15.034 Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht) vom 15. April 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen. mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einer Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. April 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1842

3617

Übersicht Das Handelsregister ist punktuell zu modernisieren, damit es weiterhin seine wichtige Funktion im Dienst der Sicherheit und der Effizienz des Rechtsverkehrs erfüllen kann. Da die Vorschriften über das Handelsregister im Obligationenrecht seit 1937 nicht mehr umfassend revidiert worden sind, drängt sich eine Revision des 30. Titels des Obligationenrechts (Art. 927 ff. OR) auf.

Die AHV-Versichertennummer soll auch im Handelsregister systematisch für die Identifizierung natürlicher Personen verwendet werden, so wie dies für andere Register des Privatrechts bereits vorgesehen ist. Ein permanenter Personenidentifikator verbessert die Registerführung insbesondere dank der Qualität und Aktualität der Personendaten. Bedingt durch die dezentrale Erfassung von Personendaten in Verbindung zu Rechtseinheiten in den jeweiligen kantonalen Handelsregisterdatenbanken, ist es heute nicht möglich, gesamtschweizerisch festzustellen, welche natürliche Person in welcher Funktion oder mit welcher Zeichnungsberechtigung bei verschiedenen Rechtseinheiten im Handelsregister eingetragen ist. Dem soll mittels der Schaffung der zentralen Datenbank Personen für das Handelsregisterwesen Abhilfe geschaffen werden. Mit dieser zentralen Datenbank können die eingetragenen Personen künftig gesamtschweizerisch identifiziert werden.

Als eine Erleichterung für Gesellschaften soll namentlich die «Stampa-Erklärung» als separater Beleg abgeschafft werden und die Abtretung von Stammanteilen einer GmbH zwischen Gesellschaftern wird teilweise von Formvorschriften befreit.

Die umfassende Revision des 30. Titels des Obligationenrechts stärkt die Gesetzmässigkeit, die Rechtsgleichheit und die Übersichtlichkeit. Wichtige Inhalte der geltenden Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 werden im Obligationenrecht verankert.

3618

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3618

1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Rechtliche Grundlagen 1.1.2 Bestehende Organisation 1.1.3 Vision der Eidgenössischen Expertenkommission für das Handelsregister 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Allgemeines 1.2.2 Verwendung der AHV-Versichertennummer als Personenidentifikator und Schaffung der zentralen Datenbank Personen 1.2.3 Erleichterungen für Gesellschaften 1.2.4 Stärkung der Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit und Übersichtlichkeit 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Vernehmlassungsergebnis 1.3.2 Verworfene Alternativen und Revisionsideen 1.4 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.4.1 Europäische Tendenz zur Datenverknüpfung 1.4.2 Weltweite Tendenz zur elektronischen Datenverarbeitung 1.5 Umsetzung 1.6 Parlamentarische Vorstösse

3621 3621 3621 3621

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 30. Titel des Obligationenrechts: Das Handelsregister 2.2 Änderung weiterer Bestimmungen des Obligationenrechts 2.2.1 Vierundzwanzigster Titel: Die Kollektivgesellschaft 2.2.2 Sechsundzwanzigster Titel: Die Aktiengesellschaft 2.2.3 Achtundzwanzigster Titel: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 2.2.4 Neunundzwanzigster Titel: Die Genossenschaft 2.3 Übergangsbestimmungen 2.4 Änderungen weiterer Erlasse 2.4.1 Zivilgesetzbuch 2.4.2 Zivilprozessordnung

3631 3631 3652 3652 3653

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

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2

3

3623 3623 3623 3624 3626 3626 3627 3627 3628 3628 3628 3630 3631 3631

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3619

4

5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

3659 3659 3659

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.4 Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen

3659 3659 3660 3660 3660

Obligationenrecht (Handelsregisterrecht) (Entwurf)

3620

3661

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Rechtliche Grundlagen

Das Handelsregister wird im dreissigsten Titel des Obligationenrechts (OR)1 geregelt. Die Bestimmungen auf Gesetzesstufe sind knapp und fragmentarisch gehalten.

Mit dem Erlass der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 20072 (HRegV), der Verordnung vom 3. Dezember 19543 über die Gebühren für das Handelsregister und der Verordnung vom 15. Februar 20064 über das Schweizerische Handelsamtsblatt (Verordnung SHAB) wurden die entsprechenden Ausführungsvorschriften erlassen.

Namentlich der Erlass des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 20035 über die elektronische Signatur, die Änderungen des GmbH- und Revisionsrechts vom 16. Dezember 20056 sowie der Erlass des Bundesgesetzes vom 18. Juni 20107 über die Unternehmens-Identifikationsnummer bedingten geringfügige Anpassungen der handelsregisterrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts. Demgegenüber fand seit seinem Inkrafttreten am 1. Juli 19378 keine umfassende Revision des dreissigsten Titels des Obligationenrechts statt. Diese rechtliche Beständigkeit entsprach einem über Jahrzehnte hinweg statischen wirtschaftlichen Umfeld. Die Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937, welche mit den Jahren durch Teilrevisionen unübersichtlich geworden war, wurde schliesslich durch die totalrevidierte Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 ersetzt9.

1.1.2

Bestehende Organisation

Das heutige Handelsregisterwesen beruht auf Strukturen sowie Aufgabenaufteilungen zwischen den kantonalen Handelsregisterämtern und den Bundesbehörden, welche im Wesentlichen bereits in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts geschaffen 1 2 3 4 5 6

7 8

9

SR 220 SR 221.411 SR 221.411.1 SR 221.415 Einfügungen durch Anhang Ziff. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 2003 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Januar 2005 (AS 2004 5085; BBl 2001 5679).

Fassung gemäss Ziff. I 3 des Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), in Kraft seit 1. Januar 2008 (AS 2007 4791 4832; BBl 2002 3148, 2004 3969).

SR 431.03 Fassung gemäss Bundesgesetz vom 18. Dezember 1936, in Kraft seit 1. Juli 1937 (AS 53 185; BBl 1928 I 205, 1932 I 217). Siehe die Schl- und UeB zu den Tit. XXIV­XXXIII am Schluss des OR und Eduard His, in: H. Becker (Hrsg.), Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band VII, 4. Abteilung: Handelsregister, Geschäftsfirmen und kaufmännische Buchführung, Art. 927­964 OR, Bern 1940, Vorbemerkungen, S. 14 ff.

AS 2007 4851 und Begleitbericht zur Totalrevision der Handelsregisterverordnung (HRegV), Vernehmlassungsentwurf vom 28. März 2007.

3621

wurden und sich seit rund 130 Jahren bewährt haben10. Die massgebenden Stellen im Schweizerischen Handelsregisterverbund, ihre Aufgaben und die Abläufe zwischen den verschiedenen Entitäten sind die Folgenden:

10

­

Kantonale Handelsregisterämter: Die Führung der Handelsregisterämter obliegt den Kantonen. Diese Tätigkeit umfasst unter anderem die postalische oder elektronische Entgegennahme und Prüfung der Handelsregisteranmeldungen sowie der Belege (z. B. der Statuten und Sitzungsprotokolle), das Verfassen der Publikationstexte, die Übermittlung der Eintragungen zur Genehmigung an das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA), die Aktualisierung der kantonalen Handelsregisterdatenbanken, das Erstellen beglaubigter Handelsregisterauszüge und die Aktenaufbewahrung. Jeder Kanton hat zudem eine Aufsichtsbehörde, welche die administrative und disziplinarische Aufsicht wahrnimmt.

­

Eidgenössisches Amt für das Handelsregister (EHRA): Das EHRA übt die Oberaufsicht über die Handelsregisterführung durch die kantonalen Handelsregister aus, indem es für die einheitliche und korrekte Anwendung des Bundesrechts durch die kantonalen Behörden sorgt. Diesbezüglich erlässt das EHRA Weisungen im Bereich des Handelsregisters- und des Firmenrechts, prüft die Rechtmässigkeit der kantonalen Eintragungen, genehmigt diese, informiert die kantonalen Handelsregisterämter elektronisch über die Genehmigung und übermittelt die Eintragungen an das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zur Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB). Des Weiteren betreibt das EHRA ein Zentralregister sämtlicher Rechtseinheiten, die in den Handelsregistern der Kantone eingetragen sind.

Das Zentralregister dient der Unterscheidung und dem Auffinden der eingetragenen Rechtseinheiten. Auf der Grundlage des Zentralregisters werden schriftliche Abklärungen hinsichtlich von bereits eingetragenen identischen oder ähnlichen Firmen und Namen durchgeführt. Diese sogenannten Firmenrechercheaufträge können postalisch oder elektronisch (www.regix.ch) in Auftrag gegeben werden. Das Zentralregister bildet zudem zusammen mit den kantonalen Handelsregistern die oberste massgebende Datenbasis des Registers der Unternehmens-Identifikationsnummern (UID). Es sorgt in diesem Bereich für einen regelmässigen Abgleich der Daten zwischen den genannten Registern. Die öffentlichen Daten des Zentralregisters sind im elektronischen Abrufverfahren über die Internetdatenbank Zefix (www.zefix.ch) für Einzelabfragen unentgeltlich zugänglich. Das Zefix ermöglicht eine schweizweite Suche zur Feststellung des Sitzes einer Rechtseinheit und folglich auch des zuständigen kantonalen Handelsregisteramts.

Zudem enthält es gewisse Informationen über die jeweiligen Rechtseinheiten, zum Beispiel die Firma, die Zweckumschreibung und das Rechtsdomizil. Die im Zefix geführten Daten und Verweise entfalten jedoch keine Rechtswirkung. Verbindlich sind der vom zuständigen kantonalen Handelsregisteramt ausgestellte, beglaubigte Registerauszug und die elektronisch veröffentlichten Publikationstexte im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB). Das Zefix ist eine Suchplattform, welche die Firma oder den

Vgl. Florian Zihler, Ist das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA) tatsächlich schon 125 Jahre alt?, in: REPRAX 2/3/2008, S. 3 ff.

3622

Namen einer Rechtseinheit mit den jeweils in kantonalen Handelsregistern erfassten Daten verknüpft.

­

Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO): Die Eintragungen in das Handelsregister werden im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert und gelten damit Dritten gegenüber als bekannt.

In den 90er-Jahren begann die Informatisierung des schweizerischen Handelsregisterwesens. Der Datenaustausch zwischen den kantonalen Handelsregisterämtern und dem EHRA sowie zwischen diesem und dem SECO erfolgt daher seit einigen Jahren beinahe ausschliesslich elektronisch. Zugleich fand auf kantonaler Ebene eine zunehmende Zentralisierung der Ämter statt. Ausser dem Kanton Wallis haben heute alle Kantone nur noch ein Handelsregisteramt. Zuletzt fusionierte der Kanton Bern im Jahr 2008 seine vier regional geführten Ämter zu einem zentralen Handelsregisteramt. In ihren Grundzügen sind die unter Ziffer 1.1.2 dargestellten Verfahren aber seit mehr als 125 Jahren unverändert geblieben.

1.1.3

Vision der Eidgenössischen Expertenkommission für das Handelsregister

Die Eidgenössische Expertenkommission für das Handelsregister (Expertenkommission) ist eine ausserparlamentarische Verwaltungskommission des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Sie berät das EHRA in handelsregisterrechtlich relevanten Angelegenheiten.

Über Jahrzehnte hinweg konnte das Handelsregister ein relativ starres Gebilde sein, da es nur ein beschränktes Informationsbedürfnis von mehrheitlich schweizerischen Benutzerinnen und Benutzern zu befriedigen hatte. Dies ist seit Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr der Fall. Die zunehmende wirtschaftliche Dynamik, das internationale Zusammenwachsen der Wirtschaftsräume und die Informatisierung haben unmittelbaren Einfluss auf die Arbeit der Handelsregisterbehörden. Die Expertenkommission erachtete es deshalb als notwendig, eine Vision zum schweizerischen Handelsregisterwesen zu erarbeiten. Diese beinhaltet eine Auslegeordnung, in welche Richtung sich das Handelsregister in den nächsten Jahren entwickeln könnte.

Die Expertenkommission verabschiedete die Vision am 9. November 2010. Diese wurde in französischer sowie deutscher Sprache in der Fachzeitschrift REPRAX11 veröffentlicht und als Grundlage für die Ausarbeitung des Vorentwurfs verwendet.

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Allgemeines

Die beantragte Neuregelung beinhaltet sowohl modifizierte Bestimmungen des geltenden Rechts als auch vollständig neue Bestimmungen. Es werden dabei folgende Schwerpunkte gesetzt, die sich zum Teil überschneiden und voneinander abhängig sind: 11

Eidg. Expertenkommission für das Handelsregister, Vision zum schweizerischen Handelsregisterwesen, Bern, 9. November 2010, REPRAX 1/2011, S. 1 ff. bzw. S. 9 ff.

3623

­

Verwendung der AHV-Versichertennummer und Schaffung der zentralen Datenbank Personen (Ziff. 1.2.2);

­

Erleichterungen für Gesellschaften (Ziff. 1.2.3);

­

Stärkung der Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit und Übersichtlichkeit (Ziff. 1.2.4).

1.2.2

Verwendung der AHV-Versichertennummer als Personenidentifikator und Schaffung der zentralen Datenbank Personen

Die Vorlage will die Grundlagen dafür schaffen, dass im Handelsregister gleich wie im Zivilstandswesen und der Grundbuchführung12 eine einheitliche Erfassung der natürlichen Personen sichergestellt ist. Heute bestehen für die Register des Privatrechts weder einheitliche Vorgaben noch eine übereinstimmende Praxis der Behörden. Dies führt zu administrativem Leerlauf und unnötigem Koordinationsaufwand.

Während Unternehmen nach den gleichen Kriterien erfasst werden, herrscht bei den natürlichen Personen keine Einheitlichkeit. So gibt es beispielsweise Fälle, in denen eine natürliche Person im Handelsregister nicht eindeutig bezeichnet ist: ­

wegen nicht erkannter Übereinstimmung bei unterschiedlichen Schreibweisen («Hans» oder «Johann», «Meier» oder «Meier-Müller») beziehungsweise, weil identifizierende Personendaten sich im Lauf des Lebens ändern, beispielsweise durch Namensänderung; oder

­

wegen falscher Übereinstimmung: Personen mit allenfalls mehrfach vorkommenden Personendaten, zum Beispiel Hans Müller, mit Heimatort und Wohnsitz in Zürich.

Vor diesem Hintergrund hat ein permanenter Personenidentifikator bedeutende Vorteile. Verwaltungsabläufe werden durch die verbesserte Registerführung bereichsübergreifend modernisiert, die Personendaten aktualisiert und synchronisiert und damit die Datenqualität in den Registern erhöht. Dadurch wird nicht nur der Datenaustausch zwischen den Behörden, sondern auch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Behörden vereinfacht. Gleichzeitig werden die Dienstleistungs- und Datenqualität verbessert. Bei allen Vorhaben wird der Informationssicherheit und dem Datenschutz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger besondere Beachtung zu schenken sein.

Mit der Teilrevision der Handelsregisterverordnung vom 23. September 201113, in Kraft seit dem 1. Januar 2012, wurde ein erster Schritt in diese Richtung gemacht, insbesondere indem neue Bestimmungen zur Identifikation und Datenerfassung der im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen geschaffen wurden (Art. 24a und 24b HRegV). Diese Neuerungen sind nicht Selbstzweck; vielmehr wird damit ein langfristiges Ziel verfolgt, nämlich die Nutzung der AHV-Versichertennummer im Handelsregister. Voraussetzung ist allerdings, dass die natürlichen Personen anhand bestimmter Merkmale identifiziert werden. Gestützt auf die Anmeldungsbe12 13

Botschaft vom 16. April 2014 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Beurkundung des Personenstands und Grundbuch) (BBl 2014 3551 ff.).

Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 der Grundbuchverordnung vom 23. Sept. 2011, in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 4659).

3624

lege werden namentlich folgende Angaben in den Datenbanken des Handelsregisters erfasst: Name, Vornamen, Geburtsdatum, Geschlecht, Heimatort oder Staatsangehörigkeit (Art. 24b Abs. 1 Bst. a­g HRegV; die Publizität dieser Angaben richtet sich nach Art. 119 Abs. 1 HRegV). Auf dieser Grundlage wird es künftig möglich sein, den natürlichen Personen mittels der «Unique Person Identification Database» (UPI) der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) die AHV-Versichertennummer zuzuordnen und diese systematisch zu nutzen. Hierzu muss in einem zweiten Schritt im Rahmen der Handelsregisterführung unter einschränkenden Voraussetzungen die Verwendung und die Bekanntgabe der AHV-Versichertennummer nach Artikel 50c des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194614 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) (Art. 928d E-OR) ermöglicht werden.

