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Schweizerisches Bundesblatt.

47. Jahrgang. I.

Nr. 7.

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13. Februar 1895.

Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der Schweizerischen Petroleumhandelsgesellschaft in Zürich gegen die Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 30. Mai 1894, betreffend den Detailverkauf von Petroleum mittelst Zuführens der Ware ins Haus (Art. 31 der Bundesverfassung).

(Vorn 5. Februar 1895.)

Der schweizerische Bundes rat hat über den Rekurs der S c h w e i z e r i s c h e n P e t r o l e u m h a n d e l s g e s e l l s c h a f t in Zürich gegen die Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 30. Mai 1894, betreffend den Detailverkauf von Petroleum mittelst Zuführens der Ware ins Haus (Art. 31 der Bundesverfassung); auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e D. B e s ch l u ß g e f a ß t : A.

In thatsäch lieh er Beziehung wird festgestellt: I.

Die Schweizerische Petroleumhandelsgesellschaft in Zürich gelangte im Frühjahr 1894 mit dem Gesuche an den Regierungsrat des Kantons Bern, es möchte ihr bewilligt werden, in Bern oder Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. I.

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in der Umgebung ein Magazin zur Aufbewahrung von Petroleum zu errichten und den Detailverkauf von Petroleum an Private durch Herumfahren von Petrolwagen in der Stadt und Abgabe von gefüllten Petrolkannen in die Häuser zu beireiben. Der Gemeinderat von Bern und das Regierungsstatthalteramt beantragten, diesem Gesuche unter gewissen Bedingungen zu entsprechen, während eine mit 86 Unterschriften bedeckte Vorstellung der Petrolverkäufer der Stadt Abweisung desselben verlangte, indem sie geltend machte, es würde ein solcher Geschäftsbetrieb den bisherigen Detailhandel mit Petrol in der Stadt total ruinieren, ohne daß doch damit irgend welcher Vorteil für das konsumierende Publikum oder den Staat verbunden wäre.

Der Regierungsrat wies am 30. Mai 1894 das Gesuch gestützt auf § 7, litt, c, des Gesetzes vom 24. März 1878 über den Gewerbebetrieb im Umherziehen ab. Er ließ sich hierbei von folgenden Momenten leiten : Das Charakteristische der neuen Art des Petrol Verkaufs liegt nach der eigenen Darstellung der Gesuchstellerin darin, daß die Kunden nicht mehr zum Bestellen und Beziehen von Petrol in die Magazine zu gehen brauchen, sondern ruhig warten können, bis der Petrolwagen vor ihrer Thüre hält und sie die Ware ins Haus geliefert bekommen. Daraus ergiebt sieh aber ohne weiteres, daß, sobald einmal die Bewilligung zu einer derartigen Verkaufsmethorie erteilt wäre, das Publikum sieh nicht mehr die Mühe nehmen würde, das Petrol zum voraus mündlich oder schriftlich zu bestellen, sondern einfach die Ankunft des Petrolwagens abwarten und dann von diesem das ihm beliebige Quantum Petrol beziehen würde. Gesetzt, man würde nach dem Vorschlag des Gemeinderates von Bern zur Bedingung machen, daß nur auf vorherige Bestellung Petrol in den Häusern abgegeben werden dürfe, so wäre es für die Polizei ein Ding der Unmöglichkeit, die Erfüllung dieser Bedingung zu kontrollieren. Es verhält sieh damit, gerade wie mit den in der Stadt cirkulierenden Bierwasen zum Verkaufe von Flaschenbier. Auch O die Unternehmer d i e s e r Geschäfte geben vor, nur auf Bestellung hin Bier an die Kunden zu liefern. Es ist aber bekannt genug, daß die Führer der Wagen nicht im geringsten Anstand nehmen und auch, sobald man einmal diese Wagen cirkulieren läßt, auf keine Weise daran verhindert werden können, an jedermann selbst ohne vorherige
Bestellung beliebige Quanten von Flaschenbier abzugeben und dadurch das Verbot dos Hausierens mit geistigen Getränken zu übertreten. Wollte man aber etwa einwenden, es genüge zur Beobachtung des Gesetzes eine einmalige unbestimmt lautende Bestellung in dem Sinne, daß man den Willen ausspriclit..

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seinen Bedarf an dem fraglichen Artikel jeweilen i u gewissen Quantitäten von diesem ambulanten Wagen zu beziehen, so wäre mit einer solchen Auslegung offenbar der Umgebung des Hausiergesetzes uaeh allen Richtungen hin Thür und Thor geöffnet, und es könnte von Handhabung desselben keine Rede mehr sein. Der Regierungsrat konstatiert also, daß die von der Petroleumhandelsgesellschaft verlangte Bewilligung unvermeidlieherweise einen hausiermäßigen Vertrieb der Ware in sich schließt. Da nun das Petrol zu den leicht entzündbaren, explosionsfähigen Stoffen gehört, und diese Stoffe gemäß § 7, litt, c, des Hausiergesetzes vom Verkaufe im Umherziehen ausgeschlossen sind, so folgt schon daraus allein, daß das Gesuch der Schweizerischen Petroleumhandelsgesellschaft nicht bewilligt werden kann.

Die Regierung fragt sodann, ob etwa das Projekt der Gesuchstellerin für das gemeine Wesen hervorragende Vorteile biete, gegen welche das erwähnte gesetzliche Hindernis nicht in die Wagschale fallen dürfe.

Auf die Andeutung in der Vorstellung der Petrol v er käu {'er der Stadt Bern, es hange die schweizerische Petroleumhandelsgesellschai't vermutlich mit der amerikanischen Standard Oil Company oder der deutsch-amerikanischen Petroleumgesellschaft in Bremen /.usammen und sei nichts anderes, als ein nach der Schweiz vorgeschobenes Glied des bekannten internationalen Rings, welcher sich die Monopolisierung des Petrolhandeis in den Händen weniger Großspekulanten zum Ziele setzt, glaubt zwar die Regierung nicht näher eintreten zu müssen. Aber es muß zweierlei festgehalten werden : einmal, daß die Petentin eine Handelsgesellschaft ist und somit, wie allo Handelsgesellschaften, nicht auf Erreichung von Zwecken des gemeinen Wohls, sondern auf Gewinn ausgeht, und sodann, daß "der von ihr projektierte Geschäftsbetrieb ihr allerdings so ziemlich das Monopol des Kleinhandels mit Petrol in der Bundessladt, verschaffen müßte, indem sich von da an kaum mehr ein Privater bequemen würde, sein Petrol bei einem mehr oder minder entfernten Detailgeschäfte, statt von einem Wagen der Petentin, /u beziehen. Mit Rücksicht auf diese beiden Umstände wird es also sehr am Platze sein, die Behauptungen der Petentin von der Vortrefflichkeit und Gemeinnützigkeit ihres Unternehmens nicht kurzwcg als bewiesen hinzunehmen, sondern etwas näher zu beleuchten.
Die Petentin weiß vor allem dem von ihr projektierten Geschäftsbetriebe große Vorzüge in Hinsicht auf die Bequemlichkeit des Publikums und auf Vermeidung aller Feuersgefahr nachzusagen.

