15.060 Botschaft zu einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes vom 11. September 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. September 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-2074

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Übersicht In der Schweiz tätige Banken können heute bestimmte Anleihen ausgeben, die bei drohender Insolvenz in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden können. Diese Anleihen erhöhen die Stabilität des Finanzplatzes. Für ihre Wirksamkeit ist es von grosser Bedeutung, dass sie in der Schweiz ausgegeben werden.

Das geltende Steuerrecht stellt diesbezüglich insofern ein Hindernis dar, als auf entsprechenden Zinszahlungen die Verrechnungssteuer erhoben wird. Um diesen Nachteil zu beheben, sind diese Finanzinstrumente von der Verrechnungssteuer ausgenommen. Die Ausnahme ist allerdings befristet. Der Bundesrat schlägt daher vor, die bestehende, befristete Befreiung solcher Anleihen von der Verrechnungssteuer zu verlängern und auf eine weitere Kategorie von Anleihen, sogenannte Bail-in-Bonds, auszudehnen. Analoge Erleichterungen sollen bei der Emissionsabgabe eingeführt werden.

Ausgangslage Die Verrechnungssteuer ist eine Quellensteuer, die auf bestimmten Kapitalerträgen beim Schuldner der steuerbaren Leistung erhoben wird. Gegenüber inländischen Steuerpflichtigen bezweckt sie die Sicherstellung der direkten Steuern (Gewinn-, Einkommens- und Vermögenssteuern), d. h. die Verrechnungssteuer wird bei entsprechender Deklaration zurückerstattet. Gegenüber Personen mit Wohnsitz im Ausland hat die Steuer teilweise ebenfalls eine Sicherungsfunktion. Daneben kann die Steuererhebung gegenüber ausländischen Personen aber auch einen reinen Fiskalzweck verfolgen, nämlich dann, wenn keine oder keine vollständige Rückerstattung der Verrechnungssteuer vorgesehen ist. Diese Sicherungsfunktion wird mit dem heutigen System nur teilweise erfüllt, weil bei in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtigen Personen Erträge aus ausländischen Quellen der Gewinnsteuer bzw. der Einkommenssteuer unterliegen, aber von der Verrechnungssteuer nicht erfasst werden. Gleichzeitig macht die Verrechnungssteuer schweizerische Obligationen für institutionelle Anleger unattraktiv, weshalb in der Schweiz ansässige Konzerne ihre Obligationen regelmässig über ausländische Gesellschaften begeben.

Als Folge davon ist der Fremdkapitalmarkt in der Schweiz vergleichsweise unterentwickelt. Die diesbezügliche Wertschöpfung findet im Ausland statt und auch die damit verbundenen Arbeitsplätze sind im Ausland angesiedelt.

Mit einem Systemwechsel
bei der Verrechnungssteuer könnte diesen Nachteilen wirksam begegnet werden. Der Bundesrat schickte deshalb am 17. Dezember 2014 eine Vorlage in die Vernehmlassung, nach welcher die Verrechnungssteuer nicht mehr vom Schuldner der steuerbaren Leistung hätte erhoben werden sollen, sondern von der schweizerischen Zahlstelle (i. d. R. der Bank), die die betreffenden Erträge ihren Kundinnen und Kunden gutschreibt. Einerseits hätte die Steuer damit auf die Bedürfnisse des Kapitalmarkts wie auch des Fiskus abgestimmt werden können.

Andererseits wären die steuerlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen worden, dass Banken Pflichtwandelanleihen (sog. CoCos) und Anleihen mit Forderungsverzicht (sog. Write-off-Bonds) steuerlich attraktiv aus dem Inland heraus begeben

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könnten. Nur wenn diese Instrumente aus einer Gesellschaft in der Schweiz und unter Schweizer Recht emittiert würden, könnten im Krisenfall möglichst reibungslos die Anleihen in Eigenkapital umgewandelt bzw. abgeschrieben werden. Kein Systemwechsel sollte ­ mangels wesentlichem Handlungsbedarf ­ hingegen für Erträge aus inländischen Beteiligungsrechten erfolgen.

Die Analyse des Vernehmlassungsergebnisses zeigte, dass gewichtige Vernehmlassungsteilnehmer zwar die Vorteile des Zahlstellenprinzips anerkennen, sich aber gegen eine Umsetzung dieser Reform im jetzigen Zeitpunkt aussprechen.

Inhalt der Vorlage Bei dieser Ausgangslage ist nach Ansicht des Bundesrates derzeit auf die Einführung des Zahlstellenprinzips zu verzichten, zumal das Parlament bereits im Jahr 2012 einen ersten Reformvorschlag des Bundesrates verworfen hatte. Bezüglich der Pflichtwandelanleihen und der Anleihen mit Forderungsverzicht drängt sich eine wiederum zeitlich beschränkte Weiterführung der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Ausnahmebestimmung auf. Eine analoge, zeitlich beschränkte Ausnahme von der Verrechnungssteuer schlägt der Bundesrat neu auch für Anleihensobligationen vor, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Zeitpunkt der Emission genehmigt wurden und die bei Insolvenz reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden können (sog. Bail-in-Bonds).

