz infolge seiner Unstetigkeit und Veränderlichkeit für den Realkredit keine sichere Grundlage bietet und weil im Hinblick auf die Natur dea Mobiliarbesitzes private Mobiliarversicherungsanstalten geeigneter sind, diesen Versicherungszweig richtig zu besorgen, als eine staatliche Anstalt.

Was die zu gunsten der Verstaatlichung der Mobiliarassekuranz angeführte Pflicht des Staates, der Verarmung seiner Bevölkerung vorzubeugen, anlangt, so verliert dieses Motiv bei näherer Betrachtung seine scheinbare Bedeutung.

Der Kanton Waadt hat die staatliehe Mobiliarversicherung seit 1849; allein der Prozentsatz der Personen, welche ihr Mobiliar nicht versichert haben, ist dort erheblich größer als in anderen Kantonen (Bericht des eidgenössischen Versicherungsamtes 1892, pag. XCV).

Die staatliche Versicherung schützt zudem nur in ungenügendem Maße. Nach dem 1877 im waadtländischen Dorf Marchissy stattgehabten Brande wurden Liebessteuern in der ganzen Schweiz ge. sammelt. Von der kantonalen Anstalt erhielten die Brandbeschädigten 49 % des Gebäudeschadens und 48 °/o des Fahrhabesehadeas.

Ähnlich beim Brande von Vallorbe 1883 (Bericht des eidgenössischen Versioherungsamtes für 1891, pag. LXV, und für 1892, pag. XCV).

Überdies fällt ins Gewicht, daß die Zahl der Nichtversicherten jährlich in erfreulichem Maße abnimmt, und daß die Rekurrentin, nebst anderen Privatgesellschaften, mit Erfolg für die Einführung von Kollektiv-Versicherungen sich bemüht, bei denen die Förmlichkeiten auf ein Minimum reduziert sind und den Versicherten keine Kosten auffallen (Bericht des eidgenössischen Versicherungsamtes 1891, pag. LXV, und gedrucktes Programm für die KollejstivVersicherungen).

Sollte man dessenungeachtet das Institut der Kollektiv-Versicherung für ungenügend ansehen, so würde der Nichtversicherung doch nicht durch das staatliche Monopol entgegengetreten werden müssen, sondern die Aufstellung des Obligatoriums der Versicherung hierfür vollkommen ausreichen. Diesen Weg hat der Kanton Freiburg betreten.

202 Das öffentliche Wohl kann schon aus dem tìrunde dem angefochtenen Gesetze nicht zur Rechtfertigung dienen, weil Glarus, dem Beispiele der Waadt folgend, welche durch Gesetz vom 24. November 1877 die Deckung von Fabrikmobiliav über Fr. 40,000 in mittleren Gefahrenklassen und über Fr. 20,000 bei großer Gefährlichkeit wieder den Privatgesellschaften überließ, die Verstaatlichung keineswegs ganz und gar durchzuführen wagt, sondern die Übernahme der industriellen Risiken ablehnt.

B. Die Unterstellung der privaten Versicherungsanstalten unter das eidgenössische Aufsichtsgesetz entzieht den Kantonen das Recht, auf dem Wege der Gesetzgebung die Gewerbefreiheit zum Nachteil der Gesellscbaften ganz oder teilweise aufzuheben.

Das Bundesgesetz vom 25. Juni 1885 betreffend die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen bestätigt diesen Satz. Denn die darin vorgesehene bundesrätliche Bewilligung zum Betrieb der Versicherungsgeschäfte ist eine unbeschränkte und bezieht sich nicht auf eine bestimmte Kategorie von Geschäften. Die ganze Geschäftseinrichtung und namentlich die Prämienberechnungen der Privatgesellschaften beruhen auf dem Grundsatze der Unbeschränktheit hinsichtlich der in die Versicherung aufzunehmenden Mobiliargegenstände.

Eine Einschränkung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaften in betreff der Versicherungsgegenstände macht ihnen die Fortführung ihres Geschäftes einfach unmöglich.

Ein solche Einschränkung steht daher mit Art. 31 und im weitem mit Art. 34 der Bundesverfassung und mit der auf Grund des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885 den Privatunternehtnungen erteilten Bewilligung zum Geschäftsbetrieb im Widerspruch.

Nicht bloß die Kantone dürfen der bundesrätlichen Bewilligung nicht entgegenhandeln, der Bundesrat selbst darf die einmal erteilte Bewilligung nur in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen (Art. 9 des Gesetzes) zurückziehen, weil die Bewilligung unter dem Schutze der Artikel 31 und 34 der Bundesverfassung steht.

Diesen Ausführungen steht der umstand nicht entgegen, daß im Kanton Waadt bereits eine kantonale Anstalt für Mobiliarassekuranz gegen Feuersehaden besteht. Diese Anstalt wurde nämlich im Jahre 1849, unter der Herrschaft der Bundesverfassung von 1848, gegründet. Die Verfassung von 1848 hat aber nicht die Gewerbefreiheit als gemeinschweizerisches Grundrecht
anerkannt, sondern bloß in Art. 41, Ziff. 4, den Niedergelassenen die freie Gewerbeausübung nach den Gesetzen und Verordnungen des Niederlassungskantons im gleichen Maße wie den Kantonsbürgern zugesichert.

203 Ganz anders ist die Gewerbefreiheit in der Verfassung von 1874 behandelt, und allein der spätem Erlassung des in Art. 34 derselben vorgesehenen V ersicherungs-Aufsichtsgesetzes, im Zusammenhange mit Art. 2 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung, ist es zuzuschreiben, daß der Bundesrat im Zeitraum von 1874 bis 1885 den kantonalen Gesetzen noch eine weitgehende Berücksichtigung schenkte, die nun nicht mehr gewährt werden kann.

Unter der Herrschaft des Bundesgesetzes von 1885 können die Kantone nicht mehr einzelne Zweige des Versich rungswesens monopolisieren und so dem Bunde und seiner Gesetzgebung ein ihm durch die Verfassung erschlossenes Gebiet wieder entziehen.

Auch liegt die richtige Fortentwicklung des Versicherungswesens nicht in der Beschränkung des Betriebes auf das Gebiet eines Kantons, sondern in seiner territorialen Erweiterung und Ausdehnung.