Im Interesse der Kohärenz der Rechtsordnung sind hierbei folgende Gesichtspunkte zu beachten: «Die Versichertennummer kann ausserhalb der Sozialversicherung des Bundes nur dann systematisch verwendet werden, wenn ein Bundesgesetz dies vorsieht und der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sind» (Art. 50e Abs. 1 AHVG). Da bei systematischer Verwendung der Versichertennummer der Verwendungszweck sowie die Nutzungsberechtigten bestimmt sein müssen (Art. 50e Abs. 1 AHVG) und eine Datenbekanntgabe nur unter bestimmten Voraussetzungen und an bestimmte Stellen zulässig ist, wird die AHV-Versichertennummer nicht öffentlich zugänglich und auch nicht auf den Registerauszügen ersichtlich sein. Für den Verkehr mit Stellen, die nicht zur systematischen Verwendung der AHV-Versichertennummer berechtigt sind, ist die Schaffung eines sektoriellen Identifikators vorgesehen, der sich nicht auf die AHV-Versichertennummer zurückführen lässt. Mit der AHV-Versichertennummer steht für natürliche Personen ein Personenidentifikator mit rechtlicher, organisatorischer und technischer Infrastruktur von hoher Qualität zur Verfügung. Dies spricht dafür, die AHV-Versichertennummer auch im Handelsregisterbereich zu verwenden.

Die Registrierung von handelsregisterrechtlich relevanten Angaben über natürliche Personen erfolgt aufgrund der dezentralen Organisation des Handelsregisters ausschliesslich durch die kantonalen Handelsregisterämter am Sitz oder der Niederlassung der Rechtseinheit. Bedingt
durch diese dezentrale Art der Erfassung in den jeweiligen kantonalen Datenbanken, ist es heute nicht möglich, gesamtschweizerisch festzustellen, welche natürliche Person in welcher Funktion oder Zeichnungsberechtigung bei einer oder verschiedenen Rechtseinheiten im Handelsregister eingetragen ist. Dem soll mittels der Schaffung einer zentralen Datenbank Personen Abhilfe geschaffen werden. Mit dieser zentralen Datenbank können die im Handelsregister eingetragenen Personen künftig gesamtschweizerisch identifiziert werden. Es werden die Angaben zu natürlichen Personen in Verbindung mit weiteren Angaben, wie den ihnen zukommenden Funktionen und Zeichnungsberechtigungen, für jede Rechtseinheit erfasst. Die Datenerfassung der zentralen Datenbank Personen obliegt den kantonalen Handelsregisterämtern und diese gewährleisten eine fachlich qualifizierte Führung. Sie erhalten hierzu über Webservice-Schnittstellen in einem geschützten Netzwerk Zugang zur zentralen Datenbank. Zusätzlich wird die zentrale Datenbank Personen durch die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer mit der UPI-Datenbank der ZAS abgeglichen. Die Daten der zentralen Datenbank Personen werden mittels diesem Abgleich aktuell gehalten. Die kantonalen Handelsregisterämter können somit bei der Erfassung der Angaben über natürli14

SR 831.10

3625

che Personen anlässlich eines Eintragungsgeschäfts auf die bereits vorhandenen Daten zu einer natürlichen Person zugreifen, die Daten in ihre kantonalen Datenbanken übernehmen und zugleich prüfen, ob die angemeldeten Angaben aktuell sind.

Des Weiteren wird es aufgrund der zentralen Datenbank Personen möglich sein, verwaltungsintern statistische Recherchen bezüglich der Geschlechtervertretung in Verwaltungsräten, durchschnittliche Anzahl von Mandaten pro Verwaltungsratsmitglieder, Beteiligung an Insolvenzverfahren etc. durchzuführen.

1.2.3

Erleichterungen für Gesellschaften

Die «Stampa-Erklärung» als separater Beleg wird abgeschafft (s. Art. 43 Abs. 1 Bst. h HRegV). Die Bestätigung, dass keine anderen Sacheinlagen, Sachübernahmen und beabsichtigten Sachübernahmen, Verrechnungstatbestände oder besonderen Vorteile bestehen, als die in den Belegen genannten, wird zum Inhalt des Errichtungs- und Kapitalerhöhungsakts (z. B. Art. 629 Abs. 2 Ziff. 4, Art. 777 Abs. 2 Ziff. 5 und Art. 834 Abs. 2 Satz 2 OR).

Eine weitere Erleichterung betrifft die Abtretung von Stammanteilen einer GmbH.

Erfolgt die Abtretung von Stammanteilen unter Gesellschafterinnen und Gesellschaftern, so muss im Abtretungsvertrag nicht mehr auf die mit den Stammanteilen verbundenen statutarischen Rechte und Pflichten hingewiesen werden (Art. 785 Abs. 2 OR). Den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern einer GmbH kann zugemutet werden, dass sie die Statuten ihrer eigenen Gesellschaft kennen. Es besteht daher ­ im Gegensatz zur Abtretung von Stammanteilen an Drittpersonen ­ kein Schutzbedürfnis, das für den entsprechenden zwingend vorgeschriebenen Inhalt des Abtretungsvertrags spricht.

1.2.4

Stärkung der Gesetzmässigkeit, Rechtsgleichheit und Übersichtlichkeit

Mit der vollständigen Überarbeitung des dreissigsten Titels des OR zum Handelsregister werden die Gesetzmässigkeit und die Übersichtlichkeit gestärkt. Es werden einerseits Bestimmungen von der Handelsregisterverordnung in das OR überführt und andererseits Bestimmungen des OR präzisiert und übersichtlicher strukturiert.

Dies geschieht insbesondere in folgenden Bereichen: ­

Zweck des Handelsregisters (heute Art. 1 HRegV);

­

einheitliche gesetzliche Grundlage für die Handelsregisterverordnung (heute Art. 929 f. OR);

­

Grundsätze der Eintragung (heute Art. 15 ff. und 26 ff. HRegV);

­

Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den Handelsregisterbehörden, weiteren Verwaltungsbehörden und Gerichten (heute teilweise in den Art. 19, 96 f. und 157 ff. HRegV);

­

Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit (heute grösstenteils in Art. 164 HRegV enthalten);

­

fehlendes Rechtsdomizil als Mangel in der zwingenden Organisation (heute in den Art. 153 ff. HRegV enthalten);

3626

­

Gebühren und deren Erhebung (heute Art. 929 Abs. 1 OR und die Verordnung vom 3. Dezember 195415 über die Gebühren für das Handelsregister).

Artikel 942 OR, der die Haftung für den Schaden regelt, der durch die Unterlassung der Anmeldung einer Eintragung ins Handelsregister entsteht (Neueintragung, Änderung oder Löschung), ist in der Vorlage nicht mehr enthalten. Die Bestimmung ist eine überflüssige Wiederholung des allgemeinen Haftpflichtrechts, insbesondere von Artikel 41 OR.

Auch die in der Botschaft vom 21. Dezember 200716 vorgesehene Regelung zur Haftung der Handelsregisterbehörden wurde nicht in die Vorlage aufgenommen, da sowohl das kantonale Recht als auch das öffentliche Recht des Bundes17 die entsprechenden Aspekte eigenständig und in gleicher Weise regeln.

Das in den Artikeln 336­348 des Zivilgesetzbuches18 (ZGB) geregelte Rechtsinstitut der Gemeinderschaft wird aufgehoben. Es werden seit vielen Jahren kaum mehr Gemeinderschaften begründet. Mit anderen Rechtsinstituten des Zivilrechts wie der einfachen Gesellschaft, der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft oder der Stiftung stehen zweckmässige Alternativen zur Gemeinderschaft zur Verfügung.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Vernehmlassungsergebnis

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf wurde vom Bundesrat am 19. Dezember 2012 eröffnet und dauerte bis zum 5. April 2013. Es nahmen 25 Kantone, sechs politische Parteien, eine kantonale Sektion einer Partei sowie 37 Organisationen zum Vorentwurf Stellung. Ausserdem reichten sechs weitere Teilnehmer eine Stellungnahme ein.

Der Vorschlag einer gesamtschweizerischen Handelsregisterdatenbank mit einer nationalen Infrastruktur für das Handelsregister wurde kontrovers aufgenommen.

Die Hälfte der Teilnehmer, die sich zum Modernisierungsprojekt äusserten, lehnte den Aufbau einer derartigen Infrastruktur durch den Bund ab. Zehn Teilnehmer stimmten dem Modernisierungsvorschlag im Handelsregisterrecht in seiner Gesamtheit zu, ohne auf die einzelnen Bestimmungen im Detail einzugehen, drei Teilnehmer lehnten den Vorschlag gesamthaft ab. Zwei andere Teilnehmer machten darauf aufmerksam, dass das aktuelle Handelsregister beim Bürokratie-Monitoring des SECO ein sehr gutes Ergebnis erzielt hatte und deshalb kein grundlegender Reformbedarf bestehe. Von den übrigen Teilnehmern lehnte mehr als die Hälfte die gesamtschweizerische Handelsregisterdatenbank in der vorgesehenen Form ab.

Deutlich auf Zustimmung stiessen hingegen die Einführung der AHV-Versichertennummer als Personenidentifikator und die zentrale Datenbank Personen. In einer 15 16

17 18

SR 221.411.1 Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrechtund Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, 1730 f. beziehungsweise 1806.

Auf Bundesebene ist dies im Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 (VG, SR 170.32) geschehen.

SR 210

3627

Gesamtbewertung begrüsste die Mehrzahl der Stellungnehmenden den Vorschlag für eine zentrale Datenbank Personen ausdrücklich oder überwiegend. Lediglich eine Minderheit lehnte die zentrale Datenbank Personen als überflüssig ab. Klar begrüsst wurde die Einführung der AHV-Versichertennummer als Personenidentifikator. Lediglich sechs Teilnehmer lehnten die entsprechende Bestimmung ab oder kritisierten sie allgemein.

Gegenüber dem rein elektronischen Register, das heisst der Abschaffung der Papieranmeldung, wurden zahlreiche Vorbehalte geäussert. Nur wenige Teilnehmer befürworteten die Änderung ausdrücklich.

Nur eine Minderheit hiess die Abschaffung der Beurkundungspflicht für einfach strukturierte Unternehmen gut. Mehr als zwei Drittel sprachen sich gegen die erleichterte Gründung aus. Die Befreiung der Beurkundungspflicht für Statutenänderungen oder für den Auflösungsbeschluss fand mehr Zustimmung, wurde aber ebenfalls mehrheitlich abgelehnt. In einer Gesamtbewertung lehnten in erster Linie die Mehrheit der Kantone und sämtliche Notariatsverbände die Abschaffung der Beurkundungspflicht bei einfach strukturierten Gesellschaften ausdrücklich oder überwiegend ab. Lediglich eine Minderheit der Kantone sowie einige Wirtschaftsverbände befürworteten die Formerleichterungen oder hielten sie zumindest für eine prüfenswerte Option.

1.3.2

Verworfene Alternativen und Revisionsideen

Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wurden angesichts der ablehnenden Haltung der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer folgende Punkte der Vorlage verworfen: ­

Schaffung der gesamtschweizerischen Handelsregisterdatenbank mit einer nationalen Infrastruktur für das Handelsregister;

­

teilweise Abschaffung der Beurkundungspflicht; sowie

­

vollständige Abschaffung der Papieranmeldung.

1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

1.4.1

Europäische Tendenz zur Datenverknüpfung

Alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) führen ein Handelsregister.

Diese Register sind auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene angesiedelt und unterschiedlich organisiert. Auch der Registerinhalt, der Zugang zu den Dokumenten sowie die rechtliche Überprüfung und Handhabung der Änderungen sind verschieden. Im Kern bieten die Handelsregister jedoch dieselben Mindestdienstleistungen an: Prüfung, Speicherung und Veröffentlichung von Informationen etwa über die Rechtsform, den Sitz, den Zweck oder die Vertretungsverhältnisse eines Unternehmens. Die nationalen Registerämter sind momentan nicht in der Lage, die Informationen länderübergreifend in effizienter und transparenter Art und Weise auszutauschen. Zwar gibt es bereits eine Zusammenarbeit zwischen gewissen Registerämtern, aber sie geschieht nur auf freiwilliger Basis und in begrenztem Umfang.

3628

Durch den wachsenden Binnenhandel in der EU sind Geschäftspartner, Gläubigerinnen und Gläubiger sowie Konsumentinnen und Konsumenten immer öfter auf Unternehmensinformationen mehrerer Mitgliedstaaten angewiesen, sei es zu gewerblichen Zwecken oder um leichter gerichtliche Schritte einleiten zu können.

Als Antwort auf dieses Bedürfnis und, um die Wettbewerbsfähigkeit im Allgemeinen zu erhöhen, hat die Europäische Kommission am 24. Februar 2011 den Vorschlag zu einer Richtlinie zur Verknüpfung der Unternehmensregister in der EU verabschiedet19. Beim Gipfeltreffen des Europäischen Rats vom 5./6. Dezember 2011 wurde schliesslich eine Übereinkunft zur Vorgehensweise bei der Verknüpfung der Unternehmens- und Handelsregister erzielt20. Damit werden erstmals die elektronische Kommunikation zwischen den Handelsregistern aller Mitgliedstaaten und die Übermittlung von Informationen an einzelne Nutzerinnen oder Nutzer in standardisierter Weise in der gesamten EU ermöglicht. Zwar wird keine zentrale EU-Registerdatenbank geschaffen, aber durch die Bereitstellung von Informationen der nationalen Register gewährleisten die Mitgliedstaaten die Interoperabilität, indem sie eine gemeinsame zentrale europäische Plattform schaffen. Diese Plattform soll die Nahtstelle für IT-Tools und die entsprechenden Dienstleistungen sein und von allen nationalen Registern benutzt werden21. Das System der Registervernetzung wird als äusserst wichtiger Baustein in der Verbesserung des EU-Binnenmarkts angesehen. Die Verknüpfung soll mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Bürger schaffen sowie Hürden und Kosten für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit beseitigen. Ziel der Richtlinie ist dementsprechend die rein technische Vernetzung der bestehenden nationalen Register. Alle Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, den Zugang zu amtlichen Unternehmensinformationen zu erleichtern, um den Benutzerinnen und Benutzern den Zugriff auf die gewünschten firmenrelevanten Informationen in elektronischer Form zu ermöglichen. Dafür werden die Standardisierung und der Austausch von Registerinformationen geregelt und die gemeinsame europäische Plattform geschaffen. Daten zu Fusionen, Sitzverlegungen und ausländischen Zweigniederlassungen sollen automatisch übermittelt werden und Informationen über Liquidationen und Konkurse sind auf
dem aktuellen Stand zu halten.

Am 13. Juni 2012 haben das Europäische Parlament und der Rat der europäischen Union die neue Richtlinie verabschiedet.22 Das Europäische E-Justiz-Portal23 wird künftig als einer der zentralen Zugriffspunkte fungieren. Mit einer bestimmten Unternehmens-Kennzahl soll jedes Unternehmen unionsweit eindeutig zu identifizieren sein. Die nationalen Unternehmensidentifikationsnummern werden aber nicht ersetzt, sondern durch länderspezifische Codes ergänzt. Dank eines mehrsprachigen Supports wird gewährleistet sein, dass eine Suchmaske in allen EU-Sprachen zur Verfügung steht. Damit würden Informationen aus jedem nationalen Handelsregister

19

20 21 22

23

Vorschlag zur Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/666/EWG, 2005/56/EG, 2009/101/EG in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern vom 24. Februar 2011.

S. www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_Data/docs/pressdata/en/intm/126579.pdf, S. 9.

S. http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st16/st16968-re01.en11.pdf, S. 7 ff.

Richtlinie 2012/17/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 zur Änderung der Richtlinie 89/666/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2005/56/EG und 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern, ABl. L 156 vom 16.6.2012, S. 1­9.

www.e-justice.europa.eu

3629

allen anderen Mitgliedstaaten in einem standardisierten Nachrichten-Format und in einer geeigneten Sprachfassung zur Verfügung stehen.

1.4.2

Weltweite Tendenz zur elektronischen Datenverarbeitung

Weltweit zeichnet sich eine deutliche Tendenz zu immer schnellerer Registrierung und der Einführung von elektronischen Dienstleistungen ab. In manchen Ländern ist die vollständig elektronische Registrierung bereits Standard oder sogar obligatorisch. Während in den meisten Ländern Gebühren erhoben werden, ist die Höhe und Berechnung dieser Kosten sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch die Führung der Handelsregister obliegt je nach Land einer anderen Behörde24.

In Deutschland wird das Handelsregister von einem Gericht geführt. Es hat alle Eintragungen über die angemeldeten Kaufleute im Bezirk des Registergerichts vorzunehmen und über die dort hinterlegten Dokumente Auskunft zu erteilen. Das Handelsregister informiert über die wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Kaufleuten und Unternehmen und kann von jedermann eingesehen werden. Das deutsche Handelsregister wird seit 2007 vollständig elektronisch geführt. Sowohl die Übermittlung und Einreichung der Anmeldungen zur Eintragung als auch die Auskunft über den Inhalt der Eintragungen und der hinterlegten Dokumente erfolgt mittels elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme.

Norwegen hat ein zentrales Gewerbebetriebsregister errichtet («Register of Business Enterprises»), das die Funktion von fast 100 lokalen Handelsregistern übernommen hat. Die elektronischen Dienste sollen nun ständig erweitert werden25.

