Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zur Stellungnahme des Bundesrates vom 13. August 2014 vom 6. November 2014

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Bericht 1

Einleitung

Auf der Basis einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK)1 zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA)2 verabschiedete die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-N) am 4. April 2014 einen eigenen Bericht.3 In diesem formulierte sie neun Empfehlungen und forderte den Bundesrat auf, Stellung dazu zu nehmen.

Im vorliegenden Bericht wird die Stellungnahme des Bundesrates vom 13. August 20144 ausgewertet. Diese hat gezeigt, dass zwei Empfehlungen der GPK-N bereits umgesetzt sind (Kap. 2). In Bezug auf die anderen sieben Empfehlungen ist die Stellungnahme aus Sicht der Kommission allerdings nicht befriedigend. Sie fordert den Bundesrat daher auf, zu vier ihrer Empfehlungen weitere Informationen zu liefern bzw. Abklärungen zu treffen (Kap. 3). Die drei übrigen Empfehlungen werden in ein Postulat umgewandelt (Kap. 4).

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Empfehlungen, die bereits umgesetzt werden

2.1

Empfehlung 2: Informationsgrundlagen zum Sozialleistungsbezug

Damit die Migrationsbehörden die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Steuerung der FZA-Zuwanderung (Befristung oder Entzug von Bewilligungen) nutzen können, benötigen sie Zugang zu Informationen über Sozialleistungsbezüge der zugewanderten Personen. Die GPK-N hat den Bundesrat daher aufgefordert, zu prüfen, ob neben den bereits bestehenden gesetzlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen den mit der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung und Sozialhilfe betrauten Stellen und den Migrationsbehörden weitere Meldepflichten nötig sind.

Sie begrüsst es daher, dass der Bundesrat veranlasst hat, dass aktuell die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für den Informationsaustausch zwischen den Migrationsbehörden und den Stellen, die mit der Ausrichtung von Ergänzungsleistungen betraut sind, geschaffen werden. Sie stellt ausserdem mit Genugtuung fest, dass der Bundesrat im Rahmen seines angekündigten Pakets zur Missbrauchsbekämpfung weitere Massnahmen vorsieht, welche den Befunden der GPK-N Rechnung tragen.

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Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen, Bericht der PVK vom 6. Nov. 2013 (BBl 2014 8221) Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit; abgeschlossen am 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen, SR 0.142.112.681) Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen, Bericht der GPK-N vom 4. April 2014 (BBl 2014 8201) Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen, Stellungnahme des Bundesrates vom 13. August 2014 zum Bericht der GPK-N vom 4. April 2014 (BBl 2014 8277)

2.2

Empfehlung 8: Klärung der Rechtslage

Die GPK-N begrüsst es, dass der Bundesrat Massnahmen getroffen hat, um den Begriff der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit5 und die Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeiten eines Entzugs des Aufenthaltsrechts für EU/EFTA-Angehörige aufgrund von Arbeitslosigkeit zu klären und entsprechende Weisungen für den Vollzug zu erlassen.

2.3

Weiteres Vorgehen

Aus Sicht der GPK-N trägt der Bundesrat mit den getroffenen Massnahmen den erwähnten Empfehlungen angemessen Rechnung. Die GPK-N wird sich zu einem späteren Zeitpunkt über die Wirkungen dieser Massnahmen informieren lassen.

3

Empfehlungen, zu denen weitere Informationen oder Abklärungen nötig sind

3.1

Empfehlung 1: Lohnentwicklung und Sozialleistungsquoten beobachten

Die GPK-N teilt die Meinung des Bundesrates nicht, dass sich die Entwicklung des durchschnittlichen Lohnniveaus, der Tiefstlöhne und der Sozialleistungsbezugsquoten mit Hilfe des Observatoriumberichts und der flankierenden Massnahmen angemessen verfolgen lässt.