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Der Bundesrat hatte der Bundesversammlung mit Botschaft vom August 2011 eine Reform der Verrechnungssteuer vorgeschlagen, um damit den Kapitalmarkt zu stärken1. Auslöser jener Reformbestrebungen waren die neuen regulatorischen Anforderungen an die Systemstabilität im Bankenbereich, namentlich die Einführung von Pflichtwandelanleihen (sog. CoCos) und von Anleihen mit Forderungsverzicht (sog.

Write-off-Bonds) im Bankengesetz vom 8. November 19342 (BankG). Der damalige Reformvorschlag des Bundesrates bezweckte, attraktive Rahmenbedingungen bei der Verrechnungssteuer für sämtliche Obligationen und Geldmarktpapiere einzuführen, indem für diese Titel ein Systemwechsel vom Schuldnerprinzip zum sogenannten Zahlstellenprinzip hätte erfolgen sollen. Das Parlament folgte dem Bundesrat jedoch nicht und entschied, alleine für Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht eine befristete Ausnahme bei der Verrechnungssteuer einzuführen. Im Übrigen wies das Parlament die Vorlage an den Bundesrat zurück.

Der Bundesrat verabschiedete in der Folge am 19. Dezember 2012 den Bericht zur Finanzmarktpolitik3 und erteilte dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) unter anderem den Auftrag, zwecks Stärkung des Kapitalmarkts bis Ende 2013 die Möglichkeit des Übergangs vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer zu prüfen. Die zu diesem Zweck gebildete gemischte Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, der Kantone und des Bundes (nachfolgend Arbeitsgruppe), hat ihren Bericht am 14. Februar 2014 fertiggestellt.

Die Arbeitsgruppe gelangte zum Schluss, dass ein Wechsel zum Zahlstellenprinzip geeignet sei, den Kapitalmarkt Schweiz zu stärken, insbesondere im Bereich des Fremdkapitals. Allerdings berge ein solcher Systemwechsel das Risiko, dass Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ihre Zahlstelle ins Ausland verlegen, um die Verrechnungssteuer zu vermeiden. Die Arbeitsgruppe empfahl daher, den Systemwechsel erst dann zu vollziehen, wenn geeignete staatsvertragliche Instrumente bestehen, um dem genannten Risiko entgegenzuwirken. Im Vordergrund stand dabei die Einführung eines internationalen automatischen Informationsaustauschs in Steuersachen (AIA), in dessen Rahmen die Schweizer Steuerbehörden Meldungen aus dem Ausland erhalten und verwerten können.

Die vom
Bundesrat eingesetzte Expertengruppe «Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie», unter der Leitung von Prof. Aymo Brunetti und bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Bundesverwaltung, Finanzsektor und Werkplatz (nachfolgend Expertengruppe), erhielt vom Bundesrat den Auftrag zu untersuchen, ob und in welchen Bereichen die steuerliche Behandlung von Finanzgeschäften unter dem schweizerischen Steuerrecht wichtige Benachteiligungen im internationalen Vergleich nach sich zieht. Die Expertengruppe hat in ihrem Schlussbericht zum 1 2 3

BBl 2011 6615 SR 952.0 www.sif.admin.ch > Themen > Finanzmarktpolitik > Dokumentation

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Thema «Reform der Verrechnungssteuer» Stellung genommen und ebenfalls den grundsätzlichen Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip empfohlen.

Ein Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer ist nach Ansicht der Arbeitsgruppe und der Expertengruppe geeignet, den Kapitalmarkt Schweiz zu stärken. Der Hauptgrund liegt darin, dass bei einer Besteuerung nach dem Zahlstellenprinzip ­ im Gegensatz zum Schuldnerprinzip ­ eine differenzierte steuerliche Behandlung, abhängig von der Person des Leistungsempfängers (Investor), möglich ist. Entsprechend haben die Arbeitsgruppe und die Expertengruppe in der Folge verschiedene Reformvarianten geprüft.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2014 beauftragte der Bundesrat das EFD, unter Einbezug der Expertengruppe bis Ende 2014 eine Vernehmlassungsvorlage für die Revision der Verrechnungssteuer auszuarbeiten.

Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 17. Dezember 2014 eröffnete und endete am 31. März 2015. Die Vernehmlassungsvorlage sah vor, dass die Verrechnungssteuer nicht mehr vom Schuldner der steuerbaren Leistung hätte erhoben werden sollen, sondern von der schweizerischen Zahlstelle (i.d.R. der Bank), die die betreffenden Erträge ihren Kundinnen und Kunden gutschreibt. Da die Zahlstelle ihre Kundschaft kennen muss, wäre mit diesem Systemwechsel die Möglichkeit geschaffen worden, die Verrechnungssteuer gezielt noch dort zu erheben, wo dies der Sicherungszweck gebietet. Die Steuer hätte damit auf die Bedürfnisse des Kapitalmarkts wie auch des Fiskus abgestimmt werden können. Im Weiteren sollten mit dem Wechsel zum Zahlstellenprinzip auch steuerliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, womit Banken Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht steuerlich attraktiv aus dem Inland heraus begeben könnten. Kein Systemwechsel sollte hingegen für Erträge aus inländischen Beteiligungsrechten erfolgen, da in diesem Bereich die Nachteile eines Systemwechsels die Vorteile überwiegen würden und aus Sicht des Kapitalmarkts ­ auch im internationalen Vergleich ­ kein wesentlicher Handlungsbedarf besteht. Die Vernehmlassungsvorlage enthielt folgende Eckwerte: a.

