00.014 Botschaft über die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung und die mittelfristige Finanzierung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 2. Februar 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Entwürfe zu einem Bundesbeschluss über die Finanzierung der AHV/IV durch Anhebung der Mehrwertsteuersätze und zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie zum Bundesgesetz betreffend die Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1986 P 86.362

Ersatzeinkommen aus Sozialversicherungen. AHV-Beitragspflicht (N 20.6.86, Ziegler)

1994 P 94.3183

AHV-Beiträge bei Versicherungsleistungen nach UVG (N 7.10.94, Vollmer)

1995 M 94.3175

11. AHV-Revision. Gleiches Rentenalter (S 9.6.94, Kommission Ständerat [90.021]; N 2.10.95)

1996 M 95.3048

11. AHV-Revision zur Sicherstellung einer gesunden AHV (N 20.6.96, Freisinnig-demokratische Fraktion; S 12.12.96)

1996 M 95.3534

Langfristige Finanzierung der AHV (S 11.12.95, Schiesser; N 20.6.96)

1997 P 97.3065

AHV. Nachzahlungsmöglichkeiten für fehlende Beitragsjahre (N 20.6.97, Vermot)

1998 P 98.3167

Aufhebung des Freibetrages für gut gestellte Rentner (N 26.6.98, Epiney)

1998 P 98.3308

Bonus für Freiwilligenarbeit im Sozialbereich (N 9.10.98, Widmer)

1999 M 98.3524

Rentenanpassungen der AHV-Renten (N 2.12.98, Kommission Nationalrat [98.059]; S 3.3.99)

1999 P 98.3599

Einkünfte aus selbstständigem Nebenerwerb. AHV-Beiträge (N 16.12.98, David)

1999-6204

1865

1999 P 97.3571

Verbesserung der AHV-Renten für allein Stehende (N 17.6.99, Baumann Stephanie)

1999 P 99.3041

Postulat Schiesser, Sicherung der Sozialversicherungen. Klare Aussagen

Im Bereich der beruflichen Vorsorge: 1987 P 87.437

Berufliche Vorsorge. Gleichbehandlung von Mann und Frau (N 9.10.87, Camenzind)

1988 P 88.549

Flexibles Rentenalter über 2. und 3. Säule (N 7.10.88, Basler)

1998 P 98.3336

BVG. Flexibilisierung des Rücktrittsalters (N 9.10.98, Hochreutener)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

2. Februar 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10870

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

1866

Übersicht Hauptziele der 11. AHV-Revision sind die mittel- und längerfristige finanzielle Sicherung der AHV und die Einführung eines sozial ausgestalteten flexiblen Rentenalters.

Der Bundesrat stellt die 11. AHV-Revision in den Gesamtzusammenhang der Weiterentwicklung und finanziellen Konsolidierung aller Sozialversicherungen. Er hat dazu umfangreiche Vorarbeiten durchgeführt (Dreisäulenbericht, Berichte der Interdepartementalen Arbeitsgruppe "Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen" IDA FiSo 1 und IDA FiSo 2). Einleitend in dieser Botschaft wird eine Gesamtschau der vom Bundesrat bereits umgesetzten und vorgesehenen Massnahmen wie auch der mittel- und langfristigen Perspektiven im Bereich der Sozialversicherungen dargestellt und aufgezeigt, wie sich die 11. AHV-Revision in diesem globalen Kontext einbettet. Mit der 11. AHV-Revision werden Vorschläge für den Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge-Versicherungen unter breitet.

Die finanzielle Lage der AHV wird durch die demografische Entwicklung geprägt: Die Verlängerung der Lebenserwartung und die immer grösser werdende Zahl von Personen im Rentenalter im Verhältnis zu den Personen im erwerbsfähigen Alter stellen die AHV zunehmend vor finanzielle Probleme. Diese haben sich durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre verschärft. Als erste rasch greifende Massnahme zur Konsolidierung der AHV haben Bundesrat und Parlament auf Anfang 1999 die Mehrwertsteuer um einen Pro zentpunkt erhöht.

Diese zusätzlichen Mittel genügen aber noch nicht zur Herstellung eines dauerhaften finanziellen Gleichgewichts der AHV. Um die Wirtschaft nicht durch eine Erhöhung der Lohnnebenkosten zu belasten, schlägt der Bundesrat für die AHV wie für die seit längerem defizitäre IV eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer soll in zwei Schritten erfolgen; der erste für AHV und IV ist für 2003 vorgesehen, der zweite Schritt, wenn der Ausgleichsfonds der AHV unter den Betrag von 70 Prozent einer Jahresausgabe fällt. Dieser Finanzierungsvorschlag setzt voraus, dass der Bund die entsprechende Kompetenz in der Bundesverfassung erhält. Für den Fall der Ablehnung der zweiten Mehrwertsteuer-Erhöhung (die voraussichtlich 2006 notwendig wird) soll der Gesetzgeber gewisse Korrekturen auf der
Leistungsseite, bei den Rentenanpassungen, vornehmen. Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV möglichst rasch zu erreichen, soll zusätzlich eine Verlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds zur IV vorgenommen werden.

Gleichzeitig mit der Konsolidierung der ersten Säule will der Bundesrat die AHV auch an die neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernisse anpassen.

Es gilt insbesondere, eine zukunftsgerichtete Regelung des Rentenalters zu finden.

Der Bundesrat schlägt einerseits vor, das ordentliche Rentenalter ­ als Fixpunkt für den Bezug der Altersrente, der von keinen weiteren Bedingungen abhängig ist ­ auf 65 Jahre für Männer und Frauen festzulegen. Dieses Rentenalter soll sowohl für die AHV wie für das Obligatorium der beruflichen Vorsorge gelten.

1867

Andererseits will der Bundesrat einen flexiblen Altersrücktritt ermöglichen. Dieser soll individuellen Bedürfnissen entgegenkommen und auch denjenigen dienen, welche nicht bis 65 Jahre erwerbstätig sein können.

Bei der Flexibilisierung des Rentenalters wird sowohl in der AHV als auch im Obligatorium der beruflichen Vorsorge von einer Bandbreite des Rücktrittsalters zwischen 62 und 65 Jahren ausgegangen. Ferner wird die Möglichkeit eines Teilvorbezugs der halben Altersrente bereits ab 59 Jahren geschaffen. In der AHV ist eine sozialverträgliche Ausgestaltung des flexiblen Rentenalters geboten. Bei einem Vorbezug werden die Renten zwar gekürzt, allerdings in Abhängigkeit von der Höhe des für die Rentenberechnung massgebenden Durchschnittseinkommens und des der AHV entstehenden Beitragsausfalls.

Des Weiteren soll die 11. AHV-Revision die Anspruchsvoraussetzungen für Witwenund Witwerrenten vereinheitlichen. Mit der 10. AHV-Revision wurde die Witwerrente eingeführt. In der 11. AHV-Revision soll nun die Anspruchsberechtigung für Witwen schrittweise eingeschränkt und derjenigen für Witwer angeglichen werden.

Die Anspruchsvoraussetzungen für Witwerrenten werden gegenüber heute etwas erleichtert. Der Bundesrat erachtet diese Massnahme, welche sukzessive zu Minderausgaben in der AHV führt, als sozial vertretbar. Die Vereinheitlichung von Witwen- und Witwerrente wird denn auch erst nach einer Übergangs phase realisiert.

Ferner sieht der Bundesrat, neben Massnahmen mehr technischer Natur, die Verstärkung der Solidarität im Beitragsbereich vor, die der AHV gewichtige Mehreinnahmen bringt. Davon betroffen sind die Selbstständigerwerbenden (durch Erhöhung ihres Beitragssatzes in Richtung desjenigen der Arbeitnehmenden und durch Einfrieren der oberen Einkommensgrenze bei der sinkenden Beitragsskala) und die erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner (durch Aufhebung des Freibetrags auf ihrer Beitragspflicht). Mit einer Verlangsamung des Rentenanpassungsrhythmus werden schliesslich weitere Einsparungen erzielt.

Mit diesen Massnahmen werden die Grundlagen für eine sichere Finanzierung und zukunftsgerechte Ausgestaltung der AHV geschaffen.

Die Botschaft erwähnt zudem die mögliche Verwendung eines Teils der frei werdenden Goldreserven der Nationalbank zur sozialen Abfederung der 11. AHV-Revision. Die entsprechenden Möglichkeiten werden im Rahmen der Arbeiten zur Goldverwendung zurzeit geprüft.

1868

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Die 11. AHV-Revision im Rahmen der Entwicklung des Sozialversicherungssystems bis 2025

1.1.1

Heutige Ausgestaltung der Sozialversicherungen (Ist-Zustand)

1.1.1.1

Leistungsseite

Die Sozialversicherungen decken mit ihren Leistungen Risiken ab, welche die Existenzgrundlage der einzelnen Person und der Gemeinschaft bedrohen. Sie antworten damit auf bestimmte, klar definierte Risikolagen ­ wie beispielsweise Krankheit, Alter oder Arbeitslosigkeit. Sie unterstützen die Bevölkerung in wirtschaftlich und sozial schwierigen Lebenslagen.

Die Entwicklung der Sozialversicherungen hat sich in unserem Land langsam, über Jahrzehnte, vollzogen. Ausgehend vom ersten Schritt im Bundesrecht 1890, als das Volk den Verfassungsgrundsatz auf Einführung der Kranken- und Unfallversicherung und 1925 auf Einführung einer Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung guthiess, wurden Schritt für Schritt die Kranken- und Unfallversicherung, die Erwerbsersatzordnung für Wehrdienstpflichtige, die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), die Familienzulagen (FZ) für die Landwirtschaft, die Arbeitslosenversicherung (ALV) und schliesslich 1960 die Invalidenversicherung (IV) eingeführt. Dabei wurde das Bundesrecht nicht in den luftleeren Raum gebaut; es galt vielmehr immer wieder, auf bestehende Strukturen, die privater Initiative entsprungen sind (karitative Institutionen, Hilfsgesellschaften auf Gegenseitigkeit, die patronalen Fürsorge- und Krankenkassen), Rücksicht zu nehmen. Die mannigfaltige gegenwärtige Struktur der heutigen Versicherung (vgl. nachfolgende Übersicht) wird aus dieser historischen Entwicklung verständlich.

In den letzten Jahrzehnten wurde unser Sozialstaat ausgebaut. Als zentrale Ausbauschritte sind zu nennen: Einführung der Ergänzungsleistungen 1966, Verankerung des 3-Säulen-Prinzips 1972, starker Ausbau der AHV 1973/1975, Ausbau der Unfallversicherung und der Arbeitslosenversicherung 1984, Obligatorium der beruflichen Vorsorge 1985, Schliessung der Versicherungslücken in der Krankenversicherung (Grundversicherung) 1996. Dieser Phase des Ausbaus folgt ein neuer Abschnitt: Heute steht die Konsolidierung unseres Sozialversicherungssystems im Vordergrund.

Blickt man zurück, so fällt die Stabilität auf. Die erste Säule hat 10 Revisionsschritte hinter sich, in denen sie sich an die neuen Herausforderungen weitgehend angepasst hat. Auf der Basis eines seit Jahrzehnten gleich hohen Beitragssatzes hat z.B. die AHV auf konjunkturelle Ausschläge und Schwankungen bei der Arbeitslosigkeit
wenig reagiert. Diese relative Krisenresistenz wird durch die Mischfinanzierung unseres Dreisäulensystems noch verstärkt. Die Konsolidierung der AHV kann angesichts der demografischen Herausforderung nur auf dem Generationenvertrag beruhen und muss die Bedürfnisse derjenigen Beitragszahlenden berücksichtigen, welche auf die Sicherheit und Beständigkeit vertrauen.

1869

Die Sozialversicherungen nehmen im gesamten System der sozialen Sicherheit der Schweiz einen zentralen Platz ein. Einzelne Sozialversicherungszweige sind generelle Volksversicherungen, andere beruhen hauptsächlich auf der Teilnahme der versicherten Personen am Arbeitsmarkt und kennen zum Teil unterschiedliche Bezügerkreise. Als Gesamtsystem bietet unser Sozialversicherungssystem einen Schutz an, welcher der einzelnen Person ein angstfreies Leben und eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermöglicht oder zumindest fördert. Wesentliche soziale Risiken werden erfolgreich abgedeckt. So beispielsweise in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV): Die Kombination der AHV-Rente mit der Ergänzungsleistung führt zur Eindämmung der Altersarmut. Die schweizerische Armutsstudie zeigt auch, dass Altersrentnerinnen und Altersrentner unterdurchschnittlich häufig arm sind. Ebenso sind Rentnerinnen und -Rentner der Invalidenversicherung (IV) nur leicht überdurchschnittlich häufig von wirtschaftlicher Armut betroffen1. Dies ist als Erfolg des Drei-Säulen-Systems zu werten. Bei der IV steht die soziale Integration der behinderten Personen im Vordergrund. Mit der individuellen Prämienverbilligung in der Krankenversicherung (KV) konnten Haushalte in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen gezielt entlastet und damit das Armutsrisiko reduziert werden2.

Die soziale Sicherheit umfasst auch den subsidiären Schutz durch die Sozialhilfe.

Diese will Menschen in Not ein Existenzminimum garantieren, ohne Beachtung der Gründe, welche zu dieser Notlage geführt haben. Die Sozialhilfe gewährt Bedarfsleistungen. Sie ist im Gegensatz zu den Sozialversicherungszweigen Sache der Kantone, welche ihrerseits die Sozialhilfe als Aufgabe der Gemeinde verstehen.

Damit stellt sich die soziale Sicherheit in der Schweiz als ein solides Fundament dar, welches auch im allumfassenden Sicherheitsverständnis der Bevölkerung integriert ist. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die wichtigsten Leistungsarten der Sozialversicherungen. Die Sozialhilfe ist hier ausgeblendet.

Sozialversicherungszweig

Ziel

Altersund Hinterlassenenversicherung (AHV) Invalidenversicherung (IV)

Sicherung des obligatorische Existenzminimums Versicherung; der Betagten und Volksversicherung Hinterlassenen

Personen mit Er­ Altersrente werbstätigkeit oder ­ Witwen- und Wohnsitz in der Witwerrente Schweiz ­ Waisenrenten ­ Hilfslosenentschädigung

Schutz vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer dauerhaften Verminderung der Erwerbsfähigkeit

Personen mit Er­ Eingliederungswerbstätigkeit oder massnahmen Wohnsitz in der ­ Invalidenrenten Schweiz ­ Hilflosenentschädigung

1 2

Versicherungskonzept

obligatorische Versicherung (wie AHV)

Kreis der versicherten Personen

wichtigste Leistungsarten

R. E. Leu, S. Buri, T. Priester. 1997. Lebensqualität und Armut in der Schweiz, S. 125 ff.

A. Balthasar. 1998. Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen. Evaluationsergebnisse und Monitoringkonzept. Bern: BSV. R. E. Leu et. al.

op. cit. S. 148 ff.

1870

Sozialversicherungszweig

Ziel

Versicherungskonzept

Kreis der versicherten Personen

wichtigste Leistungsarten

Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (EL) Erwerbsersatzordnung (EO)

Deckung des Existenzbedarfs von AHV- und IVLeistungsbezüger/innen

Bedarfsleistungen, welche beitragsunabhängig gewährt werden

Personen mit AHV- oder IVRenten mit Wohnsitz und Aufenthalt in der Schweiz

Erstattung der Differenz zwischen den vom Gesetz anerkannten Ausgaben und dem anrechenbaren Einkommen ­ Grundentschädigung ­ Kinderzulage ­ Betriebszulage ­ Betreuungs-, Kostenzulage ­ Pflegeleistungen und Kostenvergütungen ­ Geldleistungen

Teilweise Deckung Obligatorische des ErwerbsausVersicherung falls während des (wie AHV) Militär-, Ziviloder Zivilschutzdienstes

Unfallversicherung (UV)

Schutz vor wirtschaftlichen Folgen von Berufsunfällen und Nichtberufsunfällen berufSicherung der liche gewohnten Vorsorg Lebenshaltung e (BVG) Krankenversicherung (KV)

Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Krankheit und Mutterschaft

Familienzulagen (FZ)

Unterstützung von Familien mit Kindern

Dienstleistungspflichtige

Obligatorisch für Arbeitnehmende

Arbeitnehmende

Obligatorische Vorsorge für Arbeitnehmende mit einem Einkommen über 24 120 Franken obligatorische Krankenpflegeversicherung und freiwillige Taggeldversicherung

Arbeitnehmende ­ Altersrente und auf freiwilliger ­ Witwenrente Basis: Selbststän­ Waisenrenten digerwerbende ­ Invalidenrente Personen mit Wohnsitz in der Schweiz

bundesrechtliche ­ Bund Ordnung für Landlandwirtschaftwirtschaft; kant.

liche ArbeitnehOrdnungen für mende Arbeitnehmende ­ Kantone ausserhalb der ArbeitnehmenLandwirtschaft. In de teilweise einzelnen Kantoauch: Selbstnen Regelungen ständigerwerfür Selbstständigbende erwerbende und Nichterwerbstätige

Grundversicherung: ­ Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft, Unfall, Geburtsgebrechen ­ medizinische Prävention ­ besondere Leistungen bei Mutterschaft Kinderzulagen

1871

Sozialversicherungszweig

Ziel

Versicherungskonzept

Kreis der versicherten Personen

Arbeitslosenversicherung (ALV)

Einkommensersatz, wenn dieses aus wirtschaftlichen Gründen wegfällt

Teil des AHV-beitragspflichtigen Lohnes bis zu einem Lohnmaximum

Militärversicherung (MV)

Schutz vor wirtschaftlichen Folgen von Gesundheitsschädigungen

Vollumfänglich vom Bund finanziert

vermittlungsfähige ­ ArbeitslosenPersonen, Arbeitentschädigung nehmende ­ Verdienstersatz ­ Kurzarbeitsentschädigung ­ Schlechtwetterentschädigung ­ Insolvenzentschädigung Personen, welche ­ Behandlungsbesondere Aufgakosten ben für den Bund ­ Rentenleistunübernehmen (Bsp.

gen für Invalide, Militärdienst, Hinterlassene Zivildienst, frie­ Enschädigundenserhaltende gen für BerufsAktionen) ausbildung

1.1.1.2

wichtigste Leistungsarten

Finanzierungsseite

Der Finanzierungsbedarf für die obligatorischen Sozialversicherungen dürfte sich im Jahre 2000 auf rund 83 Milliarden Franken belaufen, wobei von den Ausgaben der einzelnen Sozialversicherungszweige ausgegangen wird (vgl. Ziff. 1.1.2.2.2). Einzig bei den ganz oder teilweise auf Kapitaldeckung beruhenden Versicherungszweigen (berufliche Vorsorge und Unfallversicherung) stellt man ­ entsprechend der Sicht der privaten Haushalte ­ auf die Beiträge (ohne Kapitalerträge) ab. Auf Grund der Beschränkung auf die obligatorischen Sozialversicherungen werden in der beruflichen Vorsorge ausschliesslich der Beitragsaufwand für das Obligatorium, in der Krankenversicherung ausschliesslich die Kosten der Grundversicherung berücksichtigt.

Finanzierungsbedarf der obligatorischen Sozialversicherungen im Jahre 2000 Sozialversicherungszweig

in Millionen Franken

Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) Invalidenversicherung (IV) Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (EL) Erwerbsersatzordnung (EO) Berufliche Vorsorge (BVG) Unfallversicherung (UV) Krankenversicherung (KV) Familienzulagen (FZ) Arbeitslosenversicherung (ALV)

27 662 _8 665 _2 282 __ 839 13 419 _4 582 15 942 _4 393 _5 166

Total

82 950

1872

Ein Blick auf die Einnahmen (ohne Kapitalerträge) der obligatorischen Sozialversicherungen zeigt die heutige Bedeutung der verschiedenen Finanzierungsquellen bei der Deckung des Finanzbedarfs auf: Sozialversicherungseinnahmen (ohne Kapitalerträge) im Jahre 2000 in Millionen Franken

in % der Einnahmen

Beiträge ­ Lohnprozente ­ Kopfbeiträge* Öffentliche Hand Mehrwertsteuer

52 126 12 663 15 660 _1 778

_63,4 _15,4 _19,0 __2,2

Total

82 226

100,0

* Krankenversicherung. Davon rund 2 Milliarden Franken Kostenbeteiligung der Versicherten.

Die Lohnprozente bilden nach wie vor die wichtigste Finanzierungsquelle, gefolgt von der öffentlichen Hand und den Kopfbeiträgen. Die Bedeutung der Mehrwertsteuer ist vorläufig noch relativ gering.

Ein Vergleich zwischen Einnahmen (82 226 Mio. Franken) und Finanzierungsbedarf (82 950 Mio. Franken) zeigt, dass der Finanzierungsbedarf zu 99 Prozent durch Beiträge, öffentliche Hand und Mehrwertsteuer gedeckt wird. Während in der Arbeitslosenversicherung Einnahmenüberschüsse erzielt werden, die dem Schuldenabbau dienen, besteht in der ersten Säule eine Finanzierungslücke, die es zu schliessen gilt.

1.1.2

Bisher erfolgte Analysen des heutigen Sozialversicherungssystems

1.1.2.1

Der 3-Säulen-Bericht

Der Bericht des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) zum 3-SäulenSystem bildete den ersten Schritt im Rahmen der grundsätzlichen Analyse des sozialen Schutzes in der Schweiz. Dieser Bericht befasste sich ausschliesslich mit der Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsvorsorge und sollte eine Evaluation der System- und Leistungsstruktur ermöglichen. Er kam zum Schluss, dass sich eine umfassende Revision des 3-Säulen-Systems nicht aufdrängt. Das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Systemen mit ihren unterschiedlichen Finanzierungsmethoden solle bestehen bleiben.

In der Altersvorsorge wird die erste Säule durch das Umlageverfahren, die zweite (und dritte) Säule durch das Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Beim Umlageverfahren werden die jährlichen Einnahmen3 so festgesetzt, dass sie ausreichen, um die jährlich anfallenden Ausgaben zu decken. Ein Ausgleichsfonds dient lediglich als Schwankungs- und Überbrückungsreserve (vgl. Ziff. 3.1.1.3.3). Mit der demo3

Die Einnahmen setzen sich in der ersten Säule im Wesentlichen aus den Beitragszahlungen der Versicherten und der Arbeitgebenden, den Beiträge der öffentlichen Hand und seit 1999 den Mehrwertsteuereinnahmen zu Gunsten der AHV zusammen.

1873

grafischen Alterung steigt die Zahl der Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zur aktiven Bevölkerung und damit auch die Belastung der aktiven Bevölkerung durch steigende Ausgaben. Auf der anderen Seite hat das Umlageverfahren den grossen Vorteil, dass es weitgehend unabhängig von der Zinsentwicklung und der Teuerung ist. Das Beitragssubstrat wächst parallel mit der wirtschaftlichen Entwicklung, wodurch die Renten entsprechend angepasst werden können.

Das Kapitaldeckungsverfahren ist demgegenüber unabhängiger von der demografisch bedingten Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung. Da jede und jeder Versicherte das Kapital individuell anspart, von welchem seine/ihre Rente finanziert wird, fällt eine Veränderung des Verhältnisses der älteren zur aktiven Bevölkerung nicht direkt ins Gewicht. Eine steigende Lebenserwartung, verbunden mit einer längeren Rentenbezugsdauer nach der Pensionierung, wirkt sich aber auch in der Kapitaldeckung aus. Dafür ist dieses Finanzierungsverfahren zentral von der Teuerung und der Zinsentwicklung abhängig. Während der Ansparphase werden die Zinserträge für die Äufnung des Alterskapitals verwendet, welches den nominellen Wert der Rente bestimmt. Diese verliert in der Phase der Rentenauszahlung real umso mehr an Wert, je grösser die Teuerung ist. Da die Teuerung nicht voraussehbar ist, kann sie auch grundsätzlich nicht (vollständig) vorfinanziert werden. Aus diesem Grund ist die Anpassung der Renten der umlagefinanzierten ersten Säule an die wirtschaftliche Entwicklung sehr wichtig, um die fehlende Teuerungsanpassung im Obligatorium der zweiten Säule zu kompensieren.

Wird das heutige Verhältnis zwischen den drei Säulen gewahrt, so ist eine Neuorientierung am Verfassungsauftrag zum Dreisäulenkonzept im Sinne einer Zielhierarchie nötig: Neu soll die prioritäre Existenzsicherung nicht durch die AHV-Renten allein, sondern durch die Leistungen aller drei Säulen gemeinsam gewährleistet werden, wenn nötig mit Hilfe von Ergänzungsleistungen. Erst in zweiter Linie ist die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung sicherzustellen. Die Umsetzung des gegenwärtigen Verfassungsauftrages wäre in der Tat nur mit einer tief greifenden Änderung der AHV durchführbar, insbesondere mit der Einführung einer Einheitsrente auf hohem Niveau mit dementsprechend hohen Kosten.

Der Bericht
weist einen Anpassungsbedarf des Systems an die sich verändernden demografischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten aus und liefert Leitlinien für künftige Gesetzesrevisionen, ohne jedoch die finanziellen Auswirkungen solcher Revisionen im Detail aufzuzeigen.

1.1.2.2

IDA FiSo 1

1.1.2.2.1

Ergebnisse der IDA FiSo 1 zur Finanzierungsperspektive 1995­2010

In einem zweiten Schritt wurden die mittel- und langfristigen Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen (Zeitraum bis 2010 bzw. bis 2025) untersucht.

Die hierfür eingesetzte Interdepartementale Arbeitsgruppe "Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen" (IDA FiSo) hat für jeden Zweig der Sozialversicherungen sowie für die Sozialhilfe die finanziellen Perspektiven auf Grund der damals bestehenden oder vom Bundesrat vorgeschlagenen Leistungen untersucht. Mit Hilfe dieser Gesamtschau können die künftigen Handlungsprioritäten bezeichnet werden.

1874

Der Bericht stellt die künftige Entwicklung jedes Zweigs auf Grund eigener Hypothesen über die Kostenentwicklung und auf Grund von Szenarien zum Wachstum und zur aktiven Bevölkerung dar, wobei von einem Referenzszenario mit mässigem Wirtschaftswachstum (durchschnittliches jährliches Wachstum von 1,3% bis 2010, danach 0,5%; reales Lohnwachstum von 1%; demografisches Szenario "Integration") ausgegangen wird. Das Referenz-Szenario schätzt den zusätzlichen Finanzierungsbedarf der obligatorischen Versicherungen für das Jahr 2010, vergleichshalber umgerechnet in MWST-Prozentpunkte, auf 6,8 Punkte, wobei die Hälfte (3,4 Punkte) auf die Krankenversicherung entfällt. Der Rest ist im Wesentlichen für die AHV (2,5 MWST-Äquivalentprozentpunkte, d.h. noch 1,5 Äquivalentprozentpunkte zusätzlich zum bereits ab dem 1. Januar 1999 bezogenen MWST-Punkt) und für die IV (+1,3 Punkte) notwendig. Auf die weiteren Sozialversicherungszweige entfällt ein Wachstum von 0,6 Punkten. Für die Arbeitslosenversicherung gehen die Perspektiven hingegen von einer Verringerung der finanziellen Belastung aus (­1.0 Punkte).

Der Bericht stellt verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten zur Deckung des zusätzlichen Bedarfs vor. Er stützt sich dabei auf wirtschaftliche Erwägungen, berücksichtigt aber auch die Grundsätze einer angemessenen und logischen Finanzierung, welche den spezifischen Zielen der verschiedenen Sozialversicherungszweige Rechnung trägt. Die Arbeitsgruppe hält im Wesentlichen an den heutigen Finanzierungsquellen fest, wobei die Mehrwertsteuer in verstärktem Masse für die Finanzierung der AHV herangezogen wird. Als neue Finanzierungsquelle könnte zudem eine zukünftige Energiesteuer dienen.

Zusätzlicher Finanzierungsbedarf gemäss IDA FiSo 2010/1995, angegeben in MWST-Äquivalentprozentpunkten Total

6.8

KV

3.4

A VH

2.5

IV

1.3

Andere

0.6

ALV -1.0 -2.0

0.0

2.0

4.0

6.0

8.0

1875

1.1.2.2.2

Aktualisierung der IDA-FiSo-1-Ergebnisse (Entwicklung 1995­2000)

Bei einer Aktualisierung der IDA-FiSo-1-Ergebnisse (vgl. hierzu auch Ziff. 1.1.3.2.2 und 1.1.3.2.3) kann davon ausgegangen werden, dass der Aufwand innerhalb von 5 Jahren von 74 Milliarden Franken im Jahre 1995 auf 83 Milliarden Franken im Jahre 2000, also um rund 9 Milliarden Franken steigen dürfte 4.

Dieser absolute finanzielle Mehrbedarf wird teilweise durch einen Anstieg der Einnahmen im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums gedeckt. Dabei ist zu beachten, dass das zentrale Substrat, die Lohnsumme (übrigens im Gegensatz zum Mehrwertsteuersubstrat) nur relativ schwach gestiegen ist. Es verbleibt so ein Mehrbedarf von rund 6 Milliarden Franken. Dieser entspricht rein rechnerisch einem Gegenwert von 2,4 Mehrwertsteuerprozenten bei einer linearen Erhöhung der Mehrwertsteuersätze. Da aber nicht nur Bereiche der ersten Säule betroffen sind, wo für die Finanzierung des Mehrbedarfs die Mehrwertsteuer im Vordergrund steht, sondern auch die Krankenversicherung, erfolgte die Finanzierung des Mehrbedarfs über verschiedene Finanzierungsquellen.

­

Für die AHV wird seit 1999 ein Mehrwertsteuerprozent erhoben, wobei die reduzierten Sätze weniger stark angehoben wurden (proportionale Erhöhung). Davon fliessen 83 Prozent direkt in die AHV, während der dem Bund zukommende Anteil von 17 Prozent den demografiebedingten Anstieg des Bundesbeitrages kompensiert.

­

In der Krankenversicherung schlagen sich die Kostensteigerungen, welche rechnerisch dem Gegenwert von 0,8 Mehrwertsteuerprozenten entsprechen, in erster Linie in den Prämien der Grundversicherung nieder, die Erhöhung der Kopfprämien erfolgt also in stärkerem Ausmass als die wirtschaftliche Entwicklung.

­

Der Mehrbedarf in der Invalidenversicherung beläuft sich auf 0,8 Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkte. Die öffentliche Hand finanziert die Hälfte der Ausgaben der IV, somit auch die Hälfte dieses Mehrbedarfs. Im Jahr 2000 ist deshalb mit einem Ausgabenüberschuss in der Grössenordung von 0,4 Mehrwertsteuerprozenten zu rechnen.

1.1.2.3

IDA FiSo 2

Nach dem 3-Säulen-Bericht und nach Abschluss von IDA FiSo 1 sollte IDA FiSo 2 verschiedene Leistungskonfigurationen untersuchen und deren soziale und wirtschaftliche Auswirkungen aufzeigen. Dabei galt es, Vorschläge im Hinblick auf geplante Gesetzesrevisionen zu formulieren und deren Auswirkungen auf das System des Sozialschutzes zu erfassen.

4

Beim Vergleich mit den Zahlen der IDA FiSo 1 ist zu beachten, ­ dass die Methodik der Schätzung der Kosten des Obligatoriums der beruflichen Vorsorge in der Zwischenzeit verfeinert wurde, was die Beträge der IDA FiSo 1 um rund 1 Milliarde Franken nach oben korrigiert, ­ dass die Militärversicherung, die im Bericht der IDA FiSo 1 mit 250 bis 300 Millionen Franken veranschlagt wurde, hier weggelassen wurde.

1876

Für die vier wichtigsten Versicherungszweige (AHV, IV, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung) hat der Bundesrat Leistungsparameter5 festgelegt, die für die Arbeitsgruppe bindend waren. Eine Reihe von Leitsätzen sowie drei Finanzierungsszenarien bildeten den Rahmen, innerhalb dessen die Leistungen moduliert werden konnten. Das Szenario "Status quo" beruhte auf dem von IDA FiSo 1 geschätzten Bedarf von +6,8 MWST-Äquivalentprozentpunkten, während die Szenarien "gezielter Ausbau" und "gezielter Abbau" von einem zusätzlichen Bedarf von 8 bzw. von 4 MWST-Äquivalentprozentpunkten für 2010 ausgingen.

Für jeden Leistungsparameter wurden in einer breiten Auslegeordnung verschiedene Varianten des Ausbaus oder des Abbaus vorgeschlagen. Durch geeignete Kombination und Priorisierung dieser Varianten wurden sodann für die drei Hauptbereiche (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung) Leistungsbilder aufgezeichnet, die die Möglichkeiten zur Umsetzung von Abbau- oder Ausbauvorgaben und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen illustrierten. Die Leistungsbilder der drei Hauptbereiche wurden schliesslich in einer Gesamtbetrachtung über alle Bereiche zu Leistungspaketen zusammengestellt. Damit konnte aufgezeigt werden, welche Leistungsbilder in den drei Finanzierungsszenarien "Status quo", "gezielter Ausbau" und "gezielter Abbau" Platz finden.

1.1.3

Anstehende Herausforderungen und Entwicklungen im Überblick

1.1.3.1

Gesellschaftliche Faktoren

Das Sozialversicherungssystem muss sich immer wieder an die Erfordernisse der sich verändernden Gesellschaft anpassen. Im Verlauf der Zeit verändern sich die durch die Sozialversicherungen zu deckenden sozialen Risiken und die im Risikofall notwendigen Leistungen. Als Beispiel kann die Neuorientierung der AHV im Rahmen der 10. AHV-Revision angeführt werden. Im Rahmen dieser Revision wurde in der AHV ein grundlegender Paradigmawechsel vollzogen, indem die bisherige Privilegierung verheirateter Personen ersetzt wurde durch eine gezielte Besserstellung vom Personen, welche gegenüber Kindern oder pflegebedürftigen Verwandten Betreuungsaufgaben übernehmen oder übernommen haben. Weiter können hier die Leistungen für Witwen angeführt werden, welche mit zunehmender Teilnahme verheirateter Frauen am Erwerbsleben und sich entwickelnder Chancengleichheit zwischen Mann und Frau an Bedeutung verlieren. Auf der anderen Seite wurde mit der Einführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sichergestellt, dass ­ trotz steigender Kosten des Gesundheitswesens ­ alle Personen in der Schweiz über eine hoch stehende Gesundheitsversorgung verfügen.

Heute lässt sich feststellen, dass im Erwerbsleben die Anforderungen an die Arbeitnehmenden bezüglich Qualifikation und Flexibilität gestiegen sind. Personen, welche mit diesen Anforderungen nicht Schritt halten können, werden aus dem Arbeitsmarkt verdrängt. Mit der Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung ist das Risiko verbunden, zunehmend ausgegrenzt zu werden. Auf Grund des gestiegenen Konkurrenzdrucks auf die Unternehmungen bilden sich auch prekäre Arbeitsver5

Leistungsbereich, für den konkrete Ausbau-, Abbau- oder Umbaumassnahmen definiert werden sollen.

1877

hältnisse heraus: Arbeit auf Abruf, Scheinselbstständigkeit und tiefe Einkommen, welche den Lebensbedarf für eine Familie nicht zu decken vermögen6.

Gesellschaftlich lässt sich eine Individualisierung der Lebensformen beobachten, sowohl was die individuelle Biografie wie auch das Zusammenleben in einer Familie betrifft. Die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und die Veränderungen in der Wirtschaft lassen eine lineare, ununterbrochene Karriere als immer weniger wahrscheinlich erscheinen: Freiwillige und unfreiwillige Stellenwechsel bzw. Stellenverluste erfordern Umorientierungen und den Erwerb neuer Fähigkeiten. Unterbrüche in der Erwerbsarbeit erfolgen auf Grund von Betreuungsaufgaben in der Familie oder zur Weiterbildung. Die Ehe ist immer weniger die Grundlage für eine Familie; Einelternfamilien oder Familien in verschiedenen Zusammensetzungen ("Patchwork-Familien") nehmen zu. Insgesamt dürften die traditionellen familialen Netze durch diese Entwicklungen geschwächt worden sein. Hingegen belasten die Kinderkosten die Familienbudgets in einem erheblichen Ausmass7.

Die Armutsstudie hat denn auch festgestellt, dass diejenigen Bevölkerungsgruppen besonders von Armut betroffen sind, welche aus verschiedenen Gründen (noch) keinen Zugang zum System der Sozialversicherungen hatten, deren individuelle Biografien Brüche aufweisen oder besonders belastet sind. Es sind dies insbesondere jüngere Personen, Personen in Ausbildung, Nichterwerbstätige, geschiedene Frauen, allein lebende Männer und Paare mit drei und mehr Kindern 8.

Es ist aber auch zu beachten, dass die Sozialversicherungen weder geeignet noch in der Lage sind, alle sozialen Probleme zu lösen. Hierzu braucht es vielmehr ein Zusammenwirken der verschiedenen Politikbereiche wie beispielsweise der Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

1.1.3.2

Wirtschaftliche und demografische Faktoren

1.1.3.2.1

Das Zusammenspiel von Sozialer Sicherheit und Wirtschaft im Allgemeinen

Soziale Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung stehen in einer engen Beziehung zueinander. Die Finanzierung der Sozialen Sicherheit kann nur mit einer funktionierenden Wirtschaft sichergestellt werden. Die stark exportorientierte Schweizer Wirtschaft muss sich in einem zunehmend kompetitiven internationalen Umfeld behaupten können, was ihrer Belastung durch Sozialabgaben Grenzen setzt. Allerdings werden die Ausgaben der Sozialen Sicherheit schon Auf Grund der demografischen Alterung in Zukunft steigen. Dies trifft jedoch auch für die anderen entwickelten Industriestaaten zu, so dass sich deshalb die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz relativ zu den konkurrierenden Nationen nicht verschlechtern sollte. Im internationalen Vergleich hat sich die Position der Schweiz in der Vergangenheit gegenüber den übrigen OECD-Ländern kaum verändert. Sie bewegt sich bei den Sozialausgaben im 6 7

8

Caritas 1998: Trotz Einkommen kein Auskommen ­ working poor in der Schweiz. Ein Positionspapier der Caritas Schweiz. Luzern: Caritas-Verlag.

Spycher, S., Bauer, T., Baumann, B. 1995. Die Schweiz und ihre Kinder. Private Kosten und staatliche Unterstützungsleistungen. Schlussbericht NFP 29. Chur/Zürich: Rüegger.

Bauer, T. 1998. Kinder, Zeit und Geld. Eine Analyse der durch Kinder bewirkten finanziellen und zeitlichen Belastungen von Familien und der staatlichen Unterstützungsleistungen in der Schweiz Mitte der Neunziger Jahre. Bern: BSV.

R. E. Leu et al. op. cit. S. 125 ff.

1878

Mittelfeld9. Berücksichtigt man allerdings, dass Länder mit einem höheren Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Regel auch eine höhere Sozialleistungsquote aufweisen, liegt diese in der Schweiz auf einem unterdurchschnittlichen Niveau10. Bei einem Vergleich der gesamten staatlichen Ausgaben stellt man fest, dass die Staats-, Fiskal- und Verschuldungsquote der Schweiz im internationalen Vergleich tief ist11.

Auf der anderen Seite bildet die soziale Absicherung gegen strukturelle Risiken eine notwendige Rahmenbedingung für unsere Volkswirtschaft, in welcher Arbeitende und Unternehmungen stark spezialisiert sind. Die Soziale Sicherheit entlastet die Einzelnen von der steten Vorsorge für die Zukunft und erlaubt so eine höhere berufliche und geografische Mobilität und auch das Eingehen höherer beruflicher Risiken. Weiter kann die Soziale Sicherheit häufig kostengünstiger erbracht werden als eine individuelle oder private Vorsorge, weil die Risiken auf ein sehr grosses Kollektiv verteilt werden können, und bei verschiedenen Risiken führen private Versicherungen aus gesellschaftlicher Sicht zu ungenügenden Lösungen. Schliesslich dämpfen die Leistungen der Sozialen Sicherheit grosse Schwankungen im Wirtschaftswachstum und wirken sich tendenziell antizyklisch aus. Die mit den Sozialversicherungen verbundene Umverteilung bewirkt nämlich einen Transfer finanzieller Mittel zu Haushalten mit tieferen Einkommen. Diese verwenden einen grösseren Anteil ihres Einkommens für den Konsum. In rezessiven Phasen stützen diese finanziellen Transfers den Konsum und wirken sich damit antizyklisch aus12.

Das Schweizerische System der Sozialen Sicherheit fördert die gesellschaftliche und wirtschaftliche Stabilität und leistet einen entscheidenden Beitrag zum sozialen Frieden in der Schweiz. Durch die Soziale Sicherheit können Benachteiligungen von sozialen Gruppen in einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Das schweizerische System der Sozialen Sicherheit ist damit auch ein wichtiger Standortvorteil für die schweizerische Wirtschaft (vgl. Ziff. 1.1.3.3: Das Abkommen über den Personenverkehr formuliert Mindestanforderungen der Sozialen Sicherheit für das Verhältnis der Schweiz zu Europa).

1.1.3.2.2

Die Entwicklung des finanziellen Mehrbedarfs bis 2010

Die Aktualisierung der IDA-FiSo-1-Zahlen ergibt, dass der Finanzbedarf von 83 Milliarden Franken im Jahr 2000 auf 100 Milliarden im Jahre 2010 steigt. Bei diesem Zuwachs um 17 Milliarden Franken handelt es sich um den absoluten Mehrbedarf. Durch den Anstieg der Einnahmen im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums werden 8 Milliarden gedeckt. Es verbleibt ein Mehrbedarf von 9 Milliarden Franken über das wirtschaftliche Wachstum hinaus. Dies führt zu einer 9 10

11 12

BSV (1999). Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 1999. Gesamtreihen, Hauptergebnisse und Zeitreihen. Bern: BSV, S. 51.

Interdepartementale Arbeitsgruppe «Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen (IDA FiSo) 2» (1997), Analyse der Leistungen der Sozialversicherungen. Bern: BSV, S. 88 f.

OECD 1998. Statistiques des recettes publiques des pays membres de l'OCDE, Paris 1998 und OECD 1999. Perspectives économiques de l'OCDE, Paris, juin 1999.

Euzéby, A. und C. 1983. Modalités de financement de la sécurité sociale, coût de la main-d'oeuvre et emploi dans les pays industrialisés à économie de marché, S. 54. In: Bureau international de Travail (BIT). 1983. Sécurité sociale: Quelle méthode de financement? Une analyse internationale, S. 83­88.

1879

Erhöhung des relativen Finanzbedarfs, ausgedrückt in Mehrwertsteuer-Äquivalenten von 33,4 Prozent auf 36,8 Prozent, der relative Mehrbedarf beträgt damit 3,4 Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkte.

Finanzierungsbedarf der Sozialversicherungen13 Ausgaben in Millionen Franken zu Preisen von 1999 Jahr

AHV

IV

EL

EO

BVG*

UV*

KV

FZ

ALV

Total

1 MWSTProzent

2000 2001 2002 2003 2004 2005

27 662 28 607 28 480 28 531 30 441 30 198

8 665 8 980 9 123 9 295 9 774 9 926

2 282 2 248 2 204 2 161 2 440 2 443

839 767 831 841 827 808

13 419 13 515 13 613 13 931 14 205 14 299

4 582 4 613 4 647 4 666 4 723 4 778

15 942 16 444 16 965 17 495 18 028 18 566

4 393 4 423 4 451 4 471 4 517 4 554

5 166 5 217 4 760 4 639 4 695 4 750

82 950 84 813 85 074 86 030 89 650 90 321

2 481 2 466 2 517 2 543 2 575 2 607

2006 2007 2008 2009 2010

31 425 31 154 30 980 33 666 33 570

10 386 10 425 10 442 11 119 11 092

2 547 2 538 2 531 2 728 2 721

898 884 912 894 981

14 566 14 599 14 580 15 004 14 960

4 822 4 872 4 913 4 956 5 002

19 123 19 701 20 284 20 890 21 523

4 587 4 614 4 635 4 654 4 671

4 794 4 844 4 972 5 015 5 753

93 147 93 632 94 249 98 927 100 274

2 633 2 658 2 680 2 703 2 728

* Die Beiträge sind zu finanzieren (Kapitalertrag nicht berücksichtigt)

In Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten 14 Jahr

AHV

IV

EL

EO

BVG

UV

KV

FZ

ALV

Total

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

11.1 11.6 11.3 11.2 11.8 11.6 11.9 11.7 11.6 12.5 12.3

3.5 3.6 3.6 3.7 3.8 3.8 3.9 3.9 3.9 4.1 4.1

0.9 0.9 0.9 0.8 0.9 0.9 1.0 1.0 0.9 1.0 1.0

0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.3 0.4

5.4 5.5 5.4 5.5 5.5 5.5 5.5 5.5 5.4 5.6 5.5

1.8 1.9 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8

6.4 6.7 6.7 6.9 7.0 7.1 7.3 7.4 7.6 7.7 7.9

1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.7 1.7 1.7 1.7 1.7 1.7

2.1 2.1 1.9 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.9 1.9 2.1

33.4 34.4 33.8 33.8 34.8 34.6 35.4 35.2 35.2 36.6 36.8

Mehrbedarf in Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten 15

Bedarf 2000 Mehrbedarf 2000­2010

13

14 15

AHV

IV

EL

EO

BVG

UV

KV

FZ

ALV

Total

11.1

3.5

0.9

0.3

5.4

1.8

6.4

1.8

2.1

33.4

1.2

0.6

0.1

0.0

0.1

0.0

1.5

­0.1

0.0

3.4

Die Darstellung erfolgt in Mehrwertsteuer-Äquivalenzprozentpunkten, um über eine gemeinsame Vergleichsbasis für alle Sozialversicherungszweige zu verfügen. Bei der Deckung des Mehrbedarfes werden hingegen die Finanzierungsquellen zum Zuge kommen.

