15.064 Botschaft zur Genehmigung der Abkommen mit Belize und Grenada über den Informationsaustausch in Steuersachen vom 7. Oktober 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zu den folgenden Bundesbeschlüssen: ­

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Belize über den Informationsaustausch in Steuersachen,

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Grenada über den Informationsaustausch in Steuersachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

7. Oktober 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Übersicht Seit dem Beschluss des Bundesrats vom Frühjahr 2009, den international anerkannten Standard beim Informationsaustausch in Steuersachen gemäss Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) zu übernehmen, hat die Schweiz eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) revidiert und neue Abkommen mit einer standardkonformen Klausel über den Informationsaustausch abgeschlossen.

Sie setzt ihre Bestrebungen unvermindert fort, diese Amtshilfepolitik in bestehenden oder neuen DBA mit weiteren Staaten zu verankern.

Verschiedene Staaten und Territorien haben die Schweiz auch um Aufnahme von Verhandlungen über ein Steuerinformationsabkommen (SIA; Tax Information Exchange Agreement, TIEA) ersucht. Im April 2012 hat der Bundesrat beschlossen, solche SIA abzuschliessen. Die Schweiz hat bisher ­ einschliesslich der vorliegenden Abkommen mit Belize und Grenada ­ neun SIA abgeschlossen.

SIA erlauben es Staaten oder Territorien, die untereinander kein DBA abschliessen wollen, den Informationsaustausch in Steuersachen zu vereinbaren. DBA und SIA sind im Prinzip gleichwertige Instrumente für die Vereinbarung einer standardkonformen Bestimmung über den Informationsaustausch auf Anfrage. Im Vergleich zu einem DBA regelt ein SIA die Modalitäten der Amtshilfe aber detaillierter.

Das Abkommen mit Grenada wurde am 19. Mai 2015 unterzeichnet, das Abkommen mit Belize am 10. August 2015.

In der Anhörung ist der Abschluss dieser Abkommen begrüsst worden.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Seit dem Beschluss des Bundesrats vom Frühjahr 2009, den international anerkannten Standard beim Informationsaustausch in Steuersachen gemäss Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) zu übernehmen, hat die Schweiz eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) revidiert und neue Abkommen mit einer standardkonformen Klausel über den Informationsaustausch abgeschlossen. Sie setzt ihre Bestrebungen unvermindert fort, diese Amtshilfepolitik in bestehenden oder neuen DBA mit weiteren Staaten zu verankern.

Verschiedene Staaten und Territorien haben die Schweiz auch um Aufnahme von Verhandlungen ersucht, um ein Steuerinformationsabkommen (SIA; Tax Information Exchange Agreement, TIEA) abzuschliessen. Zu Beginn der Umsetzung der Amtshilfe auf Anfrage in Steuersachen erachtete die Schweiz jedoch zunächst die Revision ihrer DBA als prioritär. Das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum) hat der Schweiz deshalb im PeerReview-Bericht vom Juni 2011 empfohlen, mit interessierten Staaten und Territorien standardkonforme SIA abzuschliessen. Am 4. April 2012 hat der Bundesrat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Ein SIA kann ebenfalls abgeschlossen werden, wenn die Schweiz aus steuerlichen oder entwicklungspolitischen Gründen ein Interesse an einer solchen Vereinbarung hat.

Der Vollzug von SIA wird im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20121 (StAhiG) geregelt, das am 1. Februar 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. b StAhiG). SIA erlauben es den Staaten und Territorien, die untereinander kein DBA abschliessen wollen ­ zum Beispiel, weil im bilateralen Verhältnis kaum Doppelbesteuerungen auftreten, da in einer der Vertragsparteien ein Steuersystem oder ein umfassendes Steuerrecht fehlt ­, einen Informationsaustausch in Steuersachen zu vereinbaren, ohne die Besteuerungsrechte der beiden Staaten zu regeln.

DBA und SIA sind im Prinzip gleichwertige Instrumente für den Abschluss einer standardkonformen Bestimmung über den Informationsaustausch auf Anfrage. Im Vergleich zu einem DBA regelt ein SIA die Modalitäten der Amtshilfe detaillierter.