Generell findet bei der Verrechnungssteuer ein Übergang vom Schuldnerzum Zahlstellenprinzip statt.

b.

Vom Übergang zum Zahlstellenprinzip ausgenommen sind die Erträge aus inländischen Beteiligungen sowie Lotteriegewinne.

c.

Die Steuererhebung im Zahlstellenprinzip beschränkt sich auf Erträge, an denen natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz wirtschaftlich berechtigt sind. Damit verbunden entfällt die Steuererhebung bei ausländischen und bei inländischen institutionellen Investoren.

d.

Natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz können für Erträge, die dem Zahlstellenprinzip unterliegen, zwischen dem Verrechnungssteuerabzug und der Meldung der steuerbaren Leistung an die Steuerbehörden wählen.

e.

Der Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip wird auf die geplante Einführung des automatischen Informationsaustausches (AIA) abgestimmt: Das Zahlstellenprinzip wird erst eingeführt, wenn ein ausreichendes Netz von AIA-Abkommen mit den Nachbarstaaten und den wichtigen Finanzplätzen besteht.

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f.

Bis zum Inkrafttreten der Revision sind Erträge aus Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht (Verlängerung der Ausnahmebestimmung) sowie aus Bail-in-Bonds von der Verrechnungssteuer ausgenommen.

Die Zielsetzungen, die der Bundesrat mit seiner Vorlage verfolgte, wurden in den Stellungnahmen grossmehrheitlich geteilt.4 Begrüsst wurden sowohl die Stärkung des Kapitalmarkts Schweiz ­ und damit verbunden die Stärkung der Finanzstabilität von Banken (Stärkung der Eigenmittel durch die Emission von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht; Verringerung des Haftungsrisikos für den Staat bzw. die Steuerpflichtigen durch die Emission von Bail-in-Bonds) ­ als auch die Stärkung des Sicherungszwecks der Verrechnungssteuer. Insofern kann von einer grundsätzlichen inhaltlichen Zustimmung zum Handlungsbedarf und zur Stossrichtung der Vorlage gesprochen werden.

Kontrovers beurteilt wurde hingegen der Zeitpunkt des Reformvorhabens. Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer stellten das Projekt in einen Zusammenhang mit anderen Reformvorhaben, insbesondere mit der Einführung des AIA sowie mit der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre»5. Verschiedene dieser Vernehmlassungsteilnehmer, namentlich die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren, forderten daher, mit der Reform zuzuwarten, bis über die anderweitigen Projekte Klarheit besteht.

Die Schweizerische Bankiervereinigung wiederum lehnte die Vorlage ab. Sie führt ­ unterstützt von der Economiesuisse ­ an, dass das vorgeschlagene System hohen administrativen Mehraufwand und Haftungsrisiken für die Zahlstellen mit sich brächte. Beide Verbände gehen davon aus, dass auch innerhalb der Schweiz ein unumkehrbarer Trend zu Transparenz und Meldungen bestehe. Sie erachteten daher den Vorschlag des Bundesrates als «unnötigen und kostspieligen Zwischenschritt».

Die Schweizerische Bankiervereinigung und die Economiesuisse schlagen stattdessen die Einführung eines partiellen Meldesystems auch im Inland vor. Davon ausgenommen wären Erträge aus inländischen Beteiligungsrechten und Zinsen auf Bankguthaben, bei denen es beim bisherigen System (Schuldnerprinzip) bleiben würde.

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Grundsätze

Der Bundesrat ist gestützt auf das Vernehmlassungsergebnis der Auffassung, dass das Projekt zur Einführung des Zahlstellenprinzips derzeit nicht weitergeführt werden soll, da eine derartige Vorlage im Parlament mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut scheitern würde. Er spricht sich daher für eine Verlängerung der heute geltenden befristeten Ausnahme der emittierten Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht von der Verrechnungssteuer aus. Diese Verlängerung der Ausnahmeregelung drängt sich auch deshalb auf, weil die systemrelevanten Banken in den Jahren 2013 und 2014 Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht in der Höhe von rund 15 Milliarden Franken aus der Schweiz heraus emittiert haben. Damit hat die Ausnahmeregelung den gewünschten Effekt erzielt. Eine 4

5

Vernehmlassungsbericht unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen und Anhörungen > 2014 > EFD > Bundesgesetz über das Schuldner- und das Zahlstellenprinzip bei der Verrechnungssteuer Vgl. BBl 2013 3443, 2014 8641

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weitere Ausnahmeregelung soll in analoger Weise neu auch für Bail-in-Bonds geschaffen werden. Der Bundesrat schlägt für sämtliche drei Instrumente eine auf fünf Jahre befristete Ausnahme von der Verrechnungssteuer sowie eine unbefristete Ausnahme von der Stempelabgabe vor. Bei einem Inkrafttreten am 1. Januar 2017 würden die Ausnahmeregelungen bis zum 31. Dezember 2021 gelten.