Die für die Kunden so außerordentlich angenehme direkte Zubringung des Petrols zu den Häusern und in die Häuser werde nämlich die

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Beseitigung zahlreicher mehr oder weniger mangelhaft eingerichteter Petroldepots der Stadt zur Folge haben, während das von ihr projektierte Centralreservoir, die Petrolwagen und die Kannen zur Abgabe des Petrols durchaus feuerfest erstellt werden und mithin allen und jeden Anforderungen der Feuerpolizei entsprechen sollen.

Es läge somit hier in der That ein Moment vor, welches vielleicht die Behörde bestimmen könnte, die Anwendung der oben erwähnten Vorschrift des Hausiergesetzes, die ja eben nur aus feuerpolizeilichen Gründen erlassen ist, als weniger geboten zu betrachten.

Allein dio Vorstellung der Petrolverkäufer der Stadt weist mit Recht darauf hin, daß diese angeblichen Vorzüge der Bequemlichkeit und der verminderten Feuersgefahr auch ihre recht bedenkliche Kehrseite haben. Bis jetzt versahen sich die Konsumenten mit Petrol bei den Verkaufsstellen der Stadt, welche sämtlich für den Vertrieb dieses Artikels unter besonderer polizeilicher Aufsicht stehen, nicht mehr als ein Originalgebinde vorrätig halten dürfen und für den Bezug vom Großhandel ihre eigenen zweckmäßigen Einrichtungen besitzen. Durch die bedeutende Zahl dieser Verkaufsstellen und ihre so ziemlich gleiche Verteilung; über alle Quartiere der Stadt ist den Kunden der Ankauf des Petrols bequem genug gemacht. Allerdings haben sie damit noch eine gewisse Mühe wegen des Transportes der Ware vom Verkaufsmagazine bis ins Haus; allein dies hat andererseits die gute Wirkung, daß gegenwärtig in den Privathäusern kaum mehr als das jeweilen für kurze Zeit nötige Quantum dieses feuergefährlichen Stoffes gehalten wird.

Wenn aber einmal die Petrolwagen der Gesellschaft den Häusern nachfahren, so ist zu fürchten, es möchte eben diese übergroße Bequemlichkeit des Bezugs, verbunden mit der nach uud nach eintretenden Unmöglichkeit, sich anderswo gut zu bedienen, das Publikum verleiten, bedeutende Quantitäten Petrol auf einmal einzuthun, so daß schließlich die größeren von der Polizei bewilligten und beaufsichtigten Petroldepots durch zahllose der Behörde unzugängliche Privatdepots ersetzt würden. Ein solcher Zustand der Dinge ist aber, feuerpolizeilich genommen, nicht nur nicht vorteilhaft, sondern nachteilig, und es muß daher auch betont werden, daß die Staatsbehörde, selbst abgesehen von dem Hindernis der Vorschrift des Hausiergesetzes, das
Recht hat, einen derartigen Geschäftsbetrieb zu untersagen, gestützt sowohl auf die Vorschriften der Feuerpolizei im allgemeinen, als auch namentlich auf die einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Gewerbegesetzes vom 7. November 1849 und der zugehörigen Vollziehungsverordnung vom 12. Juni 1865 über Aufbewahrung, Behandlung und Verkauf leicht entzündbarer und explosionsfähiger Stoffe.

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Bezüglich der von der Petentin hervorgehobenen größeren Garantie für das Publikum in Rücksicht auf Güte und Billigkeit der Ware dürfte es sich bei näherem Zusehen eher umgekehrt verhalten. Die richtige Gewähr für gute Beschaffenheit und billigen Preis der Ware liegt nach alter Erfahrung nicht in einem möglichst konzentrierten und monopolisierten Großbetriebe, sondern in einer vernünftigen Konkurrenz vieler kleinerer Betriebe, wie sie gegenwärtig bei uns besteht. Wenn daher auch die schweizerische Petroleumhandelsgesellschaft anfänglich in Bezug auf Preiswürdigkeit und Billigkeit ihrer Ware zu keinen Klagen Anlaß gäbe, so ist damit gar nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß sie späterhin, nach Beseitigung aller und jeder Konkurrenz und behufs Erzielung größerer Profite, die Preise zu erhöhen und in der Lieferung einer tadellosen Qualität nachzulassen beginnt, wo dann also den Behörden der Vorwurf nicht erspart bliebe, durch Erteilung der Bewilligung sowohl die hiesigen steuerzahlenden Handelsleute, als die übrigen Bürger zu gunsten einer fremden Gesellschaft geschädigt zu haben. Freilich könnte man, wie die Gemeindebehörde von Bern es vorschlägt, die Bedingungen der Bewilligung so stellen, daß die Petentin wenigstens gehalten wäre, ihren Gewinn dem Staate und der Gemeinde gehörig zu versteuern; allein damit wäre den übrigen Unzukömmlichkeiten der Sache und namentlich der den hiesigen Geschäftsleuten zugefügten Unbilligkeit nicht abgeholfen. Überhaupt muß schließlich bemerkt werden, daß es keineswegs im Berufe des Staates liegen kann, dergleichen privat-monopolistische Bestrebungen zu unterstützen, sondern daß es im Gegenteil seine Aufgabe ist, denselben nach Kräften zu wehren, weil sie nicht auf das gemeine Beste, sondern auf Schaffung übermäßiger Gewinne und Bereicherung weniger abzielen.

n.

Gegen diesen abweisenden Entscheid des bernischen Regierungsrates hat Herr Fürsprecher Sahli in Bern namens der Schweizerischen Petroleumhandelsgesellschaft in Zürich den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen. In dem Rekursmemorial vom 31. August 1894 wird auseinandergesetzt, was folgt: Die Schweizerische Petroleumhandelsgesellschaft in Zürich, eine von Schweizern mit schweizerischem Kapital gegründete Aktiengesellschaft, betreibt den Detail verkauf des Petroleums in der Weise, dflß jedem Haushalt, der es verlangt, das Petroleum in leihweise überlassenen, feuersichern, hermetisch verschlossenen, geeichten 4 Liter-Eisenblechkannen in die Wohnung geführt, die leergewordenen Kannen nach 8 Tagen oder in kürzerer Zeit, je nach Verbrauch

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uod Umständen, wieder abgeholt und durch frisch abgefüllte ersetzt werden.

Dieses Vertriebssystem ist bereits in den Städten Zürich, Basel, Lausanne und Winterthur zur Durchführung gebracht und hat wegen seiner außerordentlichen Bequemlichkeit für das Publikum überall Anklang und Erfolg gefunden, Die Verwaltung der Gesellschaft heabsichtigt nun, dem Geschäfte auch in der Stadt Bern Eingang zu verschaffen, und hat sich zur Erlangung der erforderlichen Einrichturigsbewilligung au den Gemeinderat und das Regierungsstatthalteramt Bern gewendet.

Die Einrichtung ist in der Weise vorgesehen, daß in der Umgebung von Bern ein kleines, aber fortwährend frisch aufgefülltes Lager von Petroleum, in starken, eisernen Reservoirs gefaßt und diese durch einen solid gebauten Schuppen verwahrt, an einem Stumpengeleise errichtet wird. Von diesen Reservoirs aus (das eine 2, das andere 3 Waggons im Maximum haltend) werden durch patentierte Abfüllapparate die 41itrigen Kannen abgefüllt und in den extra dafür gebauten Verteilungswagen von diesem Depot den Abnehmern in der Stadt zugeführt.

