15.018 Botschaft zu einer Änderung des Freizügigkeitsgesetzes (Ansprüche bei Wahl der Anlagestrategie durch die versicherte Person) vom 11. Februar 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Freizügigkeitsgesetzes (Ansprüche bei Wahl der Anlagestrategie durch die versicherte Person) mit dem Antrag auf Zustimmung. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2010

M 08.3702

Anpassungen des Freizügigkeitsgesetzes und des Sicherheitsfonds (N 19.12.08, Stahl; S 3.3.10)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. Februar 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2747

1793

Übersicht Versicherte, welche die Strategie zur Anlage ihres Vorsorgevermögens im rein überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge selbst wählen können, sollen bei einem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung den effektiven Wert des Vorsorgeguthabens erhalten, selbst wenn ein Verlust resultiert.

Ausgangslage Seit der 1. BVG-Revision können Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich Lohnanteile über dem vom Sicherheitsfonds garantierten Leistungsbereich versichern, ihren Versicherten innerhalb eines Vorsorgeplans die Wahl zwischen unterschiedlichen Anlagestrategien ermöglichen. Bei einem Austritt muss die Einrichtung der versicherten Person jedoch die nach den zwingenden gesetzlichen Vorschriften berechnete Austrittsleistung mitgeben. Dies hat zur Folge, dass das verbleibende Versichertenkollektiv Verluste einer austretenden versicherten Person, deren Guthaben aufgrund der von ihr gewählten Anlagestrategie an Wert eingebüsst hat, tragen muss, während die austretende Person aufgrund solcher Anlagestrategien erzielte Gewinne mitnehmen darf.

Inhalt der Vorlage Der vorliegende Entwurf sieht vor, dass diese Vorsorgeeinrichtungen die Austrittsleistung neu so berechnen können, dass den Versicherten der effektive Wert des Vorsorgeguthabens zum Zeitpunkt des Austritts mitgegeben wird. Allfällige Verluste müssen somit durch die Versicherten selbst getragen werden. Um einen gewissen Schutz für die Versicherten zu wahren, müssen die Vorsorgeeinrichtungen mindestens eine risikoarme Anlagestrategie anbieten.

Damit die Versicherten sich der Risiken und Kosten ihrer Wahl bewusst werden können, hat die Vorsorgeeinrichtung sie umfassend zu informieren.

1794

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Geltende Regelung

Das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene dritte Paket der 1. Revision des Bundesgesetzes vom 25. Juni 19821 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) eröffnete gewissen Vorsorgeeinrichtungen die Möglichkeit, innerhalb eines Vorsorgeplans unterschiedliche Anlagestrategien anzubieten (vgl.

Art. 1e der Verordnung vom 18. April 19842 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, BVV 2). Diese Möglichkeit ist den Vorsorgeeinrichtungen vorbehalten, die ausserhalb des vom Sicherheitsfonds garantierten Leistungsbereichs Vorsorge betreiben und bei denen keinerlei Vermischung zwischen vom Sicherheitsfonds garantierten und nicht garantierten Leistungsbereichen stattfindet. Unterschiedliche Anlagestrategien können somit nur die Vorsorgeeinrichtungen anbieten, die ausschliesslich Lohnanteile über dem anderthalbfachen oberen Grenzbetrag nach Artikel 8 Absatz 1 BVG versichern.3 Die Vorsorgeeinrichtungen, die unterschiedliche Anlagestrategien anbieten, müssen wie alle anderen Vorsorgeeinrichtungen auch die in der beruflichen Vorsorge geltenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen beachten. Dies gilt ganz besonders für die Sicherheit der Anlagen (Art. 71 BVG) und für die Berechnung der Austrittsleistung (Art. 15 und 17 des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 19934, FZG).

So haben die Versicherten beispielsweise beim Austritt aus einer Vorsorgeeinrichtung mit Beitragsprimat Anspruch auf «die Summe aller im Hinblick auf Altersleistungen gutgeschriebenen Beiträge des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin und der versicherten Person sowie der sonstigen Einlagen; sämtliche Zinsen sind zu berücksichtigen».5 Auf diesen Mindestbetrag kann die versicherte Person nicht gültig im Voraus verzichten.

