15.072 Botschaft zum Verfassungsartikel über ein Klima- und Energielenkungssystem vom 28. Oktober 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Verfassungsartikels über ein Klima- und Energielenkungssystem mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Oktober 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-0405

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Übersicht In der Klima- und Energiepolitik soll ab 2021 der Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem konsequent umgesetzt werden. Mit der vorgeschlagenen Verankerung in der Verfassung will der Bundesrat diesen Richtungsentscheid demokratisch legitimieren. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt anschliessend im Rahmen der Klima- und der Energiegesetzgebung. Der Übergang zum Lenkungssystem, das durch Abgaben und die damit verbundenen Anreize wirkt, ermöglicht es, die Klima- und Energieziele wirksamer und kostengünstiger zu erreichen als mit Fördermassnahmen und regulatorischen Massnahmen.

Ausgangslage Im Nachgang der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 haben Bundesrat und Parlament den Grundsatzentscheid für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie gefällt. Um die geeigneten Rahmenbedingungen für diese Neugestaltung der Schweizer Energiepolitik zu schaffen, hat der Bundesrat im September 2013 die Botschaft zur Energiestrategie 2050 zuhanden des Parlaments verabschiedet. Ziel der Energiestrategie 2050 ist es, den Endenergie- und Stromverbrauch zu reduzieren, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen und die energiebedingten CO2-Emissionen zu senken. Der Umbau der Schweizer Energieversorgung erfolgt schrittweise. Die erste Etappe besteht aus einer umfassenden Gesetzesvorlage, zu welcher der Bundesrat im September 2013 die Botschaft verabschiedet hat und die sich in der parlamentarischen Beratung befindet. Sie beinhaltet ein Massnahmenpaket zur Ausweitung der vorhandenen Instrumente, um die Energieeffizienz zu erhöhen und erneuerbare Energien zu fördern. Mit diesem Massnahmenpaket werden unter anderem die Fördermassnahmen im Gebäudebereich und eine weiterentwickelte Form der Einspeisevergütung zur Förderung der inländischen Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien verstärkt. In der nächsten Etappe ab 2021 beabsichtigt der Bundesrat, das Fördersystem durch ein Lenkungssystem abzulösen, das primär auf Klima- und Stromabgaben basiert. Aus diesem Grund beauftragte er im März 2015 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine Vernehmlassung über ein Klima- und Energielenkungssystem auf Verfassungsstufe durchzuführen und ihm im vierten Quartal 2015 den Ergebnisbericht zusammen mit dem Botschaftsentwurf
vorzulegen.

Inhalt der Vorlage: Verankerung des Lenkungssystems auf Verfassungsstufe Der Verfassungsartikel legt fest, dass der Bund eine Klimaabgabe auf Brenn- und Treibstoffen und eine Stromabgabe erheben kann. Diese Abgaben sollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass der Verbrauch fossiler Energie und damit Treibhausgasemissionen vermindert und generell Energie sparsam und effizient genutzt werden. Die Abgaben dienen ­ zusammen mit anderen Massnahmen ­ der Erreichung der Klima- und Energieziele des Bundes, insbesondere des klimaschonenden Ausstiegs aus der Atomenergie. Bei der Ausgestaltung des Lenkungssystems werden auch die Entwicklungen auf internationaler Ebene ­ insbesondere in der

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Europäischen Union ­ zu beachten sein. Die Klima- und Stromabgaben lösen die heutige CO2-Abgabe auf Brennstoffen mit ihren Teilzweckbindungen und den Netzzuschlag auf die Übertragungskosten der Hochspannungsnetze zur Finanzierung der Förderung erneuerbarer Energien ab. Für Unternehmen, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist, sind Erleichterungen vorgesehen. Die Erträge der Klima- und Stromabgaben sollen ­ nach einer Übergangszeit ­ vollständig an Haushalte und Unternehmen rückverteilt werden. Dies bewirkt, dass die Belastung der Haushalte und Unternehmen insgesamt nicht ansteigt. Haushalte und Unternehmen mit einem niedrigen Energieverbrauch werden belohnt, da sie mehr Geld zurückerhalten, als sie an Klima- und Stromabgaben entrichten.

In einer Übergangszeit soll die Möglichkeit bestehen, die Erträge aus den Klimaund Stromabgaben befristet für die bisherigen Förderzwecke zu verwenden. Die Förderungen, die mit den Teilzweckbindungen der bereits bestehenden CO2-Abgabe finanziert werden, sollen schrittweise abgebaut werden und spätestens fünf Jahre nach Einführung der Klimaabgabe auslaufen. Dies betrifft das Gebäudeprogramm und die Einlagen in den Technologiefonds. Die aus dem gegenwärtigen Netzzuschlag finanzierten Fördermassnahmen (u. a. die kostendeckende Einspeisevergütung) sollen ebenfalls schrittweise abgebaut und zehn Jahre nach Einführung der Stromabgabe aufgehoben werden. Durch die Festlegung einer vollständigen Rückverteilung der Erträge der Lenkungsabgaben auf Verfassungsstufe wird gewährleistet, dass ohne Verfassungsänderung keine neuen Teilzweckbindungen möglich sind.

Ausblick auf Umsetzungsmöglichkeiten Der Verfassungsartikel gibt den Rahmen für das Lenkungssystem vor. Zur Veranschaulichung sind im Bericht exemplarische Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Die konkrete Ausgestaltung der Klima- und Stromabgaben wird in einem zweiten Schritt im Rahmen der Klima- und Energiegesetzgebung geregelt. Je nach Ausgestaltung der Klima- und Stromabgaben ­ insbesondere im Hinblick auf ihre Höhe ­ bleiben zur Zielerreichung weiterhin andere Instrumente mit unterschiedlicher Eingriffstiefe nötig. Die preislichen Anreize von Klima- und Stromabgaben sind jedoch in der Regel effizienter als Fördermassnahmen oder regulatorische Vorgaben. Lenkungsabgaben und weitere
komplementäre Massnahmen müssen in jedem Fall sorgfältig aufeinander abgestimmt sein, damit Überschneidungen und Wechselwirkungen, die zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen, so weit wie möglich vermieden werden können.

Grundsätzlich könnten Klimaabgaben wie die heutige CO2-Abgabe auf Brennstoffen ohne neue Verfassungsgrundlage auf der Basis von Artikel 74 der Bundesverfassung erhoben werden. Auch der Netzzuschlag könnte ohne neue Verfassungsgrundlage weitergeführt werden. Bei diesen Abgaben, die sich auf eine Sachkompetenz des Bundes stützen, wurde aber die Frage der Zulässigkeit von Teilzweckbindungen der Erträge verschiedentlich bestritten. Die vorgeschlagene Verfassungsänderung soll nun klare Bedingungen für den Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem und damit Rechtssicherheit schaffen sowie diesen Wechsel demokratisch legitimieren.

Dies auch, indem sie, ganz im Sinne des «Lenkens», bestehende Zweckbindungen befristet und die Schaffung neuer Teilzweckbindungen ausschliesst.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Energiestrategie 2050 1.1.2 Klimapolitik 1.1.3 Klima- und Energiepolitik nach 2020: Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Der neue Verfassungsartikel 1.2.2 Regelungsbedarf auf Verfassungsstufe 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Weshalb vom Fördern zum Lenken im Klima- und Energiebereich?

1.3.2 Vorentwurf 1.3.3 Vernehmlassungsergebnisse 1.3.4 Überarbeitung des Vorentwurfs 1.4 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.5 Umsetzungsmöglichkeiten 2021­2030 1.5.1 Eckpunkte 1.5.2 Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgaben 1.5.3 Offene Ausgestaltung der Stromabgabe 1.5.4 Stetiger Abbau der Fördermassnahmen 1.5.5 Energie- und treibhausgasintensive Unternehmen 1.5.6 Verwendung der Erträge der Klima- und Stromabgaben

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

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Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.2 Auswirkungen auf den Bund 3.2.1 Indirekte Auswirkungen auf andere Steuern 3.2.2 Personelle Auswirkungen 3.2.3 Kosten in Bezug auf Atom- und Klimarisiken 3.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3.1 Wirtschaft der Kantone 3.3.2 Indirekte Auswirkungen auf die Finanzen der Kantone 3.4 Auswirkungen auf die Umwelt 3.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft

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Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zur Strategie Nachhaltige Entwicklung 4.3 Verhältnis zum Aktionsplan Grüne Wirtschaft

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Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

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Abkürzungsverzeichnis

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Literaturverzeichnis

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Bundesbeschluss über einen Verfassungsartikel über Klima- und Stromabgaben (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Energiestrategie 2050

Seit längerer Zeit verfolgt der Bundesrat das Ziel, die Energieeffizienz und den Anteil der erneuerbaren Energien zu steigern und den Ausstoss von Treibhausgasen zu verringern. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 hat diese Stossrichtung bestärkt. Bundesrat und Parlament haben noch im selben Jahr einen Grundsatzentscheid für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie gefällt. Dieser Entscheid bedingt einen sukzessiven Umbau des Schweizer Energiesystems. Dabei ist zu beachten, dass heute 80 Prozent der in der Schweiz verbrauchten Energieressourcen (Erdöl, Erdgas, Kohle sowie nukleare Brennelemente) aus dem Ausland stammen. Die Verbrennung und der Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe verursachen erhebliche Umweltbelastungen, deren Kosten für die Allgemeinheit nur teilweise gedeckt sind. Dadurch resultieren falsche Preissignale und ein zu hoher Energieverbrauch. Aufgrund der tiefgreifenden internationalen Veränderungen und des Entscheids zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 (ES 2050) erarbeitet. Diese sieht den etappenweisen Umbau des Energiesystems vor.

Die erste Etappe der ES 2050 beinhaltet ein Massnahmenpaket, zu dem der Bundesrat eine umfassende Gesetzesvorlage ausgearbeitet hat. Diese wird derzeit vom Parlament beraten (Botschaft vom 4. September 20131 zum ersten Massnahmenpaket der ES 2050).

Mit diesem Massnahmenpaket will der Bundesrat den durchschnittlichen Endenergieverbrauch pro Person und Jahr bis 2035 gegenüber dem Basisjahr 2000 um 43 Prozent senken (16 % bis 2020). Beim Strom soll eine Verbrauchsreduktion von 13 Prozent bis 2035 (3 % bis 2020) erreicht werden. Zudem soll die Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien erhöht werden. Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates soll die durchschnittliche Jahresproduktion von Elektrizität aus neuen erneuerbaren Energien im Jahr 2020 bei 4,4 Terawattstunden (TWh) liegen, im Jahr 2035 nach Möglichkeit bei 14,5 TWh. Dies entspricht rund 26 Prozent des geschätzten Stromverbrauchs im Jahr 2035.

Zu den Massnahmen der ES 2050 gehört das Ausschöpfen von Effizienzpotenzialen, welche die Schweiz mit bereits heute vorhandenen oder absehbaren Technologien oder mit etablierten Instrumenten realisieren kann, zum Beispiel mit Zielvereinbarungen mit der Industrie, mit Labels und
Vorschriften. Ausserdem sollen die bestehenden Förderinstrumente zum Ausbau der neuen erneuerbaren Energien sowie zur energetischen Sanierung des Gebäudeparks verstärkt werden. Dazu gehören der Ausbau der Einspeisevergütung und deren marktorientierte Weiterentwicklung mittels Direktvermarktung, Investitionshilfen (sowohl Einmalvergütungen für kleine Photovoltaik-Anlagen wie auch Beiträge für andere Anlagen) sowie die sogenannte Eigenverbrauchsregelung und wettbewerbliche Ausschreibungen.

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BBl 2013 7561

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In einer nächsten Phase der ES 2050 soll ein Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem stattfinden. Der in dieser Botschaft vorgeschlagene Verfassungsartikel bildet die Grundlage für diese Phase.

1.1.2

Klimapolitik

Die Klimaänderung hat Auswirkungen auf alle Umweltsysteme wie den Wasserkreislauf, den Boden, die Luft und die Biodiversität. Seit Messbeginn 1864 ist die Jahresmitteltemperatur in der Schweiz um rund 1,7°C angestiegen. In der Schweiz sind gewisse Auswirkungen, beispielsweise das Abschmelzen der Gletscher und das Auftauen des Permafrosts sowie Veränderungen in der Vegetation, bereits feststellbar. Auch intensive Niederschläge und damit verbundene Hochwasser und Murgänge werden langfristig sehr wahrscheinlich zunehmen. Um die Auswirkungen des Klimawandels in Grenzen zu halten, werden national und international Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an den Klimawandel unternommen.

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hatte sich die Schweiz auf internationaler Ebene dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008­2012 um durchschnittlich 8 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Diese Vorgabe wurde auf nationaler Ebene im CO2-Gesetz vom 23. Dezember 20112 in ein Reduktionsziel für die energiebedingten CO2-Emissionen von minus 10 Prozent gegenüber 1990 überführt. Auf internationaler Ebene konnte die Schweiz ihr Kyoto-Ziel erreichen. Dabei wurden die in der Schweiz erzielten Reduktionsleistungen und die im Ausland erworbenen Emissionsminderungszertifikate sowie die CO2-Senkenleistung der Schweizer Wälder entsprechend den international vereinbarten Bilanzierungsregeln berücksichtigt.

Das Ziel der CO2-Gesetzgebung konnte insgesamt ebenfalls erreicht werden. Die Emissionen sanken jedoch nicht in allen Sektoren in gewünschtem Ausmass. Insbesondere das im CO2-Gesetz verankerte Teilziel für Treibstoffe wurde deutlich verfehlt: Angestrebt wurde eine Reduktion der Treibstoffemissionen um mindestens 8 Prozent, effektiv sind sie zwischen 1990 und 2012 um 13 Prozent gestiegen.

Mit der Erreichung ihres Kyoto-Ziels hat die Schweiz ein erstes Etappenziel erreicht. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene sind jedoch weitere bedeutende Emissionsreduktionen notwendig, wenn die globale Temperaturerwärmung im Durchschnitt bis Ende Jahrhundert auf 2 Grad Celsius beschränkt werden soll. Eine Reihe von Industriestaaten ­ darunter die Schweiz und die EUMitgliedstaaten ­ haben sich zu einer Weiterführung des Kyoto-Protokolls mit quantitativen Reduktionszielen bis
2020 verpflichtet. Die eidgenössischen Räte haben der Ratifikation am 20. März 2015 zugestimmt3, und die Referendumsfrist ist am 9. Juli 2015 unbenutzt verstrichen. Mit der Ratifikation ist das Reduktionziel der Schweiz, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken, völkerrechtlich verbindlich.

Auf nationaler Ebene verlangt das CO2-Gesetz, das seit dem 1. Januar 2013 in Kraft ist, eine Reduktion der im Inland emittierten Treibhausgase um mindestens 20 2 3

SR 641.71 BBl 2015 2785

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Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990. Damit setzt das CO2-Gesetz den Fokus auf die Umsetzung von Massnahmen im Inland ­ die Berücksichtigung ausländischer Zertifikate ist aber für einige Akteure punktuell und in begrenztem Umfang zulässig.

Die Zielerreichung soll primär mittels regulativer Massnahmen und marktorientierter Instrumente wie der CO2-Abgabe auf Brennstoffen mit ihren Zweckbindungen ­ für das Gebäudeprogramm und den Technologiefonds ­, dem Emissionshandelssystem und den Verminderungsverpflichtungen für CO2-abgabebefreite Unternehmen sichergestellt werden. Zu den regulativen Massnahmen gehören beispielsweise CO2Emissionsvorschriften für neue Personenwagen oder die Kompensationspflicht für Importeure fossiler Treibstoffe.

Ausblick auf die Klimapolitik nach 2020 An der internationalen Klimakonferenz in Paris Ende 2015 soll ein neues und umfassendes Klimaabkommen verabschiedet werden. Vorgesehen ist, dass ab 2020 alle Länder einen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten sollen.

Die Schweizer Klimapolitik wird auch in Zukunft stark von den Zielen der internationalen Klimapolitik und von den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen geprägt sein. Der Bundesrat hat auf internationaler Ebene ein Reduktionsziel von mindestens minus 50 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 angekündigt.4 Im gleichen Zeitraum will er auf nationaler Ebene eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 30 Prozent erreichen. Die für die Erreichung des international angekündigten Gesamtziels zusätzlich notwendige Reduktionsleistung kann die Schweiz durch Reduktionsmassnahmen im Ausland erbringen.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2014 hat der Bundesrat erste Eckpunkte für die zukünftige Klimapolitik definiert: Er wird bei der Ausrichtung der klimapolitischen Massnahmen auf Kontinuität setzen und den bewährten Instrumentenmix gezielt verstärken. Dabei soll die CO2-Abgabe auf Brennstoffen auch nach 2020 das zentrale Instrument der Klimapolitik bleiben und nach dem bewährten Mechanismus weitergeführt werden: Die Abgabehöhe steigt oder sinkt in Abhängigkeit von der Entwicklung der CO2-Emissionen bei Brennstoffen. Unternehmen, die besonders CO2-intensiv sind und entsprechend stark durch die Abgabe belastet werden, sollen sich weiterhin befreien können, wenn sie gegenüber dem Bund eine Verminderungsverpflichtung
eingehen.

Der Bundesrat ist gemäss CO2-Gesetz dazu verpflichtet, dem Parlament rechtzeitig Vorschläge zur Klimapolitik nach 2020 zu unterbreiten. Um eine lückenlose Weiterführung der Klimapolitik gewährleisten zu können, werden die Arbeiten für die Klimagesetzgebung nach 2020 unabhängig vom politischen Prozess zum Klima- und Energielenkungssystem weitergeführt. Die Ausgestaltung der Klimapolitik nach 2020 soll aber mit den Arbeiten zu den Klima- und Stromabgaben vereinbar sein.

