14.099 Botschaft zum Ordnungsbussengesetz vom 17. Dezember 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zum Ordnungsbussengesetz.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2011 M 10.3747

Erweiterung des Ordnungsbussensystems zur Entlastung der Strafbehörden und der Bürgerinnen und Bürger (S 16.12.10, Frick, N 13.4.11)

2013 M 13.3063

Die Bundesanwaltschaft soll sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren (N 21.6.13, [Ribaux] Favre, S 2.12.13)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Dezember 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-2344

959

Übersicht Nach geltendem Recht werden nur Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes und seit Oktober 2013 auch bestimmte Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes in einem vereinfachten Verfahren, dem sogenannten Ordnungsbussenverfahren, geahndet. Dieses Verfahren soll ausgeweitet werden, um auch Verstösse gegen andere Gesetze einfach, rasch und einheitlich sanktionieren zu können.

Ausgangslage Nach dem geltenden Ordnungsbussengesetz können einzig Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes in einem vereinfachten Verfahren, dem sogenannten Ordnungsbussenverfahren, mit Bussen bis zu 300 Franken geahndet werden. Wesentlich für dieses Verfahren ist, dass es bei einfach feststellbaren Übertretungen im Bagatellbereich angewandt wird. Die beschuldigte Person hat die Möglichkeit, die Busse sofort zu bezahlen. Bezahlt sie die Busse nicht sofort, erhält sie zur Bezahlung eine Frist von 30 Tagen. Nimmt sie diese Frist nicht wahr, wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt. Dies gilt auch, wenn die beschuldigte Person das Ordnungsbussenverfahren ablehnt. Im Ordnungsbussenverfahren werden Vorleben und persönliche Verhältnisse der beschuldigten Person nicht berücksichtigt und es werden keine Kosten auferlegt.

Am 29. September 2010 reichte Ständerat Frick die Motion «Erweiterung des Ordnungsbussensystems zur Entlastung der Strafbehörden und der Bürgerinnen und Bürger» (10.3747) ein. Damit wurde der Bundesrat beauftragt zu prüfen, welche weiteren einfachen Verstösse gegen die Rechtsordnung dem Ordnungsbussensystem unterstellt werden können. Die Motion wurde am 16. Dezember 2010 vom Ständerat und am 13. April 2011 vom Nationalrat angenommen. Am 1. Oktober 2013 trat ausserdem eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Kraft. Dadurch kann auch der Cannabiskonsum im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden. In diesem Fall beträgt die Busse 100 Franken.

Inhalt der Vorlage Mit einer Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes soll nun das Ordnungsbussenverfahren ausgeweitet werden, um auch Verstösse gegen andere Gesetze einfach, rasch und einheitlich sanktionieren zu können. Vorgesehen ist eine Ausweitung auf das Ausländergesetz, das Asylgesetz, das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz, das Waffengesetz, das Alkoholgesetz, das
Nationalstrassenabgabegesetz, das Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt, das Umweltschutzgesetz, das Lebensmittelgesetz, das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, das Waldgesetz, das Jagdgesetz, das Bundesgesetz über die Fischerei und das Bundesgesetz über das Gewerbe der Reisenden. Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz werden neu ebenfalls im Ordnungsbussengesetz geregelt. Die einzelnen Tatbestände und die jeweiligen Bussen wird der Bundesrat in einem zweiten Schritt ­ nach Anhörung der Kantone ­ in einer Verordnung festlegen.

960

Die maximale Höhe der Busse soll bei 300 Franken belassen werden. Eine Sanktionierung nach einem fixen Bussentarif weicht vom Grundsatz ab, wonach bei der Bemessung der Strafe das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu berücksichtigen sind. Eine Ausnahme zur Entlastung der Strafverfolgungsbehörden lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Strafe nicht zu hoch ist.

Zudem dürfte bei einer Erhöhung der maximalen Busse das Ordnungsbussenverfahren häufiger abgelehnt werden, womit die angestrebte Vereinfachung nicht zum Tragen käme.

Die Kantone sollen regeln, welche Organe Ordnungsbussen erheben dürfen. Sie können diese Kompetenz ganz oder teilweise an die Gemeinden delegieren, auf deren Gebiet die Gemeindepolizei die Widerhandlungen verfolgt. Wie im geltenden Recht wird eine Delegation an Private nicht ausgeschlossen. Es obliegt indessen den Kantonen, eine solche Delegation nach Massgabe der dafür geltenden Regeln festzulegen, d. h. im kantonalen Recht eine Rechtsgrundlage für die Delegation zu schaffen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Geltendes Recht 1.1.2 Motion Frick 1.1.3 Der Vorentwurf 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Ergebnis der Vernehmlassung 1.3.2 Änderungen gegenüber dem Vorentwurf 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6 Umsetzung 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

963 963 963 963 964 964 966 966 966 972 972 973 974

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

974

3

Auswirkungen 3.1 Auf den Bund 3.2 Auf die Kantone und Gemeinden 3.3 Auf die Volkswirtschaft

992 992 992 993

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

993

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

993 993 993 993 994

Ordnungsbussengesetz (OBG) (Entwurf)

962

995

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Geltendes Recht

Das Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 19701 (OBG) ist seit dem 1. Januar 1973 in Kraft. Es hat sich für die Sanktionierung von geringfügigen Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 19582 (SVG) bewährt. Für alle anderen Straftaten galten bis zum Inkrafttreten der Strafprozessordnung3 (StPO) am 1. Januar 2011 die kantonalen Verfahrensbestimmungen. Mit der StPO hat der Bund das Strafverfahrensrecht, gestützt auf seine verfassungsrechtliche Kompetenz nach Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung4 (BV), auf Bundesebene abschliessend geordnet.5 Seither ist es den Kantonen verwehrt, eigene strafprozessuale Verfahrensvorschriften für die Verfolgung und Beurteilung von Delikten des Bundesrechts zu erlassen.

Hingegen lässt die StPO die Befugnis der Kantone unberührt, das Verfahren für die Verfolgung und Beurteilung von Delikten gegen kantonale und kommunale Strafbestimmungen zu regeln (z. B. nächtliche Ruhestörung, Nichteinhalten von Öffnungszeiten im Gastgewerbe). Es handelt sich um Materien, die das Bundesrecht den Kantonen überlässt (vgl. Art. 335 des Strafgesetzbuches6 [StGB]; z. B. die Abfallbewirtschaftung). Einige Kantone haben ein Ordnungsbussenverfahren für Übertretungen ihrer kantonalen Bestimmungen beibehalten.7 Dies zeigt, dass ein Bedürfnis besteht, Bagatellwiderhandlungen auf einfache Weise zu ahnden.

Die StPO sieht selber kein Ordnungsbussenverfahren vor, sie enthält aber in Artikel 1 Absatz 2 StPO einen Vorbehalt zugunsten von Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze (z. B. das OBG und das Bundesgesetz vom 22. März 19748 über das Verwaltungsstrafrecht [VStrR]). Diese Bestimmung ermöglicht es, ein generelles Ordnungsbussenverfahren auf Bundesebene einzuführen.

1.1.2

Motion Frick

Mit der Motion 10.3747 verlangen Ständerat Frick und 33 Mitunterzeichnende die Erweiterung des Ordnungsbussensystems zur Entlastung der Strafbehörden und der Bürgerinnen und Bürger. Der Bundesrat hat die Annahme der Motion beantragt.

Diesem Antrag sind der Ständerat am 16. Dezember 2010 und der Nationalrat am 1 2 3 4 5 6 7 8

SR 741.03 SR 741.01 SR 312.0 SR 101 Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085, hier 1095 und 1101.

SR 311.0 Thomas Hansjakob, Ordnungsbussen ­ im SVG, bei Cannabiskonsum oder überhaupt?

In: Liber amicorum für Andreas Donatsch, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 323 ff.

SR 313.0

963

13. April 2011 gefolgt. Die Motion verlangt eine Prüfung, welche einfachen Verstösse gegen die Rechtsordnung zusätzlich zum heutigen Recht dem Ordnungsbussensystem unterstellt werden können. Der Bundesrat wurde beauftragt, eine Gesetzesvorlage und einen Bericht auszuarbeiten.

1.1.3

Der Vorentwurf

Gestützt auf die Motion Frick hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) einen Vorentwurf zur Totalrevision des OBG (VE-OBG) samt Begleitbericht ausgearbeitet.

Der Vorentwurf schlug eine Ausweitung des Ordnungsbussenverfahrens auf die folgenden Gesetze vor: das Alkoholgesetz vom 21. Juni 19329, das Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 200910 (PBG), das Bundesgesetz vom 3. Oktober 197511 über die Binnenschifffahrt (BSG), das Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 199212 (LMG), das Bundesgesetz vom 3. Oktober 200813 zum Schutz vor Passivrauchen, das Waldgesetz vom 4. Oktober 199114 (WaG), das Jagdgesetz vom 20. Juni 198615 (JSG), das Bundesgesetz vom 21. Juni 199116 über die Fischerei (BGF) und das Messgesetz vom 17. Juni 201117 (MessG). Die maximale Höhe der Busse wurde bei 300 Franken belassen.

Mit Beschluss vom 15. März 2013 hat der Bundesrat das EJPD beauftragt, über den Vorentwurf (inkl. Bericht)18 eine Vernehmlassung durchzuführen. Entsprechend hat das EJPD die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien sowie die interessierten Institutionen und Organisationen zur Stellungnahme bis zum 28. Juni 2013 eingeladen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Das geltende OBG findet ausschliesslich auf einen Rechtsbereich, auf Widerhandlungen im Strassenverkehrsrecht, Anwendung. Mit der beantragten Neuregelung soll der Wirkungskreis dieses Gesetzes erheblich erweitert werden. Ziel der Revision ist es, dass das Ordnungsbussenverfahren auf zahlreiche weitere Gesetze zur Anwendung gelangt, welche die Sanktionierung von ähnlich geringfügigen Übertretungen regeln. Hierzu wird das geltende OBG totalrevidiert. Diese Totalrevision hat eine andere Einordnung in der systematischen Rechtssammlung zur Folge.

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

964

SR 680 SR 745.1 SR 747.201 SR 817.0 SR 818.31 SR 921.0 SR 922.0 SR 923.0 SR 941.20 Der Vorentwurf und dessen Begleitbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Politische Geschäfte > Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren > abgeschlossene Verfahren > 2013 > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement.

Das geltende OBG bildet die Grundlage für die neue Regelung. Die bisherige Struktur erscheint auch für das erweiterte Ordnungsbussenverfahren geeignet. Dieses soll weiterhin in einem eigenen, von der StPO unabhängigen Erlass geregelt werden.

Dabei übernimmt der neue Erlass zahlreiche Bestimmungen des geltenden OBG.

Von einer Eingliederung in die StPO wird nicht zuletzt deshalb abgesehen, weil diese sonst noch umfangreicher würde; sie enthält bereits heute mehr als 457 Artikel.

Der Entwurf erfasst Straftaten des Bundesrechts, die nach geltendem Recht in einem durch die StPO oder durch das OBG geregelten Verfahren verfolgt und beurteilt werden. Er ergänzt materiell die Verfahrensvorschriften der StPO für Übertretungen im Bagatellbereich. Straftaten, welche die Behörden heute nicht nach den Regeln der StPO verfolgen und beurteilen, werden nicht in die Revision einbezogen. Dies betrifft namentlich Delikte, deren Beurteilung den Verwaltungsbehörden des Bundes obliegt und nach VStrR erfolgt. Artikel 65 VStrR sieht bereits ein abgekürztes Verfahren für Bagatellfälle vor. Deshalb erscheint eine Ausdehnung des Ordnungsbussenverfahrens auf solche Fälle nicht erforderlich. Zudem bezieht sich die Begründung der Motion nur auf Verfahren, die bisher durch die StPO geregelt und durch die kantonalen Behörden verfolgt werden.19 In Bezug auf die Gesetzessystematik und das Verfahren knüpft der Entwurf an das geltende OBG an. Er nennt nur die Gesetze, nicht aber die einzelnen Tatbestände, für welche das Ordnungsbussenverfahren eingeführt werden soll. Die Kompetenz zur Auswahl der Delikte wird dem Bundesrat übertragen. Eine solche Delegation rechtfertigt sich angesichts der Vielzahl möglicher Übertretungen. Bereits der bisherige Katalog für Strassenverkehrsdelikte umfasst rund zwanzig Seiten. Dieses Vorgehen ermöglicht es, auf Veränderungen rasch zu reagieren. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung liegt es nicht im Belieben der Kantone, ob sie das Ordnungsbussenverfahren anwenden wollen oder nicht. Es verhält sich gleich wie bei den besonderen Verfahren nach der StPO (z. B. dem Strafbefehlsverfahren), deren Anwendbarkeit die Kantone ebenfalls nicht generell ausschliessen können.

Am 1. Oktober 201320 ist eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 195121 (BetmG) in Kraft getreten, die ein
Ordnungsbussenverfahren für den Konsum von Betäubungsmitteln mit dem Wirkstoff Cannabis eingeführt hat (Art. 28b­28l BetmG). Diese Bestimmungen werden in den vorliegenden Entwurf integriert. Ebenso werden die Vorschriften über die Halterhaftung in den Entwurf übernommen (vgl. Ziff. 1.3.2 zum Verfahren).22 Übergangsrechtliche Regelungen sind nicht erforderlich. Ist eine beschuldigte Person mit dem Ordnungsbussenverfahren nicht einverstanden, so kann sie nach wie vor das ordentliche Verfahren verlangen, das bisher zur Anwendung gelangt ist.