Vgl. den Hinweis in der Fussnote 13.

Vgl. den Hinweis in der Fussnote 13.

1880

1.1.3.2.3

Die Entwicklung des finanziellen Mehrbedarfs bis 2025

Der Ausblick auf das Jahr 2025 zeigt, dass mit einem weiteren Anstieg des Bedarfs zu rechnen ist, wobei hier die demografische Entwicklung in der AHV die grösste Herausforderung stellt. Der Altersaufbau unserer Gesellschaft wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter markant verändern: Nach dem Bevölkerungsszenario "Trend" des Bundesamtes für Statistik wird die potenzielle Erwerbsbevölkerung bis 2010 noch etwas ansteigen, um anschliessend zu sinken. Demgegenüber wird die Zahl der 65-Jährigen und Älteren stärker wachsen und sich ab ca. 2030 stabilisieren.

Gleichzeitig wird auch die Lebenserwartung weiter ansteigen. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass trotz des verbesserten Gesundheitszustandes und der grösseren Aktivität mehr Leistungen der Sozialen Sicherheit für ältere Personen (Renten, ambulante und stationäre Pflegeleistungen) bereitzustellen sind und gleichzeitig die Lohnsumme als wesentlichstes Finanzierungssubstrat nicht wie bis anhin auf Grund der zunehmenden Anzahl Erwerbstätiger wächst.

Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass in der vorliegenden Botschaft mit vorsichtigen Annahmen operiert und davon ausgegangen wird, ­

dass das Wirtschaftswachstum auf Grund eines Rückgangs der potenziellen Erwerbsbevölkerung ab dem Jahre 2010 durchschnittlich nur noch 0,7 Prozent beträgt

­

dass ab dem Jahre 2010 keine Änderungen am Leistungssystem mehr vorgenommen werden.

Die Schätzung des finanziellen Mehrbedarfs im Gegenwert von 5,5 Mehrwertsteuerprozenten (die IDA FiSo 1 rechnete für diesen Zeitraum, nach Umrechnung auf eine lineare Erhöhung der Mehrwertsteuer, mit derselben Grössenordnung von 5,3 MWST-Äquivalentprozentpunkten) ist deshalb mit einer grossen Unsicherheit verbunden. Die Korrekturen für die Zeit nach dem Jahre 2010 sollen deshalb zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden, wobei sich schon heute, insbesondere im Bereiche der AHV, ein Handlungsbedarf abzeichnet.

Im Leistungsbereich werden in der Altersversicherung Parameter wie beispielsweise die Rentenanpassung bei jeder Revision zur Diskussion stehen. Die Weichenstellungen werden dann anhand der aktuellen Daten, in Kenntnis der konkreten demografischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtsituation und in Würdigung des tatsächlich anstehenden Mehrbedarfs zu fällen sein.

In der ersten Hälfte des Jahres 2000 wird der Bundesrat sich vertieft mit dem Rahmen befassen, innerhalb dessen denkbare Massnahmen zur langfristigen finanziellen Konsolidierung einzubetten sein werden.

1881

Finanzierungsbedarf der Sozialversicherungen Ausgaben in Millionen Franken zu Preisen von 1999 Jahr

AHV

IV

EL

EO

BVG*

UV*

KV

FZ

ALV

Total

1 MWSTProzent

2010 2011 2012 2013 2014 2015

33 570 35 377 35 124 37 089 36 785 36 414

11 092 11 442 11 388 11 771 11 712 11 654

2 721 2 843 2 826 2 959 2 939 2 915

981 969 995 977 1 072 1 063

14 960 15 116 15 272 15 428 15 548 15 741

5 002 5 041 5 083 5 124 5 167 5 208

21 523 22 031 22 551 23 078 23 623 24 172

4 671 4 686 4 701 4 716 4 736 4 757

5 753 5 798 5 846 5 893 5 942 5 990

100 274 103 303 103 785 107 035 107 524 107 913

2 728 2 750 2 773 2 795 2 818 2 840

2020 42 398 2025 46 789

12 831 13 291

3 322 3 582

1 135 16 165 1 154 16 438

5 407 5 562

27 092 30 157

4 912 5 144

6 218 6 397

119 480 128 515

2 950 3 036

* Die Beiträge sind zu finanzieren (Kapitalertrag nicht berücksichtigt)

In Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten 16 Jahr

AHV

IV

EL

EO

BVG

UV

KV

FZ

ALV

Total

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2020 2025

12.3 12.9 12.7 13.3 13.1 12.8 14.4 15.4

4.1 4.2 4.1 4.2 4.2 4.1 4.3 4.4

1.0 1.0 1.0 1.1 1.0 1.0 1.1 1.2

0.4 0.4 0.4 0.3 0.4 0.4 0.4 0.4

5.5 5.5 5.5 5.5 5.5 5.5 5.5 5.4

1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8 1.8

7.9 8.0 8.1 8.3 8.4 8.5 9.2 9.9

1.7 1.7 1.7 1.7 1.7 1.7 1.7 1.7

2.1 2.1 2.1 2.1 2.1 2.1 2.1 2.1

36.8 37.6 37.4 38.3 38.2 38.0 40.5 42.3

Mehrbedarf in Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten 17

Bedarf 2010 Mehrbedarf 2010­2025

AHV

IV

EL

EO

BVG

UV

KV

FZ

ALV

Total

12.3

4.1

1.0

0.4

5.5

1.8

7.9

1.7

2.1

36.8

3.1

0.3

0.2

0.0

­0.1

0.0

2.0

0.0

0.0

5.5

Exkurs: Aktualisierung der IDA-FiSo-1-Ergebnisse Für die Aktualisierung der Arbeiten der IDA FiSo 1 sind die seinerzeit vorgenommenen Rechnungsannahmen wie folgt angepasst worden.

­

16 17

Als demografische Entwicklung wird nicht mehr das Bevölkerungsszenario "Integration", sondern das aktuellere Bevölkerungsszenario "Trend" des Bundesamtes für Statistik unterstellt. Dieses Szenario berücksichtigt die in der jüngsten Vergangenheit festgestellten Trends und rechnet bis zum Jahre 2010 noch mit einer leichten Zunahme, ab 2015 mit einer leichten Abnahme der Anzahl der aktiven Beitragszahlenden.

Vgl. den Hinweis in der Fussnote 13.

Vgl. den Hinweis in der Fussnote 13.

1882

­

Auf der wirtschaftlichen Seite werden die Annahmen der IDA FiSo 1 über die Reallohnentwicklung in einem wesentlichen Punkt korrigiert. Während die IDA FiSo 1 durchgehend mit einer Reallohnentwicklung von einem Prozent rechnet, wird nun zum Zweck der Übereinstimmung mit dem Finanzplan bis Ende 2003 auf die Vorgaben des Finanzplanes des Bundes abgestellt. Dies bedeutet, dass für das Jahr 1999 mit einer negativen Reallohnentwicklung von ­0,45 Prozent und für die Jahre 2000 bis 2003 mit einer Reallohnentwicklung von 0,25 Prozent gerechnet wird. Erst ab dem Jahre 2004 geht man im aktualisierten Modell von einer Reallohnentwicklung von 1 Prozent aus. Dies hat zur Folge, dass wir uns vorerst in einem Szenario bewegen, welches dem Szenario "Tieferes Wachstum" im Bericht der IDA FiSo 1 entspricht, ehe wir dann zu den Annahmen des früheren Referenzszenarios überschwenken.

­

In der Krankenversicherung (vgl. Ziffer 1.1.4.2.4) wird nicht nur vom Lohnund Demografiewachstum, sondern von einer zusätzlichen Kostensteigerung ausgegangen, die sich aber im Laufe der Zeit auf Grund der kostendämpfenden Massnahmen reduziert. Gerechnet wird mit einer zusätzlichen Kostensteigerung ­ von 2 Prozent in den Jahren 2000 bis 2003 ­ von 1,2 Prozent in den Jahren 2004 bis 2010 ­ von 0,5 Prozent ab dem Jahre 2011.

Die IDA FiSo 1 rechnete noch mit einem zusätzlichen Kostenwachstum von 2 Prozent für die Zeitspanne 1995­2010, allerdings ohne das Kostendämpfungspotenzial des Krankenversicherungsgesetzes zu berücksichtigen. Die IDA FiSo 2 zeichnete verschiedene Varianten der Kostendämpfung auf, bei denen die zusätzliche Kostensteigerung auf 1,6 Prozent (leichte Dämpfung), 1,2 Prozent (mittlere Dämpfung) bzw. 0,4 bis 0,8 Prozent (starke Dämpfung) gesenkt werden könnte.

­

Nachdem die Arbeitslosenquote in der jüngsten Vergangenheit stark gesunken ist, bleiben wir bei der Annahme der IDA FiSo 1, die von einer langfristigen Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent ausgeht.

­

Während die IDA FiSo 1 noch mit der Vorgabe arbeitete, dass am Leistungssystem keine Änderungen vorgenommen werden, werden nun die zentralen geplanten Korrekturen im Leistungsbereich berücksichtigt. Dies sind insbesondere die Leistungskorrekturen der 11. AHV-Revision und die Auswirkungen der sektoriellen Abkommen mit der EU (vgl. Ziff. 1.1.3.3).

Gesamthaft ging die IDA FiSo 1 für die Zeitspanne 1995­2010 von einem relativen Mehrbedarf aus, der einem Gegenwert von 6,8 Mehrwertsteuerprozenten (Annahme: proportionale Erhöhung) entsprach. Ausgedrückt in Prozente bei einer linearen Erhöhung der Mehrwertsteuer ergibt dies noch 5,9 Prozentpunkte. Berücksichtigt man die vorgängig geschilderte Entwicklung 1995­2000 und den Ausblick auf das Jahr 2010, so wird die Grössenordnung dieses Mehrbedarfes bestätigt. Rechnerisch ergibt sich ein leicht tieferer Mehrbedarf im Gegenwert von 5,8 Mehrwertsteuerprozenten (1995­2000 2,4 Prozentpunkte, 2000­2010 3,4 Prozentpunkte). Der Differenz von 0,1 MWST-Äquivalentprozentpunkten gegenüber IDA FiSo 1 darf jedoch keine grosse Bedeutung zugemessen werden. Der Finanzierungsbedarf schwankt relativ stark von Jahr zu Jahr, insbesondere auf Grund der periodischen Anpassungen der AHV/IV-Renten. Die in Aussicht gestellten Spar- und Kostendämpfungs1883

massnahmen reichen aber aus, um den Effekt des schlechteren Wirtschaftswachstums der letzten Jahre aufzuholen.

1.1.3.3

Sektorielle Abkommen mit der EU

Bei der vorliegenden Gesamtschau der Entwicklungen im Bereich der Sozialversicherungen darf ein Hinweis auf die Auswirkungen der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union nicht fehlen18. Ein Abschnitt des Abkommens über den Personenverkehr befasst sich denn auch mit der Sozialen Sicherheit. Eine Annahme des Abkommens hätte finanzielle Auswirkungen insbesondere auf die AHV/IV, die Krankenversicherung und die Arbeitslosenversicherung.

1.1.3.3.1

Überblick über die Auswirkungen

Änderungen auf Grund der Koordination der Systeme der Sozialen Sicherheit Das Abkommen sieht die Koordination der Sozialen Sicherheit nach dem Muster der in der EU geltenden Regelungen vor, damit der freie Personenverkehr nicht durch einschränkende sozialversicherungsrechtliche Regelungen behindert wird. Die Koordinierungsregelung gilt für die Versicherungsbereiche Krankheit, Alter, Invalidität und Tod (Hinterlassenenleistungen), Unfall, Arbeitslosigkeit und Familienleistungen. Sie bezieht sich auf die gesetzlichen Bestimmungen von Bund und Kantonen und tritt grundsätzlich an die Stelle unserer bestehenden bilateralen Abkommen über Soziale Sicherheit mit den Mitgliedstaaten der EU.

Neuerungen ergeben sich insbesondere in der Krankenversicherung. Wer im EUAusland wohnt, aber in der Schweiz arbeitet, muss grundsätzlich sich selbst und seine nicht erwerbstätigen Familienangehörigen in der Schweiz versichern. Gleiches gilt auch für Rentnerinnen und Rentner, die ausschliesslich oder vorwiegend in der Schweiz gearbeitet haben und ihren Ruhestand in einem EU-Staat verbringen. Diese Personen werden individuelle, kostengerechte Prämien zahlen müssen, wobei die oft niedrigeren Leistungskosten im Ausland berücksichtigt werden. Je nach Wohnsitzstaat gelten Sonderbestimmungen, wonach diese Personen im betreffenden Staat krankenversichert bleiben können. Die Regelung sieht auch Prämienverbilligungsbeiträge für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor. Da das Abkommen gewisse Personen mit Wohnort in einem EU-Land der Versicherungspflicht im Sinne des KVG unterstellt und das KVG für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungsbeiträge vorsieht, sind solche Vergünstigungen auch dann zu gewähren, wenn die Betroffenen in einem EU-Land wohnen. Die Prämienverbilligung darf nicht deshalb verweigert werden, weil die versicherte Person nicht in der Schweiz wohnt.

Wer in der Schweiz versichert ist und im Ausland erkrankt, wird wie eine dort versicherte Person zum einheimischen Sozialversicherungstarif behandelt. Die Kosten werden später der schweizerischen Krankenkasse in Rechnung gestellt. Die Versicherten sind damit besser gedeckt als heute. Gegenwärtig muss die Kasse nämlich maximal das Doppelte des Betrages übernehmen, den sie nach schweizerischem 18

Vgl. Botschaft vom 23. Juni 1999 über die Annahme der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU (Ziff. 147.3 und 311.171.1).

1884

Recht zu vergüten hätte. Umgekehrt werden Versicherte aus EU-Staaten, die z.B.

während der Ferien in der Schweiz erkranken oder verunfallen, hier zu Lasten der ausländischen Krankenkassen behandelt. Sie werden dadurch künftig besser geschützt sein als heute, weil viele Krankenkassen von EU-Staaten die Kosten in Nicht-EU-Staaten nicht übernehmen.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz müssten Staatsangehörige von EU-Staaten mit Wohnsitz im EU-Raum unter den gleichen Voraussetzungen wie schweizerische Staatsangehörige in die freiwillige AHV/IV aufgenommen werden. Da diese Versicherung schon jetzt stark defizitär ist, könnte dies enorme Zusatzkosten zur Folge haben. Die Zutrittsmöglichkeit zur freiwilligen Versicherung muss daher auf den Nicht-EU-Raum begrenzt werden. Dies ist in der laufenden Revision der freiwilligen Versicherung bereits vorgesehen, indem der Beitritt nur noch für Personen mit Wohnsitz in einem Staat vorgesehen ist, mit dem kein Sozialversicherungsabkommen besteht19. Staatsangehörige von EU-Staaten, die ausserhalb der EU wohnen, sind nach dem Personenverkehrs-Abkommen den schweizerischen Staatsangehörigen nicht gleichgestellt. Sie können nur dann der freiwilligen Versicherung beitreten, wenn sie zuvor ununterbrochen fünf Jahre lang in der schweizerischen obligatorischen AHV/IV versichert waren.

Die Rentenberechnung erfolgt in der AHV/IV im Allgemeinen weiterhin nach den Grundsätzen des schweizerischen Rechts. Dies wird auf Grund einer Anpassung des Berechnungsmodus bei Teilrenten ermöglicht.

Die Hilflosenentschädigung der AHV/IV soll auch künftig nur bei Wohnsitz in der Schweiz gewährt werden, allerdings muss im nationalen Recht explizit festgehalten werden, dass die Finanzierung dieser Leistungen ausschliesslich durch die öffentliche Hand erfolgt ­ was der bestehenden Situation de facto entspricht.

Die derzeit von Ausländerinnen und Ausländern noch verlangte zehnjährige Mindestwohndauer in der Schweiz, um Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu erhalten, entfällt für Staatsangehörige von EU-Staaten. Auch künftig werden die Ergänzungsleistungen aber nur bei Wohnsitz in der Schweiz gewährt.

Bei der zweiten Säule erfasst das Abkommen nur die gesetzliche Minimalvorsorge.

Die Leistungen werden weiterhin nach schweizerischem Recht berechnet und ausbezahlt. Die Barauszahlung der
Austrittsleistung ist bei Ausreise in einen EU-Staat nach einer Übergangszeit von fünf Jahren aber nicht mehr in allen Fällen möglich.

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung ist für Arbeitnehmende mit unterjährigen Arbeitsverträgen (Kurzaufenthalter) eine Übergangszeit von sieben Jahren vorgesehen. In der Schweiz werden nämlich während dieser Übergangsfrist bei Kurzaufenthaltern die im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten nicht zusammengerechnet, so dass diese nur dann Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben, wenn sie ihre nach schweizerischem Recht vorgesehene Beitragszeit in der Schweiz erfüllt haben. Nach sieben Jahren wird der Grundsatz der Totalisierung von Versicherungszeiten dann auch für EU-Arbeitnehmende mit unterjährigen Arbeitsverträgen anwendbar.

Bei den Familienzulagen werden sowohl die kantonalen Regelungen als auch diejenigen des Bundes erfasst. Es gilt auch hier das Gebot der Gleichbehandlung. Wer Anspruch auf Familienzulagen hat, erhält sie für Kinder im Ausland in gleicher 19

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Revision der freiwilligen Versicherung) vom 28. April 1999, BBL 1999 4983.

1885

Weise wie für Kinder in der Schweiz. Besondere Regelungen und die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen gewährleisten, dass Doppelzahlungen vermieden werden können.

1.1.3.3.2

Finanzielle Auswirkungen

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Mehrkosten auf. Allerdings bleiben die Vorteile unberücksichtigt, die den Schweizer Versicherungen und Versicherten zu Gute kommen.

Gesamte Mehrkosten für die einzelnen Versicherungszweige20 Zweig

Massnahme

Mehrkosten (in Mio. Fr.)

KV

Prämienverbilligung für Versicherte im Ausland max. 90,0 Leistungsaushilfe in der Schweiz: Verwaltungskosten 5,0

AHV/ IV Umwandlung des Teilrenten-Systems in ein Pro-rataSystem Export der IV-Viertelsrenten

97,0 8,0

EL

Wegfall der Karenzfrist für Angehörige von EU-Staaten

11,0

UV

Leistungsaushilfe (Schätzung) Pro-rata-Beteiligung bei der Pneumokoniose

0,2 nicht bezifferbar

ALV

Ansprüche von Arbeitnehmern mit unterjährigen Arbeitsverträgen

170­400

FZ

Auswirkungen der Gleichbehandlungspflicht gegenüber Angehörigen von EU-Staaten bei den Haushaltszulagen 2,0

1.1.3.4

Neuer Finanzausgleich

Derzeit befindet sich bis Ende November 1999 der Bericht für einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen im Vernehmlassungsverfahren. Der geplante neue Finanzausgleich würde sich auf wichtige Teile des schweizerischen Sozialversicherungssystems auswirken:

20

­

AHV. Für die individuellen Leistungen (Renten, Hilflosenentschädigungen) soll ausschliesslich der Bund zuständig sein. Die Kantone ziehen sich aus der Finanzierung dieser Leistungen zurück. Die Altershilfe soll zum grössten Teil kantonalisiert werden. Der Bund (via AHV) soll aber weiterhin die Möglichkeit haben, Projekte von nationaler Tragweite zu unterstützen.

­

IV. Für die individuellen Leistungen (Renten, Hilflosenentschädigungen, Taggelder, medizinische und berufliche Massnahmen) ist wie in der AHV Für weitere Angaben vgl. a.a.O, Fn. 18, Ziffer 311.171.1.

1886

eine reine Bundeszuständigkeit vorgesehen. Die Sonderschulmassnahmen, die Bau- und Betriebsbeiträge an Eingliederungsstätten, Sonderschulen, Werkstätten und Wohnheime für Behinderte sollen dagegen in die ausschliessliche Zuständigkeit der Kantone übergehen. Im Bereich der Beiträge an die private Invalidenhilfe soll der Bund (via IV) für die Finanzierung nationaler Projekte zuständig bleiben, während die Kantone für die Finanzierung von Projekten auf kantonaler oder regionaler Ebene zuständig werden sollen.

­

Bei den EL ist eine Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen vorgesehen. Der Bund soll für die EL aufkommen, soweit ihnen die Funktion der Existenzsicherung zukommt. Die Kantone werden für die Heimkosten der EL-Bezügerinnen und -bezüger verantwortlich.

­

Die Prämienverbilligung zur Krankenversicherung bleibt weiterhin eine Verbundaufgabe zwischen Bund und Kantonen. Mit dem neuen Finanzausgleich sollen aber gewisse minimale einheitliche Standards eingeführt werden.

­

Mit dem neuen Finanzausgleich soll eine Bundesregelung für die Familienzulagen geschaffen werden, welche global gesehen gegenüber der heutigen Lösung kostenneutral ausgestaltet werden soll.

Mit rund 5,2 Milliarden Franken ist die finanzielle Veränderungsmasse im Bereich der Sozialversicherungen sehr gross. Allerdings soll der neue Finanzausgleich im Gesamtergebnis weder den Bund noch die Kantone belasten oder entlasten. In Bezug auf die Leistungen der Sozialversicherungen soll der neue Finanzausgleich weder einen Leistungsabbau noch einen Leistungsausbau bewirken.

1.1.4

Konzeption des Bundesrates

1.1.4.1

Generelle Leitlinien des Bundesrates

Die verschiedenen Entscheidgrundlagen (vgl. Ziff. 1.1.2) haben dem Bundesrat eine Gesamtbetrachtung des Systems erlaubt, so dass er generelle Leitlinien für die künftige Entwicklung des Sozialversicherungssystems definieren konnte, die in einem zweiten Schritt in den einzelnen Sozialversicherungszweigen umgesetzt werden können.

1.1.4.1.1

Leistungsseite

Festhalten am heutigen System der Sozialen Sicherheit Der Bundesrat hält den generellen Umbau der Sozialen Sicherheit für nicht geboten.

Bei den verschiedenen denkbaren Alternativen (Grundsicherungsmodelle wie beispielsweise die negative Einkommenssteuer oder Ersatz von Versicherungs- durch Bedarfsleistungen) würden die Ziele des heutigen Systems der wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Integration gefährdet. Weiter ist das heutige System in seiner Mischung von Versicherungsfunktion mit beschränkter Umverteilung in der Bevölkerung breit akzeptiert. Ein Abrücken vom Versicherungsprinzip und eine Verstärkung der Umverteilung könnte diesen Rückhalt schwächen. Es ist zudem äusserst

1887

fraglich, ob die erwähnten Alternativen die Effizienz des Systems tatsächlich erhöhen würden21.

Gezielte Schliessung von Lücken und Überprüfung überholter Leistungen: Der Bundesrat stellt fest, dass der Spielraum der Sozialversicherungen aus finanziellen Gründen gering ist. Ein gezielter Ausbau ist nur noch aus sozialen Gründen und in Übereinstimmung mit der Konsolidierung der Sozialversicherungen möglich. Verbesserungen sollen soweit möglich bleiben, als sie wichtige soziale Bedürfnisse decken (z.B. Leistungen bei Mutterschaft) oder für die Erhaltung der Leistungen des Systems notwendig sind (z.B. Erhöhung der Altersgutschriften in der beruflichen Vorsorge [BVG] zum Erhalt der Rentenhöhe). Auf der anderen Seite gibt es heute auch Leistungen, deren Berechtigung oder Umfang auf Grund der veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse fraglich geworden ist (z.B. Witwenrente in ihrer heutigen Form in der AHV).

Anpassung der Leistungen der Sozialversicherungen an die sich wandelnden sozialen Bedürfnisse: Wie in der Vergangenheit werden sich auch in der Zukunft das Umfeld der Sozialversicherungen und damit auch die sozialen Bedürfnisse verändern. Dies bedingt eine periodische Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Leistungen der Sozialversicherungen. Der Bundesrat will auch in Zukunft das Leistungssystem der Sozialversicherungen den sich wandelnden Gegebenheiten anpassen. Dies kann innerhalb eines wirtschaftlich verkraftbaren Rahmens den Ausbau von Leistungen wie auch den Abbau von Leistungen bedeuten, für welche keine soziale Notwendigkeit mehr besteht.

1.1.4.1.2

Finanzierungsseite

Finanzielle Konsolidierung und Mischfinanzierung: Heute stellt die finanzielle Konsolidierung der Sozialversicherungen ein prioritäres Ziel für den Bundesrat dar. Bei der Finanzierung hält er auch künftig an einer Kombination verschiedener Quellen fest (insbesondere Lohnprozente und Steuern), denn dies bietet Gewähr für eine grösstmögliche Stabilität. Erforderliche Mehreinnahmen zur Erhaltung des Leistungsniveaus in der AHV und IV sollen bevorzugt über die Mehrwertsteuer erhoben werden, wobei auch die Erträge aus einer allfälligen Energiesteuer ins Auge gefasst werden. Zu diesem Themenkreis gehört im Übrigen auch ein Ausgleich zwischen dem hohen Fondsstand der EO und den Schulden der IV (Ende 2002 in Prozent der Jahresausgabe: IV: ­53 %; EO: +360 %). In der Krankenversicherung ist zu prüfen, ob die heutige Finanzierung über Kopfprämien sozialer ausgestaltet werden kann.

21

Bericht zuhanden der Ständeratskommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit «Folgearbeiten IDA FiSo 2: Zur Effizienz von Sozialversicherungen und Grundsicherungsmodellen» (BSV, 21.10.1998).

1888

1.1.4.1.3

Effiziente und kostengünstige Verwaltung und Durchführung

Der Bund sorgt im Rahmen seiner Kompetenzen dafür, dass die Sozialversicherungen effizient und kostengünstig durchgeführt werden. Er beschränkt sich auf organisatorische Massnahmen, die den Interessen der Versicherten dienen und für die Sicherheit der Versicherungsgelder notwendig sind. In diesem Zusammenhang wird bei künftigen Revisionsvorlagen noch vermehrt der Aspekt einer materiellen Harmonisierung der Leistungen zwischen den einzelnen Sozialversicherungszweigen zu thematisieren sein. Heute werden dieselben Leistungen durch unterschiedliche Sozialversicherungszweige erbracht, je nachdem, unter welchen Umständen das Risiko eingetreten ist. So werden beispielsweise medizinische Leistungen durch einen anderen Versicherungszweig (und zu anderen Tarifen) vergütet, wenn ein Unfall an der Arbeitsstelle, in der Freizeit oder im Militärdienst eingetreten ist. Oder die Leistungen für den Einkommensersatz (Taggelder) sind unterschiedlich, ob eine erwerbstätige Person nun wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend erwerbsunfähig ist. Ein besonderes Problem stellen dabei die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit dar, welche mit der demografischen Alterung zunehmend an Bedeutung gewinnen werden und die heute über verschiedene Instrumente finanziert werden (individuelle und kollektive Leistungen verschiedener Sozialversicherungen, Subventionen von Kantonen und Gemeinden, Patienten). Diese Aufsplitterung in den verschiedenen Bereichen führt zum einen zu vielfältigen Abgrenzungsfragen, zum anderen zu einer Unübersichtlichkeit, welche für die Versicherten in der Regel nicht nachvollziehbar ist und auf Grund der fehlenden Transparenz die Legitimität des Systems untergräbt.

1.1.4.1.4

Weichenstellungen in Zeitabschnitten und in drei Bereichen

Unter Beachtung der obigen Leitlinien gilt es rasch, die Weichen für die nächsten zehn Jahre zu stellen. Die längerfristige Entwicklung ist dabei mit zu berücksichtigen; Entscheide, die zu Leistungsveränderungen nach diesem Jahrzehnt führen, sollen rechtzeitig vor dem Jahre 2010 zur Diskussion gestellt werden.

Die Weichenstellungen sollen getrennt in drei Bereichen erfolgen: Im Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, in der Krankenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung. Die drei Bereiche können allerdings nicht als kommunizierende Röhren betrachtet werden: Einsparungen an einem Ort (beispielsweise in der Krankenversicherung) sind demnach nicht zu Mehraufwendungen in der AHV einsetzbar. Im Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung steht die finanzielle Konsolidierung mittels Leistungs- und Finanzierungskorrekturen und die Einführung eines sozial ausgestalteten flexiblen Rentenalters im Vordergrund. In der Krankenversicherung soll das Schwergewicht auf den kostendämmenden Vollzug des geltenden Systems gelegt werden, welcher mit systemkonformen punktuellen Gesetzesanpassungen erreicht werden soll. In der Arbeitslosenversicherung gilt es schliesslich, sozial verträgliche Rationalisierungsmassnahmen an die Hand zu nehmen und Einsparpotenziale zu realisieren.

1889

1.1.4.2

Umsetzung in den einzelnen Sozialversicherungszweigen

1.1.4.2.1

Alters- und Hinterlassenenversicherung (11. AHV-Revision)

1.1.4.2.1.1

Leistungsseite

Im Leistungsbereich sieht die 11. AHV-Revision namentlich folgende Massnahmen vor: ­

Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre (Ziff. 3.1.3.2)

­

Einführung einer Pensionierung "à la carte" mit sozialer Komponente (Ziff. 3.1.3.3)

­

Gleichbehandlung von Witwen und Witwern (Ziff. 3.1.4)

­

Langsamere Anpassung der Renten an die Teuerung (Ziff. 3.1.5)

­

Jahresweise Aufwertung der massgebenden Einkommen (Ziff. 3.1.6)

Diese Vorschläge finden sich in IDA FiSo 2 (Bst. A, S. 20 ff.). Hingegen wurden die in diesem Bericht aufgeführten Änderungen des Rentenniveaus und der Rentenformel nicht übernommen. Geht man von den Leistungsbildern von IDA FiSo 2 aus, bewegen sich die Vorschläge zwischen dem Leistungsbild 1 (Kostenneutralität) und dem Leistungsbild 2 (Abbau mit Opfersymmetrie); es ergibt sich unter dem Strich eine leichte Verringerung der Leistungen.

Mit den Massnahmen im Leistungsbereich werden Kosteneinsparungen erzielt, welche für die AHV nach Wegfall des Effektes der 15-jährigen Übergangsperiode auf über 1 Milliarde Franken geschätzt werden (Ziff. 4).

Weiter werden von der Revision der freiwilligen AHV/IV (welche ebenfalls in IDA FiSo 2 behandelt wird) nach einer Übergangsperiode von 40 Jahren Einsparungen von rund 117 Millionen Franken erwartet (Schätzung gemäss Botschaft vom 28. April 1999 über die Änderung des AHVG [Revision der freiwilligen AHV]).

Dies entspricht in etwa den Prognosen gemäss IDA FiSo 2 (vgl. S. 42, Ziff. A 5 1.1).

Anpassung der Renten gemäss Mischindex oder gemäss Teildynamik Speziell untersucht wurde die Idee eines Systemwechsels bei der Festsetzung und Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung. Nach geltendem Recht (Art. 33ter AHVG) passt der Bundesrat die Renten regelmässig der Lohn- und Preisentwicklung an. Das Ausmass der jeweiligen Anpassung wird durch die Entwicklung des Mischindexes bestimmt, d.h. durch das arithmetische Mittel zwischen Lohn- und Preisindex. Dabei werden bereits laufende Renten und Neurenten (Ausgangsrenten zum Zeitpunkt der Pensionierung) gleich behandelt. Mit dieser Methodik können die RentenbezügerInnen zusätzlich zum Teuerungsausgleich mit einer realen Verbesserung ihrer Leistungen rechnen. Sie partizipieren teilweise am Produktivitätsfortschritt. Die Neurenten andererseits werden nur zur Hälfte an die vorangegangene Reallohnentwicklung angepasst; der Preis dafür ist das Sinken der Ersatzquote, d.h. der Wert der AHV-Renten bei der Pensionierung sinkt im Vergleich zum früher erzielten Einkommen.

Angesichts der finanziellen Lage der AHV wurde verschiedentlich der Gedanke aufgegriffen, die laufenden Renten lediglich an die Preisentwicklung anzupassen, al1890

lenfalls sogar auf Grund eines separat ermittelten Rentenindexes. Bei einem solchen Vorschlag muss aber auch die Festsetzung der Neurenten überdacht werden. Die logische Alternative zur Anpassung gemäss Mischindex ist die Teildynamik, bei der die Neurente gemäss dem aktuellen Lohnniveau festgesetzt wird, die laufenden Renten dann aber lediglich im Ausmass der jeweiligen Teuerung angepasst werden.

Der Übergang vom Mischindex zur Teildynamik bringt Einsparungen mit sich. Von der schwächeren Anpassung der laufenden Renten der AHV sind alle Rentnerinnen und Rentner betroffen. Während das Sparpotenzial anfänglich noch relativ gering ist, resultiert während der Zeitspanne von 2009 bis 2021 eine Einsparung von 600 bis 800 Millionen Franken pro Jahr, was dem Gegenwert von zwei bis drei Mehrwertsteuerpromillen entspricht. Diese Einsparung ist aber nur vorübergehend. Mit fortschreitender Zeit gewinnt nämlich der Umstand an Gewicht, dass die Neurenten unter Beachtung des aktuellen Lohnniveaus berechnet werden. Im Jahre 2025 sind die Kosten bei der Teildynamik ungefähr gleich hoch wie beim Mischindex.

Gewichtige Nachteile sprechen aber gegen einen Systemwechsel: ­

Mit der Teildynamik wird eine unterschiedliche Behandlung von Alt- und Neurenten ausgelöst, welche zu einer Auffächerung der Renten führt. Mit jedem Jahr entsteht ein Rentnerjahrgang mit eigener Indexgrundlage. Ausgehend von einer angenommenen Minimalrente von 1090 Franken im Jahre 2004 und einer angenommenen Reallohnentwicklung von 1 Prozent pro Jahr ergibt sich bei der Teildynamik folgendes Bild: 20 Jahre später erhalten die über 85-jährigen Bezügerinnen und Bezüger einer Minimalrente real nach wie vor eine Rente von 1090 Franken, während die 65-jährigen Neurentnerinnen und Neurentner rund 1330 Franken erhalten. Das ganze Rentensystem verliert damit an Übersichtlichkeit und wird in der Durchführung und Handhabung gegenüber einem einheitlichen Mischindex-System, bei dem alle Bezügerinnen und Bezüger einer Minimalrente rund 1210 Franken erhalten, schwerfälliger.

­

Zusätzlich darf der Umstand nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Renten der beruflichen Vorsorge in der Regel nicht in vollem Ausmass der Preisentwicklung angepasst werden. Die Anpassung der laufenden Renten der AHV sorgt hier mit dem Mischindex für eine teilweise Kompensation.

Diese wichtige Funktion würde mit dem Übergang zur Teildynamik entfallen.

1.1.4.2.1.2

Finanzierungsseite

In der AHV und in der IV soll der finanzielle Mehrbedarf zu einem kleineren Teil durch ausgleichende Korrekturen im Beitragsbereich gedeckt werden, von denen die Selbstständigerwerbenden und die erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner betroffen sind.

In der AHV schlägt der Bundesrat zur Deckung des festgestellten Mehrbedarfes 2000 bis 2010 von 1,2 Äquivalentprozentpunkten und zum Ausgleich der ab dem Jahr 2000 bis zum Inkrafttreten der 11. AHV-Revision entstehenden Finanzierungslücke eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Vorgesehen sind ein halbes Prozent ab dem Jahre 2003 und ein weiteres Prozent ab dem Jahre 2006. Für

1891

den Fall der Ablehnung der zweiten Mehrwertsteuererhöhung, die voraussichtlich ab dem Jahr 2006 notwendig wird, soll der Gesetzgeber gewisse Korrekturen auf der Leistungsseite bei den Rentenanpassungen vornehmen.

Auch wenn die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Deckung des verbleibenden Mehrbedarfs in der AHV im Vordergrund stehen dürfte, bleibt die Möglichkeit durchaus offen, andere Finanzierungsquellen (z.B. die Energiesteuer) herbeizuziehen.

1.1.4.2.2

Invalidenversicherung (4. IV-Revision)

1.1.4.2.2.1

Leistungsseite

Mit der 4. IV-Revision wird auf der Leistungsseite das Ziel verfolgt, sozialverträgliche Sparmassnahmen zu realisieren und gezielte Lücken zu schliessen.

Am 25. Juni 1997 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft über den ersten Teil der 4. IV-Revision (BBl 1997 IV 149). Sie beinhaltete neben Massnahmen zur Zusatzfinanzierung auch Massnahmen zur Senkung und Steuerung der Ausgaben.

In der Volksabstimmung vom 13. Juni 1999 wurde der erste Teil der 4. IV-Revision abgelehnt. Da hauptsächlich die Aufhebung der Viertelsrente zum Referendum und zur Ablehnung der Vorlage geführt hatte, ist nun geplant, die Massnahmen des ersten Teils ohne die Aufhebung der Viertelsrente wieder aufzugreifen und sie mit weiteren Massnahmen des zweiten Teils in einem einzigen Revisionspaket zu vereinigen. Dieses könnte voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2003 in Kraft treten. Im Laufe des Jahres 2000 soll über den Entwurf der neuen Gesamtvorlage eine Vernehmlassung durchgeführt werden. Darin sollen folgende Massnahmen vorgeschlagen werden: ­

Die Massnahmen, welche Gegenstand des Berichts der IDA FiSo 2 waren, sollen teilweise realisiert werden (Aufhebung der Zusatzrente, Einführung einer Assistenzentschädigung), teilweise soll darauf verzichtet werden (Aufhebung der Viertelsrente, Verbesserung der Renten für Geburts- und Frühbehinderte). Zudem sollen die Härtefallrenten in das System der Ergänzungsleistungen überführt, regionale ärztliche Dienste geschaffen und das IV-Taggeldsystem überprüft werden.

­

Aufhebung der Zusatzrente: Die in der Diskussion über den ersten Teil der 4. IV-Revision praktisch unbestrittene Sparmassnahme wird in die Gesamtvorlage übernommen. Die langfristigen Einsparungen bei der IV betragen rund 235 Millionen Franken pro Jahr. Bei den EL entstehen jährliche Mehrausgaben von 18 Millionen Franken.

­

Prüfung der Einführung einer Assistenzentschädigung: Diese stellt die einzige Leistungsverbesserung, die im Rahmen der 4. IV-Revision geprüft wird, dar. Mit der Assistenzentschädigung soll eine einheitliche Leistung zur Abgeltung von Pflege- und Betreuungskosten geschaffen werden. Geplant ist keine vollständige Neukonzipierung, sondern eine Bereinigung des heutigen Systems. Folgende Verbesserungen werden angestrebt: ­ Die heutige Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Geburtsgebrechen bei den Leistungen für Pflege und Betreuung soll beseitigt werden.

1892

­ ­ ­

Die Assistenzentschädigung soll auch psychisch und leicht geistig Behinderten zugute kommen.

Die Ansätze sollen für Personen, die ausserhalb eines Heimes wohnen, erhöht werden.

Die Assistenzentschädigung soll zudem als Rechtsanspruch ausgestaltet werden.

­

Überführung der Härtefallrenten der IV in das System der Ergänzungsleistungen: Der Vorschlag, die heutigen Härtefallrenten der IV (d.h. halbe IVRenten, welche bei einem IV-Grad zwischen 40 und 50 Prozent und bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Härtefalles zur Ausrichtung kommen) in das System der Ergänzungsleistungen (EL) zu überführen, soll beibehalten werden. Die Überführung der Härtefallrenten in die EL führt zu einer Verlagerung von der IV zu den EL von rund 10 Millionen Franken pro Jahr.

­

Überprüfung des IV-Taggeldsystems: Bisher erfolgte die Berechnung der IV-Taggelder analog zur Berechnung der EO-Entschädigungen. Mit der verabschiedeten 6. EO-Revision werden letztere grundlegend verändert. Innerhalb der 4. IV-Revision soll ein IV-eigenes Taggeldsystem entwickelt werden, welches zivilstandsneutral ausgestaltet ist und im Vergleich zu heute keine Mehrkosten verursacht.

­

Auf die Aufhebung der Viertelsrente wird verzichtet.

­

Verbesserung der Renten für Geburts- und Frühbehinderte: Auf die Verbesserung der Renten für Geburts- und Frühbehinderte wird in der 4. IVRevision verzichtet. Eine Erhöhung der Renten bringt diesen Behinderten häufig nichts. In der Regel beziehen diese Personen EL. Eine Verbesserung der Rente führt hier zu einer entsprechenden Reduktion oder zum Wegfall der EL, so dass per Saldo der verfügbare Betrag in etwa gleich bleiben dürfte. Entlastet würden in erster Linie die Kantone, welche im EL-Bereich Einsparungen vornehmen könnten.

1.1.4.2.2.2

Finanzierungsseite

In der Invalidenversicherung wurde auf der Finanzierungsseite eine erste Massnahme auf Anfang 1998 umgesetzt. Durch die Verlagerung von 2,2 Milliarden Franken vom Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung auf die Rechnung der IV beim Ausgleichsfonds konnten die Schulden der IV auf Anfang 1998 abgebaut werden.

Das Ziel einer mittel- und langfristig ausgeglichenen Finanzierung der IV ist damit allerdings noch nicht erreicht.

In der IV, wo für die Zeitspanne von 2000 bis 2010 ein Mehrbedarf von 0,6 MWSTÄquivalentprozentpunkten ausgewiesen wird, benötigt man zusätzliche Finanzierungsmittel, um die bis zum Inkrafttreten der Revision entstehende Finanzierungslücke wieder zu beheben. Aus diesem Grunde muss ab dem Jahre 2003 ein ganzes Mehrwertsteuerprozent eingesetzt werden. Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV möglichst rasch zu erreichen, soll zusätzlich eine Verlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds zur IV vorgenommen werden. Zum Zeitpunkt der Entschuldung der IV wird der für sie bestimmte Mehrwertsteuerzuschlag entsprechend reduziert werden. Gemäss den heutigen Berechnungen für die künftigen Veränderungen des Kapitalkontos der IV wird sich daraus voraussichtlich nur 1893

eine geringfügige Senkung des Mehrwertsteuersatzes ab 2010 in der Grössenordnung von einem Promille ergeben.

1.1.4.2.2.3

Durchführung

Hier verspricht die Einführung eines regionalen ärztlichen Dienstes Erfolg: Angestrebt wird mit diesem Revisionsvorschlag im Wesentlichen eine Vereinheitlichung der für das Entscheidverfahren in der IV (insbesondere im Bereich der Renten) notwendigen medizinischen Grundlagen sowie eine gesamtschweizerisch möglichst einheitliche, qualitativ verbesserte und speditive Beurteilung der Leistungsgesuche.

Die regional organisierten ärztlichen Dienste sollen an die Stelle der heutigen IVStellenärztinnen und -ärzte treten. Im Vergleich zu heute dürften nach einer groben Schätzung für die IV jährliche Mehrkosten zwischen 15 und 20 Millionen Franken anfallen. Offen sind die Einsparungen auf der Leistungsseite, welche durch eine verbesserte medizinische Abklärung erzielt werden können.

1.1.4.2.3

Berufliche Vorsorge (1. BVG-Revision)

1.1.4.2.3.1

Leistungsseite

Die 1. BVG-Revision wird parallel mit der 11. AHV-Revision dem Parlament vorgelegt. Die Regelung der wichtigen Frage in der Altersvorsorge, das Abstimmen des ordentlichen Rentenalters für Frauen und Männer und die Flexibilisierung des Rentenalters in den beiden Säulen, bildete dazu einen wesentlichen Beweggrund.

Die Stossrichtung kann anhand der von der IDA FiSo 2 festgelegten Leistungsparameter illustriert werden (Regelung des Rentenalters; Rentenniveau und -formel; Rentenanpassung und Witwen- und Witwerrente): Regelung des Rentenalters: Die IDA FiSo 2 geht von einer Koordination mit der AHV aus, d.h. einer Anhebung des Rentenalters der Frauen, zusammen mit einer Verbesserung des Leistungsziels der Altersrente für Frauen von 34,5 Prozent auf 36 Prozent des letzten koordinierten Lohnes, und der Einführung des flexiblen Rentenalters. Dieses Ziel wird mit der Revision verwirklicht: Das Rentenalter für Männer und Frauen liegt bei 65 Altersjahren, wobei das Rentenalter für Frauen wie in der 10. AHV-Revision schrittweise ansteigt. Zudem wird im BVG das flexible Rentenalter eingeführt: Vorbezug der Rente mit Varianten und versicherungsmathematischer Kürzung der Leistungen sowie Aufschub der Altersrente (vgl. Ziff. 3.1.3 dieser Botschaft).