Vor dem Ablauf der Ausnahmeregelung soll die Diskussion betreffend den Übergang zum Zahlstellenprinzip erneut aufgenommen werden. Das EFD soll nach der Volksabstimmung über die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» dem Bundesrat Antrag zu einer umfassenden Reform der Verrechnungssteuer, d. h. zu einem Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip, stellen. Dieser Zeitpunkt gewährleistet einerseits ausreichend Zeit für die Durchführung eines ordentlichen Gesetzgebungsprozesses vor Ablauf der Ausnahmebestimmungen. Andererseits dürften dann sowohl erste Erfahrungen mit dem AIA vorliegen als auch die politische Diskussion über das Bankgeheimnis im Inland weiter fortgeschritten sein.

1.2.2

Verlängerung der Ausnahmeregelung für Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht

Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht sind Schuldverschreibungen, die bei Erreichen einer bestimmten Wandlungsschwelle (sog. Trigger) in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden. In der vorliegenden Botschaft werden darunter Pflichtwandelanleihen für Aktien oder Partizipationsscheine (sog. CoCos) im Sinne von Artikel 13 BankG und Anleihen mit Forderungsverzicht (sog. Write-off-Bonds) im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 BankG verstanden.

Für Banken stellen Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht ein wesentliches Element zur Stärkung der Eigenmittel dar. Es wird zwischen zwei Arten von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht unterschieden: Mit einer Wandlungsschwelle (Trigger) von 7 Prozent der risikogewichteten Aktiven (Risk-weighted-Assets; nachfolgend RWA) dienen die beiden Anleiheformen als erweiterter Kapitalpuffer. Mit einem Trigger von 5 Prozent der RWA sollen sie bei drohender Insolvenz die Kapitalreserve sicherstellen, die zur Finanzierung der Weiterführung systemrelevanter Funktionen und zur geordneten Abwicklung der Restbank benötigt wird. Ferner können solche Anleihen bereits heute sowohl von systemrelevanten Banken wie auch von anderen Banken und Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen emittiert werden.

Idealerweise sollten die Anleihen von einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz unter Schweizer Recht und mit Schweizer Gerichtsstand ausgegeben werden. Werden diese Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nicht unter schweizerischem Recht ausgegeben, sondern beispielsweise unter US-amerikanischem oder britischem Recht, so können (Rechts-)Unsicherheiten entstehen, welche die Wirksamkeit des Wandlungskonzepts im Ernstfall in Frage stellen. Die zumeist amerikanischen oder britischen Gläubiger würden möglicherweise erfolgreich Verfahren anstrengen, um die Gültigkeit der Wandlung anzufechten oder die Ungleichbehandlung oder gar Diskriminierung ausländischer Gläubiger zu behaupten. Solche Verfahren würden unter Anwendung von US-amerikanischem oder britischem Recht nicht in der Schweiz, sondern ­ je nach dem vereinbarten Gerichtsstand ­ im Ausland (beispielsweise in New York oder London) stattfinden. Nicht nur weichen die 7089

dortigen Rechtssysteme, gerade auch was den Schutz der Gläubiger in Insolvenzsituationen betrifft, vom schweizerischen Recht zum Teil erheblich ab. Weit entscheidender noch kann in einer Krisensituation der Zeitverlust sein, den die Einleitung eines Verfahrens mit sich bringt. Eine rasch sich verschlechternde Kapital- und Liquiditätssituation einer Bank kann einen Handlungszwang entstehen lassen, der ein Zuwarten nicht zulässt. Somit ist es für die Zwecke der Finanzstabilität vorteilhaft, wenn die Banken Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht in der Schweiz emittieren.

Neben der Verringerung von Rechtsrisiken, die sich mit einer Emission von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht unter schweizerischem Recht in der Schweiz erzielen lässt, sprechen auch wirtschaftliche Gründe, namentlich die Schaffung von Arbeitsplätzen, für eine Ausgabe in der Schweiz.

Aus diesen Gründen sollten solche Anleihen in der Schweiz ausgegeben werden können. Allerdings standen die steuerlichen Rahmenbedingungen ­ insbesondere bezüglich der Verrechnungssteuer ­ vor dem 1. Januar 2013 dem entgegen. Auf dieses Datum wurde eine Ausnahmeregelung im Verrechnungssteuergesetz vom 13. Oktober 19656 (VStG) in Kraft gesetzt, wonach die Zinsen von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nach den Artikeln 11­13 BankG, deren Anrechnung an die erforderlichen Eigenmittel von der FINMA genehmigt wurde, von der Verrechnungssteuer ausgenommen sind. Die geltende Regelung (Art. 5 Abs. 1 Bst. g VStG) ist bis 31. Dezember 2016 befristet.

Da im Rahmen dieser Vorlage auf einen Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip verzichtet wird, ist für solche Anleihen, die ab dem 1. Januar 2017 ausgegeben werden, eine Verlängerung der bisherigen Ausnahmeregelung notwendig.

Andernfalls würde die Emission solcher Anleihen aus der Schweiz heraus einem unattraktiven Steuerregime unterliegen. Die Ausnahmeregelung soll daher um fünf Jahre ­ das heisst bis 31. Dezember 2021 ­ verlängert werden.