Für die Anlagetätigkeit ist alleine die Vorsorgeeinrichtung verantwortlich. Dabei hat sie die Anlagevorschriften der Artikel 49­59 BVV 2 zu beachten. Die versicherte Person kann zwischen den angebotenen Anlagestrategien wählen, sie darf sie aber nicht selbst beeinflussen, d.h. sie darf nicht selbst die konkreten, eigenen Anlagen bestimmen. Es ist zudem auch nicht zulässig, das Vorsorgeguthaben zu splitten und in unterschiedliche Strategien einzubringen, da dies einer vollständigen Individualisierung der Anlagestrategie gleichkäme.

Selbstverständlich gelten die allgemeinen
Grundsätze der beruflichen Vorsorge (Art. 1 Abs. 3 BVG) auch für Vorsorgeeinrichtungen, die unterschiedliche Anlagestrategien anbieten.

Damit zum Beispiel das Kollektivitätsprinzip gewahrt bleibt, dürfen nicht so viele Strategien angeboten werden, dass daraus praktisch eine Individualisierung der 1 2 3 4 5

SR 831.40 SR 831.441.1 Vgl. Art. 56 Abs. 2 BVG.

SR 831.42 Vgl. Art. 15 Abs. 2 FZG.

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Vorsorgeguthaben der einzelnen Versicherten resultiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Angebot von fünf bis höchstens zehn Strategien mit Artikel 1e BVV 2 zu vereinbaren ist. Um eine Auswahl aus einer Palette von unterschiedlichen Anlagestrategien zu ermöglichen, kann die Vorsorgeeinrichtung auch bei einer (sehr) kleinen Anzahl versicherter Personen bis zu fünf Strategien anbieten. Bei einer grossen Anzahl von versicherten Personen darf sie aber nicht mehr als zehn Strategien anbieten.

Der letzte Satz des zweiten Absatzes von Artikel 1d BVV 2, gemäss welchem «der Beitragssatz des Arbeitgebers in jedem Plan gleich hoch sein muss», ist analog anwendbar, wenn eine Vorsorgeeinrichtung unterschiedliche Anlagestrategien innerhalb desselben Vorsorgeplans vorsieht. Die Wahlmöglichkeit nach Artikel 1e BVV 2 hat somit Einfluss auf die Anlagestrategie, nicht aber auf die Finanzierung durch den Arbeitgeber und die versicherte Person.

Auch die Angemessenheit darf durch Artikel 1e BVV 2 nicht beeinträchtigt werden.

Die Angemessenheit muss pro Strategie bestätigt werden; es handelt sich dabei wie immer um eine Vorabüberprüfung des Modells und nicht um eine Nachkontrolle jeder einzelnen Situation. Das Modell muss für jede der vorgesehenen Anlagestrategien einen im Hinblick auf die Zusammensetzung des Portefeuilles realistischen Ertrag berücksichtigen. Sollten in einzelnen Fällen die effektiven Leistungen die Erwartungen übertreffen, zieht dies keine Korrekturen nach sich.

1.1.2

Motion 08.3702 (NR Stahl)

Die von Nationalrat Jürg Stahl am 3. Oktober 2008 eingereichte Motion «Anpassungen des Freizügigkeitsgesetzes und des Sicherheitsfonds» forderte, dass die massgebenden Bestimmungen im Freizügigkeitsgesetz (Art. 15 Abs. 2 und 17 FZG) angepasst werden, damit die Wahl flexibler Anlagestrategien (Art. 1 Abs. 3 BVG i.V.m. Art. 1e BVV 2) ermöglicht werden könne. Nationalrat Stahl begründete seinen Vorstoss damit, dass bei Vorsorgeeinrichtungen, welche unterschiedliche Anlagestrategien anbieten, nach der heutigen Konzeption ein durch die Auswahl einer Anlagestrategie gewähltes höheres Risiko durch die einzelne Vorsorgeeinrichtung getragen werden müsse. Sie sei gezwungen, unbesehen des Werts der Anlage im Zeitpunkt des Austritts der versicherten Person, die Bestimmungen über die Höhe der Austrittsleistung einzuhalten, namentlich die Bestimmungen über den Mindestbetrag gemäss Artikel 17 FZG und über den Austrittszinssatz gemäss Artikel 6 Absatz 2 der Freizügigkeitsverordnung vom 3. Oktober 19946. Dadurch werde der Spielraum der Vorsorgeeinrichtungen eingeschränkt. Um die Flexibilisierung in der Wahl von Anlagestrategien zu ermöglichen, dränge sich hier eine Korrektur auf.