Rentenniveau im BVG: Die höhere Lebenserwartung verlangt eine Senkung des Umwandlungssatzes. Diese Senkung wird von Massnahmen begleitet, welche eine Verminderung des Rentenniveaus auffangen sollen. Im Rahmen der 1. BVGRevision sind für die Senkung des Umwandlungssatzes von 7,2 Prozent auf 6,65 Prozent folgende flankierende Massnahmen vorgesehen: eine zeitliche Staffelung und die Erhöhung der Altersgutschriften (vgl. Ziff. 2.2 der Botschaft zur 1. BVG-Revision; in der Folge als 'Botschaft BVG' bezeichnet).

Besondere Massnahmen für Versicherte mit kleinem Einkommen und Teilzeitangestellte: Die von der IDA FiSo 2 vorgesehenen Massnahmen wurden nicht übernommen (vgl. Ziff. 1.8.1 und 1.8.2 der Botschaft BVG).

1894

Die Anpassung der Renten an die Teuerung kann gemäss dem IDA-FiSo-2-Bericht teilweise oder in vollem Umfang geschehen. Dieser Leistungsparameter wurde in der Revision insofern umgesetzt, als die Vorsorgeeinrichtungen die Leistungen in Abhängigkeit ihrer finanziellen Möglichkeiten an die Teuerung anzupassen haben (vgl. Ziff. 2.6 der Botschaft BVG).

Die Witwen- und Witwerrenten sollen im BVG den gleichen Anspruchsvoraussetzungen unterliegen: Die 1. BVG-Revision (vgl. Ziff. 2.3.1 der Botschaft BVG) folgt mit der Einführung der Witwerrente zu den gleichen Bedingungen wie für die Witwenrente der IDA FiSo 2.

Nebst den Vorschlägen aus dem IDA-FiSo-2-Bericht wird mit der 1. BVG-Revision die Einführung der Viertelsrente im Invaliditätsfall (vgl. Ziff. 2.3.2 der Botschaft BVG) vorgeschlagen.

1.1.4.2.3.2

Finanzierungsseite

Mehrkosten ergeben sich in erster Linie durch die flankierenden Massnahmen zur Erhaltung des Rentenniveaus trotz Senkung des Umwandlungssatzes. Sie sollen durch die Erhöhung der Altersgutschriften gedeckt werden. Andererseits bedeutet die Aufhebung der Sondermassnahmen eine Ersparnis (vgl. Ziffer 2.4 der Botschaft 1. BVG-Revision).

1.1.4.2.3.3

Durchführung

Mit der 1. BVG-Revision soll auch das Ziel verfolgt werden, das System und die Durchführung der beruflichen Vorsorge zu verbessern (vgl. Ziff. 2.7 der Botschaft 1.

BVG-Revision). Es handelt sich dabei um Massnahmen zur Verbesserung des Versicherungsanschlusses und der Aufsicht, um eine Anpassung der Vorschriften über die Gesamt- und Teilliquidation an die tatsächlichen Verhältnisse und um eine Verbesserung der Rechtsstellung der Versicherten.

1.1.4.2.4

Krankenversicherung (1. KVG-Teilrevision)

1.1.4.2.4.1

Leistungsseite

Die mit dem Inkrafttreten des neuen KVG eingeleitete Anpassungsphase, innerhalb der die Schliessung von Lücken im Leistungsbereich erfolgen soll, ist weitgehend abgeschlossen. Der Umfang der Neuerungen dürfte sich in Zukunft in engen Grenzen halten. Wegen der Entwicklung im Bereich der medizinischen Untersuchungsund Behandlungsmethoden wird einem gewissen Anpassungsbedarf bei den Leistungen jedoch immer Rechnung getragen werden müssen. Nur so bleibt eine qualitativ hoch stehende, dem Stand der Erkenntnis entsprechende medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung gewährleistet. Somit sollen weiterhin jene medizinischen Leistungen vergütet werden, die von einem Arzt bzw. einer Ärztin oder einem Chiropraktor resp. einer Chiropraktorin sowie von Personen, die im Auftrag handeln, vorgenommen werden. Ein gänzlicher Verzicht auf neue Pflichtleistungen wäre nicht durchführbar. Er wäre auch nicht angezeigt, weil das Krankenver-

1895

sicherungsgesetz der qualitativ hoch stehenden Versorgung der Versicherten nicht entgegenstehen kann.

1.1.4.2.4.2

Kosteneindämmung

Die Arbeiten der IDA FiSo 2 haben gezeigt, dass die Krankenversicherung die höchsten Kostensteigerungen von allen Sozialversicherungszweigen aufweisen wird, falls keine wirksamen Gegenmassnahmen getroffen werden. Eine zu heute zusätzliche Kosten eindämmende Wirkung ist insbesondere von folgenden Massnahmen zu erwarten: ­

Abbau von Überkapazitäten im Spitalbereich: Bis zum 1. Januar 1998 hatten die Kantone die Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung sowie die Spitallisten zu erstellen. Die verschiedenen Spitalplanungen beziehen sich, je nach Kanton, auf einen Zeithorizont bis ins Jahr 2000, 2005 oder 2010. Die mit den Planungen eingeleiteten Massnahmen zum Abbau bestehender Überkapazitäten haben ihre volle Wirkung somit noch nicht entfaltet.

­

Neue Versicherungsmodelle: Im Bereich der neuen Versicherungsmodelle ist eine kontinuierliche Zunahme der Anzahl Versicherten, welche diese Versicherungsformen wählen, zu beobachten. Wie gross der Einfluss auf die Kosteneindämmung ist, kann zurzeit noch nicht geschätzt werden.

­

Massnahmen im Tarifbereich: In der Botschaft vom 21. September 1998 betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung zur ersten Teilrevision des KVG (BBl 1998 479) wird vorgeschlagen, bei mangelhafter Kostentransparenz in den Bereichen Spitex oder Pflegeheim Rahmentarife zu erlassen. Dadurch soll die Kosten eindämmende Wirkung der heute schon im Rahmen der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV; SR 832.112.3) bestehenden Regelung weitergeführt werden.

Weiter hat der Bundesrat in der ersten Teilrevision des KVG vorgeschlagen, den Kantonen die Kompetenz für die Einführung eines Globalbudgets für ambulante oder teilambulante Leistungen einzuräumen. Das Parlament hat diesen Vorschlag für die Behandlung im Rahmen des zweiten Teils der ersten Teilrevision zurückgestellt.

­

Einheitliche Tarifstruktur im Bereich der ambulanten ärztlichen Leistungen: Das KVG schreibt in Artikel 43 Absatz 5 für Einzelleistungstarife eine gesamtschweizerisch einheitliche Struktur vor. Im wichtigsten Tarifbereich, jenem der Arzttarife, dürfte die Teileinführung im Jahr 2000 bevorstehen.

Zwar soll die Einführung der neuen Tarifstruktur kostenneutral erfolgen und damit nicht unmittelbar Kosten eindämmend sein. Mittel- und längerfristig ist wegen der entstehenden Transparenz sowie auf Grund der Aufwertung der intellektuellen und patientenbezogenen ärztlichen zu Lasten der technischen Tätigkeit zu erwarten, dass die neue Regelung tendenziell Kosten eindämmend wirkt.

­

Medikamentenbereich: Die Botschaft zur ersten Teilrevision des KVG sieht vor, dass Apotheker und Apothekerinnen, sofern kein Gegenbericht des Arztes oder der Ärztin vorliegt, verschriebene Originalpräparate durch

1896

kostengünstigere Generika ersetzen können. Das neue Heilmittelgesetz soll unter gewissen Voraussetzungen zudem den Parallelimport von Arzneimitteln erlauben, was teilweise eine Senkung der Preise in der Schweiz nach sich ziehen würde. Die damit verbundenen Einsparungen lassen sich nicht beziffern.

Der Bundesrat geht davon aus, dass sich das durch den medizinischen Fortschritt verursachte, zusätzlich zur Lohn- und demografischen Entwicklung bedingte Kostenwachstum durch die bisher eingeleiteten Massnahmen in den Jahren 2000­2003 auf 2 Prozent, in den Jahren 2004­2010 auf 1,2 Prozent und ab 2011 auf 0,5 Prozent begrenzen lässt. Diese Einschätzung müsste geändert werden, falls einzelne oder alle Volksinitiativen "für eine freie Arzt- und Spitalwahl", "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" und "für tiefere Spitalkosten" vom Volk angenommen werden.

Von den beiden erstgenannten Initiativen sind tendenziell Mehrkosten für die Krankenversicherung, von der dritten eine Kostenverlagerung von der Krankenversicherung auf einerseits die Versicherten und andererseits die öffentliche Hand zu erwarten. Die in Artikel 32 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) vorgesehene Wirkungsanalyse sowie die im Rahmen der amtlichen Statistiken ausgewiesenen Daten werden zu gegebener Zeit zeigen, ob die getroffenen Massnahmen in genügendem Ausmass zur Kosteneindämmung beigetragen haben oder ob striktere Massnahmen zu treffen sind.

1.1.4.2.4.3

Finanzierung

Bei der Deckung des Mehrbedarfs steht die Finanzierung mittels Krankenversicherungsprämien im Vordergrund (die Darstellung des Mehrbedarfes in der Krankenversicherung oben erfolgt lediglich deshalb in Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten, um über eine gemeinsame Vergleichsbasis für alle Sozialversicherungszweige zu verfügen). Die sozialpolitischen Grenzen des seit Jahren umstrittenen Kopfprämiensystems werden mit der von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz eingereichten Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben" thematisiert. Damit steht eine Debatte über eine Neuordnung der Finanzierung bevor.

Ebenfalls in Erwägung zu ziehen sein wird die Neuverwendung u.a. der von Bund und Kantonen in die Krankenversicherung fliessenden Mittel.

1.1.4.2.5

Arbeitslosenversicherung (3. ALV-Revision)

1.1.4.2.5.1

Leistungsseite

Die Revision des AVIG wird während der Legislaturperiode 1999-2003 erfolgen.

Einige Massnahmen auf der Finanzierungs- wie auf der Leistungsseite wurden jedoch bereits im Rahmen des Stabilisierungsprogramms für die Bundesfinanzen getroffen. Auf der Seite der Leistungen sind folgende Massnahmen22 mit einem geschätzten Einsparpotenzial von 215 Millionen Franken pro Jahr eingeführt worden bzw. werden demnächst in Kraft treten:

22

Vgl. Abschnitte B6 bis B10 des Berichts IDA FiSo 2.

1897

­

Reduktion der maximalen Bezugsdauer für Beitragsbefreite oder für Personen, die nach Erziehungsperioden wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen (von 520 auf 260 Tage, 1.9.1999)

­

Reduktion der Bezugsdauer bei der Insolvenzentschädigung (von sechs auf vier Monate, 1.9.1999)

­

Neuregelung der Überentschädigungsgrenze bei einer unfreiwilligen vorzeitigen Pensionierung (von maximal 90% zu 70 bzw. 80% des letzten versicherten Verdienstes, 1.9.1999)

­

Wechsel von einem Lohnsystem zu einem Taggeldsystem bei den Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung (1.1.2000)

­

Reduktion der Subventionsansätze bei arbeitsmarktlichen Massnahmen (Kürzung um 10%, 1.7.1999)

Einige der im Bericht IDA FiSo 2 erwähnten Massnahmen sind immer noch hängig, vor allem weil ihre effektive Wirkung auf die Finanzen der ALV ungewiss ist. Es handelt sich dabei um die degressive Ausgestaltung des Taggeldsystems, die Kürzung der Leistungen bei Kurzarbeit, die Streichung der Schlechtwetterentschädigung und die Reduktion der maximalen Bezugsdauer für Taggelder23. Diese Massnahmen werden bei der nächsten Teilrevision des AVIG erneut geprüft werden. Weiter könnten die durch die 2. Revision des Arbeitslosenversicherungsesetzes (AVIG) eingeführten Massnahmen zur raschen und dauerhaften Wiedereingliederung von arbeitslosen Personen ins Erwerbsleben (Schaffung von regionalen Arbeitsvermittlungsstellen [RAV] und besonderen Dienststellen durch die Kantone) noch einer Prüfung unterzogen werden24.

1.1.4.2.5.2

Finanzierungsseite

Was die Finanzierung der ALV anbelangt, so wird es das Inkrafttreten des Stabilisierungsprogramms am 1. Januar 2000 erlauben, den Beitragssatz bis 2003 bei 3 Prozent zu belassen, die Obergrenze für den versicherten Verdienst von 97 200 auf 106'800 Franken heraufzusetzen und einen Abzug von 2 Prozent auf Einkommen zwischen 106 800 und 267 000 Franken zu erheben25. Die zusätzlichen Einnahmen aus diesen drei Massnahmen werden auf 2,1 Milliarden Franken geschätzt.

23 24 25

Vgl. Abschnitte B2 bis B5 des Berichts IDA FiSo 2.

Bericht vom 21. April 1999 über die Prüfung der Motion von Nationalrat Bonny zur Reorganisation der Arbeitslosenversicherung.

Bis zum Inkrafttreten des Stabilisierungsprogramms wurden die Finanzierungsmassnahmen in einem dringlichen Bundesbeschluss geregelt (Beitragssatz von 3% auf Löhnen bis 97 200 Franken und von 1% auf Einkommen zwischen 97 200 und 243 000 Franken).

1898

1.2

Notwendigkeit und Ziele der 11. AHV-Revision

1.2.1

Übersicht

Mit der 11. AHV-Revision sollen die demografischen Herausforderungen für die Altersvorsorge in der ersten Säule, die sich in den nächsten Jahrzehnten stellen, bewältigt werden. Gleichzeitig sollen auch gesellschaftspolitisch angezeigte Anpassungen bei der AHV vorgenommen werden, damit sie weiterhin die wichtige Stütze der Sozialen Sicherheit in der Schweiz und auch ihr Charakter der einer auf breiter Solidarität und Akzeptanz beruhenden Volksversicherung bleiben wird.

Mit der 11. AHV-Revision werden somit zwei Hauptziele verfolgt: Erstens sind gesicherte Finanzierungsgrundlagen für die mittel- und längerfristige Zukunft der AHV sowohl durch Massnahmen auf der Einnahmenseite (Zusatzfinanzierung, Massnahmen im Beitragsbereich) wie auch auf der Seite der Ausgaben (Rentenalter, Einschränkungen bei der Witwenrente, Verlangsamung des Rentenanpassungsrhythmus) zu erarbeiten und zweitens soll ein sozial ausgestaltetes flexibles Rentenalter realisiert werden.

Auf der Einnahmenseite steht ein neues Finanzierungssystem im Vordergrund.

Das neue Finanzierungssystem soll sich an der längerfristigen Entwicklung der AHV orientieren, welche insbesondere durch eine zunehmende Alterung der Bevölkerung geprägt ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass damit auch eine Abnahme der erwerbstätigen Bevölkerung verbunden ist. Dies könnte Beitragsausfälle zur Folge haben. Die Wirtschaft soll im heutigen Zeitpunkt nicht durch eine Erhöhung der Lohnnebenkosten belastet werden. Aus diesen Gründen ist es angezeigt, die Finanzierung der AHV längerfristig auf eine vermehrte Finanzierung über indirekte Steuern auszurichten.

Die Revisionsvorschläge decken einen Zeithorizont bis zum Jahr 2010 ab. Dies entspricht dem Betrachtungszeitraum des IDA-FiSo-2-Berichts. Der Bundesrat ist sich selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass der Alterungsprozess über diesen Zeithorizont hinausgeht. Die ökonomische Entwicklung kann aber über lange Sicht nicht zuverlässig abgeschätzt werden, so dass sich die konkreten Finanzierungsvorschläge vorerst bis 2010 erstrecken. Ab 2010 werden weitere Massnahmen nötig werden, gestützt auf Grundlagen, die zu jenem Zeitpunkt vorliegen.

Neben der Erhöhung der Mehrwertsteuer werden auch Änderungen im Bereich der AHV-Beiträge in die 11. AHV-Revision aufgenommen: Die Solidarität im Beitragsbereich soll
verstärkt werden, indem der tiefere Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden in Richtung desjenigen der Arbeitnehmenden erhöht, die obere Einkommensgrenze bei der sinkenden Beitragsskala, die unter anderem bei der Beitragsbemessung der Selbstständigerwerbenden zur Anwendung kommt, eingefroren und der Freibetrag für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner aufgehoben werden.

Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV möglichst rasch zu erreichen, soll zudem zusätzlich eine Verlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EOFonds zur IV vorgenommen werden.

Auf der Ausgabenseite sollen Einsparungen im Bereich des Rentenalters, der Witwenrente und des Rentenanpassungsrhythmus realisiert werden.

1899

Im Bereich des Rentenalters soll das Rentenalter von Mann und Frau vereinheitlicht und gleichzeitig sozialverträglich flexibilisiert werden. Das ordentliche Rentenalter, als Ausgangspunkt für die Flexibilisierungs-Bandbreite, soll unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung auf 65 Jahre für Männer und Frauen festgelegt werden.

Mit der 10. AHV-Revision ist die Witwerrente in der AHV eingeführt worden. Sie ist jedoch an wesentlich restriktivere Bedingungen als die Witwenrente geknüpft.

Neben dem Rentenalter bildet dies in der AHV die letzte Differenz bei den Anspruchsberechtigungen zwischen Mann und Frau. Dieser Unterschied soll in der 11. AHV-Revision beseitigt werden. Zwar ist heute die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau in vielen Bereichen noch nicht erreicht, die Unterschiede werden aber zunehmend kleiner. Aus diesem Grund ist eine Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Witwen- an diejenige für eine Witwerrente vertretbar, die Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen soll aber durch differenzierte Übergangsregelungen abgesichert werden.

Zweites Hauptziel der 11. AHV-Revision bildet die Einführung eines sozial ausgestalteten flexiblen Rentenalters.

Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung erfordert eine sozialverträglich ausgestaltete Flexibilisierung des Rentenalters. Gesellschaftlich ist eine zunehmende Vielfalt der individuellen Lebensläufe zu beobachten, welche nach einer grösseren Wahlfreiheit der Versicherten beim Altersrücktritt verlangt, sowohl was den Zeitpunkt des Altersrücktritts wie auch die Möglichkeit eines Teilrücktritts betrifft. Auf der anderen Seite können insbesondere in rezessiven Konjunkturphasen und bei einem Überangebot an Arbeitskräften Belastungen im Berufsleben und Umstrukturierungen in der Wirtschaft dazu führen, dass Personen nicht bis 65 Jahre arbeiten können. Hier soll die Flexibilisierung des Rentenalters den Betroffenen ermöglichen, eine ihren Bedürfnissen angepasste Lösung zu finden.

Im Rahmen der allfälligen Verwendung eines Teils der überschüssigen Goldreserven soll geprüft werden, ob eine soziale Abfederung der Bestimmungen über das flexible Rentenalter sowie des Anspruchs auf die Witwenrente möglich ist.

Mit dem vorgeschlagenen Revisionspaket soll einerseits die Finanzierung der AHV mittelfristig sichergestellt
werden und andererseits das Leistungsniveau insgesamt gehalten, aber an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen angepasst werden. Dies kann durch die Verknüpfung der vorgeschlagenen Finanzierungsmassnahmen, der vertretbaren Sparmassnahmen sowie der gezielten Verbesserungen erreicht werden.

Weiter soll mit dem vorgeschlagenen Kapitaltransfer von der EO in der IV die finanzielle Situation dieser Versicherung zusätzlich verbessert werden.

1.2.2

Entwicklung seit der 10. AHV-Revision

Die 10. AHV-Revision trat am 1. Januar 199726 in Kraft. Sie ersetzte das bisherige System der Ehepaarrente durch ein zivilstandsneutrales Rentensystem. Mit der Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften wurde auch die nicht entlöhn26

Die neue Rentenformel wurde bereits am 1. Januar 1993 eingeführt, die Erziehungsgutschriften für geschiedene Frauen am 1. Januar 1994.

1900

te, gesellschaftlich aber äusserst wertvolle Arbeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Ausserdem wurde die Witwerrente eingeführt, dies jedoch mit restriktiveren Voraussetzungen als die Witwenrente. Mit diesen Massnahmen wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Frauen und Männern gemacht. Eine Änderung der Rentenformel brachte wichtige soziale Verbesserungen für Personen mit kleinen Einkommen. Schliesslich wurde mit der 10. AHV-Revision auch die Möglichkeit des Rentenvorbezugs geschaffen, allerdings begrenzt auf zwei Jahre und verbunden mit einer versicherungstechnischen Rentenkürzung.

Das neue Rentensystem hat sich bewährt, im Leistungssystem drängen sich daher keine tief greifenden Gesetzesänderungen auf. Hingegen fällt auf, dass vom neuen Rentenvorbezug nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wird27. Dies ist zum Teil sicher darauf zurückzuführen, dass sich die Möglichkeit zum Rentenvorbezug noch in einer Anlaufphase befindet. Auf der andern Seite wird man aber davon ausgehen müssen, dass die versicherungstechnische Kürzung für zahlreiche Personen eine hohe Hürde darstellt und die Möglichkeit des Bezuges von Ergänzungsleistungen (EL) nur ein ungenügendes Korrektiv ist.

Die 11. AHV-Revision kann sich somit im Leistungsbereich schwergewichtig auf die Verwirklichung eines sozial ausgestalteten flexiblen Rentenalters sowie einheitlicher Anspruchsbedingungen für Mann und Frau in allen Bereichen der AHV konzentrieren.

1.2.3

Hängige Volksinitiativen

Im Zusammenhang mit der Frage des künftigen Rentenalters in der AHV sind noch drei Eidgenössische Volksinitiativen hängig 28.

Am 13. Mai 1996 wurde von einem Initiativkomitee des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes (SKV) und der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) die Volksinitiative "für eine Flexibilisierung der AHV ­ gegen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen" eingereicht. Des Weiteren hat ein Initiativkomitee der Grünen Partei Schweiz (GPS) am 22. Mai 1996 die Volksinitiative "für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann" eingereicht. Diese beiden Begehren haben inhaltlich weitgehend identische Anliegen: Sie bezwecken die Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV ab 62 durch Einführung einer Ruhestandsrente, welche die ganze oder mindestens teilweise Aufgabe der Erwerbstätigkeit voraussetzt. Der Bundesrat beantragt in seiner Botschaft vom 15. Dezember 1997 (BBl 1998 1175), die beiden Initiativen Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung und ohne Gegenentwurf zur Abstimmung zu unterbreiten. Er hat dabei in Aussicht gestellt, die Anliegen der Initiativen in der 11. AHV-Revision aufzugreifen und zu prüfen. Die parlamentarischen Beratungen zu diesen beiden Volksbegehren erfolgten im Laufe des Jahres 1998. Mit Schlussabstimmung vom 27 28

1997 bezogen lediglich 4 Prozent der 64-jährigen Männer die Rente vor, 1998 8 Prozent.

Vorgängig war am 21. Juni 1995 die Volksinitiative "für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters" eingereicht worden. Sie hatte zum Ziel, die in der 10. AHVRevision beschlossene schrittweise Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 62 auf 64 Jahre rückgängig zu machen. Diese sogenannte "Auffang-Initiative", die von einem gemeinsamen Initiativkomitee des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) und des Christlich-Nationalen Gewerkschaftsbundes (CNG) lanciert worden war, haben Volk und Stände am 27. September 1998 verworfen.

1901

18. Dezember 1998 hat die Bundesversammlung beschlossen, Volk und Ständen diese Initiativen zur Ablehnung zu empfehlen (BBl 1999 215 ff.).

Die dritte im Sachzusammenhang stehende Volksinitiative ist diejenige der GPS vom 22. Mai 1996 "für eine gesicherte AHV ­ Energie statt Arbeit besteuern!". Diese Initiative hat die Einführung einer Energiesteuer zur teilweisen oder vollständigen Finanzierung der Sozialversicherungen zum Gegenstand, wobei mit dem Erlös die Mehrkosten einer Herabsetzung des Rentenalters gedeckt und darüber hinaus die Belastung durch die Sozialversicherungs-Beiträge für die Versicherten und Arbeitgebenden reduziert werden sollen. In seiner Botschaft vom 13. Mai 1998 (BBl 1998 4185) beantragt der Bundesrat ebenfalls, diese Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung und ohne Gegenentwurf zur Abstimmung zu unterbreiten. Diese Initiative befindet sich gegenwärtig in den parlamentarischen Beratungen.

1.2.4

Bundesbeschluss über die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV

Um der demografischen Entwicklung in der AHV (die auch in der IV spürbar wird) rechtzeitig Rechnung zu tragen, hatte der Bundesrat mit seiner Botschaft vom 1. Mai 1997 (BBl 1997 III 741 ff.) dem Parlament beantragt, ab 1999 von der in der Bundesverfassung in Artikel 41ter Absatz 3bis verankerten Kompetenz Gebrauch zu machen, wonach der Satz der Mehrwertsteuer um höchstens einen Prozentpunkt angehoben werden darf, wenn die Finanzierung der AHV/IV wegen der Entwicklung des Altersaufbaus nicht mehr gewährleistet ist. Die eidgenössischen Räte haben diesem Antrag in der Schlussabstimmung vom 20. März 1998 zugestimmt und den entsprechenden Bundesbeschluss erlassen. Der Bundesbeschluss ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten (AS 1998 1803, SR 641.203).

Danach ist der ordentliche Steuersatz um einen Prozentpunkt, der reduzierte Steuersatz um 0,3 und der Sondersatz für Beherbergungsleistungen um 0,5 Prozentpunkte angehoben worden. Der Ertrag aus der Anhebung der Mehrwertsteuersätze kommt grundsätzlich der AHV zugute. 17 Prozent des Ertrags gehen an den Bund zur Finanzierung des demografisch bedingten Anstiegs seines Anteils an den Gesamtausgaben der AHV.

1.2.5

Parlamentarische Vorstösse

Wir schlagen vor, im Bereich der AHV 13 Vorstösse abzuschreiben. Zwei Vorstösse haben die langfristige Sicherstellung der Finanzierung der AHV zum Gegenstand (Motion Schiesser vom 5. Okt. 1995 über die "Langfristige Finanzierung der AHV", 95.3534, sowie Motion der Freisinnig-demokratischen Fraktion vom 2. Febr. 1995 "11. AHV-Revision zur Sicherstellung einer gesunden AHV", 95.3048). Ihnen wird weitgehend entsprochen (vgl. Ziff. 3.1.1 und 3.1.2). Ebenfalls in Zusammenhang mit der finanziellen Lage der AHV steht die Motion der Stabilisierungskommission NR (98.059) vom 6. November 1998 "Rentenanpassungen der AHV-Renten", 98.3524; ihr wird im Kapitel 3.1.5 Rechnung getragen.

Das Anliegen der Motion der Ständeratskommission für die 10. AHV-Revision vom 24. Mai 1994 "11. AHV-Revision. Gleiches Rentenalter" (94.3175), welche den 1902

Bundesrat beauftragt, die Vorarbeiten für eine 11. AHV-Revision ohne Verzug an die Hand zu nehmen, die Altersstruktur der Bevölkerung zu berücksichtigen und das AHV-Alter der Frauen und Männer anzugleichen, wird mit dieser Vorlage zur 11. AHV-Revision erfüllt.

Den Motionen Ducrot vom 23. Januar 1998 "AHV-Rentenreduktion bei Erwerbstätigkeit (Art. 21 AHVG)", 98.3036, und "Vorbezogene Altersrente. Änderung von Art. 40 AHVG", 98.3037, wird bei der Ausgestaltung der Flexibilisierungsbedingungen Rechnung getragen.

Dem Postulat Epiney vom 28. April 1998 "Aufhebung des Freibetrages für gutgestellte Rentner", 98.3167, wird in dem Sinne entsprochen, als der Freibetrag generell aufgehoben wird (vgl. Ziff. 3.1.7.4).

Den Anliegen der Postulate Vollmer vom 31. Mai 1994 "AHV-Beiträge bei Versicherungsleistungen nach UVG", 94.3183, und Ziegler vom 17. März 1986 "Ersatzeinkommen aus Sozialversicherungen. AHV-Beitragspflicht", 86.362, wird in Ziffer 3.2.1.1 Rechnung getragen. Ebenfalls Berücksichtigung findet das Postulat David vom 16. Dezember 1998 "Einkünfte aus selbstständigem Nebenerwerb", 98.3599 (Änderung des Artikel 8 AHVG).

Die Vorstösse Vermot, vom 5. März 1997, "AHV. Nachzahlungsmöglichkeiten für fehlende Beitragsjahre" (P 97.3065) sowie Baumann Stephanie, vom 8. Dezember 1997, "Verbesserung der AHV-Renten für Alleinstehende" (97.3571) werden in den Ziffern 3.3.2 bzw. 3.3.3 behandelt. Das Postulat Widmer vom 25. Juni 1998 "Bonus für Freiwilligenarbeit im Sozialbereich", 98.3308, wird in Ziffer 3.3.5 behandelt.

Diese geprüften Anträge sind ebenfalls abzuschreiben, auch wenn ihre Anliegen nicht verwirklicht werden.

Im Rahmen der beruflichen Vorsorge schlagen wir vor, drei Vorstösse abzuschreiben.

Erfüllt wird das Begehren nach der Gleichbehandlung von Mann und Frau (Postulat Camenzind vom 10. Juni 1987, 87.437; vgl. Ziff. 3.1.3.2.2). Es betrifft dies das gleiche Rentenalter. Die Gleichbehandlung der Witwen und Witwer ist in der 1. BVGRevisionsvorlage vorgesehen. Die Möglichkeit der Barauszahlung an die Frau im Falle der Heirat wurde bereits mit der Einführung des Freizügigkeitsgesetzes auf den 1. Januar 1995 aufgehoben.

Eine obligatorische Flexibilisierung des Rücktrittsalters ist vorgesehen (vgl. Ziff.

3.1.3.4). Die weitergehenden Anträge (Postulat Hochreutener vom 26. Juni 1998, 98.3336, bezüglich
Vorverschiebung des Alterssparprozesses; Postulat Basler vom 23. Juni 1988, 88.549, in Bezug auf Überbrückungsrenten im Kapitaldeckungsverfahren) sind geprüft worden. Sie sind ebenfalls abzuschreiben, auch wenn ihre Anliegen nicht verwirklicht werden.

1.3

Vorarbeiten

1.3.1

Forschungsprojekte

Im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten wurden Forschungsprojekte in Auftrag gegeben, welche drei im Zusammenhang mit der Entwicklung der AHV wichtige Themen zum Gegenstand hatten: Mit welcher zukünftigen Entwicklung ist beim Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung (Erwerbsquote) und beim Anteil des 1903

als Löhne ausbezahlten Volkseinkommens (Lohnquote) zu rechnen? Wie werden in ausländischen Versicherungssystemen die Renten beim Altersrücktritt festgesetzt und an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst? Und welche Auswirkungen hat eine Veränderung des Rentenalters auf andere Sozialversicherungszweige und die Sozialhilfe, den Staatshaushalt und die verschiedenen Märkte?

1.3.1.1

Perspektiven der Entwicklung der Erwerbsund Lohnquote

Die Sozialversicherungen in der Schweiz werden mehrheitlich durch Lohnabzüge finanziert. Die Fragen, welcher Anteil der Bevölkerung erwerbstätig sein wird und wie sich der Anteil des Lohneinkommens am Volkseinkommen entwickeln wird, sind deshalb zentral für die Abschätzung der weiteren Entwicklung der Sozialversicherungen. In der aktuellen politischen Debatte werden in diesem Zusammenhang folgende Fragen aufgeworfen: Kann davon ausgegangen werden, dass die Erwerbstätigkeit ­ insbesondere der Frauen ­ weiter zunehmen und zu höheren Einnahmen auf der Beitragsseite führen wird? Wird in Zukunft das Erwerbseinkommen zu Gunsten des Kapitaleinkommens an Bedeutung verlieren und dadurch zu tieferen lohnprozentualen Einnahmen der Sozialversicherungen führen?

Diese Fragen wurden aus soziologischer und volkswirtschaftlicher Sicht untersucht29. Da die zukünftige Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft nicht vorausgesagt werden kann, wurden zwei gegensätzliche Szenarien entwickelt: "Die Arbeit geht aus!" einerseits und "Arbeit für alle" andererseits.

Das erste Szenario rechnet mit einer stagnierenden Wirtschaft, was sich in einer Abnahme der Erwerbsquote und der Lohnsumme um bis zu 15 Prozent und einer strukturellen Arbeitslosigkeit von 10 Prozent äussert. Gesellschaftlich müsste in diesem Fall mit einem steigenden Konfliktpotenzial gerechnet werden: Während nur wenige über attraktive Arbeitsplätze verfügten, sähen sich viele einem steigenden Druck am Arbeitsplatz ausgesetzt. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung wäre somit von den regulären Prozessen der Gesellschaft, insbesondere der bezahlten Erwerbsarbeit, ausgeschlossen.

Das zweite Szenario geht von einem relativ kräftigen Wirtschaftswachstum von jährlich 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus. Die Erwerbsquote und die Lohnsumme würden bei einer nur unbedeutenden Arbeitslosigkeit um bis zu 10 Prozent ansteigen. Es müsste mit wesentlich geringeren gesellschaftlichen Spannungen gerechnet werden, da genügend und auch interessante Arbeitsplätze verfügbar wären.

Die Lohnquote würde sich in beiden Szenarien nur leicht verändern, da kompensierende Effekte wirksam sind: Auf der einen Seite führt die steigende Technologisierung dazu, dass für die Produktion relativ zur Arbeit mehr Kapital investiert wird.

Damit sinkt die Lohnquote. Auf der anderen
Seite sinkt mit zunehmender Kapitalintensität die Rendite des Kapitals im Vergleich zur Arbeit, was zu steigenden Löhnen und somit zu einer höheren Lohnquote führt. Die tatsächliche Entwicklung wird wahrscheinlich zwischen den beiden Szenarien verlaufen. Eine entscheidende Rolle wird dabei die Reaktion der Schweizer Wirtschaft auf die aktuellen strukturellen und 29

IPSO / Infras. 1997. Perspektiven der Erwerbs- und Lohnquote. BSV-Forschungsbericht Nr. 4/97. Bezugsquelle: EDMZ, 3000 Bern, Nr. 318.010.4/97 d.

1904

technischen Herausforderungen spielen, während die gesellschaftliche Entwicklung zwar nicht vollständig, doch aber wesentlich durch das Wirtschaftswachstum geprägt sein wird. Was die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im internationalen Kontext betrifft, zeigen verschiedene Studien, dass die Chancen der Schweiz nach wie vor intakt sind. Für die Zukunft der Sozialversicherungen ist deshalb nicht mit grundsätzlichen Entwicklungsbrüchen bezüglich der Erwerbs- und Lohnquote zu rechnen, auch wenn solche nicht ganz ausgeschlossen werden können.

1.3.1.2

Auswirkungen einer Veränderung des Rentenalters

Im Rahmen der 11. AHV-Revision soll das Rentenalter angepasst und gleichzeitig flexibilisiert werden. In diesem Zusammenhang ist eine Studie in Auftrag gegeben worden, welche zum einen die im Ausland gemachten Erfahrungen mit dem vorzeitigen Altersrücktritt aufzeigt und zum andern die finanziellen Auswirkungen einer Veränderung des AHV-Rentenalters auf die anderen Sozialversicherungszweige, die Sozialhilfe, den Staatshaushalt sowie auf den Arbeitsmarkt und die Güter- und Dienstleistungsmärkte schätzt30.

Die Erfahrungen im Ausland zeigen, dass die Festsetzung des Rentenalters im Rahmen der staatlichen Altersvorsorge lediglich ein Element unter anderen ist, welche das tatsächliche Rücktrittsalter bestimmt. Daneben sind die persönlichen Ressourcen (finanziell, gesundheitlich und sozial), die persönlichen Präferenzen, die betriebliche Personal- und Alterspolitik, die Situation auf dem Arbeitsmarkt, das soziale Klima sowie das Bestehen der Schattenwirtschaft von besonderer Bedeutung.

Tendenziell verschiebt sich das tatsächliche Rücktrittsalter nach vorne und Möglichkeiten des vorzeitigen Rücktritts werden intensiv genutzt, insbesondere wenn die Arbeitsmarktlage angespannt ist. Dies gilt auch dann, wenn der Vorruhestand mit einer Pflicht zur Wiederbesetzung der Arbeitsstelle durch Erwerbslose verbunden ist. Insgesamt ist bei einem Vorruhestand mit Wiederbesetzungspflicht mit einem positiven Beschäftigungseffekt zu rechnen. Die Auswirkungen auf die registrierte Arbeitslosigkeit hängen dabei von der Ausgestaltung der Wiederbesetzungspflicht ab. Sofern die Regelungen dies zulassen, dürfte sich ein grösserer Teil der neuen Beschäftigten aus der "stillen Reserve" rekrutieren, d.h. aus denjenigen Personen, welche zwar eine Arbeit suchen, nicht aber als Arbeitslose registriert sind.

Eine generelle Senkung des Rentenalters hat auf den Arbeitsmarkt folgende Auswirkungen: Nicht alle zurücktretenden älteren Arbeitnehmenden werden ersetzt. Tendenziell ist mit einem Rückgang des Arbeitsangebots und der Arbeitsnachfrage zu rechnen. Dies wirkt in Richtung einer Reduktion der Lohnsumme, was auf Grund der reduzierten Einnahmen der Sozialversicherungen und des Staates die Haushaltslage eher verschärft. Bei den Güter- und Dienstleistungsmärkten ist mit einer leichten Reduktion der Nachfrage und Erhöhung der Preise sowie auf dem Kapitalmarkt mit leicht steigenden Realzinsen zu rechnen. Eine Erhöhung des Rentenalters dürfte die gegenteiligen Auswirkungen haben.

30

Spycher, St. 1997. Auswirkungen von Regelungen des AHV-Rentenalters auf die Sozialversicherungen, den Staatshaushalt und die Wirtschaft. BSV-Forschungsbericht Nr. 5/97.

Bezugsquelle: EDMZ, 3000 Bern, Nr. 318.010.5/97 d.

1905

Anhand der demografischen Daten 1995 wurden die finanziellen Auswirkungen bei einer Senkung des Rentenalters um ein Jahr geschätzt. Sie liegen per Saldo bei Mehrkosten von 778 Millionen Franken, welche im Wesentlichen auf Mehrkosten bei der AHV und Minderkosten bei der IV und ALV (im Ausmass von 30% der AHV-Mehrkosten) zurückzuführen sind. Hinzu kommen Steuerausfälle im Ausmass von 55 Millionen Franken. Bei einer Erhöhung des Rentenalters um ein Jahr entstehen per Saldo Minderkosten von 673 Millionen Franken, welche vor allem durch Minderausgaben in der AHV und Mehrkosten in der IV und ALV (im Ausmass von 40% der AHV-Minderkosten) verursacht werden. Es ist mit Steuermehreinnahmen von 31 Millionen Franken zu rechnen. Sensitivitätsanalysen zeigen, dass die finanziellen Auswirkungen nicht sehr stark von der Beschäftigungswirkung auf dem Arbeitsmarkt abhängen.

1.3.1.3

Die Festsetzung der Renten beim Altersrücktritt und ihre Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung in Ländern der EU

In den Diskussionen der letzten Jahre ist wiederholt die Forderung erhoben worden, die Anpassung der laufenden Renten gemäss Mischindex (arithmetisches Mittel von Lohn- und Preisindex) sei aufzuheben und durch eine reine Preisanpassung zu ersetzen. Um diese Frage in einen grösseren Rahmen zu stellen, wurde eine Studie mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die Regelungen und ihre Veränderungen in den letzten Jahren in einigen ausgewählten Ländern darzustellen31. Damit sollte der Frage nachgegangen werden, ob in der AHV sinnvollerweise analoge Regelungen zu treffen sind.

Die Ergebnisse zeigen, dass in allen untersuchten Ländern grundlegende Reformen bei der staatlichen Altersvorsorge vorgenommen worden sind oder anstehen. Ziel ist dabei vornehmlich die Eindämmung der Ausgaben, welche durch die zunehmende demografische Alterung wie auch durch die Tendenz zum vorzeitigen Altersrücktritt gestiegen sind. In verschiedenen Ländern wurde in diesem Zusammenhang auch die Festsetzung der Renten beim Altersrücktritt verändert. Z.B. wurde in Systemen, in welchen die Höhe der Rente auf Grund einer bestimmten, für den Versicherten günstigsten Anzahl Beschäftigungsjahre festgelegt wird, diese Anzahl erhöht. Dies führt zu einer tieferen Anfangsrente. In der AHV wurde demgegenüber immer schon die gesamte Versicherungszeit als Bemessungsgrundlage verwendet. Die Aufwertung der zurückliegenden Einkommen erfolgt je nach Land entweder nach dem Preisoder Lohnindex.

Dabei haben in den letzten Jahren einige Länder aus Kostengründen von einer lohnzu einer preisindexierten Anpassung gewechselt. Was den Rhythmus der Anpassung betrifft, erfolgt diese meist jährlich. In einigen Ländern erfolgt die Anpassung auf Grund politischer bzw. wirtschaftlicher Kriterien oder wenn der Index einen bestimmten Schwellenwert überschritten hat.

Daneben werden im Hinblick auf eine Kostendämpfung verschiedene andere Ansätze verfolgt: In verschiedenen Ländern wurden Sonderregelungen für bestimmte Be31

Infras. 1997. Festsetzung der Renten beim Altersrücktritt und ihre Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung. Überblick über die Regelungen in der EU. BSV-Forschungsbericht 2/97. Bezugsquelle: EDMZ, 3000 Bern, Nr. 318.010.2/97 d.

1906

rufsgruppen abgebaut und das Rentenalter erhöht. Tendenziell lässt sich eine gewisse Konvergenz bei einem Rücktrittsalter von 65 Jahren für Frauen und Männer feststellen, oft verbunden mit Möglichkeiten der individuellen Flexibilisierung. In einigen Ländern wurde die Zahl der für den Altersrücktritt erforderlichen Beitragsjahre erhöht, auch hier ausgehend von vergleichsweise günstigen Regelungen. Schliesslich wird neu in Schweden, Italien und eventuell ab 2001 in Deutschland bei der Festsetzung der Renten die Lebenserwartung berücksichtigt.

Ein Vergleich der AHV mit ausländischen Systemen ist schwierig, da alle erwähnten Elemente zu berücksichtigen sind. Charakteristisch für das schweizerische System ist die Gleichbehandlung von laufenden Renten und Renten beim Altersrücktritt (Alt- und Neurenten) und die dominierende Rolle des Mischindexes. Der Mischindex gelangt nicht nur bei der Anpassung der laufenden Renten zur Anwendung, er bestimmt auch das Niveau der Renten beim Altersrücktritt, indem sich die Höhe der Minimal- und Maximalrente sowie die Aufwertung der früheren Einkommen während der ganzen Versicherungsdauer nach diesem Index richtet. Da der Mischindex in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwunges nicht die volle Reallohnentwicklung nachvollzieht, kommt es verglichen mit dem letzten Einkommen zu einer "kalten Degression" der Renten: Jeder nachfolgende Rentnerjahrgang erhält etwas weniger Renten für die bezahlten Beiträge. In der schweizerischen AHV sank damit die Ersatzquote (Rente gemessen am vorherigen Einkommen), die Kostenentwicklung konnte aber dadurch gebremst werden. Die ausländischen Systeme waren hingegen bisher so ausgelegt, dass die Ersatzquote über die Zeit stabil blieb. Mit der Berücksichtigung der Lebenserwartung in Schweden, Italien und später gegebenenfalls auch in Deutschland wird die Ersatzquote in diesen Ländern in Zukunft ähnlich sinken, wie dies in der Schweiz im heutigen System der AHV bereits der Fall ist.

1.3.2

Zusammenhang mit der 1. BVG-Revision

In einem zentralen Bereich, der im Rahmen der 11. AHV-Revision und der 1. BVGRevision neu gestaltet werden soll, besteht ein besonders enger Zusammenhang zwischen den Regelungen in der ersten und zweiten Säule mit entsprechendem Koordinationsbedarf: Es betrifft dies die Festlegung des Rentenalters für Frau und Mann und die Flexibilisierung des Altersrücktritts. Die entsprechenden Änderungen des Bundesgesetzes vom 25. Juli 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40) werden übersichtshalber innerhalb der 11. AHV-Revision behandelt. Die Detailregelungen zu den notwendigen Anpassungen im BVG werden auf Grund des Sachzusammenhanges in der Botschaft zur 1. BVG-Revision getroffen.

1.3.3

Entwurf für eine Mutterschaftsversicherung

Mit Referendumsabstimmung vom 13. Juni 1999 wurde das von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene neue Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung vom 18. Dezember 1998 (E-MSVG; BBl 1998 5695) abgelehnt. In der Vernehmlassungsvorlage zur 11. AHV-Revision war die im E-MSVG in Aussicht genommene Schaffung einer verfassungsmässigen Grundlage für die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der Erwerbsersatzordnung (EO) und der Mutterschaftsversicherung (MSV) enthalten. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts sollte damit gleichzeitig 1907

die Finanzierung von AHV, IV, EO und MSV geregelt werden. Infolge der Verwerfung des E-MSVG in der Referendumsabstimmung beschränkt sich die vorliegende Botschaft zur 11. AHV-Revision auf einen Finanzierungsvorschlag für die AHV und die IV.