SIA sehen den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Um zu entscheiden, ob es sinnvoller ist, ein DBA oder ein SIA abzuschliessen, muss jeder Einzelfall aufgrund der vorliegenden
Interessen beurteilt werden. Eine besondere Bedeutung ist den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beizumessen. Bedürfen im bilateralen Verhältnis neben dem Informationsaustausch weitere Steuerfragen einer Regelung, so ist der Abschluss eines DBA vorzuziehen. In den anderen Fällen dürfte ein SIA geeigneter sein.

Die Schweiz hat bereits mehrere SIA abgeschlossen, wovon diejenigen mit der Insel Man, Guernsey und Jersey in Kraft getreten und seit dem 1. Januar 2015 anwendbar sind. Die Abkommen mit Andorra, Grönland, San Marino und den Seychellen sind ebenfalls in Kraft getreten und werden ab dem 1. Januar 2016 anwendbar sein.

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SR 651.1

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Belize und Grenada gehören zu den heutigen Staaten und Territorien, auf die das Abkommen vom 30. September 19542 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (DBA von 1954) mit Notenwechsel vom 20./26. August 1963 ausgedehnt wurde. Zu dieser Zeit waren Belize und Grenada britische Kronkolonien. Am 7. Februar 1974 wurde Grenada von Grossbritannien unabhängig. Belize erlangte seine Unabhängigkeit am 21. September 1981. Der Bundesrat anerkannte beide Staaten noch im Jahr ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit. Die Schweiz unterhält mit Grenada seit 1981 und mit Belize seit 1988 diplomatische Beziehungen. Sowohl Grenada als auch Belize haben die Weiteranwendung des DBA von 1954 nach der Unabhängigkeitserklärung mit Schreiben an den Generalsekretär der Vereinten Nationen bestätigt (Schreiben von Grenada vom 19. August 1974, Schreiben von Belize vom 29. September 1982).

Das Global Forum hat im Rahmen des Peer-Review-Prozesses dieser beiden Länder festgehalten, dass das DBA von 1954 dem internationalen Standard im Bereich der Amtshilfe für Steuerzwecke nicht entspricht. Belize und Grenada haben in der Folge die Schweiz um Aufnahme von Verhandlungen für den Abschluss eines SIA ersucht.

Das DBA von 1954 hat einen breiteren Anwendungsbereich als die SIA mit Belize und Grenada, da es naturgemäss nicht nur den Informationsaustausch, sondern auch die Besteuerungsrechte der betreffenden Staaten regelt. Die beiden SIA ersetzen das DBA von 1954 nicht, sondern sehen standardkonforme Bestimmungen für den Informationsaustausch in Steuersachen vor. Als neuere Abkommen gehen sie in diesem Bereich dem DBA von 1954 vor. Dieses sieht zwar vor, dass seine Ausdehnung auf die im Notenwechsel vom 20./26. August 1963 genannten Gebiete mit Wirkung für alle oder einzelne dieser Gebiete gekündigt werden kann. Es soll aber für Belize und Grenada wegen der restlichen Bestimmungen, die allfällige Doppelbesteuerungsfälle regeln, weiterhin gelten, auch wenn es bisher in Bezug auf beide Staaten wenig zur Anwendung gelangte.

Die Verhandlungen mit Belize und Grenada fanden auf dem Korrespondenzweg statt und führten am 1. Dezember 2014 (mit Belize) und am 11. Dezember 2014 (mit Grenada)
zur Paraphierung von Abkommensentwürfen.

Obwohl Belize und Grenada eine allgemeine Einkommens- bzw. Vermögensbesteuerung kennen, hat die Konsultation der Wirtschaftskreise ergeben, dass aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse an der Revision des DBA von 1954 besteht und ein SIA als geeigneter erscheint.

Die Entwürfe der Abkommen mit Belize und Grenada waren vom 9.­23. März 2015 Gegenstand eines Anhörungsverfahrens unter Beteiligung der Kantone und der interessierten Wirtschaftskreise. Der Abschluss der Abkommen ist begrüsst worden.

Das Abkommen mit Grenada wurde am 19. Mai 2015 und dasjenige mit Belize am 10. August 2015 unterzeichnet.