Auch die übrigen Instrumente des geltenden CO2-Gesetzes sollen nach 2020 weitergeführt werden. Dazu gehören insbesondere das EU-kompatible Emissionshandelssystem, die Kompensationspflicht für Importeure fossiler Treibstoffe sowie Vorschriften zur Verminderung der Treibhausgasemissionen bei Fahrzeugen und zu technischen Massnahmen bei Gebäuden. Das über eine Teilzweckbindung der CO24

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«Switzerland's intended nationally determined contribution (INDC) and clarifying information», eingereicht am 27.2.2015 zuhanden des Sekretariats der UNO-Klimakonvention. Abrufbar unter: www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/38517.pdf

Abgabe finanzierte Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen und der Technologiefonds zur Förderung innovativer emissionsarmer Technologien sollen in die Klimagesetzgebung nach 2020 überführt werden. Diese Teilzweckbindungen wären (im Rahmen der Verfassungsvorlage zu einem Klima- und Energielenkungssystem) befristet. Zudem will der Bundesrat die Strategie zur Anpassung an die Klimaänderung weiterentwickeln.

Die Ergebnisse der internationalen Klimakonferenz in Paris Ende 2015 werden evaluiert und fliessen in die Vernehmlassungsvorlage zu einem Klimagesetz für den Zeitraum 2021­2030 ein. Der Bundesrat wird die Vernehmlassung voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2016 eröffnen. Mit der Verabschiedung der Botschaft zuhanden des Parlaments rechnet der Bundesrat in der zweiten Hälfte 2017.

1.1.3

Klima- und Energiepolitik nach 2020: Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem

Vor dem Hintergrund des laufenden Umbaus des Energiesystems erhöhte sich auch die Zahl parlamentarischer Vorstösse und Volksinitiativen zu diesem Thema deutlich. Dabei haben in den letzten Jahren insbesondere die Anliegen, Lenkungssteuern oder -abgaben zur Erreichung von klima- und energiepolitischen Zielen einzusetzen, wieder zugenommen. Von Bedeutung sind unter anderem die Motion Studer (06.3190) «Ökologische Steuerreform» aus dem Jahr 2006, die Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)» vom 6. September 2012 und die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen Partei (GLP), die vom Stimmvolk im März 2015 abgelehnt wurde.

Die deutliche Ablehnung der Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» ist gemäss VOX-Analyse (gfs. Bern & Universität Zürich 2015) stärker auf den von der Initiative verlangten grundlegenden Umbau des Steuersystems, insbesondere die Abschaffung der breit akzeptierten und für den Bund als wichtigste Finanzierungsquelle dienenden Mehrwertsteuer, zurückzuführen als auf Zweifel an der Wirksamkeit einer Lenkungsabgabe.

Mit seinen Arbeiten nimmt der Bundesrat diese in den politischen Prozess eingebrachten Anliegen auf. Er hat im September 2013 entschieden, im Rahmen der ES 2050 in der nächsten Etappe ein Klima- und Energielenkungssystem zu konzipieren.

Dabei soll ein schrittweise einzuführendes Lenkungssystem mit Klima- und Stromabgaben das heutige Fördersystem ab 2021 ablösen. Zum Fördersystem gehören heute hauptsächlich das durch eine Teilzweckbindung der CO2-Abgabe auf Brennstoffen mitfinanzierte Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen und die aus den Zuschlägen auf die Übertragungskosten der Hochspannungsnetze (nachstehend: Netzzuschlag5) finanzierte Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV).

Der Grundsatz des Lenkungssystems soll in der Verfassung verankert werden, wobei sich die Klima- und Stromabgaben an den jeweiligen Energie- und Klimazielen des Bundes orientieren. Mit der Verankerung auf Verfassungsstufe wird der notwendige Umbau zu einem Lenkungssystem initialisiert.

Im Herbst 2012 beauftragte der Bundesrat das EFD, mögliche Varianten eines Klima- und Energielenkungssystems auszuarbeiten. Ein zweistufiges Vorgehen mit 5

Art. 15b Energiegesetz, SR 730.0; Terminus gemäss Energiestrategie 2050: Netzzuschlag.

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einer öffentlichen Konsultation Ende 2013 erlaubte es, die grundsätzliche Stossrichtung für das zukünftige Lenkungssystem bereits früh und unter Einbezug der interessierten Kreise zu diskutieren. Gestützt auf die Konsultationsergebnisse erteilte der Bundesrat dem EFD und dem UVEK am 21. Mai 2014 den Auftrag, eine Vernehmlassungsvorlage für die Verankerung des Klima- und Energielenkungssystems auf Verfassungsstufe auszuarbeiten. Die Vernehmlassung wurde am 13. März 2015 eröffnet und endete am 12. Juni 2015. Im Rahmen der Eröffnung der Vernehmlassung beauftragte der Bundesrat das EFD und das UVEK, ihm im vierten Quartal 2015 den Ergebnisbericht sowie den Entwurf der Botschaft vorzulegen. Bei einer Annahme des Klima- und Energielenkungssystems durch Volk und Stände werden die Details des Lenkungssystems in der Klima- und Energiegesetzgebung geregelt.

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Der neue Verfassungsartikel

Der vorgeschlagene Verfassungsartikel bildet die Grundlage, um in der Klima- und Energiepolitik von einem Förder- zu einem Lenkungssystem überzugehen. Das Lenkungssystem trägt wesentlich zur Erreichung der Klima- und Energieziele des Bundesrates für die Zeit nach 2020 bei. Die Klimaabgabe soll auf Brenn- und auf Treibstoffen, die Stromabgabe auf elektrischer Energie erhoben werden können.

Diese Abgaben sollen zur Verminderung von Treibhausgasemissionen und zum sparsamen und effizienten Energieverbrauch beitragen. Die Klimaabgabe soll die heutige CO2-Abgabe auf Brennstoffen mit ihren Teilzweckbindungen ersetzen, die Stromabgabe den Netzzuschlag zur Finanzierung unter anderem der KEV. Der Bundesrat empfiehlt allerdings, in einer ersten Phase auf die Einführung der Lenkungsabgabe auf Treibstoffen zu verzichten. Für Unternehmen, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist, werden wie heute Erleichterungen oder Ausnahmen vorgesehen.

Das Lenkungssystem soll langfristig haushaltsneutral ausgestaltet werden, d. h. die öffentliche Hand soll über gleich viele finanzielle Mittel verfügen wie ohne Klimaund Stromabgaben. Auch die Belastung der Haushalte und Unternehmen soll insgesamt nicht ansteigen. Die Erträge der Lenkungsabgaben sollen entsprechend vollständig an Haushalte und Unternehmen rückverteilt werden.

In einer Übergangszeit soll die Möglichkeit bestehen, die Erträge der Klima- und Stromabgaben für die bisherigen Förderzwecke befristet zu verwenden. Die mit den Teilzweckbindungen der aktuellen CO2-Abgabe finanzierten Förderungen sollen mit der Einführung der Klimaabgabe schrittweise abgebaut und innerhalb von fünf Jahren ab der Einführung der Klimaabgabe aufgehoben werden. Dies betrifft das Gebäudeprogramm und die Einlagen in den Technologiefonds. Fördermassnahmen, die nach bisherigem Recht aus dem gegenwärtigen Netzzuschlag finanziert und im neuen Recht weitergeführt werden (KEV, Einmalvergütungen für kleine Photovoltaik-Anlagen, wettbewerbliche Ausschreibungen, Risikogarantien für Geothermieprojekte sowie Gewässersanierungsmassnahmen), werden schrittweise abgebaut und innerhalb von 10 Jahren ab der Einführung der Stromabgabe aufgehoben. Verpflichtungen, die während dieser Übergangsfrist eingegangen werden, müssen spätestens 25 Jahre nach der Einführung der
Stromabgabe enden. Darüber hinausgehende oder andere Fördermassnahmen sollen nicht aus den Erträgen der Klima- und Stromabgaben finanziert werden dürfen. Dadurch wird gewährleistet, dass ohne 7886

neuerliche Verfassungsänderung aus den Erträgen dieser Abgaben keine neuen Teilzweckbindungen eingeführt werden.

1.2.2

Regelungsbedarf auf Verfassungsstufe

Der Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem mit Klima- und Stromabgaben stellt eine grosse Veränderung der institutionellen und fiskalischen Ordnung dar. Mit der verfassungsmässigen Verankerung erhält der Grundsatz der Lenkungsabgaben eine erhöhte demokratische Legitimation.

Die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung lässt dem Gesetzgeber verhältnismässig viel Spielraum bei der Ausgestaltung der Klima- und Stromabgaben. Sie stellt eine flexible Übergangsphase zwischen dem Förder- und dem Lenkungssystem sicher.

Ausgangslage Es gibt in der Schweiz derzeit zwei Arten von Lenkungsabgaben: die CO2-Abgabe auf Brennstoffen, wie sie aus dem 5. Kapitel des CO2-Gesetzes6 hervorgeht, und die Lenkungsabgaben nach dem 6. Kapitel des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 19837 auf flüchtigen organischen Verbindungen (Art. 35a).

Die Grundlage für die bestehenden Lenkungsabgaben bildet Artikel 74 der Bundesverfassung8 (BV) zum Umweltschutz. Nach Absatz 2 dieses Artikels sorgt der Bund dafür, dass schädliche oder lästige Einwirkungen vermieden werden und dass die Verursacher die Kosten für die Vermeidung oder Beseitigung tragen (Vorsorge- und Verursacherprinzip). Gestützt auf diesen Artikel kann der Bund Lenkungsabgaben einführen, die ein umweltfreundliches Verhalten der Unternehmen und der Haushalte fördern (Aubert/ Mahon 2003: 594).

Mit dem neuen Verfassungsartikel kann die CO2-Abgabe auf Brennstoffen mit ihren Teilzweckbindungen durch die Klimaabgabe auf Brennstoffen abgelöst werden.

Würde der Verfassungsartikel nicht angenommen, wären jedoch weder die CO2Abgabe auf Brennstoffen noch andere auf den bisherigen Rechtsgrundlagen bestehende Lenkungsabgaben infrage gestellt. Dies gilt auch für den gegenwärtigen Netzzuschlag.

Wozu braucht es einen neuen Verfassungsartikel?

Ohne den neuen Artikel 131a BV wird das Klima- und Energielenkungssystem nicht vollständig umgesetzt. Nur diese Bestimmung schafft klare Voraussetzungen für den Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem, indem sie bestehende Zweckbindungen befristet und die Schaffung neuer Fördertatbestände durch Verwendung der Klima- und Stromabgabenerträge ausschliesst.

Das durch den neuen Artikel 131a eingeführte Lenkungssystem besteht aus Lenkungsabgaben, deren Bemessungsgrundlagen sowohl im klima- als auch energiepolitischen Bereich potenziell breit sind. Letztlich werden sie in keiner Weise die Erhebung von Steuereinnahmen bezwecken. Die bisherigen Abgaben, die wegen 6 7 8

SR 641.71 SR 814.01 SR 101

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verschiedener Teilzweckbindungen nicht dem Ideal einer Lenkungsabgabe entsprechen, werden durch reine Lenkungsabgaben abgelöst. Ein solcher Wechsel wird am besten in der Verfassung verankert, damit er durch die Annahme der Mehrheit von Volk und Ständen ausreichend legitimiert ist. Die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung lässt dem Gesetzgeber ausserdem die nötige Flexibilität bei der Umsetzung des Lenkungssystems (Wahl der Bemessungsgrundlagen, Höhe der Sätze, Rückverteilung der Erträge, flexibler Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem).

Bei der Vorkonsultation des Grundlagenberichts zum Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem (EFD 2013) wiesen verschiedene Teilnehmende auf die Bedeutung einer Verankerung des künftigen Lenkungssystems in der Verfassung hin. Dies hauptsächlich deshalb, weil es für einen solchen Wechsel die Zustimmung durch eine Mehrheit von Volk und Ständen brauche. Ein solches System müsse, obwohl es im Wesentlichen lenkender Natur sei, hinreichend legitimiert sein, da die Abgabenerträge langfristig vollständig rückverteilt werden. Dies ist umso wichtiger, als die Bemessungsgrundlage potenziell breit ist und die Abgabesätze schrittweise erhöht werden sollen. Lenkungsabgaben mögen zwar aus Sicht der Internalisierung externer Effekte und des Verursacherprinzips, wie sie in Artikel 74 BV bereits verankert sind, begründet sein; anders ist dies nach Ansicht einiger Teilnehmender aber bei einer Lenkungsabgabe, die den Stromverbrauch reduzieren will. Folglich müsse diese politisch und demokratisch breit legitimiert sein. Andere Teilnehmende wünschten einen Verfassungsartikel zur Verankerung des Grundsatzes der vollständigen Rückverteilung der Erträge an die Bevölkerung und die Wirtschaft, um künftige Teilzweckbindungen auszuschliessen. Eine Lenkungsabgabe soll einzig ein Lenkungs- und kein fiskalisches Ziel verfolgen.

Verortung in der Bundesverfassung Artikel 131a kommt im 3. Kapitel Finanzordnung zu liegen und schliesst an Artikel 131 zu den besonderen Verbrauchssteuern (Tabak, Alkohol, Erdöl usw.) an.

Verhältnis zu anderen Verfassungsartikeln Der vorgeschlagene Artikel 131a steht in Bezug zu vier Verfassungsartikeln: Artikel 74 (Umweltschutz), Artikel 85 (Schwerverkehrsabgabe), Artikel 89 (Energiepolitik) und Artikel 134 (Ausschluss kantonaler und kommunaler Besteuerung). Artikel
74 zum Umweltschutz wurde in diesem Kapitel bereits angesprochen; auf Artikel 85 zur Schwerverkehrsabgabe wird in den nachfolgenden Kapiteln (vgl. Ziff. 2 und 3.2) eingegangen.

Artikel 89 hält die Grundsätze der Energiepolitik und die Regeln hinsichtlich der Zuständigkeiten und der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen fest. Er fördert insbesondere einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch. Nach Absatz 4 sind für Massnahmen in Bezug auf den Energieverbrauch in Gebäuden in erster Linie die Kantone zuständig. Der Bund hat aber eine sogenannt subsidiäre Kompetenz.

Artikel 134 regelt den Ausschluss kantonaler und kommunaler Besteuerung in Bezug auf die Mehrwertsteuer, besondere Verbrauchssteuern (Tabak, Alkohol, Brenn- und Treibstoffe [Art. 131 Abs. 1 Bst. e und Abs. 2] usw.), die Stempelsteuer und die Verrechnungssteuer. Die Aufzählung in Artikel 134 wird bewusst nicht mit den neuen Klima- und Stromabgaben des Bundes (Art. 131a) erweitert. So können die Kantone und Gemeinden weiterhin Stromabgaben einführen oder bisherige

7888

Konzepte weiterführen. Nicht eingeführt werden können hingegen kantonale Abgaben auf Brenn- und Treibstoffen.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Weshalb vom Fördern zum Lenken im Klima- und Energiebereich?

Die Fördermassnahmen und regulatorischen Massnahmen, die im Rahmen des ersten Massnahmenpakets der ES 2050 vorgesehen sind, können bereits in der kurzen Frist eine Wirkung entfalten, da sie vergleichsweise schnell umsetzbar sind.

Dies betrifft insbesondere die Zubauziele für erneuerbare Energien. Mittel- bis langfristig weisen Lenkungsabgaben als marktwirtschaftliche Instrumente jedoch im Vergleich zu solchen Massnahmen Vorteile auf. Erstens können mit Lenkungsabgaben energie- und klimapolitische Ziele in der Regel zu niedrigeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden als mit Fördermassnahmen oder Vorschriften.

Das Setzen von richtigen Preissignalen durch Lenkungsabgaben trägt dem Verursacherprinzip Rechnung. Dies führt dazu, dass die Haushalte und Unternehmen die tatsächlichen Kosten ihrer Handlungen bei ihren Konsum- und Produktionsentscheidungen einfliessen lassen. Lenkungsabgaben verteuern Aktivitäten, die direkt oder indirekt die Umwelt via Energie- und Ressourcenverbrauch belasten. Zweitens lässt die Veränderung der relativen Preise durch die Lenkungsabgaben den Haushalten und Unternehmen die grösstmögliche Entscheidungsfreiheit, ihr Verhalten dort anzupassen, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist. Drittens bewirken die preislichen Anreize, dass fortwährend weitere, noch bessere Möglichkeiten gesucht werden, um Emissionen und Energieverbrauch zu reduzieren. Dies bewirkt dynamische Innovationsanreize, da sich Investitionen in energiesparende und emissionsmindernde Technologien lohnen.

Lenkungsabgaben sind auch vorteilhaft weil sie keine Mitnahmeeffekte erzeugen.

Bei Fördermassnahmen besteht stets die Gefahr, dass Fördergelder in Anspruch genommen werden, obwohl das gewünschte Verhalten ­ wie beispielsweise die energetische Sanierung der Gebäudehülle ­ auch ohne die staatliche Förderung erfolgt wäre («Mitnahmeeffekt»). Die Förderung der Energieeffizienz kann zudem die unerwünschte Wirkung haben, zum Mehrverbrauch anzuregen. Dies wird oftmals als «Rebound-Effekt» bezeichnet. Lenkungsabgaben hingegen erhöhen den Energiepreis und geben dadurch einen Anreiz zum sparsamen Umgang mit fossilen Energieträgern und Strom.

Ein weiterer Vorteil von Lenkungsabgaben besteht darin, dass regressive Verteilungswirkungen durch eine geeignete Art der Rückverteilung der Erträge kompensiert
werden können.

Der Vollzugsaufwand für die Abgabenerhebung und die Rückverteilung der Erträge ist verhältnismässig gering, die Transparenz für Wirtschaft und Bevölkerung hoch.

7889

1.3.2

Vorentwurf

Der Vernehmlassungsentwurf vom 25. Februar 2015 hatte folgenden Wortlaut: Art. 131a

Klima- und Stromabgaben

Zur Verminderung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung eines sparsamen und rationellen Energieverbrauchs kann der Bund eine Abgabe auf Brenn- und Treibstoffen (Klimaabgabe) und eine Stromabgabe erheben.

1

Die Abgaben werden so bemessen, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energieziele des Bundes leisten.

2

Der Bund nimmt Rücksicht auf Unternehmen, die durch die Erhebung der Abgaben unzumutbar belastet würden.