1.3.4

Stellungnahme der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission

In einer ersten Aussprache am 4. November 1997 äusserte sich die Eidgenössische AHV/IV-Kommission zu möglichen Modellen des flexiblen Rentenalters in der AHV, zur Vereinheitlichung der Anspruchsbedingungen der Witwen- und Witwerrenten, zu Grundsatzfragen aus dem Beitragsbereich und zur Festsetzung der neuen und Anpassung der laufenden Renten.

Von den vorgestellten Modellen für ein flexibles Rentenalter stiess keines auf unbestrittene Akzeptanz, da jedes spezifische Vor- und Nachteile aufweist. Es wurde aber anerkannt, dass es schwierig ist, eine sozial ausgewogene Lösung zu finden, die finanzierbar und administrativ durchführbar ist.

Die Angleichung der Anspruchsbedingungen für Witwen an diejenigen für Witwer, abgefedert für ältere Witwen und Witwer mit Kindern, sowie flankiert von einer differenzierten Übergangsregelung für Witwen, stiess auf Zustimmung. Auch die übrigen unterbreiteten Revisionsthemen wurden grundsätzlich positiv aufgenommen.

Am 5. sowie 15. Mai 1998 hat die Eidgenössische AHV/IV-Kommission ­ teilweise in gemeinsamer Beratung mit der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge ­ zum Vernehmlassungsentwurf über die 11. AHV-Revision Stellung genommen.

Die Kommission befürwortete einstimmig die Abschaffung des Freibetrags für Altersrentnerinnen und -rentner und sprach sich mehrheitlich für eine Erhöhung des Beitragssatzes der Selbstständigerwerbenden und für eine Abschaffung der sinkenden Beitragsskala aus.

Der im Entwurf vorgesehenen Festlegung des ordentlichen Rentenalters für Männer und Frauen auf 65 Jahre hat die AHV/IV-Kommission mit knapper Mehrheit zugestimmt.

Bezüglich der Ausgestaltung der Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV zwischen 62 und 65 Jahren hat die Kommission wie folgt votiert: Das vorgeschlagene Modell der Ruhestandsrente bei langer Erwerbsdauer wurde mehrheitlich und dasjenige eines einkommensabhängigen Kürzungssatzes einhellig verworfen. Als zusätzliche Flexibilisierungsvariante wurde aus dem Kreis der Kommission ein Modell mit einer reduzierten versicherungstechnischen Kürzung vorgeschlagen, welches von der Kommissionsmehrheit befürwortet wurde.

Bei der Gegenüberstellung der verschiedenen Modelle zur Ermittlung der Präferenzen wurde die Ruhestandsrente bei langer Erwerbsdauer gegenüber der einkommensabhängigen Kürzung bevorzugt. Ferner wurde die Ruhestandsrente bei langer Erwerbsdauer gegenüber einer reduzierten versicherungstechnischen Kürzung bevorzugt.

1908

Die Kommission sprach sich des Weiteren einhellig für die Ermöglichung eines Teilvorbezugs der AHV-Rente (bei den Modellen "lange Erwerbsdauer" und "erleichterte versicherungstechnische Kürzung") aus.

In der Diskussion wurde mehrheitlich befürwortet, dass alle diese Flexibilisierungsmodelle, ungeachtet der geäusserten inhaltlichen Vorbehalte, der Vernehmlassung unterbreitet werden sollten.

Die Eidgenössische Kommission für die berufliche Vorsorge hat sich für eine weitgehende Koordination der Regelung des Rentenalters im Obligatorium der zweiten Säule mit derjenigen der AHV ausgesprochen. Die heutige Flexibilität im BVG soll aber nicht verschlechtert werden. Im Einzelnen wurde ein Flexibilisierungsrahmen, der auch tiefer als bis zum Alter 62 gehen kann, unter freier Ausgestaltung der Leistungen durch die Vorsorgeeinrichtung, bevorzugt gegenüber einer Variante, bei welcher die Vorsorgeeinrichtung bei Rentenvorbezug vor dem 62. Altersjahr mindestens das obligatorische Leistungsniveau mit 62 Jahren zu gewähren hätte. Des Weiteren sprach sich die Kommission dafür aus, dass die Vorverlegung des Alterssparprozesses im BVG der Vernehmlassung unterbreitet wird. Dabei wurde einer 40-jährigen Übergangsperiode gegenüber einer bloss sechsjährigen der Vorzug gegeben. Mehrheitlich sprach man sich für eine Ausgestaltung mit Rentenkürzung ohne Zusatzfinanzierung durch Rückeinkauf aus.

Die Vorschläge zur Vereinheitlichung der Anspruchsbedingungen für Witwen- und Witwerrenten in der AHV wurden von der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission knapp abgelehnt.

Bei der Beratung weiterer Revisionspunkte hat sich die Eidgenössische AHV/IVKommission einstimmig für die Wiedereinführung des Konkursprivilegs für AHVBeiträge ausgesprochen. Ferner hat eine knappe Mehrheit der Kommission bezüglich des Beitragsverzichts bei geringfügigen Entgelten (Ziff. 3.2.1.2.2) beantragt, statt der vom Bundesrat vorgeschlagenen Grenze von 1000 Franken eine solche von 2000 Franken festzusetzen. Bei der Frage der Einführung der Beitragspflicht auf Taggeldern der Unfall- und Krankenversicherung votierte die Kommission in der ersten Lesung dafür, in der zweiten Lesung aber punkto Krankentaggelder dagegen.

Nach dem Vernehmlassungsverfahren hat die Eidgenössische AHV/IV-Kommission am 22. Juni 1999 Stellung genommen zum neuen Vorschlag des Bundesrats
für eine Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV (vgl. Ziff. 3.1.3.3), der der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik an den ursprünglichen Modellen Rechnung trägt.

Die Kommission hat dem neuen Modell mit einer differenzierten Kürzung beim Rentenvorbezug zugestimmt. Die Kommissionsmehrheit sprach sich dabei für das in diesem Modell enthaltene Kriterium der Erwerbsaufgabe als Vorbezugsbedingung aus (vgl. Ziff. 3.1.3.3.4.4). Unentschieden blieb dagegen das Stimmenverhältnis in Bezug auf einen weiter gehenden Antrag aus dem Kreis der Kommission: Nach diesem Vorschlag sollten Personen, die über das ordentliche Rentenalter hinaus massgeblich erwerbstätig sind, ihre Altersrente noch nicht erhalten. Erst ab einer gewissen Altersgrenze, z.B. 70 Jahre, würde dieses Ruhestandskriterium für den Rentenbezug entfallen. Mit den resultierenden Einsparungen sollten die Kürzungssätze für das zweite und dritte Vorbezugsjahr, ausgenommen bei der obersten Einkommensklasse, gezielt weiter gesenkt werden. Ebenfalls keine Zustimmung fand ein Antrag aus dem Kreis der Kommission, das ordentliche Rentenalter von Frau und Mann bei 64 Jahren (statt bei 65 Jahren) festzusetzen; eine Mehrheit lehnte dies ab.

1909

1.3.5

Ergebnis der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung zum erläuternden Bericht und Vorentwurf zur 11. AHV-Revision wurde am 26. August 1998 eröffnet. Zur Stellungnahme eingeladen wurden die Kantone, die Eidgenössischen Gerichte, die Parteien, die Spitzenverbände der Wirtschaft und weitere interessierte Organisationen. Die Vernehmlassungsfrist endete am 30. November 1998.

138 Stellungnahmen sind eingegangen. Rund die Hälfte stammt von nicht direkt angeschriebenen Organisationen und Vereinigungen, die sich in ihrer Eingabe in der Regel auf bestimmte, sie speziell interessierende Themenbereiche beschränkten (vor allem zum Rentenalter und zur Neuregelung der Witwen- und Witwerrenten) oder aber ­ in grosser Zahl ­ beantragten, dass in der 11. AHV-Revision neue Themen, etwa die Ausweitung der Betreuungsgutschriften auf gemeinnützige Arbeit, aufgenommen werden sollten.

Die hauptsächlichen Tendenzen der Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen (wobei zahlenmässige Angaben hier nur zu den Kantonen, Parteien und Spitzenverbänden der Wirtschaft angegeben werden): Befürwortung der Hauptziele der Revision Die Hauptziele der 11. AHV-Revision ­ die finanzielle Konsolidierung der AHV mit Massnahmen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite sowie die Schaffung eines flexiblen Rentenalters ­ stossen auf breite Zustimmung. Die mittel- und längerfristige Sicherung der Finanzierung der AHV wird als unbestrittene Notwendigkeit anerkannt.

Grundsätzliche, aber nicht uneingeschränkte Befürwortung der Zusatz-Finan zierung von AHV/IV/EO/MSV durch die Mehrwertsteuer Die schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Sicherung der AHV findet grundsätzlich breite Zustimmung (insbesondere durch 22 Kantone, 6 Parteien, 12 Spitzenverbände der Wirtschaft). Es wird als richtig erachtet, die demografisch bedingten Mehrkosten aus Mehrwertsteuermitteln zu finanzieren. Grossmehrheitlich spricht man sich gegen eine Erhöhung der Lohnbeiträge aus. In etlichen Stellungnahmen wird eine (eventuell ersatzweise) Zusatzfinanzierung der AHV durch die Schaffung einer Energiesteuer begrüsst.

Zur Frage, ob bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Mehrwertsteuer die reduzierten Steuersätze für Güter des täglichen Bedarfs linear angehoben werden sollen, d.h.

um gleichviele Prozentpunkte wie der Normalsatz der Mehrwertsteuer, oder bloss proportional, äussern sich nur wenige
Vernehmlassungsteilnehmende. Die Meinungen sind dabei geteilt: Zustimmend zur linearen Erhöhung äussern sich fünf Kantone und fünf Spitzenverbände der Wirtschaft; aus sozialen Gründen postulieren zwei Kantone, eine Partei und zwei Spitzenverbände der Wirtschaft eine proportionale Erhöhung des reduzierten Satzes für Güter des täglichen Bedarfs.

Der Vorschlag, den Bund am Ertrag der Zusatzfinanzierung für die AHV/IV partizipieren zu lassen, weil er mit einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf für seinen ansteigenden Beitrag an den Ausgaben dieser Versicherungszweige konfrontiert wird, stösst nicht auf ungeteilte Zustimmung. Zustimmend äussern sich sechs Kantone und zwei Spitzenverbände der Wirtschaft; ablehnend äussern sich zwei Kantone, drei Parteien sowie drei Spitzenverbände der Wirtschaft, vor allem mit der Begründung, dass diese Ertragsbeteiligung eigentlich eine Steuererhöhung zu Gunsten der 1910

Sanierung der Bundeskasse darstelle, und dass sich der Bund bei seinem Beitrag an den Ausgaben der ersten Säule entlaste.

Das vorgeschlagene globale Finanzierungskonzept mit einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm zur Erhebung der erforderlichen Zusatzeinnahmen für AHV/IV/ EO/MSV findet geteilte Aufnahme: Teilweise werden die Gesamtschau und das koordinierte Vorgehen begrüsst, teilweise wird die Verknüpfung der Konsolidierung der AHV mit der Regelung der Finanzierung der IV und der EO/MSV abgelehnt.

Für einen Einbezug der Finanzierung der IV sprachen sich explizit acht Kantone, eine Partei und sechs Spitzenverbände der Wirtschaft aus; dagegen votierten fünf Kantone, zwei Parteien und zwei Spitzenverbände der Wirtschaft. Den Einbezug von EO und MSV befürworten zwei Kantone, eine Partei und fünf Spitzenverbände der Wirtschaft, dagegen sind sieben Kantone, drei Parteien und vier Spitzenverbände der Wirtschaft. Es wird insbesondere als wesentlich erachtet, dass Volk und Stände die Möglichkeit erhalten, über die Finanzierung der verschiedenen Sozialversicherungszweige gesondert abstimmen zu können.

Geteilte Meinungen über die Senkung des Deckungsgrades des Ausgleichsfonds der AHV Der Senkung des gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsgrades des Ausgleichsfonds der AHV stimmen vier Kantone, eine Partei und ein Spitzenverband der Wirtschaft zu. Dagegen sprechen sich ein Kanton, zwei Parteien und sieben Spitzenverbände der Wirtschaft aus. Trotz der Kritik an der Senkung des gesetzlichen Deckungsgrades wird aber von keiner Seite gefordert, es seien zusätzliche Mehreinnahmen zu realisieren, damit der gesetzliche Deckungsgrad von 100 Prozent wieder erreicht werden könne.

Zustimmung zur Vereinheitlichung des ordentlichen Rentenalters von Frau und Mann bei 65 Jahren Von den rund 80 Vernehmlassungsteilnehmenden, die sich zum ordentlichen Rentenalter geäussert haben, befürwortet eine grosse Mehrheit ein Rücktrittsalter von 65 Jahren für beide Geschlechter. Zwei Kantone, zwei Parteien sowie vier Spitzenverbände der Wirtschaft lehnen den Vorschlag ab. Die allermeisten stimmen der vorgeschlagenen Übergangsbestimmung zu.

Zustimmung zum Grundsatz der Flexibilisierung des Rentenalters Der Grundsatz der Flexibilisierung des Rentenalters findet grossmehrheitliche Zustimmung. Die Möglichkeit des Vorbezugs wie auch
des Teilvorbezugs wird allgemein begrüsst, ebenso die Bandbreite, in der ein Vorbezug möglich sein soll. Dagegen fordern namentlich drei Kantone und eine Partei eine grössere Bandbreite.

Ablehnung der Modelle zum flexiblen Rentenalter "Ruhestandsrente bei langer E rwerbsdauer" und "Einkommensabhängiger Kürzungssatz" Die beiden Modelle des Bundesrates zum flexiblen Rentenalter werden deutlich abgelehnt. Gegen die "Ruhestandsrente bei langer Erwerbsdauer" werden starke Bedenken geäussert, weil sich das Modell für Frauen, Behinderte und bei langen Ausbildungszeiten nachteilig auswirke, und die Praktikabilität bei der Abklärung ausländischer Versicherungszeiten wird in Frage gestellt. Gegen das Modell "Einkommensabhängiger Kürzungssatz" wird grundsätzlich eingewendet, dass es im Widerspruch zum Dreisäulen- und Solidaritätsprinzip stehe; man spricht sich gegen die

1911

Vermischung von Versicherungs- und Bedarfsleistungen in der AHV aus. Ferner werden auch bei diesem Modell sehr grosse Durchführungsprobleme befürchtet.

Geteilte Meinungen zum dritten Flexibilisierungs-Modell "Reduzierte versicherungstechnische Kürzung" Äusserst geteilt sind die Meinungen zum dritten Flexibilisierungsmodell, das auf Vorschlag der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission in den Vernehmlassungsentwurf aufgenommen worden ist. Eine Mehrheit der Kantone, zwei Parteien und verschiedene Arbeitgeberorganisationen unterstützen das Modell. Von zwei Parteien, zwei Wirtschaftsverbänden und den Arbeitnehmerorganisationen wird es dezidiert abgelehnt. Zwei Parteien sprechen sich zwar für dieses Modell aus, aber nur mit einer kostenneutralen Lösung, d.h. einem versicherungstechnisch begründeten Kürzungssatz.

Grundsätzliche Zustimmung zur Koordination der Rentenaltersregelung in AHV und BVG Die Vernehmlassung zur 1. BVG-Revision hat bezüglich des Rentenalters und des flexiblen Altersrücktritts ähnliche Ergebnisse wie bei der AHV ergeben. Umstritten ist jedoch die Vorverlegung des Alterssparprozesses, die die Koordination mit der Flexibilisierung im Bereich der AHV sicherstellen soll. Kritisiert wurden hier die Kosten sowie der erhöhte administrative Aufwand.

Mehrheitlich positive Aufnahme der Neuregelung von Witwen- und Witwerrenten Die Neuregelung der Witwen- und Witwerrenten sowie die vorgesehenen Übergangsregelungen werden mehrheitlich positiv aufgenommen. Eine Mehrheit der Kantone spricht sich dafür aus, fünf Kantone sind aber für eine grosszügigere Lösung und drei Kantone gegen eine Neuregelung. Fünf Parteien sind mit den Vorschlägen einverstanden, zwei sind dagegen. Die Spitzenverbände der Wirtschaft sind mehrheitlich für eine Neuregelung. Die Meinungen der übrigen Vernehmlassungsteilnehmenden gehen stark auseinander. So wird die Neuregelung vor allem von Frauen- und Kirchenorganisationen abgelehnt, jedoch von etlichen Rentnerund Behindertenorganisationen als annehmbar erachtet, wenn auch nicht vorbehaltlos. Als Argument für eine Neuregelung der Witwen- und Witwerrente wird hauptsächlich die Umsetzung des Gleichstellungspostulats angeführt. Die Sozialverträglichkeit werde durch die Übergangsregelungen erreicht. Die Kosteneinsparungen und die Erleichterung bei der Durchführung werden ebenfalls
begrüsst. Die Gegnerschaft des Vorschlags macht geltend, dass die formelle Gleichstellung eine faktische Benachteiligung der Frauen bedeute, da heute noch immer keine Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern bestehe. Die Neuregelung sei daher verfrüht.

Weitgehende Zustimmung zu den drei Massnahmen im Beitragsbereich, die den Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden, die sinkende Beitragsskala und den Freibetrag für erwerbstätige Personen im Rentenalter betreffen Der Erhöhung des Beitragssatzes für Selbstständigerwerbende durch Angleichung an den Satz der Unselbstständigerwerbenden wird grossmehrheitlich zugestimmt.

23 Kantone, vier Parteien und sechs Spitzenverbände der Wirtschaft sprechen sich für diese Massnahme zur Verstärkung der Solidarität und Verwirklichung der Rechtsgleichheit aus, zwei weitere Spitzenverbände der Wirtschaft stimmen nur mit Vorbehalt zu (postulieren eine nur beschränkte Erhöhung des Beitragssatzes). Gegen 1912

diese Massnahme sprechen sich zwei Parteien und vier Spitzenverbände der Wirtschaft aus, insbesondere da sie der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen widerspreche.

Auch der zweiten ­ etwas umstritteneren ­ Massnahme, der Aufhebung der sinkenden Beitragsskala für Selbstständigerwerbende, wird mehrheitlich zugestimmt. So sprechen sich 19 Kantone, vier Parteien und sechs Spitzenverbände der Wirtschaft für diese der Rechtsgleichheit und Tarifeinheit dienende Massnahme aus. Dagegen votieren zwei Parteien und sechs Spitzenverbände der Wirtschaft, da die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit erschwert werde und eine soziale Abfederung der Beitragsbelastung für Selbstständigerwerbende notwendig sei.

Die Aufhebung des Freibetrages für erwerbstätige Personen im Rentenalter wird weitgehend gutgeheissen. Von den Rentnerverbänden, die sich geäussert haben, sind drei für die Abschaffung und ein Verband dagegen. Zustimmend äussern sich ferner 22 Kantone, drei Parteien und zwölf Spitzenverbände der Wirtschaft. Eine Partei äussert sich gegen diese Massnahme. Befürwortend wird insbesondere vorgebracht, dass diese Massnahme angesichts der heute im Allgemeinen verbesserten Situation der Rentnerinnen und Rentner und auf Grund der Notwendigkeit zur Verstärkung der Solidarität zwischen den Generationen eine sachgerechte Lösung darstelle. Gegen die Aufhebung des Rentnerfreibetrags wird vor allem eingewendet, dass diese Beitragsbelastung zu weit gehe, da die Beiträge nicht mehr rentenbildend sind.

Forderung zur Wiedereinführung des Konkursprivilegs Im Vernehmlassungsentwurf figuriert die Frage der Wiedereinführung des seit dem 1. Januar 1997 aufgehobenen Konkursprivilegs der AHV unter den nicht berücksichtigten Revisionsbegehren. Dies ist in der Vernehmlassung auf einhellige Ablehnung gestossen, insbesondere bei den Spitzenverbänden der Wirtschaft (10) und den Kantonen (18). Es wird gefordert, dass die nachteilige Entwicklung aus dem Verlust der Vorabbefriedigung und den damit verbundenen Einnahmeausfällen der AHV sowie die Zunahme der Schadenersatzverfahren gegen die Arbeitgeberorgane gestoppt werden müsse.

2

Demografische und ökonomische Entwicklungstendenzen

2.1

Einführung

Wie sich die Einnahmen und Ausgaben der AHV entwickeln, hängt von der Entwicklung der Bevölkerung und der Wirtschaft sowie den gesetzlichen Vorschriften bezüglich Leistungen und Finanzierungssystem ab. Nachfolgend werden die zu berücksichtigenden demografischen und wirtschaftlichen Aspekte sowie die Hypothesen für die Erarbeitung der Finanzrechnung der AHV dargelegt.

2.2

Bevölkerungsentwicklung

Die Finanzierung der AHV basiert auf dem Umlageverfahren. Dies bedeutet, dass die heutigen Ausgaben der AHV ­ hauptsächlich die den Rentnern und Rentnerinnen ausbezahlten Renten ­ mit den heutigen Einnahmen finanziert werden, also neben den Beiträgen der öffentlichen Hand und seit 1999 den Mehrwertsteuereinnah1913

men vor allem mit den Beiträgen der Arbeitnehmenden und der Selbstständigerwerbenden, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Das Verhältnis zwischen der Anzahl Rentenbezüger und der Anzahl Beitragszahlender spielt daher für das finanzielle Gleichgewicht der AHV eine zentrale Rolle.

Gemäss dem Referenzszenario der Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz32 wird sich das Verhältnis zwischen Rentnern und Beitragszahlenden zwischen 2005 und 2035 für die AHV besonders ungünstig entwickeln. Für diese Entwicklung sind hauptsächlich folgende Ursachen verantwortlich: ­

Zunahme des Rentnerbestandes: die populationsstarken Nachkriegsgenerationen ("Babyboom", Einwanderung) erreichen das Ende ihres Berufslebens;

­

Geburtenrückgang: die Geburtenhäufigkeit liegt unterhalb der Schwelle, die eine Erneuerung der Generationen ermöglicht;

­

Zunahme der Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner: die medizinischen Fortschritte und die Gesundheitsprävention erhöhen ihr durchschnittliches Sterbealter;

In den kommenden Jahrzehnten wird die AHV nicht nur für eine durchschnittlich längere Bezugsdauer Renten auszahlen müssen, sondern sie muss auch jedes Jahr mehr neue Renten entrichten. In der gleichen Zeit ist bis 2010 mit einer leichten Zunahme, ab 2015 mit einer leichten Abnahme der Anzahl der aktiven Beitragszahlenden zu rechnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Bestände der jungen Generationen tendenziell abnehmen und diese Entwicklung wahrscheinlich nicht durch die absehbaren Migrationsbewegungen und die tendenziell höhere Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt kompensiert werden kann. Die Erhöhung des Frauenrentenalters wird diese Abnahme jedoch bremsen.

Mit Hilfe verschiedener Hypothesen zur Entwicklung der Geburtenrate, der Lebenserwartung und der Migrationen lassen sich mehrere plausible Bevölkerungsszenarien entwerfen.

Aus der Untersuchung verschiedener Szenarien, die von der Bundesverwaltung ausgewählt wurden, geht hervor, dass selbst jene Szenarien, welche Hypothesen zu Gunsten einer demografischen Verjüngung einbeziehen, hinsichtlich demografischer Alterung auf ähnliche Resultate kommen. Bei sämtlichen Szenarien muss mit einer für die Finanzierung der AHV ungünstigen demografischen Entwicklung gerechnet werden.

2.3

Wirtschaftliche Entwicklung

Die wirtschaftliche Entwicklung hat einen beträchtlichen Einfluss auf die finanzielle Lage der AHV. Die wirtschaftlichen Schwankungen beeinflussen die Einnahmen der AHV stärker und rascher als ihre Ausgaben. Dies erklärt sich durch den Umstand, dass sich die Wirtschaftsaktivität direkt auf die Entwicklung der Löhne und der Beschäftigung auswirkt und damit auf die beitragspflichtige Lohnsumme. Die Leistungen reagieren hingegen weniger stark auf die wirtschaftliche Entwicklung, da die 32

Szenario "Trend", in: Die Bevölkerungsszenarien für die Schweiz 1995-2050. Bundesamt für Statistik, Bern 1996.

1914

neuen Renten auf Grund der während des gesamten Erwerbslebens erzielten Einkommen berechnet werden (die letzten Jahre spielen damit nur eine untergeordnete Rolle), und weil die laufenden Renten mittels eines Mischindexes angepasst werden33.

Mit anderen Worten, je stärker das Wirtschaftswachstum ist, desto stärker wird das Budget der AHV entlastet, da die Einnahmen schneller steigen als die Ausgaben.

Rezessionen haben den gegenteiligen Effekt: die Einnahmen sinken sogleich, während die Ausgaben konstant bleiben. Das Wirtschaftswachstum, das im Allgemeinen einen Anstieg der Löhne und der Beschäftigung nach sich zieht, wirkt sich somit für die Finanzierung der AHV günstig aus.

Kann man in der Zukunft noch mit einem kräftigen Wachstum der Schweizer Wirtschaft rechnen? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Im Gegensatz zu den Bevölkerungsperspektiven, die sich mittelfristig recht zuverlässig voraussehen lassen, ist es viel schwieriger, präzise wirtschaftliche Perspektiven aufzustellen.

Auf internationaler Ebene34 präsentiert sich die Situation auf mittlere Sicht eher günstig, mit einem leicht beschleunigten Wirtschaftswachstum, das eine bessere geografische Verteilung sowie ein gewisses Mass an weltweiter Übereinstimmung auf kultureller, politischer und wirtschaftlicher Ebene aufweist. In Europa wird die wirtschaftliche Entwicklung von den Fortschritten des Integrationsprozesses abhängen, vor allem von der Weiterentwicklung der Europäischen Währungsunion (EWU), welche das Wachstum zu Beginn des nächsten Jahrtausends ankurbeln dürfte.

Die international bereits stark verflochtene Schweizer Wirtschaft dürfte vom guten Gang der Weltwirtschaft profitieren. Bezüglich Produktivität besitzt die Schweiz einigen Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten. Dieser hat sich aber in den vergangenen Jahren stetig verringert. Mit der Realisierung von zahlreichen strukturellen Reformen und der Sicherung einiger wichtiger Wettbewerbsvorteile (Qualifikationsniveau, Infrastruktur, politische Stabilität, Arbeitsfriede usw.) sollte es jedoch möglich sein, diese Entwicklung aufzuhalten und somit die Früchte der seit 1990 vollbrachten Anpassungsbemühungen zu ernten 35.

Ein solches Szenario würde dem Wirtschaftswachstum in der Schweiz bis gegen 2010 Auftrieb verleihen. Aus demografischen Gründen ist danach mit einer
Verlangsamung des Wachstums zu rechnen. Die Bundesverwaltung arbeitet weiterhin an der Schaffung eines plausiblen und transparenten ökonometrischen Modells zur Quantifizierung dieser langfristigen Entwicklung. Gegenwärtig existiert kein Referenzszenario. Gewisse Hinweise zur Grössenordnung liefern jüngste Arbeiten, die der Bundesverwaltung zur Verfügung stehen ­ es handelt sich dabei um Szenarien, die mit Vorsicht zu lesen sind. Diese gehen davon aus, dass das reale Wirtschafts33

34

35

Arithmetisches Mittel zwischen dem Lohn- und dem Preisindex, das bedeutet: wenn die Preise und die Löhne steigen, werden die Renten an die Inflation und nur zur Hälfte an die Reallohnerhöhung angepasst.

Die nachfolgenden Absätze stützen sich auf folgende Quellen: Szenarien zur wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz bis 2010, Forschungsgemeinschaft KOF/SGZZ, in: Ökonomische Rahmenbedingungen, Jahresbericht 1997 zuhanden des Perspektivstabs der Bundesverwaltung, Teil II, Januar 1998, St. Gallen/Zürich.

Die Ergebnisse zahlreicher Publikationen zur Stellung der Schweiz im Vergleich zu konkurrierenden Wirtschaftsstandorten lassen darauf schliessen, dass die Schweizer Wirtschaft sowohl auf dem Binnenmarkt wie auch auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig bleiben sollte.

1915

wachstum in der Schweiz während der nächsten zehn Jahre über 1 Prozent liegen wird und anschliessend unter 1 Prozent sinken wird.

Es ist schwierig, sich ein einheitliches Urteil über die künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes zu bilden (siehe unter Ziff. 1.3.1.1). Die prognostizierte Erholung des Wirtschaftswachstums sollte sich jedoch auf die Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit auswirken. Eine stärkere Wirkung auf die Beschäftigung liesse sich eventuell durch einen flexibleren Arbeitsmarkt erreichen. Die Reallöhne dürften entsprechend den erwarteten Produktivitätsgewinnen tendenziell steigen, zumal die verfügbare Erwerbsbevölkerung ab Mitte des nächsten Jahrzehnts abnehmen dürfte. Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit könnten das erneute Wachstum und der allmähliche Rückgang des Arbeitskräfteangebots ebenfalls positiv ins Gewicht fallen.

2.4

Auswahl der für die AHV-Finanzrechnung berücksichtigten Hypothesen

Mit Hilfe eines Modells, das plausible Hypothesen zur Entwicklung der demografischen, wirtschaftlichen, institutionellen und juristischen Variablen berücksichtigt, kann die Finanzrechnung der AHV für die kommenden Jahre simuliert werden.

Für das Leistungs- und Finanzierungssystem wurden zwei Finanzhaushalte aufgestellt. Der erste dient als Bezugsbasis und beruht auf dem geltenden System. Der zweite, den wir näher betrachten wollen, simuliert die finanziellen Auswirkungen der Vorschläge in der 11. AHV-Revision.

Die Finanzhaushalte der AHV basieren demografisch auf dem Szenario A-00-95 "Trend", das vom Bundesamt für Statistik (BFS) ausgearbeitet wurde.36 Im Szenario "Trend" wurde die Bevölkerungsentwicklung zwischen 1995 und 1998 etwas zu hoch eingeschätzt. Die Folgen dieser Differenz sind für das AHV-Modell begrenzt, da dieses auf den für 1998 tatsächlich erhobenen und nicht auf den im Szenario vorgesehenen Daten für diesen Zeitpunkt beruht. Das Modell trägt dieser Anfangsdifferenz bezüglich der Bestände der nächsten Jahre durch eine mechanische Anpassung des Szenarios vollumfänglich Rechnung. Gegenwärtig lässt sich noch nicht beurteilen, ob es sich hier um einen konjunkturell bedingten Effekt handelt oder ob die Hypothesen zur demografischen Dynamik längerfristig zu revidieren sind. Die Arbeiten für eine diesbezügliche Analyse werden im Herbst 1999 mit der Aufstellung einer neuen Reihe von Bevölkerungsszenarien durch das BFS aufgenommen.

Im Modell stützt sich die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung auf die Annahme, dass die Löhne und die Preise steigen werden. Die Hypothesen bis zum Jahr 2003 decken sich mit den Daten der Eidgenössischen Finanzverwaltung für das Budget 2000 und mit dem Finanzplan für die Zeit von 2001­2003. Diese Daten entsprechen einer sehr vorsichtigen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung. Ab 2004 stützen sich die Voraussagen auf das Referenzszenario des Berichts IDA FiSo.

Dieses Szenario, das bis zum Jahr 2010 ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent und somit einen Anstieg der Produktivität und der Reallöhne um 1 Pro-

36

Bundesamt für Statistik, Die Bevölkerungsszenarien für die Schweiz 1995-2050, Bern, 1996.

1916

zent pro Jahr vorsieht, scheint eine plausible und vorsichtige Annahme zu sein, die mit den oben dargelegten Wirtschaftstrends übereinstimmt.37

2.5

Bilanz und Vorschläge

Die demografische Entwicklung ist für die Finanzlage der AHV eindeutig mit negativen Folgen verbunden. Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung sind weit schwieriger aufzustellen, doch im gegenwärtigen globalen und nationalen Wirtschaftsumfeld kann davon ausgegangen werden, dass sich das Wirtschaftswachstum auf die Finanzen der AHV während der kommenden zehn Jahre günstig auswirken wird.

Wir schlagen vor, mit Hilfe eines Modells zur Simulation des AHV-Finanzhaushaltes die finanziellen Auswirkungen von zwei Leistungs- und Finanzierungssystemen ­ dem geltenden System und einem System, das die in dieser Botschaft formulierten Vorschläge berücksichtigt ­ zu analysieren. Für die demografische Entwicklung stützt sich das Modell auf die neuesten Daten und die im Referenzszenario des BFS definierte demografische Dynamik. Im Modell wird die Beschäftigung direkt durch die demografische Entwicklung bestimmt. In wirtschaftlicher Hinsicht wird für das Modell lediglich noch die Lohn- und Preisentwicklung benötigt. Die entsprechende Reallohnentwicklung wurde auf 1 Prozent festgelegt, was eine plausible und vorsichtige Hypothese scheint, die bereits von der Interdepartementalen Arbeitsgruppe "Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen (IDA FiSo)" verwendet wurde. Die aufgestellten Hypothesen entsprechen einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent zwischen 2004 und 2010 und von 0,7 Prozent danach. Bis zum Jahr 2003 werden die in der Finanzplanung des Bundes genannten tieferen Sätze verwendet.

3

Inhalt der 11. AHV-Revision

3.1

Schwerpunktthemen

3.1.1

Finanzierung der AHV und der IV

3.1.1.1

Allgemeine Einführung

Im Rahmen dieser Botschaft schlagen wir Massnahmen zur Finanzierung sowohl von der AHV als auch von der IV vor. Ein solches koordiniertes Vorgehen drängt sich auf, da es in politischer, steuerlicher und institutioneller Hinsicht optimal ist.

Wie einleitend in dieser Botschaft dargestellt ist (vgl. Ziff. 1.1), wird der zusätzliche Finanzierungsbedarf der AHV und der IV für den Zeitraum von 2000 bis 2010 auf einen Gegenwert von 1,8 Mehrwertsteuerpunkten, und für 2010 bis 2025 auf einen solchen von 3,4 Punkten veranschlagt. Der Bundesrat hat sich bereits dazu geäus37

Die IDA FiSo hat ebenfalls für den Zeitraum von 2010 bis 2025 die Hypothese eines jährlichen Wachstums von Produktivität und Reallöhnen um 1% aufgestellt. Unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung und gleich bleibender Beschäftigungsquoten hätte dies zum Berechnungszeitpunkt einem Wirtschaftswachstum von 0,5 % entsprochen. Durch eine Aktualisierung der Berechnungsgrundlagen erhält man heute ein implizites Wirtschaftswachstum von 0,7 %.

1917

sert, dass die finanzielle Konsolidierung der AHV und IV mittels einer schrittweisen Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWST) erreicht werden soll. Im vorliegenden Abschnitt werden zunächst die verschiedenen Finanzierungsoptionen und die Gründe für die Wahl der MWST erläutert (Ziff. 3.1.1.2). Dazu werden die aktuelle Situation und die mittelfristigen finanziellen Perspektiven der AHV und IV, auf der Basis der geltenden Ordnung, im Detail aufgezeigt. Überdies ist der Ausgleichsfonds der AHV Gegenstand einer besonderen Betrachtung.

Angesichts der grossen Unsicherheit, die mit langfristigen Prognosen verbunden ist (vgl. Ziff. 1.1.3.2.3), unterbreiten wir in dieser Botschaft keine konkreten Finanzierungsvorschläge für den über das Jahr 2010 hinausgehenden Zeitraum. Die Analyse in diesem Kapitel beschränkt sich daher auf die Periode bis 2010. Die langfristige Entwicklungstendenz, wie eingangs dieser Botschaft beschrieben, zeigt indessen einen Handlungsbedarf auf, um die AHV/IV auch langfristig finanziell konsolidieren zu können.

3.1.1.2

Die in Betracht zu ziehenden Finanzierungsquellen für die AHV und die IV

3.1.1.2.1

Einführung

Um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf der AHV und IV zu decken, bestehen mehrere Finanzierungsoptionen. Sie sollen hier mit den hauptsächlichen Vor- und Nachteilen für die Wirtschaft, die Staatsfinanzen und die Privathaushalte vorgestellt werden. Dieses Kapitel stützt sich dabei wesentlich auf die Arbeiten von IDA FiSo 1. Es befasst sich auch mit spezifischen Fragen im Zusammenhang mit der einen oder anderen Finanzierungsquelle. Es geht hierbei namentlich um die Beteiligung der öffentlichen Hand an den zusätzlichen Einnahmen aus einer Erhöhung der MWST, um die lineare oder proportionale Erhöhung der privilegierten Mehrwertsteuersätze und um die zu befolgenden Prinzipien, falls man den Sozialwerken die Einnahmen aus einer zukünftigen Energiesteuer zuweisen möchte.

3.1.1.2.2

Lohnabzüge

Die auf den Löhnen erhobenen obligatorischen Beitragssätze betragen in der Schweiz 10,1 Prozent für die Versicherungen AHV/IV/EO und 3 Prozent für die Arbeitslosenversicherung. Hinzu kommen die Beiträge an die berufliche Vorsorge, an die Familienzulagen und an die Unfallversicherung, die je nach Sozialversicherungszweig, Unternehmen oder Kanton stark variieren können. Die Lohnabzüge auf den Bruttoeinkommen sind in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ gering. Ermittelt man die gesamte Steuerlast auf den Arbeitseinkommen (d.h. unter Mitberücksichtigung der Einkommenssteuern), so erhält man für die Schweiz einen Wert von 24,1 Prozent des BIP für das Jahr 199638. Im Vergleich zu den EUStaaten, Japan und den USA liegt die steuerliche Belastung der Arbeit in der Schweiz etwa beim Durchschnitt dieser Staaten. Die meisten Regierungen verfolgen heute eine Politik, die eine Erhöhung der Lohnabzüge zu vermeiden versucht. Um die Wettbewerbsvorteile zu sichern, über welche die Schweiz auf diesem Gebiet ins38

Revenue Statistics of OECD Member Countries 1965-1997, OECD, Paris 1998.

1918

besondere gegenüber ihren Nachbarstaaten noch verfügt, sollen die Lohnabzüge mittelfristig nicht erhöht werden.

Dieser Wirtschaftspolitik liegt das Argument zu Grunde, dass eine Erhöhung der Lohnabzüge eine Erhöhung der Produktionskosten bewirken würde. In der Vergangenheit konnte langfristig eine Überwälzung der Lohnnebenkosten auf die Nettolöhne beobachtet werden. Allerdings variieren die möglichen Auswirkungen auf die Löhne von einer Branche zur anderen, bzw. von einem Unternehmen zum anderen.

Dies hängt von den Substitutionsmöglichkeiten des Faktors Arbeit durch eine stärkere Inanspruchnahme der Produktionsfaktoren Kapital und Energie sowie den kurzfristigen Überwälzungsmöglichkeiten der höheren Produktionskosten auf die Preise ab. Im Allgemeinen sind es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit tiefen Einkommen, welche Stellen mit geringen Qualifikationsanforderungen und einer geringen Wertschöpfung besetzen, die von solchen Überwälzungsvorgängen auf die Nettolöhne, die Aufhebung von Arbeitsplätzen und von Verlagerungen der Produktion ins Ausland am stärksten betroffen sind.

Mindestens zwei Gründe rechtfertigen aber die Weiterführung einer lohnprozentualen Finanzierung der AHV und der IV. Zunächst garantiert das Äquivalenzprinzip (die Leistungen hängen von den einbezahlten Beiträgen ab) diesem Finanzierungssystem eine gewisse Legitimität. Die Altersrente stellt teilweise ein hinausgeschobenes Einkommen dar, weshalb die Beiträge bei den Versicherten eine grosse Akzeptanz geniessen. Daneben garantieren die Lohnabzüge das für die erste Säule charakteristische Solidaritätsprinzip. Die Beiträge werden auf den Einkommen unplafoniert erhoben, während die Höhe der Renten durch einen Maximalbetrag begrenzt ist39.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Lohnsumme eine stabile Basis für die Finanzierung der Sozialversicherungen bleibt 40.

3.1.1.2.3

Beteiligung der öffentlichen Hand an den Ausgaben

3.1.1.2.3.1

Allgemeine Erwägungen

Infolge der wiederholten Budgetdefizite wurde die Sanierung der Staatsfinanzen als prioritäres Ziel anerkannt. Gesunde Finanzen erlauben es, der wirtschaftlichen Zukunft mit mehr Gelassenheit entgegenzublicken. Auf der Einnahmenseite ist der Spielraum gering, zumal die öffentliche Hand bei den natürlichen und den juristischen Personen die direkten Steuern nicht nach Belieben erhöhen kann, ohne dabei das Wirtschaftswachstum zu schwächen. Auf der Seite der Sozialausgaben hat der Staat Verpflichtungen übernommen, die es einzuhalten gilt, zumal diese meist ausdrücklich auf dem Willen des Volkes beruhen. Da also eine Erhöhung der Beteiligung der öffentlichen Hand an den Ausgaben der AHV und der IV ausser Betracht fällt, müssen die finanziellen Bemühungen auf die Beibehaltung und Konsolidierung der finanziellen Beteiligung der öffentlichen Hand im derzeitigen Umfang hinzielen.

39 40

Ab 72 000 Franken ist das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen nicht mehr rentenbildend.

Siehe Ziffer 1.3.1.

1919

3.1.1.2.3.2

Beteiligung des Bundes an den zusätzlichen Einnahmen

Die Beibehaltung der gegenwärtigen Finanzierungsanteile bei den Ausgaben (20% für die AHV und 50% für die IV) verursacht in den Budgets der verschiedenen Gemeinwesen jedes Jahr eine steigende Belastung, in absoluten wie in relativen Zahlen. Dies erklärt sich durch die Tatsache, dass die Ausgaben der AHV und vor allem der IV rascher anwachsen als die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand. Für den Bund, der den Hauptteil der finanziellen Beteiligung der öffentlichen Hand zu tragen hat, stellt die demografische Entwicklung ein ebenso grosses finanzielles Problem dar wie für die beiden Sozialversicherungszweige selbst. Die in der 11. AHVRevision vorgesehenen neuen Finanzierungsmassnahmen müssen folglich auch der Stabilisierung der zusätzlichen Budgetbelastung dienen, die aus der Ausgabenentwicklung der AHV und der IV resultiert. Hier muss man wieder ­ und aus denselben Gründen ­ auf das Prinzip zurückgreifen, das sich bereits bei der Verwendung der Erträge aus dem 1999 eingeführten zusätzlichen MWST-Punkt durchgesetzt hat.

Unter der Annahme, dass der zusätzliche Finanzierungsbedarf der AHV und der IV bis ins Jahr 2010 durch MWST-Erhöhungen gedeckt wird, schlagen wir vor, einen Teil dieser neuen MWST-Einnahmen in die zur Finanzierung dieser Sozialwerke vorgesehenen Reserven des Bundes fliessen zu lassen. Der Anteil der Einnahmen soll den Anteil des Bundes an den Ausgaben von AHV und IV nicht übersteigen.

Es ist jedoch keine entsprechende Entlastung bei den Kantonen vorgesehen. Der Bund kann sich lediglich auf zwei Haupteinnahmequellen (Direkte Bundessteuer, Mehrwertsteuer) stützen. Zudem ist der Anteil der Kantone für die Finanzierung von AHV/IV kleiner und wird mit dem Neuen Finanzausgleich ganz wegfallen.

Diese neuen zweckgebundenen Einnahmen für den Bund sind keineswegs dazu da, die gegenwärtigen Stabilisierungsbemühungen für die Bundesfinanzen überflüssig zu machen. Sie erlauben es lediglich, eine neue überdurchschnittlich ansteigende Belastung des Bundesbudgets auf Grund der demografischen Alterung zu vermeiden, und verhindern damit das Risiko einer zukünftigen Verschlechterung der Budgetsituation auf Grund demografischer Faktoren. Die Gefahr einer Nutzung der Einnahmen der MWST für AHV und IV zu Gunsten der Sanierung der Bundesfinanzen wird dadurch ausgeschlossen, dass der Anteil für den Bund
im Maximum dem Anteil seiner Finanzierung an der AHV und IV beträgt. Die entsprechenden Einnahmen müssen dazu zweckgebunden den Reserven des Bundes für diese Versicherungszweige zugewiesen werden.

3.1.1.2.4

MWST

3.1.1.2.4.1

Allgemeine Erwägungen

Die MWST hat den Vorteil, dass sie weder unmittelbar auf den Löhnen noch auf den Investitionen oder den Exporten lastet. Zugegebenermassen wird die MWST langfristig auf die Preise der Waren und Dienstleistungen abgewälzt. Sie belastet somit sämtliche Einkommen zum Zeitpunkt des Konsums. Da Letzterer eine stabile und wenig bewegliche Besteuerungsgrundlage darstellt, ermöglicht die MWST ein hohes Einnahmepotenzial. Die MWST hat somit unbestreitbare Vorteile gegenüber anderen Formen der Besteuerung. Dies zeigt sich übrigens auch in der tendenziellen Bevorzugung dieser Form der indirekten Besteuerung auf internationaler Ebene. Im 1920

Vergleich zu den OECD-Staaten liegt das Verhältnis der Belastung durch direkte und indirekte Steuern in der Schweiz deutlich auf Seiten der direkten Steuern.