1.2.3

Neue Ausnahmeregelung für Bail-in-Bonds

Neu sollen ab dem 1. Januar 2017 auch Zinsen von Bail-in-Bonds unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich beschränkt von der Verrechnungssteuer ausgenommen werden.

Bei Bail-in-Bonds handelt es sich in erster Linie um ein Finanzinstrument einer Bank oder der Konzernobergesellschaft einer Finanzgruppe, das der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Erfordernisse dient und für die Banken zusätzliches Pufferkapital darstellt. Die Bail-in-Bonds dienen jedoch nicht der Erfüllung von Eigenmittelvorschriften, wie dies bei Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht der Fall ist. Die verrechnungssteuerliche Definition geht deshalb sinnvollerweise von einem aufsichtsrechtlichen Verständnis aus. In diesem Sinne werden die Bail-in-Bonds verstanden als Anleihensobligationen, die bei (drohender) Insolvenz im Rahmen eines Sanierungsverfahrens nach den Artikeln 28­32 BankG und insbesondere nach Artikel 31 Absatz 3 BankG reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden können. Bei der Ausgabe müssen diese von der FINMA genehmigt werden. Die aufsichtsrechtliche Regelung liegt im Zeitpunkt der Verab6

SR 642.21

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schiedung der vorliegenden Botschaft noch nicht vollständig vor. Diese wird mit einer Revision des entsprechenden Aufsichtsrechts ­ d. h. in der Eigenmittelverordnung vom 1. Juni 20127 ­ im Einklang mit der vorgeschlagenen Bestimmung im Verrechnungssteuergesetz erfolgen.

Bail-in-Bonds können ­ wie erwähnt ­ im Falle einer Sanierung einer Bank oder der Konzernobergesellschaft einer Finanzgruppe gestützt auf Artikel 31 Absatz 3 BankG in Eigenkapital umgewandelt werden. Diese Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital führt zu einer Begründung oder Erhöhung von Beteiligungsrechten. Um diese Begründung oder Erhöhung stempelabgaberechtlich nicht schlechter zu stellen als die Begründung oder Erhöhung von Beteiligungsrechten an Banken nach Artikel 13 Absatz 1 BankG, ist auch für Bail-in-Bonds eine entsprechende Ausnahmeregelung in das Bundesgesetz vom 27. Juni 19738 über die Stempelabgaben (StG) aufzunehmen.

Kommt es im Rahmen eines Sanierungsplans zur (teilweisen) Abschreibung der Bail-in-Bonds, so ist zu beachten, dass dieser Vorgang in der Buchhaltung des betroffenen Anleihensschuldners erfolgswirksam zu erfassen ist und daher für die Zwecke der Gewinnsteuer als steuerbarer Ertrag gilt.

1.3

Umsetzung

Die Verlängerung der Ausnahmeregelung für Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nach den Artikeln 11­13 BankG bedingt für steuerliche Zwecke keine weitere Konkretisierung. Welche Anleihen von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe h VStG und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe m StG erfasst werden sollen, wird auf Verordnungsstufe in der Eigenmittelverordnung präzisiert werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 5 Abs. 1 Bst. g VStG Zinsen von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nach den Artikeln 11­13 BankG werden durch die Änderung des VStG vom 15. Juni 2012 seit dem Inkrafttreten dieser Änderung (d. h. seit dem 1. Januar 2013) von der Verrechnungssteuer ausgenommen, sofern diese Anleihen zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2016 ausgegeben werden und die FINMA deren Anrechnung an die erforderlichen Eigenmittel genehmigt hat. Diese Ausnahme gilt während der gesamten Laufzeit dieser Anleihen. Zinsen von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht, die nach dem 31. Dezember 2016 emittiert werden, werden von der geltenden Ausnahmeregelung hingegen nicht erfasst. Deshalb ist eine Verlängerung dieser Massnahme um fünf Jahre ­ d. h. vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021 ­ notwendig. Dies ist nun in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe g Ziffer 2 VStG festgehalten, welcher explizit eine Ausnahme von der Verrechnungssteuer für Zinsen solcher Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht vorsieht, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 7 8

SR 952.03 SR 641.10

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2021 ausgegeben werden. Diese Ausnahme gilt somit unter ansonsten unveränderten Voraussetzungen (d. h. inkl. FINMA-Genehmigung und Ausnahme während der gesamten Laufzeit) für die Zinsen sämtlicher Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht, die zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2021 begeben worden sind oder noch begeben werden.

Da die Qualifikation von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht für die Ausnahme von der Verrechnungssteuer keine Änderung gegenüber dem geltenden Recht erfährt, bleibt Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe g Ziffer 1 VStG inhaltlich unverändert. Wie bisher ist die Emission solcher Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nicht nur auf systemrelevante Banken beschränkt, sondern steht allen Banken offen.

Art. 5 Abs. 1 Bst. h VStG Neu soll mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe h VStG auch für Zinsen von Bail-inBonds eine Ausnahme von der Verrechnungssteuer geschaffen werden.