Ohne letztere kann eine Anstalt nicht gedeihen und gleichzeitig den Versicherten billige Bedingungen bieten. Wenn das gemeine Wohl trotz aller Vervollkommnung des Betriebes von den Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, speciell der Mobiliarversicherung, nicht hinlänglich berücksichtigt werden kann, so liegt die Abhülfe nicht auf dem Wege, der zu kantonalen Monopolen führt, sondern einzig und allein in der Schaffung der Bundeskompetenz zur Einführung einer eidgenössischen staatlichen Mobiliarassekuranz.

III.

Namens der Regierung des h. Standes Glarus hat Herr Professor Dr. E m i l Z ü r c h e r in Zürich am 29. August 1894 auf den Rekurs der Privatversicherungsgesellschaften sich folgendermaßen vernehmen lassen: In seiner Entscheidung vom Jahre 1875 betreffend die obligatorische staatliche Mobiliarversicherungsanstalt des Kantons Waadt hat der Bundesrat die Lösung der Frage, ob kantonale ausschließende Versicherungsanstalten bundesrechtlich zu gestatten seien, der Bundesgesetzgebung vorbehalten.

In seiner Entscheidung vom Jahre 1884 betreffend die Brandversicherungsanstalt des Kantons Unterwaiden nid dem Wald hat er die Frage, obgleich das Bundesgesetz noch nicht erlassen war, bereits als spruchreif erklärt und zu gunsten des kantonalen Rechts gelöst.

Die gegebene Losung hat ihre Bestätigung gefunden in Art. l des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885.

204

In gleichem Sinne hat Herr Bundesrichter Dr. H a f n e r in einem im Jahre 1890 der Regierung des Kantons Appenzell A.-Rh.

über die Frage der Zulässigkeit der Verstaatlichung der Mobiliarversicherung erstatteten Gutachten sich ausgesprochen.

Die Ansicht, daß den Kantonen auf dem Gebiete des Versicherungswesens das Recht zustehe, ausschließende obligatorische Anstalten zu errichten, ist seither so sehr gefestigt worden, daß sie zur Verneinung der Bundeskompetenz in Sachen der Hagelversicherung geführt hat. Herr Dr. K u m m e r , Direktor des eidgenössischen Versicherungsamtes, äußert sich diesfalls in seinem Gutachten an das eidgenössische Landwirtschaftsdepartement vom April 1887 unter anderai wie folgt: ,,Die Bundesversammlung hatte, als sie nur die Aufsicht und Gesetzgebung über die privaten Versicherungsunternehmungen dein Bunde übertrug, die ganz unzweifelhafte Meinung, daß den Kantonen wie bisher das unbedingte Recht zustehen solle, eigene Versicherungsanstalten, mit oder ohne Obligatorium, zu halten, und zwar für jeden beliebigen Versicherungszweig, wie sie denn auch nicht anstehen, solche für die Iminobiliarund Mobiliarversicherung, Krankenversicherung etc. zu errichten.

Auch hat das eidgenössische Obligationenrecht die kantonalen Versicherungsanstalten (Art. 613 und 899) ausdrücklich von seinen Bestimmungen Über Aktien- und Kommanditgesellschaften entbunden; ebenso behält das Bundesgesetz vom 25. Juni 1885, Art. l, Abs. 5, die Gesetze der Kantone über kantonale Versicherungsanstalten vor.

Der Grund ist klar. Solange die Kantone einzig für die Armen aufzukommen haben und dem Bunde in dieser Beziehung weder Rechte noch Pflichten -zustehen, müssen die Kantone auch in der Lage sein, die ihnen notwendig erkannten Maßregeln zur Verpflegung der Armen und zur Prävention gegen Armut, wie auch zur Versicherung ärmerer Bürger zu ergreifen.a (v. Salis, Bundesrecht I, S. 20 ff.)

Der Vertreter der Regierung des Kantons Glarus will nicht bestreiten, daß die Fahrhabeversicherung gegen Feuerschaden Gegenstand eines Gewerbes sein kann. Immerhin muß der Begriff des Handelsgeschäftes oder Gewerbebetriebes im weitesten Sinne genommen werden, um das Versicherungsgeschäft darunter zu bringen; denn die Versicherung übt lediglich eine dem Handel und Gewerbe, der Land- und Hauswirtschaft dienende Hülfsthätigkeit
aus, sie ist ein Hdlfsgewerbe. Allein wenn auch angenommen werden will, die Versicherung sei ein eigentliches Gewerbe, so kann sie deshalb doch nicht auf eine Garantie Anspruch machen, die ihr der Art. 31 der Bundesverfassung nicht bietet, indem die von ihm anerkannte Handels- und Gewerbefreiheit nichts anderes bedeutet, als Befreiung;

205 "von allen Zwangsmaßregeln, die der Konkurrenz von Kanton zu Kanton und innerhalb der Kantone in den Weg gelegt werden können.

,,Art. 31 enthält die Garantie freier K o n k u r r e n z d e r K r ä f t e a u f e i n e m gegebenen G e b i e t e , n i c h t a b e r d i e G a r a n t i e für den U m f a n g dieses Gebietes.a Die staatlichen Vorschriften über den Umfang des Gebietes verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit. Die Unsicherheit der Grenzen brachte es mit sich, daß der Grundsatz in der Verfassung nicht klar und deutlich zum Ausdruck kam. Aber er liegt doch in derselben, und aus dem Grundsatz heraus sind die Konflikte zwischen Staatsgewalt und Handelsund Gewerbefreiheit zu lösen.

So ist z B. die Errichtung einer Kantonalbank bundesreehtlich unanfechtbar. Dagegen wurde die Verleihung des Banknotenmonopols an eine solche, nach' kaufmännischen Grundsätzen betriebene, Anstalt als unzulässig erklärt (v. Salis II, Nr. 583).

Es kommt darauf an, ob der Staat dem Privathandel und der Privatindustrie einen nach kaufmännischen oder gewerblichen Regeln geleiteten Betrieb entgegenstellen und mit Bezug auf diesen die Konkurrenz ausschließen will, oder ob er eine bisher von Handel und Gewerbe besorgte Befriedigung eines Bedürfnisses der menschlichen Gesellschaft in die Reihe der Staatszwecke einbeziehen und durch ein weder kaufmännisch noch gewerblich zu betreibendes Wohlfahrtsinstitut bewirken lassen will.