In Anbetracht der Auswirkungen von Steuern auf die Preise und sodann auf die Löhne (tatsächliche steuerliche Belastung) kann die MWST mittel- und langfristig dieselben Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben wie Lohnabzüge. Die Übergangsphase, während der die Wirtschaftssubjekte ihr Verhalten anpassen, spielt infolgedessen eine Schlüsselrolle. So betrachtet hat eine Erhöhung der MWST den Vorteil, dass diese zu keiner plötzlichen Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts führt, da sich die Erhöhung dieser Steuer eher langsam auf die Produktionskosten auswirkt.

Aus sozialpolitischen Erwägungen profitieren die Güter des täglichen Bedarfs von einem reduzierten Satz. Er beträgt 2,3 Prozent gegenüber dem Normalsatz von 7,5 Prozent. Mit Rücksicht auf strukturpolitische Aspekte und die Konjunkturlage in den Neunzigerjahren hat das Parlament vorübergehend auch einen MWST-Sondersatz für Beherbergungsleistungen gewährt. Dieser Sondersatz beträgt heute 3,5 Prozent.

Wie alle anderen Abzüge vom Realeinkommen verringert auch die Auswirkung der MWST auf die Preise die Kaufkraft der Privathaushalte. Gemäss den Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) ist die durch die MWST verursachte Belastung für Haushalte, die über ein Einkommen zwischen etwa 40 000 und 100 000 Franken verfügen, weitgehend proportional zum Einkommen. Die ­ in Prozent vom Einkommen ausgedrückte ­ Belastung verkleinert sich bei den hohen Einkommen und vergrössert sich bei den tiefen Einkommen. Der reduzierte MWSTSatz für die Güter des täglichen Bedarfs verringert den degressiven Effekt der MWST auf die Einkommen, ohne ihn aber gänzlich beseitigen zu können.

Die sozialen Auswirkungen einer MWST-Erhöhung scheinen jedoch für tiefe Einkommen tragbar zu sein. Die potenzielle jährliche Mehrbelastung durch eine Erhöhung der verschiedenen MWST-Sätze um einen Punkt beläuft sich für Haushalte, die über ein Jahreseinkommen von 40 000 Franken verfügen, auf etwa 200 Franken.

Die Belastung könnte in der Realität mittel- oder langfristig durchaus geringer ausfallen, zumal die EStV bei ihren Schätzungen von der Annahme ausgegangen ist, dass die MWST vollumfänglich auf die Preise
abgewälzt wird.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat das Ausmass der Überwälzung der MWST auf die Preise bei ihrer Einführung im Jahr 1995 geschätzt und ist zurzeit daran, das Ausmass der Überwälzung der Erhöhung auf den 1. Januar 1999 zu untersuchen.

Während 1995 die MWST zu 85 Prozent auf die Preise überwälzt worden ist, sollte dies gemäss provisorischen Ergebnissen vom April für die Erhöhung anfangs 1999 lediglich zu 65 Prozent der Fall sein. Der Unterschied kann mit der erhöhten Konkurrenz (Telekommunikation, Landwirtschaft) und einer deutlichen Senkung der Produktionskosten erklärt werden. Genauere Schätzungen über die Belastung der verschiedenen Haushaltstypen durch die MWST wird die neue Einkommens- und Verbrauchserhebung 1998 (EVE 98) des BFS liefern.

1921

3.1.1.2.4.2

Lineare Erhöhung der MWST

Bei einer Erhöhung der MWST bezieht man sich immer auf den Normalsatz. Nehmen wir als Beispiel eine Erhöhung von 7,5 Prozent auf 8,5 Prozent, d.h. eine Erhöhung um einen Punkt. Die Erhöhung der reduzierten MWST-Sätze (2,3% für den reduzierten Satz und 3,5% für den Sondersatz für Beherbergungsleistungen) kann nun auf zwei Arten erfolgen: Entweder werden diese auch um einen Prozentpunkt erhöht (lineare Erhöhung). Oder die Erhöhung erfolgt so, dass das Verhältnis zwischen dem normalen Steuersatz und den reduzierten Sätzen gleich bleibt (proportionale Erhöhung). Dies hat zur Folge, dass die reduzierten Sätze ­ ausgedrückt in MWST-Prozentpunkten ­ weniger stark angehoben werden als der Normalsatz. In unserem Beispiel würden bei einer linearen Erhöhung der reduzierte Satz auf 3,3 Prozent und der Sondersatz auf 4,5 Prozent steigen, bei einer proportionalen Erhöhung auf 2,6 Prozent bzw. 4,0 Prozent.

Bei der Erhöhung der MWST zugunsten der AHV/IV um einen Punkt am 1. Januar 1999 ("Demographieprozent") hat man sich für eine proportionale Erhöhung entschieden. Für diesen Entscheid waren die damaligen konkreten Umstände ausschlaggebend, wobei der Ständerat klar präzisierte, dass dieser Entscheid die künftigen Erhöhungen in keiner Weise präjudiziere (AB 1997 S 1254 ff.).

Da die MWST-Erhöhung zur Beschaffung neuer Einnahmen für die Sozialwerke dienen soll, drängt sich eine lineare Erhöhung auf. Die Einnahmen bei einer proportionalen Erhöhung liegen um 13,6 Prozent unter den Einnahmen bei einer linearen Erhöhung (d. h. circa 350 Mio. Franken bei einer Erhöhung des normalen Satzes um einen Punkt). Mit anderen Worten müsste bei einer proportionalen Erhöhung der normale Steuersatz stärker oder früher angehoben werden, um ein gleich hohes Steueraufkommen zu erzielen wie bei einer linearen Erhöhung (was sich auch auf die reduzierten Sätze auswirken würde).

Bei einer proportionalen Erhöhung werden im Übrigen die Differenzen in absoluten Werten zwischen den drei MWST-Sätzen immer grösser. Auf lange Sicht kann dieses Phänomen in gewissen Branchen zu beträchtlichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist deshalb eine lineare Erhöhung einer proportionalen vorzuziehen.

Gegen eine lineare Anhebung der MWST spricht hauptsächlich die Tatsache, dass dadurch die Steuerbelastung von wirtschaftlich
schwachen Haushalten stärker ausfällt. Die wirtschaftlich schwächeren Haushalte verwenden effektiv, im Vergleich zu wirtschaftlich besser gestellten Haushalten, einen grösseren Anteil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs. Wenn diese Güter nur in proportionalem Ausmass erhöht würden, würde ihr Budget folglich weniger stark von der MWST belastet. Bei der Würdigung dieses Umstands ist aber zu bedenken, dass Haushalte, die über ein hohes Einkommen verfügen, ebenfalls von der Steuererleichterung auf den Gütern des täglichen Bedarfs profitieren würden. Diese Minderung der Steuereinnahmen müsste folglich durch eine zusätzliche Belastung der Kaufkraft der Gesamtheit der Haushalte kompensiert werden. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Anzahl der Haushalte mit mindestens einer erwerbstätigen Person, welche nur über ein Einkommen unter 40 000 Franken verfügen, relativ gering ist. Bei Rentnerinnen und Rentnern sowie anderen, von Transfereinkommen abhängigen Personen (Renten, Sozialhilfe usw.) trägt die Teuerungsanpassung der Leistungen teilweise zum Erhalt der Kaufkraft bei.

1922

In administrativer Hinsicht setzt die lineare Erhöhung der MWST-Sätze eine Neuberechnung des pauschalierten Vorsteuerabzugs nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe h Ziffer 3 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung (neue BV Art. 196 Ziff. 14 Abs. 1 Bst. h Ziff. 3) voraus. Der Satz des pauschalierten Vorsteuerabzugs (Abzug von der geschuldeten MWST für den Bezug von landwirtschaftlichen Produkten bei nicht steuerpflichtigen Urproduzenten) ist heute identisch mit demjenigen des reduzierten Steuersatzes. Bei einer linearen Erhöhung der MWST-Sätze wäre dies nicht mehr der Fall; es müssten dann vier statt heute drei Sätze in Betracht gezogen werden. Ferner wird eine Neuzuteilung der verschiedenen Branchen auf die Saldosteuersätze, gegebenenfalls verbunden mit der Einführung zusätzlicher Saldosteuersätze, notwendig. Für die Bestimmung der auf die Sozialversicherungen entfallenden Mehreinnahmen aus einer Erhöhung der MWST-Sätze ist schliesslich ein neuer Schlüssel zu ermitteln. Diese technischen Probleme sind allerdings überwindbar.

Auf Grund dieser Überlegungen schlägt der Bundesrat eine lineare Erhöhung des MWST-Satzes für Güter des täglichen Bedarfs vor.

3.1.1.2.5

Energiesteuer

3.1.1.2.5.1

Allgemeine Erwägungen

Bereits heute werden in der Schweiz verschiedene Energieabgaben erhoben. Auf Bundesebene handelt es sich dabei um die Mineralölsteuer (Treib- und Brennstoffe) sowie die Mehrwertsteuer auf Energieträger. Aus der Energiebesteuerung ergeben sich für den Bund Erträge in der Höhe von mehr als 5 Milliarden Franken pro Jahr.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht besteht weiterhin ein gewisser Spielraum für eine stärkere Besteuerung der Energie. Angesichts des internationalen Umfeldes und insbesondere der Treibstoffpreise in den Nachbarländern ist dieser jedoch beschränkt.

Obwohl bezüglich der konkreten Ausgestaltung einer Energiesteuer noch zahlreiche Fragen offen bleiben, wäre gemäss ersten Ertragsschätzungen mit potenziellen Mehreinnahmen von mehreren Milliarden Franken zu rechnen.

Der Anteil der Energiekosten am Bruttowert der Schweizer Gesamtproduktion beläuft sich auf rund 1,3 Prozent. Eine unter Berücksichtigung der Preise im Ausland angemessen festgesetzte Energiesteuer hätte folglich nur einen geringen Einfluss auf die Produktionskosten der Schweizer Wirtschaft. Zudem würden eine transparente Planung und eine stufenweise Einführung der Steuer dazu beitragen, die negativen Auswirkungen der Steuer auf das Wirtschaftswachstum möglichst gering zu halten, da den Unternehmen für erforderliche Anpassungen genügend Zeit bliebe.

Während die Auswirkungen einer Energiesteuer für die Schweizer Wirtschaft insgesamt vertretbar scheinen, gilt dies nicht für Industriezweige mit grossem Energieverbrauch. Angesichts der internationalen Konkurrenz würden diese Unternehmen ihre Aktivitäten in der Schweiz möglicherweise einstellen. Deshalb herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass für diese Branchen bis zur Einführung einer international harmonisierten Energiebesteuerung besondere Bestimmungen festzulegen sind.

Die Energie ist einerseits ein Produktionsfaktor wie die Arbeit oder das Kapital, andererseits aber auch und vor allem ein Konsumgut. Von einer Energiesteuer wären deshalb in erster Linie die Haushalte betroffen. Diese benötigen direkt rund 55 Pro1923

zent der in der Schweiz verbrauchten Energie, zum Beispiel in Form von Elektrizität für die Beleuchtung, Benzin für das Auto oder Öl für die Heizung. Die Einführung einer Energiesteuer würde die Haushalte in zweifacher Hinsicht belasten. Einerseits hätten sie die gestiegenen Produktionskosten zu tragen, welche die Unternehmen auf die Preise der Güter und Dienstleistungen abzuwälzen versuchten. Andererseits müssten sie für die direkt verbrauchte Energie höhere Preise bezahlen. Daraus ergäbe sich eine Verringerung der Kaufkraft der Haushalte.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Folgen wäre somit eine zusätzliche Besteuerung der Energie zu einem grossen Teil mit einer Konsumsteuer vergleichbar. In sozialer Hinsicht wirkt sich die Einführung einer Energiesteuer gegenüber einer Anhebung der Mehrwertsteuer hingegen leicht degressiver aus.

Die Entwicklung der Erträge einer Energiesteuer hängt vom Niveau der Steuer ab.

Eine allzu hohe Steuer wird einen dämpfenden Effekt auf den Energiekonsum haben. Der zunächst hohe Ertrag wird progressiv sinken. Bei einem moderaten Steuersatz werden die Erträge einigermassen konstant bleiben. Da sich der erste Fall zweifellos ungünstig auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird, muss gleichzeitig auch mit rasch sinkenden Erträgen anderer Steuern gerechnet werden. Aus steuerpolitischen Gründen ist deshalb der zweite Weg zu wählen, welcher dauerhaft Erträge erwarten lässt. Allerdings wird eine solche moderate Energiesteuer den zusätzlichen Finanzbedarf von AHV und IV nicht zu decken vermögen. Die von einer moderaten Energiesteuer zu erwartenden Erträge sind jedoch auch nicht zu vernachlässigen, betragen sie doch mehrere Milliarden Franken.

3.1.1.2.5.2

Geplante ökologische Steuerreform

Der Bundesrat plant die rasche Durchführung einer Steuerreform unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien. Ziel ist dabei die Einführung einer Energiesteuer im Rahmen der Umsetzung der neuen Finanzordnung des Bundes, die vor dem Ablauf des geltenden Systems im Jahre 2006 in Kraft treten soll. Eine solche Reform bedingt die Ausarbeitung einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Grundlage. Das Parlament behandelte dieses Dossier bereits im Rahmen des neuen Energiegesetzes sowie später bei der Ausarbeitung von Gegenvorschlägen für zwei Volksinitiativen im Bereich der Energiepolitik.

In der Herbstsession 1999 hat die Bundesversammlung einen Gegenvorschlag zur Energie-Umwelt-Initiative41 verabschiedet und dabei vorgeschlagen, Artikel 24octies der Bundesverfassung durch neue Absätze 5­9 zu ergänzen. Die neue Verfassungsnorm soll es dem Bund erlauben, eine besondere Steuer auf nicht erneuerbaren Energieträgern zu erheben. Der Ertrag soll vollumfänglich zur Entlastung der Wirtschaft von einem Teil der obligatorischen Lohnnebenkosten verwendet werden. Die Bundesversammlung hat ferner einen Gegenvorschlag zur Solar-Initiative42 verabschiedet, wonach die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung mit einem neuen Artikel 24 ergänzt werden sollen, welcher die Erhebung einer zweckgebundenen Förderabgabe während zehn Jahren gestattet. Der Ertrag soll dazu dienen, ener-

41 42

Bundesbeschluss über die Volksinitiative für die Belohnung des Energiesparens und gegen die Energieverschwendung (Energie-Umwelt-Initiative) vom 8. Oktober 1999.

Bundesbeschluss über die Volksinitiative für einen Solarrappen (Solar-Initiative) vom 8. Oktober 1999.

1924

giepolitische Massnahmen zu finanzieren. Die beiden Initiativen und die beiden Gegenvorschläge sollen alle gleichzeitig Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden.

Die vom Bundesrat bereits angekündigte Vernehmlassungsvorlage zur neuen Finanzordnung mit ökologischen Anreizen soll ein Gesetz enthalten, das ­ sofern Grundnorm und Übergangsbestimmung von Volk und Ständen angenommen werden ­ die Abgabenerhebung, die Senkung der Lohnprozente sowie die Fördermassnahmen im Bereiche der Energiepolitik in einem Beschluss regelt. Da die Wahl derjenigen Sozialversicherung, deren Versicherungsbeiträge nach der Einführung der Energiesteuer reduziert werden, nicht auf Verfassungsstufe getroffen wird, wird dieser Punkt Gegenstand einer vertieften Prüfung im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage sein. Der Bundesrat wird zu gegebener Zeit über den Inhalt der Vernehmlassungsvorlage sowie den Zeitpunkt der Eröffnung der Vernehmlassung befinden. Die entsprechenden Entscheide sollen in Kenntnis des Abstimmungstermins über die Energie-Umwelt- und Solarinitiativen sowie der Gegenvorschläge der eidgenössischen Räte gefällt werden.

3.1.1.2.6

Weitere Finanzierungsquellen

Die Arbeitsgruppe IDA FiSo 1 hat alternative Finanzierungsquellen für die Sozialwerke untersucht, um schliesslich die oben besprochenen vorzuschlagen. Seit der Veröffentlichung des Berichts hat das Parlament ein gewisses Interesse für andere Finanzierungsmodi bekundet43, die eine zusätzliche Belastung des Produktionsfaktors Arbeit vermeiden. Diese weiteren Finanzierungsquellen werden im Folgenden kurz erläutert.

3.1.1.2.6.1

Kapitalgewinnsteuer

Nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in allen Kantonen sind die auf beweglichem Privatvermögen realisierten Kapitalgewinne von jeglicher Steuer befreit. Diese Regelung wird heute hinterfragt, da diese Befreiung nicht dem Prinzip entspricht, wonach Steuerpflichtige nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden sollen.

Die Ausgestaltung einer Kapitalgewinnsteuer wirft zahlreiche praktische Fragen auf, die hier nicht näher untersucht werden sollen. Für die Finanzierung der Sozialwerke ist es wichtig, wie viel eine solche Steuer einbringen würde. Die von der Bundesverwaltung auf der Basis eines durchschnittlichen Steuersatzes von 15 Prozent gemachten Schätzungen ergeben einige Hundert Millionen Franken pro Jahr. Ein solcher Ertrag, der zudem noch den Börsenschwankungen unterliegt, könnte bei der Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs der AHV gegenüber anderen Finanzierungsquellen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.

43

Motion Hafner Ursula 96.3213, Eidgenössische Erbschafts- und Schenkungssteuer als Finanzierungsbeitrag für die AHV. Motion Rechsteiner Paul 96.3584, Einführung einer Kapitalgewinnsteuer. Postulat SGK-N 98.3220, Sozialversicherungen. Wertschöpfungsabgabe. Motion Jaquet-Berger 99.3262, Einführung einer "Sozialabgabe".

1925

3.1.1.2.6.2

Steuer auf dem Bruttoertrag von Unternehmen

Da die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen einzig auf der Lohnsumme lasten, wird ein Wirtschaftswachstum begünstigt, bei dem wenig Stellen geschaffen werden. Auf Grund dieser Feststellung schlagen Wirtschaftswissenschaftler vor, eine Besteuerungsgrundlage zu wählen, die sich auf den Bruttoertrag von Unternehmen bezieht. Dieser Ertrag enthält die Personalkosten sowie den Bruttobetriebsüberschuss, welcher zur Entschädigung der Kapitalgeber und zur Finanzierung der Produktionsmittel dient. Indem eine Art Kapitalsteuer eingeführt wird, könnte man die Sozialwerke finanzieren und gleichzeitig die Belastung der Arbeit verringern. Der gravierende Nachteil hierbei ist jedoch, dass diese Steuer auf dem gesamten Bruttoinlandprodukt lastet, also auch auf den Investitionen und den Exporten. Dies kann nicht ohne nachteilige Auswirkungen auf die künftige Entwicklung der wirtschaftlichen Aktivität in der Schweiz und somit auch auf den Stellenmarkt bleiben.

3.1.1.2.6.3

Allgemeine Sozialabgabe

Die allgemeine Sozialabgabe ist eine prozentuale Abgabe auf sämtlichen Einkommen der natürlichen Personen. Die Steuerbemessungsgrundlage, welche die Erwerbseinkommen, die Transfereinkommen (z.B. Renten) sowie die Erträge aus Vermögen und Kapitalanlagen umfasst, ist umfangreicher als die der Sozialversicherungsbeiträge oder der Einkommenssteuer. Somit ergibt selbst ein bescheidener Abgabesatz einen befriedigenden Ertrag. Die Einnahmen der Allgemeinen Sozialabgaben wären zweckgebunden für die auf dem Prinzip der Solidarität beruhenden Sozialversicherungen zu verwenden.

Die Interdepartementale Arbeitsgruppe "Finanzperspektiven der Sozialversicherungen" (IDA FiSo) hat das Modell einer Allgemeinen Sozialabgabe geprüft. Aus dem Bericht IDA FiSo 1 geht hervor, dass die allgemeine Sozialabgabe auch mit tiefen Abgabesätzen einen befriedigenden Ertrag ergeben würde, da das Substrat dem Volkseinkommen entspricht. Nach Ansicht der IDA FiSo 1 ist dieses Finanzierungsmodell dazu geeignet, die Sozialleistungen zu finanzieren, die mit einem bedeutenden Nutzen für die ganze Gesellschaft verbunden sind. Die Einführung einer allgemeinen Sozialabgabe würde die Unternehmen von Lohnabzügen entlasten, die auf Grund ihrer Natur nicht zur Finanzierung allgemeiner Leistungen herangezogen werden sollten. Ausserdem könnte die Finanzierung gerecht auf alle Haushaltungen verteilt werden. Eine allgemeine Sozialabgabe wurde im Übrigen 1991 in Frankreich zur Finanzierung der Familienzulagen eingeführt.

Die Erhebung einer Sozialabgabe bringt nicht nur Vorteile. So wird im Bericht IDA FiSO 1 insbesondere auf administrative Probleme und auf die möglichen sozialen Schwierigkeiten bei einer Besteuerung der Transfereinkommen hingewiesen. Erwähnt wird auch die Tatsache, dass eine allgemeine Sozialabgabe zu einer Konkurrenzierung der direkten Einkommenssteuer auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene führt. Die IDA FiSO 1 kommt daher zum Schluss, dass es sinnvoller ist, sich auf bestehende Finanzierungsalternativen (MWST) zu konzentrieren und nicht auf die Einführung einer völlig neuen Steuer. Der Bundesrat hält diese Analyse nach wie vor für zutreffend.

1926

3.1.1.2.7

Zusammenfassung

Aus der Gegenüberstellung der verschiedenen Finanzierungsquellen geht keine hervor, welche a priori zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von AHV und IV vorzuziehen wäre. Jede Finanzierungsquelle weist sowohl Vorzüge als auch Nachteile auf.

Deshalb stellt die heutige Kombination verschiedener Finanzierungsquellen im Hinblick auf eine ausgewogene und solide Finanzierung weiterhin die geeignetste Lösung dar. Eine Finanzierung sowohl über Lohnabzüge als auch über direkte und indirekte Steuern gewährleistet die finanzielle Stabilität der betroffenen Versicherungen am besten und ermöglicht eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage sowie der Beitragsmöglichkeiten der Versicherten. Die Berichte IDA FiSo 1 und 2 gelangten ebenfalls zu diesem Schluss, wobei im zweiten Bericht die Ergebnisse des theoretischen Ansatzes mittels verschiedener ökonometrischer Modelle untersucht wurden.

Während eine einzige Finanzierungsquelle allein die gesamte Finanzierung der Sozialversicherungen nicht zu gewährleisten vermag, stellt sich die Frage im Hinblick auf die Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs anders. In diesem dynamischen Umfeld ist die Steuerbelastung zu berücksichtigen, die gegenwärtig auf den einzelnen Steuersubstraten lastet. Bei einer unangemessenen Erhöhung dieser Belastung ist mit problematischen Auswirkungen zu rechnen.

Im Bereich der Lohnabzüge befindet sich die Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern noch in einer günstigen Lage. Im Hinblick auf eine Bewahrung von Konkurrenzvorteilen muss die Schweiz zum heutigen Zeitpunkt auf Beitragserhöhungen in diesem Bereich verzichten. Auch bei den direkten Steuern ist der Spielraum äusserst eng, da sich sehr hohe Steuersätze ebenfalls negativ auf die Steuereinnahmen auswirken können.

Auf Grund des heutigen Niveaus und der Ertragsstabilität weist die Mehrwertsteuer zur Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs der Sozialversicherungen zweifellos bedeutende Vorteile auf. Kurzfristig bedeutet die Mehrwertsteuer weder eine direkte Belastung für die Arbeitskosten noch für die Investitionen oder die Exporte.

Die Einführung einer Energiesteuer gewährleistet nicht dieselbe Ertragssicherheit und wirtschaftliche Effizienz wie die Mehrwertsteuer, sie kann jedoch als Ergänzung zur Mehrwertsteuer in Erwägung gezogen werden. Dies würde auch für eine
Allgemeine Sozialabgabe gelten. Die übrigen untersuchten Steuern kommen zurzeit für die Finanzierung von AHV und IV nicht in Betracht.

Wir empfehlen deshalb, das geltende Finanzierungssystem beizubehalten und die Beitragssätze für die Lohnabzüge und die anteilmässige Ausgabenbeteiligung der öffentlichen Hand unverändert zu belassen. Zur Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs schlagen wir vor, auf die Mehrwertsteuer zurückzugreifen. Die Einführung einer Energiesteuer als Ergänzung zur Mehrwertsteuer ist nicht ausgeschlossen.

Dies wird von den laufenden Arbeiten zur ökologischen Steuerreform abhängen.

Die demografische Alterung bedeutet auch für die Haushalte der öffentlichen Hand eine Belastung, da diese einen fixen Anteil an den Ausgaben von AHV und IV finanzieren. Zur Stabilisierung dieser zunehmenden Belastung im Bundesbudget schlagen wir vor, einen Teil der neuen Einnahmen den Rückstellungen des Bundes für AHV und IV zukommen zu lassen, wobei dieser höchstens dem Finanzie-

1927

rungsanteil des Bundes an den zwei Versicherungen entsprechen soll (vgl.

Ziff. 3.1.1.2.3.2).

In unserem Steuersystem werden drei Mehrwertsteuersätze unterschieden: der Normalsatz, der reduzierte Satz für Güter des täglichen Bedarfs und der Sondersatz für Beherbergungsleistungen. Wir empfehlen, bei einer Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer den reduzierten Satz für Güter des täglichen Bedarfs und den Sondersatz für Beherbergungsleistungen linear anzupassen.

3.1.1.3

Finanzielle Perspektiven der AHV

3.1.1.3.1

Ausgangslage

Die Finanzierung der AHV beruht im Wesentlichen auf den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgebenden, auf dem Beitrag der öffentlichen Hand und, seit 1999, auf der Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt. Die Zinsen des Ausgleichsfonds spielen für die AHV eine untergeordnete Rolle, da deren Finanzierung auf dem System der Umlage und nicht der Kapitalisierung beruht. Der vorgesehene Anteil der Einnahmen aus der Besteuerung der Spielbanken44 sowie aus Regressverfahren gegen haftpflichtige Dritte sind gemessen an den Gesamtmitteln der AHV unbedeutend.

Seit 1975 beträgt der Beitragssatz für Unselbstständigerwerbende an die AHV 8,4 Prozent des Lohnes, wobei die Hälfte von den Arbeitgebenden und die andere von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgewendet wird. Selbstständigerwerbende sind einem niedrigeren Satz unterstellt, der je nach Erwerbseinkommen zwischen 4,2 und 7,8 Prozent liegt. In der Regel haben Nichterwerbstätige ebenfalls Beiträge zu entrichten. Die gesamten Einnahmen aus den Beiträgen belaufen sich gegenwärtig auf rund 19 Milliarden Franken.

Die öffentliche Hand beteiligt sich ebenfalls an der Finanzierung der AHV. Im Jahr 1999 überwies sie dem AHV-Ausgleichsfonds einen Beitrag von 20 Prozent der AHV-Ausgaben, was ungefähr 5,5 Milliarden Franken entspricht. Bis 1998 belief sich der Beitrag des Bundes auf 17 Prozent, während die Kantone 3 Prozent beisteuerten. Seit 1999, gemäss den beschlossenen Massnahmen zur Sanierung der Bundesfinanzen (Stabilisierungsprogramm 1998) werden die entsprechenden Anteile bis zum Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs aber spätestens bis Ende 2004 zwischen Bund und Kantonen 16,36 Prozent und 3,64 Prozent betragen. Im Entwurf zum neuen Finanzausgleich ist vorgesehen, dass der Bund in Zukunft den gesamten Beitrag der öffentlichen Hand an die AHV leisten wird. Im ersten Halbjahr 2001 sollte dem Parlament eine entsprechende Botschaft unterbreitet werden. Anschliessend wird der neue Finanzausgleich zur Abstimmung vorgelegt werden. Er könnte ab 2004 in Kraft treten.

Gegenwärtig finanziert der Bund seinen Beitrag zur Finanzierung der AHV aus den Erträgen der Tabak- und Alkoholsteuer, aus seinen allgemeinen Steuermitteln und seit 1999 aus seinem Anteil (17%) an den MWST-Einnahmen zu Gunsten der AHV.

44

Das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 18.12.1998 ist für den 1.4.2000 vorgesehen. Die für die AHV bestimmte Steuer auf Spielbanken dürfte ab 2003 150 Millionen Franken einbringen.

1928

Die Kantone finanzieren ihre Beiträge ausschliesslich aus allgemeinen Steuermitteln.

Zieht man den Anteil des Bundes ab, so müsste der MWST-Punkt zu Gunsten der AHV ab dem zweiten Jahr nach Inkrafttreten der Erhöhung der Versicherung ungefähr 1,8 Milliarden Franken einbringen.

Der Anlageertrag des Ausgleichsfonds der AHV hängt vom Fondsstand, von der Anlagestrategie und der Marktlage sowie vom Buchhaltungssystem ab. Die Zinsen des Fonds dürften im Jahr 1999 etwas weniger als 900 Millionen Franken einbringen. Der Anlageertrag des Ausgleichsfonds macht rund 3 Prozent der AHV-Gesamteinnahmen aus.

Insgesamt dürften sich die Einnahmen der AHV im Jahr 1999 auf 26,9 Milliarden Franken belaufen. Infolge der andauernden Konjunkturschwäche sind sie in den letzten Jahren nur langsam gestiegen. Die Ausgaben dürften die Summe von 27,4 Milliarden Franken erreichen. Daraus ergibt sich ein Ausgabenüberschuss, der über eine Schmälerung des Ausgleichsfonds um etwa 500 Millionen Franken finanziert wird. Ende 1999 dürfte das Fondsvermögen 21,3 Milliarden Franken betragen, was 78 Prozent der Jahresausgaben entspricht.

3.1.1.3.2

Perspektiven bis zum Jahr 2010 nach geltender Ordnung

Die Tabelle 1 im Anhang zeigt, wie sich die Finanzen der AHV bis zum Jahr 2010 entwickeln würden, falls am heutigen Finanzierungssystem nichts geändert würde.

Diese finanziellen Perspektiven basieren auf den Leistungen, wie sie in der 10. AHV-Revision festgelegt und vom Volk und von den Ständen in der Abstimmung angenommen wurden. In den Berechnungen wurden auch die im 2. Kapitel dargelegten wirtschaftlichen und demografischen Hypothesen berücksichtigt.

Der AHV-Fonds ist genügend dotiert, um die Finanzierungslücken der AHV vorübergehend zu schliessen, wie es bereits in den Jahren 1997 und 1998 der Fall war.

Jedoch werden infolge der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung bei der AHV die Ausgaben über längere Zeit ein rascheres Wachstum verzeichnen als die Einsparungen und die Einnahmen. Nach einem ausgeglichenen Rechnungsjahr 2000 werden die jährlichen Defizite kontinuierlich anwachsen und im Jahr 2010 etwa 4 Milliarden Franken erreichen. Wenn man diese Ausgaben nicht durch eine zusätzliche Finanzierungsquelle kompensiert, dann werden die Ausgabenüberschüsse einen raschen Abbau des AHV-Ausgleichsfonds zur Folge haben, wie aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich ist.

Entwicklung des AHV-Ausgleichsfonds in Prozent der jährlichen Ausgaben Ende Jahr

1999

2002

2006

2010

Millionen Franken Prozentsatz

21 326 78

19 145 67

12 772 42

­1004 ­3

Angenommen, am geltenden System wird nichts geändert, dann wird der Fondsstand im Jahr 2006 auf 42 Prozent der jährlichen Ausgaben liegen und die AHV wird im Jahr 2010 in Höhe von 3 Prozent seiner jährlichen Ausgaben verschuldet sein.

1929

3.1.1.3.3

Deckungsgrad des AHV-Ausgleichsfonds

Die Finanzierung der AHV zu regeln bedeutet, zwei finanzielle Probleme zu lösen.

Das erste Problem besteht darin, einen Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schaffen, das zweite in der ausreichenden Speisung des Ausgleichsfonds, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann. Stellt man sich die Frage nach der optimalen Höhe des Fonds, so wirft dies die Folgefrage auf, ob der minimale Fondsstand in Höhe einer Jahresausgabe der Versicherung aufrechtzuerhalten ist, wie dies gegenwärtig im Gesetz vorgesehen ist45.

Zur Klärung dieser Frage wurde ein Expertenauftrag vergeben. In seinem Gutachten «Bestimmung Ausgleichsfonds AHV/IV» vom 19. Mai 1998 kommt Prof. Dr. Heinz Schmid zum Schluss, dass der zulässige Mindestwert für den Deckungsgrad des Fonds bei 45 Prozent der jährlichen AHV-Ausgaben liegt. Er legt jedoch dar, dass ein Deckungsgrad von 70 Prozent den Optimalwert darstellen würde.

Diese Werte wurden folgendermassen bestimmt: Zunächst muss der Ausgleichsfonds eine Sicherheits- und Schwankungsreserve in Höhe von wenigstens 15 Prozent der Ausgaben enthalten, wobei ein Anteil von 20 Prozent optimal wäre. Zu diesem Betrag kommt eine Finanzierungs- und Überbrückungsreserve hinzu, die für den Fonds eine wichtige Funktion erfüllt. Diese wurde anhand von Modellen berechnet, die verschiedene Hypothesen bezüglich der Erhöhung des Lohn- und Preisniveaus, der demografischen Entwicklung und dem Anpassungsmodus für die Rentenerhöhungen berücksichtigen. Nach den pessimistischen Szenarien riskiert der Fonds pro Jahr eine maximale Einbusse von schätzungsweise 10 Prozent der Jahresausgaben. Dies wäre der schlimmste aller möglichen Fälle. Die Finanzierungsund Überbrückungsreserve muss daher ausreichend aufgestockt werden, damit der Bedarf der AHV während der dreijährigen Zeitspanne, die durchschnittlich für eine Gesetzesanpassung und für den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess im Hinblick auf die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts benötigt wird, gedeckt ist. Folglich muss die Finanzierungs- und Überbrückungsreserve, damit sie wirklich als Überbrückung dienen kann, mindestens 30 Prozent der Jahresausgaben betragen (3 Jahre x 10% Abnahme). 50 Prozent der Jahresausgaben (5 x 10%) würden aber den Idealwert darstellen und sind als Vorsichtsmassnahme auch zu empfehlen. Aus der Addition dieser beiden
Reserven (20% Sicherheits- und Schwankungsreserve +50% Finanzierungs- und Überbrückungsreserve = 70%) ergibt sich der optimale Wert für den Deckungsgrad des Ausgleichsfonds.

Der Fonds deckt bereits heute nur noch 78 Prozent der Ausgaben und im Jahr 2003 (die 11. AHV-Revision wird voraussichtlich in diesem Jahr in Kraft treten) wird der Deckungsgrad des Fonds vermutlich bereits die Schwelle von 70 Prozent unterschritten haben. Selbst wenn man den gesetzlich vorgesehenen Deckungsgrad herabsetzt, wird man daher nach 2003 neue Ressourcen bereitstellen müssen, um den Fonds wieder aufzustocken. Berücksichtigt man zudem die demografische Entwicklung und das daraus resultierende stetige Ausgabenwachstum der AHV, dann muss auch der Ausgleichsfonds ständig vergrössert werden, dies selbst bei einem Deckungsgrad von durchschnittlich 70 Prozent.

45

Gemäss Art. 107 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) darf der Ausgleichsfonds der AHV in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken.

1930

Gestützt auf die überzeugenden Überlegungen und Schlussfolgerungen des Gutachters und in Anbetracht des zusätzlichen Finanzbedarfs, um Einnahmen und Ausgaben der AHV ins Gleichgewicht zu bringen, schlagen wir vor, Artikel 107 Absatz 3 AHVG dahingehend zu ändern, dass der Ausgleichsfonds in der Regel nicht unter 70 Prozent der jährlichen Ausgaben der AHV sinken darf.

3.1.1.3.4

Zusätzlicher Finanzierungsbedarf

Unter Berücksichtigung der Leistungen und des Finanzierungssystems nach der geltenden Regelung haben wir die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen der AHV abgeschätzt, ohne aber der Situation des AHV-Fonds und dessen Anlageertrag Rechnung zu tragen. Aus der Differenz zwischen den auf diese Weise bestimmten Ausgaben und Einnahmen ergibt sich die Finanzierungslücke der AHV. Das ist gewissermassen ein rechnerischer Ansatz, der es erlaubt, die finanzielle Situation der AHV in einem gegebenen Jahr zu bestimmen. Die Entwicklung des Finanzierungsbedarfs ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich, und zwar ausgedrückt in Millionen Franken und in MWST-Punkten.

Finanzierungslücke der AHV gemäss geltender Ordnung (in Millionen Franken und in MWST-Äquivalenten; Werte von 1999) Jahr

1999

2002

2006

2010

Betrag in Mio.

In MWST-Punkten

1395 0.6

1161 0.5

1637 0.6

3636 1.3

Aus wirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, die Gesamtheit der zu mobilisierenden zusätzlichen Ressourcen für die künftige Finanzierung der AHV-Ausgaben zu berücksichtigen und dabei auch der finanziellen Mehrbelastung für die öffentliche Hand Rechnung zu tragen (siehe Ziff. 3.1.1.2.3.2). Der zusätzliche Finanzierungsbedarf wird nach der geltenden Regelung im Jahr 2010 1,6 MWST-Punkte ausmachen.

In oben stehender Tabelle wird die Situation des AHV-Fonds nicht berücksichtigt.

Man geht vom Prinzip aus, dass kein Rückgriff auf zusätzliche Ressourcen für den Fonds erfolgen wird, falls der Deckungsgrad auf 70 Prozent festgesetzt wird. Überdies wird postuliert, dass die Kapitalanlagen dem Fonds eine ausreichende Rendite einbringen werden, um mittelfristig einen Deckungsgrad von 70 Prozent zu garantieren. Sollte man sich trotzdem dazu entschliessen, die gegenwärtige Gesetzgebung beizubehalten und am Deckungsgrad von 100 Prozent der Ausgaben nach 2003 festzuhalten, dann wird man mit einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf von ungefähr 10 Milliarden Franken für das Jahr 2010 rechnen müssen. Falls dieser Betrag im Zeitraum zwischen 2003 und 2010 finanziert werden müsste, muss man für jedes Jahr in diesem Zeitraum etwa 1,3 Milliarden Franken zum zusätzlichen Finanzierungsbedarf hinzufügen (d.h. ungefähr 0,6 MWST-Äquivalente).

1931

3.1.1.3.5

Die Deckung des Finanzbedarfs der AHV

Die Anhebung der Mehrwertsteuer muss gewährleisten, dass die AHV-Ausgaben vollumfänglich gedeckt, das Vermögen des Ausgleichsfonds auf den festgelegten Wert erhöht oder beibehalten (siehe Ziff. 3.1.1.3.3) werden und die dem Bund aus der demografischen Alterung erwachsende Zusatzbelastung ausgeglichen werden kann (siehe Ziff. 3.1.1.2.3.2). Die Erhöhungen der Mehrwertsteuer sind so zu staffeln, dass sie dem tatsächlichen Bedarf der AHV entsprechen und gleichzeitig die Konsumentenkaufkraft nicht mehr als notwendig beeinträchtigen. Da die AHV nach dem Umlageverfahren finanziert wird, ist es nicht gerechtfertigt, eine über den unter Ziffer 3.1.1.3.3 definierten optimalen Betrag hinausgehende Reserve zu erwirtschaften.

Auf der Grundlage dieser Prinzipien wird für die Deckung des Finanzbedarfs der AHV im Jahr 2010 eine schrittweise Erhöhung der MWST um 1,6 Punkte erforderlich sein, wobei diese auf 1,2 Punkte beschränkt werden könnte, wenn man den positiven Saldo mit einbezieht, der aus den übrigen in der 11. AHV-Revision vorgesehenen Massnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite resultiert (siehe Ziff. 3.1.3 ff.).

Da sich dieser zusätzliche Finanzierungsbedarf aus der demografischen Entwicklung ergibt, wäre es nicht sinnvoll, die Finanzierung zur Deckung jedes weiteren Ausgabenanstiegs von der jeweiligen Ursache abhängig zu machen (Veränderung in der Bevölkerungsstruktur, Veränderung in der Lohnstruktur nach Alter, häufigere Inanspruchnahme bestimmter Leistungen, Entwicklung von Löhnen, Preisen, Beschäftigung usw.). Mit einem solchen relativ aufwändigen Verfahren war aus verfassungsrechtlichen Gründen die Einführung eines Mehrwertsteuerprozents zu Gunsten der AHV verbunden. Die Entwicklungsphase der AHV ist nun abgeschlossen, und das Hauptziel liegt in Zukunft in einer Konsolidierung der Finanzlage, zu der sowohl Massnahmen auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite in Betracht gezogen werden müssen.

3.1.1.3.6

Zusammenfassung

Das Finanzierungssystem der AHV basiert auf zahlreichen Quellen und wird an sich nicht in Frage gestellt. Es muss jedoch angepasst werden, um das Ausgabenwachstum zu bewältigen. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf beläuft sich im Jahr 2010 auf 3,6 Milliarden Franken oder 1,3 MWST-Punkten. Zu diesem Wert sind 0,3 MWST-Punkte hinzuzufügen, um die finanzielle Mehrbelastung für die öffentliche Hand auszugleichen. Dank den übrigen Massnahmen der 11. AHV-Revision kann der zusätzliche Finanzierungsbedarf um 0,4 Punkte reduziert werden. Er wird somit im Jahr 2010 1,2 Punkte betragen.

Der Ausgleichsfonds muss ebenfalls dauernd aufgestockt werden. Damit man dafür nicht über Gebühr zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen muss, besteht aus finanzpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht ein eminentes Interesse daran, nicht unnötigerweise Kaufkraft abzuschöpfen, um den AHV-Fonds zu äufnen. Auf Grund der Schlussfolgerungen aus dem Gutachten für den optimalen Deckungsgrad des Ausgleichsfonds schlagen wir vor, die Grenze, unter die der Ausgleichsfonds in der Regel nicht fallen darf, bei 70 Prozent festzusetzen. Dieser Deckungsgrad er-

1932

laubt es dem AHV-Fonds, seine Funktion als Kapitalreserve für die Deckung von vorübergehenden Mehrbelastungen zu garantieren.

3.1.1.4

Finanzielle Perspektiven für die IV

3.1.1.4.1

Ausgangslage

Das Finanzierungssystem der IV ist demjenigen der AHV in mancherlei Hinsicht ähnlich. Nur die Anteile der verschiedenen Elemente weichen voneinander ab.

Seit 1995 beträgt der Beitragssatz bei der IV 1,4 Prozent, was der Versicherung Einnahmen von ungefähr 3,3 Milliarden Franken einbringt. Die öffentliche Hand finanziert 50 Prozent der Ausgaben, wovon 12,5 Prozent zu Lasten der Kantone und 37,5 Prozent zu Lasten des Bundes gehen. Im Jahre 1999 dürfte die öffentliche Hand der IV insgesamt über 4,2 Milliarden Franken überweisen. Die IV hat keinen eigenen Ausgleichsfonds; die Einnahmen und die Ausgaben der IV werden in einem separaten Konto des AHV-Ausgleichsfonds aufgeführt. Je nach Kontostand werden der IV Zinse gutgeschrieben oder belastet. Angesichts der defizitären Ergebnisse der letzten Jahre hat sich die IV beim AHV-Fonds verschuldet und ­ trotz eines Kapitaltransfers in Höhe von 2,2 Milliarden aus dem Fonds der Erwerbsersatzordnung (EO) an die IV im Jahre 1998 ­ sieht sich die IV mit einer Zinsbelastung konfrontiert, die sich 1999 auf 60 Millionen Franken belaufen dürfte.

Insgesamt dürften 1999 die Einnahmen der IV 7,6 Milliarden Franken und die Ausgaben 8,5 Milliarden Franken betragen. Daraus ergibt sich ein Defizit von über 900 Millionen Franken und somit bis zum Jahresende eine Erhöhung der Verschuldung der IV auf 1,6 Milliarden.

3.1.1.4.2

Perspektiven bis ins Jahr 2010 nach geltender Ordnung

Die Tabelle 3 im Anhang zeigt die Entwicklung der IV bis zum Jahr 2010, wenn an der gegenwärtigen Finanzierung nichts geändert würde. Diese finanziellen Perspektiven basieren auf den Leistungen gemäss der geltenden Ordnung. Das jährliche Defizit wird von gegenwärtig knapp unter einer Milliarde Franken auf mehr als 2 Milliarden Franken im Jahr 2010 anwachsen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Ausgabenentwicklung der IV nicht allein auf die Entwicklung der Altersstruktur zurückzuführen ist, sondern auch auf die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Anwendung des Prinzips "Wiedereingliederung vor Rente" auf einem angespannten Arbeitsmarkt. Die Ausgaben der IV dürften somit rascher als diejenigen der AHV anwachsen. Werden bei den Einnahmen keine neuen Massnahmen ergriffen, dann werden die Schulden der IV immer weiter anwachsen und im Jahr 2010 mehr als 17 Milliarden Franken erreichen.