Das Gesuch wurde sowohl vom Gemeinderate als vom Regierungsstatthalteramte günstig aufgenommen und unter gewissen Bedingungen zur Genehmigung empfohlen.

Allein eine Vorstellung der PetrolVerkäufer der Stadt Bern erhob gegen die drohende Konkurrenz Opposition, indem sie geltend machte, der von der Petentin beabsichtigte Geschäftsbetrieb würde den bisherigen 'Petrolhandel in der Stadt Bern total ruinieren, ohne dem konsumierenden Publikum irgend welchen Vorteil zu bringen.

Diese Vorstellung verfehlte denn auch den gewünschten Eindruck nicht: die Regierung ließ sich bestimmen, das Gesuch der Gesellschaft abzuweisen.

Es ist nun nicht daran zu zweifeln, daß die augedeutete d r o h e n d e K o n k u r r e n z als das eigentliche Motiv der angefochtenen regierungsrätlichen Sehlußnahme anzusehen ist. Solange aber die Eidgenossenschaft und die Kantone auf dem Boden der Handels- und Gewerbefreiheit stehen, kann der f r e i e W e t t b e w e r b keinen Grund oder Vorwand zur Verweigerung einer Handelsoder Gewerbeausübung abgeben; denn gerade in diesem freien Wettbewerb besteht das W e s e n der Handels- und Gewerbefreiheit.

Wenn also die Eingabe der Petrolhändler den voraussichtlichen Ruin ihres Petrolgeschäfts durch den von der Rekurrentin beabsichtigten Geschäftsbetrieb als Grund zur Verweigerung der Bewilligung aufführt, so muß einem solchen Motive von vorneherein

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jede Berechtigung abgesprochen werden. Die Eiusprecher bedenken nicht, welch wertvolles Geständnis sie damit zu gunsten der Rekurrentin ablegen, das Geständnis nämlich, daß der von ihr in Aussieht genommene Geschäftsbetrieb auf dem Platze Bern so große Vorteile und Annehmlichkeiten bietet, daß das Publikum sieh notwendig demselben anschließen werde. -- Und ebensowenig bedenken sie, in welch offenbaren Widerspruch sie geraten, wenn sie einerseits den Ruin ihres Petrolgesehäftes voraussetzen und anderseits bestreiten, daß das konsumierende Publikum einen Nutzen in dem Betriebe der rekurrierenden Gesellschaft fände. Da sie selber überzeugt sind, daß das Publikum dem Geschäfte der Rekurrentin sieh zuwenden werde, so liegt es auf der Hand, daß letzteres dem Publikum Vorteile bietet; denn der Konsument weiß am besten, was ihm dient. -- In der That ermöglicht der rationelle und sparsame Betrieb dieses alleinigen Handelsartikels der Rekurrentin, das Petroleum zu erheblich billigern Verkaufspreisen abzugeben, und kommt dazu noch die bequeme Art des Bezuges, so ist es nicht zu verwundern, wenn die Haushaltungen diesen Modus als eine wahre Wohlthat empfinden. Indem die stadtbernisehen Petrolhändler sich diese Konkurrenz vom Leibe zu halten suchen, beanspruchen sie geradezu ein Monopol für sich selbst und stellt sieh praktisch die Frage so, ob dem Interesse einiger Spezereihändler zuliebe das ganze Publikum einer vorteilhaften Einrichtung beraubt und die Handels- und Gewerbefreiheit aufgehoben werden .solle?

Es fragt sieh nun, ob der bernische Regierungsrat zur Begründung seines abweisenden Entscheides sich auf ein zutreffendes kantonales Gesetz berufen könne, welches unter die nach Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung zulässigen ,,Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben"1 fällt. Er beruft sich diesbezüglich auf das bernische Hausiergeselz vom 24. März 1878, welches für das Hausieren eine besondere Bewilligung erfordert und leicht entzündbare, explosionsfähige Stoffe vom Hausierhandel ausschließt (§§ 4 und 7, litt. c).

Nun bestreitet aber die Rekurrentin des bestimmtesten, daß ihr Geschäft unter den Begriff des H a u s i e r e n s , resp. des G e w e r b e b e t r i e b e s itn Umherziehen falle, wie das bernische Gesetz sich ausdrückt.

Die Schweizerische Petroleumhandelsgesellschaft hat Lagerräume
und Bureaux an den Plätzen, die sie bedient; ihr Betrieb hat mit dem Hausieren wenig Ähnlichkeit, indem sie nur auf Bestellung eines angemeldeten Abonnenten die Ware je nach Bedarf in dessen Domizil liefert und diese Lieferungen gleichmäßig wieder-

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holt. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß man unter Hausieren etwas ganz anderes versteht, denn die Geschäftsmethode der Rekurrentin wird ja bereits ganz, allgemein praktiziert. Bringen nicht die Lieferanten der unentbehrlichsten Lebensmittel, die Bäcker, Metzger, Milchhändler, ihre Ware regelmäßig den Kunden ins Haus? Niemand denkt daran, diesen Vertrieb als ,,Hausierhandel oder ,,Gewerbebetrieb im Umherziehen" zu behandeln. Der Unterschied besieht eben darin, daß der Lieferant sich nicht, wie der Hausierer, den Konsumenten u n b e r u f e n a u f d r ä n g t , sondern den Gegenstand des regelmäßigen Bedarfs auf A b r e d e hin dem Abnehmer zu dessen Bequemlichkeit überbringt. Gleich verhält es sich mit den allgemein üblich gewordenen B i e r w a g e n , welche ebenfalls regelmäßig cirkulieren und den Kunden die gewünschte Anzahl Flaschen ins Domizil liefern, unter gleichzeitiger Auswechslung der geleerten Flaschen. Dieser Biervertrieb entspricht genau der Geschäftsweise der Petroleumhandelsgesellschaft, und man wird auch zugeben, daß das Petroleum ein ebenso unentbehrlicher Verbrauchsartikel für die Haushaltung ist, wie das Bier. -- Der Regierungsrat hat denn auch eingeseheu, daß die Analogie vollkommen zutrifft; um aber der daraus folgenden Konsequenz zu entgehen, behilft er sich mit der Bemerkung: die Behörde dürfte früher oder später in den Fall kommen, ,,gegen diese von ihr niemals bewilligte und die berechtigten Verkäufer schädigende Bierverkauf'sweise die gutscheinenden Maßregeln zu ergreifen"1. Mit diesen Maßregeln wird es gute Wege haben; sie werden nie erfolgen, und mit Recht; denn das Publikum läßt sich eine als zweckmäßig und dienlich erkannte Einrichtung nicht durch bureaukratische Eingriffe so leicht wieder wegdekretieren.