19 20 21 22

Siehe auch AB 2010 S 1345 f.; AB 2011 N 700 ff.

AS 2013 1451 SR 812.121 Änderung des SVG vom 15. Juni 2012, BBl 2012 5959

965

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Ergebnis der Vernehmlassung

Im Rahmen der Vernehmlassung haben sich 67 Vernehmlassungsteilnehmende zu Wort gemeldet. Die Vorlage wird von neun Teilnehmenden vorbehaltlos gutgeheissen. 47 Teilnehmende begrüssen die vorgeschlagene Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes grundsätzlich, bringen jedoch Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge an. Abgelehnt wird die Vorlage von drei Teilnehmenden.23 Der im Vorentwurf aufgelistete Gesetzeskatalog bildet den häufigsten Kritikpunkt.

28 Teilnehmende möchten den Gesetzeskatalog erweitern, 15 möchten ihn einschränken, wobei sich ein Teil je nach Materie sowohl für eine Einschränkung als auch für eine Ausdehnung des Gesetzeskatalogs stark macht. Andere verlangen statt des Gesetzeskatalogs eine generell-abstrakte Regelung, welche die Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens auf alle Bundesgesetze ermöglicht und die Kriterien für die Anwendbarkeit des Verfahrens aufzählt. Ebenfalls Gegenstand der Kritik bildet das Verfahren. Knapp ein Viertel der Vernehmlassungsteilnehmenden wünscht, dass die Befugnis, Ordnungsbussen zu erheben, an weitere Behörden mit strafrechtlichen Kompetenzen, z. B. an Verwaltungsbehörden oder an Dritte, übertragen werden kann. Schliesslich fordern einige Teilnehmende ergänzende oder andere Regelungen zur Halterhaftung, zur Einziehung, zur Uniformpflicht und zum Ordnungsbussenverfahren bei Jugendlichen.

1.3.2

Änderungen gegenüber dem Vorentwurf

Gesetzeskatalog Die Reaktionen in der Vernehmlassung auf den Gesetzeskatalog in Artikel 1 Absatz 1 VE-OBG waren uneinheitlich. In Bezug auf die Aufnahme des BetmG und des BSG in den Katalog besteht Einigkeit. Bezüglich anderer Gesetze gingen seitens der Kantone widersprüchliche Wünsche auf eine Streichung oder Aufnahme ein (so etwa in Bezug auf das Ausländergesetz vom 16. Dezember 200524 [AuG], das Asylgesetz vom 26. Juni 199825 [AsylG], das Bundesgesetz vom 19. Dezember 198626 gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG] und das Bundesgesetz vom 23. März 200127 über das Gewerbe der Reisenden). Bei einigen Gesetzen verlangten nur wenige Kantone die Aufnahme in das E-OBG (StGB, Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 199128 [GSchG], Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 199829 [LwG], Bundesgesetz vom 1. Juli 196630 über den Natur- und Heimatschutz [NHG], Nationalstrassenabgabegesetz vom 19. März 201031 [NSAG], Tierseuchengesetz 23

24 25 26 27 28 29 30 31

966

Der Vernehmlassungsbericht ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: www.admin.ch > Politische Geschäfte > Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren > abgeschlossene Verfahren > 2013 > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement.

SR 142.20 SR 142.31 SR 241 SR 943.1 SR 814.20 SR 910.1 SR 451 SR 741.71

vom 1. Juli 196632 [TSG], Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 200533 [TSchG], Bundesgesetz vom 5. Juni 193134 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen, Sprengstoffgesetz vom 25. März 197735 [SprstG], Waffengesetz vom 20. Juni 199736 [WG], Zivilprozessordnung37 [ZPO]) bzw. um Streichung aus dem Gesetzeskatalog (Alkoholgesetz, Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, PBG, JSG, BGF, WaG, MessG). Trotz der in der Vernehmlassung erhobenen Bedenken wurde der Gesetzeskatalog gegenüber dem Vorentwurf erheblich ausgebaut. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a nennt die einzelnen Gesetze, für welche das Ordnungsbussenverfahren gelten soll. Die detaillierten Tatbestände wird der Bundesrat bestimmen (Art. 15 E-OBG). In den Gesetzeskatalog des E-OBG sollen folgende Gesetze aufgenommen werden: AuG, AsylG, UWG, NHG, WG, Alkoholgesetz, SVG, NSAG, BSG, USG, LMG, Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, BetmG, WaG, JSG, BGF, Bundesgesetz über das Gewerbe der Reisenden (vgl. zu den Gründen Ziff. 2). Das Ordnungsbussenverfahren kann so für eine grosse Anzahl geringfügiger Übertretungen angewendet werden, und dem politischen Anliegen der Motion Frick, das dem Gesetzgebungsprojekt zugrunde liegt, wird entsprechend Rechnung getragen. Infolge des geringeren finanziellen und personellen Aufwands im Ordnungsbussenverfahren werden Bürgerinnen und Bürger und Behörden bei geringfügigen Gesetzesverstössen entlastet.

Gegenüber dem Vorentwurf verzichtet der Entwurf darauf, das PBG und das MessG im Katalog von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a E-OBG aufzuführen.

Das PBG regelt in Artikel 57 Absatz 2 Übertretungen, die geringfügiger Natur sein können, z. B. das Benützen eines Fahrzeugs ohne gültigen Fahrausweis, das Öffnen der Türe während der Fahrt, das Hinauswerfen von Gegenständen während der Fahrt, das unbefugte Benützen des Wartsaals, den Missbrauch der Notbremse oder das Verunreinigen von Anlagen und Fahrzeugen. Namentlich das Benützen eines Fahrzeugs ohne gültigen Fahrausweis ist eine häufige Übertretung. In der Vernehmlassung wurden aber gewichtige Gründe vorgebracht, welche gegen eine Aufnahme des PBG in das Ordnungsbussenverfahren sprechen. Bei den in Artikel 57 Absatz 2 PBG enthaltenen Tatbeständen handelt es sich um Antragsdelikte. Das PBG wird gegenwärtig revidiert. Auch im Entwurf zur Änderung des
PBG sind die Strafbestimmungen nach Artikel 57 Absatz 2 PBG als Antragsdelikte ausgestaltet.38 Der Strafantrag muss durch das Transportunternehmen bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Übertretungsstrafbehörde mündlich oder schriftlich eingereicht werden (Art. 304 Abs. 1 StPO). Die Frist hierfür beträgt drei Monate (Art. 31 StGB). Dieses Vorgehen steht einer Bussenerhebung vor Ort entgegen. Entweder erfolgt eine Bestrafung auf Antrag oder eine Bestrafung vor Ort ohne entsprechenden Antrag, d. h. von Amtes wegen. Hinzu kommt, dass die Transportunternehmen unabhängig vom Strafantrag bei Reisenden ohne gültigen Fahrausweis einen Zuschlag nach Artikel 20 Absatz 1 PBG erheben. Dieser Zuschlag deckt den mutmasslichen Einnahmenausfall sowie den administrativen Aufwand des Transportunternehmens (Art. 20 Abs. 3 PBG) und stellt keine Strafe im Rechtssinn dar. Führte 32 33 34 35 36 37 38

SR 916.40 SR 455 SR 232.21 SR 941.41 SR 514.54 SR 272 BBl 2013 7223, hier 7225 f.

967

man das Ordnungsbussenverfahren ein, so müssten die Passagiere ohne Fahrausweis nebst dem Zuschlag stets mit einer (strafrechtlichen) Busse rechnen. Es bestünde somit kein Ermessen in Bezug auf die Einreichung einer Strafanzeige mehr (Art. 57 Abs. 2 Bst. b PBG).

Gegen die Aufnahme des PBG in den Katalog des E-OBG spricht auch, dass die Transportunternehmen als Drittpersonen von den Straftaten betroffen sind. Ihnen entsteht ein finanzieller Schaden, wenn beispielsweise jemand den Fahrpreis nicht bezahlt oder wenn Anlagen oder Fahrzeuge verunreinigt werden. Das Ordnungsbussenverfahren ist jedoch kein Mehrparteienverfahren, in welchem Schadenersatz eingefordert werden könnte. Es eignet sich nicht, sofern Ansprüche von Dritten im Strafverfahren beurteilt werden müssen. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, dass bei gewissen Delikten, z. B. beim Missbrauch der Notbremse, beim Öffnen der Türe während der Fahrt oder beim Hinauswerfen von Gegenständen, Dritte gefährdet werden. Auch in solchen Fällen ist das Ordnungsbussenverfahren ungeeignet. Bei einer Gefährdung von Drittpersonen muss das Verschulden bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Solche Taten lassen sich mittels eines fixen Tarifs ­ wie dies bei den Ordnungsbussen der Fall ist ­ nicht schuldangemessen sanktionieren.

Schwierigkeiten ergeben sich schliesslich bei den Organen, welche die Ordnungsbusse erheben. Artikel 2 Absatz 1 E-OBG sieht vor, dass die Kantone die zuständigen Polizeiorgane und Behörden bezeichnen, welche die Ordnungsbussen erheben.

Wenn die Bussenerhebung an die Organe der Transportunternehmen delegiert würde, so wäre dies problematisch, weil es sich bei den Transportunternehmen um die geschädigte Person handelt.

Aus diesen Gründen verzichtet der Entwurf darauf, das Ordnungsbussenverfahren für Übertretungen nach dem PBG vorzusehen. Konsequenterweise werden auch das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 195739 sowie das Bundesgesetz vom 18. Juni 201040 über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr nicht in den Gesetzeskatalog aufgenommen.

Eigentlich könnten sich auch die im MessG aufgeführten Widerhandlungen zur Ahndung im Ordnungsbussenverfahren eignen. Würde jedoch in diesem Bereich ein Ordnungsbussenverfahren eingeführt, so wäre das Verfahren bei der Strafverfolgung je nach Messmittel verschieden:
Nach den Artikeln 3 und 11 der Verordnung vom 7. Dezember 201241 über die Zuständigkeiten im Messwesen liegt die Zuständigkeit zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften im Messwesen je nach Messmittel bei den kantonalen Behörden oder beim Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS). Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone (Art. 24 Abs. 1 MessG). Das METAS kann Verstösse bei den zuständigen kantonalen Instanzen anzeigen (Art. 24 Abs. 2 MessG), d. h. es verfügt über keine eigenen Strafkompetenzen nach VStrR.

Bei Messmitteln, die der kantonalen Zuständigkeit unterliegen, wäre somit ein Ordnungsbussenverfahren möglich. Hingegen müssten Verstösse gegen Vorschriften, welche der Kontrolle des METAS unterliegen, stets im ordentlichen Verfahren mittels Anzeige geahndet werden (Art. 24 Abs. 2 MessG). Eine solche Aufteilung des Verfahrens je nach verwendetem Messmittel ist wenig sinnvoll. Das MessG wird darum nicht in den Gesetzeskatalog des E-OBG integriert.

39 40 41

968

SR 742.101 SR 745.2 SR 941.206

Auch nicht in den Gesetzeskatalog aufgenommen werden das Bundesgesetz zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer Zeichen, die ZPO, das StGB, das Militärstrafgesetz vom 13. Juni 192742 (MStG), das TSchG, das GSchG, das LwG, das TSG sowie das SprstG.

Die eidgenössischen Räte haben am 21. Juni 2013 das Wappenschutzgesetz (WSchG) verabschiedet.43 Mit dessen Inkrafttreten (nicht vor 2016) wird das Bundesgesetz zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen aufgehoben werden. Das WSchG enthält keine Straftatbestände mit Übertretungen, weshalb das Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht fällt (vgl. Art. 28 WSchG).44 Die ZPO sieht in Artikel 258 Absatz 1 vor, dass das Gericht Besitzesstörungen auf Grundstücken verbieten kann. Unter die Besitzesstörungen fallen das unberechtigte Parkieren auf und das Befahren von Grundstücken. Im Falle einer Widerhandlung gegen das richterliche Verbot muss der Grundeigentümer oder die Grundeigentümerin einen Antrag auf Bestrafung der fehlbaren Person stellen (Art. 258 Abs. 1 ZPO, Art. 30 Abs. 1 StGB, Art. 304 Abs. 1 StPO). Delikte, bei welchen ein Strafantrag vorgesehen ist, eignen sich nicht für das Ordnungsbussenverfahren, weil die Ordnungsbusse sofort und grundsätzlich vor Ort ausgestellt wird, während die Frist für den Strafantrag drei Monate beträgt (Art. 31 StGB).

Die im StGB geregelten Straftaten fallen für das Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht, weil es sich häufig nicht um Übertretungen handelt, Dritte von der Tat betroffen sind oder diese nicht persönlich durch Polizei oder Behörden beobachtet werden kann.

Ebenfalls nicht dem OBG unterstellt werden Widerhandlungen gegen das MStG.

Dieses sieht in den Artikeln 180­205 Disziplinarstrafen für geringfügige Fehler oder für leichte Fälle von Straftaten im militärischen Bereich vor. Die weiteren Strafbestimmungen sind im MStG analog zum StGB ausgestaltet. Sie tangieren Drittpersonen, erfordern weitere Ermittlungen oder eignen sich aufgrund der Höhe der Strafe nicht für das Ordnungsbussenverfahren.

Soweit Übertretungen gegen das TSchG nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung vom 4. April 200745 über die Strafkompetenzen der Eidgenössischen Zollverwaltung in Verbindung mit Artikel 31 Absatz 2 TSchG von der eidgenössischen Zollverwaltung nach VStrR verfolgt werden, fallen sie für das
Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht. Die weiteren Übertretungen gegen das TSchG erfordern oftmals weitere Abklärungen. Zudem spielt das Verschulden bei der Bemessung der Strafe eine Rolle. Deshalb eignet sich das TSchG nicht zur Aufnahme in das Ordnungsbussenverfahren. Dasselbe gilt für Übertretungen gegen das TSG.