Am 12. Dezember 2008 beantragte der Bundesrat die Annahme der Motion. Er führte aus, dass sich in der Tat ein Spannungsfeld zwischen der Möglichkeit einer risikoreicheren Anlagestrategie gemäss Artikel 1e BVV 2 und der durch die Vorsorgeeinrichtungen zu tragenden Garantie gemäss Artikel 17 FZG ergebe. Die daraus resultierenden Folgen erachtete der Bundesrat als stossend: Es sei nicht annehmbar, dass Versicherte, die eine riskantere Anlagestrategie wählen, im Idealfall beim Austritt von einer überdurchschnittlichen Rendite profitierten, im Fall einer negativen Rendite jedoch nicht vollumfänglich die Konsequenzen tragen müssten, da sie 6

SR 831.425

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Anspruch auf ihre eingebrachten Leistungen samt Zinsen hätten. Der entstandene Verlust müsse in solchen Fällen von der Vorsorgeeinrichtung und letztlich von den verbliebenen Versicherten getragen werden. In diesem Sinn sei der Bundesrat bereit, die entsprechenden Anpassungen des Freizügigkeitsgesetzes an die Hand zu nehmen.

Der Nationalrat nahm die Motion am 19. Dezember 2008, der Ständerat am 3. März 2010 an.

1.2

Standpunkte und Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung über den Vorentwurf für die Änderung des FZG und des BVG (Verminderte Garantie bei der Wahl gewisser Anlagestrategien durch den Versicherten und Massnahmen zur Sicherung von Vorsorgeguthaben bei Vernachlässigung der Unterhaltspflicht) dauerte vom 25. Oktober 2012 bis zum 11. Februar 2013. Zur Teilnahme eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die auf gesamtschweizerischer Ebene tätigen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Bergregionen sowie die Spitzenverbände der Wirtschaft und die weiteren betroffenen Kreise. Stellung nahmen sämtliche Kantone, fünf Parteien und 39 Organisationen.7 Eine Änderung des FZG wurde von der überwiegenden Mehrheit der am Vernehmlassungsverfahren Teilnehmenden begrüsst. Übereinstimmung bestand insbesondere in der Ansicht, dass eine versicherte Person, die grössere Risiken eingehen will, auch die Konsequenzen tragen soll, wenn Verluste entstehen, und nicht die in der Einrichtung verbleibenden Versicherten und die Vorsorgeeinrichtung.

Umstritten war in der Vernehmlassungsvorlage insbesondere die Vorgabe, dass die Vorsorgeeinrichtung weiterhin mindestens eine Anlagestrategie anbieten muss, welche die Mindestleistungen nach Artikel 15 und 17 FZG garantiert. Die Gegner dieser Bestimmung machten insbesondere geltend, dass bei Verlusten und einer allfälligen Unterdeckung in der Strategie mit Garantie auch die Verpflichtung zur Sanierung bleibe und weiterhin Wertschwankungsreserven für diese Garantiestrategie gebildet werden müssten. Bei einem Wechsel aus der Garantiestrategie oder in diese würde es erneut zu ungewollten Solidaritäten zwischen den Versicherten kommen, da Verluste auf das verbleibende Versichertenkollektiv abgewälzt würden und ein Wechsel je nach Lage der Kapitalmärkte gezielt genutzt werden könnte. Die Regelung innerhalb der Vorsorgeeinrichtung wäre zudem ausgesprochen komplex und mit erheblichem Aufwand verbunden.

Überwiegend abgelehnt wurde der Vorschlag, dass der Ehegatte oder die Ehegattin bzw. der eingetragene Partner oder die eingetragene Partnerin schriftlich zustimmen muss, wenn eine versicherte Person eine Anlagestrategie ohne Mindestgarantie wählt. Es wurde argumentiert, dass der Eintritt in eine Vorsorgeeinrichtung mit unterschiedlichen Anlagestrategien oder ein Wechsel der
Anlagestrategie sich von anderen Situationen unterscheide, in denen nach heutigem Recht die schriftliche Zustimmung erforderlich ist (Vorbezug für Wohneigentum, Bezug der Altersleis7

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > Eidgenössisches Departement des Innern.