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Der Observatoriumsbericht ist aus Sicht der Kommission keine genügende Grundlage, um frühzeitig heikle Entwicklungen erkennen zu können. Die Kommission stützt diese Einschätzung auf den Bericht der PVK. In diesem wird erläutert, dass sich auf der Basis der Daten, die dem Observatoriumsbericht zugrunde liegen, keine spezifischen Aussagen zur Situation der unter dem FZA zugewanderten Personen machen lassen, sondern nur zu Ausländerinnen und Ausländern im Allgemeinen, und warum dies problematisch ist.6 Weil die Daten nicht zwischen Ausländerinnen und Ausländern unterscheiden, die vor oder seit dem Inkrafttreten des FZA zugewandert sind, können die Auswirkungen der jüngeren Zuwanderung aus Ländern, aus denen bereits viele Personen seit längerer Zeit in der Schweiz leben (z.B. aus Spanien), erst spät deutlich werden, da die neu Zugewanderten zahlenmässig lange nicht ins Gewicht fallen. So wurde beispielsweise erst durch eine Verknüpfung verschiedener Datenquellen, wie sie die PVK realisiert hat, deutlich, dass Personen, die unter dem FZA aus den EU-17-Südländern zugewandert sind, im Unterschied zu früher Zugewanderten und im Unterschied zu Schweizerinnen und Schweizern stark steigende Sozialleistungsbezugsquoten aufweisen.

Art. 6 Abs. 1 und Abs. 6 Anhang I FZA, SR 0.142.112.681 Bericht der PVK vom 6. Nov. 2013, Kap. 3.4.2 (BBl 2014 8221, hier 8249)

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Die GPK-N hat bereits im Rahmen einer früheren Inspektion Kritik an der Durchführung und Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen geäussert.

Sie führt aktuell eine Nachkontrolle zu dieser Inspektion durch, konnte sich aber aufgrund der Vielzahl von laufenden Projekten bislang noch kein Urteil darüber bilden, ob die Wirksamkeit inzwischen verbessert werden konnte.

Mit den Ausführungen des Bundesrates, die «working poor»-Problematik betreffe nicht nur zugewanderte Personen bzw. Ausländerinnen und Ausländer, sondern auch Schweizerinnen und Schweizer, ist die GPK-N zwar einverstanden. Weil die Evaluation der PVK aber gezeigt hat, dass das «working poor»-Risiko für bestimmte Gruppen von zugewanderten Personen speziell hoch ist, stellt sich aus Sicht der GPK-N aber trotzdem die Frage, ob für diese Gruppen nicht spezifische Massnahmen getroffen werden sollten. Zudem lassen die vom Bundesrat vorgestellten Massnahmen zur «working poor»-Problematik auch offen, wie man einen Sozialleistungsbezug von Person, die bereits ein Aufenthaltsrecht haben, frühzeitig erkennen und dementsprechend handeln kann.

Insgesamt beurteilt die GPK-N die vorgeschlagenen Massnahmen und Instrumente als nicht ausreichend, um die Entwicklung des durchschnittlichen Lohnniveaus, der Tiefstlöhne und der Sozialleistungsbezugsquoten zu verfolgen und Probleme frühzeitig erkennen und angehen zu können. Sie fordert den Bundesrat daher auf, weitere Massnahmen einzuleiten. Dabei soll er insbesondere auch prüfen, ob die Datenlage durch eine Datenverknüpfung, wie sie die PVK vorgenommen hat, nicht wesentlich verbessert werden könnte. Ebenso möchte die Kommission vom Bundesrat erfahren, warum er trotz den Hinweisen, dass gewisse Gruppen von zugewanderten Personen ein speziell ausgeprägtes Risiko aufweisen, zu «working poor» zu werden, auf spezifische Massnahmen für diese Gruppen verzichten will.