Das GSchG enthält keine Widerhandlungen, die im Ordnungsbussenverfahren beurteilt werden könnten. Das verbotene Verwenden von Pflanzenschutzmitteln und Dünger entlang von oberirdischen Gewässern fällt unter Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe a GSchG und stellt ein Vergehen dar. Vergehen fallen aufgrund der Strafdrohung für das Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht. Zudem muss die Strafe nach

42 43 44 45

SR 321.0 BBl 2013 4777 BBl 2013 4777, hier 4789.

SR 631.09

969

der Grösse der bewirtschafteten Fläche und somit nach dem Ausmass der Gefährdung der Gewässer festgelegt werden, weshalb ein fixer Tarif ungeeignet wäre.

Die Ahndung von Übertretungen bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von landwirtschaftlichen Produkten obliegt der eidgenössischen Zollverwaltung und erfolgt nach VStrR (Art. 1 Abs. 1 Bst. o der Verordnung vom 4. April 2007 über die Strafkompetenzen der Eidgenössischen Zollverwaltung, Art. 175 Abs. 2 LwG). Es sind keine anderen Übertretungen des LwG ersichtlich, die für das Ordnungsbussenverfahren in Frage kommen könnten.

Ebenso wenig eignet sich das Ordnungsbussenverfahren für die im SprstG geregelten Übertretungen. Sprengstoffe bergen ein hohes Gefährdungspotenzial. Der unsachgemässe Umgang mit Sprengstoff, Zündmitteln usw. und die vorschriftswidrige Abgabe solcher Materialien können nicht mittels eines fixen Bussentarifs geahndet werden. Vielmehr ist der Schuldangemessenheit im konkreten Fall Rechnung zu tragen. Als unsachgemässer Umgang gilt zum Beispiel das Verpacken von Zündmitteln und Sprengstoff, ohne diese zu trennen (Art. 19 Abs. 2 SprstG), das Lagern von Sprengstoffen und Zündschnüren, ohne sie von anderen detonierenden Zündmitteln zu trennen (Art. 20 Abs. 1 SprstG), das fehlende Sichern von Sprengmitteln und pyrotechnischen Gegenständen gegen Feuer, Witterungseinflüsse, Diebstahl und Wegnahme durch Unbefugte (Art. 22 Abs. 1 SprstG) sowie das Befördern von Sprengstoff und detonierenden Zündmitteln im selben Behälter (Art. 24 Abs. 2 SprstG). Als vorschriftswidrige Abgabe gilt namentlich die Abgabe an Personen unterhalb der festgelegten Altersgrenze nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 7 Absätze 3 und 4 der Sprengstoffverordnung vom 27. November 200046.

Generell-abstrakte Regelung Das in der Vernehmlassung vorgebrachte Anliegen, eine generell-abstrakte Regelung ohne Nennung der einzelnen Gesetze vorzusehen, lässt sich nicht erfüllen, weil eine solche Regelung zu grossen Interpretationsspielraum bei der Frage lassen würde, ob das Ordnungsbussenverfahren in Zusammenhang mit einem bestimmten Gesetz angewendet werden kann. Es handelt sich um einen wesentlichen Punkt, der auf Gesetzesstufe geregelt werden muss. Durch die Aufzählung der einzelnen Gesetze besteht Rechtssicherheit, in welchen Bereichen das Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung
kommt. Die Entscheidung über die Aufnahme einzelner Tatbestände soll hingegen ­ wie nach geltendem Recht ­ dem Verordnungsgeber übertragen werden.

Zuständige Organe Artikel 2 Absatz 1 E-OBG wird aufgrund der in der Vernehmlassung eingegangenen Stellungnahmen gegenüber dem Vorentwurf präzisiert und ergänzt. Nicht nur Polizeibeamte, sondern auch andere Verwaltungsorgane, die zum Vollzug der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Gesetze und Verordnungen zuständig sind, sollen Ordnungsbussen erheben können. Für eine solche Regelung hat sich die Mehrheit der Kantone ausgesprochen, die sich in der Vernehmlassung hierzu geäussert haben. Diese Regelung ermöglicht es, das Ordnungsbussenverfahren gegenüber der geltenden Regelung auf einen grösseren Kreis von Gesetzen auszudehnen.

46

970

SR 941.411

Verfahren Das E-OBG übernimmt grundsätzlich das bisherige Verfahren für Ordnungsbussen im Strassenverkehr. Ebenso werden die Vorschriften über die Halterhaftung für Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz eingefügt, die seit dem 1. Januar 2014 gelten (Art. 7 OBG). Inhaltlich erfahren die Bestimmungen über die Halterhaftung keine Änderungen, sie werden lediglich redaktionell verbessert. Die Halterhaftung für das Strassenverkehrsrecht wird im E-OBG nicht zu einer allgemeinen Regel umgestaltet. In andern Bereichen, mit Ausnahme der Schifffahrt, gibt es keine mit der Fahrzeughalterin oder dem Fahrzeughalter vergleichbare Drittperson, die kraft einer besonderen Eigenschaft eine Mitverantwortung an der Tat trägt.

Eine Ausdehnung auf die Schifffahrt erscheint nicht erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl Delikte gegen das BSG mit unbekannter Schiffsführerin oder unbekanntem Schiffsführer gering ist und die Seepolizei die fehlbare Person in aller Regel direkt anhält.

Redaktionell wird der Begriff «identifiziert» in den Bestimmungen zum allgemeinen Verfahren und zum Verfahren bei der Halterhaftung aufgrund der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik durch den Begriff «angetroffen oder angehalten» ersetzt.

Dies schafft Klarheit, dass die fehlbare Person unmittelbar anlässlich der Widerhandlung von der zuständigen Behörde gebüsst wird. Eine Ausnahme bilden die in Artikel 3 E-OBG erwähnten Übertretungen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Die «Identifikation» entfällt bei sofortiger Bezahlung der Busse. Hingegen besteht eine Pflicht zur Erhebung der Personalien, falls ein ordentliches Verfahren nicht ausgeschlossen werden kann, namentlich bei Ausstellung eines Bedenkfristformulars (Art. 9 Abs. 2 E-OBG). Erforderlich ist eine Identifikation auch, wenn eine betroffene Person das Ordnungsbussenverfahren ablehnt. Bezahlt die betroffene Person die Ordnungsbusse innerhalb der Bedenkfrist, so wird die Kopie des Bedenkfristformulars vernichtet (Art. 6 Abs. 3 E-OBG).

Sicherstellung und Einziehung Im Ordnungsbussenverfahren wird neu die Sicherstellung und Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten geregelt. Die Sicherstellung und Einziehung der cannabishaltigen Produkte, wie sie bisher im Betäubungsmittelgesetz geregelt ist (Art. 28b Abs. 4 und Art. 28e Abs. 4 BetmG), soll auch weiterhin
möglich sein.

Aufgrund des Geltungsbereiches des Ordnungsbussenverfahrens in anderen Rechtsgebieten wird der Gesetzeswortlaut redaktionell angepasst (vgl. die Ausführungen zu Art. 8 E-OBG).

Quittung und Bedenkfristformulare Nach geltendem Recht finden sich die die Bestimmungen zur Quittung und zum Bedenkfristformular in Anhang 2 der Ordnungsbussenverordnung vom 4. März 199647 (OBV). Im Ordnungsbussenverfahren für den Konsum von Cannabis (Art. 28b ff. BetmG), das am 1. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, sind die Bestimmungen zu Quittung und Bedenkfristformular auf Gesetzesstufe geregelt. Aufgrund der Bedeutsamkeit des Inhalts dieser Dokumente ist im Rahmen der Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes ebenfalls eine solche Regelung auf Gesetzesstufe aufzunehmen.

47

SR 741.031

971

Die Formulierung der Bestimmung im E-OBG betreffend die Quittung und das Bedenkfristformular lehnt sich an die geltende Regelung in Anhang 2 OBV an. Im Gegensatz zur Regelung im Ordnungsbussenverfahren sieht Artikel 28f Absatz 1 Buchstabe a BetmG vor, dass auf der Quittung die Personalien der Täterin oder des Täters angegeben werden müssen. Der Entwurf übernimmt die im Betäubungsmittelrecht geltende Sonderregelung nicht. Das einfache und formlose Ordnungsbussenverfahren ist mit Bezahlung der Busse rechtskräftig erledigt (vgl. Art. 11 E-OBG). Deshalb werden die Personalien nicht registriert.

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Strafverfolgung im Ordnungsbussenverfahren obliegt den Kantonen. Die Ausdehnung auf weitere Gesetze führt zu einer grösseren Anzahl Ordnungsbussenverfahren. Dadurch werden die zuständigen kantonalen Behörden stärker belastet.

Gleichzeitig werden aber jene kantonalen Behörden entlastet, die für das ordentliche Strafverfahren zuständig sind (z. B. die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Gerichte). Ein ordentliches Strafverfahren muss nur noch durchgeführt werden, wenn eine Person die Ordnungsbusse nicht bezahlt, das Ordnungsbussenverfahren ablehnt oder wenn dieses aus den in den Artikeln 3­5 E-OBG genannten Gründen ausser Betracht fällt. Es ist zu erwarten, dass der Gesamtaufwand der kantonalen Behörden sinken wird, weil der Aufwand für das Ordnungsbussenverfahren geringer ist als für ordentliche Strafverfahren.

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die folgenden Nachbarstaaten der Schweiz kennen ein Ordnungsbussenverfahren: Deutschland, Österreich und Frankreich.

In Deutschland gibt es ein Ordnungsbussenverfahren für Ordnungswidrigkeiten nach Bundesrecht und Landesrecht (§ 2 des Gesetzes vom 24. Mai 1968 über Ordnungswidrigkeiten [OWiG] in der Fassung vom 19. Februar 1987, zuletzt geändert am 10. Oktober 2013).48 Es beschränkt sich nicht bloss auf Delikte des Strassenverkehrsrechts. Nach § 56 Absatz 1 und § 57 Absatz 2 OWiG können die Verwaltungsbehörden oder die hierzu ermächtigten Beamtinnen und Beamten des Polizeidienstes die betroffene Person bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten verwarnen und ein Verwarnungsgeld von 5 bis 35 Euro erheben. Die Behörden oder Beamtinnen und Beamten müssen sich durch ihre Dienstkleidung oder in anderer Weise ausweisen (§ 57 OWiG). Dieses Verfahren ist nur anwendbar, wenn die betroffene Person mit der Verwarnung einverstanden ist und sie das Verwarnungsgeld sofort oder innerhalb einer Woche bezahlt. Für das bezahlte Verwarnungsgeld wird eine Quittung ausgestellt. Das Verfahren ist kostenlos. Eine weitere Strafverfolgung nach Bezahlung des Verwarnungsgeldes entfällt.

48

972

Der Text dieses Gesetzes ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze/Verordnungen > Gesetze/Verordnungen alphabetisch sortiert > O > OWiG.

In Österreich regelt das Verwaltungsstrafgesetz 1991 in § 49a die sogenannten «Anonymverfügungen».49 Die einzelnen Bundesländer können mittels einer Verordnung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen festlegen, und diese mit einer Geldstrafe bis 365 Euro sanktionieren. Das Gesetz eröffnet somit die Möglichkeit, nicht nur Verletzungen von Strassenverkehrsvorschriften, sondern auch von anderen Tatbeständen mittels Anonymverfügung zu ahnden. Das Verfahren ist anwendbar, falls die Anzeige auf einer dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentliche Aufsicht oder auf einer Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen beruht. Die beschuldigte Person muss nicht mit Sicherheit feststehen. Die Anonymverfügung wird der Person zugestellt, die nach Auffassung der Behörde die Täterin oder den Täter kennt oder diese oder diesen leicht feststellen kann. Der Anonymverfügung wird ein Beleg zur Einzahlung beigefügt, der eine Identifikationsnummer enthält. Wird die Geldstrafe innerhalb von vier Wochen bezahlt, so ist das Verfahren beendet und wird von der «Ausforschung» der unbekannten Täterin oder des unbekannten Täters definitiv Abstand genommen. Andernfalls wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet.

In Frankreich können gewisse Übertretungen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ohne richterliche Beteiligung geahndet werden. Dabei hat die betroffene Person ein pauschal festgelegtes Bussgeld zu bezahlen, und zwar entweder sofort oder innerhalb von 45 Tagen (Art. 529-1 code de procédure pénale).50 Das Verfahren ist anwendbar bei Übertretungen von Vorschriften des Strassenverkehrs, des Transports, des Umweltschutzes, der Tierhaltung, der öffentlichen Gesundheit, des Angebots von alkoholischen Getränken, über die Sammlung und Vernichtung von nicht verwendeten Medikamenten, des Umgangs mit medizinischen Abfällen, die ein Infektionsrisiko beinhalten, der Landwirtschaft, der Fischerei in den Meeren, des Sports, des Lärms und der Waffen (Art. R48-1 code de procédure pénale).51 Bezahlt die betroffene Person die Busse nicht innerhalb der Frist oder stellt sie innerhalb der Frist kein Gesuch um Erlass der Busse, so gilt die Busse als vollstreckbarer Titel (Art. 529-2 code de procédure pénale).