Wenn sodann die Regierung auf die V o r a u s b e s t e l l u n g besonders Gewicht zu legen scheint und geltend macht, dieselbe entziehe sich der Kontrolle, so gilt dies in gleicher Weise auch von den obenerwähnten Bäckern, Metzgern, Milchmannen u. s. \v. Eine besondere Form der Bestellung existiert nicht; es genügt zum Unterschied vom Hausieren die Thatsache, daß die Lieferung a u f v o r h e r i g e s E i n v e r s t ä n d n i s hin erfolgt. Im täglichen Verkehr macht sich gar manches Geschäft ohne Form, sogar ohne Worte. Die Hauptsache ist eben das Einverständnis.
Man scheint auch zu befürchten, durch die Betriebsweise der Rekurrentin werde eine Art Monopol, ein Vorrecht für den Pelrolhaodel geschaffen. -- Dieser Einwand zeugt von einer völligen Verkennung der Thatsachen. Niemand verhindert ja die übrigen Petroleumhändler, die gleiche Verkaufsmethode einzuführen und somit unter gleichen Bedingungen die Konkurrenz zu bestehen. Ja, es kann

253 sogar aus eigener Erfahrung bezeugt werden, daß in der Stadt Bern, besonders aber in den Außenquartieren, das regelmäßige Überbringen des Petroleums, sowie von Spezereiwaren aller Art, seitens der Verkäufer an die Kunden zu den üblidhen Gepflogenheiten gehört. Es ist auch gar nicht einzusehen, weshalb diese Praxis, die den Kunden um der Bequemlichkeit willen zusagt, nicht statthaft sein sollte, so gut wie für andere Artikel des täglichen Verbrauchs, Milch, Brot u. s. w. -- Allein die Thatsache beweist, daß die von der Rokurrentin beabsichtigte Vertriebsweise bereits ohne Anstand praktiziert wird; auf keinen Fall aber kann die Rede sein von einem monopolistischen Vorrecht, da es jedem Händler freisteht, nach der gleiche Methode zu verfahren.

Etwas anderes wäre es, wenn die Rekurrentin eine K o n z e s s i o n für ihren Betrieb, im Sinne eines A u s s c h l u s s e s gleichartiger Geschäfte, in Anspruch nähme. Davon ist ja aber gar keine Rede. Es wird nichts verlangt als freie Konkurrenz, freie Ausübung von Handel und Gewerbe, wie sie in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistet ist.

Es kann also das Hausiergesetz vom 24. März "1878 auf den vorliegenden Fall nicht Anwendung finden, und damit fällt auch jeder Vorwand zur Verweigerung des nachgesuchten Geschäftsbetriebes dahin.

Wohl gestattet die Bundesverfassung (Art. 31, litt, e) den Kantonen ,,Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben11: allein ,,diese Verfügungen dürfen den Grundsatz der Handels- und G o ewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen". -- Wenn auch zugegeben werden muß, daß diese Verfassungsbestimmung der Interpretation einen ziemlichen Spielraum gewährt, so hat hinwieder die bundesrechtiiuhe Praxis derselben die richtigen Wege gewiesen und dargethan, welche Art von ,,Verfügungen" 1 den Kantonen überlassen sind. Umsonst sucht man aber in der bundesrechtlichen Judikatur einen Fall, wo den Kantonen gestattet wäre, unter dem Vorwande von ^Hausierhandel" einer Handelsfirma den Geschäftsbetrieb zu verweigern, wenn es sich nicht um wirkliches Hausieren handelte.

Die Kantone können Beschränkungen von Handel und Gewerben aufstellen aus sittenpoli/eilichen, sanilätspolizeilichen und andern Gründen des öffentlichen Wohles, aus Gründen der Steuerhoheit sogar; sie dürfen beispielsweise die Ausübung des Hausierhandels an Steuern
oder Patenttaxen knüpfen, sofern dieselben nicht übertrieben sind und einem Verbote gleichkommen, mit andern Worten : ,,sofern sie den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen"'. Allein es steht ihnen nicht zu, ein Handels-

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geschäft unter dem V o r w ä n d e , daß es zum Hausierhandel gehöre, mit Interdikt zu belegen, wenn die Voraussetzung des Hausierhandels gar nicht gegeben ist (von Salis, Schweizerisches Bundesrecht, II, Seite 225). Hierin liegt offenbar eine Beeinträchtigung der garantierten Handels- und Gewerbefreiheit.

Wenn die Rekurrentin sich bei den bernischen Behörden um eine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb beworben hat, so geschah es keineswegs auf Grund des mehrerwähnten Hausiergesetzes, sondern lediglich aus feuerpolizeiliehen Gründen. Das kantonale Gewerbegesetz vom 7. November 1849 verlangt nämlich für "alle Anlagen zu Aufbewahrung leicht explodierender, entzündbarer Stoffe" die Einholung einer-Bau- oder Einrichtungsbewilligung (§ 14, Ziff. 3, litt. Ä, 1. cit., und Verordnung vom 12. Juni Ib65, Art. 2, litt. a). -- Diesbezüglich können also bloß feuerpolizeiliche Gründe in Bei rächt kommen, und hat die Behörde bloß zu untersuchen, ob die Einrichtungen der Rekurrentin den Anforderungen der Feuersieherheit entsprechen. Die Rekurrentin stellt nun als Thatsache fest und anerbietet den Beweis, nicht nur, daß ihre Betriebseinrichtung diesen Anforderungen entspricht, sondern daß sie denselben in viel höherm Maße entspricht, als die Aufbewahrungsweise der Spezereihändler in der Stadt Bern.

Vorerst sind es die oben beschriebenen, in der Umgegend der Stadt gelegenen, starken, eisernen Reservoirs, welche vollständigen Schutz gegen Feuersgefahr und jedenfalls mehr Sicherheit bieten, als die in Bern gewöhnlichen Fässerlager. Damit in VerbindungStehen die ebenfalls feuersichern Verteilungswagen und die hermetisch verschlossenen Kannen, welche den Abnehmern zugestellt werden, um zusammen ein System zu bilden, das puncto Sicherheit des Lagerns, Transportes und der Aufbewahrung im Haus die Garantien des bis jetzt Bestehenden unendlich übertrifft.

Der Einwand der Regierung, daß die jetzt existierenden, von der Polizei bewilligten und beaufsichtigten Depots durch zahllose, der Polizeikontrolle unzugängliche Privatdepots ersetzt wurden, scheitert schon an der Erwägung, daß diese Privatdepots von jeher bestanden haben, aber erst durch das ausgezeichnete Material der Rekurrentin in feuersichere umgewandelt werden. Die angebliche Befürchtung, es möchte die ,,übergroße Bequemlichkeit des Bezugs" das Publikum verleiten,
bedeutende Quantitäten Petrol auf einmal einzuthun, hat um so weniger Grund und innere Wahrscheinlichkeit, als im Gegenteil das Verteilungssystem der Rekurrentin sie in die Notwendigkeit versetzt, die dem Konsumenten überlassenen Kannen so schnell wie möglich gegen volle umzuwechseln; ein Überlassen von größern Quantitäten bedingt langsameres Zurück-

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kommen des Fassungsmaterials und würde eine solche Unzahl von Kannen erfordern, daß deren Erstellungskosten in keinem Verhältnisse zu dem zu erzielenden Umsätze stehen und das Gelingen des Unternehmens in Frage stellen würden. Es liegt demncich in der Natur des Betriebes der Rekurrentio, die Abonnenten in kürzesten Zwischenräumen neu zu versorgen, um ein rapides Wechseln des Materials zu erreichen.

In Basel, Zürich, Winterthur und Lausanne, wo die Geschäftseinrichtungen der Rekurrentin seit mehr als Jahresfrist funktionieren, ist man auch vom Standpunkte der Feuerpolizei von denselben durchaus befriedigt und würde sie inskünftig ungern vermissen.

Es kann dies durch Informationen an amtlicher Stelle mit Leichtigkeit konstatiert werden.