1933

3.1.1.4.3

Die Bedeutung des AHV-Ausgleichsfonds für die IV

Für die IV allein besteht kein Ausgleichsfonds. Die Schwankungen, denen die IV ausgesetzt ist, werden durch den AHV-Ausgleichsfonds absorbiert, der gewissermassen die Rolle einer Bank für die IV spielt, indem der Fonds das Konto der IV verwaltet und ihr bei Defiziten Darlehen gewährt. Betrachtet man die AHV und die IV gemeinsam (die Ausgaben der IV machen 30% der Ausgaben der AHV aus), so entsprechen die gegenwärtig für den AHV-Ausgleichsfonds geltenden gesetzlichen Bestimmungen (100% der Ausgaben der AHV) einem heute bereits nicht mehr erreichten Fonds-Stand von 77 Prozent der Ausgaben der AHV/IV.

Das bereits erwähnte Gutachten von Prof. Heinz Schmid (siehe Ziff. 3.1.1.3.3) hat sich nicht nur mit der Situation der AHV, sondern auch mit derjenigen der IV befasst.

Der Experte hat die Finanzierungsmassnahmen untersucht, die der Bundesrat am 8. April 1998 vorgestellt hat, als er die groben Züge der 11. AHV-Revision aufzeigte. Diese Massnahmen sind im Wesentlichen in diese Botschaft aufgenommen worden. Prof. Schmid hat sie als unverzichtbar befunden, zumal sie es ermöglichen werden, die Schulden der IV zu decken, ihre Rechnung zu sanieren und bis zum Jahr 2010 den AHV-Ausgleichsfonds auf einer versicherungstechnisch vertretbaren Höhe der gemeinsamen Ausgaben der AHV und der IV zu stabilisieren.

Wenn die Massnahmen zur Sicherung der Finanzierung der AHV und der IV entsprechend den in dieser Botschaft gemachten Vorschlägen ergriffen werden, kann man unseres Erachtens von der Schaffung eines ausschliesslich der IV dienenden Ausgleichsfonds absehen.

3.1.1.4.4

Zusätzlicher Finanzierungsbedarf

Unter Berücksichtigung der Leistungen und des Finanzierungssystems nach der geltenden IV-Regelung haben wir die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen abgeschätzt. Wie bei der AHV (siehe Ziff. 3.1.1.3.4) konnte auf diese Weise die Finanzierungslücke der IV bestimmt werden.

Finanzierungslücke der IV nach der geltenden Regelung (in Millionen Franken und MWST-Äquivalenten; Werte von 1999) Jahr

1999

2002

2006

2010

Betrag in Mio.

In MWST-Punkten

865 0.4

1057 0.4

1323 0.5

1446 0.5

Um die Finanzierung der IV zu sichern, muss nicht nur die Finanzierungslücke gefüllt werden, sondern es gilt auch dem für die Reserven und für den Schuldendienst notwendigen Finanzierungsbedarf Rechnung zu tragen. Dieser dürfte Ende 2002 auf 4,9 Milliarden Franken zu stehen kommen. Zum zusätzlichen Finanzierungsbedarf der IV muss man daher noch die jährlichen Zahlungen für die Tilgung dieser Schuld hinzuzählen. Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV möglichst rasch zu erreichen, soll zusätzlich eine Verlagerung von 1,5 Milliarden Franken an den EOFonds zur IV vorgenommen werden (vgl. Ziff. 3.2.4).

1934

Wie bei der AHV ist auch der zusätzlichen finanziellen Mehrbelastung für die öffentliche Hand Rechnung zu tragen.

Was die Beteiligung des Bundes an den Einnahmen der MWST angeht (siehe Ziff. 3.1.1.2.3.2), so ist bei der IV auf Grund der Verschuldung ein anderer Ansatz als bei der AHV erforderlich. Hier müssen die neuen Einnahmen einerseits dazu verwendet werden, die voraussehbaren Ausgabenüberschüsse der IV zu decken (Finanzierung), andererseits um die aufgelaufenen Defizite der früheren Jahren abzutragen (Sanierung). Diese Unterscheidung ist für die Bestimmung des Bundesanteils an den neuen Einnahmen wichtig. Es ist gerechtfertigt, dass der Bund an den Einnahmen der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der IV partizipiert ­ entsprechend dem Modell bei der AHV ­, nicht aber, dass er an denjenigen Mehrwertsteuereinnahmen partizipiert, die der Sanierung der IV dienen. Gemäss unseren Schätzungen erfordern Sanierung und Finanzierung im Jahr 2003 jeweils einen gleich grossen Anteil an den Mehrwertsteuermitteln. Konkret bedeutet dies, dass der Bundesanteil an den Mehrwertsteuereinnahmen 18,75 Prozent betragen würde, was der Hälfte des Bundesanteils von 37,5 Prozent an den Ausgaben der IV entspricht.

3.1.1.4.5

Die Deckung des Finanzierungsbedarfs der IV

IV-Renten und Taggelder sind Versicherungsleistungen, die als Ersatzeinkommen dienen; sie sind deshalb in erster Linie mit Beiträgen auf den Einkommen aus bezahlter Erwerbsarbeit zu finanzieren. Andere Leistungen ersetzen kein Einkommen, insbesondere die Eingliederungsmassnahmen der IV und die kollektiven Leistungen (Subventionen an Institutionen, Invalidenhilfe); sie sind deshalb durch die allgemeinen Steuermittel der öffentlichen Hand abzudecken.

Deshalb schlagen wir vor, die Finanzierungsprinzipien des aktuellen Systems beizubehalten (Beitragssatz auf den Löhnen von 1,4% und Beitragsanteil der öffentlichen Hand an den Ausgaben der IV von 50%) und ­ aus denselben Gründen wie bei der AHV ­ zur Deckung der zusätzlichen Finanzierungsbedürfnisse, nebst Massnahmen auf der Ausgabenseite, die MWST in Anspruch zu nehmen.

Auf der Grundlage dieser Prinzipien und unter Berücksichtigug der Kapitalverlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds und der übrigen Massnahmen der 11. AHV-Revision wird für die Sanierung und die Tilgung der Schulden der IV bis zum Jahr 2008 eine Erhöhung der MWST um 1 Punkt im Jahr 2003 erforderlich sein. Anschliessend wird der Mehrwertsteuerzuschlag für die IV auf das für die Finanzierung der laufenden Ausgaben notwendige Ausmass, einschliesslich einer Liquiditätsreserve in der Grössenordnung von fünf Prozent einer Jahresausgabe, beschränkt werden können. Auf Grund der heutigen Berechnungen der mutmasslichen künftigen Veränderungen des Kapitalkontos der IV in den Jahren nach 2010 ist allerdings davon auszugehen, dass der Mehrwertsteuersatz um lediglich ein Promille auf 0,9 Prozentpunkte gesenkt werden kann, dies für die Dauer von zwölf Jahren.

Mit der Kapitalüberweisung aus dem EO-Fonds an die IV dürfte die leichte Senkung des Mehrwertsteuersatzes ab dem Jahr 2010 möglich werden, ohne diese Massnahme wäre eine solche Senkung erst ab 2014 denkbar.

1935

3.1.1.4.6

Zusammenfassung

Der zusätzliche Finanzierungsbedarf der IV wird für das Jahr 2010 auf 1,4 Milliarden Franken oder 0,5 MWST-Punkte beziffert. Zu diesem Betrag ist noch die Kompensation der dem Bund erwachsenden Mehrbelastung hinzuzurechnen. Darüber hinaus muss auch die Rückzahlung des Schuldenbetrags in Höhe von 4,9 Milliarden Franken berücksichtigt werden, den die IV bis Ende 2002 angehäuft haben wird.

Mit der Kapitalverlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds (vgl.

Ziff. 3.2.4) und den übrigen Massnahmen der 11. AHV-Revision dürfte der Gegenwert eines MWST-Punktes ab 2003 der IV ausreichen, um ihren Finanzbedarf zu decken, die Mehrbelastung des Bundes zu kompensieren und ihre Schuld bis ins Jahr 2008 zu begleichen. Die Bildung eines besonderen Ausgleichsfonds für die IV ist nicht notwendig, wenn die Finanzierungsmassnahmen für die AHV rechtzeitig ergriffen werden. Nach der Schuldentilgung und der Finanzierung einer Liquiditätsreserve für die IV in der Grössenordnung von fünf Prozent einer Jahresausgabe wird der Mehrwertsteuerzuschlag für die IV voraussichtlich ab 2010 für die Dauer von zwölf Jahren um ein Promille gesenkt werden können.

3.1.2

Schrittweise Mehrwertsteuererhöhung für die AHV und IV

3.1.2.1

Konzept

Nach der Prüfung verschiedener denkbarer Finanzierungsquellen zur Deckung der Mehrkosten von AHV und IV fiel der Entscheid zu Gunsten der Mehrwertsteuer.

Unter Berücksichtigung der im Rahmen der 11. AHV-Revision vorgesehenen neuen Einnahmen und Ausgaben ist eine Mehrwertsteuererhöhung um 2,5 Punkte zur Sicherstellung der Finanzierung dieser beiden Sozialversicherungen bis 2010 ausreichend.

Der Bundesrat legt aus Gründen der Kohärenz und der Transparenz Wert darauf, eine gemeinsame Regelung für die Finanzierung der AHV und der IV vorzuschlagen.

Sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen in diesem Land werden von dieser Transparenz profitieren, da die Klärung von Unsicherheiten sowohl dem Investitionsklima als auch einer gut funktionierenden Wirtschaft zuträglich ist.

Jede Erhöhung der MWST ist verfassungsrechtlich zu verankern und muss vom Volk und von den Kantonen genehmigt werden. Durch einen koordinierten Ansatz kann vermieden werden, dass für jede neue Erhöhung der MWST eine Abstimmung durchgeführt werden muss. Die Verwendung eines gemeinsamen Finanzierungsrahmens zur Deckung des Finanzierungsbedarfs der AHV und der IV bietet den Vorteil, dass so für die nötige Flexibilität gesorgt ist, um zum gegebenen Zeitpunkt neue Finanzierungsquellen auf den tatsächlichen Bedarf der Versicherungen abzustimmen.

Es ist vorgesehen, dass die MWST in zwei Etappen erhöht wird. Die Prognosen zur Lage des AHV-Fonds zeigen, dass eine erste kurzfristige Erhöhung mit dem Inkrafttreten der 11. AHV-Revision erforderlich ist. Tritt die Revision 2003 in Kraft, würde die Erhöhung für die AHV 0,5 Punkte betragen. Für die IV drängt sich zur Sanierung und zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 11. AHV-Revision eine Erhöhung um 1,0 Punkte auf.

1936

Die Prognosen zur Situation von AHV und IV im Jahre 2003 sind relativ verlässlich, weshalb die konkrete Umsetzung der Zusatzfinanzierung auf diesen Zeitpunkt hin ermöglicht werden soll. Aus diesem Grund schlagen wir vor, in der Verfassung direkt dem Bundesrat die Kompetenz zur Erhöhung der Mehrwertsteuer einzuräumen ­ wie es vergleichsweise auch für die Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte (NEAT u.a.) geschehen ist. Er soll die Mehrwertsteuersätze zu Gunsten von AHV und IV um maximal 1,5 Prozentpunkte anheben können. Der Bundesrat wird anlässlich der Erhöhung der MWST ab 2003 ebenfalls die genaue Aufteilung der Mittel gemäss dem tatsächlichen Bedarf von AHV und IV zu diesem Zeitpunkt vornehmen. Eine leichte Abweichung von unseren Schätzungen ist nicht auszuschliessen. Dies rechtfertigt denn auch die Flexibilität der neuen Verfassungsnorm mit der Kompetenzzuweisung an den Bundesrat.

Gemäss unseren Schätzungen ist eine zweite Erhöhung der MWST zu Gunsten der AHV vor 2010 erforderlich, selbst wenn die Auswirkungen der 11. Revision auf die Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden. Die Erhöhung um 1,0 MWSTPunkte sollte gegen 2006 erfolgen und die Deckung der wachsenden Ausgaben der AHV während mehrerer Jahre gewährleisten. Gemäss unseren Berechnungsgrundlagen sollte die Erhöhung der MWST im Jahre 2003 zu Gunsten der IV hingegen ausreichen, um mittelfristig ein finanzielles Gleichgewicht sicherzustellen. Nach Ablauf der Entschuldungsphase sollte es sogar möglich sein, den Mehrwertsteuerzuschlag für die IV voraussichtlich ab 2010 für die Dauer von zwölf Jahren um ein Promille zu senken.

Wir schlagen vor, bereits zum heutigen Zeitpunkt eine Verfassungsänderung zur Verankerung des zweiten Schrittes der MWST-Erhöhung vorzunehmen, wobei allerdings dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die Prognosen zu den finanziellen Perspektiven der AHV und zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung mittelfristig einen grösseren Unsicherheitsfaktor darstellen. Deshalb wird diese zweite MWST-Erhöhung zu Gunsten der AHV/IV in der neuen Verfassungsnorm auf höchstens 1,0 Punkte festgelegt und dem Gesetzgeber die Kompetenz eingeräumt, davon zum geeigneten Zeitpunkt Gebrauch zu machen. Darüber hinaus wird die Erhöhung von der Bedingung abhängig gemacht, dass der AHV-Ausgleichsfonds dauerhaft unter die Schwelle
von 70 Prozent der Jahresausgaben zu sinken droht. Die zweite Erhöhung wird somit Gegenstand eines von der 11. AHV-Revision unabhängigen parlamentarischen Beschlusses sein. Die tatsächliche Erhöhung wird innerhalb des in der Verfassung verankerten maximalen Finanzierungsrahmens dem reellen Bedarf der AHV Rechnung tragen. Falls diese Zusatzfinanzierung später aber abgelehnt werden sollte, soll stattdessen der Gesetzgeber bestimmte Korrekturen auf der Leistungsseite, beim Modus der Rentenanpassungen, vornehmen.

Zu Gunsten der IV ist zwar bis 2010 keine weitere Erhöhung vorgesehen, die neue Verfassungsnorm schliesst diese Möglichkeit jedoch nicht aus. Um den in der Verfassung verankerten Höchstbetrag nicht zu überschreiten, würde dies aber eine entsprechende Verringerung der für die AHV vorgesehenen MWST-Erhöhung bedingen. Auch in diesem Fall würde die Entscheidung dem Parlament vorgelegt.

1937

3.1.2.2

Anpassung der rechtlichen Grundlagen für die Finanzierung

Die mittel- und langfristige Sicherung der Finanzierung der AHV und IV soll durch eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Regelung auf Verfassungsebene und es sind verschiedene Anpassungen auf Gesetzesstufe erforderlich.

3.1.2.2.1

Änderung der Bundesverfassung

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten zusätzlicher Einnahmen für die Sozialversicherungen setzt eine verfassungsrechtlich verankerte Kompetenz des Bundes zu einer entsprechenden Anhebung der Steuersätze voraus.

Diese Kompetenz soll durch eine Ergänzung von Artikel 130 Absatz 3 Bundesverfassung (nBV)46 ("Demografieprozent" für die AHV/IV, welches ab 1999 erhoben wird) mit den neuen Absätzen 4­6 geschaffen werden. Der Bund kann danach zur Finanzierung der AHV und IV die Sätze der Mehrwertsteuer insgesamt um höchstens 2,5 Prozentpunkte anheben.

Eine erste Erhöhung zu Gunsten der AHV/IV, die auf den 1. Januar 2003 umgesetzt werden soll, ist in Absatz 4 konzipiert. Die neue Verfassungsnorm gibt dem Bundesrat die Kompetenz, alle Mehrwertsteuersätze zu Gunsten der AHV und IV um maximal 1,5 Prozentpunkte anzuheben. Ferner gibt sie dem Bundesrat bei diesem ersten Erhöhungsschritt die Befugnis, die Anteile der einzelnen Sozialversicherungszweige am Ertrag aus der Anhebung der Steuersätze zu bestimmen. Dies ermöglicht eine zeit- und sachgerechte Aufteilung des MWST-Ertrags auf diese beiden Versicherungen. Ein analoges Vorgehen wurde bereits im vorerwähnten Bundesbeschluss vom 20. März 1998 über die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV gewählt. Da die vorgeschlagene Verfassungsregelung als Ziel die Gewährleistung der Finanzierung der betreffenden Sozialversicherungszweige im Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben statuiert und bei der AHV/IV eine ganzheitliche Betrachtung insbesondere zufolge der gesetzlich vorgeschriebenen Führung der IV-Rechnung über den Ausgleichsfonds der AHV geboten ist, ist der Kompetenzrahmen für den Bundesrat im Hinblick auf die Ertragszuteilung genügend bestimmt.

Sie sieht aber auch vor, dass der Bundesrat nach erfolgter Schuldentilgung bei der IV eine entsprechende Reduktion der Mehrwertsteuersätze vorzunehmen hat.

Für die spätere Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV/IV um maximal einen weiteren Prozentpunkt ist hingegen eine Kompetenz an den Gesetzgeber statuiert (Abs. 5). Das massgebliche Erhöhungskriterium gibt die Verfassung vor: Der Gesetzgeber soll dann aktiv werden, wenn der Ausgleichsfonds der AHV unter 70 Prozent einer Jahresausgabe der AHV zu fallen droht und das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben der AHV/IV langfristig nicht gesichert erscheint. Wie bei der Anpassung des AHVG zum Deckungsgrad des Ausgleichsfonds 46

In der Fassung der von Volk und Ständen am 18. April 1999 angenommenen totalrevidierten Bundesverfassung, vgl. Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996, BBl 1997 I 1, Bundesbeschluss über eine neue Bundesverfassung vom 18. Dezember 1998, BBl 1999 162; AS 1999 2556

1938

vorgeschlagen wird, soll der Fonds "in der Regel" nicht unter 70 Prozent einer Jahresausgabe sinken. Diese Ausgestaltung als Zielgrösse mit erlaubten Schwankungen ­ wie bisher bei der 100-Prozent-Vorgabe ­ gestattet eine mehrjährige Betrachtungsweise. Kurzfristige Schwankungen, die nicht auf ein kontinuierliches Absinken des Fonds schliessen lassen, müssen dabei nicht zwingend zu unmittelbaren Finanzierungsmassnahmen führen.

Bei einer allfälligen späteren Ablehnung des zweiten Mehrwertsteuer-Erhöhungsschrittes können aber Korrekturen auf der Leistungsseite nötig werden, um das finanzielle Gleichgewicht der AHV zu sichern. Wir schlagen vor, in Artikel 130 Absatz 5 nBV eine Verfassungsgrundlage zu schaffen, wonach der Gesetzgeber für den Fall einer Ablehnung der zweiten Mehrwertsteuer-Erhöhung bestimmte Korrekturen auf der Leistungsseite vornehmen soll: Im Hinblick auf die Sicherung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben hat er den Modus der Rentenanpassung neu zu regeln und damit die nötigen Einsparungen zu realisieren. Dabei soll das Gesetz gegebenenfalls auch von der geltenden Verfassungsvorschrift, wonach die Renten mindestens der Preisentwicklung anzupassen sind, abweichen können. Diese neue Verfassungsgrundlage für allfällige Leistungsabbaumassnahmen soll im gleichen Bundesbeschluss wie die Mehrwertsteuererhöhungen aufgenommen werden, als Bestandteil der Regelung über den zweiten Erhöhungsschritt. Damit würde Volk und Ständen ein Gesamtpaket über die Verfassungsänderungen vorgelegt mit den verschiedenen Schritten der Mehrwertsteuererhöhung und den allfälligen leistungsseitigen Konsequenzen im Falle des Scheiterns der zweiten Mehrwertsteuererhöhung. Die Abstimmung hätte dann über das Gesamtpaket zu erfolgen. Gegen eine allfällige spätere konkrete Änderung bei der Rentenanpassung auf Grund dieses Vorschlags bleibt die Referendumsmöglichkeit gewahrt.

Der Vorschlag ist im Zusammenhang mit unserem Antrag zu sehen, wonach der gesetzlich vorgeschriebene Stand des Ausgleichsfonds von bisher 100 Prozent neu auf 70 Prozent einer Jahresausgabe zu senken sei; es geht nicht darum, den heute nicht mehr erreichten Stand einer ganzen Jahresausgabe durch eine Wiederaufstockung mittels Leistungseinsparungen zu finanzieren. Ausserdem ist mit diesem Konzept berücksichtigt, dass beispielsweise die
eventuelle Einführung einer Energiesteuer, mit Verwendung der Mittel für die AHV, einen Aufschub der vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhung ermöglichen könnte: Solange der Stand des Ausgleichsfonds eine genügende Höhe aufweist, besteht, trotz nicht ausgeschöpfter Kompetenz zur Erhöhung der Mehrwertsteuer, kein Anlass für gesetzgeberische Korrekturen auf der Leistungsseite. Andererseits soll diese Kompetenz zu Leistungsabbaumassnahmen dann nicht wirksam werden, wenn der Stand des Fonds trotz ausgeschöpfter Mehrwertsteuer-Finanzierung unter den Minimalstand sinkt. In diesem Fall, was längerfristig angesichts der demografischen Entwicklung absehbar ist, sind die Finanzierungsinstrumente der AHV grundsätzlich zu überprüfen und anzupassen. Das wird insbesondere eine zentrale Aufgabe der 12. AHV-Revision sein.

Mit diesem Vorschlag möchten wir die rechtliche Grundlage für eine allfällige notwendige, sach- und zeitgerechte Massnahme auf der Leistungsseite im Lichte der finanziellen Konsolidierung der AHV schaffen. Für die Rentnerinnen und Rentner könnte sich aber die vorgeschlagene Kompetenz zu Einschränkungen bei der Rentenanpassung ­ abhängig von der konkreten Ausgestaltung ­ rasch erheblich auswirken. Dieses Instrument stellt keinesfalls eine längerfristig taugliche Lösung zur finanziellen Sicherung der AHV dar, denn damit würde die Entwicklung der AHVRente ihrer verfassungsmässigen Zielvorgabe, den Existenzbedarf der Rentnerinnen 1939

und Rentner angemessen decken zu können, massiv zuwiderlaufen. Umso mehr müssten zwangsläufig die Ergänzungsleistungen und die Sozialhilfe einspringen und dabei, obwohl nur für die individuelle Lückenfüllung konzipiert, vermehrt für eigentliche Versicherungsaufgaben aufkommen.

Bei den neuen Verfassungsbestimmungen über die künftigen Erhöhungen der Mehrwertsteuer wird explizit auf Verfassungsstufe (Abs. 6) festgehalten, dass der gesamte Ertrag aus der Anhebung der Mehrwertsteuersätze den Sozialversicherungen zukommt, wobei aber ein Teil des Ertrags dem Bund zugeschrieben wird, der ihm zur Mitfinanzierung seines Ausgabenanteils bei den einzelnen Sozialversicherungen dient. Materiell stellt dies eine analoge Regelung zu derjenigen beim "Demografieprozent" (vgl. Ziff. 1.2.4) dar; sie wird hier nun in der Verfassung selbst verankert, während der Ertragsanteil des Bundes beim Demografieprozent nicht auf Verfassungsstufe, sondern im ausführenden Bundesbeschluss vom 20. März 1998 geregelt worden ist. Bei der auf den 1. Januar 2003 vorgesehenen MWST-Erhöhung soll in der Verfassung dem Bundesrat die Kompetenz gegeben werden, den Anteil des Bundes am Ertrag festzulegen, wobei er ­ wie der Gesetzgeber bei der späteren Realisierung des zweiten Erhöhungsschrittes ­ an den von der Verfassung definierten oberen Rahmen gebunden ist. Der Ertragsanteil darf höchstens dem prozentualen Anteil des Bundes an den Ausgaben des betreffenden Versicherungszweiges entsprechen. Diese flexible Lösung ermöglicht die differenzierte Berücksichtigung von besonderen Ausgangslagen, wie namentlich die Verwendung eines Teils des Mehrwertsteuerertrags für die Schuldentilgung der IV, auf dem der Bund keinen Anteil erhalten soll.

Zusätzlich zur Änderung von Artikel 130 nBV ist eine Anpassung von Artikel 112 nBV erforderlich: Unter dem neuen Buchstaben c von Artikel 112 Absatz 3 werden die Ertragsanteile der AHV/IV aus der Anhebung der Mehrwertsteuersätze als Finanzierungsquelle für diese Versicherungen genannt. Ferner sind die Einnahmequellen des Bundes für seinen Beitrag an die AHV/IV durch Nennung der Ertragsanteile an der Mehrwertsteuer zu ergänzen: Diese kommen zu den Reineinnahmen aus der Tabaksteuer und Tabakzöllen, zur fiskalischen Belastung gebrannter Wasser und zu den künftigen Spielbankenabgaben hinzu (Ergänzung von Art. 112
Abs. 5 nBV). Wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Energieabgabe zu Gunsten der AHV eingeführt, so soll sie ebenfalls an dieser Stelle als zusätzliche Finanzierungsquelle genannt werden.

3.1.2.2.2

Änderung von Bundesgesetzen

Die Finanzierungsquellen und die Anteile der öffentlichen Hand bei den einzelnen Versicherungszweigen werden weiterhin in den Spezialgesetzen festgelegt. Entsprechend sind die Bestimmungen im AHVG (Art. 102, 104, 111) und im IVG (Art. 77) durch die Nennung der Mehrwertsteuererträge bei den Einnahmequellen der Versicherung und bei denjenigen für die Finanzierung des Bundesanteils zu ergänzen.

Wird später eine Energieabgabe zu Gunsten der AHV eingeführt, so wären die Artikel 104 und 111 entsprechend zu ergänzen.

1940

3.1.2.3

Zusammenfassung

Die demografische Entwicklung wirkt sich immer stärker auf die finanzielle Situation der AHV aus. Diesem Umstand muss man Rechnung tragen und das Finanzierungssystem der AHV und auch der IV den neuen wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Bedingungen des Landes anpassen.

Obschon die Inanspruchnahme mehrerer Finanzierungsquellen zur Sicherung der finanziellen Stabilität der AHV und der IV weiterhin zweckmässig bleibt, stellt die MWST derzeit die geeignetste Finanzierungsquelle für die Deckung der zusätzlichen Finanzierungsbedürfnisse dieser beiden Versicherungszweige dar. Die Einführung einer Energiesteuer ist aber deswegen nicht ausgeschlossen. Die Inanspruchnahme dieser Finanzierungsform wird von den laufenden Arbeiten zur ökologischen Steuerreform abhängen.

Ein koordinierter Ansatz für die erforderlichen Erhöhungen der MWST für die AHV und die IV ist aus Gründen der Transparenz auf der Ebene der politischen Diskussion gerechtfertigt. Er erlaubt auch eine grössere Flexibilität bei der Umsetzung und vereinfacht das institutionelle Verfahren (jede Erhöhung der MWST ist verfassungsrechtlich zu verankern).

Selbst wenn die Auswirkungen der 11. AHV-Revision auf die Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden, ist zur Sicherung der Finanzierung der AHV bis ins Jahr 2010 eine Erhöhung der MWST um einen halben Punkt im Jahr 2003 und um einen Punkt im Jahr 2006 oder 2007 erforderlich, andernfalls leistungsseitige Abbaumassnahmen erforderlich würden, um das finanzielle Gleichgewicht der AHV zu sichern. Für die IV sollte die Erhöhung der MWST um einen Punkt im Jahre 2003 hingegen ausreichen, um den zusätzlichen Finanzbedarf zu decken und bis zum Jahr 2008 ihre Schulden zurückzuzahlen. Ab 2010 wird der Mehrwertsteuerzuschlag für die IV voraussichtlich für die Dauer von zwölf Jahren um ein Promille gesenkt werden können.

Beim Finanzierungssystem der AHV und der IV werden zudem weitere, eher technische Anpassungen vorgeschlagen: ­

die Schwelle, unter die der Ausgleichsfonds nicht sinken darf, liegt in der Regel bei 70 Prozent der jährlichen Ausgaben der AHV;

­

der Anteil für den Bund an den Einnahmen der MWST für AHV und IV entspricht im Maximum dem Anteil seiner Finanzierung an der AHV und IV;

­

der Bund wird nicht an den Einnahmen der MWST beteiligt, die für die Rückzahlung der IV-Schuld bestimmt sind;

­

der reduzierte MWST-Satz für Güter des täglichen Bedarfs und der Sondersatz für Beherbergungsleistungen werden linear erhöht.

Was die Anpassung der rechtlichen Grundlagen betrifft, so werden die für die AHV und die IV erforderlichen Erhöhungen der MWST auf Verfassungsstufe verankert.

Die folgende Tabelle zeigt eine Zusammenfassung der Situation.

1941

Sozialversicherungen

maximale MWSTErhöhung

Verfassungs- Kompetenz grundlage

AHV/IV

1.5

AHV/IV

1

Art. 130 Abs. 4 Art. 130 Abs. 5

Bundesrat Gesetzgeber

Rechtliche Bedingungen

Geplant für Jahr

Vorgesehene MWSTErhöhung

2003

AHV = 0.5 IV = 1 AHV = 1 IV = 0

AHV-Ausgleichs- 2006/ fonds <70% der 2007 Jahresausgaben der AHV

Nach Ansicht des Bundesrates wird der Zufluss an zusätzlichen finanziellen Mitteln aus der MWST und den übrigen Anpassungen des Finanzierungsmodus der AHV und IV dazu beitragen, das finanzielle Gleichgewicht der AHV und der IV dauerhaft zu sichern. Dabei haben die neuen Finanzierungsmassnahmen weder einen direkten Anstieg der Sozialkosten der Unternehmen zur Folge, noch vergrössern sie die Budgetlast des Bundes; zudem beschränken sie die individuelle Kaufkraftabschöpfung auf ein Mindestmass, da sie diese auf sämtliche Haushalte verteilen.

Dieser Revisionsentwurf für die Finanzierung ist daher wirtschaftlich, finanziell und sozial tragbar. Eine Finanzierung der AHV mit Einnahmen aus einer Energiesteuer ist nicht ausgeschlossen und würde auch ökologischen Anliegen entgegenkommen.

Diese Frage wird jedoch im Rahmen der neuen Finanzordnung des Bundes separat behandelt.

Die simultane Regelung der Finanzierung der AHV und der IV gewährleistet auf mittlere Sicht zudem einen transparenten Ansatz der Finanzierung der ersten Säule unter Wahrung unserer demokratischen Grundsätze.

3.1.3

Gleiches Rentenalter für Mann und Frau sowie Flexibilisierung

3.1.3.1

Übersicht

Auf Grund der demografischen Entwicklung schlägt der Bundesrat vor, das Rentenalter der Frauen sowohl in der AHV als auch in der beruflichen Vorsorge auf 65 Jahre anzuheben. Gleichzeitig soll aber das flexible Rentenalter in der AHV ausgebaut und nach sozialen Kriterien ausgestaltet werden. Personen, die während ihrer Aktivzeit geringe Einkommen erzielt haben und deshalb eine eher tiefe Altersrente erhalten, sollen die Rente mit einer geringeren Rentenkürzung vorbeziehen können als Personen mit hohen Renten. In der beruflichen Vorsorge soll die bisherige Möglichkeit eines flexiblen Rentenalters für die Vorsorgeeinrichtung für obligatorisch erklärt werden. Ausserdem soll die Möglichkeit des Vorbezuges und des Aufschubes der halben Rente eingeführt werden.

1942

3.1.3.2

Gleiches Rentenalter für Mann und Frau

3.1.3.2.1

AHV

3.1.3.2.1.1

Ausgangslage

Das Rentenalter ist eine Schlüsselgrösse in der Altersvorsorge. Es entscheidet, wann eine Person eine Rente ohne Kürzung (Rentenvorbezug) aber auch ohne Zuschlag (Rentenaufschub) beziehen kann. Das Rentenalter ist auch Endpunkt für die allgemeine Beitragspflicht in der AHV.

Die Bedeutung des Rentenalters beschränkt sich aber nicht nur auf die Altersvorsorge. Ins Gewicht fallen insbesondere die Beziehungen zur Arbeitswelt. Das Rentenalter führt in der Regel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei arbeitslosen Personen bildet das Rentenalter Schlusspunkt der Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Es ist auch ausschlaggebend für Vorpensionierungsregelungen in der überobligatorischen beruflichen Vorsorge (Überbrückungsrente) sowie teilweise auch für Regelungen im Bereich von Sozialplänen. Die Auswirkungen von Änderungen beim Rentenalter beschränken sich daher nicht auf die AHV. Die Drittwirkungen einer Erhöhung, einer Herabsetzung oder einer Flexibilisierung des Rentenalters müssen beim Entscheid ebenfalls berücksichtigt werden.

Der Bundesrat hat sich bereits im Rahmen der 10. AHV-Revision mit der Frage des Rentenalters befasst. Auf Grund einer Analyse, welche die immer noch vorhandenen Diskriminierungen der Frauen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt belegte, sah er davon ab, in seiner Botschaft zur 10. AHV-Revision eine Erhöhung des Rentenalters vorzuschlagen. Er kündigte aber an, dass die Gleichstellung der Geschlechter beim Rentenalter Vorgabe für die nächste grössere AHV-Revision darstellen solle. Dabei falle eine Herabsetzung des Rentenalters der Männer auf jenes der Frauen aus finanziellen Gründen ausser Betracht (Botschaft vom 5. März 1990, Ziff. 22, BBl 1990 II 25f.).

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur 10. AHV-Revision beschlossen die Räte in Abweichung von der bundesrätlichen Botschaft, das Rentenalter der Frauen in zwei Schritten auf 64 Jahre anzuheben. Gleichzeitig verpflichteten sie den Bundesrat durch Annahme einer Motion der Ständeratskommission für die 10. AHV-Revision ("11. AHV-Revision. Gleiches Rentenalter", vom 24. Mai 1994, 94.3175), in seiner Botschaft zur 11. AHV-Revision eine Vorlage mit einem gleichen Rentenalter für Mann und Frau zu unterbreiten. Die Vereinheitlichung der Rentenalter wurde vom Bundesrat in der Folge in seine Legislaturplanung 1995­ 1999 aufgenommen.

3.1.3.2.1.2

Entwicklung des Rentenalters in der AHV

Für Männer liegt das Rentenalter seit der Einführung der AHV im Jahre 1948 unverändert bei 65 Jahren. Für Frauen wurde es dagegen mehrmals angepasst. 1948 galt grundsätzlich auch für Frauen das Rentenalter 65. Eine Ehepaarrente wurde aber bereits ausgerichtet, wenn der Mann 65, die Frau aber erst 60 Jahre alt war.

1957 wurde das Rentenalter der Frauen auf 63 Jahre und 1964 auf 62 Jahre gesenkt.

Im Rahmen der Konsolidierungsmassnahmen der 9. AHV-Revision wurde das Grenzalter der Frauen für die Ehepaarrente 1979 auf 62 Jahre angehoben. Mit der

1943

10. AHV-Revision wird das Rentenalter der Frau in einem ersten Schritt auf 63 Jahre (im Jahr 2001) und in einem zweiten Schritt auf 64 Jahre (im Jahr 2005) erhöht.

3.1.3.2.1.3

Fragen in Zusammenhang mit der Festsetzung des Rentenalters

Die Diskussion um die Festsetzung des Rentenalters wird geprägt durch die demografische Entwicklung einerseits und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt andererseits.

Die demografische Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine weiterhin zunehmende Lebenserwartung (vgl. Ziff. 2.2) und eine Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung. Für sich alleine betrachtet, spricht der Alterungseffekt für eine Anhebung des Rentenalters. Auf der anderen Seite haben ältere Menschen oft Schwierigkeiten, sich bis zum Erreichen des Rentenalters auf dem Arbeitsmarkt zu halten, sei es, dass sie sich neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlen oder ihnen nicht mehr gewachsen sind, sei es, dass sie Opfer von Restrukturierungsmassnahmen werden. In der Schweiz sind zwar vorwiegend jüngere arbeitnehmende Personen von Arbeitslosigkeit betroffen. Wenn aber Arbeitnehmende über 50 Jahre die Stelle verlieren, ist ihr Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, überdurchschnittlich hoch.

Das Aussteuerungsrisiko ist ebenfalls höher als bei den jüngeren Personen. Die Betroffenen laufen Gefahr, nach der Aussteuerung in der Arbeitslosenversicherung bis zum Erreichen des Rentenalters sozialhilfeabhängig zu werden, falls nicht eine finanziell genügend abgesicherte Frühpensionierung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge und eigenen Ersparnissen möglich ist. Die Flexibilisierung des Rentenalters soll hier zum einen älteren Personen, welche mit diesen Problemen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind, den Übergang in den Ruhestand erleichtern. Zum anderen sollte ein etwas früherer Altersrücktritt auch in einem gewissen Ausmass Stellen freimachen für jüngere Arbeitnehmende, welche heute keine Stellen finden.

Auf Grund der Statistik der AHV-Einkommen leisteten 1996 noch 79,1 Prozent der in der Schweiz lebenden Männer im Alter zwischen 60 und 64 Jahren Beiträge als selbstständig oder unselbstständig Erwerbstätige. 1990 waren es 86,6 Prozent. Die Quote der Invalidenrentenbezüger in dieser Altersgruppe nahm im selben Zeitraum von 14,4 auf 16,3 Prozent zu (Rentenregister bzw. Fortschreibung des Bundesamts für Statistik). 1990­1996 hat sich somit das Auseinanderfallen von institutionellem Rentenalter und Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben verstärkt. Die zukünftige Entwicklung wird im Wesentlichen vom konjunkturellen Verlauf
abhängen. Eine solche Tendenz lässt sich in allen OECD-Ländern beobachten. Im internationalen Vergleich sind die Erwerbsquoten von älteren Arbeitnehmenden in der Schweiz nach wie vor sehr hoch47.

Der Bundesrat kann sich diesen gegensätzlichen Überlegungen nicht verschliessen.

Auf Grund der demografiebedingten Finanzierungsprobleme der AHV ist der Bundesrat für eine Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre. Unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse älterer Personen und ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt schlägt er gleichzeitig einen Ausbau des flexiblen Rentenalters 47

Die Flexibilisierung des Rentenalters eröffnet Personen, welche ohnehin vorzeitig in den Ruhestand treten wollen oder müssen, einen grösseren Handlungsspielraum bei der Planung des Altersrücktritts.

1944

vor. Um der nach wie vor unbefriedigenden Situation der Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung zu tragen, soll das flexible Rentenalter so ausgestaltet werden, dass Frauen davon auch tatsächlich Gebrauch machen können.

3.1.3.2.1.4

Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre

Die vorgeschlagene Regelung baut auf den Übergangsbestimmungen der 10. AHVRevision auf. Danach soll das Rentenalter der Frauen 2001 auf 63 und 2005 auf 64 Jahre angehoben werden. Mit der 11. AHV-Revision soll der dritte Erhöhungsschritt auf 65 Jahre im Jahr 2009 vorgenommen werden.

Erhöhung des Rentenalters der Frauen Tabelle Jahr

Rentenalter

betroffene Jahrgänge

bis 2000 2001­2004 2005­2008 ab 2009

62 63 64 65

1938 und älter 1939­1941 1942­1944 1945 und jünger

3.1.3.2.2

Gleiches Rentenalter im BVG

3.1.3.2.2.1

Einleitung

Auch das Obligatorium der beruflichen Vorsorge hat das gleiche Rentenalter von Mann und Frau noch nicht verwirklicht. Seit Inkrafttreten des BVG im Jahre 1985 beträgt das Rentenalter des Mannes 65 Jahre und der Frau 62 Jahre. Die Höhe des Rentenalters der Frau im BVG verharrt demnach auf dem Stand vor dem Inkrafttreten der 10. AHV-Revision. Für das BVG ergibt sich schon aus diesem Grund ein Anpassungsbedarf48.

Im Rahmen dieser Vorlage wird das künftige gesetzliche Rentenalter im Obligatorium der beruflichen Vorsorge einheitlich auf 65 Jahre für Mann und Frau festgesetzt. Mit dieser Festlegung wird zugleich das Rentenalter in der Säule 3a bestimmt49.

48 49

Diesen Anpassungsbedarf thematisiert bereits auch der 3-Säulen-Bericht, S. 46 f.; er wird weiter ausgeführt im IDA FiSo 2-Bericht, S. 24.

Auf Verordnungsebene bezieht sich Artikel 3 BVV 3 in der Frage des massgebenden Rentenalters in der Säule 3a auf die Regelung von Artikel 13 BVG.

1945

3.1.3.2.2.2

Vereinheitlichung des Rentenalters

3.1.3.2.2.2.1

Anpassungsarbeiten

Der Anpassungsbedarf der Vorsorgeeinrichtungen für ein gleiches Rentenalter wie für das Einrichten einer flexiblen Pensionierung im BVG ist noch relativ hoch. Dies ist aus der Pensionskassenstatistik 1996 ersichtlich. Der Anteil der Versicherten, welche ein gleiches Rentenalter für Frauen und Männer kennen, ist von 9 Prozent im Jahr 1992 auf 29 Prozent im Jahr 1996 angewachsen und dürfte auch inzwischen weiter zugenommen haben. Rund 70 Prozent der Versicherten waren 1996 in Vororgeeinrichtungen, welche das Rentenalter 65 für Männer und 62 für Frauen eingerichtet hatten.50 Die Anpassungen, welche das Rentenalter 65 für Frau und Mann in der beruflichen Vorsorge nötig machen, gehen jedoch über die reine Frage des Rentenalters hinaus.

Der Bundesrat will die noch bestehenden Unterschiede in der Versicherung zwischen Mann und Frau aufheben.

Die Grundzüge werden in dieser Botschaft dargestellt. Die Realisierung erfolgt jedoch teilweise auch in der 1. BVG-Revision.

Massnahme:

Realisierung

Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 62 auf 65 Anpassung des Umwandlungssatzes der Frauen51 an die Erhöhung des Rentenalters; Vereinheitlichung der Altersgutschriften von Frauen und Männern

11. AHV-Revision 1. BVG-Revision 1. BVG-Revision

Ab Inkrafttreten der 11. AHV-Revision verläuft die Anhebung des Rentenalters der Frauen parallel zur Anhebung in der AHV. Unter der Annahme, dass die Revision auf den 1. Januar 2003 in Kraft tritt, erhöht sich das gesetzliche Rentenalter der Frauen im BVG wie folgt: 1. Januar 2003:

63 Jahre (Inkrafttreten der Revision);

1. Januar 2005:

64 Jahre (10. AHV-Revision: Rentenalter 64);

1. Januar 2009:

65 Jahre (11. AHV-Revision: Rentenalter 65).

3.1.3.2.2.2.2

Gleiches Rentenalter in der Säule 3a

Das Rentenalter der Frauen von 65 Jahren gilt auch in der Säule 3a. Dazu muss Artikel 3 der Verordnung vom 13. November 1985 über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3; SR 831.461.3) angepasst werden.

50 51

vgl. BFS, Pensionskassenstatistik 1996, Auswertung BSV.

Der Umwandlungssatz der Frau im Alter 62 entspricht in der Höhe dem Umwandlungssatz des Mannes im Alter 65, nämlich 7,2 Prozent.

1946

3.1.3.3

Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV

3.1.3.3.1

Ausgangslage

Das geltende Recht kennt bereits eine gewisse Flexibilität des Rentenalters. Die Altersrente kann um zwei Jahre vorbezogen werden52. Der Rentenbezug kann aber auch zwischen einem und fünf Jahren aufgeschoben werden. Die vorbezogene Rente wird versicherungstechnisch gekürzt, die aufgeschobene Rente entsprechend erhöht.

Derzeit beträgt die versicherungstechnische Kürzung 6,8 Prozent pro Vorbezugsjahr (Art. 56 Abs. 2 AHVV). Diese versicherungstechnische Kürzung trägt einerseits der längeren Rentenbezugsdauer und andererseits dem Beitragsausfall Rechnung53.

Der Kürzungssatz hängt damit wesentlich von der Lebenserwartung ab. Die Verlängerung der Lebenserwartung führt nun dazu, dass der versicherungstechnische Kürzungssatz gesenkt werden kann. Vereinfacht ausgedrückt stellt die Kürzung der Rente beim Vorbezug eine ratenweise Rückzahlung eines "Vorschusses auf die Altersrente" dar. Mit der Verlängerung der Lebenserwartung haben die Versicherten länger Zeit, diesen "Vorschuss" zurückzubezahlen, was eine Reduktion der einzelnen Rate, oder ­ wiederum technisch ausgedrückt ­ des versicherungstechnischen Kürzungssatzes ermöglicht. Die Reduktion des Kürzungssatzes wird vom Bundesrat im Rahmen der Verordnungsanpassungen vorzunehmen sein 54.

Zahlreiche Versicherte haben ein legitimes Interesse an einer Flexibilisierung des Rentenalters. Ein Rentenvorbezug mit einer streng versicherungstechnischen Rentenkürzung wird diesem Bedürfnis nicht gerecht.