Auch in aussereuropäischen Ländern, beispielsweise in Neuseeland und Singapur, erfolgen die Handelsregisterabläufe ausschliesslich elektronisch26. In Kanada und Australien werden mehr als 80 Prozent der Anmeldungen für Gesellschaftsgründungen bereits auf elektronischem Weg durchgeführt27.

In einem neueren Bericht über die Möglichkeiten der Verschleierungen gestohlener Gelder ermutigt die Weltbank ihre Mitgliedstaaten, möglichst moderne nationale Handelsregister zu führen. Die Weltbank empfiehlt namentlich, einerseits die Aktualität der registrierten Daten zu verbessern sowie die elektronische Registerführung voranzutreiben und andererseits mehr Suchmöglichkeiten innerhalb des Registers, insbesondere auch nach natürlichen Personen, zu ermöglichen28.

24 25 26 27 28

European Commerce Registers Forum Report 2011, S. 6 ff.

www.brreg.no European Commerce Registers' Forum Report 2011, S. 23 ff.

European Commerce Registers' Forum Report 2011, S. 24.

Emile van der Does de Willebois et al., The Puppet Masters: How the Corrupt Use Legal Structures to Hide Stolen Assets and What to Do About It, World Bank Publications, Washington 2011, S. 104 f.

3630

1.5

Umsetzung

Die Handelsregisterverordnung wird angepasst werden müssen, insbesondere hinsichtlich der handelsregisterinternen Benutzung der AHV-Versichertennummer, der Schaffung der zentralen Datenbank Personen und der Überführung verschiedener Bestimmungen von der Verordnung in das Gesetz. Da die Bestimmung zu den Handelsregistergebühren geändert werden soll, wird auch die Gebührenverordnung zumindest punktuell revidiert werden müssen.

1.6

Parlamentarische Vorstösse

Zurzeit ist kein parlamentarischer Vorstoss hängig, der explizit die umfassende Modernisierung des Handelsregisterwesens verlangt. Mit der Revision der HRegV konnte das Postulat Imfeld vom 8. März 200629 (06.3026 «Freier Internetzugriff auf Handelsregisterdaten») bereits umgesetzt werden. Zudem wurden unter anderem mit der Teilrevision der HRegV vom 23. September 2011 die rechtlichen Voraussetzungen für den elektronischen Geschäftsverkehr festgelegt. In diesem Zusammenhang steht auch die Anfrage Noser vom 27. September 2012 (12.1092 «Förderung der SuisseID-Änderungen im Handelsregister»).

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

30. Titel des Obligationenrechts: Das Handelsregister

Art. 927

A. Begriff und Zweck

Obwohl die Marginalie zu Artikel 927 OR den «Zweck» des Handelsregisters erwähnt, ist in den Artikeln 927 ff. OR keine Definition des Handelsregisters oder eine Zweckumschreibung enthalten.30 Das Fehlen einer Begriffsumschreibung des Handelsregisters wurde verschiedentlich kritisiert. Der Entwurf erklärt daher im ersten Satz von Artikel 927 Absatz 1 E-OR neu den Begriff des Handelsregisters und trägt dabei im zweiten Satz auch dem Zweck des Handelsregisters Rechnung.

Der erste Satz von Artikel 927 Absatz 1 E-OR umschreibt unter Berücksichtigung der juristischen Lehre das Handelsregister als einen Verbund staatlich geführter Datenbanken (z. B. Datenbanken der kantonalen Einzelregister), mit welchen han-

29 30

S. auch die Frage Imfeld vom 18. Juni 2007 (07.5199 «KMU-Entlastung. Vorgezogener freier Zugriff auf Daten des Handelsregisters»).

Michael Gwelessiani, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, 2. Aufl., Zürich 2012, N 1; Martin K. Eckert, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 927 N 6.

3631

delsrechtliche Informationen erfasst werden.31 Demzufolge werden im Handelsregister je Rechtseinheit gleichartige Datengruppen beziehungsweise -mengen zusammengefasst, damit diese effizient sowie dauerhaft gespeichert und der Datenbestand für Benutzerinnen und Benutzer und Anwendungsprogramme mittels bedarfsgerechter Darstellungsformen bereitgestellt werden können.

Im zweiten Satz von Artikel 927 Absatz 1 E-OR werden die zentralen Funktionen dieser Datenbanken umschrieben, welche in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wie folgt festgehalten wurden: «Im Auge zu behalten ist dabei der Zweck des Handelsregisters, im Interesse der Geschäftstreibenden und des Publikums im Allgemeinen die kaufmännischen Betriebe und die sie berührenden, rechtserheblichen Tatsachen allgemein bekannt zu machen, sowie die Wirkungen des Eintrags, die, abgesehen von den an den Eintrag anknüpfenden Publizitätswirkungen, hauptsächlich in der Verschaffung des Firmenrechtes und Firmenschutzes bestehen sowie in der Konkurs- und Wechselbetreibungsfähigkeit ...»32 Somit werden im Handelsregister die nach Gesetz und Verordnung einzutragenden rechtlich relevanten Tatsachen über Rechtseinheiten erfasst und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. Die Publizität ist umfassend und erstreckt sich nicht nur auf die im Handelsregister erfassten Informationen, sondern darüber hinaus auch auf die den Eintragungen zugrunde liegenden Belege (Art. 930 OR und Art. 10 ff. HRegV).

Das Handelsregister schafft folglich Transparenz in Bezug auf die für den Rechtsverkehr wichtigen Tatsachen sowie Verhältnisse wie beispielweise die Firma, den Sitz, das Rechtsdomizil, den Zweck, die Zeichnungsberechtigungen und Funktionen.

Aufgrund der dem Handelsregister zukommenden Publikationsfunktion lassen sich die registrierten Rechtseinheiten auf der Grundlage verschiedener Merkmaler wie der Firma, des Namens, des Sitzes, der Rechtsform und der Unternehmens-Identifikationsnummer beispielsweise mit dem zentralen Firmenindex des EHRA33 eindeutig schweizweit identifizieren. Die kantonalen Handelsregisterämter bieten zusätzliche Suchmöglichkeiten in ihren Datenbanken, teilweise sogar mit erweiterten Suchfunktionen.

Des Weiteren knüpft das Gesetz direkte Wirkungen an die eingetragenen und publizierten Tatsachen. Somit gewährleistet das Handelsregister die
Rechtssicherheit sowie den Schutz Dritter.34 Gemäss Artikel 933 Absatz 1 OR darf niemand einwenden, dass er wirksam gewordene Eintragungen nicht kennt (sog. «positive Publizitätswirkung»). Umgekehrt bedeutet dies, dass nicht eingetragene Tatsachen grundsätzlich gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden können (sog. «negative Publizitätswirkung»). Die Publizitätswirkung gilt sowohl gegenüber Privaten als 31

32 33 34

Statt vieler Manfred Küng, Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VIII, 1. Abteilung, 1. Teilband, Obligationenrecht, Handelsregister und Geschäftsfirmen, Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 927 N 7; Martin K. Eckert, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 927 N 1 und Alexander Vogel, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, GmbH, Genossenschaft, Handelsregister und Wertpapiere, Zürich 2010, Art. 927 N 2; Clemens Meisterhans, Prüfungspflicht und Kognitionsbefugnis der Handelsregisterbehörde, Diss. Zürich 1996, S. 10; Christian J. Meier-Schatz, Funktion, Funktion und Recht des Handelsregisters als wirtschaftsrechtliches Problem, in: ZSR 1989, S. 438 f.

BGE 135 III 304, S. 313 f. m.w.H.

www.zefix.ch.

Clemens Meisterhans, Prüfungspflicht und Kognitionsbefugnis der Handelsregisterbehörde, Diss. Zürich 1996, S. 54 f.

3632

auch gegenüber Behörden. Zudem geniesst das Handelsregister die erhöhte Beweiskraft nach Artikel 9 ZGB, solange nicht die Unrichtigkeit des Inhaltes nachgewiesen ist.35 Deshalb gelten Tatsachen, die im Handelsregister eingetragen sind und rechtskonform veröffentlicht wurden, als allgemein bekannte (notorische) Tatsachen.36 Die dem Handelsregister innewohnende Rechtsdurchsetzungsfunktion wird nicht in Absatz 1 zweiter Satz verankert, da diese einen engeren Bezug zur Tätigkeit der Mitarbeitenden der Handelsregisterbehörden als zum Handelsregister als Datenbank von handelsrechtlichen Informationen aufweist. Deshalb ist die Rechtsdurchsetzung immanenter Teil der Prüfungspflicht des Handelsregisteramts (s. Art. 937 E-OR).

In Absatz 2 wird der Begriff der Rechtseinheiten als unabhängiger Oberbegriff für die abstrakte Bezeichnung von Einzelunternehmen, juristischen Personen, Handelsgesellschaften, Institute des öffentlichen Rechts, Zweigniederlassungen etc. auf Gesetzesstufe eingeführt. Dieser Begriff ist bereits in Artikel 2 Buchstabe a HRegV enthalten und wird unverändert in Absatz 2 überführt.

Art. 928

B. Organisation/I. Handelsregisterbehörden

In Absatz 1 wird in Anlehnung an die bisherige Regelung festgehalten, dass für die Führung des Handelsregisters die Kantone zuständig sind, wobei es ihnen offensteht, das Handelsregister kantonsübergreifend zu führen (Art. 3 HRegV). Der Begriff «Führung» ist in einem weiten Sinn zu verstehen; darunter fällt insbesondere auch der Betrieb des Handelsregisters. Nicht mehr erwähnt wird hingegen die bezirksweise Führung des Handelsregisters, da einzig der Kanton Wallis noch drei regional geführte Handelsregisterämter aufweist.

Gemäss Absatz 2 übt der Bund die Oberaufsicht über die Handelsregisterführung aus. Dies entspricht dem geltenden Artikel 5 Absatz 1 HRegV. Das EJPD hat die Oberaufsicht über die Handelsregisterführung. Innerhalb des EJPD wurde diese Aufgabe dem EHRA übertragen, welches zum Bundesamt für Justiz (BJ) gehört37.

Da das Bundesrecht dezentral von den kantonalen Behörden angewendet wird, bedarf es einer Oberaufsicht durch den Bund, damit eine korrekte und einheitliche Anwendung des Bundesrechts sichergestellt werden kann. Dementsprechend wird die Oberaufsicht insbesondere durch den Erlass von Weisungen und Praxismitteilungen38 und durch die Prüfung der Rechtmässigkeit beziehungsweise Genehmigung der kantonalen Einträge umgesetzt (Art. 5 Abs. 2 Bst. a und b sowie Art. 31 ff.

HRegV). Hinzu kommt die Beschwerdebefugnis des EHRA gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts und der kantonalen Gerichte (Art. 5 Abs. 2 Bst. e HRegV)39.

Der Hinweis auf eine kantonale Aufsichtsbehörde des Handelsregisteramts fehlt. Es bleibt den Kantonen überlassen, für administrative, betriebliche oder disziplinarische Fragen weiterhin eine spezifische Aufsichtsbehörde im kantonalen Recht vorzusehen. Davon zu unterscheiden, ist das obere kantonale Gericht, bei dem als einziger

35 36 37 38 39

BGE 106 II 346 E. 1, S. 348.

Entscheid 5A.62/2009 des Bundesgerichts vom 2. Juli 2009, E. 2.

Art. 8 Abs. 1 Bst. c Organisationsverordnung vom 17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (OV-EJPD, SR 172.213.1).

Vgl. www.e-service.admin.ch/wiki/display/ehrabasis/Inhalt Vgl. etwa BGE 137 III 217 ff.

3633

Beschwerdeinstanz im Kanton sämtliche Verfügungen des Handelsregisteramts angefochten werden können (Art. 165 Abs. 2 HRegV)40.

Art. 928a

II. Zusammenarbeit zwischen den Behörden

Damit das Tagesgeschäft der aktuell 28 kantonalen Handelsregisterämter und des EHRA reibungslos funktioniert, ist es zum Beispiel im Rahmen der Prüfung der Handelsregistereintragungen, bei interkantonalen Umstrukturierungen oder Sitzverlegungen unumgänglich, dass die verschiedenen Handelsregisterbehörden zusammenarbeiten. Absatz 1 regelt einerseits die Zusammenarbeit der kantonalen Handelsregisterämter untereinander und andererseits den Austausch mit der Oberaufsicht.

Absatz 2 statuiert die Möglichkeit zur allgemeinen Amtshilfe. Um den Inhalt des Handelsregisters so aktuell wie möglich und frei von Fehlern zu präsentieren, ist es erforderlich, dass Verwaltungsbehörden und Gerichte die Handelsregisterämter in ihrer Aufgabe unterstützen. Der Informationsaustausch beschränkt sich auf diejenigen Angaben und Unterlagen, von denen die Behörde im Rahmen ihrer laufenden Tätigkeiten Kenntnis erhält und die für das Handelsregister relevant sind. Eine vergleichbare Norm findet sich bereits im Entwurf vom 21. Dezember 200741 zur Änderung des Obligationenrechts. Spezialrechtliche Geheimhaltungsbestimmungen, insbesondere das Steuergeheimnis, gehen der vorliegenden Bestimmung hingegen vor.

Um den gegenseitigen Informationsfluss nicht zu erschweren, sind gemäss Absatz 3 alle Auskünfte und Mitteilungen zwischen den Behörden gebührenfrei zu erteilen.

Art. 928b

C. Zentrale Datenbanken

Die dezentrale Organisation des Handelsregisters führt zu Einschränkungen beim Auffinden von Rechtseinheiten und Personen sowie bei der Verknüpfung von Informationen. Gemäss Absatz 1 betreibt das EHRA als Oberaufsichtsbehörde des Bundes die zentralen Datenbanken Rechtseinheiten und Personen, welche auf den in den kantonalen Registern eingetragenen Daten aufbauen:

40 41

­

Zentrale Datenbank Rechtseinheiten: Die bereits heute unter der Bezeichnung Zentralregister geführte zentrale Datenbank Rechtseinheiten dient der Verknüpfung, Unterscheidung und dem Auffinden der eingetragenen Rechtseinheiten (Art. 13 Abs. 1 HRegV). Erst diese zentrale Erfassung ermöglicht eine gesamtschweizerische Recherche nach Rechtseinheiten und eine Kontrolle in Bezug auf die Firmen- oder Namensidentität.

­

Zentrale Datenbank Personen: Die Offenlegung der Vertretungsbefugnisse bildet einen zentralen Pfeiler des Handelsregisters. Je nach Rechtseinheit werden daher die vertretungsberechtigten natürlichen Personen im Handelsregister eingetragen. Zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Vertretungsrechten werden zusammen mit den Personenangaben die Funktion und die Art der Zeichnungsberechtigung erfasst. Die Registrierung dieser Martin K. Eckert, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 927 N 13 ff.

Vgl. Art. 941 E-OR in Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktien- und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, hier 1732.

3634

Angaben über natürliche Personen erfolgt aufgrund der dezentralen Organisation des Handelsregisters ausschliesslich durch die kantonalen Handelsregisterämter am Sitz beziehungsweise an der Niederlassung der Rechtseinheit. Durch die dezentrale Erfassung in den jeweiligen kantonalen Datenbanken ist es heute nicht möglich, gesamtschweizerisch festzustellen, welche natürlichen Person in welcher Funktion oder mit welcher Zeichnungsberechtigung bei einer oder verschiedenen Rechtseinheiten im Handelsregister eingetragen ist. Somit ist aus dem Handelsregister nicht ersichtlich, ob es sich bei zwei Personen mit identischen Vor- und Nachnamen um sogenannte Namensvettern oder um ein und dieselbe Person handelt. Des Weiteren ist es auch denkbar, dass die gleiche Person mit unterschiedlichen Identifikationsmerkmalen erfasst wurde (z. B. je mit einer unterschiedlichen Nationalität bei Doppelbürgern). Je nach Vor- und Nachnamen ist es auch nicht immer zweifelsfrei möglich zu bestimmen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. Dadurch ist der primäre Zweck des Handelsregisters gemäss Artikel 927 Absatz 1 E-OR, nämlich die Erfassung und Offenlegung rechtlich relevanter Tatsachen und die Gewährleistung der Rechtssicherheit sowie der Schutz Dritter, heute nur beschränkt sichergestellt. Daher wird neu ein durch den Bund betriebenes Informationssystem zur Bearbeitung von Daten der im Handelsregister eingetragenen Personen sowie deren Funktionen und Zeichnungsberechtigungen vorgesehen. Mit der zentralen Datenbank Personen können die eingetragenen Personen künftig gesamtschweizerisch eindeutig identifiziert werden. Dafür werden die Angaben zu natürlichen Personen in Verbindung mit weiteren Angaben, wie den ihnen zukommenden Funktionen und Zeichnungsberechtigungen, durch die kantonalen Handelsregisterämter für jede Rechtseinheit in der zentralen Datenbank erfasst. Die kantonalen Handelsregisterämter greifen dabei über Webservice-Schnittstellen in einem geschützten nicht öffentlichen Netzwerk auf die zentrale Datenbank Personen zu. Zugleich wird durch die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer die zentrale Datenbank Personen periodisch mit der UPI-Datenbank abgeglichen und dadurch aktuell gehalten. Die kantonalen Handelsregisterämter können somit im Rahmen der Erfassung der Angaben über natürliche
Personen anlässlich eines Eintragungsgeschäfts gegebenenfalls auf bereits vorhandene Daten zu einer natürlichen Person zugreifen, diese in ihre kantonalen Datenbanken übernehmen und zugleich auf ihre Aktualität und Richtigkeit überprüfen. Das EHRA kann als Betreiberin der zentralen Datenbank Personen zentrale Verwaltungsaufgaben mittels einer Administrierungsapplikation vornehmen. Im Übrigen wird sich kantonsseitig an der heutigen Datenspeicherung und -verwaltung durch die Einführung der zentralen Datenbank Personen grundsätzlich nichts ändern.