Die Rekurrentin faßt ihre Ausführungen dahin zusammen: 1. Der'Geschäftsbetrieb derselben ist k e i n H a u s i e r h a n d e l und fällt deshalb nicht unter die Bestimmungen des bernischen Hausiergesetzes.

2. Eine Bewilligung zum Geschäftsbetriebe in Bern ist nur erforderlich aus Gründen der F e u e r p o l i z e i , und diese Bewilligung ,,darf nicht v e r w e i g e r t werden, sofern allen polizeil i c h e n V o r s c h r i f t e n e i n G e n ü g e g e l e i s t e t w i r d " (Gesetz über das Gewerbewesen vom 7. November 1849, §§ 14 und 15 a. B.).

3. Das letztere ist konstatiert durch die Empfehlungen des Gemeinderates von Bern und des Regierungsstatthalteramtes Bern.

4. Der durch vermeintliche Opportunitätsgründe veranlaßt?.

Abschlag des bernischen Regierungsrates involviert daher einen Eingriff in die durch die B u n d e s v e r f a s s u n g garant i e r t e H a n d e l s - und Ge w e r b e fr e i h e i t (Art. 31 der Bundesverfassung).

Gestützt auf das Angebrachte stellt die Rekurrentin den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides der Berner Regierung vom 30. Mai 1894.

O

III.

In seinem Vernehmlassungsschreiben vom 9. Oktober 1894 bezieht sich der Regierungsrat des Kantons Bern auf die in seinem Entscheide enthaltenen Motive und fügt denselben folgende ergänzenden Bemerkungen bei :

256 4. Bezüglich der Anwendung des Hausiergesetees.

Die Rekurrentin muß selbst einräumen, daß bei ihrem Geschäftsbetrieb ausdrückliche Vorausbestelluogen nicht stattfinden; sie meint, das sei auch nicht nötig, indem das Einverständnis zwischen Käufer und Verkäufer genüge. Diese Theorie hat jedenfalls den Vorzug' der Neuheit für sich, nicht aber den der Logik. Wenn es für die Beurteilung des vorliegenden Falles und aller analogi-n Fälle lediglich auf das Einverständnis zwischen Käufer und Verkäufer und auf das Vorhandensein einer Kundschaft ankommt, so folgt daraus nicht, daß der Geschäftsbetrieb der Rekurrentin ein anderer ist, als der eines Hausierers, sondern daß es zwischen Hausierhandel und gewöhnlichem Handel gar keinen wesentlichen Unterschied mehr giebt.

Denn auch der gewöhnliche Hausierer genießt für den Vertrieb seiner Ware des Einverständnisses mit dem Käufer: ohne solches ist überhaupt gar kein Handel, kein Kauf und Verkauf möglich.

Ferner sucht auch der gewöhnliche Hausierer nicht stets neue Kunden auf, sondera er gewinnt allmählich eine ständige Kundschaft, bei welcher er zum voraus auf ziemlich regelmäßigen Absatz seiner Artikel rechnen darf. Deswegen fällt es ihm aber gewiß nicht ein, zu behaupten, er sei nun kein Hausierer mehr. Wer zu viel beweisen will, beweist gar nichts. Ebensowenig kann der Unterschied zwischen dem Geschäftsbetrieb der Schweizerischen Petroleuingesellschai't und dem eines gewöhnlichen Hausierers etwa darin gefunden werden, daß jene ihre Kunden aus einem großartigen Centralmagaziii versehen will, während dieser mit dem Warenballen auf dem Rücken den Kunden nachgeht. Denn auch der gewöhnliche Hausierer hat, zu Hause seinen Warenstock, den er von Zeit zu Zeit erneuern muß, und aus welchem er seine Kunden bedient. Das eigentliche Charakteristikum des Hausierhandels hat mit allen diesen Punkten nichts zu schaffen, sondern liegt darin, daß bei dem Hausierhandel der Verkäufer den Käufer aufsucht, während bei dem gewöhnlichen Handel das Umgekehrte der Fall ist, und ebeu dieses Kennzeichen trifft auf den Geschäftsbetrieb der Rekurrentin vollkommen zu. Es ist übrigens wohl zu merken, daß das bernische Gesetz selbst schon seinem Titel nach nicht nur die Kleinhausiererei treffen will. sondern den Gewerbebetrieb im Umherziehen, und daß der in Frage stehende Passus des
Gesetzes nicht, etwa bloß sagt, das Hausieren im landläufigen Sinne des Wortes sei für Petrol und dergleichen verboten, sondern es seien leicht entzündbare und explosionsfähige Stoffe vom Verkaufe im Umherziehen ausgeschlossen.

Die Rekurrentin wendet sodann noch ein, das Verbringen der Ware in die Häuser könne doch kein Grund zur Abweisung ihres Gesuches sein, indem ja sonst auch das überall gebräuchliche Zu-

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tragen von Lebensmitteln in die Häuser verboten werden müsse; sie verschweigt aber dabei wohlweislich den Umstand, daß das bernische Gesetz in § 8 das Hausieren mit den gewöhnlichsten Lebensmitteln ebenso ausdrücklich gestattet, als es hingegen in § 7 dasjenige mit feuergefährlichen Stoffen untersagt. Nicht minder schief ist endlich die Berufung der Rekurrentin auf den hausierrnäßigen Verkauf von Flaschenbier. Derselbe ist durch das bernische Gesetz gleichfalls untersagt, und wenn die Ortspolizeibehördeu diesem neuerdings eingerissenen Mißbrauche bis jetzt mehr oder weniger müßig zugesehen haben, so ist einfach zu bemerken, daß eine Unordnung die andere nicht rechtfertigt und daß das weitere die Petrolgesellschaft in Zürich nichts angeht. Der Regierungsrat konstatiert somit neuerdings, daß die mehrerwähnte gesetzliche Vorschrift betreffend den Verkauf feuergefährlicher Stoffe ihrem Sinn und Wortlaute nach genauestens auf den von der Petentin beabsichtigten Geschäftsbetrieb zutrifft, und daß er folglich, gestützt auf diese Vorschrift, nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hatte, das Gesuch abzuweisen.

S. Bezüglich der angeblichen Bewahrung der stadtbernischen Petrolhändler vor einer unliebsamen Konkurrenz.

Hierauf ist zu erwidern, daß der Regieruugsrat sich allerdings gestattet hat, zu betonen, wenn eine Handel treibende und also auf {·rewinn gerichtete Gesellschaft zur Empfehlung eines schon au sich fragwürdigen Begehrans die Rücksichten der Gemeinnützigkeit in den Vordergrund stelle, so könne sie hierfür nicht ohne weiteres vollen Glauben beanspruchen, sondern müsse sieh gefallen lassen, daß man diese Behauptung von der gemeinen Nützlichkeit ihres projektierten Geschäftsbetriebes etwas näher untersuche. Dies ist nun im Entscheide geschehen, und zwar, wie der Regierungsrat zugiebt, unter anderm auch in Würdigung einer von den Petrolverkäuf'ern der Stadt Bern ausgegangenen Vorstellung gegen die Bewilligung des Gesuches. Denn wenn auch diese Vorstellung naturgemäß hauptsächlich von dem Bestreben diktiert war, sich gegen eine befürchtete ruinöse Konkurrenz zu wehren, so folgt daraus noch keineswegs, daß die darin geltend gemachten Gründe alle schlecht und keiner Prüfung wert seien. Es ist nun aber sehr bezeichnend, daß die Rekurrentin auf diesen Teil des Regierungsentscheides soviel als gar nicht
eingeht oder dann bei dem Versuche der Widerlegung desselben lauter Scheingründe und Widersprüche zu Tage fördert. Wenn die Petrolhändler von Bern hervorheben, daß der von der Rekurrentin geplante Geschäftsbetrieb den ganzen übrigen Detailhandel mit Petrol in der Stadt unnötigerweise

