15.054 Botschaft zur Änderung des Entsendegesetzes vom 1. Juli 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Entsendegesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2013

M 13.3668

Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen und Stärkung der sozialpartnerschaftlichen Instrumente (S 27.08.13, Kommission für Wirtschaft und Abgaben; N 11.12.13; Punkte 1 und 2 angenommen)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Juli 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-1631

5845

Übersicht Die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit haben sich in den vergangenen elf Jahren grundsätzlich bewährt. Dennoch kann ihre Wirksamkeit weiter verbessert werden. Zu diesem Zweck soll die Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen im Entsendegesetz erhöht werden.

Ausgangslage Am 1. Juni 2004 sind die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit in Kraft getreten. Sie schützen in- und ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksam vor Lohnunterbietungen und Verstössen gegen die Arbeitsbedingungen. Im Rahmen der flankierenden Massnahmen wird der Arbeitsmarkt beobachtet und die Einhaltung der Arbeitsbedingungen kontrolliert. Bei Missbräuchen können Massnahmen auf individueller und genereller Ebene ergriffen werden. Ein wachsendes Netz von allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen, eine intensive Beobachtung und Kontrolle des Arbeitsmarktes und wenn nötig der Erlass von Mindestlöhnen in Normalarbeitsverträgen nach Artikel 360a des Obligationenrechts oder in erleichtert allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen haben dazu beigetragen, dass die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht erodiert sind.

Die flankierenden Massnahmen sind seit ihrem Inkrafttreten mehrfach verstärkt worden. Zusätzlich wird ihr Vollzug laufend verbessert.

Eine weitere punktuelle Verbesserung in der Gesetzgebung hat sich bei der Analyse der Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen durch Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Kantone und der Sozialpartner als nötig erwiesen.

Inhalt der Vorlage Das Entsendegesetz soll dahingehend angepasst werden, dass die Obergrenze des Geldbetrags für Verwaltungssanktionen wegen Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen von heute 5000 Franken auf 30 000 Franken erhöht wird. Dadurch soll die Wirksamkeit der Sanktion und die Durchsetzung der schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen verbessert werden.

5846

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) in Kraft getreten. Im Zuge der schrittweisen Einführung des freien Personenverkehrs mit der EU fiel die vorgängige Kontrolle der Einhaltung der üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung per 1. Juni 2004 weg.

Da die Schweiz im Vergleich zur EU als ein Hochlohnland gilt, besteht die Gefahr, dass die Löhne infolge des freien Personenverkehrs unter Druck geraten. Als Ausgleich zur vorgängigen und systematischen arbeitsmarktlichen Kontrolle wird mit den flankierenden Massnahmen der missbräuchlichen Unterschreitung der in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen entgegengewirkt. Werden Unterbietungen der Löhne festgestellt, greifen auf individueller Ebene Massnahmen wie Sanktionen gegen fehlbare ausländische Arbeitgeber und auf genereller Ebene Mittel wie die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen oder der Erlass von Normalarbeitsverträgen mit zwingenden Mindestlöhnen.

Die flankierenden Massnahmen traten parallel zur zweiten Phase der Personenfreizügigkeit am 1. Juni 2004 in Kraft.

Sie umfassen im Wesentlichen die folgenden Regelungen:

1 2 3 4

­

Das Entsendegesetz vom 8. Oktober 19992 (EntsG) verpflichtet einen ausländischen Arbeitgeber, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistung in die Schweiz entsendet, zur Einhaltung von minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen, die in Bundesgesetzen, in Verordnungen des Bundesrates, in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und in Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a des Obligationenrechts (OR)3 vorgeschrieben sind.

­

Bei wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung können Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages, die namentlich die minimale Entlöhnung und die ihr entsprechende Arbeitszeit und den paritätischen Vollzug betreffen, im Sinne von Artikel 1a des Bundesgesetzes vom 28. September 19564 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) erleichtert allgemeinverbindlich erklärt werden. Diese Massnahme gilt sowohl für inländische Betriebe als auch für ausländische Entsendebetriebe.

­

In Branchen, in denen es keinen Gesamtarbeitsvertrag gibt, können bei wiederholter missbräuchlicher Lohnunterbietung Normalarbeitsverträge im Sinne von Artikel 360a OR mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen werden.

Diese Massnahme gilt für alle Betriebe der jeweiligen Branche.

SR 0.142.112.681 SR 823.20 SR 220 SR 221.215.311

5847

Mit der Umsetzung der flankierenden Massnahmen wurden verschiedene Akteure betraut. Es herrscht ein Vollzugsdualismus zwischen Branchen, die durch einen allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag geregelt sind, und Branchen ohne allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag.