3

Die Erträge der Abgaben werden an die Bevölkerung und an die Wirtschaft rückverteilt. Sie können bei der Entrichtung anderer Bundesabgaben oder von Sozialversicherungsbeiträgen angerechnet werden.

4

Hat die Erhebung der Klimaabgabe auf Treibstoffen Ertragsausfälle bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (Art. 85) zur Folge, so ist ein entsprechender Anteil der Erträge aus der Klimaabgabe für die Zwecke nach Artikel 85 Absätze 2 und 3 zu verwenden.

5

Art. 197 Ziff. 6 6. Übergangsbestimmungen zu Art. 131a (Klima- und Stromabgaben) Die CO2-Abgabe nach bisherigem Recht wird mit der Einführung der Klimaabgabe abgelöst, der Netzzuschlag nach bisherigem Recht wird mit der Stromabgabe abgelöst.

1

Die Klima- und Stromabgaben werden schrittweise erhöht, soweit es die angestrebte Lenkungswirkung erfordert.

2

3 Fördermassnahmen, die nach bisherigem Recht aus den Erträgen der CO2-Abgabe finanziert und im neuen Recht weitergeführt werden, sind ab dem 1. Januar 2021 schrittweise abzubauen und spätestens am 31. Dezember 2025 aufzuheben.

Fördermassnahmen, die nach bisherigem Recht aus Zuschlägen nach Absatz 1 finanziert und im neuen Recht weitergeführt werden, sind schrittweise abzubauen und bis zum 31. Dezember 2030 aufzuheben. Vor der Aufhebung können Verpflichtungen längstens bis zum 31. Dezember 2045 eingegangen werden.

4

Die Rückverteilung nach Artikel 131a Absatz 4 erfolgt nur soweit, als die Erträge der Klimaabgabe nicht für Fördermassnahmen nach Absatz 3 und die Erträge der Stromabgabe nicht für Fördermassnahmen nach Absatz 4 verwendet werden.

5

7890

1.3.3

Vernehmlassungsergebnisse

Die Vernehmlassung dauerte vom 13. März 2015 bis zum 12. Juni 2015. Es gingen 157 Stellungnahmen ein9. Die Auswertung ergab keine klare Mehrheitsmeinung; es lassen sich aber drei Trends erkennen. Eine erste Gruppe befürwortet die Vorlage.

Sie erachtet die Lenkungsabgaben als das wirksamste und effizienteste Mittel, um die Klima- und Energieziele zu erreichen. Die zweite und zahlenmässig grösste Gruppe der Antwortenden stimmt der Vorlage nur unter gewissen Bedingungen zu; verlangt werden beispielsweise die Zusammenführung der beiden Etappen der ES 2015, eine internationale Koordination, eine sofortige Erhebung der Klimaabgabe auf Treibstoffen, eine Befreiung der Treibstoffe, eine differenzierte Stromabgabe, die Befreiung oder Berücksichtigung der Berg- und Randgebiete, die Beibehaltung oder ein rascherer Abbau der Subventionen. Eine dritte Gruppe schliesslich lehnt die vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen ­ zum Teil vehement ­ ab. Ihr Hauptargument besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sei nicht zu gefährden.

Die Klimaabgabe auf Brennstoffen ist bei der Ausgestaltung des Lenkungssystems nicht umstritten. Die Mehrheit der Antwortenden befürwortet auch eine Abgabe auf Treibstoffen, dies aus Gründen des grossen CO2-Reduktionspotenzials im Verkehrsbereich und der Gleichbehandlung aller Bemessungsgrundlagen. Die Gegner der Klimaabgabe auf Treibstoffen begründen die Ablehnung mit der bereits bestehenden hohen fiskalischen Belastung und der Benachteiligung der Rand- und Bergregionen, zu der sie führen würde. Eine Mehrheit spricht sich für eine Stromabgabe aus, meist jedoch unter der Bedingung einer Differenzierung nach den externen Kosten der Produktionsarten. Einige Teilnehmende fordern zuvor eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Strommarkts. Abfederungsmassnahmen werden mehrheitlich befürwortet, wobei teils zwingend Gegenleistungen in Form von Zielvereinbarungen gefordert werden. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die in Artikel 131a Absatz. 3 BV gewählte Formulierung «...unzumutbar belastet» nicht konkret genug sei und zu viel Interpretationsspielraum lasse. Was die Verwendung der Erträge anbelangt, so wird mehrheitlich eine vollständige Rückverteilung an die Haushalte und Unternehmen befürwortet. Hingegen wird die Möglichkeit einer Anrechnung an die Steuern abgelehnt.
Die Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet die Abschaffung der Förderungen beim Gebäudeprogramm sowie bei den KEV-Gesuchen, obwohl die Mehrheit bei Letzteren geringer ausfällt. Mehrere Akteure sind der Ansicht, die Entwicklung der inländischen erneuerbaren Energien wäre dadurch nicht mehr gewährleistet. Der Vorschlag einer moderaten Kompetenzerweiterung des Bundes im Energiebereich schliesslich haben die Antwortenden mehrheitlich abgelehnt.

1.3.4

Überarbeitung des Vorentwurfs

Der Aufbau und der Grundgedanke des Verfassungsartikels blieben im Rahmen der Überarbeitung weitgehend bestehen. Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wurden die nachfolgenden inhaltlichen Änderungen vorgenommen: 9

Der Ergebnisbericht kann eingesehen werden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EFD.

7891

Energie- und treibhausgasintensive Unternehmen In der Vernehmlassung kritisierten etliche Teilnehmende, dass die im Vorentwurf gewählte Formulierung von Artikel 131a Absatz 3 «Der Bund nimmt Rücksicht auf Unternehmen, die durch die Erhebung der Abgaben unzumutbar belastet würden.» zu offen formuliert sei. Diesem Anliegen wurde mit dem neuen Verfassungstext «Der Bund nimmt Rücksicht auf Unternehmen, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist» Rechnung getragen.

Rückverteilung der Abgabenerträge Eine Rückverteilung der Abgabenerträge mittels Anrechnung an Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich abgelehnt und deshalb gestrichen. Gemäss der überarbeiteten Fassung werden die Erträge der Abgaben an die Bevölkerung und an die Wirtschaft rückverteilt.

Aufhebung der Fördermassnahmen Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt den vorgeschlagenen Abbau der Fördermassnahmen, die nach bisherigem Recht aus den Erträgen der CO2-Abgabe sowie aus dem Netzzuschlag finanziert werden. Eine Minderheit erachtet den Vorentwurf jedoch als unausgeglichen: Der Abbau der Fördermassnahmen wurde in der Vernehmlassungsvorlage zeitlich bindend festgelegt, während die Einführung der Lenkungsabgaben lediglich eine Kann-Vorschrift darstellte. Um diesem Einwand Rechnung zu tragen, wurde in der neuen Formulierung die Aufhebung der Fördermassnahmen zeitlich von der Einführung der Lenkungsabgaben abhängig gemacht.

Nicht weiterverfolgte Ergänzungen Im Rahmen des Vorentwurfs wurden die Vernehmlassungsteilnehmenden um ihre Ansichten zu Teilzweckbindungen der Abgabenerträge und eine Kompetenzerweiterung des Bundes im Energiebereich (Art. 89 BV) gebeten. Beides lehnten die Stellungnehmenden mehrheitlich ab. Aus diesem Grund wurden beide Themen nicht weiterverfolgt.

Nicht berücksichtigte Anliegen Einige der in der Vernehmlassung angesprochenen Punkte wurden bei den Änderungen des Verfassungsartikels nicht berücksichtigt. So wurde beispielsweise von den Antwortenden mehrfach betont, die Ziele der ES 2050 seien noch nicht offiziell festgelegt. Diese Ziele sind integrierter Bestandteil des ersten Pakets der ES 2050.

Auch wenn gegen dieses erste Paket das Referendum ergriffen werden sollte, wäre dessen Ausgang bis zum definitiven Entscheid über die
Höhe der vorgeschlagenen Lenkungsabgaben bekannt, da die Abgabesätze erst bei der Umsetzung des Verfassungsartikels auf Gesetzesebene festgelegt würden.

Andere Vernehmlassungsteilnehmende wiesen auf fehlende Informationen im erläuternden Bericht hin: Abfederungsmassnahmen für die Mieterinnen und Mieter, Verbesserung des Rückverteilungssystems der Erträge an die Haushalte und Unternehmen, Konkretisierung der Rückerstattung an befreite Unternehmen und Differenzierung der Stromabgabe. Mit diesen Themen wird sich die Umsetzung des Verfassungsartikels auf Gesetzesebene befassen. Sie sind zu spezifisch, um auf Verfassungsstufe behandelt zu werden, werden aber bei der Erarbeitung der Ausführungsgesetze berücksichtigt.

7892

Einzelne Forderungen schliesslich konnten nicht berücksichtigt werden. So wurde in mehreren Stellungnahmen eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Strommarkts oder die Einführung eines Quotenmodells gefordert. Diese Forderung übersteigt den Rahmen dieser Vorlage; sie ist generell eher der ersten Etappe der ES 2050 zuzuordnen. Ausserdem betrifft sie auch die Verhandlungen mit der EU.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende beantragten ein Abfederungssystem mit Grenzausgleichsmassnahmen. Solche Massnahmen sind insbesondere aufgrund bestehender internationaler Abkommen, aber auch wegen ihrer hohen administrativen Kosten nicht möglich (EFD 2013: 57 ff.). In Bezug auf die Förderungen waren die Meinungen kontrovers; einige wollen sie beibehalten, andere rascher abschaffen als vorgeschlagen. Der Bundesrat erachtet die in der Vorlage vorgesehene, für die Bereiche Klima und Strom differenzierte Übergangsfrist als angemessen. Einzelne Akteure schliesslich wollten die Abgabesätze nicht nach der Erreichung der Ziele, sondern nach den externen Kosten festlegen. Auch wenn die Theorie tatsächlich eine Abgabenerhebung gemäss den externen Kosten verlangt, so hat die Praxis gezeigt, dass diese sehr schwer zu bestimmen sind. Zudem wird die Berechnung der Abgabesätze nach den zu erreichenden Zielen auch in der ökonomischen Theorie empfohlen. Diese Frage wird im Grundlagenbericht zum Lenkungssystem (EFD 2013: 53 ff.) erörtert.

1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Mit der beabsichtigten Einführung der Klimaabgabe beschränkt sich die Verfassungsgrundlage auf ein zentrales Element der geltenden CO2-Gesetzgebung, nämlich die Abgabe. Wie in der Botschaft über die Schweizerische Klimapolitik nach 201210 dargelegt, lehnt sich die geltende CO2-Gesetzgebung zu einem grossen Teil an das europäische Recht an. Dies gilt voraussichtlich auch für die Einführung der vorgeschlagenen Klimaabgabe. Diese Abgabe würde wie die CO2-Abgabe nach geltendem Recht in engem Sachzusammenhang mit den Vorschriften über das Emissionshandelssystem stehen, welches mit den entsprechenden Bestimmungen der EU weitgehend kompatibel ist. Auch bei der Stromabgabe könnte sich die gesetzgeberische Umsetzung an den Vorgaben der EU orientieren, welche ihren Mitgliedstaaten in der Richtlinie 2003/96/EG11 vorschreibt, mit gewissen Einschränkungen auch eine Steuer auf elektrischem Strom zu erheben.

1.5

Umsetzungsmöglichkeiten 2021­2030

1.5.1

Eckpunkte

Die vorgeschlagene, aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse überarbeitete Verfassungsbestimmung stellt die Grundlage für den Übergang vom Förder- zu einem Lenkungssystem dar. Die Details des Lenkungssystems werden in einem zweiten Schritt in den Energie- und Klimagesetzgebungen geregelt. Für den Zeitraum 2021­ 10 11

BBl 2009 7433 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, Fassung gemäss ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51.

7893

2030 sieht der Bundesrat die in nachfolgenden Abschnitten dargelegten Eckpunkte vor. Die unter Ziffer 1.5.2 dargestellten Umsetzungsmöglichkeiten stellen den aktuellen Stand der Arbeiten dar. Im Rahmen der Gesetzgebung werden die Berechnungen aktualisiert.

Die Klima- und Stromabgaben sollen sich ab 2021 an den Klima- und Energiezielen des Bundes orientieren und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Ziele erreicht werden. Dabei werden auch die Ziele und Entwicklungen auf internationaler Ebene ­ insbesondere der EU ­ zu beachten sein. Die Höhe der Klimaabgabe auf Brennstoffen wird sich nach dem Reduktionsziel von Treibhausgasemissionen für die Periode 2021­2030 richten, das in der Klimagesetzgebung verankert wird. Der Bundesrat hat Ende 2014 entschieden, dass bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden soll. Die im Inland emittierten Treibhausgase will er im gleichen Zeitraum um mindestens 30 Prozent reduzieren. Die übrigen 20 Prozent können durch Massnahmen im Ausland erbracht werden.

Die CO2-Abgabe auf Brennstoffen soll wie bisher anhand des Kohlenstoffgehalts der Brennstoffe bemessen und periodisch entsprechend den zu erreichenden Zielvorgaben angepasst werden. Dabei sollen bereits bestehende Vorschriften und weitere ergänzende Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden. Das über die Teilzweckbindung der heutigen CO2-Abgabe finanzierte Gebäudeprogramm soll schrittweise abgebaut werden und fünf Jahre nach Einführung der Klimaabgabe auslaufen. Obwohl in der neuen Verfassungsgrundlage auch die Grundsätze für eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen festgehalten werden, will der Bundesrat vorläufig auf deren Einführung verzichten.

Im Bereich Strom sind die aus dem Entwurf des Energiegesetzes abgeleiteten Ausbau- und Stromverbrauchsziele für das Jahr 2030 massgebend. Damit der Anteil an Elektrizität aus erneuerbaren Energien weiter erhöht werden kann, soll die Stromabgabe während einer Übergangsphase durch eine Einspeisevergütung (gemäss dem Beschluss des Parlaments zum ersten Massnahmenpaket ES 2050) ergänzt werden.

Die befristeten Fördermittel werden dabei schrittweise abgebaut, sodass zehn Jahre nach Einführung der Stromabgabe die letzten Neuzusagen gesprochen werden. Vor der Aufhebung können
Verpflichtungen längstens bis 25 Jahre nach der Einführung der Stromabgabe eingegangen werden.

Für Unternehmen, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist, sind Abfederungsmassnahmen vorgesehen. Im neuen Verfassungsartikel wird lediglich das Prinzip der Abfederungsmassnahmen festgehalten.

Die detaillierte Ausgestaltung muss auf Gesetzes- respektive Verordnungsstufe verankert werden.

Im Zeitraum 2021­2030 sollen die Erträge aus der Klima- und Stromabgabe wie folgt rückverteilt werden. Die Erträge aus der Klimaabgabe werden während einer Übergangsphase teilweise und nach dem Auslaufen der befristeten Teilzweckbindungen für das Gebäudeprogramm und den Technologiefonds vollständig an Wirtschaft und Bevölkerung rückverteilt. Falls zu einem späteren Zeitpunkt eine Klimaabgabe auf Treibstoffen eingeführt wird und die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) deswegen gesenkt werden muss, sind etwaige Ertragsausfälle der LSVA durch Erträge aus der Klimaabgabe auf Treibstoffen zu kompensieren (vgl. Ziff. 3.2.1). Die Erträge aus der Stromabgabe werden ebenfalls an Wirtschaft und Bevölkerung rückverteilt, jedoch abzüglich der Beträge für die 7894

befristeten Förderzusagen für Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen (KEV) und der daraus resultierenden Verpflichtungen. Die Rückverteilung an die Bevölkerung erfolgt pro Kopf, diejenige an die Unternehmen entweder gemäss der AHV-Lohnsumme oder einem ähnlichen Kriterium, zum Beispiel der maximal versicherten UVG-Lohnsumme. Der Einbezug der Selbstständigerwerbenden bei der Rückverteilung wird geprüft.

1.5.2

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgaben

Unter Berücksichtigung der Eckpunkte wird nachfolgend beispielhaft veranschaulicht, wie der vorgeschlagene Verfassungsartikel für den Zeitraum 2021­2030 umgesetzt werden könnte. Die verschiedenen Möglichkeiten unterscheiden sich nicht in Bezug auf die unterstellten Zielsetzungen, die Art der Rückverteilung der Erträge, den Abbau von Fördermassnahmen (Gebäudeprogramm, KEV) sowie in Bezug auf die Abfederungsmassnahmen für besonders energie- und treibhausgasintensive Unternehmen. Sie unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf die Bemessungsgrundlagen, die Höhe der Abgaben und den daraus resultierenden Zielerreichungsgrad. Der Zielerreichungsgrad zeigt auf, zu welchem Anteil das Ziel ausschliesslich mit den vorgeschlagenen Abgabesätzen erreicht werden kann. Das Ausmass der Zielunterschreitung ist von verschiedenen Faktoren abhängig, insbesondere dem technischen Fortschritt. Soweit die Energie- und Klimaziele nicht mit den Abgaben erreicht werden, müssen andere, ergänzende Massnahmen und Instrumente ­ beispielsweise Vorschriften ­ eingesetzt werden.

Mit modellgestützten Untersuchungen wurde der Zielerreichungsgrad verschiedener Abgabeszenarien abgeschätzt (Ecoplan 2015). Die Schätzungen sind aber mit Unsicherheit behaftet, weil sie sich auf eine Vielzahl von Annahmen, so auf die Energiepreis- und Bevölkerungsentwicklung, die aufgrund von Preisänderungen zu erwartenden Verhaltensanpassungen und das zugrundeliegende Referenzszenario stützten.

Ferner ist es modelltechnisch nicht möglich, die zusätzlichen notwendigen Massnahmen detailliert und unter Berücksichtigung der verschiedenen Möglichkeiten abzubilden. Deswegen ist es nicht möglich, die makroökonomischen Auswirkungen zu berechnen. Trotz dieser Einschränkungen dienen die Berechnungen als Grundlage, um die wesentlichen Unterschiede ­ insbesondere den verbleibenden Handlungsbedarf ­ zwischen den Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Für die ModellRechnungen wurde angenommen, dass das Gebäudeprogramm 2025 beendet ist. Die neuen Verpflichtungen für die KEV werden noch bis 2030 eingegangen. Die Förderzusagen aus den bestehenden Verträgen laufen längstens bis 2045.