258 ruinieren würde, so weiß sie darauf nichts zu erwidern, als daß es ja den andern Händlern freistehe, sich mit ihrem Geschäftsbetriebe ähnlich einzurichten, wie sie selbst. Weil sie also von einer gesetzlichen Vorschrift dispensiert zu werden verlangt, will sie gütigst auch ihren Konkurrenten das Recht zur Übertretung des Gesetzes einräumen ! Das Argument ist so verkehrt als möglich, und eben erst dann richtig, wenn man es umkehrt. Der Petroleumhandelsgesellschaft von Zürich steht es, so gut wie den stadtbernischen Händlern, frei, in Bern Petrol zu verkaufen ; nur muß sie sich so einrichten, wie diese, d. h. sie muß auf den hausiermäßigen Vertrieb des Petrols, weil er dem Gesetze zuwiderläuft, verzichten.

Wie wenig es übrigens der Rekurrentin mit ihrer Einladung an die Berner Kaufleute zu kollegialischem Wettbewerb Ernst ist, beweist sie selbst auf das Evidenteste damit, daß sie andererseits, sowohl im Gesuche wie im Rekurse, als einen Hauptvorzug ihres Unternehmens rühmt, es werde dasselbe mit allen anderà angeblich schlecht eingerichteten Petrolverkaufsbetrieben der Stadt gründlich aufräumen. Wenn ferner die städtischen Kaufleute die Besorgnis aussprechen, es möchte ein solches faktisches Monopol von selten der Gesellschaft durch spätere Steigerung der Preise und Verschlechterung der Qualität mißbraucht werden, so ist es wiederum charakteristisch für die Rekurrentin, daß sie diesen Punkt gänzlich totschweigt. Auch mit der Frage der Feuergefährlichkeit ihres Betriebes infolge der Verleitung Kur Anhäufung größerer Petrolvorräte in den Privathäusern nimmt es die Rekurrentin sehr leicht, indem sie sich einfach begnügt, in dieser Hinsicht das Gegenteil von dem zu behaupten, was die Vorstellung der Petrolhändler von Bern mit guten Gründen wahrscheinlich macht. Nun ist zwar zuzugeben, daß alle diese Befürchtungen der Berner Kaufleute vom Standpunkte der Handels- und G-ewerbefreiheit nicht hinreichen, die Verweigerung der Bewilligung zu rechtfertigen, allein noch viel weniger können sie doch für die Behörde ein Motiv sein, dem Gesuche auf dem Wege eines Einbruchs in eine klare Gesetzesbestimmung zu entsprechen. Gesetzt jedoch, es wäre das Ergebnis der Untersuchung über die Nützlichkeit des von der Gesellschaft projektierten Geschäftsbetriebes für sie ebenso günstig ausgefallen, als es in Wirklichkeit
ungünstig lautet, so könnte dennoch von Bewilligung des Gesuches nicht die Rede sein, weil eben die Regierung nicht kompetent ist, irgend jemand, sei es nun einen einfachen Hausierer oder eine Aktiengesellschaft, von der Beobachtung einer gesetzlichen Vorschrift zu entbinden. Einer Behörde solches zumuten kann nur derjenige, der den Beruf des Staates lediglich darin erblickt, der gehorsame Diener des Kapitalismus zu sein.

25& 3. Bezüglich des behaupteten Eingriffes in die durch die Bundesverfassung garantierte Handels- und GewerbefreiJieit.

Die Gesetzesvorschrift, auf Grund deren das Gesuch der Rekurrentin ahgewiesen wurde, ist gewerbepolizeilicher, speciell feuerpolizeilicher Natur und fällt als solche ausschließlich in die kantonale Kompetenz. Denn darin wird doch nicht etwas Bundesverf'assungswidriges gefunden werden wollen, daß das Verbot des Hausierens mit feuergefährlichen Stoffen in dem einen Kantone existiert, in dem andern aber nicht, und daß infolge davon die Bewilligung in dem einen verweigert, im andern erteilt worden ist. Die Begriffe betreffend Feueigefährliclikeit sind bekanntlich von Land zu Land ziemlich verschieden; es kommt hier vieles auf die Sitten und Gebräuche, auf den Volkseharakter und andere Umstände mehr an, und es ist infolge davon gar nicht zu verwundern, ja unvermeidlich, daß in diesem Kapitel der Gesetzgebung einige Mannigfaltigkeit herrscht. Wenn also ein Kanton,, gestützt, auf eine gesetzlicherweise erlassene, wohl motivierte und klare Vorschrift eine feuerpolizeiliche Verfügung trifft, so kann dagegen nicht bei dem Bunde rekurriert werden, sondern es muß dabei sein Bewenden haben, und zwar selbst in dem Falle, daß eine solche Verfügung einmal den Interessen einer Großkapitalistenvereinigung zuwiderliefe.

Die Regierung hat zudem in betreff der Motive der Bewilligung oder Nichtbewilligung des Gesuches der Gesellschaft in andern Kantonen, sowie über die hinsichtlich der Zulässigkeit und Nützlichkeit ihres Geschäftsbetriebes daselbst gemachten Erfahrungen im allgemeinen, genaue Erkundigungen eingezogen, und diese sind durchaus nicht derart, den gefällten Entscheid bereuen zu lassen; sie beweisen vielmehr, daß auch anderwärts und sogar da, wo ihr schließlich die Bewilligung erteilt wurde, das Recht der Gesellschaft nuf diese Bewilligung nicht als ein so sonnenklares, selbstverständliches und unbedenkliches angesehen worden ist, wie sie wohl gerne möchte glauben machen. So hat der Kanton St. Gallen der Rekurrentin die Erlaubnis zum Geschäftsbetriebe, gestützt auf sein Hausiergesetz, verweigert. In Genf ist ihr zwar die nachgesuchte Bewilligung erteilt worden ; allein die dortigen Behörden wollen sicherem Vernehmen nach auf die Angelegenheit zurückkommen und sie in Wiedererwägung
ziehen. Die Kantone Baselstadt und Waadt sodann haben an die Bewilligung vorerst die Pflicht zur Lösung eines Hausierpatentes geknüpft, und diesem Verlangen h a t sieh'die Gesellschaft ohne Widerrede unterzogen, d. h. also sie hat dasjenige, was sie dem Kanton Bern gegenüber hartnäckig bestreitet, nämlich den hausiermäßigen Charakter ihres Geschäftsbetriebes, dort ohne weiteres zugestanden. Obschon sie nun in Basel und Lau-

260

sänne schon längst eine feste Kundschaft haben soll und weder an dem einen noch an dem andern Orte mehr ein Hausierpatent besitzt, so fahren doch laut zuverlässigem Berichte ihre Bediensteten in diesen Städten fort, das Petrol von ihren ambulanten Wagen herab in den Straßen, gerade so wie die Hausierer gewisse Waren, zum Verkaufe auszurufen und damit den fortwährend hausiermäßigen Charakter ihres Betriebes selbst auf das deutlichste zu bezeugen.