Gemäss Vorlage handelt es sich bei Bail-in-Bonds um Anleihen einer Bank oder einer Konzernobergesellschaft einer Finanzgruppe. Die Anleihe muss zudem nach den Artikeln 28­32 BankG und insbesondere nach Artikel 31 Absatz 3 BankG in einem Sanierungsverfahren mittels Forderungsreduktion oder Umwandlung in Eigenkapital zur Verlusttragung herangezogen werden können, und die Möglichkeit einer solchen Massnahme muss zu diesem Zweck durch die FINMA bereits im Zeitpunkt der Emission genehmigt worden sein. Die Emission von Bail-in-Bonds steht allen Banken und Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen offen, d. h. es besteht aus steuerlicher Sicht keine Beschränkung auf systemrelevante Banken.

Zusätzlich ist für systemrelevante Banken nach den Artikeln 7­10a BankG die Möglichkeit vorgesehen, dass bereits im Ausland emittierte Bail-in-Bonds im Falle eines Wechsels von einem ausländischen zu einem schweizerischen Emittenten ebenfalls ­ und zwar ab dem Zeitpunkt des Wechsels ­ von der Ausnahmebestimmung profitieren können. Eine Beschränkung dieser Regelung auf systemrelevante Banken ist gerechtfertigt, da andere Banken bisher keine Bail-in-Bonds im Ausland begeben haben. Alle Banken können jedoch aufgrund der vorgeschlagenen Neuregelung ab dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Gesetzesänderung bis zum 31. Dezember 2021 aus der Schweiz heraus Bail-in-Bonds emittieren,
deren Zinsen von der Verrechnungssteuer ausgenommen sind.

Von der Neuregelung werden somit ausschliesslich Anleihensobligationen erfasst, welche die FINMA im Hinblick auf die Erleichterung von Massnahmen bei Insolvenzgefahr mittels einer noch auf Verordnungsstufe zu schaffenden Grundlage genehmigt hat. Diese Anleihensobligationen werden somit zwingend einer Genehmigung der FINMA auf den Zeitpunkt der Emission hin ­ bei systemrelevanten Banken auch auf den Zeitpunkt des Wechsels vom ausländischen zum schweizerischen Emittenten hin ­ bedürfen.

Von ihrer Zweckbestimmung her sind Bail-in-Bonds den bisher schon ausgenommenen Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht ähnlich. Es handelt sich jedoch ­ im Gegensatz zu Letzteren ­ um gewöhnliche Anleihen, die durch eine Bank oder die Konzernobergesellschaft einer Finanzgruppe ausserhalb der spezialgesetzlichen Vorschriften betreffend «zusätzliches Kapital» nach den Artikeln 11­13 BankG emittiert werden. Da somit Bail-in-Bonds nicht unter die Ausnahmebestimmung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe g VStG subsumiert wer7092

den können, sind diese Anleihen in einer separaten Bestimmung von der Verrechnungssteuer auszunehmen. Diese Ausnahmeregelung soll ihre Wirkung ab dem 1. Januar 2017 entfalten und ebenfalls bis zum 31. Dezember 2021 gelten.

Analog zur Regelung für Zinsen von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht sollen auch die Zinsen von Bail-in-Bonds während der gesamten Laufzeit dieser Anleihen von der Verrechnungssteuer ausgenommen werden, sofern die Anleihen zwischen dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Gesetzesänderung und dem 31. Dezember 2021 ausgegeben werden.

Art. 6 Abs. 1 Bst. m StG Bail-in-Bonds können im Falle einer Sanierung einer Bank oder der Konzernobergesellschaft einer Finanzgruppe gestützt auf Artikel 31 Absatz 3 BankG unter anderem in Eigenkapital umgewandelt werden. Diese Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital bedingt die Begründung oder Erhöhung von entsprechenden Beteiligungsrechten.

Um diese Vorgänge stempelabgaberechtlich nicht schlechter zu stellen als die Begründung oder Erhöhung von Beteiligungsrechten an Banken, die unter Verwendung des Wandlungskapitals nach Artikel 13 Absatz 1 BankG erfolgen, ist auch für Bailin-Bonds eine Ausnahmeregelung in das StG aufzunehmen. Deshalb sollen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe m StG die bei der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital von Banken oder Konzernobergesellschaften von Finanzgruppen nach Artikel 31 Absatz 3 BankG begründeten oder erhöhten Beteiligungsrechte von der Emissionsabgabe ausgenommen werden.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die FINMA geht schätzungsweise von einem Volumen von 60 Milliarden Franken für in der Schweiz ausgegebene Pflichtwandelanleihen, Anleihen mit Forderungsverzicht und Bail-in-Bonds aus. Zieht man davon das Volumen der bis Mitte 2015 bereits in der Schweiz emittierten Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht von rund 18 Milliarden Franken ab, verbleibt ein zusätzliches verrechnungssteuerbefreites Anlagevolumen von 42 Milliarden Franken. Dieses verdrängt in den Bankbilanzen künftig bisheriges Fremdkapital. Dieses ist zum grösseren Teil im Ausland und zum kleineren Teil in der Schweiz emittiert worden.

