977

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Erwerbung eines Schießplatzes im Sand bei Schönbühl.

(Vom 15. März 1895.)

Tit.

Als es sich in Vollziehung der Militärorganisation von 1874 darum handelte, den Unterricht der Infanterie durch den Bund zu erteilen und dafür die nötigen Waffenplätze zu erwerben, wurden die an einen solchen Waffenplatz zu stellenden Anforderungen durch eine besondere Verordnung normiert.

Diese Normalien (vom 15. Januar 1876) sagen bezüglich der Schießplätze : ,,Der Schießplatz soll sieh, wenn nicht auf dem Exerzierplatze selbst (z. B. an einem Ende desselben), so doch in möglichster Nähe desselben befinden. Derselbe soll eben und eine Frontbreite von wenigstens 150 m. und eine Längenausdehnung von wenigstens 600 m.

haben" u. s. w.

Auf Grund dieser Normalien wurden die Waffenplatzverträge für die Hauptwaffenplätze der Infanterie abgeschlossen.

Für den Waffenplatz B e r n hatte man Mühe, einen diesen Anforderungen entsprechenden Schießplatz zu finden. Von vorneherein konnte gar keine Rede davon sein, den Schießplatz mit dem Exerzierplatz zu verbinden, und so wurde dann in Ostermundingen ein Schießplatz angewiesen, für den der Staat und die Gemeinde Bern große Opfer zu bringen hatten, und der trotzdem nicht einmal die normale Tiefe von 600 m. hatte.

Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. I.

66

978

Mau sieht Übrigens auf den ersten Blick, daß auch die Normalien von 1876 heute als völlig veraltete erscheinen. Sie sind zunächst auf die frühere Bewaffnung gegründet und selbst für diese auf eine gegenüber der heutigen Taktik höchst beschränkte Auffassung des Schießbetriebs. §chon im Jahr 1881 erhielt das damalige Repetiergewehr (Vetterli) statt des Visiers von 1200 m. ein solches von 1600 m., und unser gegenwärtiges Gewehr hat ein solches von 2000 m. Mit dieser gewaltigen Umänderung der Waffen und deren Einwirkung auf die Taktik mußte natürlich auch der Schießbetrieb Schritt halten. Man mußte vor den Scheiben und mit scharfen Patronen exerzieren; die aufgelöste Ordnung, als die einzige Kampfesform, erheischte breite Schießplätze; die Waffenwirkung auf große Distanzen erforderte Entwicklungen weit ab vom Feinde (Scheiben) und Eröffnung des Feuers auf den größten Distanzen.

Ein Schießplatz mit kaum 600 m. Tiefe ist daher für einen solchen Unterrichtsbetrieb als durchaus antiquiert anzusehen.

Was aber aus früherer Zeit geblieben ist, das sind die Vertragsbestimmungen. Denn auch bei Erneuerung des Waffenplatzvertrages hätte Bern, ohne daß es unverhältnismäßig große Gegenleistungen sich ausbedungen hätte, nicht verpflichtet werden können, einen geeigneten Schießplatz für das gefechtsmäßige Schießen anzuweisen.

Es mußten deshalb schon seit Jahren fllr die Abhaltung des gefechtsmäßigen Schießens, sowie des Belehrungsschießens, auswärtige Schießplätze aufgesucht werden, die indessen, mit Ausnahme derjenigen im Sand bei SchönbUhl, sich wenig eigneten. Es wurde deshalb durch Vermittlung des Wirtes Brönnimann im Sand mit den Eigentumern der betreffenden Landparzellen schon im Jahre 1886 ein Abkommen getroffen, welches das Schießen vom Bahndamm weg über die Grauholzstraße nach dem dahinter liegenden Walde ermöglichte. Für die Abhaltung des Belehrungsschießens, bei welchem ein Wechsel des Standortes der Schießklassen nicht notwendig war, mochte dieses Abkommen genügen, für die Durchführung des Gefechtsschießens war dagegen damit wenig oder gar nichts gewonnen.