Zugrunde liegende Zielvorgaben Die Energie- und Klimaziele für die Zeit nach 2020 stehen noch nicht definitiv fest.

Im Rahmen der ersten Etappe der ES 2050 diskutiert das Parlament zurzeit die
Energieziele bis 2035. In der Botschaft zur ES 2050 schlägt der Bundesrat Energieund Stromverbrauchsziele pro Kopf sowie Ausbauziele im Bereich der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien vor (vgl. Ziff. 1.1.1). Abgeleitet aus diesen Zielsetzungen und umgerechnet auf das Jahr 2030 beträgt das Verminderungsziel beim Stromverbrauch rund minus 10 Prozent im Vergleich zum Pro-KopfVerbrauch im Jahr 2000. Werden die gesamten Energieverbrauchs- und Ausbauziele gemäss der ES 2050 erreicht, so wird gemäss den heutigen Projektionen eine Ver7895

minderung der energetischen CO2-Emissionen im Jahr 2030 um rund 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 resultieren.

Der Prozess für die Festlegung der Treibhausgasreduktionsziele nach 2020 ist sowohl international als auch in der Schweiz im Gange. Gemäss Bundesratsbeschluss vom 19. November 2014 strebt die Schweiz auf internationaler Ebene bis 2030 eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen (also Emissionen energetischen und nicht energetischen Ursprungs) um insgesamt mindestens 50 Prozent im Vergleich zu 1990 an. Im Inland wird im selben Zeitraum eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 30 Prozent angestrebt. Die übrigen 20 Prozent können durch Massnahmen im Ausland erbracht werden.

Für die Modellierung der beispielhaften Umsetzung des Klima- und Energielenkungssystems können aus modelltechnischen Gründen nur die energetisch bedingten CO2-Emissionen berücksichtigt werden. Ein Reduktionsziel von minus 30 Prozent für alle Treibhausgase entspricht mengenmässig (in Mio. t CO2eq) ungefähr einem Reduktionsziel von minus 40 Prozent für die energetischen CO2-Emissionen. Eine Reduktion der energetischen CO2-Emissionen um 40 Prozent ist folglich sowohl mit den klimapolitischen Zielen bis 2030 als auch mit den Zielen der Energiestrategie 2050 kompatibel.

Deshalb werden nachfolgend die beispielhaften Umsetzungsmöglichkeiten nur für eine Reduktion der energetischen CO2-Emissionen um 40 Prozent (i. Vgl. zu 1990) dargestellt.

Tabelle 1 Annahmen bezüglich Zielsetzungen Reduktionsziel

Stromverbrauch

Energetische CO2-Emissionen

2030

­10 Prozent pro Kopf i.Vgl. zu 2000

­40 Prozent i.Vgl. zu 1990

Quelle: Ecoplan 2015: 22, EFV eigene Darstellung.

Beispielhafte Kombinationen Die in Tabelle 2 dargestellten Kombinationen veranschaulichen beispielhaft, wie die Klima- und Stromabgaben im Zeitraum 2021­2030 festgelegt werden könnten. Die Klimaabgabe auf Brenn- und Treibstoffen bemisst sich nach dem KohlenstoffGehalt, die Stromabgabe nach dem Energieverbrauch (kWh). Für energie- und treibhausgasintensive Unternehmen sind im Modell Erleichterungen und Ausnahmen von den Klima- und Stromabgaben im Umfang der heute geltenden Regelungen unterstellt.

Im Strombereich wird für die Berechnungen aus Modellierungsgründen angenommen, dass die Abgabe uniform erhoben wird, d.h. unabhängig von der Produktionsart des Stroms. Ausführungen zur Bemessungsgrundlage der Stromabgabe finden sich unter Ziffer 1.5.3. Im Modell wird die Höhe der Stromabgabe so bestimmt, dass allein mit der Abgabe ­ ohne weitere regulatorische Massnahmen ­ die Stromverbrauchsziele erreicht werden. In allen vier Kombinationen liegt die zur Zielerreichung notwendige Stromabgabe im Jahr 2030 in ähnlicher Grössenordnung, d. h. bei rund 4.5 Rappen pro kWh.

7896

Tabelle 2 Exemplarische Umsetzungsmöglichkeiten Kombination

K1

K2

K3

K4

2021

2030

2021

2030

2021

2030

2021

2030

11

20

11

20

11

20

11

20

2,3

4,5 100

2,3

4,5 100

2,3

4,5 100

2,3

4,5 100

Brennstoffe** Abgabe in CHF/tCO2 z.B. Heizöl-Zuschlag in Rp./l

96 25

168 44

120 32

240 63

120 32

240 63

120 32

336 89

Treibstoffe Abgabe in CHF/tCO2 z.B. Benzin-Zuschlag in Rp./l

0 0

0 0

0 0

0 0

5,6 1,3

56 13

11,2 2,6

112 26

Strom (uniform)* Abgabe in % auf den Strompreis für Haushalte Abgabe in Rp./kWh Zielerreichungsgrad 2030 in % im Vgl. zu WWB

Zielerreichung (Nicht ETS-Sektoren) im Jahr 2030 i.Vgl. zu WWB (40 % CO2-Reduktionsziel) CO2 Emissionen in Mio. t 23,4 22,7 CO2 Reduktion in Mio. t 1,1 1,8 Zielerreichungsgrad 2030 in % 18 28 im Vergleich zu WWB Lenkungswirkung der Klima- und Stromabgaben Umfang der zusätzlichen Massnahmen Anmerkungen:

sehr wenig Lenkung sehr hoch

wenig Lenkung hoch

21,6 2,9 46

mittlere Lenkung mittel

20,1 4,4 71 hohe Lenkung wenig

* löst den bestehenden Netzzuschlag ab ** löst die bestehende CO2-Abgabe auf Brennstoffen ab

Quelle: Ecoplan 2015: 25, 43, 50, EFV eigene Darstellung.

Der Zielerreichungsgrad wird im Vergleich zum Referenzszenario «Weiter wie bisher» (WWB, vgl. Ecoplan 2015: 20 f., 37, 41) ausgewiesen. Das Referenzszenario basiert auf der Annahme, dass praktisch alle heute in Kraft befindlichen energiepolitischen Instrumente, Massnahmen, Gesetze etc. fortgesetzt oder ausgebaut werden, keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden und die Konsumgewohnheiten im Vergleich zu heute weitgehend unverändert bleiben. Es wird ein exogener technologischer Fortschritt modelliert.

Die Kombinationen 1 und 2 enthalten nur geringe Lenkungselemente und müssen am stärksten durch zusätzliche Massnahmen ergänzt werden. Das Lenkungssystem beschränkt sich in den beiden ersten Kombinationen auf die Belastung von Brennstoffen und Strom. Auf Treibstoffen wird vorerst keine Abgabe erhoben. Ausserdem bleibt die Abgabenhöhe auf den Brennstoffen vergleichsweise niedrig. Die Klimaabgabe auf Brennstoffen wird im Zeitraum 2021­2030 schrittweise erhöht. In 7897

Analogie zur heutigen CO2-Verordnung wären Zweijahresschritte denkbar. Aus beiden Gründen ­ keine Abgabenerhebung auf Treibstoffen und bescheidene Klimaabgabe auf Brennstoffen ­ müsste die Lenkungswirkung durch zusätzliche Massnahmen ergänzt werden. Bei beiden Kombinationen müssten die ergänzenden Massnahmen und Instrumente einen Reduktionsbeitrag im Umfang von 82 Prozent (K1) respektive 72 Prozent (K2) der zusätzlich zum Szenario WWB erforderlichen Reduktionsleistung erbringen. Die zusätzlichen Massnahmen müssten entsprechend weitgehend und tiefgreifend sein. Insbesondere im Verkehr müsste die fehlende Lenkungswirkung der Klimaabgabe auf Treibstoffen durch zusätzliche Massnahmen erzielt werden.

Stärker auf dem marktwirtschaftlichen Instrument der Lenkung beruhen die modellierten Kombinationen 3 und 4. In diesen umfasst das Lenkungssystem alle Energieträger, also auch die Treibstoffe. Aufgrund der bestehenden Belastung mit Mineralölsteuern und der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, der Ausweichmöglichkeit über den Tanktourismus sowie der bestehenden Vorschriften im Mobilitätsbereich fällt die Klimaabgabe auf Treibstoffen jedoch niedriger aus als diejenige auf Brennstoffen.

In Kombination 3 wird ab 2021 eine Abgabe von 1.3 Rappen pro Liter Benzin eingeführt, die sich gemäss Modellierungen im Zehnjahreszeitraum auf rund 13 Rappen pro Liter erhöht. Die Klimaabgabe auf Brennstoffen verbleibt auf demselben Niveau wie in Kombination 2. Durch die Abgabeerhebung auf Treibstoffen wird auch hier ein Lenkungseffekt erzielt. Allerdings sind die Abgabesätze sowohl auf den Brennstoffen als auch auf den Treibstoffen relativ gering. Dementsprechend wären in beiden Bereichen ergänzende Massnahmen zur Zielerreichung nötig. Im Vergleich zu den Kombinationen 1 und 2 wäre der Lenkungseffekt jedoch höher.

Folglich wären in Kombination 3 weniger tiefgreifende ergänzende Massnahmen erforderlich.

Die Kombination 4 setzt in erster Linie auf Lenkungswirkungen. Diese Kombination würde dem Grundgedanken des Klima- und Energielenkungssystems am besten entsprechen. Die Klimaabgabe auf Treibstoffen liegt doppelt so hoch wie in Kombination 3, diejenige auf Brennstoffen steigt bis zum Jahr 2030 auf 336 Franken pro Tonne CO2 (knapp 90 Rappen pro Liter Heizöl). Das Reduktionsziel für die energetischen CO2-Emissionen wird
mit den Lenkungsabgaben zu rund 70 Prozent erreicht. Zusätzliche Massnahmen und Instrumente wären nur unterstützend notwendig. Einzig mit der Kombination 4 würde mittelfristig ein eigentlicher Übergang zu einem Lenkungssystem vollzogen. Sowohl die Klimaabgabe auf Brenn- und auf Treibstoffen als auch die Stromabgabe würden innerhalb von zehn Jahren eine Höhe erreichen, mit der eine substanzielle Lenkungswirkung erzielt werden könnte. Der Bundesrat will jedoch aufgrund der gegenwärtigen Ausgangslage vorläufig auf die Einführung einer Klimaabgabe auf Treibstoffen verzichten.

Verbleibender Handlungsbedarf Die vier Kombinationen der exemplarischen Umsetzung unterscheiden sich in der Höhe der Abgaben auf fossilen Brenn- und Treibstoffen und damit der erzielbaren Emissionsreduktion. Je nach Höhe dieser Abgaben müssten ergänzende gesetzliche Massnahmen durch das Parlament beschlossen werden, damit die gesetzten Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen erreicht werden können. Ein grosser Teil der notwendigen Reduktionen dürfte in den Sektoren Gebäude und Verkehr erzielbar sein.

Der Bundesrat hat im Bericht in Erfüllung des Postulates 11.3523 von Nationalrat 7898

Girod aufgezeigt, dass in diesen beiden Sektoren noch relativ grosse Reduktionspotenziale vorhanden sind (BAFU 2013). So könnten beispielsweise technische Vorschriften im Gebäudebereich, eine Verschärfung der Zielwerte bei den CO2-Emissionen für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge, die Einführung eines Zielwerts für schwere Nutzfahrzeuge, die Weiterentwicklung und Verschärfung des Emissionshandelssystems oder auch die Erhöhung des Satzes und die Weiterentwicklung der Kompensationspflicht für Importeure fossiler Treibstoffe eingesetzt werden. Wie viel Emissionen mit den aufgelisteten Massnahmen im Einzelnen reduziert werden können, ist jedoch zurzeit nicht verlässlich quantifizierbar.

Die mögliche Ausgestaltung der zukünftigen Klima- und Energiepolitik orientiert sich an den erläuterten Eckpunkten. Ob die Klima- und Energieziele erreicht werden können, hängt von der Kombination und Wechselwirkung der einzelnen Instrumente und Massnahmen ab. Werden beispielsweise die Lenkungsabgaben zu tief gewählt, muss die entsprechende Wirkung durch die Verschärfung oder Einführung anderer Massnahmen erzielt werden. Dabei gilt zu beachten, dass preisliche Anreize, wie die Klima- und Stromabgaben, in der Regel flexibler gehandhabt werden können und effizienter sind als regulatorische Vorgaben oder Fördermassnahmen.

1.5.3

Offene Ausgestaltung der Stromabgabe

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Stromabgabe ist der Verfassungsvorschlag offen.

So ist eine uniforme ­ sprich gleiche Abgabehöhe für alle Energieträger ­ wie auch eine differenzierte ­ sprich unterschiedliche Abgabenhöhe für die verschiedenen Energieträger ­ Ausgestaltung möglich. Bei den Kombinationen zur beispielhaften Umsetzung für die Periode 2021­2030 wurde von einer uniformen Stromabgabe ausgegangen. Mit ihr könnte das Stromverbrauchsziel effizient erreicht werden.

Bei der Herstellung von Strom fallen zum Teil Kosten an, die nicht vom Stromerzeuger, sondern von der Allgemeinheit oder dem nahen Umfeld getragen werden.

Eine nach Produktionsart differenzierte Stromabgabe hätte den Vorteil, dass bei der Festlegung der Abgabe diese nicht durch andere Massnahmen internalisierten externen Kosten der Stromproduktion zumindest teilweise berücksichtigt werden könnten. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien würde von einem niedrigen Abgabesatz profitieren, während Strom aus Kernkraftwerken oder fossiler Energie einem höheren Abgabesatz unterläge. In der öffentlichen Diskussion wird die Differenzierung der Stromabgabe zurzeit mit der Hoffnung verbunden, dass mit ihr die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien im Inland gefördert werden könnte, insbesondere jene der bestehenden Wasserkraft. Die teilweise von der Politik geforderte «Dreckstromabgabe» oder auch die Importabgabe auf «Dreckstrom» entsprechen grundsätzlich der differenzierten Stromabgabe (vgl. Postulat 14.3038 «Eine CO2-Abgabe auch auf importiertem Strom erheben?»). Der Strom wird aufgrund seiner Produktionsmethode differenziert behandelt.

In physikalischen Stromflüssen ist nicht nachweisbar, aus welchen Anlagen der verbrauchte Strom kommt und wie dieser produziert wurde. Als Nachweis für die Stromkennzeichnung dienen deshalb die Herkunftsnachweise (HKN). Die HKN enthalten Angaben zur Energiequelle, aus der der Strom erzeugt wurde, sowie zu Zeitpunkt und Ort der Produktion. Sie können abgekoppelt von der Übertragung des Stroms gehandelt werden. Diese getrennte Handelbarkeit von Strom und HKN kann beispielsweise dazu führen, dass importierter Atomstrom aus Frankreich als erneu7899

erbarer Strom klassifiziert wird, wenn er mit einem gleichzeitig erworbenen Herkunftsnachweis von schwedischer erneuerbarer Energie kombiniert wird.

Aus rechtlicher Sicht (WTO, Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie Drittstaaten) ist eine Unterscheidung und somit eine unterschiedliche Behandlung zwischen inländischem und ausländischem Strom nicht zulässig.12 Dieses Gebot der Nicht-Diskriminierung gilt auch für die HKN, die den Strom als erneuerbar kennzeichnen. Selbst bei einem nationalen Zertifizierungssystem ist Strom aus ausländischen Anlagen zugelassen. Gemäss WTI & Heuking (2014a und 2014b) und WTI (2015) ist eine Differenzierung nach Produktionsart (z.B. erneuerbare versus nicht erneuerbare Produktion) hingegen rechtlich zulässig. Die Vereinbarkeit einer Differenzierung nach Produktionsart mit WTO-Recht wird allerdings nicht von allen geteilt. Aber selbst wenn eine Differenzierung nach Produktionsart zulässig ist, können daraus keine Rechte für die Industriepolitik abgeleitet werden.

Eine differenzierte Stromabgabe in der Schweiz darf also nicht mit der Förderung, Stärkung oder Unterstützung von einheimischen erneuerbaren Energien oder der Schweizer Wasserkraft begründet werden. Das gilt auch, wenn die Begründung auf verzerrte Wettbewerbsbedingungen durch hohe Einspeisetarife in den Nachbarstaaten wie beispielsweise in Deutschland abzielt.

Falls eine differenzierte Stromabgabe dennoch eingeführt werden sollte, wäre sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen wirkungslos, denn in der praktischen Umsetzung kann der Anteil an nicht erneuerbaren Energien in der Schweiz von rund 20 TWh problemlos mit ausländischen ­ im Vergleich zur Schweiz wesentlich günstigeren ­ HKN gedeckt werden, die dieselben Bedingungen wie Schweizer HKN erfüllen und nicht diskriminiert werden dürfen. Mit diesen HKN könnte der gesamte in der Schweiz konsumierte Strom als «erneuerbar» zertifiziert werden. Bei der CO2-Abgabe auf Importstrom stellen sich bei der Umsetzung die gleichen Probleme, da ja auch mittels HKN differenziert wird.

Die Förderwirkung einer differenzierten Stromabgabe auf die inländische Stromproduktion ist aus den erwähnten Gründen also vernachlässigbar. Die Differenzierung wird nicht genügend Anreize für die Produktion und den Ausbau von erneuerbaren Energien im Inland geben. Gemäss
diesen Erkenntnissen weist daher eine Differenzierung keine wesentlichen Vorteile gegenüber der uniformen Abgabe auf. Sollten sich in Zukunft jedoch neue Möglichkeiten eröffnen, welche vereinbar mit EURecht, bilateralem Recht (Schweiz-EU) und WTO-Recht sind, eine klare Förderwirkung für erneuerbare Energien in der Schweiz aufweisen und die Umsetzung in vertretbarem Ausmass machbar ist, wäre eine Differenzierung der uniformen Stromabgabe vorzuziehen. Dies deshalb, weil eine Differenzierung die externen Kosten besser widerspiegelt und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in der Schweiz vorantreiben könnte. Das UVEK bzw. das BFE wird dazu bis Ende 2016 einen Bericht erarbeiten.