Nur der auf die Schweiz entfallende Anteil von maximal 9 Milliarden Franken9 wirkt sich verrechnungssteueraufkommensmindernd aus. Beim Verrechnungssteuersatz von 35 % und einem Zinssatz von 1,62 %10 auf dem künftig verdrängten bisherigen Fremdkapital mit verrechnungssteuerpflichtigen Zinsen von höchstens 9 Milliarden Franken belaufen sich die Verrechnungssteuereingänge auf 51 Millio9

10

Per Ende 2014: Kassenobligationen in Höhe von 1,9 Milliarden Franken sowie Obligationen, Options- und Wandelanleihen in Höhe von 22,0 Milliarden Franken (Quelle: SNB: Die Banken in der Schweiz 2014, Tabelle 24, A73) abzüglich Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht von rund 15 Milliarden Franken.

Durchschnittliche Verzinsung der Verpflichtungen aus auf Franken lautenden Obligationen-, Options- und Wandelanleihen der Grossbanken im Jahr 2014 (Quelle: SNB: Die Banken in der Schweiz 2014, Tabelle 54, A178).

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nen Franken. Geht man davon aus, dass davon rund 10 % nicht zurückgefordert werden, verbleiben rund 5 Millionen Franken in der Bundeskasse. Diese Einnahmen fallen künftig weg. Da die Kantone zu 10 % an den Verrechnungssteuereinnahmen beteiligt sind, teilen sich die Mindereinnahmen aus der Verrechnungssteuer auf Bund und Kantone auf. Pro Jahr entstehen somit dem Bund Mindereinnahmen von rund 4,5 Millionen Franken und den Kantonen solche von knapp 0,5 Millionen Franken.

Durch das zusätzliche verrechnungssteuerfreie Anlagevolumen wird die Sicherungsfunktion der Verrechnungssteuer teilweise eingeschränkt, um damit im Krisenfall die Finanzstabilität nicht zu gefährden. Dies kann jedoch zu Steuerhinterziehung führen. Tritt dies ein, so entstehen dem Bund zusätzliche Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer, den Kantonen und Gemeinden zusätzliche Mindereinnahmen bei der Einkommens- und der Vermögenssteuer.

Betreffend die Emissionsabgabe hat die Vorlage keine finanziellen Auswirkungen.

3.2

Personelle Auswirkungen

Hinsichtlich der Verlängerung der bestehenden Ausnahmeregelung für Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht nach den Artikeln 11­13 BankG ist mit keinen personellen Auswirkungen zu rechnen. Die Einführung einer neuen Ausnahmeregelung für Bail-in-Bonds dürfte keine nennenswerten personellen Auswirkungen zur Folge haben.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage verbessert die steuerlichen Voraussetzungen, um die Bail-in-Strategie voranzutreiben, mit welcher der negative externe Effekt des Too-big-to-fail-Problems internalisiert werden kann. Wie die Finanzkrise von 2008 vor Augen geführt hat, kann die finanzielle Notlage systemisch wichtiger Finanzinstitutionen die Finanzstabilität derart gefährden, dass ein faktischer Rettungszwang besteht. Im Rahmen dieses Too-big-to-fail-Problems wurde die drohende Zahlungsunfähigkeit auf dem Weg einer Entschuldung oder der Bereitstellung neuer Kredite durch staatliche Institutionen bekämpft. Bei einem solchen Bail-out haften letztlich die Steuerpflichtigen für die Risiken, die private Investorinnen und Investoren eingegangen sind. Für kleine Länder wie die Schweiz ist dies nicht nur wegen der Fehlanreize, sondern auch wegen der schieren Grössenordnung des Problems untragbar. Die Schweiz hat sich deshalb früh für eine Bail-in-Strategie entschieden, bei der nicht die Steuerpflichtigen, sondern die Gläubiger einer Institution mittels Zwangsbeteiligung deren Verluste tragen sollen.

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die FINMA im Notfall einen Bail-in reibungslos durchsetzen kann, ist die Emission von entsprechenden Anleihen in der Schweiz. Die Vorlage stellt sicher, dass die Zinsen auf Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht weiterhin ­ und neu zusätzlich auch jene auf Bailin-Bonds ­ verrechnungssteuerfrei vereinnahmt werden können. Damit können diese Anleihen zu international wettbewerbsfähigen Bedingungen aus der Schweiz heraus begeben werden. Somit setzt die Vorlage die steuerlichen Rahmenbedingungen,

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damit das Too-big-to-fail-Problem durch solche Anleihen, die als Bail-in-Instrumente dienen können, überwunden oder zumindest stark eingegrenzt werden kann.