1.6

Umsetzung

Der Bundesrat wird nach Anhörung der Kantone auf dem Verordnungsweg regeln, welche Straftatbestände zu welchem Bussentarif im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können (Art. 15 E-OBG). Hierbei wird auch zu entscheiden sein, ob alle Ordnungsbussentatbestände in eine einzige Verordnung zu fassen oder ob für jede Materie eine separate Verordnung mit den einzelnen Tatbeständen zu erlassen sein wird.

49

50

51

Der Text dieses Gesetzes ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: www.ris.bka.gv.at > Bundesrecht > Bundesrecht konsolidiert > Verwaltungsstrafgesetz > Art. 49a.

Der Text dieses Gesetzes ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: www.legifrance.gouv.fr > Droit francais > Les codes en vigueur > Nom du code: code de procédure pénale.; vgl. auch Bernard Bouloc, Droit pénal général, 21. Auflage, Paris 2009, N. 185.

Der Text dieses Gesetzes ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: www.legifrance.gouv.fr > Droit français > Les codes en vigueur > Nom du code: code de procédure pénale.

973

Das Gesetz kann erst angewendet werden, wenn es durch Verordnung des Bundesrates konkretisiert ist und die Straftatbestände sowie die Bussenbeträge aufgelistet sind. Den Kantonen wird zur Umsetzung der neuen Bestimmungen genügend Zeit eingeräumt. Sobald das Gesetz verabschiedet ist, können die Kantone ihre Gesetzgebung anpassen und die einzelnen Stellen, die zum Vollzug der im E-OBG aufgelisteten Gesetze zuständig sind, bezeichnen und sie zur Erhebung der Ordnungsbussen ermächtigen.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die vorgeschlagene Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes erfüllt sowohl die Forderung der Motion Frick (10.3747 «Erweiterung des Ordnungsbussensystems zur Entlastung der Strafbehörden und der Bürgerinnen und Bürger»), dargelegt unter Ziffer 1.1.2, wie auch die Forderung der Motion [Ribaux] Favre (13.3063 «Die Bundesanwaltschaft soll sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren»), die von Nationalrat Favre übernommen wurde. Diese Motion verlangt die Übertragung der Kompetenz zur Strafverfolgung bei gefälschten Autobahnvignetten vom Bund auf die Kantone.

2 Art. 1

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln Grundsätze

Abs. 1 Die Totalrevision will die bisherige Regelung des OBG, die sich in der Praxis bewährt hat, im Wesentlichen beibehalten und auf andere Gesetze ausdehnen. Durch die Erweiterung des Gesetzeskatalogs muss die geltende Bestimmung des OBG jedoch angepasst werden. Zudem erfolgen einige redaktionelle Änderungen und Umstellungen in der Gesetzessystematik.

Der Entwurf nimmt Gesetze in den Gesetzeskatalog auf, die geringfügige Übertretungen enthalten, die grundsätzlich vor Ort festgestellt und in einem einfachen und raschen Verfahren geahndet werden können. Die zu erwartende Häufigkeit der Übertretungen ist ein zusätzliches, aber untergeordnetes Kriterium (vgl. Art. 3 E-OBG zu den Voraussetzungen). Das Ordnungsbussenverfahren ist auf Vorsatzund Fahrlässigkeitsdelikte anwendbar (vgl. Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG). Ist dieselbe Übertretung als vorsätzliches und als fahrlässiges Delikt strafbar, so kann sie im Ordnungsbussenverfahren beurteilt werden, falls für die beiden Tatformen keine unterschiedlichen Rechtsfolgen vorgesehen sind. Ist hingegen die vorsätzliche Tatbegehung als Vergehen und die fahrlässige Tatbegehung als Übertretung ausgestaltet, so fällt das Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht. In solchen Fällen ist eine Abklärung des Vorsatzes erforderlich, z. B. mittels Befragung der beschuldigten Person. Dies übersteigt den Rahmen des Ordnungsbussenverfahrens.

Schliesslich werden die Gesetze in Absatz 1 unabhängig von der Frage der Zuständigkeit für die Strafverfolgung (Polizei, Verwaltungsbehörden, allfällige Delegation) in den Katalog aufgenommen (vgl. die Ausführungen zu Art. 2 Abs. 1 E-OBG).

974

Gegenüber dem geltenden Recht wird die Formulierung von Absatz 1 angepasst und als zwingende Bestimmung ausgestaltet. Soweit die entsprechenden Voraussetzungen des E-OBG erfüllt sind, ist das Ordnungsbussenverfahren anzuwenden.

Den Kantonen steht es frei, das Ordnungsbussenverfahren auf Übertretungen kantonalen und kommunalen Rechts für anwendbar zu erklären. Hierfür bedarf es keiner ausdrücklichen Ermächtigung im E-OBG.

Bst. a Ziff. 1 Das AuG stellt in Artikel 120 Absatz 1 Buchstaben a­c Verletzungen von An- oder Abmeldepflichten und Widerhandlungen im Zusammenhang mit Wohnorts- oder Stellenwechseln unter Strafe. Die Strafdrohung lautet sowohl bei vorsätzlicher als auch bei fahrlässiger Tatbegehung auf Busse. Strafbar ist namentlich die Verletzung von An- oder Abmeldepflichten nach den Artikeln 10­16 AuG, der Stellenwechsel oder der Übergang von einer unselbständigen zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Bewilligung (Art. 38 AuG) sowie der Wechsel des Wohnorts in einen anderen Kanton ohne Bewilligung (Art. 37 AuG). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung von Meldepflichten wird in Artikel 32a der Verordnung vom 22. Mai 200252 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP) Busse bis zu 5000 Franken angedroht. Artikel 90a der Verordnung vom 24. Oktober 200753 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) bestimmt, dass Personen, die ihre Pflicht zur Vorlage oder Abgabe des Ausländerausweises nach den Artikeln 63 oder 72 VZAE verletzen, mit Busse bis zu 1000 Franken bestraft werden. Die erwähnten Widerhandlungen können geringfügiger Natur sein. Zudem können sie grundsätzlich anlässlich einer behördlichen Kontrolle festgestellt werden, z. B. bei einer Personenkontrolle durch die Polizei oder bei einer persönlichen Vorsprache der betroffenen Person bei den Migrationsbehörden. Sie eignen sich somit für eine Ahndung im Ordnungsbussenverfahren.

Die Bearbeitung von Personendaten im Ausländer- und Asylbereich ist in der ZEMIS-Verordnung vom 12. April 200654 geregelt. Nach Anhang 1 Ziffer 2 dieser Verordnung haben die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden online Zugriff auf Daten über die Personalien (Bst. a) und Adressen von Ausländerinnen und Ausländern (Bst. b), die Art des Ausweises, das tatsächliche Einreisedatum und die Gültigkeitsdauer der
Bewilligung (Bst. f), die ausgeübte Erwerbstätigkeit (Bst. h) sowie den Firmennamen und die Adresse (Bst. i). Hingegen haben die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden keinen Zugriff auf die Daten über einen Negativentscheid für die selbständige Erwerbstätigkeit nach der VEP sowie auf das Ausreisedatum (Anh. 1 Ziff. 2 Bst. h am Ende und Bst. j der ZEMIS-Verordnung). Trotz dieses beschränkten Zugriffs verfügen die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden über Informationen, mit welchen sie Widerhandlungen feststellen können.

Ebenfalls über relevante Daten informiert sind die kantonalen, regionalen und kommunalen Ausländerbehörden, die solche Daten bearbeiten können (Anh. 1 Spalte «MIGRA» der ZEMIS-Verordnung).

Ob das AuG in den Katalog des OBG aufgenommen werden sollte, war in der Vernehmlassung zwar umstritten, die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, die sich zu dieser Frage geäussert hat, sprach sich aber dafür aus. Aufgrund der Eignung 52 53 54

SR 142.203 SR 142.201 SR 142.513

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der Widerhandlungen für eine Erledigung im Ordnungsbussenverfahren und der mehrheitlichen Zustimmung in der Vernehmlassung nennt der Gesetzeskatalog deshalb auch das AuG.

Ziff. 2 Nach Artikel 116 AsylG macht sich strafbar, wer gegenüber den Behörden wissentlich unwahre Angaben macht oder Angaben verweigert. Unwahre Angaben werden ­ im Gegensatz zum Verweigern von Angaben ­ meist nicht sofort festgestellt, weshalb sich das Ordnungsbussenverfahren hierfür nicht eignet. Hingegen erfordert das Verweigern von Angaben keine weiteren Abklärungen und kann problemlos mittels Ordnungsbusse geahndet werden.

Wiederum nicht geeignet für das Ordnungsbussenverfahren ist Artikel 116a AsylG, der die Verletzung von Zahlungsvorschriften regelt, weil diese Widerhandlungen von einer Verwaltungsbehörde des Bundes nach dem VStrR bestraft werden.

Ziff. 3 Das UWG und die gestützt darauf erlassene Preisbekanntgabeverordnung vom 11. Dezember 197855 (PBV) eignen sich, um in das Ordnungsbussenverfahren aufgenommen zu werden. Nach Artikel 24 UWG wird die Verletzung der Pflicht zur Preisbekanntgabe an Konsumentinnen und Konsumenten mit einer Busse bis zu 20 000 Franken bestraft. Auch wenn die nach dem kantonalen Recht zur Kontrolle zuständige Behörde (Art. 22 Abs. 1 PBV) oftmals nicht die Polizei selbst ist, sondern die Gewerbepolizei oder die Gewerbeaufsicht, so können die Kantone diesen Behörden die Ahndung der massgebenden Vorschriften im Ordnungsbussenverfahren übertragen (vgl. Art. 2 Abs. 1 E-OBG).

Ziff. 4 Artikel 24a Buchstabe b NHG enthält Übertretungen, die sich für das Ordnungsbussenverfahren eignen können. Diese Bestimmung sanktioniert den Verstoss gegen die Ausführungsvorschriften, die aufgrund der Artikel 16, 18­18c, 19, 20, 23c, 23d und 25a NHG erlassen und deren Übertretung als strafbar erklärt worden ist. Widerhandlungen betreffend das Sammeln wildwachsender Pflanzen und das Fangen freilebender Tiere zu Erwerbszwecken ohne Bewilligung (Art. 19 NHG) oder das Pflücken, Ausgraben, Ausreissen, Wegführen, Feilbieten, Verkaufen, Kaufen oder Vernichten seltener Pflanzen (Art. 20 NHG) können durch die zuständigen Behörden vor Ort festgestellt und gebüsst werden.

Nicht geeignet für das Ordnungsbussenverfahren ist hingegen Artikel 24a Buchstabe a NHG, der das Nichterfüllen einer Bewilligung oder Auflage unter Strafe
stellt, die unter Hinweis auf die Strafbestimmung an die Gewährung des Bundesbeitrags geknüpft wurde. Hierbei ist zweifelhaft, ob Polizeiangehörige eine Widerhandlung ohne Weiteres vor Ort feststellen können. Namentlich müsste dazu den Polizeibeamten der Inhalt einer Bewilligung oder Auflage bekannt sein. Die in der Vernehmlassung vereinzelt vertretene Auffassung, Artikel 24a Buchstaben a und c NHG eigneten sich für das Ordnungsbussenverfahren, kann deshalb nicht geteilt werden.

55

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SR 942.211

Ziff. 5 Das WG enthält Bestimmungen über Widerhandlungen, die vor Ort festgestellt werden können und sich für das Ordnungsbussenverfahren eignen, z. B. das Nichtmitführen der Waffentragbewilligung (Art. 34 Abs. 1 Bst. h WG) oder das Transportieren einer Feuerwaffe, ohne Waffe und Munition zu trennen (Art. 34 Abs. 1 Bst. n WG).

Die weiteren Strafbestimmungen können nicht im Ordnungsbussenverfahren beurteilt werden. Artikel 33 WG ist bei vorsätzlicher Tatbegehung als Vergehen und bei Fahrlässigkeit als Übertretung ausgestaltet. Die Frage des Vorsatzes erfordert weitere Abklärungen.

Im Übertretungstatbestand von Artikel 34 WG werden teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder Handlungen umschrieben, die zusätzliche Abklärungen erfordern, wie das Erschleichen eines Waffenerwerbsscheins, einer Waffentragbewilligung oder eines Begleitscheins (Art. 34 Abs. 1 Bst. a und l WG), das Schiessen an nicht öffentlich zugänglichen und entsprechend gesicherten Orten (Art. 34 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 5 Abs. 3 WG), falsche oder unvollständige Angaben (Art. 34 Abs. 1 Bst. d WG), das nicht sorgfältige Aufbewahren (Art. 34 Abs. 1 Bst. e i.V.m. Art. 26 Abs. 1 WG), die Pflicht, den Verlust der Waffe sofort zu melden (Art. 34 Abs. 1 Bst. g i.V.m. Art. 26 Abs. 2 WG), das Nichtmitführen der Waffentragbewilligung an öffentlich zugänglichen Orten (Art. 34 Abs. 1 Bst. h i.V.m.

Art. 27 Abs. 1 WG), die Verletzung von Meldepflichten, die an eine Frist gebunden sind (Art. 34 Abs. 1 Bst. i i.V.m. Art. 7a, 9c, 11 Abs. 3 und 4, 11a Abs. 2, 17 Abs. 7 und 42 Abs. 5 WG) und die Verletzung der Pflicht zur Beantragung einer Ausnahmebewilligung im Falle eines Erbgangs (Art. 34 Abs. 1 Bst. j i.V.m. Art. 6a, 8 Abs. 2bis und 11 Abs. 4 WG). Diese Tatbestände eignen sich ebenfalls nicht für das Ordnungsbussenverfahren.