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tung in Kapitalform, Barauszahlung): Das Guthaben verlasse den Vorsorgekreislauf nicht und werde damit dem Ehegatten, der Ehegattin, dem Partner oder der Partnerin nicht entzogen. Die Einholung der Unterschrift bei jedem Wechsel würde zudem einen unverhältnismässigen administrativen Aufwand für die Vorsorgeeinrichtungen darstellen. Ein rascher Wechsel der Anlagestrategie könnte dadurch verhindert oder zumindest erheblich erschwert werden.

Mehrheitlich begrüsst wurde die vorgeschlagene Pflicht der Vorsorgeeinrichtung zur Information der Versicherten und deren Pflicht zur schriftlichen Bestätigung, auch wenn der Umfang dieser Pflichten unterschiedlich bewertet wurde.

Der vorliegende Entwurf trägt der im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Kritik weitgehend Rechnung.

1.3

Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge

Die Eidgenössische Kommission für die berufliche Vorsorge ist ein Beratungsorgan des Bundes zu Fragen über die Durchführung und Weiterentwicklung der beruflichen Vorsorge.8 Sie konnte sich mehrfach zu der geplanten Revision äussern. Der Botschaftsentwurf wurde ihr auf dem Zirkularweg zur Anhörung unterbreitet, und einzelne Mitglieder nahmen zur vorgeschlagenen Änderung Stellung. Die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter sind gegenüber einer Individualisierung der Vorsorge nach wie vor eher kritisch eingestellt. Sie stellen sich aber nicht gegen die Reform, zumal ausschliesslich der rein überobligatorische Bereich der beruflichen Vorsorge von der Regelung betroffen ist. Im Übrigen wurden die Änderungen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage weitgehend begrüsst, insbesondere der Wegfall der Anlagestrategie mit Garantie der Austrittsleistung sowie der Verzicht auf die Unterschrift des Ehegatten oder der Ehegattin bzw. des eingetragenen Partners oder der eingetragenen Partnerin. Konkrete Vorschläge zum Entwurf sind in dieser Vorlage weitgehend berücksichtigt.

1.4

Grundzüge der beantragten Neuregelung

Die Einführung des neuen Artikels 19a im Freizügigkeitsgesetz bezweckt eine Ausnahmeregelung zur Verpflichtung, den Mindestbetrag im Sinne der Artikel 15 und 17 FZG als Austrittsleistung mitgeben zu müssen. So können neu Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich Lohnanteile über dem anderthalbfachen oberen Grenzbetrag nach Artikel 8 Absatz 1 BVG versichern und unterschiedliche Anlagestrategien im Sinne von Artikel 1e BVV 2 anbieten, der versicherten Person im Zeitpunkt des Austritts den effektiven Wert des Vorsorgeguthabens mitgeben.

Dieses Guthaben setzt sich zusammen aus den im Hinblick auf Altersleistungen gutgeschriebenen Beiträgen des Arbeitgebers und der versicherten Person, aus den sonstigen Einlagen sowie dem Vermögensertrag, allenfalls unter Abzug des erlittenen Verlustes. Das Verlustrisiko wird so einzig von der austretenden versicherten Person und nicht von der Vorsorgeeinrichtung bzw. den verbleibenden Versicherten getragen.

8

Vgl. Art. 85 BVG.

1798

Obwohl die Vorsorgeeinrichtungen, die mehrere Anlagestrategien anbieten, ausschliesslich im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge tätig sind, muss für die Versicherten ein gewisser Schutz gewahrt bleiben. Darin war sich auch der überwiegende Teil der Vernehmlassungsteilnehmenden einig. Bietet ein Arbeitgeber einen solchen Vorsorgeplan an, so ist die Teilnahme für alle Arbeitnehmenden, die die objektiven Kriterien für die Aufnahme erfüllen, zwingend (gemäss dem Grundsatz der Kollektivität, Art. 1c BVV 2). Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann somit nicht wählen, ob er oder sie in dieser Vorsorgeeinrichtung versichert werden will oder nicht. Diese Tatsache rechtfertigt es, alle Vorsorgeeinrichtungen, die unterschiedliche Anlagestrategien anbieten, zu verpflichten, mindestens eine Strategie mit risikoarmen Anlagen anzubieten.