Die zentrale Datenbank Rechtseinheiten wird gemäss Absatz 2 durch das EHRA als die Oberaufsichtsbehörde des Bundes täglich nachgeführt. Diese Datenbank enthält heute beispielsweise die im Handelsregister publizierten Kerndaten zu zirka 544 200 aktiven Rechtseinheiten und wird durch die im Rahmen der Genehmigungen der Tagesregistereintragungen gutgeheissenen Neueintragungen, Eintragungen von Mutationen sowie Löschungen der verschiedenen Rechtseinheiten durch die Mitarbeiter des EHRA gespeist. Die öffentlichen Daten der zentralen Datenbank Rechtseinheiten werden interessierten Dritten zugänglich gemacht. Auf der Internetseite www.zefix.ch kann jedermann ohne Interessensnachweis mittels dem zentralen 3635

Firmenindex (Zefix) gebührenfrei durch elektronische Einzelabfragen schweizweit in den öffentlichen Daten der zentralen Datenbank Rechtseinheiten suchen. Zudem bietet das EHRA die Möglichkeit, auf Anfrage über eine Webservice-Schnittstelle dieselben Daten strukturiert elektronisch abzurufen.

Zur Identifikation der natürlichen Personen werden auf der Grundlage von Absatz 3 die Handelsregisterämter verpflichtet, die Daten der zentralen Datenbank Personen im Tagesgeschäft zu erfassen. Bereits heute prüfen die Handelsregisterämter gemäss Artikel 24a Absatz 1 HRegV die Identität der im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen grundsätzlich auf der Grundlage eines gültigen Passes oder einer gültigen Identitätskarte. Gemäss Artikel 24a Absatz 2 HRegV kann unter gewissen Voraussetzungen der Nachweis der Identität von natürlichen Personen auch in einer öffentlichen Urkunde oder in einer Unterschriftsbeglaubigung erbracht werden. Im Nachgang zur vorstehend beschriebenen Identitätsprüfung erfassen die Handelsregisterämter gemäss Artikel 24b Absatz 1 Buchstaben a­g HRegV namentlich die folgenden Angaben zur Identifikation: den Familiennamen, gegebenenfalls den Ledignamen, alle Vornamen in der richtigen Reihenfolge, das Geburtsdatum, das Geschlecht und die politische Gemeinde des Heimatortes oder bei ausländischen Staatsangehörigen, die Staatsangehörigkeit. Die Publizität dieser Angaben richtet sich gemäss Artikel 24b Absatz 3 HRegV nach Artikel 119 Absatz 1 HRegV.

Für die Sicherheit der zentralen Datenbanken Rechtseinheiten und Personen sowie für die Rechtmässigkeit der entsprechenden Datenbearbeitung ist gemäss Absatz 4 der Bund verantwortlich, weil er diese Datenbanken betreibt. Er hat die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit die Daten nicht missbräuchlich verwendet werden.

Namentlich ist der Bund mit dem Abgleich der Daten mit der UPI-Datenbank betraut und für die Verwaltung der AHVN13 in der zentralen Datenbank Personen verantwortlich.

Art. 928c

D. AHV-Versichertennummer und Personennummer

Die in der zentralen Datenbank Personen geführten Angaben über die im Handelsregister eingetragenen Personen werden gemäss Absatz 1 mit der Versichertennummer der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) versehen. Die AHV-Versichertennummer (AHVN13) wird jedoch nie öffentlich auf Handelsregisterauszügen oder anderen öffentlichen Dokumenten erscheinen. Die AHVN13 dient in der zentralen Datenbank Personen als interner Personenidentifikator. Die zentrale Datenbank Personen wird mit der UPI-Datenbank der Zentralen Ausgleichsstelle ZAS verbunden. Die systematische Verwendung der AHVN13 schafft die Voraussetzung für eine erfolgreiche Verknüpfung der zentralen Datenbank Personen mit der UPIDatenbank. Die Verbindung mit der UPI-Datenbank ermöglicht eine richtige Bearbeitung der in der zentralen Datenbank Personen geführten Daten. Durch die systematische Verwendung der AHVN13 wird die eindeutige Identifikation der erfassten Person sichergestellt. Die zentrale Datenbank Personen wird in Zukunft dank der Verbindung mit der UPI-Datenbank und der Verwendung der AHVN13 erlauben, dass beispielsweise Personenmutationen (z. B. die Änderung des Namens oder des Personenstandes) höchstens noch einmal dem Handelsregisteramt oder einer anderen Behörde, welche die UPI-Datenbank verwendet, mitgeteilt werden müssen, sofern die gesetzlichen Grundlagen dies vorsehen.

Nach Absatz 2 ist die Bekanntgabe der AHV-Versichertennummer durch die Handelsregisterbehörden nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig. Zum 3636

einen sind als Empfänger bloss Stellen und Institutionen vorgesehen, welche die AHV-Versichertennummer ebenfalls systematisch verwenden dürfen. Zum andern ist vorausgesetzt, dass die Bekanntgabe zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Empfängers erforderlich ist, und zwar von Aufgaben «im Zusammenhang mit dem Handelsregister». Der Bundesrat wird im Bedarfsfall in der HRegV bestimmen, wer eine solche gesetzliche Aufgabe im Zusammenhang mit dem Handelsregister hat.

Dies berechtigt die entsprechenden Stellen und Institutionen jedoch nicht automatisch zur systematischen Verwendung der AHV-Versichertennummer; hierfür ist Artikel 50e AHVG massgebend. Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine Streuung der AHV-Versichertennummer zu vermeiden, ohne eine im Handelsregisterkontext sinnvolle Bekanntgabe gänzlich zu verhindern. Stellen und Institutionen, die über keine Befugnis zur systematischen Verwendung der Versichertennummer verfügen, müssen deshalb für die Nutzung im Einzelfall die Zustimmung der betroffenen Person einholen. Die AHV-Versichertennummer wird insbesondere jeder Person zugewiesen, die in der Schweiz Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 50c Abs. 1 Bst. a AHVG); zudem, wenn dies notwendig ist, im Verkehr mit einer Stelle oder Institution, die zur systematischen Verwendung der Nummer berechtigt ist (Art. 50c Abs. 2 Bst. b AHVG). Diese Bestimmung ermöglicht es, Ausländerinnen und Ausländern mit Wohnsitz im Ausland, die bisher keine Nummer erhalten haben, ebenfalls eine AHV-Versichertennummer zuzuteilen. Die zur systematischen Verwendung berechtigten Stellen und Institutionen müssen spezifische sichernde Massnahmen ergreifen, namentlich betreffend die Verwendung der richtigen AHV-Versichertennummer und den Schutz vor deren missbräuchlicher Verwendung (Art. 50g Abs. 2 Bst. a AHVG). Werden die Daten der Personen von den Handelsregisterämtern korrekt erfasst, so ist es möglich, über die zentrale Datenbank Personen die zugehörige AHV-Versichertennummer mittels der Zentralen Ausgleichsstelle ZAS (Art. 71 AHVG, Art. 174 f. AHVV) in Erfahrung zu bringen und in die Personendaten zu übernehmen. Die in Absatz 2 vorgesehene Datenbekanntgabe ist nach Artikel 50a Absatz 1 Buchstabe bbis AHVG an sämtliche Stellen oder Institutionen zulässig, die zur Verwendung der AHV-Versichertennummer berechtigt
sind. Mit der vorgesehenen expliziten Verankerung der systematischen Verwendung sind auch die Handelsregisterbehörden von der erwähnten Bestimmung erfasst, sodass sich eine Ergänzung von Artikel 50a AHVG erübrigt.

Damit für die in der zentralen Datenbank Personen verzeichneten Personen eine vereinfachte Publikation im Handelsregister stattfinden kann, ist es notwendig, dass gemäss Absatz 3 die Daten mit einer weiteren, neu zu schaffenden Personennummer versehen werden. Die Personennummer wird keine zusätzlichen Rückschlüsse auf andere Daten (z. B. AHV-Versichertennummer) zulassen und darf daher veröffentlicht werden. Die Art und der Aufbau der neuen Personennummer werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Art. 929

E. Eintragung, Änderung und Löschung/I. Grundsätze

Absatz 1 verlangt, dass Einträge im Handelsregister der Wahrheit entsprechen müssen, keine Täuschungen verursachen und nicht dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen dürfen. Diese drei Grundsätze ergeben sich aus Artikel 9 ZGB sowie der Forderung nach Registerklarheit. Sie garantieren die Verlässlichkeit des Handelsregisters und dienen dem Verkehrsschutz sowie der Rechtssicherheit. Mit dem Wahrheitsgebot stellt der Gesetzgeber die Forderung auf, dass Einträge im Handelsregister wahr sein und sich Dritte auf sie verlassen können müssen. Das Wahrheitsgebot 3637

ist im Täuschungsverbot enthalten42, da gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die durch den Eintrag im Handelsregister hervorgerufene Täuschung voraussetzt, dass der Eintrag tatsächlich unwahr ist43. Adressaten des Täuschungsverbots und des Wahrheitsgebots sind ­ unter Vorbehalt der Gestaltung und Formulierung der Einträge in das Handelsregister ­ sowohl die anmeldungspflichtigen Personen als auch die sie unterstützenden Personen, beispielsweise Notare, Rechtsanwälte und Treuhänder. Des Weiteren dürfen die Einträge im Handelsregister nicht gegen ein öffentliches Interesse verstossen. Unter dem öffentlichen Interesse ist das den am Eintragungsverfahren Beteiligten übergeordnete Interesse des Gemeinwesens beziehungsweise des Gemeinwohls zu verstehen. Es geht hierbei um die Durchsetzung konkreter und nicht bloss allgemeiner volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder fiskalischer Interessen. Eine über die expliziten rechtlichen Vorschriften hinausgehende allgemeine Wahrung öffentlicher Interessen kann den Handelsregisterbehörden nicht zugemutet werden44. Beispiele für die Wahrung konkreter öffentlicher Interessen durch die Handelsregisterbehörden sind in Artikel 1 Absatz 4 des Bankengesetzes vom 8. November 193445 (BankG) und im Bereich der beruflichen Vorsorge (Art. 94 Abs. 1 Bst. f HRegV) zu finden.

Absatz 2 führt mit dem Anmeldungs- sowie dem Belegprinzip zwei weitere Grundsätze auf. Regelmässig nimmt das ordentliche Eintragungsverfahren seinen Lauf aufgrund einer von den anmeldenden Personen an das Handelsregisteramt gerichteten schriftlichen Erklärung (auf Papier oder in elektronischer Form), mit der die Erfassung von eintragungspflichtigen oder -berechtigten Tatsachen ins Handelsregister beantragt wird (Art. 15 Abs. 1 HRegV). Die zur Eintragung ins Handelsregister angemeldeten Tatsachen müssen gemäss dem Belegprinzip nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass nichts ins Handelsregister eingetragen werden darf, was nicht durch einen schriftlichen Beleg (auf Papier oder in elektronischer Form) nachgewiesen ist (Art. 15 Abs. 2 und Art. 20 ff. HRegV), wie beispielsweise durch öffentliche Urkunden, Prüfbestätigungen, Protokolle, Zirkularbeschlüsse, Erbbescheinigung oder sonstige Erklärungen. Die Belege dienen als Beweismittel, dass die angemeldeten Tatsachen zutreffen46. Rein mündliche Aussagen
gegenüber den Handelsregisterbehörden reichen nicht aus. Zum Teil macht das Gesetz Vorgaben an Form oder Inhalt von Dokumenten, die als Beleg für eine Eintragung im Handelsregister verwendet werden (z. B. Art. 627, Art. 650 Abs. 2, Art. 702 Abs. 2 und Art. 734 OR). Des Weiteren finden sich in der Handelsregisterverordnung Checklisten über die Belege, welche für die Eintragung einer bestimmten Tatsache notwen42

43 44

45 46

Manfred Küng, in: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VIII, 1. Abteilung: Das Handelsregister und Geschäftsfirmen, 1. Teilband: Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 929 N 145 f.

BGE 60 I 55 E. 2.

Eduard His, in: H. Becker (Hrsg.), Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band VII, 4. Abteilung: Handelsregister, Geschäftsfirmen und kaufmännische Buchführung, Art. 927­964 OR, Bern 1940, Art. 940 N 54; Arthur MeierHayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2012, § 6 N 53; Clemens Meisterhans, Die Bewilligung als Voraussetzung für die Handelsregistereintragung, REPRAX 1/2012, S. 43 ff.

SR 952 Eduard His, in: H. Becker (Hrsg.), Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band VII, 4. Abteilung: Handelsregister, Geschäftsfirmen und kaufmännische Buchführung, Art. 927­964 OR, Bern 1940, Art. 932 N 63; Manfred Küng, in: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VIII, 1. Abteilung: Das Handelsregister und Geschäftsfirmen, 1. Teilband: Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 962 N 627.

3638

dig sind und nennt vereinzelt die erforderlichen Inhalte der Belege (z. B. Art. 43, 55 und 94 HRegV). Die Handelsregisterverordnung setzt zudem allgemeine formelle Voraussetzungen an die Beschaffenheit eines Belegs; beispielsweise müssen Protokolle von der Protokollführerin oder vom Protokollführer und von der oder dem Vorsitzenden des beschliessenden Organs unterzeichnet werden (Art. 23 Abs. 2 HRegV). Da die Anmeldung sowie die Belege der Öffentlichkeit des Handelsregisters unterliegen, sollten die anmeldenden Personen vor diesem Hintergrund bedenken, dass sich oftmals in Belegen zusätzliche Informationen finden (z. B. personalsensitive Aussagen in einem Verwaltungsratsprotokoll), die nicht für die angemeldeten Einträge in das Handelsregister relevant sind, und daher eher die Einreichung eines entsprechenden Protokollauszugs ins Auge fassen. Die Frage, welche natürlichen Personen die Anmeldung zur Vornahme eines Handelsregistereintrags unterzeichnen müssen, wird in der Handelsregisterverordnung detailliert geregelt. Im Unterschied zur geltenden Regelung wäre es künftig denkbar, dass auch weitere Personen mittels Spezialvollmacht stellvertretend die Anmeldung vornehmen könnten. Das könnte vor allem bei rein elektronischen Eingaben nützlich sein.

Absatz 3 erfasst die Fälle, in welchen die Einträge ins Handelsregister nicht aufgrund einer Anmeldung, sondern aufgrund eines Urteils oder einer Verfügung eines Gerichts oder einer Behörde vorgenommen werden (vgl. Art. 19 und 152 ff.

HRegV), wenn es das Gesetz oder die Verordnung vorsieht. Die verfügende Behörde oder das urteilende Gericht müssen dem zuständigen Handelsregisteramt die vollstreckbare Verfügung oder das vollstreckbare Urteil mit den für die Handelsregistereintragung erforderlichen Angaben übermitteln. Ob die Vollstreckbarkeit mit oder ohne Rechtskraft gegeben ist, beurteilt sich nach dem anzuwendenden Verfahrensrecht [z. B. Art. 39 und 55 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196847 (VwVG); Art. 315, 325 und 336 der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200848 (ZPO); Art. 61 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200549 (BGG)], teilweise auch anhand spezialrechtlicher Bestimmungen [z. B.

Art. 74 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198250 (BVG) über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge]. Verschiedene
Entscheide aus dem Bereich der Konkursbetreibung hat das Gericht dem Handelsregisteramt sogar unverzüglich mitzuteilen [Art. 19 Abs. 1 Satz 3 HRegV i.V.m. Art. 176 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 11. April 188951 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)].

Art. 930

II. Unternehmens-Identifikationsnummer

Artikel 930 E-OR entspricht im Wesentlichen dem geltenden Artikel 936a Absatz 1 OR, wonach die im Handelsregister eingetragenen Rechtseinheiten allesamt eine Unternehmens-Identifikationsnummer erhalten. Aufgrund der Verwendung des Begriffs der Rechtseinheit werden nunmehr auch die Entitäten des Kollektivanlagengesetzes vom 23. Juni 200652 (KAG) explizit erfasst. Im Übrigen ergeben sich die Kompetenzen des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsbestimmungen im

47 48 49 50 51 52

SR 172.021 SR 272 SR 173.110 SR 831.40 SR 281.1 SR 951.31

3639

Bereich der Unternehmens-Identifikationsnummer aus Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 201053 über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG).