Der Kanton Zürich endlich hat allerdings der Gesellschaft die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb bedingungslos erteilt, aber eben nur deshalb, weil die dortige Gesetzgebung ein bestimmtes Verbot des Hausierens mit Petrol nicht kennt. Auch die Gesetzgebungen von Baselstadt und Waadt enthalten ein solches nicht, 'Zum Schlüsse betont die Regierung nochmals, daß der Rekurrentin im Kanton Bern nicht der P.etrolhandel an sich untersagt ist, sondern nui 1 eine bestimmte Art der Ausübung dieses Gewerbes.

Der Kaütou Bern macht folglich mit diesem Verbote nur von der durch Artikel 31, litt, e, der Bundesverfassung den 'Kantonen eingeräumten Befugnis zum Erlasse polizeilicher Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerbe Gebrauch, und zwar einen solchen, welcher den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst durchaus nicht beeinträchtigt.

Aus allen diesen Gründen beantragt die Regierung, es sei der Rekurs als ungerechtfertigt abzuweisen.

IV.

Mit Sehreiben vom 7./8. November 1894 wandte sich das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement an die Regierungen der Kantone Zürich, Baselstadt, St. Gallen, Waadt und Genf, um von ihnen direkt zu erfahren, wie sich der Geschäftsbetrieb der rekurriérenden Gesellschaft zu den Vorschriften ihrer Gesetzgebung über den Hausierhandel und über den Verkehr mit feuergefährlichen Stoffen stellt.

Darauf gingen folgende Antworten ein : l. A u s Z ü r i c h . - Die schweizerische Petroleum-Handelsgesellschaft hausiert nicht. Das Petrol wird den Kunden regelmäßig zugestellt, wie vom Bäcker das Brot, vom Metzger das Fleisch, vom Keitungsträger die Zeitung.

Würde der Vertrieb durch Feilbieten geschehen, so unterläge freilich auch der Petroleumhandel der Patentpflicht.

Es hat sich schon gefragt, ob nicht das Petroleum mit Rücksicht auf die Art des Stoffes vom Hausierverkehr ausgeschlossen

261 werden solle. Das müßte nach der Zürcher Gesetzgebung geschehen, wenn das Petrol zu deo explosiven Stoffen gehörte, was indessen vom Kaotonschemiker anläßlich eines Specialfalles verneint wurde.

Im übrigen unterliegt auch der Geschäftsbetrieb der Petroleumhandelsgesellschaft der Verordnung betreffend Transport, Lagerung Verkauf und Bearbeitung von Petroleum und anderen feuersgefährlichen Stoßen und ist infolgedessen unter polizeiliche Aufsicht gestellt.

In feuerpolizeilicher Beziehung wird der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft von den Polizeibehörden günstig beurteilt, im Gegensntz zu demjenigen vieler Ladenbesitzer und Petrolhändler, welche häufig bei Nacht und in nicht unbedenklicher Weise Petrol an die Kunden abgeben.

2. A u s B a s e l . Petrol gehört nicht zu den vom Hausierhandel ausgeschlossenen Artikeln. Auch die Verordnung betreffend feuergefährliche Stoffe, welche unter anderm den Verkehr mit Petrol unter polizeiliche Aufsicht stellt, enthält ein Hausierverbot für Petrol nicht.

Die Zürcher Gesellschaft besaß in Basel nur während 2 Monaten ein Hausierpatent. Nun darf sie nur noch beslellte Ware an ihre Kunden liefern, wobei allerdings die Kontrolle eine schwierige ist.

Auf Grund der kantonalen Verordnung über feuergefährliche Stoffe sind vom Polizeidepartement gewisse Vorschriften erlassen worden, die hauptsächlich in folgendem bestehen: Die Gesellschaft hat ihren Vorrat in einem außerhalb der Stadt im Rangierbahnhof gelegenenen feuersichern Reservoir aufzubewahren; die Abfüllung in die Blechkannen darf nur dort erfolgen.

Die Wagen, welche die Kannen den Kunden überbringen, müssen von zwei Mann begleitet sein, von denen der eine beim Wwgen zu verbleiben hat, während der andere die Kannen in die Häuser bringt.

Das Verführen von Petroleum an Kunden ist übrigens schon seit Jahren von mehreren Petroleumhändlern, nur in kleinem Maßstab und mit weniger guten Einrichtungen, vorgenommen worden.

Die in dem einjährigen Betrieb gemachten Erfahrungen sind günstige; das konsumierende Publikum betrachlet die Einrichtung als eine große Bequemlichkeit und ist mit derselben zufrieden.

Das Petroleum ist billiger geworden ; bis jetzt haben die Konkurrenten das Feld nicht geräumt; dagegen ist es selbstverständlich, daß sie sich über die entstandene starke Konkurrenz beklagen.

Bandesblatt. 47. Jahrg. Bd. I.

19

262 In feuerpolizeilicher Beziehung bietet der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft nur Vorteile gegenüber dem Betrieb durch Kleinhändler.

3. A u s St. G a l l e n . Der Regierungsrat hat am 10. August 1894 der Zürcher Gesellschaft den Geschäftsbetrieb nicht gestattet, gestützt auf Art. 6 des kantonalen Gesetzes vom 28. Juni 1887, welcher bestimmt: ,,Vom Verkauf im Herumziehen sind ausgeschlossen: Leicht entzündbare, explosionsfähige Stoffe, Gifte u. s. w.

u. s. w.tt Was die Petentin beabsichtigt, ist aiu-h eine Form des Hausierens, indem sie die Häuser, Wohnungen u. s. w. absuchen will. Daß dieses Absuchen sich bei der einmal gewonnenen Kuodsame periodisch wiederholt, ändert an der Eigenschaft dieser Handelsart als ,,Verkauf im Umherziehen" nichts. Die Kunden brauchen nicht mehr in den Spezereiladen etc. zu gehen, sondern könneu warten, bis der Petroleumwagen vors Haus kommt, gleich wie diejenigen, die die periodische Wiederkunft des Hausierers erwarten.

Der Vergleich mit dem Verkauf von Flaschenbier ist nicht stichhaltig; denn hier handelt es sich, noch der Gepflogenheit der St. Galler Bevölkerung, lediglich um Abgabe bestellter Ware; sollte die Ware nicht bestellt sein, so läge allerdings auch hier eine nicht zu duldende Übertretung des Verbotes des Hausierens mit geistigen Getränken vor.

4. A u s W a a d t . Die schweizerische Petroleum - Handelsgesellschaft übt ihr Gewerbe in Lausanne und Umgebung seit einem Jahre aus. Zuerst hatte dieselbe ein Hausierpatent zu lösen für einen jeden ihrer Wagen, da sie von Haus zu Haus oder auf offener Straße die Ware zu sofortiger Abgabe anbot. Als das Patent ausgelaufen war, fiel sie nicht mehr unter die Bestimmungen des Hausiergesetzes , da sie eine feste Kundschaft sich erworben hatte und ihre Ware nicht mehr anzubieten brauchte.

Es ist in Lausanne allgemeine, seit der Einführung des Telephons an Ausdehnung noch gewinnende Gewohnheit, daß die Geschäftsleute die Ware durch ihre Rommissionäre den Kunden ins Haus bringen lassen.