Erfolgen die Übertretungen bei der Durchfuhr im Reiseverkehr und bei der Einfuhr von Waffen, so untersucht und beurteilt die Zollverwaltung die Übertretungen (Art. 36 Abs. 2 WG) nach Verwaltungsstrafrecht. Somit lassen sich diese Widerhandlungen nicht im Ordnungsbussenverfahren beurteilen.

Ziff. 6 und 11 Die geringfügigen Übertretungen des Alkoholgesetzes und des LMG sollen im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können. Das Alkoholgesetz und das LMG sowie die entsprechenden Ausführungsbestimmungen stellen Verkäufe
von alkoholischen Getränken an Jugendliche unterhalb eines bestimmten Alters unter Strafe. Die Bestimmungen zu den destillierten alkoholischen Getränken (gebrannte Wasser) finden sich im Alkoholgesetz (Art. 1 und Art. 57 Abs. 2 Bst. b i.V.m.

Art. 41 Abs. 1 Bst. i des Alkoholgesetzes), die Bestimmungen zu den fermentierten alkoholischen Getränken (z. B. Bier und Wein) im Lebensmittelgesetz (Art. 11 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 200556 [LGV] i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Bst. g LMG). Beide Gesetze müssen in das Ordnungsbussengesetz aufgenommen werden, um zu vermeiden, dass nur der verbotene Verkauf einer bestimmten Art von Alkohol unter das Ordnungsbussenverfahren fällt. Hierbei ist ein Gesetzgebungsprojekt im Gang, das die Abgabe von sämtlichen

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SR 817.02

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Arten alkoholischer Getränke in einem Erlass regeln will.57 Tritt das in diesem Rahmen ausgearbeitete Alkoholhandelsgesetz in Kraft, so wird das Alkoholhandelsgesetz in den Gesetzeskatalog von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a E-OBG aufzunehmen sein, das Alkoholgesetz und das Lebensmittelgesetz werden zu streichen sein. Auch das LMG wird zurzeit revidiert, allerdings hat die Revision keinen Einfluss auf die vorliegenden Ausführungen.58 Entgegen des in der Vernehmlassung vorgebrachten Einwands sind es nicht bloss juristische Personen bzw. Unternehmen, die für die Abgabe von Alkohol an Jugendliche und Kinder unterhalb des vorgeschriebenen Alters verantwortlich sind. Die Verantwortlichkeit liegt in erster Linie bei den Verkäuferinnen und Verkäufern in den Läden, weshalb eine Ahndung im Ordnungsbussenverfahren durchaus möglich ist.

Allerdings ist der in der Vernehmlassung erhobene Einwand zutreffend, dass sich das Ordnungsbussenverfahren für die Sanktionierung von Unternehmen, die einer regelmässigen behördlichen Kontrolle unterliegen, nicht eignet. Dies betrifft aber andere Übertretungen des Lebensmittelgesetzes und des Alkoholgesetzes, z. B. die vorsätzliche Missachtung von Hygienevorschriften (Art. 48 Abs. 1 Bst. a LMG) oder das unbefugte Herstellen von gebrannten Wassern (Art. 52 Abs. 1 Bst. a des Alkoholgesetzes). Hier dürften oftmals weitere Abklärungen erforderlich sein, zudem werden das Verschulden und die konkreten Verhältnisse des Unternehmens (z. B. das Tätigkeitsfeld, die Grösse, die Vorstrafen) bei der Aussprechung der Busse zu berücksichtigen sein.

Ziff. 7 Die Sanktionierung von geringfügigen Verstössen des SVG mittels Ordnungsbussenverfahren hat sich in der Vergangenheit bewährt und dient als Vorbild für das allgemeine Ordnungsbussenverfahren, das für weitere Bundesgesetze eingeführt werden soll. Das SVG wird in der Liste von Absatz 1 Buchstabe a beibehalten.

Ziff. 8 Das NSAG regelt die Erhebung der Abgabe für die Benützung von Nationalstrassen.

Es droht in Artikel 14 Absatz 1 NSAG einer Person, die «entgegen den Artikeln 3­5, 7 und 8 vorsätzlich oder fahrlässig mit einem Fahrzeug eine abgabepflichtige Nationalstrasse benützt oder die Vignette vorschriftswidrig verwendet» eine Busse von 200 Franken an. Artikel 16 Absätze 2 und 3 NSAG sehen bereits heute ein Ordnungsbussenverfahren vor.
Ziff. 9 Im BSG sind ähnliche Tatbestände wie im SVG geregelt, die sich auf den Schiffsverkehr beziehen. Das BSG stellt etwa das zu schnelle Fahren innerhalb der Uferzone oder das Längsfahren in der inneren Uferzone unter Strafe (Art. 40 BSG i.V.m.

Art. 53 der Binnenschifffahrtsverordnung vom 8. November 197859). Solche Widerhandlungen mit geringem Unrechtsgehalt können vor Ort von der zuständigen 57

58 59

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Botschaft vom 25. Januar 2012 zur Totalrevision des Alkoholgesetzes (Spirituosensteuergesetz und Alkoholhandelsgesetz), welche die Schaffung eines Bundesgesetzes über den Handel mit alkoholischen Getränken (Alkoholhandelsgesetz, AlkHG) vorsieht; BBl 2012 1315.

BBl 2011 5571 SR 747.201.1

Behörde (z. B. der Seepolizei) festgestellt und geahndet werden. In der Vernehmlassung bestand denn auch Einigkeit, das BSG in das Ordnungsbussenverfahren aufzunehmen.

Ziff. 10 In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen, das USG in den Gesetzeskatalog aufzunehmen. Das USG verbietet unter anderem das Verbrennen von Abfällen ausserhalb von Anlagen (Art. 30c Abs. 2 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 Bst. f) sowie das Ablagern von Abfällen ausserhalb von Deponien (Art. 30e Abs. 1 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 Bst. g). Das Ablagern von Abfällen wird häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt. Die Handlung dürfte selten unmittelbar von der Polizei beobachtet werden. Bei einer Ahndung im Ordnungsbussenverfahren wäre zudem eine nachträgliche Erhebung der Deponie- oder Kehrichtgebühr ausgeschlossen, da die Daten nach Bezahlung der Ordnungsbusse vernichtet werden. Aus diesen Gründen eignet sich das Ordnungsbussenverfahren für diese Fälle nicht.

Hingegen können geringfügige Verstösse, welche die gestützt auf das USG erlassene Schall- und Laserverordnung vom 28. Februar 200760 betreffen, einfach und formlos im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden.

Ziff. 12 Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen verbietet das Rauchen in Räumen, die öffentlich zugänglich sind oder mehreren Personen als Arbeitsplatz dienen (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1). Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a stellt den Verstoss gegen das Rauchverbot nach Artikel 2 Absatz 1 unter Strafe. Dieser Tatbestand eignet sich, um in das Ordnungsbussenverfahren aufgenommen zu werden. Der in der Vernehmlassung vorgebrachte Einwand, es seien wenige Verfahren denkbar, ist für sich genommen nicht stichhaltig. Das Bedürfnis, dieses Gesetz in den Gesetzeskatalog aufzunehmen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass gewisse Kantone bereits heute hierfür ein Ordnungsbussenverfahren vorsehen (z. B. die Kantone Bern und Neuenburg für den Verstoss gegen die kantonalen Vorschriften).

Die Tatbestände von Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben b und c des Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen fallen dagegen für das Ordnungsbussenverfahren ausser Betracht. Hierbei geht es um Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, weshalb bei Gesetzesverstössen regelmässig ein grösserer Personenkreis betroffen ist.

Die maximale Höhe der Busse im Ordnungsbussenverfahren erscheint in solchen Fällen
als zu niedrig, weil sich das Verschulden der fehlbaren Person regelmässig ausserhalb des Bagatellbereichs bewegt.

Ziff. 13 Das BetmG stellt den unbefugten Konsum von Betäubungsmitteln in Artikel 19a Ziffer 1 unter Strafe. Die Änderung des BetmG vom 28. September 201261 führte für den Konsum von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis das Ordnungsbussenverfahren ein (Art. 28b­28l BetmG). Im Rahmen der Totalrevision des Ordnungsbussengesetzes ist es geboten, das Ordnungsbussenverfahren für den unbefugten Konsum von Cannabis und Cannabisprodukten in das neu zu regelnde

60 61

SR 814.49 BBl 2012 8153

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Ordnungsbussenverfahren zu integrieren. Den Besonderheiten des Betäubungsmittelkonsums lässt sich innerhalb des Ordnungsbussengesetzes Rechnung tragen.

Ziff. 14 Nach dem WaG kann die Benutzung des Waldes eingeschränkt werden (Art. 14 Abs. 2 WaG). Das Fahren mit Motorfahrzeugen ist im Wald grundsätzlich verboten (Art. 43 Abs. 1 Bst. d WaG). Häufig anzutreffen ist auch ein allgemeines Fahrverbot (Art. 43 Abs. 1 Bst. c WaG). Die Missachtung solcher Fahrverbote kann gleich wie beim SVG direkt durch die Polizei festgestellt und vor Ort mittels einer Ordnungsbusse geahndet werden. Auch wenn einige Vernehmlassungsteilnehmende wenige Fälle erwarten, so spricht die Analogie des Sachverhalts zu den Übertretungen im SVG für eine Aufnahme des WaG in die Liste nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a.

Ziff. 15 Im Jagdbereich können verschiedene Übertretungen vor Ort festgestellt und geahndet werden. Dies gilt etwa für folgende Tatbestände des JSG oder der gestützt darauf erlassenen Verordnungen: ­

Wildernlassen von Hunden (Art. 18 Abs. 1 Bst. d JSG);

­

Nichtmitführen des vorgeschriebenen Ausweises oder Weigerung, diesen Ausweis vorzuzeigen (Art. 18 Abs. 4 JSG);

­

Betreten oder Befahren der kantonalen Wildruhezonen ausserhalb bezeichneter Routen (Art. 4bis der Jagdverordnung vom 29. Februar 198862 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Bst. e JSG);

­

Missachtung der Leinenpflicht für Hunde im Wald (Art. 5 Abs. 1 Bst. c der Verordnung vom 30. September 199163 über die eidgenössischen Jagdbanngebiete [VEJ] in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Bst. e JSG);

­

Unbefugtes Zelten oder Campieren in eidgenössischen Jagdbanngebieten (Art. 5 Abs. 1 Bst. e VEJ in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Bst. e JSG);

­

Skifahren ausserhalb markierter Pisten in Jagdbanngebieten (Art. 5 Abs. 1 Bst. g VEJ in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Bst. e JSG);

­

Missachtung der Leinenpflicht für Hunde in Wasser- und Zugvogelreservaten (Art. 5 Abs. 1 Bst. c der Verordnung vom 21. Januar 199164 über die Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Bst. e JSG).

Es handelt sich um Vorschriften, welche die Benutzung von Jagdbanngebieten regeln, ähnlich der Regelung des SVG zur Benutzung der Strassen.

Die erwähnten Widerhandlungen werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wildhut oder anderen kantonalen Organen festgestellt, die für den Vollzug des JSG zuständig sind. Diese Organe verfügen über die Befugnisse von Beamtinnen und Beamten der gerichtlichen Polizei (Art. 26 JSG).

62 63 64

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SR 922.01 SR 922.31 SR 922.32

Besonderheiten ergeben sich, falls die Kantone weitere, kantonale Übertretungstatbestände im Jagdbereich vorsehen (Art. 18 Abs. 5 JSG). Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b E-OBG sieht für den Fall, dass bei einem Zusammentreffen von mehreren Tatbeständen, von denen einer nicht im Ordnungsbussenverfahren verfolgt und bestraft werden kann, für den ganzen Sachverhalt die Anwendbarkeit des ordentlichen Verfahrens ­ und nicht des Ordnungsbussenverfahrens ­ vor. Die Möglichkeit der Kantone, das Ordnungsbussenverfahren auf kantonale und kommunale Übertretungstatbestände für anwendbar zu erklären, bleibt vorbehalten (vgl. oben zu Art. 1).

Ziff. 16 Das BGF stellt die Missachtung der Schonbestimmungen unter Strafe (Art. 17 Abs. 1 Bst. a BGF). Diese Übertretung wird von der zuständigen kantonalen Fischereiaufsicht festgestellt (Art. 23 BGF). Die Schonbestimmungen enthalten Vorschriften über die Schonzeiten und die Fangmindestmasse (Art. 4 Abs. 1 Bst. a und b BGF). In Artikel 2 der Verordnung vom 24. November 199365 zum Bundesgesetz über die Fischerei (VBGF) sind die Fangmindestmasse geregelt. Die Schonzeiten bedürfen einer Konkretisierung durch die Kantone (Art. 1 Abs. 2 VBGF).

Fängt jemand einen Fisch, der unter dem Fangmindestmass liegt, so kann dies durch die kantonale Fischereiaufsicht vor Ort festgestellt und im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden. Das BGF ist deshalb in den Katalog des E-OBG aufzunehmen.

Ziff. 17 Artikel 14 Absatz 1 des Bundesgesetzes über das Gewerbe der Reisenden stellt das Ausüben des Reisendengewerbes ohne Bewilligung (Bst. b) sowie das Nichtmitführen der Bewilligung bei der Ausübung des Reisendengewerbes (Bst. f) unter Strafe.

Eine Kontrolle kann an Ort und Stelle vorgenommen werden. Beide Widerhandlungen werden mit Busse bestraft. Besteht Unsicherheit, welche Strafbestimmung anwendbar ist (keine Bewilligung oder Nichtmitführen der Bewilligung), so darf keine Ordnungsbusse erhoben werden; vielmehr muss die Behörde den Fall im ordentlichen Strafverfahren verfolgen und beurteilen.