,,Die Grenzen der Staatsaufgaben gegenüber dem Gebiete der unter sich im Konkurrenzkampfe liegenden Handel und Gewerbe muß sich der Staat selber setzen; die Garantie einer gegebenen Grenze kann Art. 31 uicht enthalten, weil keine solche Grenze, weder begrifllich noch historisch, gegeben ist.u Falls die Handels- und Gewerbefreiheit als Garantie der erlaubten Ausübung auf allen ihr überhaupt zugänglichen Gebieten ausgelegt, werden dürfte, so würde Art. 31 der Bundesverfassung den Bundesstaat und die Kantone töten; denn in den dort erwähnten Ausnahmen sind ja gerade die hauptsächlichsten Staatsthätigkeiten nicht begriffen.

Die Nationalökonomie weist, indem sie von Erfüllung wesentlicher Staatszwecke spricht, die Grenzbestimmung dem Staatsrechte zu. Die Umschreibung der wesentlichen Staatszwecke aber ist eine von Staat zu Staat positiv rechtlich verschiedene. Gerade die moderne Zeit sieht die Umwandlung des Rechtsstaates zum Wohlfahrtsstaat in beschleunigtem Tempo sich vollziehen.

206

Übrigens hatte schon 1874 die Mehrzahl der Kantone ausschließend staatliche Gebäudeversicherungsanstalten j die Waadt zudem eine ausschließend staatliche Fahrhabeversicherungsanstalt.

Geschichtlich war also die Feuerversicherung nicht Freihandelsgebiet, sondern Staatsgebiet. Was dem Kanton Waadt Recht, das war und ist für die andern Kantone billig.

Es wäre aber unrichtig, anzunehmen, es sei 1874 eine feste Grenzlinie für den dauernden Frieden zwischen Staatsaufgaben und Aufgaben des Handels und der Gewerbe gezogen worden. Unaufhaltsam geht die Staatsentwicklung weiter und läßt sich nicht abhalten durch schonende Rücksicht auf das Gebiet des Handels und des Gewerbebetriebes. Heute ist die Unentgeltlichkeit der Ausrüstung und Bekleidung des Wehrmannes Staatsgrundsatz ; der Staat läßt die Kleider und Waffen anfertigen, letztere zum Teil in staatlichen Anstalten, er duldet keine andern als die von ihm ausgegebenen Gegenstände, der Handel auf diesem Gebiet ist aufgehoben. So versorgen verschiedene Kantone die Schüler mit unentgeltlichen Lehrmitteln aus einem Staatsverlag; der Buchhandel hat bittere Klagen über den ausschließenden Staatsverlag geführt und doch sich nicht beschwert über Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung. Und zuletzt die in frischer Erinnerung stehende Geschichte der Schulwandkarte!

Die Gesellschaften bekämpfen ein Monopol. Sie verkennen aber, daß auf dem vorliegenden Gebiete der Staat kein Monopol, d. h. nicht das ausschließende Recht beansprucht, einen H a n d e l zu betreiben (Monopolesia). Es giebt ein Salzmonopol, da in der That die Kantone Salzhandel treiben ; man spricht mit Recht von einem Pulvermonopol, weil in der That die Eidgenossenschaft über die Versorgung der Armee hinaus noch einen geschäftsmäßigen Pulververkauf eingerichtet hat. Aber hat man je von einem Schul-, Polizei-, Gerichts-, Armenmonopol, von einem Bestattungsmonopol gesprochen? Das staatliche Monopol bedeutet nicht bloß den Ausschluß des privaten Gewerbebetriebes, sondern auch die Berechtigung des Staates, den fraglichen Gewerbebetrieb als Gewerbebetrieb zu führen.

Nun ist aber die Glarner staatliche Mobiliarversicherungsanstalt kein kaufmännisches oder gewerbliches Unternehmen des Staates, sondern eine dem Wohlfahrtszwecke entsprechend zu führende wirkliche Staatsanstalt.

Dies ergiebt sich aus folgenden Momenten: a. Die Anstalt ist eine durch Gesetz errichtete Zwangsanstalt.

Der Zwang ist das Hauptsächliche, nach Idee und Entstehungs-

207

gesehichte. Der Ausschluß der Konkurrenz ist nur eine Folge des Zwanges.

6. Ganz' und gar nicht kaufmännisch sind die Betriebsgrundsätze der Anstalt.

Die Anstalt beruht auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit, allerdings auf einer wesentlich andern Gegenseitigkeit als die der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft.

Die Einheitsprämie von 0,75 °/oo widerspricht schnurstracks der kaufmännischen Versicherungstechnik mit ihren 15 bis 45 und noch mehr Gefahrenklassen.

Die vom Gesetze vorgesehene Prämie ist eine Brandsteuer, einer wirklichen, förmlichen Steuer auf dem Mobiliarbesitz gleichmachten ; sie ist eine Specialsteuer, ähnlich wie die Armen-, Kirchen-, Schulund Straßensteuern. Die Versicherung ist durchaus nicht an die Bezahlung der Prämie geknüpft. Der Staat übt Zwang aus zur Beibringung der Steuern, aber er stellt nicht seine schützenden Funktionen demjenigen gegenüber ein, der mit der Steuerzahlung in Verzug geraten ist.

c. Die Versicherung der Staatsangehörigen gegen die plötzlichen Erschütterungen durch Ereignisse, die das Erwerbsleben stören, wird mehr und mehr als wesentlicher Staatszweck angesehen. Die Versicheruagsidee hat sich aus den bestehenden Ansichten über den Staat und seine Zwecke organisch herausentwickelt. Der Staat hat die Hülfsgewerbe mehr und mehr in Staatsanstalten übergeführt (Münz-, Maß- und Gewichtswesen; Post, Telegraph, Telephon; Straßen- und Brückenwesen). Hat der Staat durch Polizeieinrichtungen sein möglichstes gethan, Unfälle zu verhüten, so ist es eine gleichartige Thätigkeit, wenn er durch eine Versicherungsorganisation ihre Folgen zu hemmen sucht; er hemmt dadurch nicht die freie Konkurrenz in Produktion und Umsatz, sondern er stützt und fördert sie. Die Mobiliarversicherung, insbesondere in der Beschränkung des Gkrner Gesetzes, schützt die kleine Existenz gegen Stöße, die sie nicht auszuhalten vermag. Die staatliche Zwangs-Mobiliarversicherung ist ein Schritt zu dem Ziele, die bisherige Armenpflege gänzlich überzuführen in ein System von Versicherungsformen.