Nachdem im Jahre 1891 die Infanterie mit einem neuen Gewehre ausgerüstet wurde, war sie mehr denn je auf den Schießplatz im Sand angewiesen, und so fanden denn auch im Jahre 1891 bei sämtlichen Bataillonen der III. Division, mit Ausnahme derjenigen
des 10. Infanterieregiments, die Übungen im Gefechtsschießen im Sand statt, ohne daß von den betreffenden Grundbesitzern Einsprache dagegen erhoben worden war. Diese Übungen waren aber je nach dem Stande der Kulturen zeitweise mit großen Schwierigkeiten verbunden und deren Nutzen infolgedessen ein zweifelhafter, und man

979

hatte allgemein die Überzeugung, daß diese Verhältnisse auf die Dauer unhaltbar seien. Es fand daher im Laufe des Jahres 1892 eine Konferenz zwischen dem bernisehen Kantonskriegskommissär und den interessierten Grundbesitzern und Pächtern statt, an der auch der Kreisinstruktor der III. Division teilnahm, und die den Abschluß eines Pachtvertrages behufs ungehinderter Benützung des in der Schießlinie gelegenen Terrains zum Zwecke hatte. Allein die interessierten Eigentümer und Pächter stellten so exorbitante Forderungen, daß von einem beide Teile befriedigenden Resultate nicht die Rede sein konnte und die Unterhandlungen sich zerschlugen.

Wohl infolge des Fehlschlagens dieser Unterhandlungen wurde von der Gemeinde Seedorf auch die von ihr seiner Zeit erteilte Erlaubnis, über die Grauholzstraße schießen zu dürfen, zurückgezogen. Aus diesem Grunde, und da die Landeigentümer resp. Pächter zur Verunmöglichung der Übungen selbst ganz unbedeutende Kulturen, wie z. B. Weidlandstücke, mit Holz- und Drahtzäunen umgaben, wurde die Benützung des Schießplatzes westlich der Straße noch weit schwieriger als zuvor; mit der stets zunehmenden Begehrlichkeit dieser Leute Schritt haltend, wurden die Forderungen für angebliche und wirkliche Kulturbeschädigungen immer höher hinaufgeschraubt, so namentlich nach dem Wiederholungskurse des Landwehrregiments Nr. 11, dessen Bataillone im Oktober 1892 ihr gefechtsmäßiges Schießen im Sand abwickelten.

Diese unhaltbaren Verhältnisse haben das schweizerische Militärdepartement veranlaßt, dem Hrn. Oberstlt. Keppler vom Oberkriegskommissariat unterm 21.123. März 1893 den Auftrag zu erteilen, gemeinsam mit dem Kreisinstruktor die Angelegenheit betreffend die Benützung des Schießplatzes im Sand zu studieren und dieselbe womöglich in einer Weise zu ordnen, daß die immerwährend wiederkehrenden Landschadenreklamationen der dortigen Grundeigentümer vermieden werden. Um den Unterhandlungen unserer Delegierten bessern Erfolg zn sichern, ersuchte das Militärdepartement gleichzeitig auch die Militärdirektion des Kantons Bern um ihre Mitwirkung in dieser Angelegenheit und teilte ihr die Direktiven mit, die in Sachen Hrn. Oberstlt. Keppler gegeben worden waren.

Nach diesen Direktiven sollte zunächst der Abschluß von Dienstbarkeitsverträgen mit den in Betracht, kommenden Grundeigentümern
ins Auge gefaßt werden für die Zeit, während welcher der Schießplatz benützt würde. Zu diesem Behüte war es vorerst notwendig, die Grenzen des gesamten, in Präge kommenden Schießplatzareals zu bestimmen, was denn auch an Ort und Stelle durch den Waffen chef der Infanterie, den Kreisinstruktor der III. Division und Herrn Oberstlieutenant Zwicky, Instruktor 1. Klasse der III. Division, im

980

Beisein des Hrn. Oberstlt. Kepplei1 geschah. Die Grenzen des Schießplatzes, wie sie von diesen Militärbeamten festgesetzt worden sind, finden sich genau umschrieben in dem bei den Akten liegenden Plane.

Der ganze Komplex umfaßt an Moosland, Wiesland und Wald in 86 Parzellen 32 ha., 26 a. und 75 m 2 . Davon entfallen auf den Gemeindebezirk von Moosseedorf 57 Parzellen mit 21 ha., 20 a. und 13m 2 und auf den Gemeindebezirk Urtenen 29 Parzellen mit 11 ha., 6 a. und 62 m 2 . Der Wert des gesamten, rund 90 Jucharten umfassenden Areals darf auf höchstens Fr. 100,000 veranschlagt werden, gleich Fr. 900 bis 1000 per Juchart.

Die Landentschädigungen, welche bisanhin für die Benutzung dieses Terrains bezahlt werden mußten, betrugen jährlich durchschnittlich Fr. 1450. Berechnen wir den jährlichen Zins der Ankaufssumme von Fr. 100,000 zu 4 °/o gleich Fr. 4000 und bringen hiervon obige Ausgaben für Landentschädigungen in Abzug, so wären für Verzinsung des Kapitals jährlich noch cirka Fr. 2550 aufzubringen. Ob der Bund nach Erwerbung des gesamten Komplexes denselben nach Belastung mit Servituten wieder veräußern oder verpachten oder in Selbstbewirtschaftung nehmen wird, in jedem Falle wird es keine Schwierigkeit bieten, den genannten Zinsbetrag herauszuschlagen. Bereits haben sich Pächter angemeldet; aber auch an Käufern wird es sicherlich nicht fehlen, da das ganze Areal an einem einzigen Stücke ein ansehnliches Bauerngut ausmachen wird, das immer Liebhaber finden dürfte.