Der Begriff «risikoarm» ist unbestimmt und muss deshalb näher definiert werden.

Der Bundesrat wird beauftragt, auf Verordnungsebene zu definieren, welche Anlagen für diese Strategie in Frage kommen. Damit soll gewährleistet werden, dass diejenigen Versicherten, die keine grossen Risiken eingehen können oder wollen, aber in einer solchen Vorsorgeeinrichtung versichert sind, eine Anlagestrategie zur Auswahl haben, in der sie ihre Verlustrisiken auf ein Minimum reduzieren können.

Die Vorsorgeeinrichtung ist verpflichtet, die versicherte Person über die Risiken der einzelnen Anlagestrategien und die verschiedenen Anlagemöglichkeiten aufzuklären und sie vor übereilten Entscheiden zu warnen. Es muss auch Transparenz über die Kosten herrschen, welche die gewählte Strategie mit sich bringt. Die Vorsorgeeinrichtung hat dabei den Wissensstand, die Risikobereitschaft und die Risikofähigkeit der jeweiligen versicherten Person zu berücksichtigen. Die versicherte Person muss schriftlich bestätigen, dass sie von der Vorsorgeeinrichtung über all diese Punkte informiert wurde. Damit hält die Vorlage an den bereits im Vernehmlassungsverfahren vorgelegten umfassenden Informationspflichten der Vorsorgeeinrichtung fest.

Die Planmässigkeit und die Angemessenheit der Leistungen gehören zu den Grundprinzipien der schweizerischen beruflichen Vorsorge (vgl. Art. 1 Abs. 3 BVG).

Insbesondere die Angemessenheit ist darüber hinaus auch für die Stellung der schweizerischen beruflichen
Vorsorge im internationalen Verhältnis von grundlegender Bedeutung.9 Diese Grundsätze müssen auch von Vorsorgeeinrichtungen eingehalten werden, die mehrere Anlagestrategien anbieten.

Versicherte, die in der Hoffnung auf höhere Erträge bereit sind, auch ein höheres Verlustrisiko einzugehen, sollen bei einer guten Performance der Anlagen in den Genuss von höheren Leistungen kommen können als Versicherte, die weniger Risiko eingehen. Dies gehört zum Sinn und Zweck der Vorsorgelösungen mit Wahlmöglichkeit der Anlagestrategie. Es muss also erlaubt sein, dass die Vorsorgeleistungen höher als gemäss Plan ausfallen, wenn dies auf die Performance der gewählten Strategie zurückzuführen ist. Dabei muss aber das Prinzip der Angemessenheit der Leistungen respektiert werden. Auch wenn die Performance einer Strategie längerfristig gut ausfällt, müssen die Leistungen noch regelmässig innerhalb des Rahmens der Angemessenheit ausfallen. Nur bei einer ausnahmsweise unerwartet guten Performance darf die Vorsorgeleistung die Grenze der Angemessenheit überschreiten. Welche Performance bei gutem Verlauf erwartet werden darf, gehört im Allge9

Vgl. Stellungnahme des Bundesrats vom 20. August 2014 zur parlamentarischen Initiative «Stärkung der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen», Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates, BBl 2014 6649 ff., insbesondere 6654 f.

1799

meinen zu den Informationen, die die versicherte Person bei der Wahl der Strategie benötigt. Oft werden auch für Vermögensanlagen ausserhalb der beruflichen Vorsorge vergleichbare Anlagestrategien angeboten, sodass solche Informationen bereits existieren.

Da die Flexibilität bei der Wahlmöglichkeit von Anlagestrategien mit der aktuellen Gesetzesrevision steigt, muss der Bundesrat den Besonderheiten dieser Vorsorgelösung bei der Präzisierung der Grundsätze der Angemessenheit und der Planmässigkeit Rechnung tragen. Bei solchen Vorsorgelösungen wirkt sich die Performance der Anlagen nämlich viel stärker auf die Höhe der Vorsorgeleistungen aus als bei Vorsorgelösungen ohne Möglichkeit zur Wahl der Anlagestrategie. Bei Letzteren wird der Ertrag für eine Vielzahl von kollektiven Verwendungszwecken benötigt, insbesondere für die Äufnung von Wertschwankungsreserven, die nicht zuletzt gerade zur Sicherung der Mindestansprüche nach den Artikeln 15 und 17 FZG dienen. Bei Vorsorgelösungen mit Wahl der Anlagestrategie wirkt sich die Performance hingegen in aller Regel unmittelbar auf die Höhe der Vorsorgeleistungen aus.