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SR 0.672.936.711

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1.2

Würdigung der Abkommen

Die Abkommen regeln den Informationsaustausch auf Ersuchen. Der Vollzug der Amtshilfe erfolgt gestützt auf das StAhiG. Der Abschluss von SIA dient der schweizerischen Umsetzung der internationalen Amtshilfepolitik und des Bundesratsbeschlusses vom 4. April 2012, standardkonforme Amtshilfeabkommen nicht nur in Form von DBA, sondern auch von SIA zu vereinbaren. Mit dem Abschluss solcher Abkommen kann gleichzeitig die Reputation und die Integrität des Schweizer Finanzplatzes gewahrt und die Empfehlung des Global Forum umgesetzt werden.

Gegenüber dem OECD-Musterabkommen von 2002 über den Informationsaustausch in Steuerbelangen (TIEA-MA) berücksichtigen die Abkommen zwei Besonderheiten des Schweizer Rechts: keine Aufnahme einer Bestimmung über Steuerkontrollen im Ausland sowie keine rückwirkende Inkraftsetzung für Informationen betreffend Steuerstrafsachen.

Die Terms of Reference des Global Forum sehen vor, dass Informationen mit allen interessierten Partnern auszutauschen sind. Deshalb ist Gesuchen um eine Vereinbarung über den steuerlichen Informationsaustausch zu entsprechen, und zwar unabhängig davon, ob ein Partnerstaat dies nur in einem SIA regeln will. Die Schweiz darf somit spezifische Anfragen betreffend den Abschluss eines SIA nicht ablehnen.

Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens des Europarats und der OECD vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in seiner revidierten und am 1. Juni 20113 in Kraft getretenen Fassung (Europarats-/OECD-Übereinkommen) hat die Schweiz ihr Netz für den Informationsaustausch in Steuersachen allerdings erweitert und kann somit in Zukunft nach der Ratifikation des Übereinkommens Steuerinformationen auf dieser Grundlage austauschen. Auch wenn das Übereinkommen ein wichtiges Instrument für die steuerliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten ist, behalten aber andere Instrumente, wie beispielsweise SIA, ihre Relevanz.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Die Abkommen stimmen sowohl formell als auch materiell weitgehend mit dem TIEA-MA, mit Artikel 26 OECD-MA sowie mit der Abkommenspolitik der Schweiz im Bereich der steuerlichen Amtshilfe überein. Sie dienen der schweizerischen Abkommenspolitik, standardkonforme Amtshilfeabkommen auch in der Form eines SIA abzuschliessen. Im Folgenden werden die einzelnen Bestimmungen der beiden Abkommen erläutert.

Ingress Gemäss Ingress besteht der allgemeine Zweck der SIA darin, den Informationsaustausch in Steuersachen zwischen den Vertragsparteien zu erweitern und zu erleichtern.

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BBl 2015 5645

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Art. 1

Gegenstand und Geltungsbereich des Abkommens

Die Vertragsparteien leisten einander Unterstützung durch den Austausch von Informationen, die für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend die unter das SIA fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind.

Mit dem Verweis auf die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Auskünfte soll ein möglichst weit gehender Informationsaustausch in Steuersachen gewährleistet werden. Gleichzeitig wird damit jedoch klar festgehalten, dass es untersagt ist, sogenannte fishing expeditions («Fischzüge» bzw. unzulässige Beweisausforschung) zu betreiben, also Gesuche ohne konkrete Anhaltspunkte zu stellen, oder um Informationen zu ersuchen, deren Erheblichkeit hinsichtlich der Steuerbelange einer bestimmten steuerpflichtigen Person wahrscheinlich nicht gegeben ist.

Die persönlichen Rechte und Sicherheiten, welche die Gesetze oder die Verwaltungspraxis der ersuchten Vertragspartei gewähren, bleiben anwendbar, sofern ein wirksamer Informationsaustausch dadurch nicht verhindert oder übermässig verzögert wird. Für die Schweiz heisst dies namentlich, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie die Rechtsweggarantie nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen gewahrt bleiben.

Art. 2

Zuständigkeit

Dieser Artikel hält fest, dass die ersuchte Vertragspartei nicht verpflichtet ist, Auskünfte zu erteilen, die weder ihren Behörden vorliegen noch sich im Besitz oder unter der Kontrolle von Personen in ihrem Hoheitsbereich befinden. Die Begriffe «Besitz» oder «Kontrolle» sind in einem weiten Sinne auszulegen.