Anpassungen und Verbesserungen der flankierenden Massnahmen seit Inkrafttreten und Vollzugsverbesserungen Mit der Ausdehnung des FZA auf die zehn im Jahr 2004 neu der EU beigetretenen Staaten wurden Wirksamkeit und Vollzug der flankierenden Massnahmen per 1. April 2006 verstärkt. Per 1. Januar 2010 wurde der Vollzug der flankierenden Massnahmen als Folge der Ausdehnung des FZA auf Rumänien und Bulgarien weiter optimiert.

Diese Verstärkung und Optimierung der flankierenden Massnahmen beinhaltete insbesondere die Verpflichtung der Kantone zur Einsetzung einer ausreichenden Anzahl Arbeitsmarktinspektorinnen und -inspektoren, verschärfte Sanktionen, die Verpflichtung selbstständiger Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer, ihre Selbstständigkeit nachzuweisen, die Anwendbarkeit von Bestimmungen in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen auf ausländische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer (insbesondere die Pflicht zur Hinterlegung einer Kaution und zur Entrichtung von Vollzugkostenbeiträgen)5 und ­ mit der Änderung vom 4. November 20096 der Verordnung vom 21. Mai 20037 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsV) ­ die Festsetzung einer verbindlichen Anzahl jährlich durchzuführender Kontrollen (27 000).

Per 1. Januar 2013 wurden weitere Lücken in der Gesetzgebung zu den flankierenden Massnahmen geschlossen und deren Vollzug effizienter gestaltet8. Es wurden namentlich Massnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit ausländischer Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer mittels einer Dokumentationspflicht sowie neue Sanktionsmöglichkeiten eingeführt.

Am 15. Juli 2013 trat die verstärkte Subunternehmerhaftung für das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe in Kraft.9 Diese ermöglicht es, den Erstunternehmer für die Nichteinhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch seine Subunternehmer haftbar zu machen. Die Umsetzung der Subunternehmerhaftung wurde mit der Änderung vom 26. Juni 201310 der EntsV konkretisiert.

Nebst den genannten Gesetzes- und
Verordnungsanpassungen wird auch der Vollzug der flankierenden Massnahmen laufend verbessert, beispielsweise mittels Weisungen und Empfehlungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) als Aufsichtsbehörde an die Vollzugsorgane, mittels Schulungsveranstaltungen im

5

6 7 8 9 10

Vgl. Bundesbeschluss vom 17. Dez. 2004 über die Genehmigung und Umsetzung des Protokolls über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die neuen EG-Mitgliedstaaten zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der EG und ihren Mitgliedstaaten andererseits sowie über die Genehmigung der Revision der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit; AS 2006 979 AS 2009 5655 SR 823.201 AS 2012 6703 AS 2013 2121 AS 2013 2123

5848

Rahmen des Projekts des SECO und der paritätischen Kommissionen, der Kontrollvereine und der Kantone zur Optimierung der Arbeitsweise der paritätischen Kommissionen und der Zusammenarbeit mit den Kantonen oder mittels der Durchführung von Audits.

Analyse der Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen in den Jahren 2013 und 2014 und Handlungsbedarf Von Juli 2013 bis Februar 2014 zog eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Kantone und der Sozialpartner über die Wirkungsweise des heutigen Systems der flankierenden Massnahmen Bilanz und prüfte allfälligen Handlungsbedarf.

Die Arbeitsgruppe unterbreitete dem Bundesrat in einem Bericht Empfehlungen mit Verbesserungsmassnahmen auf Gesetzes- und Vollzugsebene.11 Der Bundesrat nahm am 26. März 2014 vom Bericht Kenntnis und beschloss verschiedene Verbesserungsmassnahmen. Er beauftragte das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mit deren Umsetzung.

Mit der Motion 13.3668 «Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen und Stärkung der sozialpartnerschaftlichen Instrumente» beauftragte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) am 27. August 2013 den Bundesrat, die Vollzugsdefizite bei den flankierenden Massnahmen im Arbeitsmarktbereich detailliert aufzuzeigen und einen Massnahmenplan zu deren zügiger Behebung beim Bund und in den Kantonen vorzulegen. Der Bundesrat beantragte am 13. September 2013 die Annahme der Motion, da sie den Bundesrat in seiner Politik bestätigt, dem Vollzug der flankierenden Massnahmen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Verbesserungsmöglichkeiten auf Gesetzesebene Am 19. September 2014 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zum Bundesgesetz zur Optimierung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit.12 Die Vernehmlassung dauerte bis zum 19. Dezember 2014. Die Vernehmlassungsvorlage beinhaltete Massnahmen zur Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, zur Verlängerung von Normalarbeitsverträgen mit Mindestlöhnen im Sinne von Artikel 360a OR sowie die Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen im EntsG.

Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer standen der Vorlage kritisch gegenüber. Die vorgeschlagenen Massnahmen im
Bereich der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen und der Normalarbeitsverträge wurden deutlich abgelehnt. Die vorgeschlagene Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen im EntsG wurde in der Vernehmlassung hingegen mehrheitlich befürwortet.