3.2

Empfehlung 4: Notwendige Grundlagen für Informationszugang schaffen

Die GPK-N hat in ihrem Bericht vom 4. April 2014 dargelegt, dass die kantonalen Vollzugsbehörden ihre Steuerungsmöglichkeiten nur nutzen können, wenn sie erfahren, dass sich der Aufenthaltszweck einer zugewanderten Person geändert hat oder dass eine zugewanderte Person eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder aufgibt.

Allerdings besteht aktuell keine entsprechende Meldepflicht, da der Bundesrat und die zuständigen Stellen eine solche als unvereinbar mit dem FZA einstufen.7 Die Kommission begrüsst es, dass der Bundesrat ihrer Forderung nachkommt und im Rahmen der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung zur Zuwanderung8 prüfen will, ob eine solche Meldepflicht opportun und zulässig ist. Sie bittet den Bundesrat, sie nach Abschluss seiner Abklärungen über die Ergebnisse der Prüfung zu informieren.

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Die GPK-N hat allerdings auch festgestellt, dass die Ausführungen verschiedener Bundesstellen in Bezug auf die Möglichkeit einer Einführung einer solchen Meldepflicht nicht einheitlich sind.

Art. 121a BV, SR 101

3.3

Empfehlung 7: Notwendige Instrumente zur Verfügung stellen

Die GPK-N hat den Bundesrat mit der Empfehlung 7 aufgefordert, zu prüfen, wie den zuständigen Stellen ­ d.h. den kantonalen Vollzugsbehörden und dem Bundesamt für Migration (BFM) ­ ein Instrument zur Verfügung gestellt werden könnte, das sie bei der Wahrnehmung ihrer Vollzugs- und Aufsichtsaufgaben angemessen unterstützen kann.

Aus Sicht der Kommission sind die Ausführungen und Abklärungen des Bundesrates in Bezug auf die Empfehlung ungenügend. Der Bundesrat argumentiert nämlich, dass das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS) in seiner gegenwärtigen Konzeption dafür nicht in Frage kommt. Er hat aber nicht ausreichend geprüft, ob dieses System so angepasst werden könnte (und mit welchem Aufwand), dass es für die zuständigen Behörden von Nutzen ist, oder ob allenfalls ein anderes Instrument geschaffen werden könnte.

Die GPK-N weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass das ZEMIS gemäss den relevanten gesetzlichen Grundlagen unter anderem den Zweck hat, das BFM beim Vollzug des FZA zu unterstützen.9 Sie ist auch der Meinung, dass die gesetzlichen Grundlagen auch vorsehen, dass das BFM für eine einheitliche Praxis beim kantonalen Vollzug des FZA besorgt sein soll.10 Daher darf sich die Aufsicht über den Vollzug durch das BFM nicht darauf beschränken, einen Austausch mit den Kantonen zu pflegen und diese zu unterstützen, wenn sie mit Anliegen oder Vollzugsproblemen ans BFM gelangen, sondern das BFM muss auch über ein Instrument verfügen, das es ihm erlaubt, sich selber ein Bild über den Vollzug zu machen und bei Bedarf selber zu agieren.

Die Kommission fordert den Bundesrat daher auf, genauer zu prüfen, wie den vollzugsverantwortlichen Behörden und dem BFM ein Instrument zur Verfügung gestellt werden kann, das es ihnen erlaubt, ihre Vollzugs- bzw. Aufsichtsaufgaben zu erfüllen.

3.4

Empfehlung 9: Ressourcenausstattung der zuständigen Sektion im BFM

Gemäss der Antwort des Bundesrates will er der Empfehlung der GPK-N nachkommen und prüfen, ob die für das FZA zuständige Sektion im BFM genügend Ressourcen hat, um eine aktive Aufsicht betreiben zu können. Die Stellungnahme des Bundesrates enthält aber keine Angaben dazu, wann die Resultate dieser Prüfung vorliegen sollen.