Der Bundesrat wird deshalb die Grundsätze der Angemessenheit und der Planmässigkeit für Vorsorgeeinrichtungen, die verschiedene Anlagestrategien anbieten, in der Verordnung konkretisieren. Eine gesetzliche Grundlage dafür besteht bereits.10 Fallengelassen wurde die in der Vernehmlassungsvorlage stark kritisierte Verpflichtung, die schriftliche Zustimmung des Ehegatten oder der Ehegattin bzw. des eingetragenen Partners oder der eingetragenen Partnerin einzuholen, wenn die versicherte Person die Anlagestrategie wechselt. Dies erscheint gerechtfertigt, zumal das Guthaben in der Vorsorge gebunden bleibt und die Vorgabe mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden wäre.

1.5

Geprüfte alternative Lösungen

Als Alternative zu einer Strategie mit garantierter Mindestaustrittsleistung nach FZG wurde von vielen Vernehmlassungsteilnehmenden vorgeschlagen, die Vorsorgeeinrichtung zu verpflichten, mindestens eine Strategie anzubieten, welche den Nominalwert garantiert (Kapitalschutz: Mindestbetrag beim Austritt entspricht der Summe aller Einlagen und Sparbeiträge mit Zins 0 %). Diese Lösung wurde nicht übernommen, da damit die Probleme in der Umsetzung nicht gelöst und die Vorgaben der Motion nicht vollends durchgesetzt werden könnten: Das Verlustrisiko könnte zwar auf ein Minimum reduziert werden, aber es würde nach wie vor eine Garantie (Kapitalerhalt) bestehen, welche zu Verlusten für die Vorsorgeeinrichtung und damit für das verbleibende Versichertenkollektiv führen könnte. Damit bestünde auch weiterhin ein Risiko, Sanierungsmassnahmen durchführen zu müssen, und es müsste die Bildung von Wertschwankungsreserven vorgesehen werden.

Ebenfalls geprüft wurde die Möglichkeit, den Versicherten die Wahl zu lassen, ob sie in eine Vorsorgeeinrichtung, die unterschiedliche Anlagestrategien anbietet, eintreten oder ob ihr gesamter versicherter Lohn in jener (umhüllenden) Vorsorgeeinrichtung versichert werden soll, die den Lohn bis zum anderthalbfachen oberen Grenzbetrag versichert. Diese Lösung würde allerdings eine Neudefinition des Kollektivitätsprinzips mit sich bringen. Wenn ein Arbeitgeber eine Vorsorgeeinrichtung gründet oder einen Anschlussvertrag mit einer Vorsorgeeinrichtung abschliesst, 10

Vgl. Art. 1 Abs. 3 BVG.

1800

die unterschiedliche Anlagestrategien nach Artikel 1e BVV 2 anbietet, sind Arbeitnehmende, welche die objektiven Kriterien für die Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung erfüllen ­ üblicherweise eine bestimmte Lohnhöhe ­, zwingend in dieser Einrichtung versichert (Art. 1c BVV 2). Würde man den Arbeitnehmenden die Wahl lassen, ob sie in diese Vorsorgeeinrichtung eintreten möchten oder nicht, hätte dies eine Aufhebung des Kollektivitätsprinzips für diese Vorsorgeform zur Folge. Zudem müsste die umhüllende Vorsorgeeinrichtung, die bei Bestehen einer rein überobligatorischen Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers üblicherweise nur Löhne bis zu einer bestimmten Höhe versichert, verpflichtet werden, auch höhere Löhne zu versichern, um eine Gleichbehandlung sämtlicher Arbeitnehmenden sicherzustellen.

Dies würde nicht zuletzt den mit solchen Modellen verbundenen Absichten der Arbeitgeber zuwiderlaufen.