Die Auskunftspflicht ist weder durch die Ansässigkeit noch durch die Staatsangehörigkeit der Person, auf die sich die Auskünfte beziehen, oder der Person, die im Besitz der ersuchten Informationen ist oder diese kontrolliert, begrenzt. Das heisst, dass es für die Anwendung der jeweiligen Abkommen nicht notwendig ist, dass die betroffene Person beispielsweise in der Schweiz oder in Belize ansässig ist. Eine wirtschaftliche Anknüpfung in der ersuchenden Vertragspartei genügt für die Stellung eines Ersuchens.

Art. 3

Unter das Abkommen fallende Steuern

Die Bestimmung über die unter die Abkommen fallenden Steuern sieht sowohl im Abkommen mit Belize als auch in demjenigen mit Grenada vor, dass die Schweiz Auskünfte für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie für Erbschaftsund Schenkungssteuern verlangen kann.

Belize kann für die Einkommenssteuer, einschliesslich Zusatzsteuer (surtax) oder Steuerzuschlag (surcharge), für die Unternehmenssteuer (business tax) sowie für die allgemeine Umsatzsteuer (general sales tax) Informationsaustausch verlangen. Die allgemeine Umsatzsteuer wurde in Belize im Jahr 2006 eingeführt. Alle von Belize seit 2006 abgeschlossenen SIA gelten auch für diese Steuer.

Für Grenada fällt die Einkommenssteuer (personal income tax) und die Gewinnsteuer (corporate income tax) in den Geltungsbereich des SIA.

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Art. 4

Begriffsbestimmungen

Artikel 4 definiert die Begriffe des Abkommens. Dabei werden im Wesentlichen die Definitionen des TIEA-MA übernommen.

Art. 5

Informationsaustausch auf Ersuchen

Abs. 1 Der Informationsaustausch für die in Artikel 1 genannten Zwecke beschränkt sich ausdrücklich auf den Informationsaustausch auf Ersuchen. Die beiden SIA sehen den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor. Das geltende Schweizer Recht enthält zurzeit noch keine Rechtsgrundlagen für die Durchführung des automatischen und des spontanen Informationsaustauschs. Die staatsvertraglichen Rechtsgrundlagen dafür werden mit der Genehmigung des Europarats-/ OECD-Übereinkommens und der multilateralen Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten geschaffen. Sollte die Schweiz ihre Zusammenarbeit im Steuerbereich mit Belize oder Grenada auf den automatischen und den spontanen Informationsaustausch ausweiten wollen, müssten diese Instrumente für die Schweiz in Kraft treten und sie müssten auch in Bezug auf auf diese Staaten anwendbar sein beziehungsweise ausgedehnt werden.

Die Informationen nach den Abkommen werden unabhängig davon ausgetauscht, ob das Verhalten, das Gegenstand der Ermittlungen ist, nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei eine Straftat darstellen würde. Die ersuchende Vertragspartei stellt nur dann ein Ersuchen, wenn sie ihre eigenen Untersuchungsmassnahmen ausgeschöpft hat, ausser der Rückgriff auf diese Untersuchungsmassnahmen würde unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten mit sich bringen.

Abs. 2 Die ersuchte Vertragspartei darf sich nicht einfach auf die Auskünfte berufen, die sich im Besitz der zuständigen Behörde befinden, sondern sie muss alle erforderlichen Massnahmen ergreifen, um der ersuchenden Vertragspartei die verlangten Informationen zu erteilen. Dies gilt auch dann, wenn die ersuchte Vertragspartei die Informationen nicht für eigene steuerliche Zwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich damit nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden der ersuchten Vertragspartei von Nutzen sind.

Abs. 4 Beide Vertragsparteien stellen sicher, dass ihre zuständigen Behörden über die nötigen Befugnisse zur Einholung und Erteilung von Auskünften verfügen, welche sich bei Banken oder anderen Finanzintermediären befinden oder die Eigentumsverhältnisse einer Person betreffen. So hat die ersuchte Vertragspartei die Auskünfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach ihrem Recht
oder ihrer Verwaltungspraxis die verlangten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Das SIA und Artikel 8 Absatz 2 StAhiG in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 StAhiG stellen die Rechtsgrundlagen zur Beschaffung der ersuchten Auskünfte dar. In Bezug auf Inhaberinformationen finden die am 1. Juli 2015 in Kraft getretenen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 12. De-

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zember 20144 zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière Anwendung. Diese Bestimmungen führen zu einer Verbesserung der Transparenz von juristischen Personen durch Massnahmen, die einerseits die nicht börsenkotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien und andererseits die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Personen betreffen.