11 12

Der Bericht ist einsehbar unter: www.seco.admin.ch > Dokumentation > Publikationen und Formulare > Studien und Berichte > Arbeit Die Vernehmlassungsunterlagen sind einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > WBF

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Am 1. April 2015 nahm der Bundesrat Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung.

Gestützt darauf beschloss er, die in der Vorlage enthaltenen Massnahmen im Bereich der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen und der Normalarbeitsverträge einstweilen zu sistieren.

Im Rahmen der Umsetzungsarbeiten zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» wird geprüft werden, wie die flankierenden Massnahmen an das neue Zulassungssystem angepasst werden müssen. Der Bundesrat hat das WBF beauftragt, die Massnahmen im Bereich der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen und der Normalarbeitsverträge in diese Prüfung einzubeziehen.

Der Bundesrat entschied ebenfalls am 1. April 2015, die Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen im EntsG parallel zur geplanten Revision des Bundesgesetzes vom 17. Juni 200513 gegen die Schwarzarbeit weiterzuverfolgen und dem Parlament bis im Oktober 2015 eine Botschaft vorzulegen.

Am 6. Mai 2015 wurde im Rahmen eines Treffens zwischen dem Vorsteher des WBF und den Sozialpartnern seitens der Arbeitnehmervertreter der Wunsch nach einer vorgezogenen Behandlung der Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen im EntsG geäussert; die Arbeitgebervertreter zeigten sich gegenüber diesem offen. Die Sozialpartner waren sich einig, dass man die Gesetzesanpassung auf die Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen beschränken solle und man sich im parlamentarischen Prozess im Interesse einer raschen Anpassung auch entsprechend dafür einsetzen werde.

Für die Ergebnisse der Vernehmlassung zu den einzelnen vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen und der Normalarbeitsverträge wird auf den Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens verwiesen.14 Verbesserungen im Vollzug Der Bundesrat beauftragte die zuständigen Departemente am 26. März 2014, zusätzlich zu Massnahmen auf Gesetzesebene, mit der Umsetzung insbesondere folgender Massnahmen auf Verordnungs- oder Vollzugsebene; die Umsetzung dieser Massnahmen ist in der Zwischenzeit erfolgt oder angelaufen:

13 14

­

Am 1. November 2014 wurde mittels einer Änderung der EntsV eine Meldebeziehungsweise Bewilligungspflicht ab dem ersten Einsatztag für ausländische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer im Garten- und Landschaftsbau eingeführt.

­

Auf Antrag der Kontrollorgane in besonders betroffenen Branchen und Regionen wurde die Anzahl vom Bund mitfinanzierter Kontrollen befristet erhöht. Einige Kontrollorgane haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

­

Im Online-Meldeverfahren für Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer werden Verbesserungsmöglichkeiten geprüft.

SR 822.41 Der Vernehmlassungsbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > WBF

5850

­

Basierend auf Daten der Lohnstrukturerhebung wurde per Ende 2014 ein standardisierter Lohnrechner eingeführt, der die Ermittlung eines üblichen Lohns nach Kanton ermöglicht. Der Lohnrechner dient den Kantonen als Arbeitsinstrument im Rahmen der Arbeitsmarktbeobachtung.

­

Das Projekt zur Optimierung der Arbeitsweise der paritätischen Kommissionen und der Zusammenarbeit mit den Kantonen wurde weitergeführt.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Die beantragte Neuregelung sieht eine Änderung des EntsG vor.

Die Änderung beinhaltet die Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen bei Verstössen von Entsendebetrieben gegen die schweizerischen minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen nach Artikel 360a OR vorgeschrieben sind. Die Obergrenze soll von heute 5000 Franken auf 30 000 Franken erhöht werden. Je nach Situation soll die zuständige sanktionierende Behörde anstelle einer Verwaltungssanktion, die eine Belastung durch einen Betrag bis 30 000 Franken vorsieht, eine Dienstleistungssperre zwischen einem und fünf Jahren gegen einen Entsendebetrieb aussprechen können.

Im Sinne der Gleichbehandlung in- und ausländischer Arbeitgeber sieht der Gesetzesentwurf weiter vor, dass auch die Obergrenze der Verwaltungssanktion bei einem Verstoss eines Arbeitgebers, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz anstellt, gegen Bestimmungen über den Mindestlohn in einem Normalarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 360a OR auf 30 000 Franken erhöht wird.

Die Obergrenze der Sanktion für Verstösse gegen die Dokumentationspflicht für sich auf selbstständige Erwerbstätigkeit berufende Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer (Art. 1a Abs. 2 EntsG), für Verstösse gegen die Verpflichtung entsendender Arbeitgeber zur Garantie einer dem üblichen Standard entsprechenden Unterkunft (Art. 3 EntsG) sowie für Verstösse gegen die Meldepflicht (Art. 6 EntsG) von 5000 Franken ist hingegen genügend hoch, um ihre Wirkung zu erzielen.