Da die Sektion aktuell stark mit der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung zur Zuwanderung11 beschäftigt sein dürfte, fordert die GPK-N den Bundesrat noch einmal auf, der Sektion genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich um die soeben erwähnten Umsetzungsarbeiten kümmern und zugleich auch eine

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Art. 3 Abs. 2 Bst. c und i und Abs. 4 BGIAA, SR 142.51 Bericht der GPK-N vom 4. April 2014, Kap. 3.2 (BBl 2014 8201, hier 8212) Art. 121a BV, SR 101

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aktivere Aufsicht über den Vollzug des FZA wahrnehmen kann (siehe Empfehlung 8, Kap. 3.3).

3.5

Weiteres Vorgehen

Die Kommission bittet den Bundesrat, ihren oben erwähnten Forderungen nach weiteren Informationen und Abklärungen nachzukommen und dazu bis zum 5. Februar 2015 Stellung zu nehmen (in deutscher und französischer Sprache).

4

Empfehlungen,die in ein Postulat umgewandelt werden

4.1

Empfehlung 3: Klärung der kantonalen Unterschiede beim Ausmass der Differenz zwischen deklariertem und tatsächlichem Aufenthaltszweck

Die Untersuchung der PVK hat gezeigt, dass der ursprünglich deklarierte Aufenthaltszweck der unter dem FZA zugewanderten Personen oft nicht mit dem tatsächlichen Aufenthaltszweck übereinstimmt, wobei das Ausmass dieser Differenz je nach Kanton sehr unterschiedlich ist.12 In Anbetracht der Tatsache, dass der Aufenthaltszweck der unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäss FZA nicht nur ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz, sondern auch einen diskriminierungsfreien Zugang zu Sozialleistungen begründet, forderte die GPK-N den Bundesrat auf, die Gründe für diese kantonalen Unterschiede mit den Kantonen zu klären und auf der Basis dieser Klärung für eine rasche Verbesserung der Datenlage in Richtung der am besten dokumentierten Kantone hinzuarbeiten.

Der Bundesrat verweist in seiner Antwort darauf, dass Differenzen zwischen dem deklarierten und dem tatsächlichen Aufenthaltszweck nicht vermieden werden können, da die zugewanderten Personen aufgrund der im FZA verankerten beruflichen und geografischen Mobilität den Arbeitgeber und den Beruf wechseln bzw.

von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit übergehen können, ohne dass sie dies den Migrationsbehörden melden müssen. Die unterschiedlichen Ausmasse dieser Differenz führt der Bundesrat auf Unterschiede im kantonalen Vollzug zurück.

Die GPK-N hält diese Begründung für nicht ausreichend, da sie keine konkreten Gründe aufzeigt, warum das Ausmass der Differenz zwischen dem deklarierten und dem tatsächlichen Aufenthaltszweck je nach Kanton so unterschiedlich ist. Die allgemeine Feststellung, dass die Differenzen auf die Unterschiede im kantonalen Vollzug zurückgeführt werden können, genügt ihr nicht. Sie verlangt daher vom Bundesrat, dass er diese Frage vertiefter abklärt und konkrete Gründe für diese Differenzen aufzeigt.

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Bericht der PVK vom 6. Nov. 2013, Kap. 5.1.1 (BBl 2014 8221, hier 8259).

Die Ansicht des Bundesrates, dass eine bessere Datengrundlage nicht zur Vollzugsunterstützung beitragen würde und von geringem Nutzen sei, teilt die GPK-N nicht.

Vielmehr erachtet sie eine Verbesserung der Datengrundlage als zentral für den Vollzug, denn wenn die Behörden nicht über den Aufenthaltszweck einer Person bzw. Änderungen desselben informiert sind, können sie auch nicht frühzeitig auf Problemfälle reagieren.13 Eine möglichst geringe Diskrepanz zwischen dem deklarierten und dem tatsächlichen Aufenthaltszweck bzw. Informationen über Änderungen des Aufenthaltszwecks sind auch nötig, um eine Umgehung der noch bis zum Mai 2016 geltenden Kontingente für Angehörige der EU-2-Staaten zu verhindern.