Abs. 5 Absatz 5 enthält die Angaben, welche die ersuchende Vertragspartei schriftlich liefern muss, um die voraussichtliche Erheblichkeit der verlangten Informationen nachzuweisen. Das Amtshilfeersuchen soll möglichst detailliert formuliert sein und so viele Informationen wie möglich enthalten. Mit den in Absatz 5 aufgeführten Angaben sollen fishing expeditions verhindert werden. Allerdings ist die Bestimmung weit auszulegen, damit ein wirksamer Informationsaustausch nicht verhindert wird. Entsprechend Artikel 26 OECD-MA beschränkt sich der Informationsaustausch nach den SIA auf konkrete Anfragen. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten in der ersuchenden Vertragspartei nicht nachgekommen sind. Damit ermöglichen es SIA, Gruppenersuchen Folge zu leisten. Die Abkommen verlangen die Identifikation der betroffenen Person. Gemäss dem Kommentar von 2002 zum TIEA-MA kann diese beispielsweise durch eine Kontonummer oder auch durch andere Identifikationsinformationen erfolgen (vgl. Erläuterungen im Kommentar zu Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 1 des TIEA-MA).

Der geltende Kommentar zu Artikel 26 OECD-MA kann zur Auslegung beigezogen werden. Das Verfahren für Gruppenersuchen richtet sich nach dem StAhiG.

Abs. 6 Absatz 6 legt das Verfahren und die Fristen fest, um eine rasche Übermittlung der Informationen sicherzustellen. Die ersuchte Vertragspartei muss die ersuchende Vertragspartei unverzüglich informieren und ihr angeben, weshalb sie nicht in der Lage war, die Informationen innerhalb der vorgegebenen Frist zu beschaffen und zu liefern. Die in den Abkommen genannten Verfahren und Fristen sind dieselben wie im TIEA-MA.

Art. 6

Möglichkeit der Ablehnung eines Ersuchens

Abs. 1 Die ersuchte Vertragspartei ist nicht verpflichtet, Auskünfte einzuholen oder zu erteilen, welche die ersuchende Vertragspartei nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht einholen könnte. Die ersuchte Vertragspartei kann das Ersuchen auch ablehnen, wenn es nicht in Übereinstimmung mit dem SIA gestellt wurde.

Abs. 2, 3 und 4 Beide Abkommen halten fest, dass die Vertragsparteien nicht verpflichtet sind, Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren offenbaren würden (Abs. 2) oder deren Preisgabe dem Ordre public widerspräche (Abs. 4).

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Absatz 3 sieht weiter vor, dass die jeweiligen Bestimmungen der Abkommen eine Vertragspartei nicht zur Beschaffung oder Erteilung von Informationen verpflichten, welche die vertrauliche Kommunikation zwischen einer Klientin oder einem Klienten einerseits und einer Rechtsvertreterin oder einem Rechtsvertreter andererseits preisgeben würden, sofern diese Kommunikation zum Zweck der Suche nach oder der Gewährung von rechtlichem Rat oder zum Zweck der Verwendung in bestehenden oder geplanten Rechtsverfahren erstellt wurde.

Abs. 5 Ein Amtshilfeersuchen darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die dem Ersuchen zugrunde liegende Steuerforderung sei strittig.

Abs. 6 Die ersuchte Vertragspartei kann ein Amtshilfeersuchen ablehnen, wenn die von der ersuchenden Vertragspartei erbetenen Auskünfte Staatsangehörige der ersuchten Vertragspartei gegenüber Staatsangehörigen der ersuchenden Vertragspartei unter den gleichen Umständen benachteiligen.

Art. 7

Vertraulichkeit

Alle von der anderen Vertragspartei erhaltenen Auskünfte sind vertraulich zu behandeln. Dieser Schutz ist im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch in Steuersachen unabdingbar. Unter die Vertraulichkeit fallen sowohl die von der ersuchenden Vertragspartei gemachten Angaben (vgl. Art. 5 Abs. 5) als auch die von der ersuchten Vertragspartei erteilten Auskünfte. Die Informationen dürfen nur für die Zwecke des SIA verwendet werden. Sie dürfen nur den Personen oder Behörden zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, mit der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der unter dieses SIA fallenden Steuern befasst sind.