Die beantragte Neuregelung bedingt zudem in verschiedenen Artikeln des EntsG eine Anpassung der Verweise auf Artikel 9.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen durch ausländische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden, können rasch eine beträchtliche Summe betreffen.

Heute können geringfügige Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen mit einer Verwaltungssanktion von maximal 5000 Franken geahndet werden. Schwerwiegende Verstösse können mittels Dienstleistungssperre während bis zu fünf Jahren sanktioniert werden. Zusätzlich zu diesen Sanktionen können bei Verstössen in Branchen mit allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen 5851

Konventionalstrafen ausgesprochen und Kontrollkosten die Übernahme der Kontrollkosten auferlegt werden. Die heute existierenden verwaltungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten sind wenig geeignet, die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen wirksam durchzusetzen. Es kann für einen ausländischen Arbeitgeber attraktiver sein, den in der Sanktion vorgesehenen Geldbetrag zu bezahlen, anstatt die in der Schweiz geltenden minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten. Der Schutz der in- und ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann so kaum gewährleistet werden.

Heute können auch Verstösse gegen zwingende Mindestlöhne in Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR durch Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz anstellen, mit maximal 5000 Franken sanktioniert werden. Eine maximale Sanktionshöhe von 5000 Franken ist zu tief angesetzt, um die Einhaltung des Normalarbeitsvertrages durchzusetzen.

Die Erhöhung der Obergrenze des Betrags der Verwaltungssanktionen auf 30 000 Franken in den genannten Fällen ist deshalb sinnvoll. Dadurch lassen sich die schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen wirksamer durchsetzen.

Ergebnis der Vernehmlassung Die Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen im EntsG bei Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst. Die Massnahme fand auch bei zahlreichen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern Zustimmung, welche die gesamte Vorlage zum Bundesgesetz zur Optimierung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit grundsätzlich ablehnten.

In den Augen der Befürworter wird mit der Anhebung der Sanktionsobergrenze die abschreckende Wirkung erhöht. Es soll ihrer Meinung nach nicht attraktiver sein, den in der Sanktion vorgesehenen Geldbetrag zu bezahlen, als die minimalen Lohnund Arbeitsbedingungen einzuhalten.

Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer lehnen die Erhöhung der Obergrenze der Sanktionen ab, weil sich damit die staatliche Arbeitsmarktaufsicht auch gegen Schweizer Unternehmen und nicht nur gegen ausländische Unternehmen richte, womit kein Bezug zur Personenfreizügigkeit bestehe. Kritisiert wird zudem, dass es nur um die Stärkung staatlicher Eingriffe gehe.

Ein Vernehmlassungsteilnehmer fordert die Schaffung
einer gesetzlichen Grundlage zur Sanktionierung eines ausländischen Dienstleistungserbringers mittels Dienstleistungssperre, wenn die Kaution nicht geleistet wird.15

15

Der Vernehmlassungsbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > WBF

5852

1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das EntsG stützt sich auf die EU-Entsenderichtlinie16, auf die Artikel 22 Absatz 2 Anhang I FZA Bezug nimmt. Artikel 5 der Richtlinie hält fest, dass die Mitgliedstaaten geeignete Massnahmen für den Fall der Nichteinhaltung der Richtlinie vorsehen.

In ihrer nationalen Umsetzungsgesetzgebung zur EU-Entsenderichtlinie kennen die EU-Mitgliedstaaten bei Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen zum Teil hohe Verwaltungssanktionen und Strafen.

Zum Vergleich können beispielhaft die Sanktionen in den Schweizer Nachbarstaaten Österreich und Deutschland herangezogen werden. Das österreichische Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG)17, mit dem die EU-Entsenderichtlinie im österreichischen Recht umgesetzt wurde, sieht in Paragraf 7i bei Verstössen gegen die geltenden Mindestlohn- und Mindestarbeitsbedingungen Strafen bis 50 000 Euro vor. Das deutsche Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG)18 sieht bei Verstössen gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen Geldbussen bis zu 500 000 Euro vor (vgl. § 23 AEntG).

1.5

Umsetzung

Im Rahmen der Vernehmlassung äusserten die Kantone verschiedene Bedenken im Zusammenhang mit der Umsetzung der vorgeschlagenen Änderung im EntsG.

Einige Kantone warnen, die Erhöhung stelle wesentlich höhere Anforderungen an die Begründung der Sanktion und es sei von einer Zunahme der Gerichtsverfahren auszugehen. Sie geben zu bedenken, dass die auftragsbezogene kurzfristige Gründung von Firmen durch ausländische Betriebe in der Schweiz zunehmen dürfte und darin erhebliches Missbrauchspotenzial bestehe, dem mit den aktuellen flankierenden Massnahmen nicht begegnet werden könne. Zwei kantonale tripartite Vollzugsorgane geben zu bedenken, die Erfahrung zeige, dass je höher die Busse desto geringer die Bereitschaft zur Bezahlung sei.