Erste Erfahrungen mit der Vorbezugsregelung der 10. AHV-Revision zeigen, dass nur relativ wenig Männer vom Vorbezug Gebrauch machen: 1998 waren es acht Prozent des Jahrgangs. Die Vermutung liegt daher nahe, dass sie auf den Rentenvorbezug in der AHV verzichten, weil sie häufig über eine gut ausgebaute zweite Säule verfügen, welche ihnen einen attraktiven Vorbezug ermöglicht (Überbrückungsrente). Für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ist der Rentenvorbezug in der AHV auf Grund der hohen Kürzung nicht tragbar. Der Anteil der EL-Bezüger an den 64-jährigen Männern, welche die Rente vorbezogen haben, beträgt drei Prozent.

Der Rentenvorbezug darf aber nicht ein Privileg für Personen mit mittleren und höheren Einkommen sein. Zwar besteht heute die Möglichkeit, die vorbezugsbedingte Rentenkürzung durch EL ganz oder teilweise auszugleichen. Von dieser Möglich52

53

54

Auf Grund von Buchstabe d Absatz 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AHVG im Rahmen der 10. AHV-Revision ist die Vorbezugsmöglichkeit bis zum Jahr 2001 auf ein Jahr beschränkt. Ab 2001 sind zwei Vorbezugsjahre möglich. Nach der Erhöhung des Rentenalters der Frauen im Jahre 2001 können Frauen die Altersrente ab 62 Jahren vorbeziehen.

Die Beitragspflicht endet heute zwar auch beim Rentenvorbezug erst mit der Vollendung des 65. Altersjahres. Personen, welche die Rente vorbeziehen, bezahlen in der Regel aber Beiträge als nichterwerbstätige Versicherte. Diese Beiträge sind niedriger als die Beiträge, welche sie als Erwerbstätige bezahlen müssten.

Mit der 10. AHV-Revision wurde ein einheitlicher Kürzungssatz eingeführt. Es wurden keine Differenzierungen nach Geschlecht oder der Vorbezugsdauer (das letzte Vorbezugsjahr müsste stärker gekürzt werden als das erste) vorgenommen. Dies hat zur Folge, dass die gegenüber den Männern längere Lebenserwartung der Frauen eine Reduktion des Kürzungssatzes der Männer ermöglicht. Gemäss den Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision wird Frauen, die bis zum 31. Dezember 2009 vom Rentenvorbezug Gebrauch machen, die Rente nur um 3,4 Prozent gekürzt anstatt um 6,8 Prozent.

1947

keit wird heute aber nur beschränkt Gebrauch gemacht. Von den 65-jährigen ELBezügern hat jeder achte Mann die AHV-Rente vorbezogen, bei den Nicht-ELBezügern ist es jeder Zwölfte. Dafür dürften in erster Linie subjektive Gründe ausschlaggebend sein (Hemmschwelle, den Vorbezug zu beantragen, wenn man deshalb EL-Bezüger wird). Die Flexibilisierung des Rentenalters soll nicht ausschliesslich über die EL sozial abgefedert werden, sondern auch über weniger als versicherungstechnisch reduzierte Kürzungssätze.

Stellt die versicherungstechnische Kürzung den einen Pol in der Diskussion um das flexible Rentenalter dar, so liegt der andere Pol bei den beiden Rentenalterinitiativen des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes (SKV) und der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) einerseits sowie der Grünen Partei Schweiz andererseits. Beide Volksinitiativen verlangen eine ungekürzte Ruhestandsrente in der AHV zwischen 62 und 65 bzw. 67 Jahren. Einziges Erfordernis ist nach beiden Initiativen die Aufgabe der Erwerbstätigkeit. Der Bundesrat geht davon aus, dass diese Initiativen bezogen auf das Jahr 2005 bei der AHV Mehrkosten von 2460 Millionen Franken auslösen würden. Bei der IV und der Arbeitslosenversicherung ergäbe sich zwar eine Entlastung von 490 Millionen Franken bzw. 365 Millionen Franken. Gesamthaft ergäbe sich aber immer noch eine Zusatzbelastung von 1618 Millionen Franken. Der Bundesrat hat daher dem Parlament in seiner Botschaft vom 15. Dezember 1997 die Ablehnung dieser beiden Initiativen beantragt (BBl 1998 1175 ff.). Die Bundesversammlung hat diesem Antrag am 18. Dezember 1998 zugestimmt (BBl 1999 216).

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Lösung zwischen diesen beiden Polen gefunden werden muss. Wir haben im Vernehmlassungsverfahren zwei Modelle eines flexiblen Rentenalters zur Diskussion gestellt, die beide soziale Korrekturen an einem flexiblen Rentenalter mit versicherungstechnischer Kürzung vorsahen. Der Grundsatz der sozialen Korrektur wurde mehrheitlich akzeptiert, nicht aber die konkreten Ausgestaltungsmodelle (vgl. Ziff. 1.3.5). Wir unterbreiten in der Botschaft daher einen neuen Vorschlag.

3.1.3.3.2

Finanzieller Rahmen

Die Modelle, die wir dem Vernehmlassungsverfahren unterbreitet haben, hatten einen Kostenrahmen von rund 900 Millionen Franken. Die Einsparungen auf Grund der Erhöhung des Rentenalters der Frauen von rund 400 Millionen Franken wurden um einen zusätzlichen Finanzierungsrahmen von 500 Millionen Franken ergänzt.

Auf Grund der finanziellen Lage der AHV und des Bundeshaushaltes kommen wir zum Schluss, dass der Rahmen für eine soziale Korrektur der versicherungstechnischen Kürzung reduziert werden muss. Wir sind heute der Ansicht, dass auf die zusätzlichen Mittel von 500 Millionen Franken verzichtet werden soll. Rentenalter und flexibles Rentenalter bilden ein Ganzes, das in sich kostenneutral ausgestaltet werden muss. Diesen Berechnungen liegen folgende Annahmen zum Rentenvorbezug zu Grunde:

1948

Mittlere Vorbezugsquoten in Prozent des Jahrgangs

Männer Frauen

3.1.3.3.3

Alter 64

Alter 63

Alter 62

32% 69%

20% 51%

_9% 29%

Grundzüge des neuen Modells

Das vom Bundesrat vorgeschlagene neue Modell des flexiblen Rentenalters unterscheidet sich in drei Punkten grundsätzlich von der heute geltenden Regelung: ­

die Kürzung der vorbezogenen Renten wird nach sozialen Kriterien ausgestaltet;

­

möglich ist nicht nur der Vorbezug der ganzen Rente, sondern auch ein Teilvorbezug, d.h. ein Vorbezug der halben Rente. Vorbezug und Teilvorbezug können miteinander kombiniert werden;

­

die Pflicht zur Beitragszahlung erlischt bei nicht erwerbstätigen Personen mit dem Vorbezug der ganzen Rente. Der gesamte Beitragsausfall wird in den Kürzungssatz einbezogen.

3.1.3.3.4

Kürzung der vorbezogenen Rente

3.1.3.3.4.1

Grundsatz

Für die Kürzung der vorbezogenen Rente sind drei Faktoren ausschlaggebend: ­

Durchschnittseinkommen für die Rentenberechnung

Bei tiefen Einkommen fällt die Kürzung geringer aus als bei hohen Einkommen.

­

Beitragsausfall

Nichterwerbstätige Personen, welche die ganze Rente vorbeziehen, sind nicht mehr beitragspflichtig. Diese Beitragsersparnis wird voll in die Rentenkürzung eingerechnet. Ein hoher Beitragsausfall bei Personen mit hohen Einkommen führt zu einer stärkeren Rentenkürzung.

­

Vorbezugsjahre

Je später die Rente bezogen wird, desto geringer ist der Kürzungssatz. Diese degressive Kürzung soll einen Anreiz für einen eher späteren Rentenvorbezug schaffen.

3.1.3.3.4.2

Erläuterung der Kürzungsfaktoren

3.1.3.3.4.2.1

Durchschnittseinkommen für die Rentenberechnung

Wir sind der Ansicht, dass Personen mit einem höheren Einkommen eine stärkere Kürzung zugemutet werden kann als Personen mit tiefen Einkommen. Wir schlagen daher einen einkommensabhängig degressiv ausgestalteten Kürzungssatz vor. Das Vernehmlassungsverfahren hat nun aber gezeigt, dass es entscheidend ist, welches 1949

Einkommen als Bezugsgrösse herangezogen wird. Zwei der Haupteinwände gegen die vom Bundesrat im Vernehmlassungsverfahren vorgestellten Modelle bildete die Komplexität der Lösungen und der Vorwurf der mangelnden Europatauglichkeit.

Wir haben diese Kritik aufgenommen und uns für ein Modell entschieden, das für die Durchführung der AHV mit keinem nennenswerten Zusatzaufwand verbunden ist.

Neben der Beitragsdauer ist das so genannte massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen das zweite Element zur Berechnung einer Rente der AHV oder der IV.

Im Rentenfall ruft die zuständige Ausgleichskasse die individuellen Konten (IK) der berechtigten Person zusammen. Auf diesen Konten sind die Erwerbseinkommen, auf welchen AHV-Beiträge bezahlt wurden, sowie allfällige Betreuungsgutschriften eingetragen. Für die Rentenberechnung wird die Summe der eingetragenen Einkommen zwischen dem 1. Januar nach dem 20. Geburtstag und dem 31. Dezember vor Erreichen des Rentenalters (bzw. dem Rentenvorbezug) mit dem Mischindex an die zwischenzeitliche Lohn- und Preisentwicklung angepasst und durch die Zahl der Beitragsjahre dividiert. Dazu kommt allenfalls noch ein Durchschnitt auf Grund der Erziehungs- und der Betreuungsgutschriften.

Wir schlagen nun vor, dieses Einkommen, welches für die Festsetzung der Rente berechnet werden muss, auch als Grundlage für den Kürzungssatz zu nehmen. Den Ausgleichskassen bleiben damit zusätzliche Abklärungen erspart.

3.1.3.3.4.2.2

Beitragsausfall

Die AHV-Beitragspflicht erlischt heute nicht schon beim Rentenvorbezug, sondern dauert noch bis zur Vollendung des gesetzlichen Rentenalters (Art. 3 Abs. 1 AHVG). Es wird von vielen Personen nicht verstanden, weshalb sie trotz des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben weiterhin AHV-Beiträge bezahlen müssen. Wir schlagen daher vor, auf die Beitragspflicht zwischen Vorbezug und Vollendung des gesetzlichen Rentenalters zu verzichten. Obwohl die Beitragsdauer kürzer ist, wird die Rente berechnet, als würden Beiträge bis zum Rentenalter bezahlt. Diesen Beitragsausfall möchten wir aber voll in die Rentenkürzung einbeziehen. Da das Verhältnis von Beitragsausfall und Rente bei höheren Einkommen grösser ist, muss auch die Rente stärker gekürzt werden. Der Verzicht auf den Beitragsbezug führt im Übrigen zu einer spürbaren Vereinfachung der Durchführung.

3.1.3.3.4.2.3

Vorbezugsjahre

Damit der für den Rentenvorbezug zur Verfügung stehende Finanzierungsrahmen eingehalten werden kann, dürfen nicht zu viele Personen vom Rentenvorbezug Gebrauch machen. Es muss insbesondere vermieden werden, dass zu viele Renten im frühestmöglichen Zeitpunkt vorbezogen werden. Aus diesem Grund gilt für jedes vorbezogene Rentenjahr ein unterschiedlicher Kürzungssatz.

Je näher das Vorbezugsjahr beim gesetzlichen Rentenalter liegt, desto geringer ist die Rentenkürzung. Damit bewegt sich das Modell zwischen einer rein versicherungstechnischen Kürzung und einer reinen Ruhestandsrente.

1950

3.1.3.3.4.2.4

Kombination der Kürzungsfaktoren

Kombiniert man die verschiedenen Kürzungsfaktoren, so ergibt sich folgendes Bild.

Der Kürzungsfaktor Beitragsausfall bewirkt die Abstufung beim versicherungstechnischen Kürzungssatz nach dem massgebenden Jahreseinkommen. Die vorbezogenen Renten und der Beitragsausfall sollen aber nur zum Teil rückzahlbar sein. Mit den Faktoren massgebendes Jahreseinkommen und Anzahl der Vorbezugsjahre wird der rückzahlbare Anteil des Vorbezugs für ein Vorbezugsjahr definiert. Der durchschnittliche Anteil für die ganze Vorbezugsdauer multipliziert mit dem entsprechenden versicherungstechnischen Kürzungssatz ergibt dann den anwendbaren Kürzungssatz.

Beispiel: Bei einem massgebenden Einkommen von 36 180 Franken und einem Vorbezug von zwei Jahren würde der versicherungstechnische Kürzungssatz 11,9 Prozent betragen. Der rückzahlbare Anteil beträgt fürs erste Jahr 50 Prozent und fürs zweite 60 Prozent, im Durchschnitt also 55 Prozent. Angewendet auf den versicherungstechnischen Kürzungssatz ergibt dies einen anwendbaren Kürzungssatz von 6,6 Prozent.

Versicherungstechnischer Kürzungssatz Massgebendes Jahreseinkommen

bis 12 060 24 120 36 180 48 240 60 300 ab 72 360

Versicherungstechnischer Kürzungssatz in Prozent bei einer Vorbezugsdauer von 1 Jahr

2 Jahren

3 Jahren

5,7 6,0 6,2 6,4 6,6 6,7

11,0 11,6 11,9 12,3 12,7 12,9

15,8 16,6 17,2 17,8 18,2 18,6

Rückzahlbarer Anteil1 am versicherungstechnischen Kürzungssatz Massgebendes Jahreseinkommen

bis 12 060 24 120 36 180 48 240 60 300 ab 72 360 1

Rückzahlbarer Anteil in Prozent im

Durchschnittlicher rückzahlbarer Anteil in Prozent für die Vorbezugsdauer von

1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

1 Jahr

2 Jahren

3 Jahren

30 40 50 60 70 80

40 50 60 70 80 90

_55 _64 _73 _82 _91 100

30 40 50 60 70 80

35 45 55 65 75 85

41,7 51,3 61 70,7 80,3 90

Dies geschieht mit der Rentenkürzung, die während der ganzen Zeit des Rentenbezuges besteht.

1951

Anwendbarer Kürzungssatz Massgebendes Jahreseinkommen

bis 12 060 12 060 bis 24 120 24 120 bis 36 180 36 180 bis 48 240 48 240 bis 60 300 60 300 bis 72 360 ab 72 360

3.1.3.3.4.2.5

Anwendbarer Kürzungssatz in Prozent für die Vorbezugsdauer 1 Jahr

2 Jahre

3 Jahre

1,7 1,7­2,4 2,4­3,1 3,1­3,8 3,8­4,6 4,6­5,4 5,4

_3,9 _3,9­_5,2 _5,2­_6,6 _6,6­_8,0 _8,0­_9,5 _9,5­11,0 11,0

_6,6 _6,6­_8,6 _8,6­10,5 10,5­12,6 12,6­14,7 14,7­16,8 16,8

Betroffene Personen

Den Modellen des Bundesrates wurde im Vernehmlassungsverfahren auch vorgeworfen, sie benachteiligten die Frauen, weil sie ihren Erwerbsbiografien nicht genügend Rechnung tragen. Das jetzt vorliegende Modell stützt sich auf die Einkommen, welche während der gesamten Dauer der Beitragspflicht erzielt worden sind. Auf Grund der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern während der letzten 40 Jahre und der daraus resultierenden tieferen Renten für Frauen kommen vermehrt Frauen in den Genuss einer tieferen Rentenkürzung, während für die Männer eher die höheren Kürzungssätze gelten.

Wird auch der Ehemann rentenberechtigt, so kommt es zur Teilung der Einkommen während der Ehe (Splitting). Dadurch gleichen sich die Einkommen von Frau und Mann an. Die Frau erfährt dann eine stärkere Rentenkürzung. Im Ergebnis werden somit die Renten lediger und geschiedener Frauen weniger stark gekürzt als jene von verheirateten Frauen. Dies ist auch sozial gerecht, ist doch die wirtschaftliche Lage der ledigen und geschiedenen Rentnerinnen in der Regel schlechter als jene der verheirateten Rentnerinnen.

Die nachstehende Tabelle und die Darstellung zeigen, dass sich die Einkommen der Frauen in den unteren Bereichen konzentrieren. Entsprechend tief sind die Rentenkürzungen.

Beispiel: 25,2 Prozent der Frauen eines Jahrgangs (8361 Frauen) haben ein massgebendes Einkommen zwischen 36 181 und 48 240 Franken. Bei einem Vorbezug von zwei Jahren würde ein Kürzungssatz abhängig vom Einkommen zwischen 6,6 und 8,0 Prozent angewandt.

1952

Neurentnerinnen und -rentner im Jahr 1998 nach massgebendem Durchschnittseinkommen Massgebendes Jahreseinkommen

Frauen

Männer

Anzahl

in Prozent

Anzahl

in Prozent

bis 24 120 24 120 bis 36 180 36 180 bis 48 240 48 240 bis 60 300 60 300 bis 72 360 ab 72 360

_7 698 _6 205 _8 361 _5 607 _2 688 _2 621

_23,2 _18,7 _25,2 _16,9 __8,1 __7,9

__ 640 _2 061 _6 043 _6 851 _4 790 _7 463

__2,3 __7,4 _21,7 _24,6 _17,2 _26,8

Total

33 180

100,0

27 848

100,0

Darstellung der Prozentanteile 30 25 20 15 10 5 0 bis 24 120

bis 36 180

bis 48 240

bis 60 300

bis 72 360

ab 72 360

Massgebendes Jahreseinkommen

Frauen

Männer

Quelle: aus Rentenregister 1998 (Jahrgänge: Frauen 1935, Männer 1932)

3.1.3.3.4.3

Vorbezug und Aufschub der halben Altersrente (Teilvorbezug und Teilaufschub)

Der Ruf nach einem gleitenden Übergang ins Rentenalter wird immer lauter. Damit soll ein abrupter Wechsel aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand vermieden werden. Ein gleitender Übergang nützt einerseits den betroffenen Personen, die sich besser auf ihren neuen Lebensabschnitt vorbereiten können. Er liegt aber unter Umständen auch im Interesse der Betriebe, ist es doch möglich, noch einige Jahre von den Kenntnissen einer Person profitieren zu können. Dieser Übergang kann für die Regelung einer Nachfolge benutzt werden.

1953

Wir halten den Wunsch nach einem gleitenden Übergang ins Rentenalter für legitim.

Bei der Realisierung muss aber auch der Durchführung Rechnung getragen werden.

Dies setzt der Abstufung der Rentenbruchteile Grenzen. Wir schlagen daher vor, den Vorbezug und den Aufschub der halben Altersrente zu ermöglichen.

Die neue Regelung geht davon aus, dass insgesamt drei Rentenjahre vorbezogen werden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob drei Jahresrenten oder sechs Halbjahresrenten vorbezogen werden. Der Vorbezug und der Teilvorbezug lassen sich daher auch miteinander kombinieren.

Vorbezugsmöglichkeiten der AHV-Rente nach Alter (Teil-)Rücktritt im Alter von

ab 59

ab 60

ab 61

ab 62

ab 63

ab 64

59 60 61 62 63 64

1/2 1/2 1/2 1/2 1/2 1/2

1/2 1/2 1/2 1/2 1/2 oder 1

1/2 1/2 1/2 oder 1 1/2 oder 1

1/2 oder 1 1/2 oder 1 1/2 oder 1

1/2 oder 1 1/2 oder 1

1/2 oder 1

Total Anzahl Vorbezugsjahre

3

2,5 bis 3

2 bis 3

1,5 bis 3

1 bis 2

1/2 bis 1

Wer sich etwa mit 59 Jahren für den Teilvorbezug entscheidet, kann bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters nicht mehr für den Vorbezug der ganzen Rente optieren, da nur drei Rentenjahre vorbezogen werden können. Wer dagegen mit 61 Jahren die halbe Altersrente vorbezieht, kann sich mit frühestens 63 oder 64 Jahren für den Vorbezug der ganzen Rente entscheiden (2 halbe Jahresrenten + 2 ganze Jahresrenten, bzw. 4 halbe und eine ganze Rente).

Beim Rentenaufschub möchten wir von einer Verlängerung der Aufschubsdauer, die gegenwärtig maximal fünf Jahre beträgt, absehen. Vom Rentenaufschub wird bereits heute nur in relativ seltenen Fällen Gebrauch gemacht, eine Ausweitung der Aufschubsmöglichkeit dürfte daher wohl keinem nennenswerten Bedürfnis entsprechen.

Beim Teilvorbezug unterliegen nur die vorbezogenen Rententeile der Kürzung. Die später vorbezogenen Rententeile werden also mit einem tieferen Kürzungssatz gekürzt, die gar nicht vorbezogenen Rententeile bleiben ungekürzt. Beim Teilaufschub gelten sinngemäss dieselben Regeln.

3.1.3.3.4.4

Aufgabe der Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für den Rentenvorbezug

Die meisten vorbezogenen Renten werden weniger stark gekürzt als dies versicherungstechnisch geboten wäre. Es stellt sich daher in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Person, welche die Rente vorbeziehen will, auf eine Erwerbstätigkeit mindestens teilweise verzichten muss. Es kann nämlich nicht Sinn der Regelung sein, die Kumulation von vollem Erwerbseinkommen und vorbezogener Rente zu fördern. Konsequenterweise fordern denn auch die beiden Initiativen von SKV/VSA 1954

sowie der Grünen Partei, welche von einer Rentenkürzung ganz absehen möchten, die Aufgabe der Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für den Bezug der Rente.

Die Einführung des Ruhestandsprinzips in der AHV stellt die Durchführung vor erhebliche Probleme. Auf Grund der dezentralen Führung der Einkommensdaten der beitragspflichtigen Personen kann kein automatisierter Abgleich mit dem zentralen Rentenregister vorgenommen werden. Abhilfe könnte hier allenfalls ein so genanntes "Spiegelregister" schaffen. Ein solches Register würde zentral geführt und würde die Kopien der bei den Ausgleichskassen dezentral gespeicherten Daten enthalten.

Selbst mit einem solchen Register könnte aber die Erwerbslosigkeit im Ausland nicht überprüft werden.

Der dauernde Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit kann daher nicht überprüft werden.

Wir sind aber trotzdem der Ansicht, dass das Gesetz ein Zeichen in Richtung Ruhestandsprinzip beim Rentenvorbezug mit reduzierter Kürzung setzen sollte. Wir schlagen daher folgende Regelung vor: Wer die ganze Altersrente vorbeziehen will, muss mit der Rentenanmeldung belegen, dass die Erwerbstätigkeit aufgegeben wurde. Dieser Nachweis kann beispielsweise mit einer Bestätigung des Arbeitgebers, mit einem Austrittszeugnis oder einem Kündigungsschreiben erbracht werden. Da diese Bestätigung auch von Personen erwartet wird, welche die Rente im Ausland geltend machen, werden auch weitere geeignete Unterlagen zugelassen werden müssen. Es kann nicht ein voller Beweis verlangt werden, eine Glaubhaftmachung muss genügen. Man wird ohnehin davon ausgehen, dass Personen, welche die Renten vorbeziehen, die Erwerbstätigkeit aufgeben, führt doch die Kombination von Erwerbseinkommen und Rentenbezug zu einer relativ starken steuerlichen Belastung.

Mit dem Erfordernis der Aufgabe der Erwerbstätigkeit zu Beginn des Rentenvorbezuges wird eine spätere geringfügige Erwerbstätigkeit nicht schlechthin ausgeschlossen. Der Bundesrat geht davon aus, dass der Arbeitsmarkt für Personen der betroffenen Altersgruppe, die ihre Stelle aufgegeben haben, nur noch für Bagatellerwerbstätigkeiten offen steht.

Wer lediglich einen Teilvorbezug verlangt, muss sein Erwerbseinkommen um mindestens einen Drittel reduzieren.

3.1.3.4

Flexibilisierung des Rentenalters im BVG

3.1.3.4.1

Einleitung

Die Flexibilisierung des Rücktrittsalters im BVG erlaubt den Versicherten, den Zeitpunkt und die Modalitäten ihrer Pensionierung zu wählen. Die Flexibilisierung ist im BVG zwar schon seit 1985 möglich (Art. 13 Abs. 2 BVG), sie ist aber vollumfänglich von den reglementarischen Bestimmungen der einzelnen Vorsorgeeinrichtungen abhängig. Mit der vorliegenden Revision werden die Eckwerte für die flexible Pensionierung mit der AHV koordiniert und als Bestandteil der obligatorischen Minimalvorsorge aufgenommen. Ein Vorbezug der Altersleistung soll zwischen dem 59. und dem 65. Altersjahr möglich sein. Nach Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters soll die Altersleistung bis zum 70. Altersjahr aufgeschoben werden können. Die Versicherten haben die Möglichkeit, die halbe oder ganze Altersleistung vom 59. Altersjahr an vorzubeziehen oder die Altersleistungen über das ordentliche Rücktrittsalter hinaus bis zum 70. Altersjahr aufzuschieben. Beim Vorbezug und 1955

Aufschub der Altersleistungen in Form der Rente wird der Umwandlungssatz entsprechend versicherungstechnisch gekürzt bzw. angepasst. Der Vorbezug setzt dabei voraus, dass die Erwerbstätigkeit beim betreffenden Arbeitgeber reduziert oder aufgegeben wird. Der Aufschub ist nur für Personen möglich, die weiterhin bei demselben Arbeitgeber erwerbstätig sind.

3.1.3.4.2

Ausgangslage

Nicht nur die AHV, sondern auch das BVG kennt die flexible Ausgestaltung des Rentenalters. In der AHV ist ein vorzeitiger Altersrücktritt erst seit kurzem, nämlich seit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision möglich. Die untere Altersgrenze und die Mindestvorbezugsdauer sind im BVG offen gelassen worden. Die Praxis des BSV und der Steuerbehörden lässt eine vorzeitige Pensionierung nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung grundsätzlich bis fünf Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter, also für Männer ab Alter 60 und für Frauen ab Alter 57, zu55. Bedingung ist, dass die versicherte Person die Erwerbstätigkeit bei ihrem Arbeitgeber aufgegeben hat56.

Aus der Pensionskassenstatistik 1996 ist ersichtlich, dass das flexible Rentenalter innerhalb des Altersbereichs von fünf Jahren bis zum ordentlichen Rentenalter von rund der Hälfte aller Vorsorgeeinrichtungen angeboten wird, die ihrerseits rund 80 Prozent aller Versicherten umfassen.

In der Praxis haben sich vielfältige Lösungen entwickelt, da mit dem Inkrafttreten der 10. AHV-Revision der Druck auf die Vorsorgeeinrichtungen gestiegen ist, das Rentenalter in ihren Reglementen neu festzusetzen.

3.1.3.4.3

Vorgeschlagene Lösung

Die Flexibilisierung soll nicht mehr vom jeweiligen Vorsorgereglement abhängen, sondern in jedem Fall möglich sein. Die versicherte Person kann im Rahmen der gesetzlichen bzw. reglementarischen Bestimmungen wählen, ab welchem Alter sie die Rente beziehen will (Vorbezug oder Aufschub), ob sie die ganze oder die halbe Rente vorbeziehen will und ob sie die Leistung in Form einer Rente oder Kapitalauszahlung beziehen will. Dabei führt der Vorbezug zu einer Kürzung der Leistung, der Aufschub zu einer Erhöhung. Die Kürzung oder Erhöhung der Leistung bestimmt sich durch das erworbene Altersguthaben und die vom Rücktrittsalter abhängige versicherungsmathematische Anpassung des Umwandlungssatzes.

3.1.3.4.3.1

Ordentliches Rentenalter

Sämtliche Vorsorgeeinrichtungen haben ein für Frauen und Männer gleiches Rentenalter von maximal 65 Jahren festzulegen. Die Vorsorgeeinrichtungen können ein tieferes ordentliches Rentenalter vorsehen, müssen aber die gesetzlichen Minimalleistungen nach BVG garantieren. Die Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 55 56

E. Schnyder, Vorzeitige Pensionierung und Zweite Säule, CHSS (Soziale Sicherheit) 1995, S. 207.

BGE 120 V 310, vgl. R.A. Müller, Die vorzeitige Pensionierung - Möglichkeiten und Grenzen im Lichte verschiedener Sozialversicherungszweige, SZS 1997, S. 347 f.

1956

65 Jahre bewirkt eine Erhöhung des Altersguthabens von ungefähr 4,4 Prozent und macht eine Anpassung des Umwandlungssatzes notwendig (vgl. Ziff. 2.2 der Botschaft zur 1. BVG-Revision).

3.1.3.4.3.2

Vorbezug und Aufschub der Altersleistung

Hat die versicherte Person das 59. Altersjahr zurückgelegt, kann sie die Altersrente vorbeziehen, im Unterschied zur Regelung bei der AHV auch die ganze Rente. Die versicherte Person kann ihre ganze oder halbe Rente zwischen 59 und 65 Jahren frei wählen, wobei verschiedene Kombinationen möglich sind, beispielsweise eine halbe Rente während vier Jahren (zum Beispiel zwischen 60 und 64 Jahren) und ab Alter 64 eine volle Rente.

Die vorbezogenen Leistungen werden versicherungstechnisch wie folgt gekürzt: Macht die versicherte Person ihren Anspruch auf die BVG-Altersrente geltend, so berechnet sich diese Rente aus dem bis dann angesparten Altersguthaben multipliziert mit dem Umwandlungssatz gemäss gewähltem Rücktrittsalter. Da sie den Zeitpunkt des Altersrücktritts innerhalb des Vorbezugsrahmens gemäss BVG bzw. innerhalb des reglementarischen Zeitrahmens frei wählen kann, wird es von der konkreten Situation abhängen, wie hoch die Altersleistungen aus der AHV und aus dem BVG zusammen im Vergleich zum letzten Erwerbseinkommen sind (Ersatzquote).

Für den Fall der Aufgabe der Erwerbstätigkeit und des Bezuges der ganzen Altersrenten sowohl der AHV als auch gemäss BVG geben die folgenden Beispiele zu den Rücktrittsalter 62 und 65 Angaben über die zu erwartenden Ersatzquoten.

Höhe der Altersrente bei Rentenbezug im Alter 65 (bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit) AHV: ungekürzte Vollrente; BVG: ungekürzte ganze Rente AHV-Lohn bei Rücktritt in Franken

_20 000 _30 000 _40 000 _50 000 _60 000 _70 000 _80 000 _90 000 100 000

Altersrente bei Bezug im Alter 65

Altersrente bei Bezug im Alter 65

absolut in Franken

in Prozent des AHV-Lohnes*

AHV

BVG

Zusammen

AHV

BVG

Zusammen

14 256 16 764 19 104 20 652 22 188 23 928 24 120 24 120 24 120

_ 0 _2 117 _5 717 _9 317 12 917 16 517 17 366 17 366 17 366

14 256 18 881 24 821 29 969 35 105 40 445 41 486 41 486 41 486

71,3 55,9 47,8 41,3 37,0 34,2 30,2 26,8 24,1

_0,0 _7,1 14,3 18,6 21,5 23,6 21,7 19,3 17,4

71,3 62,9 62,1 59,9 58,5 57,8 51,9 46,1 41,5

* Altersrente in Prozent des AHV-Lohnes im Zeitpunkt des Rentenvorbezugs im Alter 65

1957

Höhe der Altersrente bei Vorbezug im Alter 62 (bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit) AHV: gekürzte Vollrente; BVG: gekürzte ganze Rente AHV-Lohn bei Rücktritt in Franken

_20 000 _30 000 _40 000 _50 000 _60 000 _70 000 _80 000 _90 000 100 000

Altersrente bei Bezug im Alter 62

Altersrente bei Bezug im Alter 62

absolut in Franken

in Prozent des AHV-Lohnes*

AHV

BVG

Zusammen

AHV

BVG

Zusammen

13 130 15 171 16 983 17 988 18 949 20 004 20 068 20 068 20 068

__ 0 _1 731 _4 674 _7 618 10 562 13 505 14 200 14 200 14 200

13 130 16 902 21 657 25 606 29 511 33 509 34 268 34 268 34 268

65,7 50,6 42,5 36,0 31,6 28,6 25,1 22,3 20,1

0,0 5,8 11,7 15,2 17,6 19,3 17,8 15,8 14,2

65,7 56,4 54,2 51,2 49,2 47,9 42,9 38,1 34,3

* Altersrente in Prozent des AHV-Lohnes im Zeitpunkt des Rentenvorbezugs im Alter 62

Bei einem Einkommen von beispielsweise 50 000 Franken jährlich resultiert beim Rücktritt im Alter 65 eine Gesamtrente von 29 969 Franken, was einer Ersatzquote von 59,9 Prozent entspricht. Tritt gleichzeitig ein erst 62-jähriger Versicherter mit demselben Einkommen zurück, so erhält er eine Gesamtrente von 25 606 Franken, was noch einer Ersatzquote von 51,2 Prozent entspricht.

Die versicherte Person kann im Weiteren analog zur AHV die ganzen oder halben Altersleistungen über das ordentliche Rücktrittsalter hinaus bis maximal zum 70. Altersjahr aufschieben. Die Altersleistungen werden in diesem Fall auf Grund des vorhandenen Altersguthabens im Alter von 65 Jahren, mit Zins bis zum Aufschubszeitpunkt, multipliziert mit dem bis zu diesem Zeitpunkt versicherungstechnisch angepassten Umwandlungssatz berechnet.

Mit dieser Lösung können für die Pensionierung die erste und die zweite Säule kombiniert werden. Im Bereich des Überobligatoriums kann die Flexibilisierung noch weiter gehen. So ist auch ein Rentenalter unter 59 Jahren oder eine feinere Staffelung des teilweisen Leistungsbezugs möglich. Dabei sind die Reglemente der jeweiligen Vorsorgeeinrichtungen massgebend, wie dies heute schon der Fall ist. Verzichtet die versicherte Person auf jegliche Flexibilisierung, bezieht sie eine ordentliche ungekürzte Rente ab Alter 65.

3.1.3.4.3.3

Beendigung der Erwerbstätigkeit

Der Vorbezug der ganzen Leistung setzt voraus, dass die versicherte Person ihre Erwerbstätigkeit aufgibt. Es ist jedoch durchaus möglich, dass eine teilpensionierte Person weiterhin beim selben oder bei einem neuen Arbeitgeber reduziert erwerbs-

1958

tätig ist. Das Vernehmlassungsverfahren hat aufgezeigt, dass eine solche Lösung einem wachsenden Bedürfnis nach einem gestaffelten Altersrücktritt entspricht.

Eine gestaffelte Pensionierung ab beispielsweise Alter 59 bis Alter 65 geht von der Annahme aus, dass die versicherte Person (analog zur Regelung in der AHV, vgl.

Ziff. 3.1.3.3.4.4) ihre Erwerbstätigkeit um mindestens einen Drittel reduziert. Da der Grad der Erwerbstätigkeit schwierig feststellbar ist, stützt man sich auf den massgebenden Lohn gemäss Artikel 7 BVG, um zu bestimmen, ob die versicherte Person Anspruch auf die Hälfte ihres Altersguthabens in Form einer vorbezogenen Rente hat. Wenn also beispielsweise eine versicherte Person mit einem Jahreslohn von 70 000 Franken ihre Erwerbstätigkeit reduziert und dann immer noch 60 000 Franken verdient, hat sie keinen Anspruch auf Vorbezug der Altersleistung. Wenn aber ihr Lohn auf 50 000 Franken absinkt, kann sie einen Vorbezug geltend machen.

Wechselt die versicherte Person die Vorsorgeeinrichtung, während sie schon eine halbe Rente vorbezieht, handelt es sich bei ihrem aktiven Teil um einen Freizügigkeitsfall.

Das Modell für einen Aufschub der Rente bis zum 70. Altersjahr kann nur gewählt werden, wenn die versicherte Person weiterhin erwerbstätig bleibt, da die berufliche Vorsorge an die Erwerbstätigkeit gebunden ist.

Im Bereich der überobligatorischen Vorsorge gilt für Vorbezug und Aufschub das Kriterium der Erwerbstätigkeit analog zur BVG-Minimalvorsorge, sofern es sich um registrierte Vorsorgeeinrichtungen handelt.

3.1.4

Gleicher Anspruch auf Witwen- und Witwerrente

3.1.4.1

Einleitung

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Witwenrente werden an jene für die Witwerrente angeglichen, die aber leicht ausgebaut wird. Die finanzielle Absicherung der Witwe oder des Witwers erstreckt sich in der Regel nur auf die Zeit, in der Kinder unter 18 Jahren zu betreuen sind. Ein Rentenanspruch ist jedoch auch für Verwitwete vorgesehen, die ein erwachsenes behindertes Kind betreuen, oder die das 50. Altersjahr zurückgelegt haben, wenn ihr jüngstes Kind 18 Jahre alt wird. Ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente besteht auch für verwitwete Personen, die das ordentliche Rentenalter erreicht haben. Mit einer Übergangsregelung lässt sich eine krasse Verschlechterung der Situation der betroffenen Frauen vermeiden.

3.1.4.2

Grundsatz

Nach heutigem Recht (Art. 23­24b AHVG) haben Witwen Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder (oder Pflegekinder) haben; überdies, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung keine Kinder, jedoch das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind.

Witwer haben nur solange Anspruch auf eine Witwerrente, als sie Kinder unter 18 Jahren haben.

Diese Regelung widerspricht dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann und muss daher vereinheitlicht werden. Eine Angleichung kann durch einen Ausbau der Leistungen für Witwer oder einen Abbau der Leistungen für Witwen 1959

erfolgen, oder man kann auch eine Zwischenlösung wählen. Dies wird im Folgenden vorgeschlagen.

Bei der Einführung der AHV und der Schaffung der Witwenrente war die Zumutbarkeit der Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit Richtgedanke für die Festsetzung der Anspruchsbedingungen (vgl. Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für die Einführung der AHV vom 16. März 1945, S. 64 ff., und Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 1946, BBl 1946 II 410 f.).

Heute stehen für die AHV eher Überlegungen im Vordergrund, den Verwitweten nur für die Zeit der Kindererziehung bis zum 18. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Rente zu gewähren. Nach Überschreiten des Grenzalters durch das jüngste Kind ist grundsätzlich ein beruflicher Wiedereinstieg zumutbar. Arbeitsmarktbedingte Schwierigkeiten können die Verwitweten gleich wie andere Personen treffen. Ein entsprechender Schutz ist jedoch Sache der Arbeitslosenversicherung.

Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann gerechtfertigt, wenn die Witwe oder der Witwer die Betreuung eines behinderten Kindes übernimmt und dadurch ein Anspruch auf eine Betreuungsgutschrift entsteht57. In diesem Fall wird die Rente über das 18. Altersjahr des jüngsten Kindes hinaus geschuldet und zwar so lange, wie der Anspruch auf Betreuungsgutschriften besteht.

3.1.4.3

Sonderregeln für ältere Witwen und Witwer

3.1.4.3.1

Schwieriger Wiedereinstieg ins Erwerbsleben

Ältere Personen, die die Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, haben häufig Schwierigkeiten mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben. Der Bundesrat hält es daher für gerechtfertigt, die Renten von Witwen und Witwern ohne Befristung auszurichten, wenn sie das 50. Altersjahr zurückgelegt haben, bevor ihr jüngstes Kind 18 Jahre alt geworden ist oder ihr Anspruch auf Betreuungsgutschriften für ein behindertes Kind erlischt. Zudem soll eine verwitwete Person Anspruch auf eine Hinterlassenenrente erwerben, wenn sie die genannten Bedingungen vor der Verwitwung erfüllt hat.

Mehrere Teilnehmende am Vernehmlassungsverfahren zur 11. AHV-Revision haben sich gegen diese Altersgrenze gestellt. Einige machten geltend, dass sie angesichts der Arbeitsmarktsituation zu hoch sei: Schon ab dem 45. Altersjahr hätten die Betroffenen grosse Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg, vor allem, wenn sie während der Zeit der Kindererziehung ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben oder erheblich verringert haben. Andere kritisierten den Umstand, dass die Wahl dieser Altersgrenze nicht mit dem neuen Scheidungsrecht übereinstimme. Dieses legt die Altersgrenze, über die hinaus der Ex-Ehegatte Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag erheben kann, bei 45 Jahren fest, weil ein Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nicht mehr zumutbar ist. Wieder andere haben darauf hingewiesen, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung nicht vereinbar mit dem Eherecht sei, dem zufolge jedes Paar die Aufgabenteilung frei wählen kann: Denn um ihre Hinterlassenen-Vorsorge nicht zu gefährden, würden Eltern, die ihre Kinder früh bekommen haben, zu einem Verzicht auf ein Familienmodell veranlasst, bei dem nur einer der Ehegatten eine Erwerbstätigkeit ausübt, während der andere sich ausschliesslich den Familien- und Erziehungsaufgaben widmet.

57

Vgl. Kommentar zu Art. 29septies.

1960

Das sind gewichtige Argumente. Es kann in der Tat nicht ausgeschlossen werden, dass die Neuregelung in der AHV die Festsetzung von scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeiträgen beeinflussen wird. Der Schutz bei Verwitwung kann ebenfalls Auswirkungen auf eine Aufgabenteilung zwischen Ehegatten haben. Nach einer eingehenden Prüfung dieser Aspekte hält der Bundesrat jedoch am Grenzalter von 50 Jahren fest. Eines der Hauptziele der 11. AHV-Revision ist die finanzielle Konsolidierung der AHV. Dazu müssen nicht nur neue Einnahmen beschafft, sondern auch Einsparungen realisiert werden. Die Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen für die Witwenrente an jene für die Witwerrente stellt eine der Hauptsparmassnahmen der 11. AHV-Revision dar (786 Millionen Franken). Bei einer Herabsetzung des Grenzalters auf das 45. Altersjahr würden diese Einsparungen um 42 Prozent geringer ausfallen. Angesichts ihrer Finanzlage kann aber die AHV nicht auf Einsparungen in dieser Grössenordnung verzichten.

3.1.4.3.2

Verwitwung nach Erreichen des Rentenalters

Ein besonderer Schutz ist auch bei Verwitwung im Rentenalter geboten. In der Tat kann die Verwitwung im Rentenalter insbesondere bei Frauen, aber auch bei Männern, zu Härtefällen führen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn kein eigener Anspruch auf eine Altersrente der AHV besteht. Um diesen Personen einen angemessenen Schutz zu gewährleisten, sollen sie beim Tod ihres Ehegatten eine Hinterlassenenrente beanspruchen können. Falls gleichzeitig Anspruch auf eine Altersrente besteht, wird nur die höhere Rente ausbezahlt (Art. 24 AHVG).

3.1.4.4

Geschiedene Personen

Wir schlagen vor, die neue Regelung bezüglich Witwen- oder Witwerrenten auch auf geschiedene Personen anzuwenden, sodass bestehende Benachteiligungen gegenüber den verheirateten Personen aufgehoben werden.

3.1.4.5

Auswirkungen der neuen Regelung

Aus der nachfolgenden Grafik ist einerseits ersichtlich, wie hoch der Anteil bei den 1996 verwitweten Frauen (nach Altersgruppe) wäre, die gemäss den neuen Bestimmungen noch Anrecht auf eine Witwenrente hätten, und wie lange ihr Anspruch bestehen würde; andererseits wie hoch der Anteil der Witwen wäre, die durch die neue Regelung nicht mehr gedeckt würden.

1961

Anrecht auf Witwenrente gemäss den neuen Bestimmungen (zum Zeitpunkt der Verwitwung) 40% 35% 30%

neu: kein Anspruch mehr bis Rentenalter bis jüngstes Kind 18

25% 20% 15% 10% 5% 0% -25

26-31

32-37

38-43

44-49

50-55

56-61

Alter bei der Verwitwung

1996 entstand für 4964 Frauen ein Anspruch auf eine Witwenrente. Nach der neuen Regelung würden rund 15 Prozent der Witwen, welche heute eine Rente erhalten, nur noch einen zeitlich beschränkten Anspruch bis zum 18. Lebensjahr des jüngsten Kindes haben. 21 Prozent würden wie heute eine unbefristete Rente erhalten, da das jüngste Kind das 18. Lebensjahr erst nach dem 50. Geburtstag der Witwe erreichen wird oder erreicht hat. Insgesamt hätten noch 36 Prozent aller Witwen bei der Verwitwung einen Rentenanspruch, sei es für eine beschränkte oder auf unbestimmte Zeit. In Bezug auf alle laufenden Renten hätten 69,8 Prozent der heutigen Bezügerinnen von Witwenrenten keinen Anspruch auf diese Rente mehr.

3.1.4.6

Übergangsregelung

Die vorgeschlagenen Übergangsregelungen tragen folgenden Überlegungen Rechnung.

Die vorgeschlagene Regelung geht von der Zumutbarkeit des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben aus. Dieser kann aber nur verlangt werden, wenn er objektiv auch möglich ist. Der Bundesrat soll daher die Kompetenz erhalten, die Anwendbarkeit der neuen Bestimmungen über die Witwenrenten aufzuschieben, wenn der Arbeitsmarkt für über 40-jährige Personen beim Inkrafttreten der 11. AHV-Revision besonders ungünstig ist.

Die Angleichung der Witwen an die Witwerrente baut auf einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung in der Familie auf. Für ältere Frauen entspricht dies aber noch nicht der Realität. Die traditionelle Aufgabenverteilung, die der heutigen Gesetzgebung zu Grunde liegt, ist nämlich immer noch weit verbreitet und dies wird sich auch in den nächsten Jahren nur langsam ändern: Der Mann geht einer Erwerbstätigkeit nach und ist "Ernährer der Familie", die Frau schränkt ihre Berufstätigkeit stark ein oder gibt sie auf und kümmert sich um Kinder und Haushalt. Für diese Frauen sollen die bisherigen Bestimmungen auch weiterhin gelten.