Art. 931

III. Eintragungspflicht und freiwillige Eintragung/ 1. Einzelunternehmen und Zweigniederlassungen

Die Inhaberin oder der Inhaber eines Einzelunternehmens im Sinne von Artikel 931 Absatz 1 E-OR ist immer eine natürliche Person im Sinne von Artikel 11 ff. ZGB.

Als Gewerbe ist «eine selbstständige, auf dauernden Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit» zu betrachten (vgl. Art. 2 Bst. b HRegV). Unter einer wirtschaftlichen Tätigkeit versteht man die Tätigkeit einer Person, die auf ein wirtschaftliches (materielles) Entgelt für die Betätigung gerichtet ist, das heisst eine Erwerbstätigkeit54.

Damit erfolgt die Abgrenzung zur ideellen Tätigkeit. Eine Erwerbsabsicht genügt bereits; die Absicht, Gewinn zu erzielen, oder gar der Nachweis eines Gewinnes sind hingegen nicht notwendig55. Die wirtschaftliche Tätigkeit kann aus rechtlicher oder wirtschaftlicher Sicht selbstständig sein. Eine Tätigkeit wird namentlich dann selbstständig ausgeführt, wenn die natürliche Person hinsichtlich der Einteilung der Zeit und internen Organisation frei ist. Des Weiteren gilt es zu beachten, dass die Ausrichtung auf einen dauernden Erwerb das Gewerbe vom einmaligen oder gelegentlichen Rechtsgeschäft abgrenzt56. Nicht erforderlich ist, dass es sich bei der Tätigkeit um die Haupttätigkeit der Person handelt. Unbedeutend ist auch, ob ein Gewerbe nur saisonal betrieben wird (z. B. ein Skilift). Entscheidend ist, dass objektiv wiederholt der wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen wird und subjektiv der wirtschaftlichen Tätigkeit eine entsprechende Absicht zugrunde liegt. Mit Blick auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung bedeutet dies beim freiberuflichen Gewerbe57, dass die Angehörigen der freien Berufe ins Handelsregister eingetragen werden müssen, «wenn das Streben nach Wirtschaftlichkeit gegenüber der persönlichen Beziehung zum Patienten oder Klienten in den Vordergrund tritt»58; diesfalls kommt es nicht auf den Gegenstand oder Zweck der im Rahmen eines Gewerbes verfolgten Tätigkeit an59.

Des Weiteren verlangt Absatz 1 einen Umsatz von mindestens 100 000 Franken während eines Geschäftsjahrs. Diese Umsatzgrenze ist identisch mit der Umsatzlimite der Mehrwertsteuerpflicht (Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 Bst. a des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200960 [MWSTG]) und gilt entgegen gewisser Lehr-

53 54

55 56

57

58 59 60

SR 431.03 Manfred Küng, in: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VIII, 1. Abteilung: Das Handelsregister und Geschäftsfirmen, 1. Teilband: Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 934 N 36.

Vgl. BGE 80 I 384, 68 I 110, 63 I 98 und 61 I 127 f.

BGE 58 I 207 und 84 I 188; Carl Baudenbacher, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­1186 OR, Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), 4. Aufl., Basel 2012, Art. 552 N 30; Manfred Küng, in: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VIII, 1. Abteilung: Das Handelsregister und Geschäftsfirmen, 1. Teilband: Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 934 N 36.

Angehörige freier Berufe sind namentlich die Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Ingenieurinnen und Ingenieure, Architektinnen und Architekten und Anwältinnen und Anwälte (Urteil 4A_526/2008, E. 4.2).

Urteil 4A_526/2008, E. 4.2; nahezu gleich BGE 124 III 363 E. II.2.b, S. 365.

BGE 130 III 707 E. 4.2, S. 711.

SR 641.20

3640

meinungen weder für Vereine noch für Kollektiv- und Kommanditgesellschaften61.

Ist eine natürliche Person Inhaberin oder Inhaber mehrerer Einzelunternehmen, so sind deren Jahresumsätze zusammenzurechnen (Art. 36 Abs. 1 HRegV), damit die Eintragungspflicht nicht umgangen werden kann.

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht eine Niederlassung in der Regel dort, wo eine natürliche Person einen Geschäftsbetrieb unterhält, der auf längere Zeit besteht62. Die Niederlassung kann gegen aussen beispielsweise als Büro, Labor, Laden, Lager, Lokal, Praxis, Werkstatt etc. in Erscheinung treten.

Allgemein ausgedrückt ist die Niederlassung der Ort, von dem aus die wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird. Die Niederlassung kann daher vom zivilrechtlichen Wohnsitz der Inhaberin oder des Inhabers abweichen.

Die Artikel 641, 778a und 836 OR zur Eintragung von Zweigniederlassungen ins Handelsregister werden aufgehoben und in Absatz 2 überführt. Dieser regelt neu die Eintragungspflicht sowohl von Zweigniederlassungen mit einer Hauptniederlassung mit Sitz in der Schweiz als auch von schweizerischen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften. Mangels einer Legaldefinition der Zweigniederlassung hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung dem Begriff praxisgerechte Konturen verliehen: Eine Zweigniederlassung ist ein faktisch verselbstständigter Betriebsteil, der rechtlich Teil einer Hauptniederlassung ist, von der sie abhängt, aber in eigenen Räumlichkeiten dauerhaft tätig ist und über eine gewisse wirtschaftliche sowie geschäftliche Unabhängigkeit beziehungsweise Eigenständigkeit verfügt63. Des Weiteren hat das Bundesgericht entschieden, dass die für inländische Zweigniederlassungen genannten Eintragungsvoraussetzungen auch für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen gelten64. Künftig wird es auch der Rechtsprechung sowie der juristischen Lehre obliegen, den Begriff der Zweigniederlassung weiterzuentwickeln. Die Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister erfolgt an dem Ort, an dem sie sich befindet.

Gemäss Absatz 3 haben auch Einzelunternehmen oder Zweigniederlassungen, die nicht eintragungspflichtig sind, die Möglichkeit, sich freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen. Weiterhin nicht ins Handelsregister eingetragen werden die einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) oder der Trust (Art. 149a ff. des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198765 über das Internationale Privatrecht [IPRG]).

61 62

63

64 65

Vgl. Vincent Jeanneret/Olivier Hari, Commentaire Romand, Code Civil I, art. 1­359, Pascal Pichonnaz/Bénédict Foëx (ed.), Bâle 2010, Art. 61 N 9.

Vgl. BGE 103 II 201 und Manfred Küng, in: Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band VIII, 1. Abteilung: Das Handelsregister und Geschäftsfirmen, 1. Teilband: Das Handelsregister, Art. 927­943 OR, Bern 2001, Art. 934 N 31.

Vgl. BGE 117 II 87; 108 II 124; 89 I 413; 81 I 154, 158 und 68 I 113 sowie Martin K.

Eckert, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 935 N 2.

BGE 108 II 124 = Pra 1982, 609 ff.

SR 291 Vgl. Adrian Tagmann, Handelsregisterrechtliche Behandlung des Trusts bei der GmbH, REPRAX 2/2010, S. 46.

3641

Art. 932

2. Institute des öffentlichen Rechts

Der Begriff des «Instituts des öffentlichen Rechts» entspricht im Wesentlichen demjenigen des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 200366 (FusG). Damit wird grundsätzlich die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden erfasst, die organisatorisch verselbstständigt sind67.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Institute juristische Personen sind oder nicht. Ein gewichtiges Indiz für die organisatorische Verselbstständigung ist das Vorliegen von abtrennbarem Vermögen68. Eine eigene Rechnung und eigene Organe sind zusätzliche Indizien für die organisatorische Verselbstständigung.

Eine Eintragungspflicht besteht gemäss Absatz 1, wenn das Institut einer «überwiegenden privatwirtschaftlichen Tätigkeit» nachgeht. Hierbei orientiert sich der Gesetzestext an Artikel 27 Absatz 2 BV und bezieht sich auf jede privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines Gewinns oder dem Erwerb dient und bei der das Institut des öffentlichen Rechts in Konkurrenz zu Privaten steht. Die privatwirtschaftliche Tätigkeit muss gegenüber der sonstigen vom öffentlichen Recht vorgesehenen Tätigkeit überwiegen. Aufgrund der staatlichen Konkurrenz zu den privatwirtschaftlichen Rechtseinheiten ist wegen der Rechtsgleichheit und der Transparenz im Rechtsverkehr die Eintragungspflicht für Institute des öffentlichen Rechts angezeigt. Überdies hat das Bundesgericht in der Vergangenheit in mehreren Entscheiden die Eintragungspflicht von Instituten des öffentlichen Rechts bejaht, wenn sie ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben69. Des Weiteren hielt das Bundesgericht fest, dass der Eintrag eines Instituts des öffentlichen Rechts ins Handelsregister im Allgemeinen nicht konstitutiv wirkt. Jedoch bleibt es dem öffentlichen Recht vorbehalten, vorzusehen, dass ein Institut des öffentlichen Rechts erst entsteht, wenn die Eintragung im Handelsregister vollzogen ist. Der Eintrag kann dem Institut des öffentlichen Rechts keine Rechtspersönlichkeit verschaffen, wenn ihm dieselbe gemäss öffentlichem Recht nicht zukommt70. Die Eintragung erfolgt in das zuständige Handelsregister am Sitz des Instituts. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist der Sitz gemäss Artikel 56 ZGB entweder aus den Statuten ersichtlich oder entspricht dem Ort, von dem aus die Verwaltung geführt
wird. Für Institute des öffentlichen Rechts, die nicht juristische Personen sind, gilt, sofern z. B. in einem öffentlich-rechtlichen Erlass oder einem Reglement nicht anderes geregelt wird, auch der Ort von dem aus die Verwaltung geführt wird als Sitz.

Auch wenn keine Eintragungspflicht besteht, kann sich das Institut des öffentlichen Rechts gemäss Absatz 2 freiwillig ins Handelsregister eintragen lassen.

66 67 68 69 70

SR 221.301 Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Bundesgesetz über die Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG), BBl 2000 4337, 4389 und 4482.

Marc Amstutz/Ramon Mabillard, Fusionsgesetz (FusG), Kommentar, Basel 2008, Art. 2 N 14.

BGE 115 Ib 233 E. 3, S. 237, Zuger Kantonalbank; BGE 80 I 383, S. 384, Oberwalliser Kreisspital sowie BGE 57 I 315 E. 3, S. 319, Aargauische Kantonalbank.

BGE 51 I 212 E. 2, S. 232; vgl. auch Claire Huguenin, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1­456 ZGB, Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), 4. Aufl., Basel 2010, Art. 52 N 9 f.

3642

Art. 933

IV. Änderung von Tatsachen

Artikel 933 E-OR entspricht vollständig dem geltenden Artikel 937 OR, der in Artikel 27 HRegV wiederholt wird.

Ändert sich eine bereits im Handelsregister eingetragene Tatsache, so ist auch die Modifikation oder Löschung dieser Tatsache im Handelsregister nachzuführen. Das gilt auch für Tatsachen, deren Publikation rechtlich nicht vorgeschrieben war, die aber als sogenannte zusätzliche Tatsachen ins Handelsregister eingetragen wurden (Art. 30 HRegV). Sämtliche Änderungen sind rechtskonform anzumelden und zu belegen (Art. 929 Abs. 2 E-OR).

Kommt das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan einer Rechtseinheit seiner Pflicht nicht nach, Änderungen anzumelden, so hat das Handelsregisteramt die Eintragung der Änderung von Amtes wegen vorzunehmen (vgl. Art. 152 ff.

HRegV).

Nicht mehr explizit auf Gesetzesstufe wird das Recht der ausgeschiedenen Personen erwähnt, ihre eigene Löschung beim Handelsregisteramt anzumelden. Diese Regelung wird flexibler und umfassender in der Handelsregisterverordnung geregelt (Art. 17 Abs. 2 HRegV).

Art. 934

V. Löschung von Amtes wegen/1. Bei Rechtseinheiten ohne Geschäftstätigkeit und ohne Aktiven

Artikel 934 E-OR entspricht grundsätzlich dem geltenden Artikel 938a OR. Der Anwendungsbereich in Absatz 1 wird jedoch erweitert, indem rechtsformneutral sämtliche im Handelsregister eingetragene Rechtseinheiten erfasst werden. Artikel 155 HRegV, die Ausführungsbestimmung zu Artikel 938a OR, verwendet bereits heute den Begriff der Rechtseinheit. Die gesetzliche Grundlage für Artikel 155 HRegV war diesbezüglich jedoch umstritten71. Nach wie vor setzt die Löschung von Amtes wegen kumulativ voraus, dass die Gesellschaft keine Geschäftstätigkeit mehr aufweist und über keine verwertbaren Aktiven mehr verfügt. Das Vorliegen von definitiven Verlustscheinen weist darauf hin, dass eine Rechtseinheit ohne Aktiven ist. Oftmals zeigen auch die Betreibungs- und Konkursämter oder Steuerbehörden dem Handelsregister an, dass eine Rechtseinheit keine verwertbaren Aktiven mehr hat. Ob die Rechtseinheit auch die Geschäftstätigkeit endgültig eingestellt hat, bedarf allenfalls weiterer Abklärungen. Wenn eine Rechtseinheit ein Mangel in der Organisation aufweist, so kann hieraus nicht sogleich die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch die Geschäftstätigkeit aufgegeben wurde; vielmehr hat in solchen Fällen das Verfahren bezüglich Organisationsmängel Vorrang.

Das Verfahren von Artikel 155 HRegV wird in Absatz 2 auf Gesetzesstufe übertragen: Das Handelsregisteramt hat zunächst die Rechtseinheit unter Ansetzung einer Frist aufzufordern, die Löschung anzumelden oder mitzuteilen, dass die Eintragung aufrechterhalten bleiben soll. Macht die Rechtseinheit geltend, der Eintrag solle bestehen bleiben, wird das Verfahren sogleich wieder eingestellt. Erfolgt innert Frist 71

Vgl. die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. September 2011 (VB.2011.00276), E. 3.3 und des Bezirksgerichts Lausanne vom 4. Januar 2011 (PP10.034248), in: Rino Siffert/Florian Zihler, Handelsregisterrecht, Entwicklungen 2011, Bern 2012, S. 92 ff. beziehungsweise S. 112 f.

3643

keine Mitteilung, so veranlasst das Handelsregisteramt die dreimalige SHAB-Publikation. Mit der Formulierung «weitere Betroffene» sind insbesondere Gesellschafterinnen und Gesellschafter, Genossenschafterinnen und Genossenschafter, Gläubigerinnen und Gläubiger, Schuldnerinnen und Schuldner, etc. gemeint. Erst wenn auch nach den Publikationen niemand ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Eintragung geltend gemacht hat, kann das Handelsregisteramt die Rechtseinheit löschen.

In Absatz 3 wird gegenüber dem geltenden Artikel 938a Absatz 2 OR präzisiert, dass das Handelsregisteramt die Angelegenheit an das Gericht überweist, sobald sich eine Betroffene oder ein Betroffener gegen die Löschung der Rechtseinheit ausspricht. Das Gericht entscheidet sodann, ob die Eintragung der Rechtseinheit bestehen bleibt oder gelöscht wird.

Art. 934a

2. Bei fehlendem Rechtsdomizil von Einzelunternehmen und Zweigniederlassungen

Fehlt einem Einzelunternehmen oder einer Zweigniederlassung das Rechtsdomizil, können sie am Sitz nicht mehr erreicht werden. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften soll der Verlust des Rechtsdomizils als Mangel in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisation gelten und nach ergebnisloser Aufforderung durch das Handelsregisteramt, den Mangel zu beheben, zu einem gerichtlichen Verfahren führen, bei dem das Gericht als stärkste Sanktion die Liquidation mit anschliessender Löschung anordnen kann (vgl. Art. 731b E-OR). Im Unterschied zu juristischen Personen und Personengesellschaften können Einzelunternehmen, das heisst natürliche Personen, und Zweigniederlassungen als Teil der Hauptniederlassung nicht «liquidiert» werden. Daher drängt sich ein Verfahren auf, das es dem Handelsregisteramt ermöglicht, Einzelunternehmen und Zweigniederlassungen direkt aus dem Handelsregister zu löschen, wenn das Rechtsdomizil fehlt.

Mangels Erreichbarkeit durch die Post werden Einzelunternehmen ohne Rechtsdomizil vom Handelsregisteramt dreimal im SHAB aufgefordert, innert Frist ein neues Rechtsdomizil anzumelden, andernfalls sie aus dem Handelsregister gelöscht werden. Die Löschung bewirkt keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil, weil ein Einzelunternehmen unter Beibehaltung der bisherigen Unternehmens-Identifikationsnummer jederzeit auf Anmeldung hin wieder ins Handelsregister eingetragen werden kann.