Verschiedene Kantone verlangen die Klärung der Frage nach der Abgrenzung, wann eine Dienstleistungssperre und wann eine geldwerte Sanktion ausgesprochen werden soll. Diese Frage solle auf Gesetzes- oder zumindest auf Verordnungsstufe oder im Rahmen der SECO-Empfehlung «Sanktionenkatalog»19, die sich an die kantonalen sanktionierenden Behörden richtet, geregelt werden.

16

17

18 19

Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmenden im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen; ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

Das Gesetz ist einsehbar unter: www.sozialministerium.at > Arbeit > Arbeitsrecht > Grenzüberschreitende Entsendung oder Überlassung in der EU > ArbeitsvertragsrechtsAnpassungsgesetz ­ AVRAG Das Gesetz ist einsehbar unter: www.bmas.de > Themen > Arbeitsrecht > Entsendung von Arbeitnehmern > Arbeitnehmer-Entsendegesetz Die Empfehlung ist einsehbar unter: www.seco.admin.ch > Themen > Arbeit > Freier Personenverkehr CH-EU und flankierende Massnahmen > Flankierende Massnahmen > Weisungen und Informationen an die Vollzugsorgane der flankierenden Massnahmen

5853

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer geben zu bedenken, mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen sei das Risiko verbunden, dass die Sanktionen aufgrund der Höhe des maximalen Geldbetrags strafrechtlichen Charakter hätten. Die damit verbundenen Verfahrensgarantien und die Überweisung an die Strafverfolgungsbehörden verzögerten die Sanktionierung, was die gewollte Verstärkung der flankierenden Massnahmen gefährde. Eine rasche Sanktionierung mittels Verwaltungssanktion sei zentral für den Vollzug der flankierenden Massnahmen.

Der Bundesrat trägt diesen Bedenken Rechnung, indem er vorschlägt, die Sachüberschrift von Artikel 9 EntsG anzupassen und «Sanktionen» durch «Verwaltungssanktionen» zu ersetzen. Dadurch wird die Abgrenzung zu den Strafbestimmungen in Artikel 12 EntsG verdeutlicht. Er orientiert sich bei seinem Vorschlag zur Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen zudem namentlich am Kartellgesetz vom 6. Oktober 199520 (KG) sowie am Fernmeldegesetz vom 30. April 199721. Diese Bundesgesetze sehen ebenfalls Verwaltungssanktionen mit hohen geldwerten Beträgen vor. Für den Vollzug des EntsG ist es wichtig, dass sich die Sanktionen gegen die fehlbaren Unternehmen richten und nicht eine natürliche Person ausfindig gemacht oder das Unternehmen strafrechtlich belangt werden muss. Dies würde den Vollzug stark verzögern. Die Erhöhung der Obergrenze der Sanktion vermag gewisse Probleme bei der Umsetzung allerdings nicht zu lösen.

Aufgrund des Territorialitätsprinzips können Verwaltungssanktionen im Ausland nicht vollzogen werden. Aus diesem Grund wurden im EntsG schon von Beginn weg Dienstleistungssperren vorgesehen, u.a. gegen Arbeitgeber, die den Geldbetrag nicht bezahlen. Zusätzlich wird nach Möglichkeiten gesucht, um die erwähnten Umsetzungsprobleme zu lösen.

Die Änderung von Artikel 9 EntsG bewirkt im Übrigen keinen Wechsel in Bezug auf die Zuständigkeit der Behörden. Es handelt sich weiterhin um die von den Kantonen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d EntsG bezeichnete Behörde, die die Verwaltungssanktionen ausspricht. In den Kantonen dürften die Verwaltungsbehörden mit dem Vollzug betraut sein, da es sich, im Gegensatz zu den verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen in Artikel 12 EntsG, in Artikel 9 um den
Vollzug von verwaltungsrechtlichen Massnahmen handelt; im Übrigen können die Kantone auch die Verfolgung von Delikten nach Artikel 12 EntsG einer Verwaltungsbehörde übertragen, da nach Artikel 13 EntsG die Kantone für die Strafverfolgung zuständig sind.

Der Vorschlag zur Anpassung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b EntsG überlässt die Wahl der angemessenen Sanktion den zuständigen Behörden. Einige Kantone befürworteten diese Wahlmöglichkeit ausdrücklich, andere verlangen eine Präzisierung, wann welche Sanktion zu verfügen ist. Das SECO wird seinen «Sanktionenkatalog» in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden ergänzen. Eine Klärung dieser Frage auf Verordnungsebene mit zwingenden Vorgaben an die sanktionierenden Behörden erachtet der Bundesrat nicht als nötig, da die sanktionierenden Behörden aufgrund ihrer Erfahrungen im Vollzug besser in der Lage sind zu beurteilen, welche Sanktion am wirksamsten und angemessensten ist.