Bst. b Übertretungen, die in Ausführungsbestimmungen zu den in Buchstaben a Ziffern 1­12 und 14­17 genannten Gesetzen geregelt sind, können ebenfalls im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden. Dies gilt nicht für Übertretungen des BetmG.

Nach der eben erst in Kraft getretenen Revision des BetmG
(Art. 28b­28l BetmG) soll das Ordnungsbussenverfahren lediglich für den unbefugten Konsum von Cannabis angewendet werden.

Abs. 2 Das Ordnungsbussenverfahren ist nur anwendbar, wenn der Bundesrat den Übertretungstatbestand in den Ausführungsbestimmungen auflistet und den Tarif der Ordnungsbusse festsetzt.

65

SR 923.01

981

Abs. 3 Das abgekürzte Verfahren nach Artikel 65 Absatz 1 VStrR erfüllt die Bedürfnisse nach einem einfachen Verfahren hinreichend, weshalb das Ordnungsbussenverfahren nur für bundesrechtliche Widerhandlungen vorgesehen wird, die nicht (ausschliesslich) nach dem Verwaltungsstrafrecht, sondern durch die kantonalen Behörden verfolgt und beurteilt werden. Deshalb finden etwa das Energiegesetz vom 26. Juni 199866 oder das Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 190267 keine Aufnahme in Absatz 1.

Eine Ausnahme bildet Artikel 15 des Nationalstrassenabgabegesetzes. Darin ist vorgesehen, dass die Eidgenössische Zollverwaltung nicht das Verwaltungsstrafrecht, sondern das Ordnungsbussengesetz anwendet, soweit sie Ordnungsbussen direkt einkassiert (vgl. Erläuterung zu den Änderungen des NSAG).

Abs. 4 Das Ordnungsbussenverfahren soll bei niedrigen Strafen zur Anwendung gelangen.

Die Höchstgrenze für Ordnungsbussen wird deshalb wie bisher auf 300 Franken festgesetzt. Auf eine Erhöhung auf 400 oder 500 Franken wird verzichtet. Im Jahr 1996 wurde die Obergrenze der Ordnungsbusse aufgrund der Teuerung (Berechnungsbasis der Teuerung von 1970 bis 1993) auf 300 Franken erhöht.68 Unter Berücksichtigung der seither aufgelaufenen Teuerung, entspricht diese Obergrenze heute einem Betrag von 345 Franken.69 Eine Erhöhung auf 400 oder 500 Franken drängt sich somit nicht auf. Mit einer Busse von 300 Franken kann der geringe Unrechtsgehalt von Delikten, die unter das Ordnungsbussenverfahren fallen sollen, hinreichend berücksichtigt werden.

Selbst wenn das Ordnungsbussenverfahren aufgrund der Bussenhöhe ausser Betracht fällt, besteht mit dem in der StPO vorgesehenen Strafbefehlsverfahren die Möglichkeit, Übertretungen einfach und rasch zu beurteilen.

Der Entwurf sieht vor, dass der Bundesrat in der Ausführungsverordnung die Bussenhöhe für die einzelnen Delikte in Form eines fixen Betrages festsetzt. Diese Tarifbussen vereinfachen das Verfahren. Sie werden unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit erhoben. Selbst wenn man die unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der beschuldigten Person berücksichtigen wollte, bliebe nur wenig Raum für Abstufungen, denn das Unrecht ist gering und die Schuld weist nach Art und Intensität wenige Unterschiede auf. Die beschuldigten Personen empfinden die Ordnungsbussen in der
Regel auch nicht als ungerecht. Die Annehmlichkeit der einfachen, schnellen und kostengünstigen Erledigung wiegt den Verzicht auf die Abklärung des Verschuldens und der finanziellen Verhältnisse der beschuldigten Personen auf.

Für Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz beträgt die Ordnungsbusse nach geltendem Recht 100 Franken (Art. 28b Abs. 2 BetmG). Dieser Betrag dürfte in der bundesrätlichen Verordnung angesichts des Umstands, dass das Parlament diesen Betrag erst vor kurzer Zeit festgelegt hat, beizubehalten sein.

66 67 68 69

982

SR 730.0 SR 734.0 BBl 1993 III 769, hier 772.

Landesindex der Konsumentenpreise, Stand per 31. Dezember 1993: 100.4 Punkte, Stand per 31. Oktober 2013: 115.3 Punkte (Basis Mai 1993 = 100 Punkte); www.bfs.admin.ch > Themen > Preise > Landesindex der Konsumentenpreise > Detaillierte Daten

Abs. 5 Das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person bleiben wie im geltenden Recht unberücksichtigt, weil im Ordnungsbussenverfahren alle notwendigen Verfahrenshandlungen sofort vorgenommen werden sollen.

Art. 2

Zuständige Organe

Abs. 1 Das Ordnungsbussenverfahren ist auf Übertretungen anwendbar, die durch kantonale Polizeiorgane und Behörden verfolgt und beurteilt werden. Sofern Verwaltungsbehörden des Bundes für die Verfolgung und Beurteilung von Delikten zuständig sind, gelangt das Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung (Art. 1 VStrR), für welches das Ordnungsbussenverfahren ausgeschlossen ist (Art. 1 Abs. 3 E-OBG).

Der Entwurf schliesst wie das geltende Recht eine Delegation nicht aus. Die Kantone bestimmen nach Artikel 14 StPO ihre Strafbehörden. Analog dazu sieht Artikel 2 Absatz 1 des Entwurfs vor, dass die Kantone regeln, welche Organe Ordnungsbussen erheben dürfen. Sie können diese Kompetenz ganz oder teilweise an diejenigen Organe delegieren, die zum Vollzug der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a E-OBG aufgelisteten Gesetze und der gestützt darauf erlassenen Verordnungen zuständig sind.

Die Übertragung von polizeilichen Befugnissen an Private ist nach Artikel 178 Absatz 3 BV ebenfalls zulässig. Die Übertragung der Aufgabe muss in einem Gesetz im formellen Sinn enthalten sein, die Delegation im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Anders als im Bereich wirtschaftlicher Tätigkeiten kann der Staat die Gewährleistung der gesellschaftlichen Sicherheit nicht vollständig privatisieren, d. h. die Aufgabe Privaten überlassen. Obwohl die Verfassung keine entsprechenden Schranken vorsieht, wird in der Lehre vertreten, dass es einen Kernbestand an Verwaltungsaufgaben gibt, die nicht delegierbar sind. In diesem Zusammenhang werden die Strafverfolgung im engeren Sinn oder Sicherheitsmassnahmen, die schwere Grundrechtseingriffe beinhalten, genannt.70 Wird privates Sicherheitspersonal in untergeordneten Funktionen eingesetzt, d. h. wird es bei der Ausübung seiner Tätigkeit von staatlichem Personal eng kontrolliert und hat es keine eigenen Handlungsspielräume, so hat man es nicht mit einer Übertragung staatlicher Aufgaben an Private zu tun. In solchen Fällen übt das private Sicherheitspersonal eine blosse Hilfstätigkeit für staatliche Stellen aus.71 Namentlich beim ruhenden Verkehr gibt es Vorschriften, deren Einhaltung von privatem Sicherheitspersonal kontrolliert werden kann. Die Kontrolle der Parkzeiten gehört zu dieser Art von Hilfstätigkeit.

70

71

Vgl. Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012 in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010 Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen, BBl 2012 4459, hier 4541 ff. und 4584 ff. mit Verweisen auf den Bericht des Bunderates zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen vom 2. Dezember 2005, BBl 2006 650; auf Giovanni Biaggini, St. Galler Kommentar zu Art. 178 BV, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 28; sowie auf Walter Kälin/Andreas Lienhard/Judith Wyttenbach, Auslagerung von sicherheitspolizeilichen Aufgaben, in: ZSR 126/2007 I, Beiheft 46, S. 74.

Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012 in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010 Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen, BBl 2012 4459, hier 4542.

983

Weil es der fehlbaren Person offensteht, durch Nichtbezahlung der Ordnungsbusse oder auf blosses Verlangen hin ein ordentliches Strafverfahren herbeizuführen, besteht eine hinreichende Kontrolle der Personen, an welche die Aufgaben delegiert werden. Die Delegation beschränkt sich auf geringfügige Delikte und ist im Rahmen des Ordnungsbussenverfahrens verhältnismässig.

Es obliegt indessen den Kantonen, die Delegation nach Massgabe der dafür geltenden Regeln festzulegen, d. h. im kantonalen Recht eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Delegation zu schaffen.

Abs. 2 Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) wirkt in den verschiedensten Bereichen beim Vollzug von Spezialerlassen des Bundes mit, soweit diese Erlasse es vorsehen (sogenannte nichtzollrechtliche Erlasse des Bundes; vgl. Art. 95 des Zollgesetzes vom 18. März 200572 [ZG]). Werden im Rahmen von Kontrollen Widerhandlungen festgestellt, ist grundsätzlich die zuständige Strafverfolgungsbehörde, mithin die kantonale Polizei, beizuziehen. Der Beizug ist vor allem bei Bagatelldelikten aufwendig. Gestützt auf Vereinbarungen mit den Kantonen nach Artikel 97 ZG wurden mit den Kantonen Regelungen beschlossen, dass namentlich in den Bereichen Ausländer- und Asylrecht, Strassenverkehrsrecht, Betäubungsmittelrecht und Waffenrecht gewisse Widerhandlungen durch die EZV und insbesondere das ihm unterstellte Grenzwachtkorps dahingehend selbstständig geahndet werden können, als Bussen oder Bussendepots für die Kantone erhoben werden oder die jeweilige Angelegenheit mittels Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft überwiesen wird.

Die Kantonsvereinbarungen stiessen zum Teil wegen fehlender Transparenz auf Kritik und es wurde auch die Frage nach der verfassungsmässigen Zulässigkeit gestellt. Der Bundesrat kam in seinem Bericht in Erfüllung des Postulats Malama 10.3045 vom 3. März 2010 «Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen»73 (Bericht Malama) zum Schluss, dass es wünschenswert wäre, Artikel 97 ZG über die Kantonsvereinbarungen zu ergänzen und darin festzuhalten, dass die Kantone nur Kompetenzen delegieren können, die ihnen vom Bundesgesetzgeber in Bereichen übertragen wurden, in denen der Bund über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt.74 Dieses Anliegen wird im Rahmen der anstehenden Zollgesetzrevision aufgenommen. Zudem sei es bezüglich der Sachbereiche
und Aufgaben, bei denen die Kantone ihre Vollzugskompetenzen auf der Grundlage von Vereinbarungen systematisch an die EZV übertragen, empfehlenswert, die Bundesgesetzgebung insofern zu ergänzen, als die erforderlichen Kompetenzen direkt der EZV zugewiesen werden.75 Mit Artikel 2 Absatz 2 schlägt der Bundesrat im Sinne dieser Erkenntnis eine Bestimmung vor, wonach die EZV Ordnungsbussen in denjenigen Bereichen erheben kann, in denen sie ohnehin aufgrund des Bundesrechts über Kontrollkompetenzen verfügt.

Nach Artikel 1 Buchstabe a i.V.m. Artikel 100 Absatz 1 ZG hat die EZV grundsätzlich die originäre Aufgabe, den Waren- und Personenverkehr über die Zollgrenze zu kontrollieren. Daneben verfügt sie ­ soweit dies im Zusammenhang mit dem Ordnungsbussengesetz von Bedeutung ist ­ in folgenden Bereichen über Kontrollbefugnisse: Ausländer-, Strassenverkehrs- und Betäubungsmittelgesetzgebung. Weiter hat 72 73 74 75

984

SR 631.0 BBl 2012 4459 BBl 2012 4459, hier 4567 BBl 2012 4459, hier 4596

sie eigene Strafverfolgungskompetenzen bei der Ein- und teilweise auch bei der Aus- und Durchfuhr aufgrund folgender Bundesgesetze: WG, LMG, JSG und BGF.

Die grundsätzliche Strafverfolgungskompetenz verbleibt weiterhin den Kantonen.

Eine zwar verfassungsmässig zulässige, aber wenig transparente «Rückdelegation» von Ahnungsbefugnissen durch die Kantone an die EZV im Rahmen von Kantonsvereinbarungen erübrigt sich somit im Umfang derjenigen Widerhandlungen, die in Zukunft mit Ordnungsbussen geahndet werden können. Werden die von der EZV ausgestellten Bussen nicht sofort bezahlt, wird die Angelegenheit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde überwiesen. Die von der EZV einkassierten Bussen fallen in die Bundeskasse.

Abs. 3 Polizeiangehörige oder Angehörige von Behörden sollen Ordnungsbussen nur im Rahmen nur erheben, wenn sie in amtlicher Funktion tätig sind. Die fehlbaren Personen dürfen keinen Zweifel über die Funktion der Polizeiangehörigen oder Behörden haben. Daher wird die Pflicht vorgesehen, sich auszuweisen.

Im Gegenzug wird auf die Uniformpflicht verzichtet. Die geltende Bestimmung in Artikel 4 Absatz 2 OBG ist überholt. Einerseits können nicht nur Polizeiorgane, sondern auch andere nach kantonalem Recht zuständige Behörden Ordnungsbussen erheben. Dabei verfügen nicht alle diese Behörden über eine Dienstuniform. Andererseits dürfen Polizeimitarbeiterinnen und Polizeimitarbeiter selbst schwerere Widerhandlungen, je nach den anwendbaren kantonalen Bestimmungen, in Zivilkleidung feststellen. Deshalb wird für die Ahndung der dem Ordnungsbussenverfahren zu unterstellenden Widerhandlungen von der Uniformpflicht abgesehen.