Beim Domizilverlust einer Schweizerischen Zweigniederlassung kann diese zwar auch nicht mehr auf dem Postweg erreicht werden, dennoch ist es nicht erforderlich, die Aufforderung dreimal im SHAB zu publizieren, wenn die Hauptniederlassung weiterhin erreicht werden kann. Demnach kann die Hauptniederlassung direkt aufgefordert werden, ein neues Domizil der Zweigniederlassung anzumelden.

Kommt die Hauptniederlassung dieser Aufforderung innert Frist nicht nach, so wird der Eintrag der Zweigniederlassung gelöscht. Auch Zweigniederlassungen können jederzeit wieder neu eingetragen werden.

Art. 935

VI. Wiedereintragung

Die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit ins Handelsregister regelt Artikel 164 HRegV. Hierfür gibt es bislang jedoch keine Grundlage in einem formellen Gesetz. Da es sich um eine in der Praxis wichtige Bestimmung handelt, werden die Grundzüge neu auf Gesetzesstufe geregelt.

3644

Die Kompetenz für die Wiedereintragung liegt beim Gericht. Neu sind die Gerichte am bisherigen Sitz der gelöschten Rechtseinheit für die Wiedereintragung zuständig (Art. 40 Abs. 2 E-ZPO). An der Wiedereintragung der gelöschten Rechtseinheit muss ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht werden.

Die Aufzählung der Gründe für die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit werden von Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben a­d HRegV materiell unverändert in Absatz 2 Ziffer 1­4 übertragen. Die Gründe für eine Wiedereintragung werden jedoch erweitert. Die Liste ist nicht mehr abschliessend formuliert. Somit steht es der Gerichtspraxis offen, weitere Gründe für Wiedereintragungen zu entwickeln72.

Ordnet das Gericht die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit im Handelsregister an, muss diese gleichzeitig allfällige Mängel in der vorgeschriebenen Organisation beheben. Grundsätzlich ist der Handelsregistereintrag der gelöschten Rechteinheit wieder so zu erstellen, wie er im Zeitpunkt der Löschung bestanden hat. Erfolgt die Wiedereintragung, um die bereits durchgeführte Liquidation abzuschliessen, wird dadurch nicht gleichzeitig der Auflösungsbeschluss widerrufen.

Art. 936

F. Öffentlichkeit und Wirksamkeit/I. Öffentlichkeit und Veröffentlichung im Internet

Der aus der Publikationsfunktion des Handelsregisters abgeleitete Grundsatz der Öffentlichkeit begründet die in Absatz 1 vorgesehene Offenlegung der Akten, die einer Eintragung ins Handelsregister zugrunde liegen, ohne die Notwendigkeit eines besonderen Interessensnachweises. Die Öffentlichkeit umfasst somit die Anmeldungen, Belege und Einträge im Handelsregister. Nicht der Öffentlichkeit unterliegt jedoch die AHV-Versichertennummer. Aus den Bestimmungen der HRegV ergibt sich zudem, dass gemäss Artikel 10 HRegV die mit einer Eintragung zusammenhängende Korrespondenz, gemäss Artikel 24a Absatz 4 HRegV anlässlich der Identifikation von natürlichen Personen allfällig erstellte Kopien von Ausweisschriften sowie gemäss Artikel 62 Absatz 2 HRegV Erfolgsrechnungen, Bilanzen, Jahresberichte etc., die für das «Opting-out» eingereicht werden, ebenfalls nicht öffentlich sind. Am Umfang der Öffentlichkeit des Handelsregisters ändert sich im Vergleich zu Artikel 930 OR und Artikel 10 HRegV nichts.

Die Öffentlichkeit umfasst auch die Statuten und Stiftungsurkunden, welche aufgrund privatautonomer, rechtsgeschäftlicher Rechtsetzung generell-abstrakt die Rechtsordnung («Grundgesetz») der jeweiligen Rechtseinheiten regeln und daher auch für Dritte von Bedeutung sein können. Diese Öffentlichkeit sah bereits die Botschaft vom 21. Dezember 200773 zur Änderung des Obligationenrechts vor.

Letztere werden gemäss Absatz 2 zusammen mit dem eigentlichen Handelsregistereintrag einer Rechtseinheit im Internet gebührenfrei zur freien Konsultation veröffentlicht. Alle übrigen Eintragungsbelege sowie die Anmeldungen sind beim jeweiligen kantonalen Handelsregisteramt vor Ort einsehbar. Zudem haben die 72

73

Verfügungen des Einzelrichters des Bezirksgerichts Zürich vom 13. Dezember 2010 (EO100312/U) beziehungsweise des Einzelrichters des erstinstanzlichen Zivilgerichts des Kantons Genf vom 27. Juni 2011 (C/8397/2011-13 SP), in: Rino Siffert/Florian Zihler, Handelsregisterrecht, Entwicklungen 2011, Bern 2012, S. 114 ff.

Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrechtund Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, 1729.

3645

kantonalen Handelsregisterämter die Möglichkeit, die Eintragungsbelege sowie die Anmeldungen über das Internet zugänglich zu machen. Dies ist allerdings nur über Einzelanfragen möglich. Das heisst, die Interessentin oder der Interessent kann sichbeispielsweise per Web-Formular oder per E-Mail beim Handelsregisteramt melden und dieser oder diesem wird sodann online Zugriff auf die angefragten Dokumente gewährt. Da die Zurverfügungstellung dieser Dienstleistung mit Kosten verbunden ist und man schliesslich seitens des kantonalen Handelsregisteramts eine PDF-Kopie der angefragten Dokumente erhält, rechtfertigt es sich, hierfür eine Gebühr zu verlangen. Dadurch soll insbesondere vermieden werden, dass zusätzliche in Belegen vorhandene Angaben, die für die Eintragungen im Handelsregister nicht relevant sind, ohne Weiteres im Internet veröffentlicht werden und die angefragten Dokumente eine weite Verbreitung erfahren.

Gemäss Absatz 3 wird es möglich sein, die im Internet zugänglich gemachten Einträge nach bestimmten Suchkriterien abzurufen. In den Inhalten der Belege wird keine Suche ermöglicht. Zurzeit werden in den im Internet zugänglich gemachten Einträgen namentlich folgende Suchkriterien vorgesehen: «Suche nach Firma/ Name» oder «Suche nach der Unternehmens-Identifikationsnummer». Des Weiteren lässt sich momentan die Suche nach folgenden Kriterien einschränken: Art der Rechtsform, nach Kanton, nach Sitz (Gemeinde/Ortschaft) sowie nach aktiven oder gelöschten Firmen oder Namen. Dies erlaubt es allenfalls, künftig auch eine personen- und zeitbezogene Suche in den Handelsregistereinträgen zu schaffen. Absatz 3 war hinsichtlich der Personensuche auch bereits in der Botschaft vom 21. Dezember 200774 enthalten. Einige Kantone bieten zudem schon heute solche Suchfunktionen in den Datensätzen ihrer kantonalen Handelsregister an75.

Sämtliche Änderungen im Handelsregister müssen nachvollziehbar bleiben. Die Benutzer sollen nicht ausschliesslich mit dem konsolidierten Handelsregistereintrag einer Rechtseinheit konfrontiert werden und die Unterschiede selber herausarbeiten müssen. Sie müssen nachvollziehen können, was sich an einem bestimmten Tag gegenüber dem Vortag geändert hat. Deshalb schreibt Absatz 4 vor, dass die chronologische Nachvollziehbarkeit gewährleistet sein muss.

Art. 936a

II. Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und Beginn der Wirksamkeit

Die Einträge im Handelsregister werden gemäss Absatz 1 in der elektronischen Ausgabe des Schweizerischen Handelsamtsblatts (SHAB) veröffentlicht. Die Einträge werden gleich mit der Veröffentlichung Dritten gegenüber wirksam, nicht mehr erst am folgenden Werktag, schliesslich steht die elektronische Ausgabe des SHAB im Internet rund um die Uhr zur Verfügung. Absatz 2 entspricht Artikel 931 Absatz 2 OR und betrifft in der Praxis zum Beispiel Schuldenrufe.

Die Organisation des Schweizerischen Handelsamtsblatts und dessen Veröffentlichung wird in Artikel 943 E-OR weiterhin an den Bundesrat delegiert. Diese Aufgaben hat er bislang mit dem Erlass der Verordnung SHAB wahrgenommen.

74 75

BBl 2008 1589, 1730.

Vgl. Urteil 2008/16 des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2008, E. 5.2.8 i.V.m. E. 5.2.2.

3646

Art. 936b

III. Wirkungen

Absatz 1 entspricht Artikel 933 Absatz 1 OR. Für veröffentlichte Einträge gilt die sogenannte Kenntnisvermutung: Der Einwand, dass jemand einen veröffentlichten Eintrag des Handelsregisters nicht gekannt hat, ist ausgeschlossen (positive Publizitätswirkung). Der Gesetzgeber statuiert damit die Fiktion, dass der Registerinhalt allgemein bekannt ist. Ein im Handelsregister veröffentlichter Eintrag, zum Beispiel die Änderung der Firma einer Aktiengesellschaft, gilt aus diesem Grund als notorische Tatsache und ist zum Beispiel in einem Gerichtsverfahren nicht zu beweisen76.

Die Kenntnisvermutung beginnt mit der Wirksamkeit des Handelsregistereintrags, das heisst mit der elektronischen Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt.

Absatz 2 entspricht Artikel 933 Absatz 2 OR. Die Benutzer des Handelsregisters dürfen grundsätzlich auf das Schweigen des Handelsregisters bezüglich eintragungspflichtiger Tatsachen vertrauen77. Wurde eine Tatsache, deren Eintragung vorgeschrieben ist, im Handelsregister nicht eingetragen, so kann sie Dritten nur entgegengehalten werden, wenn bewiesen wird, dass diese sichere Kenntnis von der Tatsache hatten (negative Publizitätswirkung).

In Absatz 3 wird zusätzlich die Frage nach dem Schutz des öffentlichen Glaubens bei unrichtigen Eintragungen geregelt. Bisher konnten sich gutgläubige Dritte von Gesetzes wegen nicht auf Eintragungen verlassen, die mit der tatsächlichen oder rechtlichen Lage nicht übereinstimmten. Es gab im Handelsregisterrecht keine Bestimmung zum Gutglaubensschutz, wie zum Beispiel für das Grundbuch (Art. 973 ZGB). In Lehre und Rechtsprechung besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass das Vertrauen eines Dritten auf die Richtigkeit der eingetragenen Tatsachen grundsätzlich zu schützen ist78. Im Gegensatz zur Regelung im Grundbuch wird im Handelsregister ein Dritter in seinem guten Glauben nicht in jedem Fall geschützt, sondern nur wenn keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

Mit dieser Einschränkung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Handelsregister rechtliche Verhältnisse über Subjekte des Geschäftsverkehrs eingetragen sind, während dem es im Grundbuch nur Rechte an Objekten sind. Folglich sind die Eintragungen im Handelsregister dazu bestimmt, Grundlage einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften für eine unbestimmte Vielzahl
von Verkehrsteilnehmern zu sein, wogegen auf die Eintragung im Grundbuch primär nur die durch das Erwerbsgeschäft betroffenen Personen vertrauen.79 Daher kann sich ein Dritter grundsätzlich auf einen Handelsregistereintrag berufen, selbst wenn dieser falsch ist. Trägt zum Beispiel das Handelsregisteramt bei einer Kommanditgesellschaft irrtümlich eine zu hohe Kommanditsumme ein, ist das Vertrauen des gutgläubigen Dritten auf die Richtigkeit der publizierten Haftungssumme zu schützen. Ähnliches gilt auch für Kapitalerhöhungen: Sobald das neue Kapital im Handelsregister eingetragen wurde, dürfen sich Gläubigerinnen und 76 77 78

79

Urteil 5A.62/2009 des Bundesgerichts vom 2. Juli 2009, E. 2.

BGE 65 II 85 ff.

Martin K. Eckert, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 933 N 10; Guillaume Vianin, in: Commentaire Romand, Code des obligations II, Basel 2008, Art. 933 N 25; Guillaume Vianin, L'inscription au registre du commerce et ses effets, Fribourg 2000, S. 352; Hans-Ueli Vogt, Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Zürich 2003, S. 166 ff., S. 767 ff.

Hans-Ueli Vogt, Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Zürich 2003, S. 551 ff.

3647

Gläubiger auf diesen Eintrag verlassen, selbst wenn die Erhöhung mit Mängeln behaftet ist80. Allerdings sind auch Fälle denkbar, bei denen das Interesse an der Beachtung der objektiven Rechtslage höher als der Vertrauensschutz ist. So hat das Bundesgericht entschieden, dass Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die anlässlich ihrer Beitrittserklärung nicht über ihre persönliche Haftung aufgeklärt wurden, von ihrer Haftung befreit sind. Allerdings nur wenn sie tatsächlich keine Kenntnis von der in den Statuten vorgesehenen persönlichen Haftung hatten81. In diesem Beispiel wird der öffentliche Glaube den berechtigten Interessen aus einer Schutznorm (Art. 840 Abs. 2 OR) gegenübergestellt und damit relativiert82. Im Einzelfall bleibt stets abzuwägen, welche Interessen überwiegen83, wobei dem Interesse des gutgläubigen Dritten auch angesichts der Bedeutung des Handelsregisters für die Funktionsfähigkeit des Geschäftsverkehrs ein grosses Gewicht zukommt.

Diese Lösung steht im Einklang mit der beschränkten Prüfungspflicht des Handelsregisteramts: Ist bei der Eintragung die Prüfungspflicht beschränkt, so kann allein die Tatsache, dass ein Handelsregistereintrag besteht, auch nicht jeden Mangel heilen84.

Art. 937

G. Pflichten/I. Prüfungspflicht

Auf die wortgetreue Verankerung der Kognitionsformel des Bundesgerichts85 wird bewusst verzichtet, um es den Gerichten auch weiterhin zu ermöglichen, diesbezüglich ihre Rechtsprechung weiterzuentwickeln.

80 81

82 83 84 85

BGE 102 Ib 21 E. 2 S. 24; BGE 117 II 290 E. 4c S. 295; vgl. auch BGE 133 III 368 E. 2.4, S. 375 f.

BGE 78 III 33 E. 6, S. 40 und E. 8, S. 41; vgl. Hans-Ueli Vogt, Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Zürich 2003, S. 174 f. Im gleichen Sinn entschied das Bundesgericht mit Bezug auf einen vermeintlichen, im Mitgliederverzeichnis eingetragenen Genossenschafter, dessen Mitgliedschaft jedoch nicht bewiesen war; er haftete nur, wenn er tatsächlich Mitglied war (BGE 78 III 33 E. 8, S. 42; Vogt, a.a.O., S. 177).

Hans-Ueli Vogt, Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Zürich 2003, S. 756 f.

Vgl. BGE 78 III 33 E. 9, S. 46.

A.M. Guillaume Vianin, La procédure d'inscription: propositions d'aménagement à la lumière des effets de l'inscription, REPRAX 3/2001, S. 69 f.

Urteil 4A_363/2013 des Bundesgerichts vom 28. April 2014, E. 2.1 f. S. 6 f.: «Nach Art. 940 Abs. 1 OR hat der Registerführer zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt sind. Diese Bestimmung schliesst eine Prüfung der Begründetheit der verlangten Eintragung nicht aus. Die Eintragung muss gesetzmässig sein (BGE 125 III 18 E. 3b S. 21; 121 III 368 E. 2a S. 371). Nach der Rechtsprechung prüft der Registerführer zunächst die formellen registerrechtlichen Voraussetzungen, mithin die Einhaltung der Normen, die unmittelbar die Führung des Handelsregisters betreffen. In dieser Hinsicht verfügt er über eine umfassende Prüfungsbefugnis. Wo nicht Registerrecht, sondern materielles Recht in Frage steht, ist die Prüfungsbefugnis des Registerführers indessen beschränkt. Nach Art. 940 Abs. 2 OR prüft er bei der Eintragung juristischer Personen insbesondere, ob die Statuten keinen zwingenden Vorschriften widersprechen und den vom Gesetz verlangten Inhalt aufweisen. Er hat auf die Einhaltung jener zwingenden Gesetzesbestimmungen zu achten, die im öffentlichen Interesse oder zum Schutze Dritter aufgestellt worden sind, während die Betroffenen zur Durchsetzung von Vorschriften, die dem dispositiven Recht angehören oder nur private Interessen berühren, den Zivilrichter anzurufen haben. Da die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, ist die Eintragung nur dann abzulehnen, wenn sie offensichtlich und unzweideutig dem Recht widerspricht, nicht dagegen, falls sie auf einer ebenfalls denkbaren Gesetzesauslegung beruht,
deren Beurteilung dem Richter überlassen bleiben muss (BGE 125 III 18 E. 3b S. 21; 121 III 368 E. 2a S. 371; 117 II 186 E. 1 S. 188; Urteil 4A.4/2006 vom 20. April 2006 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 132 III 470 ff.). Das Bundesgericht hat in Fällen, die jeweils fundamentale Fragen des Gesellschaftsrechts betrafen, die freie Prüfungsbefugnis des Registerführers bejaht. (...)».