20 21

SR 251 SR 784.10

5854

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Motion 13.3668 «Verbesserung des Vollzugs der flankierenden Massnahmen und Stärkung der sozialpartnerschaftlichen Instrumente» beauftragte die WAK-S am 27. August 2013 den Bundesrat, die Vollzugsdefizite bei den flankierenden Massnahmen im Arbeitsmarktbereich detailliert aufzuzeigen und einen Massnahmenplan zu deren zügiger Behebung beim Bund und in den Kantonen vorzulegen. Der Bundesrat beantragte am 13. September 2013 die Annahme der Motion.

Die in Ziffer 1.1 erwähnte Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Kantone und der Sozialpartner zog über die Wirkungsweise des heutigen Systems der flankierenden Massnahmen detailliert Bilanz und zeigte allfälligen Handlungsbedarf auf. Die Arbeitsgruppe hielt die Ergebnisse in einem Bericht fest.

Auf Basis dieses Berichts beschloss der Bundesrat am 26. März 2014 entsprechende Verbesserungsmassnahmen und beauftragte die zuständigen Departemente mit der Umsetzung. Vom 19. September 2014 bis am 19. Dezember 2014 führte der Bundesrat, wie in Ziffer 1.1 dargestellt, eine Vernehmlassung zu den Massnahmen durch, die Anpassungen auf Gesetzesebene bedingten. Am 1. April 2015 nahm der Bundesrat Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung und beschloss über das weitere Vorgehen.

Nebst Anpassungen auf Gesetzesebene, die Gegenstand dieser Botschaft sind, hat der Bundesrat am 26. März 2014 auch Anpassungen auf Verordnungsebene beschlossen und Vollzugsverbesserungen veranlasst. Diese Massnahmen wurden bereits umgesetzt oder befinden sich in Umsetzung (vgl. Ziff. 1.1).

Der Bundesrat erachtet somit das Anliegen der Motion als erfüllt und beantragt ihre Abschreibung.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 5 Abs. 4 Die Bestimmung präzisiert, mit welchen Verwaltungssanktionen ein in- oder ausländischer Erstunternehmer, der bei der Weitervergabe der Arbeiten an Subunternehmer seine Sorgfaltspflicht verletzt, sanktioniert werden kann. Es wird in Absatz 4 nur noch auf die Buchstaben c und f von Artikel 9 Absatz 2 verwiesen. Bis anhin enthielt Artikel 5 Absatz 4 einen Globalverweis auf Artikel 9. Die Obergrenze des Geldbetrags von Sanktionen bei Verletzung der Sorgfaltspflicht durch einen Erstunternehmer bei Weitervergabe eines Auftrags an Subunternehmer sollen nicht erhöht werden.

Wie bis anhin können die zuständigen kantonalen Behörden gegen inländische Erstunternehmer eine Verwaltungssanktion aussprechen, die eine Belastung durch einen Betrag bis 5000 Franken vorsieht. Gegen ausländische Erstunternehmer kann entweder eine Verwaltungssanktion, die eine Belastung durch einen Betrag bis 5000 Franken vorsieht, oder eine Dienstleistungssperre ausgesprochen werden. Die sanktionierende Behörde entscheidet unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, welche der beiden Sanktionen wirksamer ist.

Zusätzlich können einem sanktionierten Erstunternehmer nach kantonalem Verfahrensrecht die Verfahrenskosten auferlegt werden.

5855

Art. 7 Abs. 4bis In Artikel 7 Absatz 4bis erster Satz wird eine rein redaktionelle Verbesserung vorgenommen, die nur den französischen Text betrifft. Im zweiten Satz muss ein Verweis auf Artikel 9 EntsG angepasst werden.

Art. 9 Die Sachüberschrift wird präziser formuliert, um die unter diesem Artikel geregelten Verwaltungssanktionen von den Strafbestimmungen in Artikel 12 abzugrenzen. Es handelt sich in Artikel 9 um verwaltungsrechtliche und nicht um verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen wie in Artikel 12.