12

Drei Rechtsgutachten wurden dazu in Auftrag gegeben: WTI, Heuking (2014a), WTI Heuking (2014b), WTI (2015)

7900

1.5.4

Stetiger Abbau der Fördermassnahmen

Der Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem soll fliessend und innerhalb einer planbaren und vorhersehbaren Frist erfolgen. Im Jahr der Einführung 2021 würden die Klimaabgabe auf Brennstoffen die im Jahr 2008 eingeführte CO2-Abgabe mit ihren Teilzweckbindungen und die Stromabgabe den Netzzuschlag ersetzen. Die bestehenden Fördermassnahmen würden nur noch befristet weitergeführt und schrittweise abgebaut. Förderungen, die aus den Erträgen der CO2-Abgabe finanziert werden, wie z.B. das Gebäudeprogramm, würden schrittweise abgebaut und fünf Jahre nach Einführung der Klimaabgabe ganz auslaufen.

Mit der geeigneten Wahl der Höhe der Stromabgabe liesse sich das Ziel erreichen, den Stromverbrauch 2030 gegenüber 2000 um zehn Prozent zu vermindern. Die uniforme Stromabgabe trägt allerdings nicht zur Erreichung der inländischen Ausbauziele in Bezug auf die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien bei. Wie unter Ziffer 1.5.3. dargelegt, liesse sich aber auch mit einer differenzierten Stromabgabe, welche die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien weniger stark belastet als die nicht erneuerbare, die erneuerbare Stromproduktion in der Schweiz nicht oder nicht genügend unterstützen.

Zur Erhöhung der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien im Inland bleiben deshalb die ehemals aus dem Netzzuschlag finanzierten Fördermassnahmen, wie z.B. die KEV, weiterhin nötig. Allerdings sind sie innerhalb von zehn Jahren nach Einführung der Stromabgabe abzubauen. Danach dürfen keine neuen Verpflichtungen mehr eingegangen werden. Spätestens 25 Jahre nach der Einführung der Stromabgabe müssen alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt sein.

Diese längere Übergangsfrist als beim Gebäudeprogramm dürfte genügend Zeit lassen, um die gegenwärtigen Ungleichgewichte zwischen Stromangebot und Nachfrage auf europäischer Ebene abzubauen. Mit dem technischen Fortschritt und der besseren Vermarktung werden die Kosten der erneuerbaren Energie sinken, wodurch diese wirtschaftlicher wird und immer weniger Fördermittel benötigt. Eine Flexibilisierung des Marktes mit grösserer Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage dürften zu einer Aufwertung des Stroms aus erneuerbarer Energie führen. Zu diesem Zweck muss das Strommarktdesign so angepasst werden, dass ein Anreiz besteht, die Produktion in Zeiten mit knappem Strom und die Nachfrage
in Zeiten mit überschüssigem Strom zu verlagern (Smart Grid). Auch der technologische Fortschritt bei der Stromspeicherung wird zur Flexibilisierung des Marktes beitragen.

1.5.5

Energie- und treibhausgasintensive Unternehmen

Die Klima- und Stromabgaben werden in den meisten Branchen kaum strukturverändernde Kostenerhöhungen zur Folge haben. Ist das Lenkungssystem vollständig umgesetzt, so werden die Erträge der Klima- und Stromabgaben vollumfänglich an die Unternehmen und privaten Haushalte rückverteilt. Je nach Unternehmen und Branche kann per Saldo sogar eine Entlastung resultieren. Abgabenerleichterungen drängen sich jedoch für Unternehmen auf, deren Betrieb oder Produktion besonders energie- bzw. treibhausgasintensiv ist. Geeignete Abfederungsmassnahmen verhindern die Abwanderung dieser Unternehmen ins Ausland. Die Abfederungsmassnahmen müssen in jedem Fall sachgerecht und mit den internationalen Verpflich7901

tungen der Schweiz vereinbar sein. Der Verfassungsartikel regelt lediglich, dass der Bund auf Unternehmen Rücksicht nimmt, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist. Die konkrete Umsetzung erfolgt im anschliessenden Schritt auf Gesetzesebene. Als Bedingung für die Abgabenerleichterungen sind in jedem Fall Gegenleistungen, z.B. in Form von Zielvereinbarungen, vorgesehen.

Erleichterungen von Energieabgaben für Unternehmen mit energie- und treibhausgasintensiver Produktion sind international geläufig (IEEP 2013, S. 13 f.). Zum Beispiel werden in den EU-Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014­2020 Kriterien vorgesehen, nach welchen EU-Mitgliedstaaten energieintensive und besonders dem internationalen Wettbewerb ausgesetzte Unternehmen von Abgaben zur Förderung erneuerbaren Energien entlasten können.

Auch in der Schweiz werden heute sowohl beim Netzzuschlag nach dem Energiegesetz vom 26. Juni 199813 (Art. 15bbis EnG) als auch bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffen nach dem CO2-Gesetz14 (Art. 17, 25 und 31 Abs. 1 Bst. b CO2-Gesetz) Erleichterungen bzw. Ausnahmen gewährt. Diese geltenden Regelungen werden bei der Ausarbeitung der Erleichterungen von den zukünftigen Klima- und Stromabgaben berücksichtigt. Bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffen gilt derzeit folgende Regelung: Treibhausgasintensive Unternehmen aus Wirtschaftszweigen, die eine hohe Abgabenbelastung im Verhältnis zu ihrer Wertschöpfung haben und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit dadurch beeinträchtigt würde, können sich von der CO2-Abgabe befreien lassen. Im Gegenzug für die Befreiung müssen sich die Unternehmen gegenüber dem Bund verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen zu vermindern (Verminderungsverpflichtung). Gemäss geltender Gesetzgebung ebenfalls von der CO2-Abgabe befreit sind grosse treibhausgasintensive Unternehmen, die am Emissionshandelssystem (EHS) teilnehmen, sowie kompensationspflichtige, fossil-thermische Kraftwerke. Im Strombereich erhalten die Unternehmen gegenwärtig Entlastungen von den Netzzuschlägen in Abhängigkeit von ihrer Stromintensität, das heisst von den Stromkosten in Prozent ihrer Bruttowertschöpfung. Ab einem Schwellenwert von fünf Prozent erfolgt eine Teilbefreiung und ab zehn Prozent eine vollumfängliche Befreiung. Im Gegenzug wird eine verpflichtende Zielvereinbarung mit einer Reinvestitionspflicht von 20 Prozent der rückerstatteten Beträge gefordert.

1.5.6

Verwendung der Erträge der Klima- und Stromabgaben

Die Klima- und Stromabgaben sollen nach einer Übergangsphase vollständig haushaltsneutral erhoben werden. Die öffentliche Hand soll nicht über mehr oder weniger Mittel verfügen als ohne die Klima- und Stromabgaben, und die Nettobelastung der Haushalte sowie der Unternehmen soll insgesamt nicht ansteigen.

In allen vier exemplarischen Kombinationen werden die Erträge der Klima- und Stromabgaben ­ abzüglich der Beträge für die befristeten Fördermassnahmen und für den Vollzugsaufwand ­ an die Haushalte und Unternehmen rückverteilt. Nachdem die Verpflichtungen aus den letzten Fördermassnahmen auslaufen, soll die 13 14

SR 730.0 SR 641.71

7902

Rückverteilung vollständig erfolgen. Durch die Rückverteilung der Abgabenerträge werden Personen und Unternehmen mit einem niedrigen Energieverbrauch belohnt.

Sie erhalten mehr Geld zurück, als sie an Klima- und Stromabgaben entrichten.

Andererseits führt ein hoher Energieverbrauch auch nach der Rückverteilung zu einer Nettobelastung.

Die Rückverteilung an die Bevölkerung berechnet sich pro Kopf. Jede in der Schweiz wohnhafte Person erhält den gleichen Betrag. Die Ausbezahlung könnte, wie bis anhin bei der CO2-Abgabe auf Brennstoffen, über den bewährten und kostengünstigen Kanal der Krankenkassen vollzogen werden. Im Rahmen der Gesetzgebung werden weitere Kanäle evaluiert werden (z.B. Schecks). Die Rückverteilung pro Kopf bevorzugt tendenziell Haushalte mit Kindern und niedrigen Einkommen.

Damit lässt sich die stärkere Belastung dieser Haushalte durch die Klima- und Stromabgaben ausgleichen. Die konkrete Ausgestaltung der Rückverteilung wird der Gesetzgeber regeln.

In der Tabelle 3 ist die Rückverteilung der Abgabenerträge beispielhaft für die vier Kombinationen dargestellt. In den beiden untersten Zeilen werden die prozentualen Anteile der Stromabgabe und der Klimaabgabe an den Endverbraucherpreisen der verschiedenen Energieträger ausgewiesen. Die Endverbraucher-Ausgaben für Energie (Energiekosten) betrugen im Jahr 2014 rund 30 Mrd. CHF. Ein Ertrag von rund 5 Mrd. CHF aus der Klima- und Stromabgabe im Jahr 2030 würde daran einen Anteil von rund 17% ausmachen. Im Jahr 2030 können die Abgabenerträge noch nicht vollständig rückverteilt werden, da noch Fördermassnahmen zu alimentieren sind, die nach bisherigem Recht aus dem Netzzuschlag finanziert werden. Hingegen werden keine Mittel mehr für die Fördermassnahmen eingesetzt, die nach heutigem Recht aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffen finanziert werden. Diese würden gemäss den Modellannahmen bereits im Jahr 2025 auslaufen. Von beispielhaft aufgeführten Rückverteilungsbeträgen müssten zusätzlich noch die Vollzugskosten abgezogen werden.

Tabelle 3 Rückverteilung der Abgabenerträge im Jahr 2030 Kombination

K1

K2

K3

K4

2030

2030

2030

2030

Erträge aus Klima- und Stromabgaben, Mrd. CHF Finanzierung auslaufender Fördermassnahmen aus Netzzuschlag, Mrd. CHF (nicht rückverteilt)

4,4

4,9

5,2

6,1

1,1

1,1

1,1

1,1

Rückverteilung an Bevölkerung, Mrd. CHF pro Kopf der Bevölkerung in CHF

1,2 141

1,5 173

1,7 197

2,2 255

2,1 20 %

2,3 20 %

2,4 20 %

2,8 20 %

28% 21% 0%

36% 27% 0%

36% 27% 7%

44% 35% 13%

Rückverteilung an Wirtschaft, Mrd. CHF Anteil Stromabgabe auf dem Endverbraucherpreis Anteil Klimaabgabe auf dem Endverbraucherpreis ­ von Heizöl ­ von Erdgas ­ von Benzin 95

Quelle: Ecoplan 2015: 46, EFV eigene Berechnungen u. Darstellung.

7903

Die Rückverteilung an die Unternehmen bemisst sich derzeit proportional zur AHVLohnsumme. Auch hier könnte der bestehende Vollzugskanal über die Ausgleichskassen weiterhin genutzt werden. Der Einbezug der Selbstständigerwerbenden sowie alternative Rückverteilungskriterien werden geprüft. Bei der Rückverteilung gemäss AHV-Lohnsumme werden Unternehmen mit hohen durchschnittlichen Löhnen gegenüber jenen mit niedrigeren Löhnen bevorzugt. Aus diesem Grund wird unter anderem geprüft, anstelle der AHV-pflichtigen Lohnsumme die maximal versicherte UVG-Lohnsumme zu verwenden, die auf 126 000 Franken begrenzt ist. Berechnungen zeigen, dass hierdurch Hochlohnbranchen wie die Finanzdienstleistungen schlechter gestellt würden als bei einer Rückverteilung gemäss AHV-Lohnsumme.

Hingegen gewänne speziell das verarbeitende Gewerbe (Ecoplan 2015: 52 ff.).

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Mit dem vorgeschlagenen Artikel 131a Klima- und Stromabgaben soll die Kompetenz des Bundes zur Erhebung von Klima- und Stromabgaben auf Verfassungsebene verankert werden. Es handelt sich um eine offene Verfassungsbestimmung, welche dem Gesetzgeber einen grossen Spielraum zur konkreten Ausgestaltung der Abgaben und der Konzipierung der Übergangsphase einräumen würde.

Art. 131a

Klima- und Stromabgaben

Die neue Bestimmung soll nach der Verfassungsgrundlage über die besonderen Verbrauchssteuern (Art. 131 BV) eingegliedert werden. Die Sachüberschrift mit ihrer Bezeichnung der neuen Arten von Abgaben reflektiert die wesentlichen Zielsetzungen, die mit ihrer Einführung verfolgt werden sollen: Klimaschutz, Energiesparen und Energieeffizienz. Mit der Verankerung des Klima- und Energielenkungssystems auf Verfassungsstufe soll der notwendige Umbau zu einer emissionsarmen, energieeffizienten und damit von ausländischer Energie weniger abhängigen Schweiz vorangetrieben werden.

Absatz 1 soll dem Bund die Kompetenz geben, eine Klimaabgabe auf Brenn- und Treibstoffen sowie eine Stromabgabe auf elektrischer Energie zu erheben, also die Möglichkeit zur Erhebung von Lenkungsabgaben auf einzelnen oder auf mehreren Energieträgern gleichzeitig. Der Gesetzgeber soll die Abgaben auf den verschiedenen Energieträgern auch unterschiedlich ausgestalten können. Er kann also auch differenzierte Abgaben vorsehen, beispielsweise eine nach Erzeugungsquelle differenzierte Stromabgabe. Weiter hält Absatz 1 das Lenkungsziel fest: die Verminderung von Treibhausgasemissionen und die Förderung eines sparsamen und rationellen Energieverbrauchs. Er soll damit im Klimabereich den bestehenden Artikel 74 BV (vgl. zur heutigen Umsetzung Ziff. 1.2.2) ergänzen. Abgelöst werden sollen durch eine neue Klimaabgabe auf Brennstoffen die heutige ­ auf der Grundlage von Artikel 74 BV erhobene ­ CO2-Abgabe auf Brennstoffen mit ihren Teilzweckbindungen und durch die Stromabgabe der bisherige Netzzuschlag. Die neue Bestimmung würde hingegen die Abgabe auf flüchtigen organischen Verbindungen (VOCAbgabe) nicht aufheben. Ebenfalls beibehalten würden die Schwerverkehrsabgabe und die besonderen Verbrauchssteuern (Mineralölsteuer inklusive Mineralölsteuerzuschlag).

7904

Absatz 2 bringt das Lenkungsprinzip zum Ausdruck. Dieses zeichnet sich auch dadurch aus, dass die angestrebten Ziele durch die Erhebung der Klima- und Stromabgaben, nicht aber durch deren Verwendung (dies ist das wesentliche Merkmal eines Fördersystems) erreicht werden sollen. Hierzu müssen die Abgaben über eine minimale Höhe verfügen. Absatz 2 sieht dementsprechend vor, dass die Abgaben so bemessen sein müssen, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energieziele des Bundes leisten. Die Lenkungsabgaben sollen damit die Hauptinstrumente zur Erreichung der Klima- und Energieziele bilden. Sie sollen aber ergänzt werden durch weitere klima- und energiepolitische Massnahmen wie beispielsweise Vorschriften (u.a. Effizienzvorschriften bei Geräten, Emissionsvorschriften bei Fahrzeugen etc.). Bei der Festlegung der Klima- und Energieziele des Bundes werden dabei auch die Entwicklungen auf internationaler Ebene ­ insbesondere in der EU ­ berücksichtigt. Abzustellen wäre bei den Treibhausgasemissionen auf die in der Klimagesetzgebung verankerten Reduktionsziele und im Strombereich auf die Ausbau- und Stromverbrauchsziele des Energiegesetzes.

Absatz 3 soll den Gesetzgeber verpflichten, bei der Erhebung der Klima- und Stromabgaben auf Unternehmen Rücksicht zu nehmen, deren Betrieb oder Produktion besonders treibhausgas- oder energieintensiv ist. Der Spielraum des Gesetzgebers soll dabei von einer Reduktion der Abgaben bis hin zur Befreiung von der Erhebung einzelner Abgaben reichen. Die Gewährung solcher Abfederungsmassnahmen wird mit der Pflicht zur Erfüllung von Gegenleistungen verbunden werden, wie sie heute z.B. für die Rückerstattung der CO2-Abgabe besteht (vgl. Art. 31 Abs. 1 Bst. b CO2-Gesetz). Die Abfederungsmassnahmen müssten in jedem Fall sachgerecht und mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar sein.

Absatz 4 enthält das Grundprinzip der Rückverteilung der Abgabenerträge an die Bevölkerung und an die Wirtschaft. Vorbehalten bliebe die Kompensation von spezifischen Ertragsausfällen des Bundes bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (Abs. 5), falls die Klimaabgabe auf Treibstoff eingeführt wird. Die Ausgestaltung und die Modalitäten der Rückverteilung würde der Gesetzgeber regeln. So könnte die Rückverteilung an die Bevölkerung beispielsweise
pro Kopf über die Krankenkassen, allenfalls auch über andere Kanäle (z.B. Schecks), erfolgen. Bei den Unternehmen stünde zum Beispiel die Möglichkeit zur Verteilung der Erträge über die Ausgleichskassen zur Verfügung, basierend auf der AHVLohnsumme oder auf der maximal versicherten UVG-Lohnsumme. Aufgrund dessen, dass die Rückverteilung verbrauchsneutral ausgerichtet würde, profitierten im Sinne des anvisierten Lenkungseffekts die Haushalte und Unternehmen, die wenig fossile Brennstoffe, Treibstoffe oder Strom konsumieren.

Absatz 5 garantiert die Kompensation von klar und abschliessend definierten Einnahmeausfällen des Bundes und der Kantone bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) durch Erträge aus der Klimaabgabe auf Treibstoffen. Gestützt auf Artikel 85 BV erhebt der Bund heute eine leistungsabhängige Abgabe auf dem Schwerverkehr, an deren Reinertrag die Kantone zu einem Drittel beteiligt sind.