Die Feststellung, dass Informationen über den tatsächlichen Aufenthaltszweck wichtig sind, um die Umgehung von Kontingenten zu verhindern, dürfte zudem auch in der aktuellen Diskussion über die Umsetzung der neuen Verfassungbestimmung14 durch ein auf Kontigenten beruhendes Zulassungssystem von Bedeutung sein.

4.2

Empfehlung 5: Nutzung der Steuerungsmöglichkeiten

Wie bereits mehrfach festgehalten, können die zuständigen kantonalen Behörden die Aufenthaltsbewilligung einer Person widerrufen, wenn diese die Aufenthaltsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt.15 Die Untersuchung der PVK hat aber ergeben, dass dies nur selten passiert.16 Die GPK-N hat den Bundesrat daher aufgefordert, sich im Rahmen seiner Kompetenzen dafür einzusetzen, dass die zuständigen kantonalen Behörden diese Steuerungsmöglichkeit systematisch und möglichst einheitlich nutzen.

Der Bundesrat stimmt der Empfehlung der GPK-N grundsätzlich zu. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die Zuwanderung nur in geringem Ausmass über den Entzug und die Befristung von Bewilligungen gesteuert werden kann und dass die Verfahren dazu aufwändig und schwierig sind, da sich beispielsweise die Situation der betroffenen Personen während des Verfahrens ändern kann (z.B. wegen eines Stellenantritts).

Diese Schwierigkeiten sind der Kommission bekannt. Sie ist aber dennoch der Meinung, dass die Möglichkeiten, einer zugewanderten Person unter bestimmen Umständen die Bewilligung zu entziehen oder zu befristen, besser genutzt werden sollten und dass die Kantone dabei möglichst einheitlich vorgehen sollten. Diesem Anliegen ­ dass sich der Bundesrat auch für einen einheitlichen Vollzug einsetzen solle ­ wird mit der Stellungnahme des Bundesrates aus Sicht der Kommission aber nicht genügend Rechnung getragen. Aus der Antwort des Bundesrates wird nicht klar, ob er die Empfehlung umsetzen will und ob er dazu entweder dem BFM eine aktivere Rolle zuzuweist oder selber den Dialog mit den Kantonen sucht, um so eine 13

14 15 16

Die Datenauswertung der PVK hat beispielsweise gezeigt, dass von den Personen mit Aufenthaltszweck «unselbständige Erwerbstätigkeit» 8% länger als ein Jahr in der Schweiz bleiben, ohne jemals erwerbstätig zu sein (siehe Verweis in Fussnote 12). Wenn die Behörden davon nicht erfahren, können sie aber nicht prüfen, ob diese Personen dadurch ihr Aufenthaltsrecht verlieren oder ob sie genügend Mittel haben, um das Aufenthaltsrecht für Nichterwerbstätige zu erhalten.

Art. 121a BV, SR 101 vgl. Art. 23 VEP, SR 142.203 Bericht der PVK vom 6. Nov. 2013, Kap. 5.2.3 und 5.3.3 (BBl 2014 8221, hier 8265 und 8267).

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Grundlage für eine bessere und einheitlichere Nutzung dieser Steuerungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der kantonalen Autonomie zu schaffen.

4.3

Empfehlung 6: Klärung der Ursachen für die Unterschiede beim kantonalen Vollzug

Gestützt auf den Bericht der PVK hielt die GPK-N in ihrem Bericht diverse erklärungsbedürftige Unterschiede beim Vollzug des FZA und bei der Gewährung von Niederlassungsbewilligungen durch die Kantone fest17 und forderte den Bundesrat auf, die Gründe dafür zu klären.