Bereits in der Vernehmlassungsvorlage hatte der Bundesrat die Idee verworfen, Artikel 1e BVV 2 wieder aufzuheben, und auf diese Weise die Probleme in der Umsetzung der Bestimmung zu lösen. Das Ergebnis der Vernehmlassung hat diesen Entscheid bestätigt, nur wenige Teilnehmende hätten diese radikale Lösung unterstützt.

Von Seiten der Steuerbehörden wurden in der Vernehmlassung Bedenken vorgebracht, dass bei stark schwankenden Anlagen Verluste jeweils wieder eingekauft und von den Steuern abgezogen werden könnten. Sie schlugen deshalb vor, auf eine Mehrjahresbetrachtung abzustellen. Diese Lösung wurde von Spezialisten als zu kompliziert und in der Praxis schwierig umsetzbar kritisiert. Die Umsetzung wurde deshalb fallengelassen. Mit einer Konkretisierung des Grundsatzes der Angemessenheit kann Missbrauch besser verhindert werden.

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung wird die Motion 08.3702 («Motion Stahl») erledigt.

2 Art. 19a

Erläuterungen Ansprüche bei Wahl der Anlagestrategie durch die versicherte Person

Abs. 1: Vorsorgeeinrichtungen, die ausschliesslich Lohnanteile über dem anderthalbfachen oberen Grenzbetrag nach Artikel 8 Absatz 1 BVG versichern und unterschiedliche Anlagestrategien anbieten, dürfen von der Garantie der Mitgabe des Mindestbetrages gemäss den Artikeln 15 und 17 FZG abweichen. Sie können vorsehen, dass der effektive Wert des Vorsorgeguthabens im Zeitpunkt des Austritts mitgegeben wird.

Sämtliche anderen Vorschriften der beruflichen Vorsorge, insbesondere die allgemeinen Grundsätze von Artikel 1 Absatz 3 BVG und die Anlagevorschriften (Art. 71 BVG und Art. 49 ff. BVV 2), bleiben selbstverständlich auch für diese Vorsorgeeinrichtungen sinngemäss anwendbar (vgl. Ziff. 1.1.1). Wenn ein Arbeitgeber einen Vorsorgeplan mit unterschiedlichen Anlagestrategien anbietet, so wird die Teilnahme für alle Arbeitnehmenden, welche die objektiven Kriterien für 1801

die Aufnahme in einen solchen Plan erfüllen, zwingend (Kollektivitätsprinzip).

Nicht alle Arbeitnehmenden sind aber bereit oder fähig, ein grösseres Risiko bei der Anlage ihres Vorsorgeguthabens einzugehen. Um das Verlustrisiko für diese Versicherten möglichst gering zu halten, wird die Vorsorgeeinrichtung deshalb verpflichtet, mindestens eine Strategie mit risikoarmen Anlagen anzubieten. Der unbestimmte Rechtsbegriff der «risikoarmen Anlage» soll auf Verordnungsebene näher umschrieben werden. Die Bestimmung wird sich dabei insbesondere an Artikel 53 Absatz 1 Buchstaben a und b BVV 2 anlehnen.

Abs. 2: Die Vorsorgeeinrichtung muss die versicherte Person darüber informieren, dass sie bei der Wahl einer Anlagestrategie gewisse finanzielle Risiken eingeht.

Diesbezüglich hat die Vorsorgeeinrichtung eine Informationspflicht ähnlich wie diejenige einer Bank. Die Informationspflicht der Vorsorgeeinrichtung beinhaltet unterschiedliche Aspekte wie die Pflicht zur Aufklärung, Warnung, Anzeige, Beratung oder auch Empfehlung. Analog der Rechtsprechung über die auftragsrechtliche Sorgfalts- und Treuepflicht11 hat die Vorsorgeeinrichtung sich über den Wissensstand, die Risikobereitschaft und die Risikofähigkeit der versicherten Person zu informieren. Die versicherte Person muss über die Risiken aufgeklärt, über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten beraten und vor übereilten Entscheiden gewarnt werden. Die Informationen müssen der Sachkenntnis der versicherten Person angepasst sein. Die versicherte Person muss zudem ausdrücklich auf die zusätzlichen Kosten, welche mit ihrer Wahl der Strategie verbunden sind, hingewiesen werden.