Höchstens zwei Drittel der Erträge der LSVA kann der Bundesrat zur Finanzierung von Eisenbahngrossprojekten verwenden (vgl. Art. 196 Ziff. 3 Abs. 2 Bst. b BV).

Die LSVA darf nur erhoben werden, soweit der Schwerverkehr der Allgemeinheit Kosten verursacht, die nicht durch andere Leistungen oder Abgaben gedeckt sind (Art. 85 Abs. 1 BV). Eine Mehrfachabgeltung derselben externen Klimakosten ist somit unzulässig. Falls nun eine Klimaabgabe auf Treibstoffen eingeführt würde, wären die durch den Schwerverkehr verursachten externen Klimakosten mindestens 7905

teilweise gedeckt und dürften daher nicht mehr für die Berechnung der LSVA herangezogen werden. Dies könnte zu einer Senkung der Abgabesätze der LSVA führen. Nur in diesem Fall würden die daraus resultierenden Ertragsausfälle bei der LSVA durch Erträge aus der Klimaabgabe auf Treibstoffen kompensiert.

Art. 197 Ziff. 12 Übergangsbestimmungen zu Art. 131a (Klima- und Stromabgaben) Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassungsänderung bestehenden Fördermassnahmen, die der Gesetzgeber befristet weiterführen will und die nach dem bisherigen Recht aus den Erträgen der CO2Abgabe oder aus dem Netzzuschlag finanziert wurden, schrittweise abgebaut werden müssen. Bisherige Fördermassnahmen soll der Gesetzgeber zu ihrer Optimierung auch noch während des schrittweisen Abbaus modifizieren können, solange dies mit Blick auf ihre Aufhebung sinnvoll erscheint. Neuartige Fördermassnahmen sollen aber nicht aus den Erträgen der Klima- und Stromabgaben finanziert werden dürfen.

Im Lenkungssystem gilt der Grundsatz der Abgabenrückverteilung (Art. 131a Abs. 4). Die Klima- und Stromabgaben sollen jedoch für eine Übergangszeit auch für die bisherigen Förderzwecke verwendet werden dürfen. Dafür schafft Artikel 197 Ziffer 12 die Grundlage. Diese vorübergehende Teilzweckbindung soll auch gelten, wenn Fördermassnahmen im oben beschriebenen Sinn modifiziert bzw.

optimiert werden.

Absatz 1 sieht vor, dass die Klimaabgabe im Zeitpunkt ihrer Einführung die bisherige CO2-Abgabe auf Brennstoffen bzw. die Stromabgabe den bisherigen Netzzuschlag ablöst.

Absatz 2 sorgt für einen fliessenden Übergang vom Förder- zum Lenkungssystem: Die neuen Abgaben sollen im Rahmen von Artikel 131a Absatz 2 schrittweise erhöht werden, bis die angestrebte Lenkungswirkung erreicht ist.

Gemäss Absatz 3 sollen Fördermassnahmen, die nach bisherigem Recht aus den Erträgen der CO2-Abgabe finanziert und im neuen Recht weitergeführt werden, schrittweise abgebaut werden. Heute steht ein Teil der CO2-Abgabe für die Förderung lenkungskonformer Zwecke zur Verfügung. Dabei wird ein Drittel des Ertrags, höchstens aber 300 Millionen Franken pro Jahr, für Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen bei Gebäuden verwendet (Art. 34 CO2-Gesetz). Zur Förderung von Technologien zur Verminderung von Treibhausgasen
werden zudem höchstens 25 Millionen Franken pro Jahr dem Technologiefonds zur Finanzierung von Bürgschaften zugeführt (Art. 35 CO2-Gesetz). In zeitlicher Hinsicht soll die Vorgabe gelten, dass die heutige Teilzweckbindung der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen für Fördermassnahmen im Gebäudebereich schrittweise abgebaut wird. Das Förderprogramm im Gebäudebereich soll innerhalb von fünf Jahren ab der Einführung der Klimaabgabe aufgehoben werden. Dem Technologiefonds sollen spätestens fünf Jahre nach Einführung der Klimaabgabe keine weiteren Mittel aus der Lenkungsabgabe mehr zufliessen.

Absatz 4 betrifft den Netzzuschlag. Die Regelung ist im Wesentlichen Absatz 3 nachgebildet. Unterschiedlich geregelt wäre hingegen der Endtermin für die vollständige Aufhebung der Fördermassnahmen. Diese sollen innerhalb von zehn Jahren ab Einführung der Stromabgabe aufgehoben werden, was bedeutet, dass nach diesem Endtermin keine neuen Zusagen (wie die KEV oder wettbewerbliche Ausschreibungen) mehr gemacht werden dürfen. Verpflichtungen, die während dieser 7906

Übergangsfrist eingegangen werden, müssen spätestens 25 Jahre nach der Einführung der Stromabgabe enden. Wird die Stromabgabe im Jahr 2021 eingeführt, könnten also bis längstens Ende 2045 Projekte zur Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ausbezahlt werden.

Gemäss Absatz 5 sollen schliesslich die Erträge aus den Klima- und Stromabgaben während des Übergangs vom Förder- zum Lenkungssystem nur so weit für die Rückverteilung der Erträge nach Artikel 131a Absatz 4 eingesetzt werden dürfen, als dies die Finanzierung der Verpflichtungen aus den Fördermassnahmen zulässt.

Die Bestimmung soll in der Übergangszeit als Grundlage für die Teilzweckbindung der Erträge (d.h. Finanzierung der erwähnten Fördermassnahmen) aus den neuen Abgaben dienen. Der Artikel 131a Absatz 5 bliebe davon unberührt.

3

Auswirkungen

Die Auswirkungen der neuen Verfassungsbestimmung hängen davon ab, wie der Gesetzgeber diese Kompetenz umsetzt. Die mögliche Bandbreite beispielsweise bei den Bemessungsgrundlagen und Abgabesätzen ist sehr gross. Eine genauere Beurteilung der Auswirkungen wird deshalb bei der Erarbeitung der Ausführungsgesetze vorzunehmen sein.

3.1

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Allgemein haben sowohl die Lenkungsabgaben selbst als auch die Rückverteilung ihrer Erträge Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Die Lenkungsabgaben bewirken ­ wie beabsichtigt ­ eine Änderung der Verbrauchsstruktur. Insgesamt wird die Bevölkerung am Ende gleich viel erhalten, wie sie bezahlt hat (abzüglich der administrativen Kosten). Eine Rückverteilung pro Kopf führt zu einer eher progressiven Reform. Auch die Unternehmen werden insgesamt das erhalten, was sie bezahlt haben (abzüglich der administrativen Kosten). Die Umverteilungswirkung von den Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, hin zu den anderen Unternehmen ist gewollt. Die Lenkungsabgaben können energie- und CO2-intensive Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligen. Deshalb sind Abfederungsmassnahmen vorgesehen, die dieses Problem begrenzen sollen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere das Risiko von Wettbewerbsverzerrungen zwischen grossen Unternehmen und KMU zu berücksichtigen sein. Hingegen werden Unternehmen mit weniger Energieverbrauch wettbewerbsfähiger, da sie mehr zurückerhalten, als sie bezahlt haben.

Insgesamt ist mit einem leicht negativen Effekt auf das BIP zu rechnen, der jedoch insofern gemildert wird, als die Abgaben die Innovation fördern und teilweise durch die positive Rückverteilungswirkung kompensiert werden. Demgegenüber ermöglichen die Lenkungsabgaben eine kostengünstigere Erreichung der Ziele ­ beispielsweise des Atomausstiegs. Die Reform wird auch die Kosten verbunden mit der Klimaerwärmung verringern, wenn die anderen Länder ebenfalls ihren Teil dazu beitragen. Jede Abschätzung der Auswirkungen auf die Volkswirtschaft ist mit Ungewissheit verbunden. Die nachfolgenden rein qualitativen Überlegungen gelten jedoch als verhältnismässig gesichert.

7907

Die Auswirkungen des Klima- und Energielenkungssystems können auf zwei Arten genauer beurteilt werden: anhand der Erfahrungen anderer Länder oder mit Simulationen der Schweizer Wirtschaft mithilfe von allgemeinen Gleichgewichtsmodellen.

Internationale Erfahrungen Eine Studie im Auftrag der EFV und des SECO hat eine aktualisierte und systematische Auswertung von Energieabgabemodellen in ausgewählten OECD-Staaten geliefert (IEEP 2013). Tabelle 4 enthält einen Überblick über die Abgabearten der untersuchten Länder mit Bemessungsgrundlage und Einführungsjahr. Daraus geht hervor, dass seit den 1990er-Jahren viele Länder derartige Instrumente eingeführt haben. Der Vergleich beschränkt sich auf Klima- und Energieabgaben, die über die herkömmliche Mineralölbesteuerung hinausgehen und gezielt eine Verteuerung von Energieverbrauch und Umweltverschmutzung bezwecken. Eine breite Palette von Modellen wurde umgesetzt. Sie alle haben jedoch eine CO2- oder eine Energieabgabe, teils kombiniert mit einer Stromabgabe. Die Höhe der Abgaben ist je nach Land verschieden und beruht sowohl auf technischen als auch auf politischen Überlegungen. Schliesslich wenden alle untersuchten Länder Ausnahmeregelungen für einzelne Industriebereiche und Unternehmen an. Anzumerken ist, dass die Studie nur die Lenkungssysteme und -abgaben untersucht, andere Programme und Massnahmen wie Förderzusagen aber nicht einbezieht. Zudem ist zu beachten, dass die Wirkung der Lenkungsabgaben auch vom Ort abhängig sein kann. Wird eine Abgabe auf Treibstoffen in der Schweiz eingeführt, so wird sie nicht die gleiche Wirkung auf den Tanktourismus haben wie in einem grossen Land oder auf einer Insel.

Tabelle 4 Beispiele von Kohlenstoff- und Energieabgaben Land/Staat

Einführung

Abgabeart und Bemessungsgrundlage

Britisch Kolumbien Deutschland

2008 1999

Dänemark

1977

Finnland

1992 1990

Grossbritannien Irland Norwegen

2001 2009 1991

Niederlande Schweden

1996 1991

Kohlenstoffabgabe (Brenn- und Treibstoffe) Energieabgabe auf Brenn- und Treibstoffen Stromabgabe Energieabgabe auf fossilen Brenn- und Treibstoffen, darunter Strom CO2-Abgabe CO2-Abgabe (Brenn- und Treibstoffe) Energieabgabe auf Strom Klimaabgabe (Erdöl, Braunkohle, Erdgas, Strom) Kohlenstoffabgabe (Brenn- und Treibstoffe) Kohlenstoffabgabe (Mineralöle und Offshore-Erdöl) Stromabgabe Energieabgabe (Mineralöle, Kohle, Erdgas, Strom) CO2-Abgabe und Energieabgaben auf: Brennstoffen, Treibstoffen, Strom, Industrie

Quelle: Daten IEEP (2013), Darstellung EFV

Die Studie bietet einen Überblick über die Auswirkungen der Lenkungssysteme auf Umwelt und Wirtschaft, ungeachtet der Schwierigkeit und der Unsicherheiten, mit denen eine solche Analyse behaftet ist. In Bezug auf die Umwelt zeigen die Studien und Analysen, dass die CO2-Abgaben in Kombination mit Energieabgabemodellen 7908

in allen untersuchten Ländern zur Senkung der CO2-Emissionen und des Brenn- und Treibstoffverbrauchs beigetragen haben. Eine Lenkungswirkung ist überall festzustellen, und die Abgaben erweisen sich als wirksames Instrument. Die Reduktionsziele werden jedoch oft verfehlt. Diese begrenzte Wirkung hängt mit grosszügigen Ausnahmeregelungen und tiefen Abgabesätzen zusammen.

Bei den wirtschaftlichen Auswirkungen der Abgaben sind die Ergebnisse uneinheitlich. Die Wirkung auf das Wirtschaftswachstum ist in einigen Ländern leicht positiv, in anderen neutral oder leicht negativ. Der Effekt auf die Beschäftigung wird oft positiv gewertet, hängt aber von den Rückverteilungsarten der Abgaben ab. Die negative Wirkung auf die Wirtschaft ist aufgrund der Ausnahmeregelungen begrenzt. Die internationalen Erfahrungen zeigen auch, dass Innovationsanreize entstehen können. In mehreren Ländern geht man davon aus, dass die Abgaben langfristig zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen beitragen.

Zusammenfassend zeigt die Analyse der bisherigen Erfahrungen mit den Reformen in den untersuchten Ländern, dass die CO2-Emissionen gesenkt und die Energieeffizienz mit geringen wirtschaftlichen Kosten verbessert werden konnten. Zudem wurden keine negativen Effekte auf die Beschäftigung beobachtet. Schliesslich können die Lenkungssysteme teilweise Innovationsanreize schaffen.

Studien zur Vorlage Die Auswirkungen eines Lenkungssystems auf die Schweiz wurden mithilfe von Simulationen basierend auf einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell beurteilt. Die erste Simulation (Ecoplan 2012, 2013) analysiert die volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines nur auf Lenkungsabgaben beruhenden Systems nach verschiedenen Rückverteilungsarten der Abgabenerträge. Die zweite Simulation (Ecoplan 2015) untersucht die unter Ziffer 1.5.2 vorgestellten Kombinationen. Die beiden Studien basieren auf unterschiedlichen Ausgangshypothesen (Klima- und Energieziele, verwendete Instrumente, Zeithorizonte usw.) und sind somit nicht direkt miteinander vergleichbar.

Diese Schätzungen berücksichtigen nur annähernd und nur einen Teil des Rückgangs der externen Kosten (erste Dividende): Luftverschmutzung, Lärm und Unfälle. Die Reduktion der Klima- und Atomrisikokosten konnte nicht einbezogen werden. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden die durch die
Abgabe ausgelöste Innovation und deren Wachstumswirkungen. Die Simulationen werden immer im Verhältnis zu einem Referenzszenario berechnet. Das Referenzszenario «Weiter wie bisher» (WWB) geht davon aus, dass alle 2012 geltenden energiepolitischen Instrumente, Massnahmen und Gesetze weiterhin in Kraft sind und das Energieverhalten in etwa identisch bleibt. Dieses Szenario nimmt einen exogenen technologischen Fortschritt an. Das Referenzszenario WWB ist insofern von zentraler Bedeutung, als Änderungen bei der Erstellung des Ausgangszenarios die Modellierungsergebnisse stark beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Zielerreichung durch zusätzliche Regulierungen kaum detailliert erfassbar ist.

Die Studie von 2012­2013 zeigt geringe volkswirtschaftliche Auswirkungen der Lenkungsabgaben bei allen Rückverteilungsarten. Den Ergebnissen der Studie zufolge erweisen sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform insgesamt als verhältnismässig moderat.

Die Studie aus dem Jahr 2015 berechnet, wieviel noch zur Zielerreichung fehlt, wenn die Lenkungsabgaben entsprechend den Kombinationen 1­4 (siehe Tabelle 2) 7909

erhoben werden. Im Rahmen der Studie konnten die volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Kombinationen jedoch nicht vergleichbar und zuverlässig abgebildet werden, da sich die zusätzlichen notwendigen Regulierungen nicht detailliert genug im Modell nachbauen liessen. Daher werden nachfolgend die wirtschaftlichen Effekte lediglich qualitativ beurteilt.

Zusätzlich zu den 4 Kombinationen wurden in der Studie von 2015 auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Variante berechnet, in der die Höhe der Abgaben so bestimmt wurde, dass die CO2-Reduktionsziele und die Stromverbrauchsziele genau erreicht werden. Dieser hypothetische Fall erlaubt es, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu berechnen, die im Minimum zur Zielerreichung anfallen. Alle anderen Varianten, die niedrigere Abgabesätze haben, müssen mit zusätzlichen regulatorischen Massnahmen ergänzt werden. Folglich sind ihre negativen Auswirkungen grundsätzlich stärker. In dem hypothetischen Fall wird der Wohlfahrtsverlust für 2030 auf 0,35 % geschätzt und die Verminderung des Bruttoinlandproduktes auf 1,3 %. Nicht berücksichtigt bei der Berechnung der Wohlfahrtseffekte sind die positiven Auswirkungen auf die Wohlfahrt, bedingt durch die reduzierten Nuklear- und Klimarisiken und die reduzierten Nebeneffekte wie die lokale Umweltverschmutzung und deren negative Gesundheitsfolgen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Massnahmen, um die Ausbauziele im Bereich der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu erreichen, wurden in der Studie nicht abgeschätzt.

Die Kombinationen 1 und 2 sehen tiefe Sätze auf Brennstoffen und gar keine Abgabe auf Treibstoffen vor. Diese Kombinationen könnten die klima- und energiepolitischen Ziele nicht von sich aus erreichen. Es wären zusätzliche Massnahmen, Regulierungen und ergänzende Massnahmen erforderlich (Zielvereinbarungen, Ausschreibungen, Informationskampagne usw.). Bezüglich der Regulierungen wäre grosse Vorsicht angebracht, um eine Zielerreichung ohne zu hohe volkswirtschaftliche Kosten zu ermöglichen. Bei den tiefen Lenkungsabgaben der Kombinationen 1 und 2 wird ein weitergehender staatlicher Eingriff erforderlich sein, um die Ziele zu erreichen. Die Kombinationen 3 und 4 sehen eine breite Bemessungsgrundlage vor, die Treibstoffe einschliesst, und bei den Abgaben auf Brennstoffen gleich hohe
oder höhere Sätze als die Kombinationen 1 und 2. Mit den Kombinationen 3 und 4 können die Klima- und Energieziele besser und mit geringeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden.