Die Niederlassung der Petroleumhandelsgesellschaft hat freilich die Krämer verstimmt; allein, da das Publikum sich dabei in verschiedenen Beziehungen wohler befand, haben die Unzufriedenen nicht ernstlich sich zu beschweren gewagt.

Früher bezahlte man den Liter Petrol mit 22--26 Cts.; die Zürcher Handelsgesellschaft verlangt für eine saubere,, gut geeichte, wohlverschlossene Blechflasche von 4 Liter 60 Cts. und hat damit natürlich großen Erfolg.

263

Wegen der Unannehmlichkeit, mit Petrol umzugehen, namentlich auch seines andere Waren verderbenden Geruches wegen, haben einzelne Kaufleute diesen Artikel nicht ungern aufgegeben, um so mehr als auch die gegen Entzündungen zu beobachtenden Vorsichtsmaßnahmen ziemlich lästig fallen. Andere Krämer, die mit Rücksicht auf ihre Kundschaft den Verkauf von Petroleum nicht aufgeben konnten, haben einfach die Flaschen der Gesellschaft in Niederlage genommen und begnügen sich mit einem kleinen Profit.

Erheblicher Preisabschlag und Verminderung der Feuersgefahr sind die Folgen des Geschäftsbetriebs der Schweizer Gesellschaft, die mithin der Bevölkerung eineu Dienst leistet.

5. A u s G e n f . Es ist zur Zeit wenigstens nicht die Rede davon, der schweizerischen Petroleiimhandelsgesellschaft die Bewilligung zum Detailverkauf ihrer Ware zu entziehen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Es ist seit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 bundesrechtlich anerkannt, daß ein grundsätzliches und allgemeines Verbot des Hausierhandels, wie es in einigen Kantonen, z. B. Bern, bestanden hatte, sich angesichts des durch Art. 31 der genannten Verfassung eingeführten Systems der Handels- und Gewerbefreiheit nicht rechtfertigen läßt, dagegen wohl ein Verbot, mit gewissen Stoffen und Gegenständen hausiermäßig zu handeln; denn für ein solches Verbot können zwingende Gründe des öffentlichen Wohles, der öffentlichen Sicherheit u. s. f. geltend gemacht werden.

In einem Kreisschreiben vom 11. Dezember 1874 bezeichnete der Bundesrat z. B. das Verbot des Hausierhandels mit leicht entzündlichen Stoffen als zulässig. (Vgl. von Salis, Bundesrecht II, Nr. 610 ff.)

Dabei hat der Bundesrat indessen das Mittragen oder Mitfuhren, Anbieten und Abgeben solcher Waren von Haus zu Haus im Auge gehabt, nicht etwa die Aufsuchung von Bestellungen, auch wenn diese von Haus zu Hnus, nicht allein bei Gewerbegenossen, geschieht; denn die bloße Bestellungaufnahme hat für die öffentliche Sicherheit keinerlei Gefahr im Gefolge.

2. Das bernische Gesetz vom 24. März 1878 über den Marktverkehr und den Gewerbebetrieb im Umherziehen (Hausieren) unterscheidet zwischen dem Feilbieten von Waren durch Umhertragen

264 oder Umherführen in den Straßen oder in den Häusern (Hausieren im engern Sinne) und dem Aufsuchen von Bestellungen bei anderen als solchen Personen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden, und es schließt vom ,,Verkauf im Umherziehen1* u. a. aus: ,,leicht entzündbare, explosionsfähige Stoffea, überhaupt: T Waren, deren Vertrieb durch Specialgesetze oder Verordnungen Beschränkungen unterworfen isttt.

Es darf als überflüssig bezeichnet werden, danach zu fragen, ob der bernische Gesetzgeber nur ,,leicht entzündbare Stoffe", die zugleich ,,explosionsfähig" sind, vom Hausierhandel ausschließen wollte: dies festzustellen wäre im Zweifelsfalle Sache der zuständigen Kantonsbehörde. Für die Bundesrekursinstanz genügt es, sich an den Wortlaut der Bestimmung zu halten, wonach Bleicht entzündbare" Stoffe ausgeschlossen sind. Daß das Petroleum, um dessen Vertrieb es sieh in casu handelt, zu den letzteren gehört, wird von keiner Seite bezweifelt, und die bundesrechtliche Zulässigkeit der Bestimmung ist, wie unter Ziff. l ausgeführt wurde, unanfechtbar, da nach der Meinung des Gesetzes ,,Verkauf11 das Vorweisen, Anbieten und Übergeben der Ware von Haus zu Haus in sich begreift.

Wenn dagegen die bernische Regierungsbehörde glaubt, auch das bloße Aufsuchen von Bestellungen auf Petrol gestützt auf die angeführte Gesetzesbestimmung untersagen zu können, und dies auch dann, wenn der Händler sich den speciellen gewerbepolizeilichen Vorschriften unterordnet, so geht sie zu weit; denn sie wird sich vergeblich nach Gründen des öffentlichen Wohls oder der öffentlichen Sicherheit umsehen, aus denen auch diese Art des Hausierhandels verpönt werden könnte.

3. Demnach kann das von der Kantonsbehörde ausgesprochene V e r b o t des Geschäftsbetriebs der Rekurrentin nur insofern bundesrechtlich anerkannt werden, als es gegen einen eigentlich hausiermäßigen Vertrieb des Petrols, wie er unter Ziff. 2 näher beschrieben ist, sich richtet.

Wenn die rekurrierende Gesellschaft Bestellungen auf ihre Ware von Haus zu Haus sucht, so finden auf sie die kantonalen Bestimmungen betreffend das Aufsuchen von Bestellungen hei anderen als solchen Personen, welche mit dem Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden, Anwendung (§§ 3, Ziff. 2; 4 und 5 des bernischen
Gesetzes vom 24, März Ib78j.

Ihr Geschäftsbetrieb kann aber nicht verboten werden.

Liefert die Gesellschaft, wie sie in ihrer Rekursschrift angiebt, ihre Ware nur an Abonnenten, d. h. auf fvste Bestellung, so haftet.

ihrem Geschäftsbetrieb kein Merkmal des Hausierhandels an.

265

Es kann sich in diesem Falle bloß fragen, ob sie den Vorschriften, welche die kantonale Gesetzgebung aus feuerpolizeilichen Gründen in Bezug auf ihre Geschäftseinrichtung aufstellt, sich unterziehe. Sie hat sich hierzu bereit erklärt.

Demnach wird beschlossen: 1. Der Rekurs ist im Sinne der Erwägungen unter Ziff. 3 hiervor begründet.

Infolgedessen wird der Beschluß der Regierung des Kantons Bern vom 30. Mai 1694, soweit er den erwähnten Erwägungen zuwiderläuft, aufgehoben.

2. Dieser Beschluß ist der h. Regierung des Kantons Bern, sowie dem Vertreter der rekurrierenden Gesellschaft, Herrn Fürsprecher Sahli in Bern, mitzuteilen.

B e r n , den 5. Februar

1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Zem p.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über den Rekurs der Schweizerischen Petroleumhandelsgesellschaft in Zürich gegen die Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 30. Mai 1894, betreffend den Detailverkauf von Petroleum mittelst Zuführens der Ware ins Hau...

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1895

Année Anno Band

1

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07

Cahier Numero Geschäftsnummer

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13.02.1895

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245-265

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10 016 925

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