Das Gebiet der Armenpflege ist aber weder vom Handel noch vom Gewerbe dem Staate je streitig gemacht worden. Nach einer Aufnahme aus dem Jahre 1889 betrug im Kanton Grlarus der Wert des nichtVersicherten Mobiliars Fr. 6,864,150 bei 2898 nichtversicherten Familien.

Gestützt auf diese Begründung
beantragt die Regierung des Kantons Glarus Verwerfung der beiden Rekurse.

Auf die Kritik, welche sieh gegen die technische Vollkommenheit und Ausführbarkeit des angegriffenen Gesetzes richtet, tritt

208 sie nicht ein. Der h. Bundesrat wird nicht darüber zu Gerichte sitzen, ob der Kanton Glarus innerhalb der Schranken der Bundesverfassung z w e c k m ä ß i g e Anordnungen getroffen hat.

Das Gesetz dürfte aber auch in dieser Hinsicht getrost einer Prüfung unterstellt werden. Das schwerstwiegeude Bedenken ist einesteils durch den Ausschluß der hohen Risiken der Industrie und andernteils durch die Geschichte der Gebäudeversicheruugsanstalt widerlegt. Diese seit dem Jahr 1810 bestehende Anstalt weist pro 31. Dezember 1893 bei der sehr mäßig gehaltenen Brandsteuer von bloß 50 Kappen vom Tausend und trotz bedeutenden Leistungen für Hydranten- und Löschwesen einen Reservefonds von Fr. 2,306,328 auf.

Die Regierung des Kantons Glarus glaubt schließlich nicht nur ÌQ der Verneinung der Anwendbarkeit des Art. 31 der Bundesverfassung die Stütze ihres Rechtsstandpunktes zu haben, sondern in positivem Sinne sich auf Art. 2 der Bundesverfassung berufen zu können, der dem Bunde die Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt der Eidgenossen zum Zwecke setzt. ^Von diesem Standpunkte aus wird der Bund nicht den Bestrebungen der Kantone, auf ihrem Gebiet Anstalten zur Förderung des allgemeinen Wohls zu errichten, entgegentreten, solange er selber nicht mit seiner stärkern Hand schaffend und helfend eingreift."1 IV.

Die rekurrierenden Gesellschaften bringen replicando folgende Bemerkungen an.

a. Die Feuerversicherungs-Aktien-Gesellschaften.

Jede Interpretation eines Gesetzes hat von der Vermutung auszugehen, es stehe dasselbe im Einklänge mit der Verfassung. Bin Widerspruch darf nur dann angenommen werden, wenn er sich mit zwingender Notwendigkeit ergiebt. Nun zwingen aber weder Entstehung, noch Wortlaut und Sinn des Art. l, Abs. 5, des Bundesgesetzes von 1885, in ihr die Feststellung einer Garantie des Monopols zu erblicken. Der Nachweis ist erbracht, daß die Verfassung das Monopol nicht zuläßt. Darum hat das Gesetz das Monopol nicht schaffen können; es hat lediglich das Aufsichtsrecht betreffend kantonale Anstalten dem Bunde entzogen und den Kantonen überlassen.

Das Schwergewicht der Entscheidung in Bezug auf den Inhalt der verfassungsmäßigen Gewerbefreiheitsgarantie liegt in der Frage, auf welchem Wege der Staat die Gebiete seiner eigenen Monopol-

209 thätigkeit und der Privatgewerbethätigkeit abgrenzen könne. Die einzig richtige Antwort kann für unser und jedes andere konstitutionelle Staatswesen nur sein: d u r c h die V e r f a s s u n g . Jedes Monopol ist ein Einbruch in die Freiheit, eine Ausnahme von der Regel. Nach der regierungsrätlichen Auffassung von der Änderung, Erweiterung und Vermehrung der Staatsaufgaben und Staatszwecke müßte die Garantie der Handels- uüd Gewerbefreiheit zu einem wesenlosen Schatten, zu einem Nichts zusammensinken. Das ,,gegebene" Gebiet könnte eines schönen Tages Null geworden sein.

Die von der rekursbeklagten Partei vorgebrachten Beispiele halteo bei näherer Prüfung nicht Stand. Der Staat hindert keinen Wehrmann, vom vorgeschriebenen Tuch beim Schneider ein Beinkleid sich machen zu lassen, keinen Vater, seinem Einde die Schulbücher beim Buchhändler zu kaufender läßt Montur, Waffen und Schulbücher doch wieder beim Gewerbetreibenden machen und verschenkt sie dann.

Wenn auch nicht bestritten werden soll, daß die Glarner Anstalt kein kaufmännisches oder gewerbliches Unternehmen ist, so ist es doch als unrichtig zu erklären, daß der Beweis für einen unkaufmännischen Betrieb, das Kriterium der ,,Wohlfahrtsanstalt"1, in der Einheitsprämie liege. Es ist auch vom versicherungstechnischen Standpunkte aus eine kaufmännisch geführte Versicherungsanstalt mit Einheitsprämie denkbar und durchführbar. Sodann hat sich ,,die kleine Existenz" auch beim gegenwärtigen Zustande nicht zu fürchten gehabt und war mindestens so gesichert, wie sie es durch die Assekuranz eines kleinen kantonalen Staatswesens sein wird.

Wie Unfall- und Krankenversicherung, so haben auch Münze, Maß und Gewicht, Post, Telegraph, Telephon, Straßen- und Brückenwesen einzig und allein auf Grund positiver Verfassungsartikel verstaatlicht und dem Privatgewerbe entzogen werden können. Und so ist auch das Alkoholmonopol auf dem Wege der Verfassungsreviaion eingeführt worden.

Wollte man aber auch annehmen, es habe bei Schaffung des Art. 31 der Bundesverfassung das kantonale Versicherungsmoaopol nicht angetastet werden wollen, und hieraus eine stillschweigende Sanktion der bestehenden Anstalten neben und außer der Verfassung ableiten, so muß diese Sanktion doch auf die damals schon fast überall vorhandenen kantonalen Immobiliarversicherungen und ein
bezügliches Monopol aller Kantone beschränkt werden, nicht aber kann sie auf die Schaffung eines neuen Monopols, die Mobiliarversicherung, bezogen werden, die als Staatsanstalt mit Versicherungszwang damals sozusagen unbekannt, nur in beschränktem Umfange.

Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. I.

15

210 in einem einzigen Kanton eingeführt war, ^an den niemand dachte".

Sobald man über eine stillschweigende Sanktion des Immobiliarversicherungsmonopols hinausgeht, muß man das ganze Versicherungswesen als monopolfähig erklären, und könnte Kanton für Kanton die Privatversicherungsanstalten jeder Art aus seinem Gebiete vertreiben, ohne daß für dieses ,,Recht" sich auch nur ein Quintchen ,,Berechtigung* in der Bundesverfassung finden ließe.

b. Die Schweizerische

Mobiliarversicherungsgesellschaft.

Die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft beruht auf dem Grundsatze der Gegenseitigkeit; allein sie verfolgt nichtsdestoweniger einen Zweck des wirtschaftlichen Verkehrs. Wenn sie auch ihren Genossenschaftern keine Dividenden verteilt, so bezweckt sie doch in der Weise zu deren Gunsten einen Gewinn, daß sie von ihnen eine billigere Vergütung (Prämie) verlangt, als die Dividenden verteilenden Gesellschaften zu gewähren im Falle sind.

Darin liegt der von ihr erstrebte Gewinn. Sie hat daher auf den Schutz des Art. 31 der Verfassung ebensogut Anspruch wie die übrigen Versicherungsgesellschaften.

Die Verfassung enthält keine Unterscheidung zwischen Hauptund Hülfsgewerben. Wer übrigens die Versicherung und speciell die Mobiliarversicherung als Hülfsgeschäft der übrigen Gewerbe bezeichnet, giebt damit zu, daß der ungestörte Betrieb dieser letzteren durch jene erheblich geschützt wird. Der Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit aber bezweckt anerkanntermaßen die Hebung von Handel und Gewerbe im weitesten Maße.

Der Schutz der Armen gegen Mobiliarfeuerschaden erfordert keineswegs absolut die Einführung kantonaler Versicherungsmonopole.

Die Kollektivversicherungea und das Obligatorium der Versicherung genügen hierfür. Der Landrat von Glarus wollte solchen Einwohnern, welche die Kosten der Versicherung des Mobiliars gegen Feuerschaden ohne Einschränkung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und ihre Familie nicht zu bestreiten vermögen, diese Kosten auf Verlangen durch den Staat bezahlen lassen.

Art. 34 der Bundesverfassung handelt lediglich vom Geschäftsb e t r i e b e der darin erwähnten Gewerbe und nicht etwa von der Existenzberechtigung derselben; er will die letztere nicht bloßstellen.

Wenn bis dahin die kantonalen Gebäudeversicherungsanstalten in den eidgenössischen Räten unangefochten geblieben sind, daneben aber auch die privaten Mobiliarversicherungsgesellschaften respektiert wurden, so ergiebt sich daraus zu gunsteir der ersteren höchstens, daß man den Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht rückwirkend

211 auf staatliche Gebäudeversicherungsanstalten ausdehnen wollte. ,,Es kam ein thatsächlicher Kompromiß in dem Sinne zu stände, daß zwar staatliche Gebäudeversicherungsanstalten fortbestehen, den privaten Unternehmungen aber in dem ihnen verbliebenen Gebiete, zu welchem namentlich die Mobiliarversicherung gehört, der Betrieb ihres Gewerbes nicht unmöglich gemacht werden, ihnen vielmehr der Schutz' des Art. 31 der Bundesverfassung gewahrt bleiben solle.tt Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Garantie der Gewerbefreiheit und auf den ganzen Inhalt des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885, das die Existenzberechtigung der Privatversicherungsunternehmungen anerkennt und keineswegs von der Willkür der Kantone abhängig macht, hatten die Privatgesellschaften keine Veranlassung, den Art. l, Abs. 5, des Gesetzes zu bekämpfen. Das Gesetz stellt ja die Privatunternehmungen auf dem Gebiete des Versicherungswesens gerade dadurch unter den Schutz des Bundes, daß es den Betrieb ihres Gewerbes an die Bewilligung des Bundesrates knüpft und der Aufsieht des letztern unterstellt.

V.

Duplicando macht der Vertreter des Regierungsrates von Glarus geltend, daß es nicht Sache des Bundesrates sein könne, sich über die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit eines ßundesgesetzes auszusprechen. Der Bundesrat habe nur zu untersuchen, ob gegenüber den Rekurrenten eines der in Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege aufgezählten Rechte verletzt sei. Es dürfe übrigens bemerkt werden, daß kaum eine kantonale Brandassekuranzanstalt je durch eine ausdruckliche Verfassungsbestimmung eingeführt worden ist.

B.

In rechtlicher B e z i e h u n g fällt in Betracht: 1. Die Bundesverfassung von 1848 begnügte sich, in Art. 29, anschließend an den § 11 des Bundesvertrages von 1815, den freien Handel von Eanton zu Kanton zu gewährleisten und in Bezug auf die Freiheit der Gewerbeausübung in Art. 41, Ziff. 4, solche den Niedergelassenen zuzusichern.

Bei diesem System konnten Beschränkungen der Freiheit der Arbeit und des Verkehrs in weitgehendem Maße bestehen und mußten stoßende Ungleichheiten entstehen.

212 ,, Allen diesen Ungleichheiten und teilweisen Abnormitäten14, sagte derBuudesratin seiner Botschaft an die Bundesversammlung betreffend die Revision der Bundesverfassung, vom 17. Juni 1870, ,,wird nur begegnet durch die Aufstellung des Grundsatzes, daß die Freiheit des Handels und Verkehrs, worunter der Verkehr mit unbeweglichem wie mit beweglichem Gute verstanden ist, sowie das Recht freier Berufs- und Gewerbsausübung jedem Schweizerbürger im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet sein soll."

Aus diesem Gedanken ist der Art. 31 der gegenwärtigen Bundesverfassung entsprungen. Wenn man sich fragt, was diese Verfassungsbestimmung unter ,,Gewerbett verstehe, so kann gar nicht zweifelhaft sein, daß sie das Gewerbe im weitesten Sinne, jede berufsmäßige, auf Erwerb gerichtete Thätigkeit, unter ihren Schutz nehmen will.

So ist Art. 31 denn auch immer verstanden und in der bundesrechtlichen Praxis angewendet worden. (Vergi, v. Salis, Bundesrecht, Band II, Kapitel 2, Handels- und Gewerbefreiheit, Nr. 527 bis 678.)