3648

Der erste Teilsatz entspricht materiell dem geltenden Artikel 940 Absatz 1 OR.

Zudem wird präzisierend festgehalten, dass die Handelsregisterbehörden die Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen prüfen müssen. Sie sind praxisgemäss auch für die Durchsetzung gewisser spezialrechtlicher Vorschriften, zum Beispiel im Bereich der beruflichen Vorsorge oder der Banken, verantwortlich.

Der zweite Teilsatz entspricht materiell Artikel 940 Absatz 2 OR. Er wird jedoch rechtsformneutral formuliert, indem der Begriff «Statuten» durch die handelsregisterrechtlichen Begriffe «Anmeldung» und «Belege» ersetzt wird. Eine weitere sprachliche Anpassung betrifft den «vom Gesetz verlangten Inhalt». Diese Passage wird durch «rechtlich vorgeschriebenen Inhalt» ersetzt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass zum Beispiel die Belege auch den Anforderungen der Handelsregisterverordnung genügen müssen.

Art. 938

II. Aufforderung und Eintragung von Amtes wegen

Unterlässt es eine zur Eintragung verpflichtete Rechtseinheit, sich im Handelsregister einzutragen, oder meldet eine eingetragene Rechtseinheit die Änderung einer Tatsache nicht an, so hat das Handelsregisteramt die Beteiligten unter Ansetzung einer Frist zur Einhaltung ihrer Pflicht aufzufordern. Im Unterlassungsfall muss das Handelsregisteramt nach Ablauf der gesetzten Frist die Eintragung von Amtes wegen selber vornehmen. Die Regelung entspricht dem geltenden Artikel 941 OR.

Der Begriff «Registerführer» wird durch «Handelsregisteramt» ersetzt.

Die Vorgehensweise des Handelsregisteramts bei der Aufforderung und Eintragung von Amtes wegen wird heute in Artikel 152 HRegV präzisiert. Der Bundesrat soll auch weiterhin die Ausführungsbestimmungen erlassen.

Art. 939

III. Mängel in der Organisation

Gemäss der Marginalie zu Artikel 941a OR hat das Handelsregisteramt die Pflicht, festgestellte Mängel in der in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation von Gesellschaften, Vereinen und Stiftungen dem Gericht oder der Aufsichtsbehörde zu überweisen. Die bisherige Regelung wird weiter konkretisiert: Das Handelsregisteramt stellt nicht mehr den Antrag, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, sondern es überweist gemäss Absatz 2 die Angelegenheit dem Gericht oder der Aufsichtsbehörde. In Artikel 934 Absatz 3 E-OR wird in einem ähnlichen Zusammenhang ebenfalls das Verb «überweisen» verwendet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Handelsregisteramt lediglich die Pflicht hat, den festgestellten Mangel in der Organisation dem Gericht oder der Aufsichtsbehörde anzuzeigen, damit diese gegenüber der Rechtseinheit die geeigneten Anordnungen treffen können. Im Verfahren hat das Handelsregisteramt keine Parteistellung, das heisst, es kann weder Anträge zum Ausgang des Verfahrens stellen (an die das Gericht oder die Aufsichtsbehörde ohnehin nicht gebunden wären) noch ist es berechtigt, Rechtsmittel gegen die Anordnungen des Gerichts oder der Aufsichtsbehörde zu ergreifen. Auch können dem Handelsregisteramt keine Prozesskosten, das heisst weder Gerichtskosten (einschliesslich Vorschüsse) noch Parteientschädigungen, auferlegt werden. Diese Präzisierung drängt sich auf, weil die Gerichte teilweise in den Zivilverfahren den Handelsregisterämtern die Rolle des «Gesuchstellers» beziehungsweise des «Klägers» mit den damit verbundenen Konsequenzen bei der Verteilung der Kosten zugewiesen haben. Dabei wurde kaum berücksichtigt, 3649

dass die Handelsregisterämter lediglich ihrer gesetzlichen Mitteilungspflicht nachgekommen sind. Da die Handelsregisterämter mit der Überweisung keine eigenen Interessen verfolgten, hatten sie auch keine Präferenz für die eine oder andere Massnahme und verzichteten grundsätzlich darauf, eigene Anträge zu stellen.

Bevor die Überweisung an das Gericht oder an die Aufsichtsbehörde erfolgen kann, muss das Handelsregisteramt den Mangel anhand von Hinweisen festgestellt und danach die Rechtseinheit aufgefordert haben, den Mangel fristgerecht zu beheben.

Leistet die Rechtseinheit keine Folge, wird die Angelegenheit an das Gericht oder die Aufsichtsbehörde überwiesen. Auch wenn das Handelsregisteramt im gerichtlichen oder aufsichtsrechtlichen Verfahren nicht Partei ist, so unterstützt es das Gericht oder die Aufsichtsbehörde bei der Ermittlung des Sachverhalts, indem es zum Beispiel seine Feststellungen mitteilt und soweit erforderlich seine Akten übermittelt.

Artikel 939 E-OR regelt die Stellung und die Aufgaben des Handelsregisteramts im Zusammenhang mit der Feststellung von Mängeln in der Organisation von im Handelsregister eingetragenen Rechtseinheiten abschliessend. Folglich kann in den betreffenden Artikeln des ZGB und des OR zu den Mängeln in der Organisation auf die Erwähnung des Handelsregisteramts verzichtet werden.

Gemäss Absatz 3 überweist das Handelsregisteramt Stiftungen, die Mängel in der Organisation aufweisen, an die zuständige Stiftungsaufsicht. Stiftungen, die keiner Aufsichtsbehörde unterstellt sind, werden gemäss Absatz 2 an das Gericht überwiesen. Weisen Gesellschaften gemäss KAG Mängel in der Organisation auf, erfolgt die Überweisung an die Finma.

Da mit Ausnahme des Domizilverlustes bei Einzelunternehmen und Zweigniederlassungen mit Hauptniederlassung in der Schweiz in der Regel keine Organisationsmängel auftreten, werden diese beiden Spezialfälle in Artikel 934a E-OR geregelt.

Art. 940

H. Ordnungsbussen

Der seit 1937 unverändert gebliebene Bussenrahmen wird von 10­500 Franken auf maximal 5000 Franken erhöht. Von einer Mindestbusse wird abgesehen. Auf die Einführung eines Übertretungs-Straftatbestands im Strafgesetzbuch wurde angesichts der negativen Ergebnisse in der Vernehmlassung zur Aktienrechtsrevision vom 21. Dezember 200786 verzichtet. Das Handelsregisteramt erhält einen grösseren Ermessensspielraum, indem es zwar Ordnungsbussen verhängen kann, aber nicht muss. Will das Handelsregisteramt eine Ordnungsbusse erheben, so muss es diese vorgängig androhen. Mit der Aufforderung der Eintragungs- und Anmeldepflicht nachzukommen, ist auch auf die Sanktion für den Unterlassungsfall hinzuweisen.

Entweder wird bereits der genaue Betrag der Ordnungsbusse festgelegt oder es wird der allgemeine Bussenrahmen wiedergegeben.87 Für die Betroffenen muss klar sein,

86

87

Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrechtund Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, hier 1732.

Siehe den Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden vom 27. April 2011 (ZK2 11 16) sowie Florian Zihler, Urteil des Kantonsgerichts Graubünden zur Mahnung bei einer Ordnungsbusse und zur Beweislastverteilung bei einer amtlichen Löschung (Art. 153 HRegV), REPRAX 3/2011, S. 52 ff.

3650

wie viel sie maximal bezahlen müssen, wenn sie innerhalb der eingeräumten Frist ihrer Pflicht nicht nachkommen.

Art. 941

I. Gebühren

Absatz 1 schafft die gesetzliche Grundlage für die Gebührenpflicht im Bereich des Handelsregisters. Wer eine Verfügung einer Handelsregisterbehörde veranlasst oder von dieser eine Dienstleistung beansprucht, hat für die dadurch entstandenen Kosten eine Gebühr zu bezahlen. Auslagen sind Bestandteil der Gebühr, werden aber gesondert berechnet. Als Auslagen gelten insbesondere Übermittlungs- und Kommunikationskosten.

Gemäss Absatz 2 regelt der Bundesrat die Erhebung der Gebühren im Einzelnen in einer Verordnung. Dabei handelt es sich insbesondere um die Bemessungsgrundlage der Gebühren, die Haftung im Fall einer Mehrheit von Gebührenpflichtigen88, die Fälligkeit, Rechnungsstellung und Bevorschussung, die Verjährung von Gebührenforderungen, den Verzicht auf die Gebührenerhebung sowie den Anteil des Bundes an den Gebühreneinnahmen der Kantone.

Handelsregistergebühren sind als Kausalabgaben zu qualifizieren. Mit dem Äquivalenz- und dem Kostendeckungsprinzip werden in Absatz 3 zwei verfassungsmässige Grundsätze für die Bemessung solcher Abgaben verankert. Das Äquivalenzprinzip besagt, dass eine Abgabe im Einzelfall nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf. Es verlangt aber nicht, dass Gebühren im Einzelfall exakt dem Verwaltungsaufwand entsprechen. Grundsätzlich widersprechen schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrung beruhende Bemessungsmassstäbe dem Äquivalenzprinzip daher nicht. Die Schematisierung darf aber nicht zu sachlich unhaltbaren oder rechtsungleichen Ergebnissen führen. Das Kostendeckungsprinzip schreibt vor, dass der Gesamtertrag der erhobenen Abgaben die Gesamtkosten des Gemeinwesens für den betreffenden Verwaltungszweig oder die betreffende Einrichtung nicht oder höchstens geringfügig übersteigen darf. Dabei sind dem Gesamtaufwand nicht nur die laufenden Ausgaben des betreffenden Verwaltungszweigs, sondern auch angemessene Rückstellungen, Abschreibungen und Reserven zuzurechnen.89 Mit diesem Artikel und der darauf beruhenden Verordnung des Bundesrats werden die Gebühren, welche die kantonalen Handelsregisterämter erheben dürfen, abschliessend geregelt. Im Bereich des Handelsregisters sind zusätzliche kantonale Gebühren unzulässig90.

88

89

90

Vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht- und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, hier 1732 f. (Art. 943a E OR).

Vgl. insgesamt Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, Bern 2009, § 58 N 13 und N 19 ff. Speziell zu den Handelsregistergebühren: Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Juli 2011 (VB.2010.00372, VB.2010.00659, VB.2010.00660), in: Rino Siffert/Florian Zihler, Handelsregisterrecht, Entwicklungen 2011, Bern 2012, S. 63 ff.

Vgl. zur geltenden Gebührenverordnung: Urteil VB.2012.00096/VB.2012.00104 vom 7. März 2012 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, E. 4.

3651

Art. 942

J. Rechtsschutz

Die bestehende Regelung von Artikel 165 HRegV wird auf Gesetzesstufe wiedergegeben. Auf die Regelung der Beschwerdelegitimation wird verzichtet, diese ergibt sich aus dem anwendbaren Verfahrensrecht. Absatz 1 wiederholt den allgemeinen Grundsatz, dass gegen eine Verfügung einer kantonalen Verwaltungsbehörde Beschwerde geführt werden kann.

Absatz 2 regelt den vom Bundesgericht91 bestätigten einstufigen kantonalen Instanzenzug. Die Kantone können bestimmen, ob zum Beispiel ein Verwaltungs-, ein Ober- oder ein Handelsgericht zuständig sein soll.

Damit unabhängig vom anwendbaren Verfahrensrecht in der ganzen Schweiz in Handelsregistersachen die gleiche Rechtsmittelfrist gilt, wird diese in Absatz 3 auf 30 Tage festgelegt.

Die Eröffnung des Urteils an das EHRA als Oberaufsichtsbehörde des Bundes gemäss Absatz 4 hat zum Zweck, diesem in begründeten Fällen zu ermöglichen, beim Bundesgericht gegen den kantonalen Entscheid Beschwerde zu führen, um so die Aufsichtsfunktion wahrnehmen zu können (Art. 5 Abs. 2 Bst. e HRegV).

Art. 943

K. Verordnung

Die Kompetenzen des Bundesrats zum Erlass von Ausführungsbestimmungen im geltenden Dreissigsten Titel (Art. 929 Abs. 1, 929a, 931 Abs. 2bis und 3, 936, 938a Abs. 3 OR) werden in Artikel 943 zusammengeführt und übersichtlich dargestellt.

Zusätzlich erlässt der Bund Vorschriften zur Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten im Rahmen des Handelsregisters, zur Verwendung der AHV-Versichertennummer sowie der Personennummer, zur Führung der zentralen Datenbanken Rechtseinheiten und Personen, zum zentralen Firmenindex sowie zu den Modalitäten der elektronischen Übermittlung.

2.2

Änderung weiterer Bestimmungen des Obligationenrechts

2.2.1

Vierundzwanzigster Titel: Die Kollektivgesellschaft

Art. 581a Da das Fehlen des Rechtsdomizils oder eines Domizilhalters ebenfalls als Mangel in der Organisation qualifiziert wird, ist auch bei den Personengesellschaften auf die diesbezüglichen aktienrechtlichen Bestimmungen zu verweisen. Abgesehen vom Domizilverlust können sich auch im Zusammenhang mit der Ernennung von Liquidatorinnen und Liquidatoren oder Vertreterinnen und Vertretern für die Erben einer Gesellschafterin oder eines Gesellschafters Organisationsmängel ergeben. Aufgrund des Verweises in Artikel 619 Absatz 1 OR gilt diese Bestimmung auch für Kommanditgesellschaften.

91

BGE 137 III 217

3652

2.2.2

Sechsundzwanzigster Titel: Die Aktiengesellschaft

Art. 629 Abs. 2 Ziff. 4 Gemäss Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe h HRegV müssen die Gründerinnen und Gründer dem Handelsregisteramt als Beleg die Erklärung beibringen, dass bei der Gründung keine anderen Sachwerte im Sinne von Artikel 628 Absatz 1 und 2 OR übernommen worden sind (Sacheinlagen und Sachübernahmen) oder unmittelbar nach der Gründung übernommen werden (beabsichtigte Sachübernahmen), dass keine anderen Verrechnungstatbestände bestehen und dass keine anderen besonderen Vorteile im Sinne von Artikel 628 Absatz 3 OR ausbedungen worden sind als die in den Handelsregisterbelegen bereits aufgeführten. Das Bundesgericht hat die Einholung dieser sogenannten «Stampa-Erklärung» aus Praktikabilitätsgründen sowie aus Gründen der Rechtssicherheit bei allen Gründungen als zulässig erachtet92. Die «Stampa-Erklärung» wird nun auch auf Gesetzesstufe geregelt. Es liegt nahe, die Erklärung anlässlich des Errichtungsaktes abzugeben und dementsprechend als Teil der öffentlichen Urkunde vorzusehen, weshalb sie in Artikel 629 Absatz 2 Ziffer 4 E-OR eingeführt wird.

Art. 641 Die aktienrechtliche Bestimmung zur Eintragungspflicht von Zweigniederlassungen wird in Artikel 931 Absatz 2 E-OR überführt und kann deshalb aufgehoben werden.

Art. 652g Abs. 1 Ziff. 4 Da in Artikel 629 Absatz 2 Ziffer 4 E-OR die «Stampa-Erklärung» neu ins Gesetz aufgenommen wird und Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe g HRegV auch bei der Kapitalerhöhung die Abgabe dieser Erklärung verlangt, wird Artikel 652g Absatz 1 OR mit einer neuen Ziffer 4 ergänzt. Dementsprechend ist die «Stampa-Erklärung» nun Teil der Feststellungsbeschlüsse des Verwaltungsrats anlässlich einer Kapitalerhöhung.

Art. 731b Abs. 1 Einleitungssatz Das Fehlen des Rechtsdomizils oder eines Domizilhalters wird ebenfalls als Mangel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation erfasst. Diese Änderung war bereits in der Botschaft vom 21. Dezember 200793 vorgesehen. Dagegen wird die Antragsberechtigung des Handelsregisterführers gestrichen, weil sich die Aufgaben des Handelsregisteramts im Zusammenhang mit Mängeln in der Organisation bereits aus Artikel 939 E-OR ergeben.

92 93

BGE 119 II 463 E. 2c.

Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrechtund Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht), BBl 2008 1589, hier 1692.

3653

2.2.3

Achtundzwanzigster Titel: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Art. 777 Abs. 2 Ziff. 5 Gleich wie bei der Aktiengesellschaft wird die «Stampa-Erklärung» ins Gesetz aufgenommen (vgl. Art. 629 E-OR).

Art. 778a Die Eintragungspflicht von Zweigniederlassungen wird in Artikel 931 Absatz 2 E-OR überführt und kann deshalb aufgehoben werden.