In der Literatur wird die Meinung vertreten, Bussen ab einem gewissen Betrag seien als (verwaltungs-)strafrechtliche Sanktionen zu behandeln,22 mit den entsprechenden Konsequenzen für die Anwendbarkeit der Strafverfahrensgarantien. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Verwaltungsmassnahmen strafrechtlichen oder strafrechtsähnlichen Charakter, wenn sie abschreckende und vergeltende Zwecke verfolgen und eine erhebliche Sanktionsdrohung enthalten. Verschiedene Bundesgesetze enthalten hingegen geldwerte Verwaltungssanktionen, die sehr hohe Summen erreichen können. So sieht beispielsweise Artikel 49a KG vor, dass ein an unzulässigen Abreden beteiligtes Unternehmen mit einem Betrag bis zu 10 Prozent des in den letzten drei Jahren in der Schweiz erzielten Umsatzes belastet wird. Des Weiteren können Verstösse von Unternehmen gegen die Auskunftspflicht oder die Pflichten zur Vorlage von Urkunden mit einem Betrag von bis zu 100 000 Franken sanktioniert werden (Art. 52 KG). Vorliegend sollen ebenfalls geldwerte Verwaltungsmassnahmen und nicht verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen eingeführt werden.

Abs. 2 Der bis anhin in Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a und c enthaltene Verweis auf Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197423 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) wird gestrichen, da dieser unter dem Titel «Verwaltungssanktionen» systemfremd ist. Es soll gerade kein Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung gelangen.

Zudem wird nur noch von Unternehmen gesprochen, die Gegenstand einer Sanktion nach diesem Absatz sein können, und nicht mehr wie bis anhin von Unternehmen und Personen. Die Verwendung des Begriffs «Unternehmen» ist ausreichend. Er nimmt nicht auf die Rechtsform Bezug. Folglich umfasst er sowohl juristische Personen wie auch Personengesellschaften und Einzelfirmen beziehungsweise
Einzelunternehmen. Für die Möglichkeit der Sanktionierung von sich auf Selbstständigkeit berufenden Dienstleistungserbringerinnen und Dienstleistungserbringern, die gegen die Dokumentationspflicht nach Artikel 1a Absatz 2 EntsG verstossen haben, ist dies von grosser Bedeutung Bst. a: Verstösse gegen die Dokumentationspflicht durch ausländische Dienstleistungserbringerinnen und Dienstleistungserbringer, die sich auf selbstständige Erwerbstätigkeit berufen (Art. 1a Abs. 2 EntsG), Verstösse gegen die Verpflichtung entsendender Arbeitgeber, eine dem üblichen Standard entsprechende Unterkunft zu 22 23

Vgl. etwa Alexander Locher, Verwaltungsrechtliche Sanktionen, Zürich, 2013, RN 173 ff.

SR 313.0

5856

garantieren (Art. 3 EntsG), sowie Verstösse gegen die Meldepflicht durch Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden (Art. 6 EntsG), können wie bis anhin mittels Verwaltungssanktion bis 5000 Franken sanktioniert werden.

Bst. b: Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäss EntsG durch ausländische Arbeitgeber (Art. 2 EntsG) sollen neu mittels Verwaltungssanktion von maximal 30 000 Franken sanktioniert werden können. Es erfolgt eine Erhöhung des Maximalbetrags der Sanktion von 5000 Franken auf 30 000 Franken. Es wird zudem nicht mehr zwischen geringfügigen und schweren Verstössen unterschieden. Es ist Sache der sanktionierenden Behörden, die Höhe des Geldbetrags unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (insbesondere Schwere des Verstosses) festzulegen. Geringfügige Verstösse sollen inskünftig jedoch nicht schwerer sanktioniert werden, nur weil der Maximalbetrag der Sanktion auf 30 000 Franken angehoben wird. Ist es angezeigt und verhältnismässig, so kann gegen ein ausländisches Unternehmen anstelle einer finanziellen Sanktion eine Verwaltungssanktion in Form einer Dienstleistungssperre ausgesprochen werden, der gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen verstösst. Bei einem Verstoss gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen durch einen ausländischen Arbeitgeber ist es allerdings nicht möglich, die beiden unter Buchstabe b vorgesehenen Sanktionen kumulativ zu verhängen.

Bst. c: Unter Buchstabe c wird die Möglichkeit zur Sanktionierung von Verstössen gegen die Sorgfaltspflicht nach Artikel 5 Absatz 3 neu ausdrücklich aufgeführt. Bis anhin enthielt lediglich Artikel 5 Absatz 4 einen Verweis auf die Sanktionsmöglichkeiten des Artikel 9.

Bst. d: Buchstabe d regelt nun die Sanktionierung bei Verstössen im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a oder b oder bei Nichtbezahlung des Betrags der rechtskräftigen Verwaltungssanktion nach Buchstabe a, b oder c. Dies war bis anhin unter Buchstabe b geregelt.

Bst. e: Verstösse gegen einen Normalarbeitsvertrag nach Artikel 360a OR durch Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz anstellen (Art. 1 Abs. 2 EntsG), sollen neu auch mittels Verwaltungssanktion von maximal 30 000 Franken sanktioniert werden können. Es erfolgt eine Erhöhung des Maximalbetrags
der Sanktion von 5000 Franken auf 30 000 Franken. In bestimmten Konstellationen ist allerdings eine Doppelspurigkeit mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d EntsG vorstellbar.