Jeder privaten Berufsart, wenn bei ihr ein Erwerbszwek hervortritt, wurde ein Anspruch auf den Schutz des Art. 31 zuerkannt; freilich nicht einer jeden in gleichem Maße, da die Bundesverfassung selbst fUr einzelne derselben in eigenen Artikeln Sonderbestimmungen aufstellt, wie z. B. in Art. 33 für die wissenschaftlichen Berufsarten, in Art. 34, Abs. l, für den Fabrik betrieb, in Art. 34, Abs. 2, für den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenturen und der Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens.

Es kann kein begründeter Zweifel darüber bestehen, daß auch die Versicherungsunternehmungen unter den Begriff des Gewerbes in der ihm durch den Gesetzgeber bei Aufstellung des Art. 31 der Bundesverfassung gegebenen Ausdehnung fallen, obschon sie zum Gegenstand eines besondern Verfassungsartikels gemacht sind.

Man hat, um darüber Klarheit zu bekommen, nur die Gründe sich zu vergegenwärtigen, welche den Absatz 2 des Art. 34 hervorgerufen haben. Diese Bestimmung ist von der staatswirtschaftlichen Sektion der nationalrätlichen Verfassungsrevisionskommission im Juli 1870 angeregt worden, zu dem ausgesprochenen Zwecke, daß dem Bunde die Kompetenz verliehen werde, das bei den Geschäften der Auswanderungsagenturen und der Versicherungsunternehmungen beteiligte Publikum durch
gesetzliche Bestimmungen zu schützen. (Vergi, gedrucktes Protokoll der nationalrätlichen Kommission Seite 51 und Seite 80.) Die Sektion hielt dafür, ,,daß es bei dem allgemeinen Satze des Bundesrates, demzufolge der G e w e r b e b e t r i e b frei sein soll, sich nicht bewenden dürfe, daß vielmehr die Möglichkeit dem Bunde eingeräumt werden müsse, ordnend einzuschreiten, wo

213 die Kantone für sich allein dies nicht zu thun vermöchten". Die Anregung der staatswirtschaftlichen Sektion ist von der nationalrätlicheo und hierauf auch von der atänderätlichen Revisionskommission gutgeheißen worden ; beide Räte genehmigten den Kommissiooalantrag, der dann als Art. 32, Abs. 2, in den Revisionsentwurf vom 5. März 1872 überging. Bei den Revisionsverhandlungen von 1873 bis 1874 wurde dieselbe Bestimmung als Art. 34, Abs. 2, in den Entwurf vom 31. Januar 1874 aufgenommen, der unsere Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 geworden ist.

2. In welchem Maße aber private Versicherungsunternehmungen den in Art. 31 der Bundesverfassung ausgesprochenen Grundsatz der Gewerbefreiheit für sich in Anspruch zu nehmen befugt seien, darüber war die administrative Rekursinstanz des Bundes bis zum Erlaß des in Art. 34, Abs. 2, vorgesehenen Bundesgesetzes unsicher.

Da Art. 31 kein bloßer Programmartikel ist, der erst durch ein Bundesgesetz ausgeführt werden mußte, und da er in Hinsicht auf den Geschäftsbetrieb der privaten Versieherungsunternehmungen keinen Vorbehalt zu gunsten der Kantonalgesetzgebung enthält, so konnte wohl die Meinung entstehen, die zur Zeit des Inkrafttretens der Bundesverfassung vorhandenen kantonalen Versicherungsanstalten mit Beitrittszwang und Ausschluß der Privatversicherung müßten als mit der neuen Verfassung im Widerspruche stehend nun eingehen, sie könnten fortan nicht mehr zu Recht bestehen.

Allein diese Folgerung wurde thatsächlich gegenüber keiner der 16 im Jahre 1874 bestehenden kantonalen Immobiliarversicherungsanstalten gezogen.

Einzig die im Jahre 1849 gegründete staatliche obligatorische Mobiliarversicherung des Kantons Waadt erlitt Anfechtung; von der Gesellschaft der Vereinigten Papierfabriken in Lausanne wurde im Jahre 1875 die Unvereinbarkeit dieser Anstalt mit dem durch Art. 31 der Bundesverfassung eingeführten System der Handels- und Gewerbefreiheit behauptet. Der Bundesrat wies jedoch die Beschwerde unter Hinweisung auf Art. 34 der Bundesverfassung ab, indem er betonte, daß nach diesem Artikel das Versicherungsgewerbe nicht mit allen übrigen Gewerben auf die gleiche Linie zu stellen sei, und indem er die Lösung der Frage, ob und inwieweit dieser Geschäftsbetrieb durch kantonale Gesetze, welche die Versicherung bei einer kantonalen Anstalt für alle Einwohner
des Kantons als obligatorisch erklären, eingeschränkt oder verboten werden könne, dem zu erlassenden Bundesgesetze über das Versicherungswesen vorbehielt und bis zu dessen Erlaß die Geltung der einschlägigen kantonalen Vorschriften anerkannte, (v. Salis, Bundesrecht, IV, Nr. 1560.)

Als im Jahre 1881 Bern sein Gesetz über die Brandversicherungsaostalt von 1834, das nur gewissen Kategorien von Hausbesitzern

214

dea Beitritt zur Anstalt vorgeschrieben hatte, abänderte, die Versicherungspflicht verallgemeinerte und Gebäude, deren Aufnahme in der kantonalen Anstalt obligatorisch ist, anderswo gegen Feuerschaden versichern zu lassen unter Strafandrohung verbot, wurde dagegen von keiner Seite Art. 31 der Bundesverfassung angerufen.

Erst im Jahre 1864, als Nidwaiden, dem Beispiel der Kantone Zürich, Bern, Luzern, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Baselstadt, Baselland, Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., St. Gallen, Aargau, Thurgau, Waadt, Neuenburg folgend, die obligatorische staatliche Gebäudeversicherung einführte, erhoben zwei private Feuerversicherungsunternehmungen, die Helvetia in St. Gallen und die Bâloise in Basel, gegen dieses Vorgehen unter Berufung auf Art. 31 der Bundesverfassung Besehwerde beim Bundesrate. Auch diese Beschwerde wurde abgewiesen. In den Erwägungen zu seiner Entscheidung beschränkte sich jedoch der Bundesrat nicht mehr darauf, der Sonderstellung zu erwähnen, welche Art. 34 der Bundesverfassung dem Versicherungswesen anweist, sondern er hob ausdrücklich die zur gemeinwirtschaftlichen und staatlichen Organisation führenden Elemente des Versicherungswesens hervor und betonte ausdrücklich, daß die Bundesverfassung durch die Beschränkung des Aufsichtsrechtes und der Gesetzgebung des Bundes auf Privatunternehmungen die thatsächliche und rechtliche Existenz staatlicher, d. h. kantonaler Versicherungsanstalten voraussetze, die sie in ihrer Grundlage und Einrichtung unberührt lasse, (v. Salis, IV, Nr. 1565.)