Art. 785 Abs. 2 In den Abtretungsvertrag müssen dieselben Hinweise auf statutarische Rechte und Pflichten aufgenommen werden wie in die Urkunde über die Zeichnung der Stammanteile (Art. 777a Abs. 2 OR). In der Praxis führt diese Regelung zu Problemen, weil bei der Abtretung der Stammanteile von den Parteien immer wieder vergessen wird, die Hinweise auf die statutarischen Rechte und Pflichten in den Vertrag aufzunehmen. Falls die Erwerberinnen oder Erwerber bereits Gesellschafterinnen oder Gesellschafter der GmbH sind, kann davon ausgegangen werden, dass sie über die geltenden Statuten informiert sind. Eine Wiederholung im Abtretungsvertrag ist in diesen Fällen überflüssig.

2.2.4

Neunundzwanzigster Titel: Die Genossenschaft

Art. 828 Abs. 1 In Artikel 86 Buchstabe b Ziffer 2 HRegV ist die Gemeinnützigkeit als zulässiger Genossenschaftszweck bereits ausdrücklich vorgesehen. In der Handelsregisterpraxis sind gemeinnützige Genossenschaften zu finden und auch die Lehre hält diese für zulässig94. Das Obligationenrecht sieht den gemeinnützigen Genossenschaftszweck jedoch nicht explizit vor (Art. 828 Abs. 1 OR). Um den gemeinnützigen Genossenschaften eine formell-gesetzliche Grundlage zu geben und damit Rechtssicherheit zu schaffen, wird Artikel 828 Absatz 1 um diesen Aspekt ergänzt.

Art. 834 Abs. 2 zweiter Satz Gleich wie bei der Aktiengesellschaft wird die «Stampa-Erklärung» ins Gesetz aufgenommen (vgl. Art. 629 E-OR).

94

Carl Baudenbacher, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530­964 OR, Art. 1­6 SchlT AG, Art. 1­11 ÜBest GmbH, 4. Aufl., Basel 2012, Art. 828 N 16 und Peter Forstmoser/Franco Taisch/Tizian Troxler/ Ingrid D'Incà-Keller, Der Genossenschaftszweck ­ gestern und heute, REPRAX 2/2012, S. 25 und 33 je m.w.H.

3654

Art. 836 Die Eintragungspflicht von Zweigniederlassungen wird in Artikel 931 Absatz 2 E-OR überführt und kann deshalb aufgehoben werden.

2.3

Übergangsbestimmungen

Art. 1 Artikel 1 entspricht der gängigen allgemeinen Bestimmung zum Übergangsrecht. Es wird dabei auf die Bestimmungen des Schlusstitels des ZGB verwiesen, soweit die folgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen (s. Art. 2 der Übergangsbestimmungen).

Art. 2 Institute des öffentlichen Rechts, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts errichtet wurden und die eine überwiegend privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit aufweisen, müssen sich innert zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ins Handelsregister eintragen lassen. Mit der Übergangsbestimmung wird den Instituten des öffentlichen Rechts eine ausreichend lange Anpassungsfrist gewährt.

2.4

Änderungen weiterer Erlasse

2.4.1

Zivilgesetzbuch

Art. 69c Abs. 1 Das Fehlen des Rechtsdomizils oder eines Domizilhalters ist auch ein Mangel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation (s. Art. 731b E-OR).

Art. 83d Abs. 1 Einleitungssatz Das Fehlen des Rechtsdomizils oder eines Domizilhalters ist auch ein Mangel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation (s. Art. 731b E-OR).

Art. 336­348 Die Gemeinderschaft ist ein Relikt aus der landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Sie beruht auf der Idee, die Erbteilung nicht sofort nach dem Tode des Erblassers vorzunehmen, um eine Zersplitterung des bäuerlichen Bodens zu vermeiden95. Der Adel gab diese Praxis im 13. Jahrhundert zugunsten der Erbteilung auf96. Das Institut fand Eingang ins ZGB, da es gewohnheitsrechtlich verankert war und teilweise in den kantonalen Privatrechtskodifikatio-

95 96

Urs Lehmann/Peter Hänseler, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1­456 ZGB, 4. Aufl., Basel 2010, Art. 336 N 1 f.

Vgl. hierzu das historische Lexikon der Schweiz: www.hls-dhs-dss.ch > Gemeinderschaft

3655

nen berücksichtigt wurde97. Absicht des Bundesgesetzgebers war es, ein ererbtes Gut eng an eine bestimmte Familie zu binden98.

Definiert wird die Gemeinderschaft als vertragliche Vereinigung von familien- oder erbrechtlich miteinander verbundenen Personen (d. h. Verwandten) zu einer Rechtsgemeinschaft mit dem Zweck, ein Vermögen dauernd zu gesamter Hand zu nutzen und zu verwalten99. Gemäss schweizerischem Recht ist sie eine durch öffentliche Urkunde geschaffene Gütergemeinschaft, deren Gründungsvertrag von allen Gemeindern zu unterzeichnen ist100. Im Prinzip handeln alle Gemeindeinnen und Gemeinder gemeinsam. Doch können sie ein sogenanntes «Haupt» als Vertreter der Gemeinderschaft bestimmen. Diese Vertretung ist Dritten gegenüber allerdings nur wirksam, wenn das Haupt im Handelsregister eingetragen ist101. Gemäss Artikel 150 Absatz 1 HRegV besteht sogar eine generelle Pflicht, das Haupt der Gemeinderschaft ins Handelsregister einzutragen102.

Die Regelung der Gemeinderschaft hat gewichtige Nachteile: Errichtung, Geschäftsführung und Vertretung sind schwerfällig, die Ausgestaltung des Innenverhältnisses ist unflexibel (Kopfstimmprinzip und Einstimmigkeit103). Die Gemeinderschaft hat keine Rechtspersönlichkeit und die Gemeinderinnen und Gemeinder haften solidarisch104. Demgegenüber sind keine speziellen Vorteile gegenüber den Möglichkeiten der ungeteilten Erbschaft, der Gütergemeinschaft, der einfachen Gesellschaft und der Stiftung ersichtlich105. Steuerrechtlich wird die Gemeinderschaft seit je gleich behandelt wie eine einfache Gesellschaft, das heisst, die Erträgnisse werden bei den einzelnen Gemeinderinnen oder Gemeindern als Einkommen besteuert106.

Es überrascht daher nicht, dass das Rechtsinstitut der Gemeinderschaft kaum gebraucht wird107. Insgesamt sind knapp 50 aktive Häupter von Gemeinderschaften im Handelsregister eingetragen108. In den letzten Jahren wurden lediglich 12 Neueintragungen vorgenommen. Davon fallen sieben in die Westschweiz (allein fünf im Kanton Waadt) und fünf in die Deutschschweiz (je eine in den Kantonen Schwyz, Aargau und Thurgau sowie zwei im Kanton Luzern).

Der Schutz des bäuerlichen Bodens ist heute durch das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991109 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) gewährleistet, unter anderem 97 98 99 100 101 102

103 104 105 106 107 108 109

Denis Piotet, in: in: Commentaire Romand, Code Civil I, Art. 1­359, Basel 2010, Art. 336 N 2.

Urs Lehmann/Peter Hänseler, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1­456 ZGB, 4. Aufl., Basel 2010, Art. 336 N 17.

Urs Lehmann/Peter Hänseler, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1­456 ZGB, 4. Aufl., Basel 2010, Art. 336 N 4.

Art. 337 und Art. 342 Abs. 1 ZGB.

Art. 341 Abs. 3 ZGB.

Vgl. dazu auch Rino Siffert, Exoten des Handelsregisters ­ Eintragungen von besonderen Vertretungsverhältnissen und von Beschlüssen der Gläubigerversammlung von Anleihensobligationen, REPRAX 1/2009, S. 74 f.

Art. 340 Abs. 1 ZGB.

Art. 342 Abs. 2 ZGB.

Margareta Baddeley, L'indivision de famille (art. 336­348 CC), in: Mélanges publiés par l'Association des notaires vaudois à l'occasion de son centenaire, Zürich 2005, S. 70.

Urs Lehmann/Peter Hänseler, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1­456 ZGB, 4. Aufl., Basel 2010, Art. 336 N 18.

Vgl. Denis Piotet, in: Commentaire Romand, Code Civil I, Art. 1­359 CC, Basel 2010, Art. 336 N 3.

Stand 14.02.2014.

SR 211.412.11

3656

durch das Realteilungs- und Zerstückelungsverbot (Art. 58 BGBB) und die Bewilligungspflicht für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks (Art. 61 BGBB). Die Erhaltung einer Erbschaft lässt sich einfacher durch andere Rechtsinstitute organisieren (Gütergemeinschaft, einfache Gesellschaft, Stiftung, Kollektivgesellschaft). Die Verwaltung grosser Vermögen wird ohnehin meist professionellen Einrichtungen überlassen. Da die Gemeinderschaft als Rechtsinstitut veraltet ist und in der Praxis kaum mehr gebraucht wird, werden die Artikel 336­348 ZGB aufgehoben.

Schlusstitel: Anwendungs- und Einführungsbestimmungen 1. Abschnitt: Die Anwendung bisherigen und neuen Rechts Art. 13e Gemeinderschaften, die vor dem Inkrafttreten der Änderungen begründet wurden, unterstehen grundsätzlich dem bisherigen Recht. Sie müssen nicht aufgelöst werden und das Haupt der jeweiligen Gemeinderschaft bleibt im Handelsregister eingetragen (Bestandesgarantie).

2.4.2

Zivilprozessordnung

Art. 40 Sachüberschrift Abs. 2

Gesellschaftsrecht und Handelsregister

Bei der Wiedereintragung ins Handelsregister (vgl. Art. 164 HRegV) handelt es sich gemäss herrschender Lehre um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit110. Da die örtliche Zuständigkeit der Gerichte bisher umstritten war111, wird für die Wiedereintragung ein zwingender Gerichtsstand geschaffen. Damit ergibt sich in Abweichung von Artikel 19 ZPO die Zuständigkeit an dem Ort, an dem die Rechtseinheit vor der Löschung ihren Sitz hatte und an dem sie nach der Wiedereintragung ihren Sitz weiterführen wird112.

Art. 250 Bst. c Einleitungssatz und Ziff. 14 In Übereinstimmung mit Artikel 248 Buchstabe e ZPO soll für die Wiedereintragung von gelöschten Rechtseinheiten das summarische Verfahren zur Anwendung kommen113. Dies wird in Artikel 250 Buchstabe c Ziffer 14 ZPO ausdrücklich festgehalten.

110

Vgl. Edgar Philippin, Observations procédurales sur l'action en réinscription d'une entité juridique radiée, REPRAX 2/2011, S. 21 f.; David Rüetschi, Handelsregisterverordnung (HRegV), Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007, Stämplis Handkommentar SHK, Bern 2013, Art. 164 N 32 f.

111 Vgl. Edgar Philippin, a.a.O., S. 22 ff.; David Rüetschi, Zum Verfahren der Wiedereintragung ins Handelsregister gemäss Art. 164 HRegV, REPRAX 4/2011, S. 29 ff.

112 David Rüetschi, Handelsregisterverordnung (HRegV), Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007, Stämplis Handkommentar SHK, Bern 2013, Art. 164 N 34.

113 Vgl David Rüetschi, Handelsregisterverordnung (HRegV), Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007, Stämplis Handkommentar SHK, Bern 2013, Art. 164, N 33.

3657

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Investitionskosten für die Entwicklung der Software der zentralen Datenbank Personen beträgt ungefähr 250 000 Franken. Der Aufbau der Infrastruktur erfolgt durch das Informatik-Service-Center des EJPD, welches die zentrale Datenbank Personen als Leistungserbringer betreiben wird. Die Kosten dafür betragen ungefähr 100 000 Franken. Somit liegen die Investitionskosten insgesamt bei rund 350 000 Franken. Diese Kosten sind im Informatikbudget des Bundesamts für Justiz bereits berücksichtigt. Die jährlichen Kosten für den bundesinternen Betrieb der zentralen Datenbank Personen werden sich zudem auf rund 100 000 Franken belaufen. Das EHRA kann zentrale Verwaltungsaufgaben mittels einer Administrierungsapplikation vornehmen. Der dadurch anfallende Zusatzaufwand erfordert kein zusätzliches Personal beim Bund.

Der Bund wird sich weiterhin durch seine Beteiligung an den Handelsregistergebühren finanzieren. Diese Beteiligung beträgt heute 15 Prozent.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die kantonalen Handelsregisterämter werden aufgrund der zentralen Datenbank Personen ihre Informatikprogramme an das neue Recht anpassen müssen. Zudem sind sie verpflichtet, bei der Erfassung der Angaben über natürliche Personen anlässlich eines Eintragungsgeschäfts das Informationssystem zum Zweck der Identifizierung der natürlichen Personen und der einheitlichen Bearbeitung von deren Daten zu verwenden. Vor allem in der Anfangsphase ist daher auf Seiten der kantonalen Handelsregisterämter mit finanziellem und personellem Mehraufwand zu rechnen, dem aber ein Mehrwert in Form von gesteigerter Effizienz und verbesserter Rechtssicherheit gegenübersteht.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage bringt Erleichterungen für die Rechtseinheiten in der Schweiz, wie beispielsweise die formell erleichterte Abtretung von Stammanteilen unter Gesellschafterinnen und Gesellschaftern einer GmbH sowie die Vereinheitlichung des zwingenden Inhalts der Statuten.

Der Aufbau der zentralen Datenbank Personen führt zur Steigerung der Qualität der Informationen des Handelsregisters und verbessert die Rechtssicherheit. Insbesondere würde eine mögliche personenbezogene Suche im Handelsregister zu mehr Transparenz führen und die Informationsbeschaffung für alle Beteiligten vereinfachen.

3658

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die vorliegende Gesetzrevision ist in der bundesrätlichen Legislaturplanung 2011­ 2015114 beziehungsweise im entsprechenden Entwurf zum Bundesbeschluss über die Legislaturplanung 2011­2015115 nicht explizit als Massnahme erwähnt. Sie lässt sich aber unter mehrere Ziele der bundesrätlichen Legislaturplanung subsumieren.

So will der Bundesrat die schweizerische Wirtschaft durch bestmögliche Rahmenbedingungen festigen (Ziel 2), die Handlungs- und Leistungsfähigkeit der schweizerischen Institutionen optimieren (Ziel 5) und die Chancen der Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen (Ziel 7).

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

«E-Government Schweiz» ist das gemeinsame Programm des Bundes, der Kantone und Gemeinden, um die Verwaltungstätigkeit mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) so bürgernah und so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Die E-Government-Strategie Schweiz116 hat sich zum Ziel gesetzt, dass Wirtschaft und Bevölkerung ihre Geschäfte mit den Behörden elektronisch abwickeln können und die Behörden ihre Geschäftsprozesse modernisieren.

Die Schaffung der zentralen Datenbank Personen steht im Einklang mit der Absicht, das Online-Angebot der Verwaltung nachhaltig zu verbessern. Die daraus resultierende Beschleunigung der Geschäftsprozesse und Steigerung der gemeinsamen Nutzung von Informationen entsprechen ausserdem den Anliegen der IKT-Strategie des Bundes und der E-Government-Strategie Schweiz117.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Obschon Registersachen grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur sind, stützt sich der vorliegende Gesetzesentwurf auf Artikel 122 der Bundesverfassung118 BV der dem Bund die Zuständigkeit im Bereich des Zivil- und Zivilprozessrechts überträgt.

Die Bestimmungen zum Handelsregister stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Zivilrecht, da sie dem wirksamen Vollzug und der einheitlichen Anwendung insbesondere des Vereins-, Stiftungs-, Gesellschafts- und Firmenrechts dienen. Das Bundesgericht qualifiziert sie deshalb als ergänzendes öffentliches Recht bezie-

114 115 116

117 118

Botschaft vom 25. Januar 2012 über die Legislaturplanung 2011­2015, BBl 2012 481 (12.008).

BBl 2012 627.

Siehe hierzu: www.egovernment.ch > E-Government Schweiz > Strategie > Grundlagen > Rahmenvereinbarung ; Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz (2007­2015).

Siehe hierzu: www.isb.admin.ch > Themen > Strategien /> IKT-Strategie des Bund.

SR 101

3659

hungsweise als formelles Bundeszivilrecht und zählt sie zur Zivilrechtsgesetzgebung119.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das EHRA nimmt an den Tagungen des «European Commerce Registers' Forum»120 teil. Die Schweiz versucht, sich internationalen Entwicklungen im Handelsregisterwesen, zum Beispielim Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs, nicht zu verschliessen. Sie ist jedoch keine entsprechenden internationalen Verpflichtungen eingegangen.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

5.4

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen

Der Entwurf übernimmt die bereits heute materiell umfassende Delegationsgrundlage von Artikel 929 OR, auf die sich die Handelsregisterverordnung und die Gebührenverordnung abstützen.

Es wird zudem die formell-gesetzliche Grundlage geschaffen, dass mittels Verordnungsrecht die systematische Verwendung der AHV-Versichertennummer präzisiert, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und die Modalitäten der elektronischen Übermittlung geregelt werden können.

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BGE 137 III 217 E. 2.4.1.4, S. 223 m.w.H.

Siehe hierzu: www.ecrforum.org

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