Die Erarbeitung zusätzlicher Massnahmen ­ wie Vorschriften ­ ist schwieriger, da sich diese nicht an die unterschiedlichen Situationen anpassen (Ecoplan 2015: 55­57). Die Schwierigkeit besteht dann darin, die zusätzlichen Massnahmen möglichst optimal hinsichtlich geringer volkswirtschaftlicher Auswirkungen zu koordinieren. Eine Lenkungsabgabe legt einen identischen Satz für alle fest. So spart jeder Energie (oder CO2) bis zum Punkt, an dem die Kosten zur Reduktion des Verbrauchs einer Einheit (Grenzkosten) gleich den Kosten der eingesparten Energie sind. Die Abgabe lässt nicht nur mehr Freiheit, was ein Vorteil an sich ist, sondern diese Freiheit erhöht ausserdem die Effizienz, da jeder seine Wahl seiner Situation anpassen kann. Die Wirkung ist breiter auf die verschiedenen Kanäle zur Reduktion des Energieverbrauchs verteilt. Lenkungsabgaben belohnen beispielsweise Verhaltensanpassungen wie eine Senkung der Raumtemperatur. Mit dem Gebäudeprogramm hingegen werden solche Verhaltensanpassungen nicht gefördert. Mit den Lenkungsabgaben als Hauptinstrumenten der Kombinationen 3 und 4 können die Ziele zu tieferen Kosten als bei den Kombinationen 1 und 2 erreicht werden.

7910

Die Wirksamkeit der Massnahmen hängt zwar immer von der Umsetzung im Einzelnen ab. Verschiedene Punkte sprechen aber für diesen Paradigmenwechsel: (i) Die Lenkungsabgaben können sich wie oben erwähnt an die unterschiedlichsten Situationen anpassen. (ii) Die Lenkungsabgaben haben keinen Rebound-Effekt.

(iii) Die Abgabe gilt für den Restverbrauch. Der Anreiz zur Senkung des Verbrauchs besteht weiter, während keine Veranlassung dazu besteht, über das Vorschriftsmässige hinauszugehen. (iv) Die Lenkungsabgaben ziehen in der Regel Innovationseffekte nach sich. (v) Die Kosten von Lenkungsabgaben (für Verwaltung, Umsetzung, Transaktion) sind generell geringer als die von Vorschriften. Letztere könnten sich jedoch subsidiär als sinnvoll erweisen (Infras et al. 2013: 125). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Abgabesätze nicht auf einem für die Zielerreichung ausreichend hohen Niveau festgelegt werden können oder wenn Marktversagen ein vollständiges Greifen der Abgabe verhindert wie beispielsweise im Mietwohnungsbereich.

Im Mietbereich kann es sein, dass eine Lenkungsabgabe nicht ideal funktioniert.

Nach dem Mietrecht können die Kosten für energetische Sanierungen aber weitgehend auf die Mieten überwälzt werden. Es sind Bemühungen für mehr Transparenz bei den Energiekosten in Gang, sodass Wohnungssuchende künftig nicht nur die Miete, sondern auch die Kosten einschliesslich der energetischen Kosten berücksichtigen können. Die Wirkung der Lenkungsabgabe im Mietbereich ist aber dennoch in dreierlei Hinsicht begrenzt.

Erstens wird ohne individuelle Heizungs- und Warmwasserkostenabrechnung keine Wirkung auf das Verhalten der Mieterinnen und Mieter erzielt. Dieser Nachteil dürfte allerdings bei energetischen Sanierungen nicht auftreten. Denn eine energetische Sanierung kann auch ohne individuelle Abrechnung im Interesse des Eigentümers sein, wenn er damit die Kosten genügend reduzieren kann, um sein Objekt trotz höherer Mieten infolge der Überwälzung der Investition auf die Mieterinnen und Mieter attraktiver zu machen.

Zweitens profitieren langjährige Mieterinnen und Mieter oft von einer Miete deutlich unter der Marktmiete. Unter diesen Umständen regen Lenkungsabgaben nur schwerlich dazu an, in eine Wohnung mit einem geringen Energiebedarf umzuziehen, und der Eigentümer hat wenig Anreiz, eine energetische
Sanierung durchzuführen. Dieses Problem tritt auf, muss aber aus nachfolgenden Gründen relativiert werden. In einem Mietshaus kann ein Teil der Wohnungen seit Langem, ein anderer Teil der Wohnungen erst seit Kurzem vermietet sein. Die neuen Mieterinnen und Mieter, die den Marktpreis bezahlen müssen, sind mobiler als die alten und können deshalb den Eigentümer zu energetischen Gebäudesanierungen bewegen. Einige dieser Gebäudesanierungen, wie beispielsweise einer Rennovation der Fassade, werden auch den langjährigen Mieterinnen und Mietern zugute kommen. Ausserdem werden früher oder später alle Wohnungen neu vermietet. Ferner kann die Wirkung von Lenkungsabgaben mit Vorschriften ergänzt werden. Auf jeden Fall wäre es unverhältnismässig, wenn bloss aufgrund dieses speziellen Falls die Subventionen für alle Gebäude aufrechterhalten würden. Zwar könnten die Subventionen auf die Gebäude beschränkt werden, bei denen die Miete klar unter dem Marktpreis liegt.

Allerdings erscheint es nicht gerechtfertigt, dass von den Subventionen nur diejenigen Mieterinnen und Mieter profitieren, die bereits sehr vorteilhafte Mieten haben.

Drittens können Mieterinnen und Mieter den Eigentümer, wenn dieser auf für ihn selbst (dank Überwälzung der Kosten auf die Mieten) rentable energetische Sanierungen verzichtet, nicht zu Investitionen zwingen und ihn bei ausgetrocknetem Wohnungsmarkt kaum dazu animieren. Es fragt sich deshalb, inwieweit dieser Fall 7911

realistisch ist. Diese wichtigen Fragen werden bei der Erarbeitung der Gesetze im Einzelnen anzugehen sein.

3.2

Auswirkungen auf den Bund

Die Reform muss für den Bund haushaltsneutral bleiben. Nach einer Übergangszeit, in der ein Teil der Einnahmen noch zur Finanzierung der letzten Förderzusagen dient (zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs sowie für die Produktion aus erneuerbaren Energien), wird der Ertrag aus den Abgaben vollständig an die Bevölkerung und die Wirtschaft rückverteilt. Grundsätzlich wirkt sich die Reform weder belastend noch entlastend auf den Bundeshaushalt aus.

Die Lenkungsabgaben können jedoch über drei Kanäle indirekte Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben: indirekte Auswirkungen auf andere Steuern (Ziff. 3.2.1), personelle Auswirkungen (Ziff. 3.2.2), Reduktion der Kosten in Bezug auf Atomund Klimarisiken (Ziff. 3.2.3). Nicht berücksichtigt werden hier die Auswirkungen der Lenkungsabgaben, die auch der Bund bezahlen muss, beispielsweise für seinen Stromverbrauch und die Heizung seiner Gebäude.

3.2.1

Indirekte Auswirkungen auf andere Steuern

Mineralölsteuer Die Mineralölsteuer ist eine Verbrauchssteuer, die auf Erdöl, anderen Mineralölen, Erdgas und den bei ihrer Verarbeitung gewonnenen Produkten sowie auf Treibstoffen erhoben wird. Ausserdem wird auf den Treibstoffen ein Mineralölsteuerzuschlag erhoben. Die Steuersätze hängen vom Produkt und seiner Verwendung ab (z.B.

73.12 Rappen pro Liter für bleifreies Benzin, 75.87 Rappen pro Liter Diesel und 0.3 Rappen für Heizöl Extraleicht). 2014 machte die Mineralölsteuer 7,8 Prozent der Bundeseinnahmen aus. Die Hälfte der Einnahmen aus der Treibstoffsteuer und der ganze Zuschlag werden zweckgebunden für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassen- und Luftverkehr verwendet. Auf eidgenössischer Ebene erfolgt die Finanzierung der Aufgaben und Ausgaben für den Strassenverkehr im Rahmen der Spezialfinanzierung Strassenverkehr, die zu rund 90 Prozent von diesen Einnahmen gespiesen wird. Die andere Hälfte der Einnahmen aus der Treibstoffsteuer und die Steuer auf den Brennstoffen fliessen in die Bundeskasse. Wenn das Benzin in der Schweiz billiger ist als in den Nachbarländern, kommen Autofahrer aus dem Ausland zum Tanken in die Schweiz. Dieser Tanktourismus führt zu Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer. Eine Erhöhung der Treibstoffabgaben oder eine Aufwertung des Schweizer Frankens kann dieses Phänomen verringern oder gar umkehren.

Die Einführung einer Lenkungsabgabe auf den Treibstoffen würde zu einem Rückgang des Treibstoffverbrauchs führen, dessen Umfang von der Reaktion der Autofahrerinnen und -fahrer abhängt (weniger Fahrten, effizientere Fahrzeuge). Dieser im Rahmen eines Lenkungssystems gewollte Effekt ist für die Einnahmen aus den Mineralölsteuern problematisch. Denn im gleichen Masse, wie diese sinken, nehmen auch die zweckgebundenen Mittel für den Strassenverkehr und der Beitrag an den allgemeinen Haushalt ab. Um diesem Problem zu begegnen, könnten die Mineralölsteuersätze angehoben werden. Im Grundsatz soll ein Total an Steuereinnahmen beibehalten werden, das ausreicht, um den gewollten Lenkungseffekt zu erzeugen, 7912

während die Sätze der Lenkungsabgaben und der Mineralölsteuer innerhalb dieses Totals so angepasst werden können, dass die Mineralölsteuereinnahmen trotz Lenkungsabgabe gewährleistet wären. Hierzu sei angemerkt, dass das Parlament derzeit über neue Verfassungsbestimmungen zur Sicherstellung der Strassenfinanzierung diskutiert.15 Es ist möglich, dass die Mineralölabgabe im Endeffekt durch das System eines Mobility Pricing abgelöst wird, das heisst durch einen Nutzerbeitrag für die Verwendung der Infrastruktur. Der Zusammenhang zwischen einer Lenkungsabgabe auf Treibstoff und einem Pricing-System wäre jedoch weniger ausgeprägt als bei der Mineralölabgabe, da die Einnahmen des Pricings vom Tanktourismus praktisch nicht beeinflusst werden. Zwischen einer Lenkungsabgabe auf Treibstoffen und Mobility Pricing bestehen verschiedene Interdependenzen, die noch vertieft abgeklärt werden müssten.

Schwerverkehrsabgabe Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) wird gestützt auf Artikel 85 BV erhoben, wonach der Bund auf dem Schwerverkehr eine leistungs- oder verbrauchsabhängige Abgabe erheben kann, soweit der Schwerverkehr der Allgemeinheit Kosten verursacht, die nicht durch andere Leistungen oder Abgaben gedeckt sind. Die LSVA wird auf im In- oder Ausland immatrikulierten Fahrzeugen über 3.5 Tonnen erhoben, die das Schweizer Strassennetz befahren. Sie hängt von drei Faktoren ab: der zurückgelegten Strecke (km), dem zulässigen Gesamtgewicht (Tonnen) und den EURO-Fahrzeugnormen. Die LSVA ist auf drei Arten beschränkt. (i) Ihre Sätze, verteilt auf drei Kategorien, sind durch das bilaterale Landverkehrsabkommen16 begrenzt: Das gewichtete Mittel darf nicht 325 Franken für 40 Tonnen bei 300 gefahrenen Kilometern überschreiten und die Abgabe der höchsten Verschmutzerkategorie darf nicht 380 Franken überschreiten. (ii) Artikel 8 des Schwerverkehrsabgabegesetzes vom 19. Dezember 199717 (SVAG) legt einen Höchsttarif von 3 Rappen pro Tonnenkilometer für den mittleren Satz fest. (iii) Artikel 7 SVAG besagt, dass der Ertrag der Abgabe die ungedeckten Wegekosten und die Kosten zulasten der Allgemeinheit nicht übersteigen darf. Die ungedeckten Wegekosten entsprechen dem Saldo der Strassenrechnung, die Kosten zulasten der Allgemeinheit den externen Nettokosten des Schwerverkehrs (Luftverschmutzung, Unfälle, Lärm,
Auswirkungen auf Klima usw.). Zwei Drittel der LSVA-Erträge werden zur Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte verwendet, und ein Drittel geht zur Deckung der ungedeckten Kosten des Strassenverkehrs an die Kantone.

Die Einführung einer Klimaabgabe auf Treibstoffen könnte zu einem potenziellen Konflikt zwischen dieser Lenkungsabgabe und der LSVA führen, indem die externen Klimakosten des Schwerverkehrs doppelt gedeckt würden. Bei der Einführung der Treibstoff-Klimaabgabe würden zur Vermeidung der doppelten Anrechnung deshalb die externen Klimakosten vom Total der für die LSVA relevanten externen Kosten abgezogen. Artikel 131a Absatz 5 BV liesse diese Lösung des Konflikts zu: Sollte der Abzug der externen Klimakosten zu einer Senkung des LSVA-Satzes und damit zu einer Einbusse führen, müsste diese durch einen entsprechenden Anteil an 15 16

17

NAF-Botschaft vom 18. Februar 2015, BBl 2015 2065.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (SR 0.740.72).

SR 641.81

7913

den Einnahmen aus der Klimaabgabe kompensiert werden. Dieser Ausgleich begünstigt aber ausländische Transportunternehmen gegenüber inländischen, weil sie im Ausland tanken und so von der Senkung der LSVA profitieren könnten, ohne von einer Erhöhung der Treibstoffabgaben betroffen zu sein. Dieser Effekt bestünde aber nur bei einer tatsächlichen Reduktion des LSVA-Satzes und günstigeren Treibstoffpreisen im Ausland.

Direkte Bundessteuer und Mehrwertsteuer Eine Auswirkung der Lenkungsabgaben auf die Wirtschaftsaktivität würde sich auf die Bemessungsgrundlage der direkten Bundessteuer und der MWST auswirken.

Der Effekt wäre voraussichtlich wegen der geringen Auswirkung auf die Volkswirtschaft minim. Zudem würde die Auswirkung auf diese Bemessungsgrundlagen zumindest teilweise durch gegenläufige Effekte kompensiert. Denn die an die Unternehmen rückverteilten Abgabenerträge sind der direkten Bundessteuer und die Energieabgabe der MWST unterstellt.

3.2.2

Personelle Auswirkungen

Ein Lenkungssystem ermöglicht es, die Klima- und Energieziele auch aus administrativer und damit aus personeller Sicht zu geringeren Kosten zu erreichen. Bei der Umsetzung der Lenkungsabgaben würden hauptsächlich bestehende Instrumente genutzt (Netzzuschlag, CO2-Abgabe) und dadurch kaum neue Verwaltungskosten generiert. Die Etappe der ES 2050 sieht vor, dass die Erhebung des Netzzuschlages von der Swissgrid an den Bund übertragen wird. Die Einführung einer Stromabgabe als Ersatz für den Netzzuschlag im Rahmen der nächsten Etappe würde die Situation deshalb kaum verändern. Im Gegenzug würde der Rückgang der Förderzusagen eine Reduktion der diesbezüglichen Verwaltungskosten herbeiführen.

Die administrativen Kosten werden derzeit aus den Erträgen der CO2-Abgabe respektive des Netzzuschlags finanziert. Die Verringerung dieser Kosten entlastet den Bund nicht, sondern ermöglicht eine umfassendere Rückverteilung an die Bevölkerung und die Wirtschaft.

Der Personalaufwand für die Bewirtschaftung der Ausnahmeregelung für Unternehmen ist von den Modalitäten des Systems abhängig. Bei zu Beginn gleich bleibendem Kreis der befreiten Unternehmen wie bisher wären die Personalkosten anfänglich identisch und könnten bei einer Erweiterung dieses Kreises mit steigenden Abgaben zunehmen. Die Auswirkungen des Lenkungssystems auf den Personalbedarf werden bei der Ausarbeitung der Ausführungsgesetze näher präzisiert.

3.2.3

Kosten in Bezug auf Atom- und Klimarisiken

Die Reform zielt auf den Atomausstieg und die Erreichung der nationalen Klimaziele ab. Die Atomkraftwerke liegen im Mittelland, dem am stärksten besiedelten Gebiet der Schweiz. Eine Atomkatastrophe hätte neben desaströsen Folgen für Bevölkerung und Umwelt auch Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen. Zudem produziert die Stromerzeugung der Atomkraftwerke Abfälle, deren Lagerung mit Strahlungsrisiken verbunden ist, welche Ausgaben für den Bund nach sich ziehen können.

7914

In Bezug auf die CO2-Emissionen wird die Einführung eines Lenkungssystems langfristig zu den internationalen Bemühungen beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. Der Bund könnte dann künftige Ausgaben wie beispielsweise Instandstellungskosten der Infrastruktur vermeiden. Wie unter Ziffer 3.5 dargelegt, zieht die Reduktion der CO2-Emissionen auch eine Reduktion anderer Schadstoffe nach sich, was zu einer Entlastung bei den Gesundheitsausgaben führt.

3.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Da es sich beim Lenkungssystem um nationale Abgaben handelt, deren Rückverteilung grundsätzlich über die Krankenkassen und die Ausgleichskassen erfolgt, betrifft dessen Einführung die Kantonshaushalte nicht direkt. Sie kann jedoch indirekte Auswirkungen auf die Wirtschaft der Kantone (Ziff. 3.3.1) sowie weitere indirekte Wirkungen auf die Finanzen der Kantone (Ziff. 3.3.2) haben.

3.3.1

Wirtschaft der Kantone

Gesamtschweizerisch wird der Ertrag aus den Lenkungsabgaben langfristig vollständig rückverteilt. Allerdings werden die Kantone mit hohem Energieverbrauch zugunsten der Kantone mit geringem Verbrauch mehr beitragen als sie erhalten.

Neben den erhobenen und erhaltenen Beträgen muss die Wirkung auf die Wirtschaft berücksichtigt werden.