Bei diesem Anlasse stellte der Bundesrat auch ausdrücklich fest, daß er, wenn er am 13. Mai 1884 drei Lebensversicherungsgesellschaften auf Grund des Art. 31 der Bundesverfassung gegen ein neuenburgisehes Gesetz schützte, damit keineswegs über die Zulässigkeit eines kantonalen Versicherungsmonopols abgeurteilt, sondern bloß ausgesprochen habe, es stehe den Kantonen nicht zu, durch Bedingungen und Auflagen die technischen Grundlagen und den ökonomischen Bestand einer zum Geschäftsbetrieb ermächtigten privaten Versicherungsunternehmung in Frage zu stellen, (v. Salis, a. a. 0., Nr. 1561.)

3. Durch Art. l, Abs. 5, des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885 betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens und durch die Kundgebungen und Verhandlungen des Bundesrates
sowohl als der gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft, welche der Annahme dieser Gesetzesstelle vorausgegangen sind, ist endlich die im vorliegenden Rekursfalle ausschlaggebende Frage in unzweideutiger Weise gelöst worden.

215 In seiner Botschaft vom 13. Januar 1885 (Bundesbl. 1885, l, 106 ff.) erklärt der Bundesrat, daß das Bundesgesetz sich mit der Gesetzgebung der Kantone über die staatlichen Versicherungsanstalten nicht zu befassen habe, indem Art. 34 der Bundesverfassung nur
Demgemäß nahm der Bundesrat in seinen Gesetzentwurf in betreff der kantonalen Anstalten keinerlei Bestimmung auf.

Dagegen beschloß der Nationalrat am 10. Juni 1885, in Art. l ·des Entwurfes folgenden Vorbehalt anzubringen : ,,In Bezug auf Monopole, welche staatlichen Versicherungsanstalten gewährt werden, bleiben die kantonalen gesetzlichen Bestimmungen vorbehalten.a Der Ständerat gab am 17. Juni 1885 diesem Vorbehalte folgende Fassung : ,,In Bezug auf den obligatorischen Beitritt zu kantonalen Versicherungsanstalten bleiben die gesetzlichen Bestimmungen der Kantone vorbehalten.tt Der Nationalrat verallgemeinerte hierauf den Vorbehalt, indem ·er folgende Fassung desselben beschloß : ,,In Bezug auf die kantonalen Versicherungsanstalten bleiben die gesetzlichen Bestimmungen der Kantone vorbehalten."

Der Ständerat trat dieser Fassung am 23. Juni 1885 bei und dieselbe ist als Absatz 5 des Art. l in das Gesetz vom 25. Juni 1885 übergegangen.

So ist von der obersten, hierzu berufenen Bundesbehörde in authentischer Weise durch einen Gesetzesartikel der Sinn der Artikel 31 und 34, Abs. 2, der Bundesverfassung dahin ausgelegt worden, daß die Kantone durch Art. 31 nicht gehindert seien, staatliche Versicherungsanstalten mit Beitrittszwang für alle Bewohner ihres Gebietes zu besitzen, und das Volk hat dadurch, daß es den von den eidgenössischen Räten beschlossenen Vorbehalt Gesetzeskraft erlangen ließ, sich mit dieser Auffassung einverstanden erklärt.

216 Ein Unterschied zwischen den verschiedenen Zweigen und Arten der Versicherung, zwischen bereits bestehenden oder neu zu gründenden kantonalen Anstalten ist dabei nicht gemacht worden.

Es ist daher auch nicht zulässig, nach der Hand solche Unterschiede aufzustellen.

Ein Irrtum aber wäre es, wenn angenommen werden wollte, der Bundesgesetzgebei' habe im Jahre 1885 den Geschäftsbetrieb der privaten Versicherungsunternehmungen nicht mehr wie 1874 als eine gewerbliche Thätigkeit angesehen, diese Unternehmungen aller Ansprüche auf die aus Art. 31 der Bundesverfassung fließenden Rechte verlustig erklärt.

4. Die der Annahme des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885vorausgegangenen Verhandlungen und Kundgebungen des Bundesrates, der parlamentarischen Kommissionen und der gesetzgebenden Räte selbst lassen darüber keine Ungewißheit aufkommen, daß man einen bestimmten G e s c h ä f t s - ( G e w e r b e - ) b e t r i e b einer vorbeugenden und vorsorglichen, das öffentliche Interesse schützenden, staatspolizeilichen Aufsicht des Bundes unterwerfen wollte. Damit hat man den dieses Gewerbe betreibenden Privatunternehmungen einen Anspruch auf Konkurrenzfreiheit allerdings nur innerhalb des Rahmens des Aufsichtsgesetzes zuerkannt, nicht aber sie dieses Anspruchs gänzlich beraubt. (Vergi, v. Salis, IV, Nr. 1563.)

Sehr eingehend und bestimmt charakterisiert der Bundesratsbeschluß vom 19. Februar 1892 in Sachen der Lebensversicherungsgesellschaft New York das Bundesgesetz in dem angeführten Sinne, indem er ausführt, daß die bei dem Versicherungswesen beteiligten volkswirtschaftlichen Interessen für diese wie für andere Industrien (Eisenbahnen, Ausgabe von Banknoten etc.) zu einer Einschränkung des in Art. 31 der Bundesverfassung ausgesprochenen Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit in Form von Specialgesetzen geführt haben, welche den Betrieb bestimmter Gewerbe zürn Schutze der öffentlichen Wohlfahrt, die an dem normalen Gang jener Gewerbe in hohem Grade interessiert ist, der staatlichen Kontrolle unterstellen, (v. Salis, IV, Nr. 1577.)