Die Bestimmung verlangt deshalb auch eine schriftliche Bestätigung der versicherten Person, dass sie die entsprechenden Informationen erhalten hat, bevor sie sich beim Eintritt für eine Anlagestrategie entscheidet. Dasselbe gilt, wenn sie die Anlagestrategie wechselt. Wenn nur noch der effektive Wert mitgegeben werden muss, ist es möglich, dass das Vorsorgeguthaben geschmälert wird. Dessen muss sich die versicherte Person bewusst sein.

Abs. 3: Die Austrittsleistung wird nach Artikel 2 Absatz 3 FZG beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig und muss bis zur Überweisung an die zuständige neue Vorsorgeeinrichtung mit dem Mindestzins verzinst werden. Macht die versicherte Person
keine Angaben, auf welche Einrichtung die Austrittsleistung übertragen werden soll, so kann die Vorsorgeeinrichtung diese frühestens nach sechs Monaten an die Auffangeinrichtung überweisen (Art. 4 Abs. 2 FZG). Damit hätte die Vorsorgeeinrichtung die Verpflichtung, während einer gewissen Zeit den Mindestzins zu erwirtschaften und der versicherten Person mitzugeben. Da die Vorsorgeeinrichtungen, die gemäss Artikel 1e BVV 2 mehrere Anlagestrategien anbieten, überhaupt keine Verzinsung vorsehen müssen, wäre es inkonsequent, den Grundsatz der durchgehenden Verzinsung anzuwenden und damit erneut ein Risiko für die Vorsorgeeinrichtung und die bleibenden Versicherten zu schaffen. Deshalb ist der zweite Satz von Artikel 2 Absatz 3 FZG für diese Vorsorgeeinrichtungen nicht anwendbar. Hingegen bleibt Artikel 2 Absatz 4 FZG anwendbar. Wenn also sämtliche Angaben vorhanden sind und die Vorsorgeeinrichtung mit der Überweisung in Verzug gerät, trägt sie das Risiko und schuldet einen Verzugszins.

11

Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 2008, 4C.68/2007, E. 7.1.

1802

3

Auswirkungen

3.1

Personelle und finanzielle Auswirkungen

Die vorgeschlagene Gesetzesbestimmung hat keine personellen und finanziellen Auswirkungen auf Bund und Kantone. Für die Vorsorgeeinrichtungen fallen demgegenüber zusätzliche Verwaltungskosten an, wenn mehrere verschiedene Anlagestrategien angeboten und bewirtschaftet werden. Nebst der Mehrarbeit und den zusätzlichen Verwaltungskosten muss mit einer spürbar höheren Komplexität des Systems gerechnet werden. Dies ist jedoch der Preis, der bezahlt werden muss, um den im Rahmen der 1. BVG-Revision ausgesprochenen Wunsch des Parlaments nach einer gewissen Individualisierung der Vorsorge zu respektieren. Die entsprechenden Mehrkosten müssen von den Versicherten getragen werden, die eine individuelle Anlagestrategie gewählt haben.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Es sind keine besonderen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft absehbar.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201212 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201213 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Anlass für die vorliegende Revision war insbesondere die Motion Stahl vom 3. Oktober 2008 (08.3702 «Anpassungen des Freizügigkeitsgesetzes und des Sicherheitsfonds»).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Für die Regelung dieser spezifischen Frage der Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge stützt sich der Bund auf Artikel 113 der Bundesverfassung14. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist verfassungskonform ausgestaltet.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Entwurf ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, insbesondere mit der Richtlinie 98/49/EG des Rates vom 29. Juni 199815 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die 12 13 14 15

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 101 ABl. L 209 vom 25.7.1998, S. 46.

1803

innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern. Auf diese Richtlinie wird in Anhang II des Abkommens vom 21. Juni 199916 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit Bezug genommen.

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf sieht vor, dass die Definition, welche Anlagen als risikoarm gelten (Art. 19a Abs. 1 E-FZG), an den Bundesrat delegiert wird. Der Bundesrat hat zudem bereits nach geltendem Recht den Auftrag, die Grundsätze der Angemessenheit und der Planmässigkeit zu konkretisieren (Art. 1 Abs. 3 BVG).

5.4

Vereinbarkeit mit der Datenschutzgesetzgebung

Die vorgeschlagene Änderung stellt datenschutzrechtlich kein Problem dar.

16

SR 0.142.112.681

1804