Auch bei der Revision des BetmG, welche die Erhebung von Ordnungsbussen bei Cannabiskonsum betrifft, wurde auf die Uniformpflicht verzichtet (Art. 28b­28l BetmG).

Art. 3

Voraussetzungen

Gegenstand des Ordnungsbussenverfahrens bilden Übertretungen des Bundesrechts, deren Strafbarkeit sich ohne weitere Abklärungen zweifelsfrei ergibt. Die Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens setzt aus diesem Grund voraus, dass die zur Strafverfolgung zuständigen Behörden das Delikt direkt vor Ort selbst feststellen, d. h. beobachten, können. Auf das Erfordernis der direkten Beobachtung der Straftat kann nicht verzichtet werden. Charakteristisch für Ordnungsbussen ist, dass sie an Ort und Stelle erhoben werden. Dies macht den Unterschied zu einer Verzeigung aus, welche weitere Formalitäten erfordert.

Eine Ausnahme ist einzig für den Strassenverkehrsbereich vorgesehen. Es soll wie im geltenden Recht zulässig sein, bei Übertretungen, welche durch automatische Überwachungsanlagen (z. B. Radaranlagen oder ähnliche Geräte) festgestellt werden können, auf die persönliche Beobachtung zu verzichten. Gegenüber dem Vorentwurf wurde der Gesetzestext insoweit präzisiert, als sich die Feststellung durch Überwachungsanlagen nur auf Übertretungen des SVG bezieht. Bei den anderen Bundesgesetzen oder Ausführungsbestimmungennach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a und b E-OBG ist eine Feststellung durch eine automatische Überwachungsanlage kaum denkbar.

985

Art. 4

Ausnahmen

Abs. 1 Die Sanktionsmöglichkeiten gegen Jugendliche sind im Jugendstrafgesetz vom 20. Juni 200376 (JStG) geregelt. Jugendliche, die zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet haben, können mit Busse bestraft werden. Diese beträgt bis zu 2000 Franken (Art. 24 Abs. 1 JStG). Das OBG ist auf Widerhandlungen sowohl von Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Tat das 15. Altersjahr vollendet haben, als auch von Erwachsenen anwendbar, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind bzw. kein anderer Ausschlussgrund (Abs. 2 und 3) besteht.

Abs. 2 Das BetmG schliesst das Ordnungsbussenverfahren bei Widerhandlungen von Jugendlichen aus (Art. 28c Bst. c BetmG), weil das JStG in erster Linie dem Schutz und der Erziehung dient (Art. 2 Abs. 1 JStG). Massnahmen zur Verhaltensänderung haben Vorrang vor Strafen.77 Der vorliegende Entwurf übernimmt die Regelung von Artikel 28c Buchstabe c BetmG, weil es sich um eine aktuelle Bestimmung handelt, die per 1. Oktober 2013 in Kraft getreten ist.

Abs. 3 Die Buchstaben a­d nennen Fälle, in welchen das Ordnungsbussenverfahren nicht anwendbar ist. Diese Liste ist abschliessend.

Bst. a Ausgeschlossen ist das Ordnungsbussenverfahren bei Widerhandlungen, durch welche die beschuldigte Person eine Person gefährdet, eine Person verletzt oder einen Schaden verursacht hat. In solchen Fällen sind regelmässig weitere Abklärungen erforderlich. Zudem verfügen die durch die Straftat geschädigten Personen über eigene Verfahrensrechte. Sie können insbesondere auch im Strafbefehlsverfahren Zivilforderungen geltend machen (Art. 353 Abs. 2 StPO) oder sich zur Sache äussern (Art. 306 Abs. 2 Bst. b StPO), was den Rahmen des Ordnungsbussenverfahrens übersteigt. Neu soll der Begriff «Sachschaden» durch «Schaden» ersetzt werden.

Der Begriff des Schadens umfasst auch den finanziellen Schaden.

Bst. b Der Grundsatz der Verfahrensökonomie gebietet es, mehrere Widerhandlungen gemeinsam in einem einzigen Verfahren zu beurteilen. Sind nicht alle Delikte, welche die beschuldigte Person begangen hat, im Ordnungsbussenkatalog nach Artikel 15 E-OBG aufgeführt, so findet ein ordentliches Verfahren statt, selbst wenn eines der Delikte im Ordnungsbussenverfahren beurteilt werden könnte. Dies gilt auch für den Fall, dass Übertretungen von Bundesrecht und kantonalem Recht zusammentreffen und für die Ahndung
der kantonalen Übertretung ein Verfahren nach StPO vorgesehen ist. Diesfalls ist für beide Übertretungen, für diejenige des Bundesrechts wie auch für diejenige des kantonalen Rechts, das ordentliche Straf76 77

986

SR 311.1 Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 2. September 2011, Parlamentarische Initiative, Betäubungsmittelgesetz. Revision (Ordnungsbussenverfahren), BBl 2011 8195, hier 8198, 8200, 8203, 8206 und 8209; vgl.

zu den parlamentarischen Beratungen AB 2012 N 268 ff.; AB 2012 N 282 ff.; AB 2012 N 285 ff.; AB 2012 S 409 ff.; AB 2012 N 1374 ff.; AB 2012 S 777 ff.; AB 2012 N 1581 ff.

verfahren nach StPO durchzuführen. Im ordentlichen Strafverfahren sind die Strafzumessungsregeln von Artikel 49 Absatz 1 StGB anwendbar, sofern mehrere gleichartige Strafen zusammentreffen. Zudem kann eine Ordnungsbusse auch im ordentlichen Verfahren ausgesprochen werden (Art. 14 E-OBG).

Bst. c Lehnt die beschuldigte Person das Ordnungsbussenverfahren für eine oder mehrere Übertretungen ab, so findet das ordentliche Verfahren statt. Sie braucht für ihre Entscheidung keinen Grund anzugeben. Buchstabe c übernimmt die Formulierung des geltenden Artikels 3a Absatz 2 Satz 1 OBG. Diese Regelung trägt den Verfahrensgarantien nach Artikel 29 ff. BV und Artikel 6 Ziffer 1 der Konvention vom 4. November 195078 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) Rechnung.

Bst. d Das Ordnungsbussenverfahren ist ausgeschlossen, sofern Verfahrenshandlungen nach der StPO erforderlich sind, die das Ordnungsbussenverfahren nicht kennt (z. B.

Zwangsmassnahmen, Zeugenbefragungen, Einholen von Gutachten).

Art. 5

Konkurrenz

Abs. 1 Im Ordnungsbussenverfahren wird die Strafe nach dem in der bundesrätlichen Verordnung vorgesehenen Tarif festgesetzt. Jedes Delikt wird mit einer bestimmten Busse geahndet. Hat die beschuldigte Person gegen mehrere Vorschriften verstossen, für die eine Ordnungsbusse vorgesehen ist, so gilt das Kumulationsprinzip und die Strafen werden zu einer einzigen Busse zusammengezählt. Der Bundesrat kann hiervon Ausnahmen vorsehen, wenn jemand gegen mehrere Bestimmungen verstösst, die denselben Schutzzweck haben. Die Kompetenz zur Regelung von Ausnahmen hat der Bundesrat in Artikel 2 der geltenden OBV wahrgenommen. Die bisherigen Ausnahmen zur Kumulation der Bussen bleiben unberührt. Sie lassen sich unter die allgemeine Regel nach Artikel 5 Absatz 1 E-OBG fassen.

Abs. 2 Das Ordnungsbussenverfahren findet wie heute von Gesetzes wegen keine Anwendung, wenn der Bussenbetrag das Doppelte der Höchstgrenze, d. h. 600 Franken, übersteigt. Es kommt somit nur bei tiefen Strafen zur Anwendung.

Art. 6

Verfahren im Allgemeinen

Artikel 6 regelt das Verfahren bei der Erhebung von Ordnungsbussen im Grundsatz.

Der Entwurf behält das geltende Ordnungsbussenverfahren in der Sache bei bzw.

passt es redaktionell an. So enthält Absatz 3 neu die explizite Regelung, dass bei nicht umgehender Bezahlung der Ordnungsbusse ein Bedenkfristformular ausgestellt und ein Einzahlungsschein abgegeben wird. Bei Bezahlung der Busse innerhalb von 30 Tagen wird dieses Formular vernichtet. Andernfalls wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet. Neu ist Absatz 5: Zwar gilt der Grundsatz bereits heute, wonach bei nicht angehaltener oder angetroffener Täterschaft ein ordentliches Straf78

SR 0.101

987

verfahren eingeleitet und durchgeführt wird. Er ist aber nicht gesetzlich verankert.

Davon ausgenommen sind bestimmte Widerhandlungen gegen das SVG (vgl. Art. 7, Halterhaftung).

Vorschriften, die eine Mitteilungspflicht für Urteile, Strafbescheide oder Einstellungsbeschlüsse vorsehen (vgl. Verordnung vom 10. November 200479 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide oder Art. 28 Abs. 3 BetmG), gelten im Ordnungsbussenverfahren nicht (Abs. 6). Bei Bezahlung der Ordnungsbusse wird das Bedenkfristformular vernichtet, weshalb konsequenterweise auch keine andere Registrierung, etwa durch eine Mitteilung an weitere Behörden, erfolgt.

Art. 7

Halterhaftung

Artikel 7 übernimmt das Verfahren für Ordnungsbussen im Strassenverkehr und den Grundsatz der Halterhaftung in der Fassung, wie sie seit dem 1. Januar 2014 gilt (Art. 6 OBG) mit einigen redaktionellen Anpassungen. Danach ist eine Haftung der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters vorgesehen, wenn sich die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer nicht ermitteln lässt. Die Halterhaftung für das Strassenverkehrsrecht soll auch für Widerhandlungen gegen das NSAG zum Tragen kommen. Sie wird aber nicht zu einer allgemeinen Regel umgestaltet. In andern Bereichen gibt es keine mit der Fahrzeughalterin oder dem Fahrzeughalter vergleichbare Drittperson, die kraft einer besonderen Eigenschaft eine Mitverantwortung an der Tat trägt. Eine Ausdehnung auf den Schifffahrtsbereich erscheint nicht zwingend erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl Delikte gegen das BSG mit unbekannten Schiffsführerinnen und Schiffsführern gering ist und die Seepolizei die fehlbare Person in aller Regel direkt anhält.

Abs. 1 Im Strassenverkehr ist nicht immer bekannt, wer eine Widerhandlung begangen hat.

Namentlich im ruhenden Verkehr werden Übertretungen in Abwesenheit der beschuldigten Person festgestellt und diese muss nicht vor Ort angehalten werden.

Auch beim Einsatz automatischer Überwachungsanlagen ist eine Auswertung erforderlich und die Täterschaft häufig unbekannt. In solchen Fällen wird in einem ersten Schritt die Ordnungsbusse der Person zugestellt, die im Fahrzeugausweis als Halterin oder Halter eingetragen ist. Massgebend ist die formelle Eigenschaft als Halterin oder Halter.

Abs. 2­4 Die Halterin oder der Halter hat die Möglichkeit, (1) die Ordnungsbusse zu bezahlen, (2) die Ordnungsbusse nicht zu bezahlen oder (3) die fehlbare Person innerhalb der 30-tägigen Frist zu melden. Im ersten Fall ist das Verfahren erledigt. Im zweiten Fall wird ein ordentliches Strafverfahren gegen die Halterin oder den Halter eingeleitet (Abs. 3). Im dritten Fall besteht die Möglichkeit, dass die Halterin oder der Halter die Vermutung der Täterschaft von Absatz 1 widerlegt, indem sie oder er den Namen und die Adresse der Drittperson nennt, die die Übertretung begangen hat. Ab diesem Zeitpunkt richtet sich das Verfahren gegen diese Person. Kann im Verfahren gegen die Drittperson der Tatverdacht nicht erhärtet werden,
so wird die Halterin oder der Halter ins Recht gefasst, allerdings dieses Mal im ordentlichen Verfahren, weil sie oder er das Ordnungsbussenverfahren bereits bestritten hat (Abs. 5).

79

988

SR 312.3

Abs. 5 Kann die Identität der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers nicht ermittelt werden, so muss die Halterin oder der Halter die Busse bezahlen. Die Halterin oder der Halter kann sich aber exkulpieren, wenn sie oder er beispielsweise einen Diebstahl, eine Entwendung zum Gebrauch oder eine Veruntreuung glaubhaft machen kann, der oder die auch mit entsprechender Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. In solchen Fällen hatte die Halterin oder der Halter keinen Einfluss auf die Benutzung des Fahrzeugs und damit auf die Tat.

Art. 8

Sicherstellung und Einziehung

Absatz 1 regelt die Sicherstellung von Gegenständen und Vermögenswerten. Die bisherige Einziehung von cannabishaltigen Produkten soll weiterhin möglich sein.

Der Gesetzeswortlaut wird aufgrund der Ausdehnung des Ordnungsbussenverfahrens redaktionell geändert und verweist auf die Bestimmungen zur Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten nach den Artikeln 69 und 70 StGB. Die Einziehung im Ordnungsbussenverfahren ist insbesondere denkbar für alkoholische Getränke, Fische, die kleiner sind als das Mindestfangmass, sowie für geschützte Pflanzen, Blumen oder Pilze, die sich jemand durch eine Übertretung angeeignet hat. Es handelt sich um Gegenstände, die durch die Übertretung erlangt worden sind.

Bei der Einziehung ist dem Prinzip der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen.