Bst. f: Wie bis anhin können fehlbaren Unternehmen die Kontrollkosten teilweise oder ganz auferlegt werden. Der bestehende Buchstabe d wird neu zu Buchstabe f.

Abs. 3 Wie in Absatz 2 wird nur noch von Unternehmen gesprochen und es wird eine rein redaktionelle Verbesserung vorgenommen.

Art. 12 Im Einleitungssatz von Absatz 1 wird ein rein redaktionelles Versehen behoben («Verbrechen» wie in Absatz 3 hinzugefügt).

5857

Die Absätze 2 und 4 können aufgehoben werden, da die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs24 (StGB) für das gesamte Nebenstrafrecht zur Anwendung gelangen (vgl. Art. 333 Abs. 1 StGB). Der leichte Fall ist in Artikel 52 StGB geregelt.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die vorgesehenen Änderungen haben keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund. Der Vollzug des EntsG, namentlich die Sanktionierung bei Verstössen, erfolgt durch die Kantone.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Änderungen im EntsG haben keine Auswirkungen auf den Personalbestand des Bundes.

3.1.3

Andere Auswirkungen

Die Vorlage hat keine besonderen anderen Auswirkungen auf den Bund.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Kantone sind bereits heute mit der Sanktionierung von Verstössen gegen das EntsG betraut. Eine Anhebung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen verursacht ihnen keinen Mehraufwand und es werden keine neuen Vollzugsaufgaben geschaffen. Wie unter Ziffer 1.5 erläutert, ist mit den Gesetzesänderungen keine Änderung in Bezug auf die Zuständigkeiten der betroffenen Behörden verbunden. Grundsätzlich sollte die Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Sanktionen im EntsG von heute 5000 Franken auf neu 30 000 Franken zu Mehreinnahmen bei den Kantonen führen. Die heutige Praxis der Kantone in Bezug auf die Sanktionierung ist unterschiedlich. Deshalb und weil die zukünftige Praxis nicht vorhersehbar ist, kann der Umfang allfälliger Mehreinnahmen nicht quantifiziert werden.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat die Öffnung des Arbeitsmarktes in den letzten Jahren massgeblich zum Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in der Schweiz beigetragen. Dank den flankierenden Massnahmen blieben negative Begleiterschei24

SR 311.0

5858

nungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund des FZA eng begrenzt. Mit der Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen wird primär sichergestellt, dass das zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Missbrauchsbekämpfung seine Wirkung noch besser erzielt.

Insgesamt können die vorgeschlagenen Anpassungen des EntsG als moderat bezeichnet werden. Sie dienen primär dazu, den Vollzug der flankierenden Massnahmen zu verbessern. Die Marktzutrittschancen für ausländische Unternehmen bleiben intakt, ein administrativer Mehraufwand für die Unternehmen ist nicht zu erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201225 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201226 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Die Änderung des EntsG ist dennoch angezeigt, weil sich diese nach einer Analyse der Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen durch Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Kantone und der Sozialpartner in den Jahren 2013 und 2014 als nötig erwiesen hat, um missbräuchlichen Unterschreitungen der schweizerischen minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen wirksam begegnen zu können.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 110 Absatz 1 Buchstabe a der Bundesverfassung27 (BV), der dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Artikel 22 Absatz 2 Anhang I FZA bezieht sich ausdrücklich auf die EU-Entsenderichtlinie28. Gemäss Artikel 5 der Richtlinie sehen die Mitgliedstaaten geeignete Massnahmen für den Fall der Nichteinhaltung der Richtlinie vor. Die im vorliegenden Entwurf vorgeschlagene Massnahme bezweckt eine verbesserte Durchsetzung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen gegenüber Entsendebetrieben mittels einer Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen, welche die Behörden infolge von Verstössen aussprechen können. Dieser Vorschlag zur Änderung des EntsG entspricht der EU-Entsenderichtlinie und geht nicht über den darin vorgesehenen nationalen Spielraum hinaus.

25 26 27 28

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 101 Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmenden im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen; ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

5859

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die EU in der Vergangenheit die Höhe der in der Schweiz verhängten Sanktionen und insbesondere die gleichzeitige Sanktionierung mittels zivilrechtlicher Konventionalstrafe und Verwaltungssanktion als unverhältnismässig kritisiert hat. Es ist entsprechend damit zu rechnen, dass die EU die Erhöhung der Obergrenze des Geldbetrags der Verwaltungssanktionen wiederum kritisch beurteilen wird.

5.3

Erlassform

Da mit diesem Entwurf ein geltendes Bundesgesetz abgeändert wird, ist der Erlass im Sinn von Artikel 164 BV in die Form eines Bundesgesetzes zu kleiden.

5860