Durch diese verbesserte Ressourcenallokation erhöht sich die volkswirtschaftliche Effizienz. Dies wird jedoch erkauft mit einer zusätzlichen Lücke in der Sicherungsfunktion, welche die Verrechnungssteuer erfüllt. Mit den vorgeschlagenen Ausnahmen erhöht sich nämlich auch das Steuerhinterziehungspotenzial.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201211 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201212 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Gemäss dem Ziel 6 der Legislaturplanung 2011­2015 sollen die Attraktivität und die Glaubwürdigkeit des schweizerischen Steuersystems gestärkt werden. Der Bundesrat hat, um dies zu erreichen, verschiedene Gesetzesprojekte ausgearbeitet. Dazu gehörte auch eine Vorlage zur Einführung des Zahlstellenprinzips bei der Verrechnungssteuer. Nachdem das Vernehmlassungsergebnis zu dieser Vorlage überwiegend negativ ausgefallen war, beschloss der Bundesrat am 24. Juni 2015, eine umfassende Reform der Verrechnungssteuer zurückzustellen und dem Parlament vorerst nur eine Verlängerung der befristeten Ausnahmen von der Verrechnungssteuer für Zinsen von Pflichtwandelanleihen und Anleihen mit Forderungsverzicht sowie eine neue Ausnahme von der Verrechnungssteuer für Zinsen von Bail-in- Bonds vorzuschlagen. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung erhöht zwar die Stabilität des Finanzplatzes (Ziel 3 der Legislaturplanung), trägt jedoch nicht substanziell dazu bei, Ziel 6 der Legislaturplanung zu erreichen.

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Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Der Bund benötigt eine explizite Verfassungsgrundlage, um Steuern erheben zu können. Die Bundeskompetenz zur Erhebung einer Stempelabgabe auf Wertpapieren, auf Quittungen von Versicherungsprämien und auf anderen Urkunden des Handelsverkehrs ist in Artikel 132 Absatz 1 der Bundesverfassung13 (BV) verankert.

Artikel 127 Absatz 1 BV verlangt hinsichtlich der Besteuerung, dass die dem Steuersystem zugrunde liegenden Grundsätze, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, das Steuerobjekt und die Steuerbemessung, in einem Gesetz (im Sinne eines formellen Gesetzes) zu regeln sind.

Die Bundeskompetenz zur Erhebung einer Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens ist in Artikel 132 Absatz 2 BV geregelt. Die Anforderungen von Artikel 127 BV gelten auch für die Erhebung der Verrechnungssteuer.

Das VStG regelt namentlich das Steuerobjekt und das Steuersubjekt. Die vorliegend vorgeschlagenen befristeten Ausnahmeregelungen für Pflichtwandelanleihen, Anleihen mit Forderungsverzicht und Bail-in-Bonds betreffen das Steuerobjekt. Indem der Gesetzgeber die Ausnahmeregelungen im VStG selber ­ und somit auf Gesetzes11 12 13

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 101

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stufe ­ verankert, wird Artikel 127 Absatz 1 BV Rechnung getragen. Die Ausnahmen sind insofern sachlich begründet, als diese Anleihen dazu dienen sollen, die Stabilität des Finanzmarktes Schweiz zu verbessern. Dies bedingt aber, dass diese Anleihen von einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz unter Schweizer Recht und mit Schweizer Gerichtsstand emittiert werden, da bei einer Emission im Ausland unter ausländischem Recht Rechtsunsicherheiten auftreten können. Eine solche Emission ist im geltenden System der Verrechnungssteuer (Schuldnerprinzip) nur möglich, wenn eine Ausnahme von der Verrechnungssteuer für Zinsen solcher Anleihen geschaffen wird. Den Banken wird es mit den vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen erleichtert, die gesetzlichen Eigenmittelunterlegungsvorschriften zu erfüllen, ohne dass wegen der Verrechnungssteuer die Kosten dieser Kapitalisierung extrem hoch ausfallen. Trotz der unterschiedlichen Behandlung gegenüber verrechnungssteuerpflichtigen Obligationen sind aufgrund der beschriebenen öffentlichen Interessen an dieser Art der Kapitalbeschaffung die vorgeschlagenen Ausnahmen von der Verrechnungssteuer als verfassungskonform anzusehen.

Für die Stempelabgaben sind diese Fragen im StG geregelt, das namentlich das Steuerobjekt und das Steuersubjekt festlegt. Der Gesetzgeber kann sachlich gerechtfertigte Ausnahmen von der Emissionsabgabe vorsehen. Mit den vorliegenden Änderungen werden Beteiligungsrechte an Banken, sofern sie aus der Umwandlung von Bail-in-Bonds stammen, von der Emissionsabgabe ausgenommen. Mit dieser Ausnahme werden Rechtsungleichheiten geschaffen. Diese sind insofern sachlich begründet, als diese Umwandlung nur in begrenzten Fällen überhaupt zur Anwendung kommen kann. Dies nämlich dann, wenn die FINMA ein Sanierungsverfahren nach den Artikeln 28­32 BankG anordnet. Die Ausnahme steht in engem Zusammenhang zur vorgeschlagenen Änderung des VStG und dient dazu, einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Finanzplatzes Schweiz zu leisten (vgl. vorangegangener Abschnitt). Die vorgeschlagene Ausnahmeregelung wird im StG selbst ­ und somit auf Gesetzesstufe ­ verankert. Damit wird Artikel 127 Absatz 1 BV Rechnung getragen, und die vorgeschlagene Gesetzesänderung im Bereich des StG ist als verfassungskonform anzusehen.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorgesehenen Bestimmungen betreffen die Steuererhebung, die ausschliesslich Sache der schweizerischen Steuerhoheit ist: Die Erhebung oder die Festlegung von Ausnahmen von der Verrechnungssteuer oder der Stempelabgabe sowie die Bestimmung des Steuerobjekts stehen einzig dem Bundesgesetzgeber zu. Diese Bestimmungen sind daher mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

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