Nicht im Ordnungsbussenverfahren eingezogen werden sollen z. B. Fahrzeuge, mit welchen jemand eine Übertretung begangen hat. Dies ergibt sich auch aus Artikel 90a SVG, der die Einziehung von Fahrzeugen auf grobe Verkehrsregelverletzungen beschränkt, die in skrupelloser Weise begangen wurden.

Absatz 2 übernimmt die Regelung zur Einziehung aus Artikel 28e Absatz 4 BetmG und dehnt sie auf das ganze Ordnungsbussenverfahren aus.

Art. 9

Formulare

Es werden allgemeine Bestimmungen zur Quittung bei Bezahlung einer Ordnungsbusse und zum Bedenkfristformular eingefügt. Die Formulierung wurde aus dem Ordnungsbussenverfahren zum Cannabiskonsum entnommen (Art. 28f BetmG) und an das allgemeine Ordnungsbussenverfahren angepasst.

Art. 10

Beschuldigte Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz

Abs. 1 Die beschuldigte Person mit Wohnsitz im Ausland hat wie im geltenden Recht (Art. 9 OBG) den Betrag zu hinterlegen oder eine andere angemessene Sicherheit zu leisten, sofern sie die Ordnungsbusse nicht sofort bezahlt. Will die beschuldigte Person die Sicherheitsleistung nicht bezahlen, so können die Behörden das ordentliche Verfahren anwenden. Sie können die beschuldigte Person im Rahmen des ordentlichen Verfahrens vorläufig für maximal 24 Stunden festnehmen (Art. 217 Abs. 3 Bst. b und 219 Abs. 4 StPO). Ausserdem wird die beschuldigte Person bei einem Schuldspruch im ordentlichen Verfahren kostenpflichtig.

Abs. 2 Hat die beschuldigte Person den Betrag hinterlegt, so wird dieser mit der Ordnungsbusse verrechnet, sofern die beschuldigte Person innerhalb der Bedenkfrist nicht 989

reagiert oder das Ordnungsbussenverfahren ausdrücklich akzeptiert. Damit entfällt administrativer Aufwand. Es muss nebst der Sicherheitsleistung nicht auch noch die Busse einkassiert werden. Ebenso ist die Rückerstattung der Sicherheitsleistung nicht mehr erforderlich.

Art. 11

Rechtskraft

Akzeptiert die beschuldigte Person die Ordnungsbusse und bezahlt sie diese fristgerecht oder kann der hinterlegte Betrag verrechnet werden (Art. 10 Abs. 2), so ist das Verfahren abgeschlossen. Sie anerkennt mit der Bezahlung das angewendete Verfahren und die Strafe.

Im Bericht zum Vorentwurf ging der Bundesrat davon aus, die Verletzung der Vorschriften der Artikel 1­3 VE-OBG führe zur Nichtigkeit der Ordnungsbusse.

Diese Ausführungen wurden in der Vernehmlassung kritisiert und es wurde gefordert, den geltenden Artikel 11 Absatz 2 OBG beizubehalten, wonach die ordentliche Richterin oder der ordentliche Richter die Ordnungsbusse aufhebt und das ordentliche Verfahren anwendet, sofern sie oder er auf Veranlassung einer von der Tat betroffenen Person oder der Täterin oder des Täters feststellt, dass die Bestimmungen des Ordnungsbussenverfahrens nach Artikel 2 OBG missachtet wurden. Trotz der Kritik ist an der Streichung von Artikel 11 Absatz 2 OBG festzuhalten.

Es besteht kein Anlass, auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Ordnungsbussenverfahren zurückzukommen, dies aus Gründen der Rechtssicherheit und der verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Das Ordnungsbussenverfahren ist ­ wie bereits erwähnt ­ ausschliesslich auf geringfügige Übertretungen anwendbar und zeichnet sich durch die rasche und formlose Erledigung aus.

Art. 12

Kosten

Im Ordnungsbussenverfahren werden keine Kosten erhoben. Durch die Raschheit des Verfahrens und den Verzicht auf weitere Abklärungen entsteht nur geringer Aufwand. Dieser Vorteil kommt der beschuldigten Person zugute, die die Ordnungsbusse akzeptiert.

Art. 13

Ablehnung des Ordnungsbussenverfahrens

Der Entwurf übernimmt die Bestimmung von Artikel 10 OBG des geltenden Rechts.

Art. 14

Ordnungsbusse im ordentlichen Strafverfahren

Eine Ordnungsbusse kann auch im ordentlichen Verfahren ausgesprochen werden, wenn die Voraussetzungen für das Ordnungsbussenverfahren fehlen (Art. 4 Abs. 1­3 E-OBG). Wird nebst der Ordnungsbusse eine Übertretungsbusse ausgefällt, so muss das Gericht die Höhe der Ordnungsbusse und der Übertretungsbusse angeben, damit die Strafzumessung hinreichend nachvollziehbar ist (Art. 50 StGB).

Art. 15

Ausführung des Gesetzes

Die Kompetenz zur Bestimmung der dem Ordnungsbussenverfahren unterstehenden Straftatbestände und die Kompetenz zur Festsetzung der Tarife werden an den Bundesrat delegiert. Der Verordnungsweg eignet sich, um Anpassungen rasch 990

vorzunehmen und auf konkrete Gegebenheiten zu reagieren. Der Bundesrat erlässt auch alle weiteren Ausführungsvorschriften zum Gesetz. Der Entwurf lässt aufgrund der Formulierung «listet ... auf» Raum, dass der Bundesrat eine oder mehrere Ordnungsbussenlisten erstellen kann.

Änderung der Strafprozessordnung Gleichzeitig mit der Erweiterung des Ordnungsbussenverfahrens kann die Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung von Verbrechen und Vergehen des 10. Titels des StGB in Bezug auf Autobahnvignetten den Kantonen übertragen werden (Art. 23 Abs. 1 Bst. e StPO). Diese Änderung erfolgt in Erfüllung des Anliegens der Motion 13.3063 [Ribaux] Favre «Die Bundesanwaltschaft soll sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren».

Bei der Fälschung von Autobahnvignetten handelt es sich um eine Fälschung amtlicher Wertzeichen nach Artikel 245 StGB. Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e StPO sieht für diesen Tatbestand die Zuständigkeit der Bundesbehörden vor. Nach Artikel 25 Absatz 1 StPO hat die Bundesanwaltschaft die Möglichkeit, die Untersuchung und Beurteilung den kantonalen Behörden zur übertragen. Indessen ist der mit einer Delegation an einen Kanton verbundene Aufwand keinesfalls gering. Nicht selten wird Einsprache erhoben, was unter Umständen zu einem ordentlichen Prozess vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona führt.

Es entspricht dem Grundgedanken der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen, dass nur Formen schwerer Kriminalität der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Dies ergibt sich auch aus der Zuständigkeitsordnung von Artikel 23 StPO.

Bereits nach geltendem Recht werden in Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe f StPO gewisse Formen der Urkundenfälschung von der Bundeszuständigkeit ausgenommen. So einerseits Fälschungen von Fahrausweisen, was häufig vorkommt, und andererseits Fälschungen von Belegen des Postzahlungsverkehrs. Diese punktuelle Ausnahme von der Bundeszuständigkeit bewährt sich in der Praxis. Auch bei der Fälschung von Autobahnvignetten handelt es sich um Delikte, die nicht Formen schwerer Kriminalität betreffen. Deshalb ist die Zuständigkeit zur Strafverfolgung und Beurteilung den Kantonen zu übertragen.

Änderungen des Nationalstrassenabgabegesetzes und des Betäubungsmittelgesetzes Die im NSAG und im BetmG über das Ordnungsbussenverfahren enthaltenen Vorschriften sind aufzuheben
bzw. anzupassen, weil fortan das E-OBG diesen Bereich regelt. Die heutigen Kompetenzen der Kantone und der EZV im Bereich der Nationalstrassenabgabe werden mit den Anpassungen weder eingeschränkt noch erweitert. Für den Vignettenverkauf sowie die Kontrollen und Bussenerhebung sind weiterhin die Kantone im Landesinneren und die Zollverwaltung an der Grenze zuständig. Bei Widerhandlungen gegen das NSAG, welche die EZV in ihrem Zuständigkeitsbereich feststellt, ist sie die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Wird das Ordnungsbussenverfahren abgelehnt oder die Busse nicht fristgerecht bezahlt, so verfolgt und beurteilt die EZV wie schon heute die Übertretung im ordentlichen Verfahren nach dem VStrR. Artikel 15 Absatz 3 NSAG geht Artikel 1 Absatz 3 EOGB vor.

991

3

Auswirkungen

3.1

Auf den Bund

Durch Umsetzung der Motion Frick Die Eidgenössische Zollverwaltung hat 2013 gestützt auf die Vereinbarungen mit den Kantonen nach Artikel 97 ZG im Bereich des Ausländer-, Waffen-, Strassenverkehrs- und Betäubungsmittelrechts in über 5000 Fällen Bussen im Gesamtbetrag von 1,5 Millionen Franken eingenommen. Davon entfallen 1,4 Millionen Franken auf den Bereich des Strassenverkehrsrechts sowie 100 000 Franken auf denjenigen des Ausländerrechts. 85 Prozent der eingenommenen Summe wurden den Kantonen überwiesen, 15 Prozent verblieben vereinbarungsgemäss beim Bund. Mit der Regelung von Artikel 2 Absatz 2 E-OBG werden dem Bund pro Jahr neu voraussichtlich über eine Million Franken zufliessen.

Durch Umsetzung der Motion [Ribaux] Favre Die Bundesanwaltschaft soll durch die Übertragung der Verfahren betreffend die Fälschung von Autobahnvignetten zufolge Umsetzung der Motion [Ribaux] Favre 13.3063 entlastet werden. Es handelt sich um ungefähr 800 Verfahren jährlich.80

3.2

Auf die Kantone und Gemeinden

Durch Umsetzung der Motion Frick Die Bussen werden grundsätzlich von den Kantonen erhoben, weil ihnen die Strafverfolgung obliegt (Art. 2 E-OBG). Die Einnahmen aus den Bussen fliessen in die kantonalen Staatskassen, soweit nicht die Eidgenössische Zollverwaltung die Bussen erhebt. Die Anzahl der Ordnungsbussenverfahren wird steigen, weil eine grössere Anzahl Gesetze unter dieses Verfahren fällt. Dies führt zu Mehreinnahmen im Ordnungsbussenbereich. Gleichzeitig werden die ordentlichen kantonalen Strafverfolgungsbehörden und die Strafjustiz durch das Ordnungsbussenverfahren entlastet, sofern die beschuldigten Personen die Ordnungsbusse akzeptieren. Dies führt zu einer finanziellen Einsparung bei den Ressourcen der ordentlichen Strafverfolgungsbehörden, jedoch auch zu einer Verminderung der Einnahmen durch Übertretungsbussen in den ordentlichen Strafverfahren nach der StPO. Es ist davon auszugehen, dass Mehr- und Mindereinnahmen kurzfristig ausgeglichen sind, da keine neuen Straftatbestände geschaffen werden. Indessen sollte das Ordnungsbussenverfahren zu Einsparungen führen, weil der Verwaltungsaufwand verringert werden kann. Die Höhe der Einsparungen lässt sich nicht beziffern.

Durch die Verankerung der Kompetenzen der Eidgenössischen Zollverwaltung in Artikel 2 Absatz 2 E-OBG, welche die bisherigen Vereinbarungen mit den Kantonen ersetzen, werden den Kantonen neu pro Jahr über eine Million Franken entgehen (vgl. Ziff. 3.1).

80

992

Rechenschaftsbericht der Bundesanwaltschaft für das Jahr 2012 S. 21, abrufbar unter www.bundesanwaltschaft.ch > Dokumentation

Durch Umsetzung der Motion [Ribaux] Favre Die Änderung der Zuständigkeit bei der Strafverfolgung betreffend die Fälschung von Autobahnvignetten wird eine Mehrbelastung der kantonalen Behörden zur Folge haben. Diese kann voraussichtlich mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden. Die Bundesanwaltschaft wird die dadurch frei werdenden Ressourcen einsetzen können, um komplexere Verfahren rascher und vertiefter zu behandeln.

3.3

Auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage lässt keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201281 über die Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201282 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

Sie wird in Erfüllung des Auftrags der Motionen Frick (10.3747) und [Ribaux] Favre (13.3063) dem Parlament unterbreitet.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Erlass stützt sich auf Artikel 123 Absatz 1 BV, wonach die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts Sache des Bundes ist.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz, namentlich mit Artikel 6 EMRK, vereinbar. Eine Person, die sich wegen einer im Ordnungsbussenverfahren zu behandelnden Übertretung strafbar macht, muss nicht auf die in der Konvention garantierten Verfahrensrechte verzichten. Sie kann das ordentliche Verfahren verlangen, in welchem die Konventionsrechte eingehalten werden.

5.3

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen

In Bezug auf die Gesetzessystematik und das Verfahren knüpft der Entwurf an das bisherige OBG an. Er nennt nur die Gesetze, nicht aber die einzelnen Tatbestände, für die das Ordnungsbussenverfahren eingeführt werden soll. Die Kompetenz zur Auswahl der Delikte wird dem Bundesrat übertragen. Eine solche Delegation recht81 82

BBl 2012 481 BBl 2012 7155

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fertigt sich angesichts der Vielzahl von Übertretungen. Bereits der aktuelle Katalog für Strassenverkehrsdelikte umfasst rund zwanzig Seiten. Dieses Vorgehen ermöglicht es, auf Veränderungen rasch zu reagieren.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

994