Wie dem ausführlichen Berichte des Hrn. Oberstlt. Keppler vom 1. Dezember 1893 zu entnehmen ist, haben die Unterhandlungen mit den Grundeigentümern zu keinem Resultate geführt. Aus diesem Berichte, sowie aus demjenigen des Kreisinstruktors vom 5. April 1894 haben wir die Überzeugung gewonnen: 1. Daß die Erwerbung des Schießplatzes im ,,Sand" in der in Plan II in Aussicht genommenen Ausdehnung eine unausweichliche Notwendigkeit ist, weil eine Reihe von Schießübungen auf dem Ostermundinger Schießplatz gar nicht abgehalten werden kann und weil für dieselben in der Umgebung von Bern sich kein zweiter solcher Schießplatz findet.

2. Daß nach den bestehenden Verträgen der Kanton Bern zur Erwerbung des Platzes oder auch nur zu einem Beitrage an die Kosten derselben nicht verpflichtet werden kann.

3. Daß die direkte Errichtung von Servituten
ausgeschlossen ist, da eine Verständigung mit den Landbesitzern nicht erzielt werden kann, und daher nichts anderes als Erwerbung zu Eigentum, sei es aus freier Hand oder durch Expropriation, übrig bleibt, wobei die Frage des Wiederverkaufes mit Be-

981

lastung durch Servitut oder Verpachtung oder aber der Bewirtschaftung in Regie vorderhand noch offen gelassen werden kann.

4. Daß für einen und zwar den größern Teil der Grundstücke jedenfalls das Expropriationsverfahren eingeleitet werden muß.

Der Bundesrat hat sich mit der Frage beschäftigt, ob das eidgenössische oder kantonale Verfahren für die Expropriation anzuwenden sei. Wir sind zum Schlüsse gelangt, daß das eidgenössische Verfahren das einfachere sei und mit Anwendung des kantonalen Verfahrens keine günstigeren Schatzungsergebnisse zu gewärtigen seien.

Dieses Verfahren ist übrigens auch angezeigt dadurch, daß ein besonderer Bundesbeschluß die Anwendung des Expropriationsgesetzes zu Waffenplatzzwecken ausdrücklich gestattet.

Der daherige Bundesbeschluß vom 28. Januar 1882, Amtl. Saml.

n. F., VI, 134, lautet: ,,Die Bundesversammlung der Schweiz. Eidgenossenschaft beschließt: ,,Der Bundesrat wird ermächtigt, bei künftigen Erwerbungen und Erweiterungen von eidgenössischen Waffenplätzen das Bundesgesetz vom 1. Mai 1850 betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten zur Anwendung zu bringen."

Da es sich um die Erwerbung eines durch die Eidgenossenschaft zu benutzenden Schieß- und Waffenplatzes handelt, so findet davorstehende Bundesbeschluß ohne Zweifel auch auf den vorliegenden Fall Anwendung.

Wir unterbreiten Ihnen daher folgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Erwerbung eines Infanterieschießplatzes im Sand bei Schönbühl durch Expropriation.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 15. März 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

982

(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Erwerbung eines Infanterieschießplatzes im Sand bei Schönbilhl durch Expropriation.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des schweizerischen Bundesrates vom 15. März 1895, in Anwendung des Expropriationsgesetzes vom 1. Mai 1850 und gestützt auf den Bundesbesohluß vom 28. Januar 1882, betreffend die Anwendung des Expropriationsgesetzes auf die Erwerbung und Erweiterung von eidgenössischen Waffenplätzen, beschließt: 1. Der schweizerische Bundesrat wird ermächtigt, einen Schießplatz im Sand bei Schönbühl in dem in der Botschaft vom 15. März und zugehörigem Plane näher bezeichneten Umfange auf dem Expropriationswege als Eigentum des Bundes zu erwerben.

2. Dem Bundesrate wird der hierzu nötige Kredit bewilligt.

3. Dieser Beschluß tritt, weil nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Erwerbung eines Schießplatzes im Sand bei Schönbühl. (Vom 15. März 1895.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1895

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.03.1895

Date Data Seite

977-982

Page Pagina Ref. No

10 016 962

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.