Verschiedene Faktoren beeinflussen den Energieverbrauch: das Einkommen (einkommensschwache Kantone begünstigt), das Klima (Regionen mit milderem Winter begünstigt), der öffentliche Verkehr (Agglomerationen begünstigt), die Verfügbarkeit alternativer Energien (Regionen mit Sonne, Holz, Wind usw. begünstigt), die Struktur der Wirtschaft (Regionen mit Ausrichtung auf geringverbrauchende Branchen begünstigt). Die Auswirkungen auf die Kantone können ein unterschiedliches Mass oder eine unterschiedliche Richtung aufweisen, je nachdem, ob die Unternehmen oder die Haushalte betrachtet werden (Ecoplan 2015). Bergregionen wären benachteiligt, da dort das Auto weniger gut durch den öffentlichen Verkehr ersetzt werden kann und allenfalls das Klima rauer ist; sie könnten aber beispielsweise Holz als Brennstoff besser nutzen. Gemäss Ecoplan (2015: Ziff. 5.2) wären die regionalen Unterschiede verhältnismässig gering. Der vorgeschlagene Verfassungsartikel sieht somit keinen Ausgleich unter den Regionen vor.

3.3.2

Indirekte Auswirkungen auf die Finanzen der Kantone

Die Kantonshaushalte wären von indirekten Auswirkungen betroffen. Eine Auswirkung auf ihre Volkswirtschaft, die jedoch gering bleiben dürfte, würde sich in ihren Finanzen insbesondere auf der Einnahmenseite niederschlagen. Ausserdem würden sich auf die Kantone auch geringere Einnahmen aus der Mineralölsteuer auswirken, die mit einer Erhöhung dieser Steuer kompensiert werden könnten. Zudem erhalten 7915

die Kantone einen Drittel der LSVA. Wie bereits gesagt, würde die allfällige Wirkung auf die Einnahmen durch die Vermeidung der doppelten Anrechnung kompensiert. Hingegen würden rückläufige Einnahmen der LSVA aufgrund des Minderverkehrs nicht ausgeglichen. Das ist folgerichtig, da die LSVA in erster Linie darauf abzielt, dass der Schwerverkehr für die Kosten aufkommt, die er verursacht, und dass diese Kosten bei geringerem Verkehr rückläufig sind. Im Kanton Basel-Stadt gibt es bereits eine Stromabgabe ähnlich der auf Bundesebene geplanten. Im Kanton Waadt und in einigen Waadtländer Gemeinden werden heute schon Stromabgaben erhoben, die nicht zur Finanzierung der Stromversorgung dienen. Für die Kantone und Gemeinden ändert sich nichts: Die Lenkungsabgaben des Bundes hindern sie nicht daran, weiterhin oder neu solche Abgaben zu erheben.

Es ist vorgesehen, dass die pauschale Rückverteilung an die Bevölkerung über die Krankenkassen erfolgt. Das Risiko einer Unterschätzung der Gesundheitsausgaben ist durch die genaue Bezifferung der Gesamthöhe der Krankenkassenprämie vor der Rückverteilung kalkulierbar. Eine weitere Option der pauschalen Rückverteilung bestünde beispielsweise in Form von Schecks. In diesem Fall könnte die Aufgabe den kantonalen Veranlagungsbehörden übertragen werden. Diese müssten somit Mehrkosten gewärtigen, insbesondere für den Aufbau des dafür notwenigen Systems. Vor allem die verlässliche Bestimmung der Rückerstattungsberechtigten würde technische und administrative Kosten mit sich bringen.

Die Stromerzeugung ist oft in öffentlicher Hand. Die Auswirkungen auf die Stromproduzenten hängen von den Modalitäten der Stromabgabe ab. Der vorgeschlagene Verfassungsartikel besagt nicht, ob eine einheitliche Abgabe erhoben wird oder ob die Höhe von der Erzeugungsart abhängt. Die Auswirkungen auf die Stauwerkseigentümer werden davon abhängen, ob für Stauwerke ein reduzierter Satz gilt oder nicht.

Mit dem Verfassungsartikel werden nicht nur Lenkungsabgaben eingeführt, sondern auch Förderzusagen abgebaut. Zwar werden Förderzusagen derzeit weitgehend durch eine Zweckbindung der bestehenden Lenkungsabgaben finanziert. Ein Teil der Förderzusagen stammt jedoch aus öffentlichen Haushalten, insbesondere der Kantone. So wird das Gebäudeprogramm über einen Teil des Ertrags der CO2Abgabe finanziert,
jedoch auch über 60­100 Millionen Franken an kantonalen Förderzusagen. Die schrittweise Ablösung der Förderzusagen durch Lenkungsabgaben wird die Kantonshaushalte somit entlasten.

3.4

Auswirkungen auf die Umwelt

Nach der von der EFV vorgenommenen Nachhaltigkeitsbeurteilung der Klima- und Energielenkungsabgaben (EFV 2015) sind die Auswirkungen der neuen Verfassungsbestimmung auf die Umwelt sehr positiv. Dieses Ergebnis erstaunt nicht, da die Bewahrung der Umwelt zu den Hauptzielen dieser Lenkungsabgaben gehört. Die neue Verfassungsbestimmung hat positive Auswirkungen auf alle Umweltkriterien der Nachhaltigkeitsbeurteilung: erneuerbare und nicht erneuerbare Ressourcen, natürliche Umwelt, Naturkatastrophen, Unfallrisiken, Naturräume und Biodiversität.

Über die Klimaabgabe führt die neue Verfassungsbestimmung zu einer Verteuerung der nicht erneuerbaren Energien wie Heizöl, Erdgas und Erdöl und damit normalerweise zu einer Reduktion von deren Verbrauch und der negativen Externalitäten, die 7916

sie mit sich bringen. Ausserdem wird diese Abgabe dazu beitragen, den Anteil an erneuerbaren Energien im Brennstoffbereich und, wenn die CO2-Abgabe auf Treibstoffen eingeführt wird, im Treibstoffbereich zu erhöhen (Pellets, Biotreibstoffe usw.). Die Verbrennung erneuerbarer Energien wird jedoch nur dann eine positive Bilanz bei der Luftqualität aufweisen, wenn sie in Anlagen mit geringem Feinstaubausstoss erfolgt. In Bezug auf die Stromabgabe könnte mit einer einheitlichen Abgabe der Stromverbrauch gesamthaft gesenkt werden. Eine differenzierte Abgabe könnte den von erneuerbaren Energien produzierten Strom begünstigen.

Die Auswirkung auf die natürliche Umwelt ist positiv. Denn die Lenkungsabgaben haben zum Ziel, die CO2-Emissionen zu senken und die Energieziele ­ das heisst die Senkung des Energie- und Stromverbrauchs ­ zu erreichen. Die Massnahmen zur Verringerung der Klimaschäden können sich durch geringere Verschmutzung auf die Luftqualität auswirken. Denn lokale Schadstoffe (Stickoxid, Kohlenmonoxid, Feinstaub, Ozon), die zusammen mit den Treibhausgasen ausgestossen werden, nehmen ab und mit ihnen die Schäden, die sie verursachen, hauptsächlich an der Gesundheit (siehe Ziff. 3.5), aber auch an Gebäuden, Wald und Landwirtschaft.

Mittel- und langfristig kann davon ausgegangen werden, dass die Einführung der Lenkungsabgaben zu weniger Treibhausgasemissionen und zusammen mit den Beiträgen anderer Länder zur Senkung der Klimaauswirkungen wie Extremereignissen und anderen Naturkatastrophen beisteuern wird. Ausserdem ist die vorgeschlagene Reform ein Instrument zum Atomausstieg und damit zur Vermeidung erheblicher Umweltauswirkungen, die von den Strahlungsrisiken ausgehen (Atomunfall, Transport- und Lagerungsproblematik radioaktiver Abfälle).

Schliesslich führt der Klimawandel nachweislich zu teils irreversiblen Schäden der Biodiversität wie Artenschwund, Störung von Ökosystemen oder Veränderung der Verbreitungsgebiete bestimmter Arten und Populationen. Die direkten oder indirekten Auswirkungen des Klimawandels können zur Zerstörung natürlicher Lebensräume und längerfristig zu Veränderungen landschaftlicher Wesensmerkmale führen. Jede Massnahme, die auf die Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels abzielt, trägt damit auch zur Reduktion dieser Phänomene bei.

3.5

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Dieses Kapitel nimmt die wichtigsten gesellschaftlichen Kriterien der Nachhaltigkeitsbeurteilung für die Lenkungsabgabenvorlage (EFV 2015) bezüglich Gesundheit sowie Solidarität und Gemeinschaft auf.

Auswirkungen auf die Gesundheit Eine Strategie, die auf die Reduktion des Treibhausgasausstosses abzielt, kann sich gesundheitlich positiv auswirken, da sie die lokalen Schadstoffe in der Luft teilweise zu senken vermag. Einige Schadstoffe (Feinstaub PM 10 und PM 2,5, Schwefel, Stickoxid und Ozon) dringen tief in die Atemwege ein (ERS 2010). Die Schwebeteilchen haben direkte Effekte auf die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System.

Ozon kann die Lungenfunktion beim Menschen stark beeinträchtigen. Kohlenmonoxid wirkt auf das Herz-Kreislauf-System. Es reduziert die im Blut transportierte Sauerstoffmenge und schädigt dadurch vor allem Gehirn und Herz. Stickoxide verstärken die Leiden von Asthmatikern. Russpartikel von Dieselfahrzeugen schliesslich sind krebserregend.

7917

Man spricht von Zusatznutzen, wenn durch die Verringerung von CO2-Emissionen auch andere Luftschadstoffe reduziert und damit eine Anzahl von Schäden für Gesundheit, Gebäude, Landwirtschaft oder Biodiversität vermieden werden. Studien (econcept 2008 und 2009) haben gezeigt, dass dieser Zusatznutzen durch die Senkung der Schadstoffemissionen im Verkehr hauptsächlich den gesundheitlichen Bereich betrifft. Zusätzlich zur Senkung der CO2-Emissionen werden Spitaltage aufgrund von Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, akuter Bronchitis bei Kindern, Asthmaanfällen bei über 15-Jährigen und Tage eingeschränkter Aktivität bei über 20-Jährigen vermieden. Die externen Kosten des Strassenverkehrs im Gesundheitsbereich wurden auf 1,5 Milliarden Franken veranschlagt (Ecoplan & Infras 2014).

Die Erzeugung von Kernenergie ist mit zwei Arten von Risiken für die Gesundheit behaftet: Entweichen von Strahlung aus den Kernkraftwerken und bei der Lagerung der Abfälle. Diese Risiken werden dank dem Atomausstieg, der zur nächsten Etappe der ES 2050 führen wird, langfristig eliminiert bzw. verringert.

Solidarität und Rückverteilungseffekte Ein Klima- und Energielenkungssystem will die Interessen der künftigen Generationen bewahren. Es fördert die Solidarität unter den Generationen, indem es dazu beiträgt, einen Planeten zu hinterlassen, auf dem der Klimawandel abgebremst wird, auf dem rationell, sparsam und effizient mit erneuerbaren und nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen umgegangen wird und der auf lokaler Ebene frei ist von atomaren Risiken.

Darüber hinaus würde das Lenkungssystem die Generationensolidarität zwischen Haushalten mit geringerem und solchen mit höheren Einkommen verstärken. Bei Abgaben stellt sich oft die Frage ihrer regressiven Wirkung, das heisst, dass Haushalte mit geringerem Einkommen proportional mehr zahlen als solche mit höherem Einkommen. Die anderen Instrumente haben jedoch auch Rückverteilungseffekte, die oft nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise kommen Förderungen der Photovoltaik hauptsächlich Eigentümern zugute. Zudem können die Einkünfte aus Lenkungsabgaben durch die Art ihrer Rückverteilung dazu beitragen, dass das System weniger regressiv oder gar progressiv wirkt, obschon dies nicht deren Hauptziel ist. Denn Haushalte mit geringerem
Einkommen müssen zwar einen höheren Anteil ihrer Einnahmen für den Energieverbrauch ausgeben, verbrauchen aber tendenziell absolut gesehen weniger Energie. Somit erhalten sie bei einer ProKopf-Rückverteilung der Ausgabeneinnahmen tendenziell mehr zurück als sie beigetragen haben. Diese Progression wurde von den Ecoplan-Studien (2012 und 2015) bestätigt. Beispielsweise weist Kombination 4 mit hohen Abgaben eine progressive Wirkung auf. Diese beruht darauf, dass ein höherer Betrag pro Kopf rückverteilt wird als in den Kombinationen mit tieferen Abgaben, bei denen Vorschriften eine grössere Rolle spielen.

7918

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Legislaturplanung 2011­201518 beinhaltet als ein Ziel die Stärkung der Attraktivität und Glaubwürdigkeit des schweizerischen Steuersystems (Ziel 6). Zur Erreichung dieses Ziels werden drei Massnahmen vorgeschlagen, darunter Massnahme 20 «Botschaft zur ökologischen Steuerreform verabschieden». Obschon heute eher von einem Lenkungssystem als von einer ökologischer Steuerreform im engeren Sinn die Rede ist, wird mit der Verankerung eines Klima- und Energielenkungssystems durch den vorgeschlagenen Verfassungsartikel 131a Massnahme 20 der Legislaturplanung umgesetzt.

4.2

Verhältnis zur Strategie Nachhaltige Entwicklung

Die Schweiz hat die nachhaltige Entwicklung zum langfristigen Staatsziel erhoben.

In der Bundesverfassung ist die nachhaltige Entwicklung mehrfach verankert, unter anderem im einleitenden Artikel 2 zum Zweck der Eidgenossenschaft. Zudem ist ihr im Umweltbereich ein besonderer Artikel gewidmet (Art. 73). Um den Verfassungsauftrag zu erfüllen, formuliert der Bundesrat seine Absichten seit 1997 regelmässig in der Strategie Nachhaltige Entwicklung. Die Strategie 2012­201519 ist eine Teilstrategie der Legislaturplanung. Sie will die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Umweltschutz und dem sozialen Zusammenhalt in Einklang bringen. Der Aktionsplan dieser Strategie enthält eine Massnahme «Ökologisierung des Steuersystems» (Massnahme 9-1), mit welcher der Bundesrat das Steuersystem stärker an dessen ökologischen Auswirkungen ausrichtet. Der vorgeschlagene Verfassungsartikel 131a stellt eine Teilumsetzung dieser Massnahme dar.

4.3

Verhältnis zum Aktionsplan Grüne Wirtschaft

Der vom Bundesrat am 8. März 2013 gutgeheissene Aktionsplan Grüne Wirtschaft stellt die Grundlage für die Revision des Umweltschutzgesetzes dar. Diese Revision bildet den Gegenvorschlag zur Volksinitiative «für eine Grüne Wirtschaft». Die diesbezügliche Botschaft wurde am 12. Februar 201420 verabschiedet. Die Internalisierung externer Effekte durch Lenkungsabgaben trägt wesentlich und auf ökonomisch effiziente Weise zur Schonung natürlicher Ressourcen bei. Die Arbeiten zur Grünen Wirtschaft verfolgen ebenfalls das Ziel, natürliche Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Wirtschaft zu stärken.

18 19 20

Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012 über die Legislaturplanung 2011­2015, BBl 2012 7155, hier 7157 Im Internet abrufbar unter www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung BBl 2014 1817

7919

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Bei der Vorlage geht es um die Ergänzung der Bundesverfassung mit einem neuen Artikel 131a und der zugehörigen Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 12). Die Umsetzung auf Gesetzesstufe ist erst in einem späteren Zeitpunkt vorgesehen.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der vorliegende Entwurf ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Im Rahmen der gesetzlichen Umsetzung des vorgeschlagenen Verfassungsartikels werden die Entwicklungen auf internationaler und EU-Ebene beachtet. Insbesondere soll die Vereinbarkeit mit bilateralem Recht (Schweiz-EU) und WTO-Recht sichergestellt werden. Dabei sollen auch allfällige Vorgaben in Zusammenhang mit dem geplanten Stromabkommen Schweiz-EU berücksichtigt werden.

5.3

Erlassform

Der Bundesbeschluss zu einem Verfassungsartikel über die Klima- und Stromabgaben ergänzt die Bundesverfassung mit einem neuen Artikel 131a und der zugehörigen Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 12). Er untersteht daher obligatorisch der Abstimmung des Volkes und der Stände.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte insbesondere Subventionsbestimmungen über einer bestimmten Schwellenhöhe. Gegenstand der Ausgabenbremse sind allerdings nur Subventionsbestimmungen in formellen Bundesgesetzen. Ausserdem ist es gerade Zweck der Vorlage, durch den Übergang zu einem Lenkungssystem bestimmte Subventionen im Energiebereich über mittlere und längere Frist abzubauen und aufzuheben. Die Ausgabenbremse kommt deshalb nicht zur Anwendung.

7920

5.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Nach Artikel 6 Buchstabe e des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199021 (SuG) können Bestimmungen über Finanzhilfen erlassen werden, wenn die Aufgabe nicht auf andere Weise einfacher, wirksamer oder rationeller erfüllt werden kann. Ausserdem sind nach Artikel 7 Buchstabe f SuG wenn möglich zeitlich befristete Aufbau-, Anpassungs- oder Überbrückungshilfen vorzusehen. Der Übergang zu einem Lenkungssystem in Verbindung mit dem stufenweisen Abbau und schliesslich der Aufhebung bestehender Subventionen entspricht somit den Grundsätzen des Subventionsgesetzes.

21

SR 616.1

7921

Abkürzungsverzeichnis AHV ARE BFS BIP BV CO2 EFD EFV EHS EnG ES 2050 EU GATT HKN KELS KEV KMU kWh LSVA MWST NEAT OECD PM SECO SR SuG SVAG TWh UVEK UVG VOC WTO WWB

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Alters- und Hinterlassenenversicherung Bundesamt für Raumentwicklung Bundesamt für Statistik Bruttoinlandprodukt Bundesverfassung Kohlenstoffdioxid Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzverwaltung Emissionshandelssystem Energiegesetz Energiestrategie 2050 Europäische Union Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen Herkunftsnachweis Klima- und Energielenkungssystem Kostendeckende Einspeisevergütung kleine und mittlere Unternehmen Kilowattstunde Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe Mehrwertsteuer Neue Eisenbahn-Alpentransversale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Particulate Matter (Feinstaub) Staatssekretariat für Wirtschaft Systematische Rechtssammlung Subventionsgesetz Bundesgesetz über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe Terawattstunde Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Unfallversicherungsgesetz Volatile organic compounds (flüchtige organische Verbindungen) World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Weiter wie bisher

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