Der ersuchenden Vertragspartei ist es untersagt, diese Informationen ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der ersuchten Vertragspartei Dritten zugänglich zu machen. Der ersuchenden Vertragspartei ist es auch untersagt, die erhaltenen Auskünfte einem anderen Staat oder einer anderen Jurisdiktion bekanntzugeben. Will ein Drittstaat von einer Vertragspartei Auskünfte einholen, so kann er dies mittels eines Amtshilfeersuchens gestützt auf ein DBA oder ein SIA tun, das er direkt mit dieser Vertragspartei abgeschlossen hat. Dadurch wird die Vertraulichkeit der Auskünfte gewährleistet.

Art. 8

Kosten

Nach beiden Abkommen bestimmen die Vertragsparteien die Tragung der anfallenden Kosten der Amtshilfe im gegenseitigen Einvernehmen. Mit beiden Staaten sind diesbezüglich noch keine Vereinbarungen abgeschlossen worden.

Art. 9

Umsetzungsgesetzgebung

Die Vertragsparteien erlassen die erforderlichen Bestimmungen, um die Abkommen zu erfüllen und auszuführen. Die Schweiz verfügt mit dem StAhiG über die erforderliche Rechtsgrundlage.

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Art. 10

Verständigungsverfahren

Zur Bereinigung von Schwierigkeiten bei der Durchführung oder Auslegung der Abkommen wird ein Verständigungsverfahren vorgesehen. Dabei können sich die Vertragsparteien auch auf eine andere Form der Streitbeilegung einigen.

Art. 11

Inkrafttreten

Sowohl das SIA mit Belize als auch jenes mit Grenada tritt am Tag des Eingangs der späteren der beiden Notifikationen über den Abschluss der hierfür erforderlichen internen Verfahren in Kraft. Die Bestimmungen der beiden SIA finden Anwendung auf Informationen betreffend Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des SIA folgenden Kalenderjahres beginnen oder ­ in Ermangelung einer Steuerperiode, wie dies z. B. bei Erbschafts- und Schenkungssteuern der Fall ist ­ für alle Steuerforderungen, die am 1. Januar des auf das Inkrafttreten des SIA folgenden Kalenderjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen.

Art. 12

Kündigung

Jede Vertragspartei kann das Abkommen jederzeit schriftlich kündigen. Die Kündigung wird am ersten Tag des siebten Monats nach Eingang der schriftlichen Kündigungsanzeige bei der anderen Vertragspartei wirksam.

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Finanzielle Auswirkungen

Da die SIA, im Gegensatz zu den DBA, nicht die gegenseitige Besteuerung, sondern nur den Informationsaustausch in Steuersachen regeln, haben sie keine Verminderung der Steuereinnahmen zur Folge. Gegebenenfalls können die SIA zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen, da sie der Schweiz erlauben, Amtshilfeersuchen an Belize bzw. Grenada zu stellen. Diesbezügliche Schätzungen sind jedoch nicht möglich. Aufgrund der Abkommen kann sich ein administrativer Mehraufwand für die Behandlung von eingehenden Ersuchen ergeben; es ist aber zu erwarten, dass sich dieser mit den vorhandenen Personalressourcen bewältigen lässt.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für die neuen Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung5 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der Abkommen zuständig. Die neuen Abkommen sind unbefristet, sie können aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.

Die Abkommen sehen keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesrecht erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20026 gilt eine 5 6

SR 101 SR 171.10

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Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Die neuen Abkommen regeln die Pflicht zur Amtshilfe an Belize und Grenada.

Diese wird gemäss internationalem Standard umfassend gewährt, was der schweizerischen Abkommenspolitik entspricht. Die Abkommen enthalten wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV, welche die Form eines Gesetzes annähmen, falls sie im Landesrecht erlassen würden. Die Bundesbeschlüsse über die Genehmigung der Abkommen mit Belize und Grenada über den Informationsaustausch in Steuersachen unterliegen daher gemäss dieser Bestimmung dem fakultativen Referendum.

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