Der Bundesgesetzgeber hat die private Versicherungs u n t e rn e h m u n g in einen prinzipiellen Gegensatz gestellt zu der staatlichen (kantonalen), nicht auf Erwerb (Gewinn) ausgehenden, ausschließlich das öffentliche Interesse vertretenden A n s t a l t , wie er sie in
17 Kantonen thatsächlich bestehend vorfand; er hat erklärt, daß einer solchen Anstalt die Privatunternehmung zu weichen habe, nicht aber, daß der Staat (Kanton) befugt sei, unter Ausschluß der Privatkonkurrenz das Versicherungsgeschäft nach kaufmännischen Grundsätzen, wie ein industrieller Unternehmer, selbst zu betreiben.

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Man halte sich nur einen Augenblick die Möglichkeit vor Augen, daß ein Kanton in diesem Sinne eine Versicherungsunternehmung gründen, unter Ausschluß jeder Haftbarkeit des Staates eine bestimmte Kapitalsumme als Gründungsfonds auswerfen und nun nach allen Regeln der Versicherungstechnik das Geschäft betreiben wollte, und man wird sofort überzeugt sein, daß gegenüber einer solchen Anstalt die privaten Versicherungsunternehmungen sich auf die durch Art. 31 der Bundesverfassung anerkannte Freiheit der gewerblichen Konkurrenz berufen könnten, und daß ihnen ihr Recht so gut werden müßte, wie 1877/78 der Bank in Zürich, als sie sich gegen das vom Kanton Zürich der Kantonalbank verliehene ausschließende Recht, Banknoten auszugehen, auflehnte, und so gut wie 1884 den drei Lebensversicherungsgesellschaften, die gegen ein aus fiskalischen Motiven ihre ökonomische Existenz bedrohendes Gesetz des Kantons Neuenburg Beschwerde erhoben. (Vergi, v. Salis, n, Nr. 583; IV, Nr. 1561.)

Mit Recht sagt der Vertreter der Regierung des Kantons Glarus, daß es bei der Frage, ob einer staatlichen Anstalt ein Ausschlußrecht gegenüber dem privaten Geschäftsbetrieb gewährt werden kann, darauf ankomme, ob der Staat dem Privathandel und der Privatindustrie einen nach kaufmännischen oder gewerblichen Regeln geleiteten Betrieb entgegenstellen und mit Bezug auf diesen die Konkurrenz ausschließen will, oder ob er die Befriedigung eines Bedürfnisses der Bevölkerung in die Reihe der Staatszwecke einbezieht und durch ein weder kaufmännisch noch gewerblich zu betreibendes Wohlfahrtsinstitut bewirken lassen will.

Dieses Kriterium haben die Bundesbehörden als zutreffend befunden und in Form eines gesetzlichen Vorbehaltes als bundesrechtlich maßgebend anerkannt zu gunsten k a n t o n a l e r V e r s i c h e r u n g s a n s t a l t e n gegenüber konkurrierenden Privatunternehmungen.

Der Vertreter der Glarner Regierung geht dann aber zu weit und es kann ihm nicht beigestimmt werden, wenn er behauptet, daß auf der Grundlage unseres positiven Bundesstaatsrechtes den Kantonen das Recht zustehe, die Grenzen der Staatsaufgaben gegenüber dem bisher von Handel und Gewerben eingenommenen Gebiete nach freiem Ermessen zu ziehen, vorausgesetzt, daß vom Staate keine kaufmännischen oder gewerblichen Unternehmungen gegründet, sondern Wohlfahrtsanstalten
errichtet werden. Nach dieser Auffassung stände es im Belieben eines Kantons, j e d e freie berufliche Thätigkeit zu unterdrücken und aus dem Gesichtspunkte der öffentlichen Wohlfahrt das ganze Handels- und Industriegebiet mit Staatsanstalten zu besetzen. Daß damit die Handels- und Gewerbefreiheit des Art. 31 der Bundesverfassung zum inhaltslosen Worte würde, liegt auf der Hand.

218 5. Aus den vorangehenden Erörterungen ergiebt sich der Schluß, daß der durch Gesetz vom 6. Mai 1894 gegründeten Mobiliarversicherungsanstalt des Kantons Glarus der bundesrechtliche Schutz nicht versagt werden kann, wenn sie nicht als eine Erwerb bezweckende fiskalische Anstalt sich darstellt. Damit ist zugleich gesagt, daß in diesem Falle ein Rechtsanspruch privater Versicherungsunternehmungen auf Gestaltung einer die Existenz der Glarner Staatsanstalt beeinträchtigenden oder zerstörenden Geschäftsthätigkeit vom Bunde nicht zu schützen ist.

Der Kanton Glarus hat durch Errichtung seiner Anstalt die Mobiliarversicherung gegen Feuerschaden in dem vom Gesetze gewollten Umfange zur Staatssache und den Beitritt zu dieser Staatsanstalt den Bürgern zur Pflicht gemacht; er läßt hinwieder den Staat dafür haften , daß die Versicherten im Falle eines Brandunglückes die ihnen gesetzlich zugesicherten Entschädigungen rechtzeitig und vollständig erhalten. Der Kanton Glarus erblickt in dem Versicherungszwange das Mittel, eine Quelle der Verarmung zu verstopfen. Der Beitrittszwanp; hat zur notwendigen Folge den Ausschluß gleichzeitiger Versicherung bei Privatunternehmungen, da Über- und Doppelversicherung gegen Feuerschaden aus staatspolizeilichen Gründen nicht zugelassen werden kann..

Einen Erwerbs-(Gewinns-)zweck verfolgt der Staat Glarus mit seiner Anstalt augenscheinlich nicht.

Demnach wird beschlossen: 1. Der Rekurs der eingangs genannten Versicherungsgesellschaften ist unbegründet und wird daher abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der h. Regierung des Kantons Glarus, sowie zu Händen der rekurrierenden Aktiengesellschaften der Direktion der Helvetia Feuerversicherungsgesellschaft in St. Gallen und zu Händen der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft deren Vertreter, Herrn Fürsprecher Dr. Paul Lindt in Bern, in je einer Ausfertigung unter Aktenrückschluß mitzuteilen.

B e r n , den 1. Februar

1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über I. den gemeinsamen Rekurs folgender FeuerversicherungsAktien-Gesellschaften : 1. Helvetia, Schweizerische Feuerversicherungsgesellschaft, in St. Gallen, 2. Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden (La Bâloise), in B...

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