Der Bundesrat gibt in seiner Stellungnahme an, dass die Unterschiede im kantonalen Vollzug dadurch zustande kommen, dass die Kantone den Ermessensspielraum, den ihnen das FZA lässt, ausnutzen. und dass dies angesichts des föderalistischen Systems der Schweiz politisch so gewollt sei. Als weitere Gründe für die Unterschiede führt er an, dass nicht alle Kantone mit derselben Ausgangslage in Bezug auf den Arbeitsmarkt konfrontiert seien, etwa aufgrund ihrer geografischen Lage. In Fällen, die von gesamtschweizerischer Relevanz seien und in denen es effektiv ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung gebe, erlasse das BFM aber Weisungen und Rundschreiben zuhanden der Kantone.

Diese Antwort ist aus Sicht der GPK-N nicht befriedigend. Diese hat gefordert, dass der Bundesrat zusammen mit den Kantonen vertieft abklärt, welche konkreten Gründe es für diese Unterschiede gibt. Die Konsultation der Kantone zum Bericht der GPK-N kann aus Sicht der Kommission aber nicht als vertiefte Abklärung gelten bzw. diese ersetzen, zumal der Bundesrat in seiner Stellungnahme auch nicht offenlegt, zu welchen Ergebnissen diese Konsultation geführt hat.

Ausserdem steht die Antwort des Bundesrates nach Ansicht der GPK-N auch in einem gewissen Widerspruch zu dessen Ankündigung vom 15. Januar 2014, er wolle «einen schweizweit einheitlichen Vollzug» des FZA sicherstellen ­ insbesondere bezüglich der Verweigerung einer Niederlassungsbewilligung bei vorangegangener Arbeitslosigkeit, bezüglich des Verlusts des Aufenthaltsrechts bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit und bezüglich der (Nicht-)Leistung von Sozialhilfe an Stellensuchende.18

4.4

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N hat beschlossen, die oben erwähnten drei Empfehlungen, welche alle Fragen zum kantonalen Vollzug betreffen, in ein Postulat umzuwandeln und den Bundesrat auf diese Weise aufzufordern, die offenen Fragen zum Vollzug des FZA durch die Kantone zusammen mit diesen zu klären.

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Bericht der GPK-N vom 4. April 2014, Anhang 1 (BBl 2014 8201, hier 8219) Medienmitteilung des Bundesrates vom 15. Jan. 2014: Personenfreizügigkeit ­ Weitere Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung.

Postulat Klärung der Ursachen für die Unterschiede beim kantonalen Vollzug des Abkommens über die Personenfreizügigkeit Der Bundesrat wird beauftragt, zusammen mit den Kantonen zu klären, ­

welche Gründe es gibt für die teilweise erheblichen kantonalen Unterschiede beim Vollzug des Abkommens über die Personenfreizügigkeit (FZA);

­

wie die Möglichkeiten zur Steuerung der Zuwanderung durch den Entzug oder die Befristung von Aufenthaltsbewilligungen von den Kantonen besser und einheitlicher genutzt werden können,

und innerhalb eines Jahres einen Bericht über die Ergebnisse dieser Abklärungen vorzulegen.

Genehmigen Sie, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, den Ausdruck unserer ausgezeichneten Hochachtung.

6. November 2014

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Rudolf Joder Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EJPD/BK: Alfred Heer Der Sekretär der Subkommission EJPD/BK: Philipp Mäder

801

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BBl BFM BGIAA BK Bst.

BV EFTA EJPD EU FZA

GPK GPK-N Kap.

PVK SR VEP

ZEMIS

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Absatz Artikel Bundesblatt Bundesamt für Migration Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich vom 20. Juni 2003 (BGIAA, SR 142.51) Bundeskanzlei Buchstabe Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) Europäische Freihandelszone (European Free Trade Association) Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Europäische Union Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit; abgeschlossen am 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen, SR 0.142.112.681) Geschäftsprüfungskommissionen Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats Kapitel Parlamentarische Verwaltungskontrolle Systematische Rechtssammlung Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation vom 22. Mai 2002 (Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, SR 142.203) Zentrales Migrationsinformationssystem