1962

Wenn eine Frau im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts älter als 50 Jahre ist, gilt für ihren Witwenrentenanspruch (für laufende Renten wie bei Neuverwitwungen) altes Recht.

Für den Witwenrentenanspruch jüngerer Frauen (laufende Renten und neue Ansprüche) soll das alte Recht noch drei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts gelten.

Danach wird die Rente nur ausgerichtet, wenn dies die neuen Kriterien erlauben.

3.1.4.7

Finanzielle Auswirkungen (inkl. Übergangskosten)

Nach der geltenden Regelung würden die Ausgaben für AHV-Witwenrenten im Jahre 2003 (mit Rentenalter 63 der Frauen) 1167 Millionen Franken betragen. Die durch die neuen Bestimmungen ermöglichten Einsparungen ohne Übergangseffekte würden 833 Millionen Franken ausmachen; folglich würden jährliche Ausgaben von 334 Millionen Franken verbleiben. Die volle Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen für die Witwenrente an die heutige Witwerrente ergäbe sogar Einsparungen von 998 Millionen Franken.

Die Lockerung der Anspruchsvoraussetzungen für Witwerrenten werden im Jahre 2003 Mehrkosten in Höhe von 47 Millionen Franken verursachen.

Insgesamt erlauben die Vorschläge des Bundesrats bezüglich der Renten für überlebende Ehegatten Einsparungen in Höhe von 786 Millionen Franken, wenn man von den Übergangskosten absieht.

Der Kostenverlauf der Übergangsregelung wird in der Grafik 42-2 in Ziffer 42 dargestellt. Im Jahre 2010 können gegen 40 Prozent der Einsparungen realisiert werden. Die vollen Einsparungen werden ab dem Jahr 2018 erzielt.

3.1.5

Verlangsamung des Anpassungsrhythmus für die AHV/IV-Renten

3.1.5.1

Anpassungsrhythmus der Renten

Die Verlangsamung des Anpassungsrhythmus wurde auf politischer Ebene bereits verschiedentlich thematisiert. Um die Zielsetzung des finanziellen Gleichgewichts abzusichern, wird eine Verlangsamung des Anpassungsrhythmus vorgeschlagen.

Übersteigt indes die allgemeine Teuerung eine bestimmte Schwelle, sollen die Renten schneller angepasst werden.

Gemäss geltendem Recht (Art. 33ter AHVG) passt der Bundesrat die ordentlichen Renten in der Regel alle zwei Jahre zu Beginn des Kalenderjahres der Lohn- und Preisentwicklung an. Das Ausmass der jeweiligen Anpassung wird durch die Entwicklung des Mischindexes bestimmt, das heisst, durch das arithmetische Mittel zwischen dem Lohn- und Preisindex. Diese Anpassungsmethode bezweckt die Erhaltung der Kaufkraft und die Partizipation am Produktivitätsfortschritt. Bereits laufende Renten und Neurenten (Ausgangsrenten zum Zeitpunkt der Pensionierung) werden gleich behandelt und es wird dadurch verhindert, dass für jeden Rentnerjahrgang ein anderes Rentensystem mit unterschiedlichen Minimal- und Maximalrenten entsteht. Diese Anpassungsmethode gilt seit dem Jahr 1980 (9. AHV-Revision) und hat sich bewährt.

1963

Beim Anpassungsrhythmus sind jedoch Korrekturen denkbar. In Zeiten tiefer Teuerung ist eine Verlangsamung des Rhythmus zu Sparzwecken vertretbar. Deshalb ist diese Massnahme schon verschiedentlich thematisiert worden. Letztmals haben sich im Rahmen des Programms zur Stabilisierung des Bundeshaushaltes (Stabilisierungsprogramm 1998) die Teilnehmenden des runden Tisches mit dieser Thematik auseinander gesetzt und sich darauf geeinigt, dass für die künftige Rentenanpassung bei der AHV/IV von einem Zwei- auf einen Dreijahresrhythmus gewechselt werden soll. In der Folge hat der Bundesrat diese Massnahme in seine Botschaft vom 28. September 1998 zum Stabilisierungsprogramm 1998 aufgenommen (BBl 1999 4). Im Laufe der Verhandlungen ist diese Massnahme jedoch aus dem Stabilisierungsprogramm gestrichen worden. Stattdessen fordert die Stabilisierungskommission des Nationalrates in einer Motion vom 6. November 1998 (98.3524, Rentenanpassungen der AHV-Renten), dass die Anpassung der AHV-Renten an die Lohnund Preisentwicklung im Rahmen der 11. AHV-Revision unter Berücksichtigung der finanziellen Lage der AHV zu regeln sei. Mit Beschluss vom 30. November 1998 hat sich der Bundesrat bereit erklärt, die Motion entgegenzunehmen. In den parlamentarischen Beratungen wurde sie daraufhin von beiden Räten angenommen (vom Nationalrat am 2. Dez. 1998, AB 1998 N 161; vom Ständerat am 3. März 1999, AB 1999 S 62).

Nach den heutigen Bestimmungen wird der Zweijahresrhythmus unterbrochen, wenn die Teuerung innerhalb eines Jahres um mehr als 4 Prozent angestiegen ist.

Diese Regelung geht also davon aus, dass es Rentnerinnen und Rentnern nicht zuzumuten ist, bei einer Teuerung von mehr als 4 Prozent auf eine Rentenanpassung zu verzichten.

Diese Ansicht vertreten wir noch heute. Auf der anderen Seite stellt dieser Grenzwert aber auch eine Schwelle dar, unterhalb welcher es Rentnerinnen und Rentnern zugemutet werden kann, auf eine Anpassung zu verzichten. Ob es ein, zwei oder drei Jahre dauert, bis der Kaufkraftverlust der Rentnerinnen und Rentner das zumutbare Mass überschreitet, kann dabei nicht entscheidend sein.

Deshalb schlagen wir vor, die ordentlichen Renten in der Regel nicht mehr alle zwei, sondern alle drei Jahre an die Lohn- und Preisentwicklung anzupassen. Die Anpassung erfolgt ausnahmsweise früher, wenn die aufgelaufene
Teuerung ­ im Vergleich zu dem für die letzte Rentenanpassung massgebenden Indexstand (Landesindex der Konsumentenpreise) ­ 4 Prozent überschreitet. Die aufgelaufene Teuerung wird jeweils Ende Juni gemessen. Zeigt sich, dass diese den Grenzwert von 4 Prozent erreicht hat, werden die notwendigen Schritte für die Rentenanpassung auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres eingeleitet.

3.1.5.2

Minderausgaben

Die durch die vorgeschlagene Änderung des Anpassungsrhythmus erzielbaren Minderausgaben hängen in ihrem Umfang wesentlich von der zukünftigen effektiven Preisentwicklung ab. Quantitative Aussagen betreffend die Höhe der Minderausgaben sind daher mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Im Sinne eines Mittelwerts und unter der Annahme, dass sich die künftigen Durchschnittsteuerungen im Bereich von 1 Prozent bis 4 Prozent bewegen, können indes langfristig Minderaus1964

gaben im Umfang von rund 5 Promille der jährlichen Rentensumme erwartet werden. Bezogen auf die Rentensumme 2003 (zu Preisen 1999) sind dies die folgenden Beträge: Durchschnittliche jährliche Minderausgaben in Millionen Franken

AHV IV

Versicherung

Bund

Kantone

Total

112 (80%) _14 (50%)

24 (17%) 11 (37,5%)

4 (3%) 3 (12,5%)

140 _28

Es handelt sich bei diesen Beträgen um Durchschnittswerte; die in den einzelnen Jahren zu verzeichnenden Minderausgaben sind in der Regel von sehr unterschiedlichem Umfang.

Insgesamt kann die vorgeschlagene Korrektur beim Rhythmus der Anpassungen dazu beitragen, die Zielsetzung des finanziellen Gleichgewichts abzusichern.

3.1.6

Festsetzung der neuen AHV- und IV-Renten: Jahresweise Aufwertung der Einkommen

3.1.6.1

Einleitung

Die heute geltende pauschale Aufwertung der Einkommen bei der Rentenberechnung widerspiegelt nicht die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung der Versicherten und führt zu Benachteiligungen bestimmter Personengruppen, insbesondere von Frauen. Deshalb soll in Artikel 30 Absatz 1 AHVG diese pauschale durch eine jahresweise Aufwertung ersetzt werden.

Bei der Berechnung einer ordentlichen AHV- oder IV-Rente spielt das "massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen" eine wichtige Rolle. Gemeint ist damit der Mittelwert aller Jahreseinkommen, auf denen eine Person während der ganzen Beitragszeit AHV-Beiträge bezahlt hat. Bei der Bildung des Mittelwerts muss jedoch die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Erwerbseinkommen aus früheren Jahren wegen des tieferen Lohnniveaus nicht mit den zuletzt erzielten vergleichbar sind. Damit alle Einkommen in etwa mit dem gleichen Gewicht für die Rentenberechnung berücksichtigt werden können, müssen sie durch einen Aufwertungsfaktor an die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus angepasst werden. Diese Anpassung an die Lohnentwicklung kann auf unterschiedliche Weise vorgenommen werden. Je nach Anpassungsmethode entstehen aber unerwünschte Bevorteilungen und Benachteiligungen bestimmter Personengruppen.

Ein Aufwertungsfaktor wurde erstmals 1964 im Rahmen der 6. AHV-Revision eingeführt. Dabei handelte es sich um eine pauschale Aufwertung, d.h., der Durchschnitt aller Erwerbseinkommen wurde mit einem einheitlichen Faktor angepasst, welcher im Wesentlichen dem Mittelwert der Lohnindizes entsprach, dies ungeachtet der Tatsache, wann der erste Eintrag in das individuelle Konto (IK) erfolgte. Diese Methode war in der Praxis sehr einfach anzuwenden, führte jedoch zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Rentnerinnen und Rentner mit kurzer Beitragsdauer, weil der Beginn der Beitragszahlungen unberücksichtigt blieb.

1965

Zur Vermeidung dieses Problems wurde im Rahmen der 9. AHV-Revision (1979) die eintrittsabhängige pauschale Aufwertung eingeführt. Dieses Verfahren gilt bis heute. Hier werden für jede versicherte Person je nach dem Jahr ihrer ersten Beitragszahlung so genannte eintrittsabhängige pauschale Aufwertungsfaktoren bestimmt. Dadurch wurde ein gerechteres System als dasjenige der einheitlichen Aufwertungsfaktoren gefunden. Verglichen mit der jahresweisen Aufwertung bestehen jedoch immer noch Mängel.

Bei den pauschalen Aufwertungsverfahren wird das durchschnittliche Einkommen mit einem Durchschnittsfaktor angepasst. Bei der jahresweisen Aufwertung werden hingegen die einzelnen Jahreseinkommen mit den für das betreffende Jahr massgebenden Faktoren aufgewertet. Weiter zurückliegende Einkommen werden bei dieser Methode stärker aufgewertet als heute, neuere Einkommen dagegen schwächer. Die beiden Methoden führen zum gleichen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen, solange der Lohn der allgemeinen Lohnentwicklung folgt und keine Beitragslücken vorliegen. Dies ist jedoch meistens nicht der Fall. Für die Betroffenen kann dies negative Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben.

Seit jeher war unbestritten, dass die jahresweise Aufwertung die genaueste und gerechteste Methode ist (vgl. Botschaft zur 9. AHV-Revision, BBl 1976 III 16f.). Die Wahl der heute gültigen eintrittsabhängigen pauschalen Aufwertung wurde zum damaligen Zeitpunkt denn auch nicht mit versicherungsmathematischen, sondern mit durchführungstechnischen Überlegungen begründet. Diese Begründung kann aber heute nicht mehr geltend gemacht werden.

3.1.6.2

Vorteile der jahresweisen Aufwertung

Die pauschale Aufwertung benachteiligt vor allem Versicherte, welche im Verlauf ihrer Erwerbskarriere nur geringe Lohnsteigerungen erzielen, was in tiefen Lohnsegmenten oft der Fall ist. Ebenso werden Personen benachteiligt, welche Beitragslücken am Ende der Beitragsdauer aufweisen. Besonders betroffen sind Frauen, da sie häufiger in Tieflohnsegmenten arbeiten und zudem oft unregelmässige Karrieren aufweisen. Auch Ausländerinnen und Ausländer sowie Schweizerinnen und Schweizer im Ausland können wegen Beitragslücken benachteiligt sein. Betroffen sind schliesslich auch Selbstständigerwerbende.

Die sozialpolitischen Auswirkungen eines Übergangs zu jahresweiser Aufwertung sollen anhand der AHV-Neurentner und -Neurentnerinnen des Jahres 1997 mit Wohnsitz Schweiz und Jahrgang 1935 bzw. 1932 (33 180 Frauen und 27 848 Männer) veranschaulicht werden.

1966

Auswirkungen auf die Rentenhöhe bei Übergang zu jahresweiser Aufwertung (dargestellt an den Neurentner/innen AHV 1997) Frauen

Männer

Massgebendes Anzahl Jahreseinkommen gesamt in Franken

Mit um mindestens 30 Franken höherer Monatsrente

Mit um mindestens 30 Franken niedrigerer Monatsrente

Anzahl gesamt

Mit um mindestens 30 Franken höherer Monatsrente

Mit um mindestens 30 Franken niedrigerer Monatsrente

bis 24 120 24 121 bis 48 240 mehr als 48 240

_7 698

3 125

_ 400

__ 640

_ 170

__ 44

14 566

3 627

3 044

_8 104

1 840

_ 908

10 916

_764

2 314

19 104

2 025

1 910

Total

33 180

7 516

5 758

27 848

4 035

2 862

Bei jahresweiser Aufwertung erhalten 3125 Frauen und 170 Männer mit einem massgebenden Jahreseinkommen bis 24 120 Franken eine um mindestens 30 Franken höhere Monatsrente. Renteneinbussen verzeichnen demgegenüber vorwiegend Rentnerinnen und Rentner mit höheren massgebenden Einkommen. So erfahren 2314 Frauen und 1910 Männer mit einem Einkommen von über 48 240 Franken eine Reduktion der Monatsrente um 30 Franken oder mehr. Insgesamt erhalten 7516 Frauen und 4035 Männer eine um mindestens 30 Franken höhere Monatsrente, während bei 5758 Frauen und 2862 Männern die Monatsrente um mindestens 30 Franken tiefer ausfällt.

3.1.6.3

Verbuchung der Beiträge im individuellen Konto

Das AHVG kennt keine Bestimmung, welche die Verbuchung von Lohnbeiträgen im IK regelt. Die geltende Praxis stützt sich weitgehend auf die Rechtsprechung. Ihr zufolge wird das Einkommen unter demjenigen Jahr im IK gutgeschrieben, in welchem es erzielt wurde, es sei denn, dies wirke sich nachteilig auf eine spätere Rentenberechnung aus. Ist dies der Fall, wird das beitragspflichtige Einkommen im IK desjenigen Jahres verbucht, in welchem die entsprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (BGE 111 V 161). Im geltenden System der pauschalen Aufwertung ging es noch an, diese Frage lediglich durch Weisungen zu regeln. Mit der Einführung der jahresweisen Aufwertung der Einkommen bei der Berechnung der Renten gewinnt das Verbuchungsjahr jedoch an Bedeutung. Dies gilt insbesondere für Entgelte, die ein oder mehrere Jahre nach Ausübung der entsprechenden Tätigkeit ausbezahlt werden (Kommissionen, Honorare, Barauszahlungen von Ferien usw.). Eine ausdrückliche Gesetzesgrundlage ist somit angezeigt. Wir beantragen deshalb, in Artikel 30ter Absatz 3 AHVG das so genannte Realisierungsprinzip zu verankern. Gemäss diesem Prinzip wird das beitragspflichtige Einkommen demjenigen Jahr gutgeschrieben, in welchem es ausbezahlt wurde. Dieser Grundsatz entspricht am ehesten der Realität, erhalten doch die Arbeitnehmenden in der Regel den Lohn in dem Zeitpunkt, in welchem sie die Tätigkeit auch ausüben. So fallen richtigerweise das Jahr, in welchem der IK-Eintrag vorgenommen wird, und das Jahr, in welchem die

1967

versicherte Person ihr Arbeitsergebnis, nämlich die Lohnzahlung, erhält, zeitlich zusammen. Aus administrativer Sicht erleichtert das Realisierungsprinzip den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern die Abrechnung der Lohnbeiträge. Anders als im geltenden System kommt bei der jahresweisen Einkommensaufwertung für die Rentenberechnung den weiter zurückliegenden Beitragsjahren grösseres Gewicht zu als den weniger weit zurückliegenden. Die Eintragung nachträglicher Lohnzahlungen im IK im Realisierungsjahr, also einem weniger weit zurückliegenden Jahr, kann deshalb Auswirkungen auf die Rente haben. Im Allgemeinen ist indessen die zeitliche Verschiebung zwischen dem Jahr, in welchem der Lohnanspruch entsteht, und dem Realisierungsjahr unbedeutend (ein bis zwei Jahre). Ausser in Fällen ausserordentlicher Teuerung oder Rezession dürfte für die Versicherten die Wahl des Realisierungsjahres für die Eintragung der Einkommen im individuellen Konto bloss von geringer Tragweite sein. Die Verbuchung der Beiträge im IK von Selbstständigerwerbenden, von Arbeitnehmenden ohne beitragspflichtige Arbeitgebende und von Nichterwerbstätigen unterliegt anderen Regeln (vgl. dazu die Erläuterungen zur Art. 30ter Abs. 3 AHVG).

3.1.6.4

Finanzielle Auswirkungen

Die Umstellung auf die jahresweise Aufwertung der massgebenden Einkommen führt ohne weitere Massnahmen zu Mehrausgaben von rund 0,7 Prozent der Rentensumme AHV/IV. Bezogen auf die Rentensumme AHV/IV im Jahr 2003 (rund 33 Milliarden Franken, zu Preisen 1999) entspricht dies einem Betrag von rund 230 Millionen Franken.

Um die Einführung der jahresweisen Aufwertung für die AHV/IV insgesamt kostenneutral zu gestalten, werden zwei Massnahmen vorgeschlagen. Das heute angewandte systematische Aufrunden des massgebenden Einkommens wird durch eine genauere Berechnungsweise ersetzt (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 30bis). Zusätzlich werden die Aufwertungsfaktoren so verkleinert, dass die verbleibenden Mehrausgaben (langfristig 0,4 % der Rentensumme) kompensiert werden. Letzteres wird mittels einer Anpassung der auf Verordnungsstufe festgelegten Berechnungsweise zur Ermittlung der Aufwertungsfaktoren erreicht: Der in Artikel 51bis Absatz 2 AHVV genannte Faktor 1,1 muss entsprechend vergrössert werden.

3.1.7

Beitragsbemessung

3.1.7.1

Einleitung

Der vorliegende Revisionsentwurf sieht drei Massnahmen im Beitragsbereich vor, die Mehreinnahmen zur Folge haben. Die erste betrifft die Anhebung des Beitragssatzes der Selbstständigerwerbenden. Die zweite ist von geringerer Tragweite und sieht vor, die sinkende Beitragsskala "einzufrieren". Die dritte Massnahme betrifft die Beiträge der erwerbstätigen Personen im Rentenalter.

1968

3.1.7.2

Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden

Seit dem Jahre 1969 kennt die AHV einen geringeren Beitragssatz für Selbstständigerwerbende als für Arbeitnehmende. Heute betragen die entsprechenden Werte 7,8 gegenüber 8,4 Prozent. Nachstehend wird aufgezeigt, dass es auch heute noch gute Gründe gibt, zu einem einheitlichen Beitragssatz für Selbstständigerwerbende und Arbeitnehmende zurückzukehren. Bei der 10. AHV-Revision zeigte es sich allerdings, dass der Konsens für eine nötige Gleichstellung dieser Beitragssätze nicht vorhanden war. Wir schlagen Ihnen daher in dieser Revision lediglich eine teilweise Angleichung des Beitragssatzes für Selbstständigerwerbende vor, nämlich um 0,3 Prozentpunkte von 7,8 auf 8,1 Prozent. Diese Massnahme drängt sich aus verschiedenen Gründen auf: Die seinerzeit in erster Linie mit dem Fehlen einer beruflichen Vorsorge für die Selbstständigerwerbenden begründete Differenzierung ist heute nicht mehr gerechtfertigt. Selbstständigerwerbende können sich heute der zweiten Säule anschliessen und haben im Rahmen der dritten Säule weiter gehende Möglichkeiten als Unselbstständigerwerbende. Ausserdem kennen weder die IV noch die EO bezüglich Beitragssatz eine Vorzugsbehandlung der Selbstständigerwerbenden. Gemäss Artikel 112 Absatz 3 Buchstabe a BV müssen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge übernehmen. Daraus kann kein Anspruch der Selbstständigerwerbenden auf Abzug eines "virtuellen" Arbeitgeberanteils abgeleitet werden. Der Artikel in der BV hat zum Zweck, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen wirtschaftlichen Mindestschutz angesichts ihres speziellen Abhängigkeitsverhältnisses zu bieten. Durch die Einführung eines um 0,3 Prozentpunkte höheren Beitragssatzes ergeben sich Mehreinnahmen für die AHV von 63 Millionen Franken jährlich.

3.1.7.3

Sinkende Beitragsskala

Die Selbstständigerwerbenden mit Einkommen unter 48 300 Franken im Jahr kommen in den Genuss einer Degression der Beitragssätze (sinkende Beitragsskala). Der Mindestansatz beträgt in der AHV heute 4,2 Prozent (bei Einkommen bis zu 7800 Franken), der volle Beitragssatz 7,8 Prozent (bei Einkommen ab 48 300 Franken).

Die gleiche Abstufung kennen die EO und die IV.

Den Unselbstständigerwerbenden im selben Einkommensbereich kommt diese Wohltat nicht zu. Folglich profitieren die Selbstständigerwerbenden mit tiefen Einkommen von einer überdurchschmittlichen Solidarität der übrigen Personen, die Beiträge an die obligatorische Versicherung leisten.

Zu Beginn hatte diese Massnahme zum Zweck, die Selbstständigerwerbenden mit wirklich tiefen Einkommen zu entlasten. Aus heutiger Sicht geht sie am ursprünglichen Ziel vorbei, kommt doch laut Statistik der AHV-Einkommen 1995 die Mehrheit aller Selbstständigerwerbenden, nämlich 60 Prozent, in den Genuss der sinkenden Beitragsskala. Auf Grund der flexibleren Erwerbsformen kommt es heute häufiger vor, dass hauptberuflich Unselbstständigerwerbende ein selbstständiges Einkommen im Nebenberuf erzielen und damit beitragsmässig privilegiert behandelt werden, auch wenn sie insgesamt ein hohes Einkommen erzielen. Selbstständigerwerbende haben zudem in einem gewissen Ausmass die Möglichkeit der Einkommenssteuerung (z.B. durch Reservenbildung), weshalb von der Einkommenshöhe nicht generell auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden darf.

1969

Ohne so weit zu gehen wollen, die sinkende Beitragsskala aufzuheben, schlagen wir doch vor, sie so lange "einzufrieren", als deren Grenzen dem ursprünglich damit verfolgten Ziel nicht entsprechen. Der Bundesrat wird folglich die sinkende Beitragsskala nicht mehr an den Rentenindex anpassen, wie er dazu gemäss dem bisherigen Artikel 9bis befugt war. Diese Massnahme hat Mehreinnahmen nicht bereits bei ihrem Inkrafttreten, sondern erst längerfristig zur Folge.

3.1.7.4

Beiträge der erwerbstätigen Personen im Rentenalter

Seit dem Jahre 1979 kann der Bundesrat das von erwerbstätigen Personen im Rentenalter erzielte Erwerbseinkommen bis zur Höhe des anderthalbfachen Mindestbetrages der Altersrente von der Beitragsbemessung ausnehmen. Heute beträgt dieser Freibetrag 1400 Franken im Monat oder 16 800 Franken im Jahr. Damit sollten einerseits jene erwerbstätigen Altersrentnerinnen und -rentner entlastet werden, welche zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auf ein die Rente ergänzendes Erwerbseinkommen angewiesen waren, da seinerzeit sehr oft eine Rente der zweiten Säule fehlte. Andrerseits wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die im Rentenalter geschuldeten Beiträge nicht mehr rentenbildend sind und die laufenden und späteren Rentenansprüche damit nicht mehr verbessert werden können. Mit der vorgeschlagenen Flexibilisierung des Rentenalters wird eine fixe Grenze, ab welcher ein Freibetrag gewährt werden soll, problematisch. Im Übrigen beruht die AHV generell auf dem Solidaritätsprinzip. Es ist daher auch gerechtfertigt, dass die ältere Generation wie die jüngere behandelt und im normalen Rahmen zur Finanzierung der AHV beigezogen wird. Dies gilt umso mehr, als heute Personen im Rentenalter im Schnitt wirtschaftlich mindestens gleich gut gestellt sind wie jüngere Leute im erwerbsfähigen Alter. Jüngere Personen sind sogar häufiger von Armut betroffen als ältere.

Deshalb rechtfertigt sich eine bevorzugte Behandlung von Personen im Rentenalter nicht mehr. Mit nicht rentenbildenden Beiträgen werden indirekt die Renten von weniger gut situierten Versicherten finanziert.

Die Abschaffung des Freibetrags ermöglicht jährliche Mehreinnahmen für die AHV/ IV/EO von rund 240 Millionen Franken.

3.2

Weitere Revisionsthemen

3.2.1

Beiträge und Versicherungspflicht

3.2.1.1

AHV-Beiträge auf Taggeldern der Unfallund Krankenversicherung

3.2.1.1.1

Einleitung

Auf Taggeldern der Kranken- und Unfallversicherung, die über die Arbeitgebenden ausbezahlt werden, sollen neu AHV-Beiträge erhoben werden. Damit wird vermieden, dass ein gekürztes beitragspflichtiges Einkommen sich negativ auf die spätere Rente auswirkt.

Eine gesetzliche Regelung besteht bereits für die Taggelder der IV, der Militärversicherung (MV), der ALV und der EO. Für die Taggelder der Kranken- und Unfallversicherung besteht eine solche hingegen noch nicht.

1970

3.2.1.1.2

Ausgangslage

Das Fehlen einer entsprechenden Gesetzesbestimmung für Taggelder im Falle von Krankheit oder Unfall wirkt sich insbesondere negativ auf künftige Rentenansprüche aus. Die Höhe der ordentlichen AHV- oder IV-Rente hängt vom durchschnittlichen Jahreseinkommen ab, welches die versicherte Person bezogen und auf dem sie zusammen mit ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Beiträge entrichtet hat. Jede Einkommensminderung hat eine Verringerung des Durchschnittseinkommens zur Folge, was wiederum nachteilige Folgen für die Höhe der Rente haben kann. Dieser Effekt ist umso markanter, je kleiner die Anzahl der Beitragsjahre ist. Insbesondere bei Hinterlassenenrenten- und Invalidenrenten kann ein vorübergehend tieferes Einkommen im Gefolge einer Krankheit oder eines Unfalls die künftige Rente merklich beeinflussen, auch wenn während der ganzen berücksichtigten Jahre Beiträge entrichtet worden sind. Falls die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber den Lohn nicht entsprechend kürzt, erhält die versicherte Person ausserdem während dem Unfalloder Krankenurlaub eine gleiche oder gar höhere Nettoleistung als den Lohn, den sie beim Arbeiten verdient. Das geltende Recht erschwert zudem die Aufgabe der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei der Beitragsabrechnung, haben sie doch die von ihnen ausbezahlten Beträge in einen beitragspflichtigen und einen beitragsfreien Teil aufzuteilen. Dessen ungeachtet erheben heute verschiedene Arbeitgebende ­ sei es aus Unkenntnis der Rechtslage oder aus Gründen der administrativen Vereinfachung ­ Beiträge auf den Taggeldern der Kranken- und Unfallversicherung. Ist dies der AHV-Ausgleichskasse bekannt, so muss sie die zu Unrecht bezahlten Beiträge zurückerstatten und gegebenenfalls die Renten zu Ungunsten der ehemaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neu berechnen.

Die Einführung der Beitragspflicht auf Taggeldern der Kranken- und Unfallversicherung verhindert nicht nur Leistungskürzungen, sondern ermöglicht zugleich die Harmonisierung mit den anderen Sozialversicherungsgesetzen, auf deren Leistungen Beiträge an die AHV und die anderen mit ihr verbundenen Sozialversicherungszweige bezahlt werden. Zwei Postulate (s. die in Ziff. 1.2.4 erwähnten Postulate Vollmer und Ziegler) verlangten eine Beitragspflicht auf Versicherungsleistungen, die bei einem Unfall oder im Krankheitsfall entrichtet werden.

3.2.1.1.3

Taggelder der Krankenversicherung

Bei den andern Ersatzeinkommen sehen die Gesetze jeweils eine hälftige Teilung der Beiträge zwischen Versicherten und Versicherern vor. Die Versicherungsleistungen im Krankheitsfall unterscheiden sich in verschiedenen Punkten von den anderen Ersatzeinkommen, da die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ja nicht gesetzlich verpflichtet sind, ihre Angestellten zu versichern. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben nur die Möglichkeit, eine Kollektivversicherung abzuschliessen.

Auch wenn die kollektive Taggeldversicherung im Krankheitsfall gemäss den Artikeln 67­77 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) von den Krankenversicherern angeboten werden kann, wird die kollektive Taggeldversicherung vertraglich zunehmend den Bestimmungen des Privatrechts unterstellt (Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag, SR 221.229.1). Folglich legen die Versicherer die Höhe des Taggelds sowie die Dauer der Versicherungsdeckung nach ihrem Gutdünken fest. Die Versicherer, de-

1971

ren Tätigkeit unter das Privatrecht fällt, zur Übernahme der AHV/IV/EO- und ALVArbeitgeberbeiträge auf Versicherungsleistungen im Krankheitsfall zu verpflichten, wie dies für die anderen Ersatzeinkommen der Fall ist, kommt angesichts der genannten grundlegenden rechtlichen Unterschiede nicht in Frage. Um sowohl dem zwingenden Charakter des sozialen Schutzes der Arbeitnehmenden als auch dem freiwilligen Charakter des Krankentaggeldes gerecht zu werden, schlagen wir vor, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Arbeitgeberbeitrag leisten müssen (vgl. die Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 2 AHVG). Im Jahre 1995 richteten die Versicherer 2,4 Milliarden Franken an Taggeldern im Krankheitsfall aus. Ausgehend von diesen Zahlen würde die zusätzliche Beitragsbelastung für alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber 155 Millionen Franken pro Jahr ausmachen. Dazu kommen die Beiträge an die berufliche Vorsorge und die Prämien an die obligatorische Unfallversicherung. Für die AHV, die IV, die EO und die ALV liegt die Belastung in Wirklichkeit allerdings tiefer als 155 Millionen, da der Betrag von 2,4 Milliarden Franken auch die Leistungen umfasst, welche den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von den Versicherern direkt ausbezahlt werden und nicht beitragspflichtig sind. Für diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die aus Unkenntnis bereits heute Beiträge auf den Versicherungsleistungen bei Krankheit bezahlen, hat die vorliegende Änderung keine finanziellen Folgen.

3.2.1.1.4

Taggelder der Unfallversicherung

Bei den Taggeldern der Unfallversicherung wäre es möglich gewesen, die Beitragspflicht den Versicherern zu überbinden. Diese Lösung wurde denn auch in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen. Allerdings wünschten verschiedene Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass die Taggelder der Unfallversicherung gleich wie jene der Krankenversicherung behandelt werden. Wir glauben, dass die Übernahme der Beiträge durch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gegenüber unserem ersten Vorschlag tatsächlich Vorteile aufweist. Sie ist einfacher anzuwenden, weil die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht zwischen Taggeldern der Unfallund der Krankenversicherung unterscheiden müssen. Sie können die Beiträge wie für gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abrechnen. Ausserdem entbindet sie die Versicherer vom ganzen Bezugsaufwand. Für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist diese Lösung nicht teurer bzw. sie ist gar billiger als die erste, bei welcher die Versicherer die Arbeitgeberbeiträge und die Verwaltungskosten mittels Prämienerhöhung auf die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überwälzt hätten. Die Übernahme der Arbeitgeberbeiträge für die AHV/IV/EO/ALV macht im Maximum 94 Millionen Franken pro Jahr aus. Die Belastung wird aber wie bei den Taggeldern der Krankenversicherung weniger als diesen Betrag ausmachen.

3.2.1.1.5

Ausbezahlung durch die Arbeitgebenden

Die Taggelder der Kranken- und Unfallversicherung gehören künftig dann zum AHV-massgebenden Lohn, wenn sie der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber ausgerichtet werden. Dagegen sind Entschädigungen, welche der versicherten Person vom Versicherer direkt ausbezahlt werden, nicht beitragspflichtig. Zurzeit können die Versicherer die Auszahlung der Taggelder den Arbeitgebenden übertragen, was sie in der Regel auch tun. Damit die 1972

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sich der Beitragspflicht nicht entziehen, müssten sie zur Auszahlung der Taggelder verpflichtet werden. Eine solche Pflicht kann allerdings für die Taggelder der Krankenversicherung nicht eingeführt werden, da diese unter die zivilrechtlichen Regeln fallen. Auf Grund der engen Zusammenhänge zwischen Kranken- und Unfallversicherung sollte für die Unfallversicherung keine abweichende Lösung getroffen werden.

3.2.1.2

Weitere Themen aus dem Bereich Beiträge und Versicherungspflicht

3.2.1.2.1

Keine Plafonierung mehr für die Nichterwerbstätigenbeiträge

Anders als bei den Erwerbstätigen sind in der AHV die Beiträge für die Nichterwerbstätigen plafoniert. Der heute geltende Höchstbeitrag an die AHV von 8400 Franken im Jahr gilt ab einem Vermögen (inkl. kapitalisierten Rentenleistungen) von 4 Millionen Franken. Erwerbstätige bezahlen demgegenüber nach oben unbeschränkt Beiträge. Die Maximalrente wird ab einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von gegenwärtig 72 360 Franken erreicht; Beiträge auf höheren Einkommen stellen demnach Solidaritätsleistungen dar. Wir schlagen nun vor, auch bei den Nichterwerbstätigen eine unbegrenzte Beitragspflicht einzuführen. Eine bevorzugte Behandlung von sehr vermögenden Nichterwerbstätigen gegenüber sehr gut verdienenden Erwerbstätigen lässt sich kaum weiter aufrechterhalten. Eine Korrektur bei den Nichterwerbstätigen drängt sich umso mehr auf, als auch die Erwerbstätigen im Rahmen dieser Revision zusätzlich belastet werden (vgl.

Ziff. 3.1.7). Ausserdem ist zu beachten, dass die Anzahl der beitragspflichtigen Nichterwerbstätigen gegenüber den Anfangszeiten der AHV zugenommen hat. Die seinerzeit sicher vernachlässigbare Ungleichbehandlung kann heute nur schwerlich mehr hingenommen werden. Der aktuelle Maximalbeitrag für die Nichterwerbstätigen gilt im Übrigen seit dem 1. Juli 1975 unverändert, während der Minimalbeitrag seither fast vervierfacht wurde. Die Mehreinnahmen durch die Aufhebung der Plafonierung sind im Moment zwar gering und belaufen sich auf lediglich etwa 1­2 Millionen Franken im Jahr, da nur wenige Personen (ca. 1% der Nichterwerbstätigen) davon betroffen sind. Die finanziellen Überlegungen stehen allerdings nicht im Vordergrund. Immerhin ist für die Zukunft mit einer leicht steigenden Tendenz der Anzahl dieser Personen zu rechnen.

3.2.1.2.2

Geringfügige Entgelte

Nach dem geltenden Artikel 5 Absatz 5 AHVG können geringfügige Entgelte aus Nebenerwerb mit Zustimmung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin und des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin vom massgebenden Lohn ausgenommen werden. Im Gesetz wird indes nicht definiert, was unter Nebenerwerb zu verstehen ist.

Nach der Rechtsprechung setzt die Beitragsbefreiung das Vorliegen eines Haupterwerbs voraus. Oft erhalten jedoch Personen ohne Haupterwerb für ihr soziales, politisches, sportliches oder kulturelles Engagement nur ein symbolisches Entgelt. Auf diesen Einkommen müssen sie Beiträge entrichten, obwohl sie nach Abzug der Unkosten nicht selten nur einige hundert Franken oder weniger erreichen. Die Erfah-

1973

rung hat weiter gezeigt, dass der Begriff des Nebenerwerbs ungenau ist und daher oftmals ein untaugliches Abgrenzungskriterium abgibt. Wir beantragen deshalb, ihn aus dem Gesetz zu streichen. Neu soll nur noch die Frage entscheidend sein, ob der während eines Jahres ausbezahlte massgebende Lohn einen bestimmten Betrag erreicht oder nicht. Bis heute wurde dieser Einkommensbetrag vom Bundesrat festgelegt, ohne dass ein Anpassungsmechanismus vorgesehen gewesen wäre. Da der Begriff der Geringfügigkeit neu nur noch mittels eines Grenzbetrages definiert wird, muss dieser auf Gesetzesebene verankert werden. Er soll dem Rentenindex angepasst werden können. Schliesslich wird die vorgängige Zustimmung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers aufgegeben (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 14 Abs. 5 AHVG). Diese Regelung erleichtert das Verfahren erheblich. Sie erlaubt es ausserdem, Einkommen aus Nebentätigkeiten von Personen im Rentenalter oder von haushaltführenden Frauen oder Männern ohne Haupterwerb von der Beitragserhebung auszunehmen. Bisher mussten solche Personen auch auf geringsten Beträgen Beiträge entrichten.

3.2.1.2.3

Zweckentfremdung von Arbeitnehmerbeiträgen

Nach Artikel 87 Absatz 3 AHVG wird die Zweckentfremdung von Arbeitnehmerbeiträgen als Vergehen geahndet und mit Strafe belegt. Erachtete die Rechtsprechung diesen Tatbestand während Jahrzehnten als erfüllt, wenn der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin die tatsächlich vom Lohn abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge nicht spätestens innert der angesetzten Mahnfrist an die Ausgleichskasse überwies, so hat er in jüngster Zeit durch neue Urteile des Bundesgerichts weitgehend an Bedeutung verloren. Nach BGE 117 IV 78, bestätigt in BGE 119 IV 187 und 122 IV 270 sind Arbeitgebende nicht mehr länger strafbar, denen im Zeitpunkt der Lohnauszahlung die für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge notwendigen Mittel fehlen. Im Strafverfahren gelingt es jedoch häufig nicht, einer angeschuldigten Person nachzuweisen, dass sie im fraglichen Zeitpunkt über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt hätte. Strafanzeigen unterbleiben daher häufig. Dieser unbefriedigenden Situation soll Abhilfe geschaffen werden. Wir halten es für unannehmbar, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber folgenlos den Lohn ihrer Arbeitnehmenden um die AHV-Beiträge kürzen und für eigene Zwecke verwenden dürfen.

Wenn auch in der Regel nicht die einzelnen Arbeitnehmenden zu Schaden kommen (vgl. Art. 30ter Abs. 2 AHVG), so hat doch die Versichertengemeinschaft und die Allgemeinheit den Verlust zu tragen. Neu unter Strafe gestellt werden soll nicht die blosse Verletzung der Zahlungspflicht, sondern die Begründung einer öffentlichrechtlichen Forderung gegenüber der AHV, die die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber nicht erfüllen können. Dies scheint uns deshalb gerechtfertigt, weil den Arbeitgebenden im AHV-Beitragswesen die Stellung von gesetzlichen Vollzugsorganen der AHV zukommt (BGE 114 V 221 f. Erw. 3b).

3.2.1.2.4

Wiedereinführung des Konkursprivilegs für Beitragsforderungen der Sozialversicherungen

Im Rahmen der auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG, SR 281.1.) wurde das Konkursprivileg für die Beitragsforderungen der Sozialversicherungen aufgehoben. Dieses 1974

Privileg galt nicht nur bei der Konkursbetreibung, sondern auch bei der den Ausgleichskassen ausschliesslich zur Verfügung stehenden Betreibung auf Pfändung.

Wie sich inzwischen gezeigt hat, sind die Beitragsverluste durch die Aufhebung in der AHV, der IV, der EO und der ALV markant angestiegen. Wir rechnen mit zusätzlichen jährlichen Verlusten von mindestens 50 Millionen Franken. Für die fehlenden Mittel kommen letztlich die Versicherten, die Arbeitgebenden und die öffentliche Hand auf. Wir halten dies so lange nicht für verantwortbar, als die Möglichkeit besteht, die Beiträge bei den Schuldnerinnen und Schuldnern einzuziehen.

Ausserdem ist zu beachten, dass die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen direkt auf dem Gesetz beruht. Auf die Entstehung der Beitragsforderungen können die Ausgleichskassen keinen Einfluss nehmen, vielmehr entstehen bei jeder Lohnzahlung neue. Mit dem Wegfall des Konkursprivilegs entstand zudem ein beträchtlicher administrativer Mehraufwand für die Durchführungsorgane. Dieser betrifft nicht nur Konkurs-, sondern auch Nachlassverfahren, an denen die Durchführungsorgane nun aktiv teilnehmen müssen, und die vermehrten Fälle der Arbeitgeberhaftung (vgl. die Erläuterungen zu Art. 52 AHVG). Wir schlagen deshalb die Wiedereinführung des Privilegs der zweiten Klasse für die Beiträge der AHV, IV, EO und ALV vor. Damit kommen wir auch einem weit verbreiteten Wunsch der Vernehmlassungsteilnehmenden nach. Weil sich andere Sozialversicherungszweige in derselben misslichen Lage befinden, ist unseres Erachtens das Konkursprivileg auch für sie wieder einzuführen. Es betrifft dies die Unfallversicherung, die Krankenversicherung und die Familienzulagen. Da die vom Bund anerkannten Krankenversicherer aber seit dem 1. Januar 1996 auch Versicherungen nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) durchführen können, ist das Konkursprivileg in der Krankenversicherung nicht mehr generell für die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der vom Bund anerkannten Krankenversicherer zu gewähren, sondern auf die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung zu beschränken.

Zur Übergangsregelung: Nach Artikel 2 Absatz 3 der Schlussbestimmungen zur Änderung des SchKG vom 16. Dezember 1994 hängt die Anwendung der alten oder neuen
Privilegienordnung im Konkurs vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung und bei Pfändung vom Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs ab. Beim Nachlassvertrag hat die Rechtsprechung den Zeitpunkt der Bewilligung der Nachlassstundung für massgebend erklärt (BGE 125 III 154). Diese Übergangsregelung soll auch für die vorliegende Gesetzesänderung gelten.

3.2.2

Weitere Themen aus dem Rentenbereich

3.2.2.1

Kürzung der Leistungen wegen Selbstverschulden

Nach jüngerer Rechtsprechung des EVG (BGE 119 V 171) sind die Artikel 32 Ziffer 1 Buchstaben d und e des Übereinkommens Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO; SR 0.831.105, AS 1978 1493) und Artikel 68 Buchstaben e und fder Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit (SR 0.831.104, AS 1978 1518) im innerstaatlichen Recht direkt anwendbar. Diese Bestimmungen erlauben eine Verweigerung oder Kürzung einer IV-Rente nur dann, wenn ein Versicherungsfall vorsätzlich oder bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt worden ist. Unzulässig ist eine Verweigerung oder Kürzung hingegen, wenn ein

1975

Versicherungsfall grobfahrlässig herbeigeführt wurde. Artikel 18 Absatz 1 AHVG ist folglich an die zitierten Staatsvertragsnormen anzupassen.

3.2.2.2

Massgebende Staatsangehörigkeit für AHV/IV-Leistungen

Die Artikel 18 AHVG und 6 IVG regeln unter anderem den Leistungsanspruch von Ausländerinnen und Ausländern. Welche Staatsangehörigkeit für den Anspruch massgebend ist, wenn eine Person nacheinander mehrere Staatsbürgerschaften besessen hat, wird jedoch nicht festgesetzt. Wir schlagen deshalb vor, die erwähnten Gesetzesbestimmungen zu ergänzen.

Hängt der Anspruch auf eine ordentliche Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente von der Staatsangehörigkeit einer versicherten Person ab, so ist nach neuster Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts (EVG) zu Artikel 18 AHVG die Staatsangehörigkeit massgebend, welche eine versicherte Person entweder im Zeitpunkt der Leistung der AHV-Beiträge oder bei Entstehung des Rentenanspruchs besessen hat (BGE 119 V 1). Besitzt eine Person gleichzeitig mehrere ausländische Staatsangehörigkeiten, so ist die Angehörigkeit zu einem Staat massgebend, mit welchem die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, oder in Anlehnung an die Grundsätze des internationalen Privatrechts diejenige, welche überwiegt.

Problematisch wird die Anwendung der neuen EVG-Praxis bei sich ablösenden Staatsangehörigkeiten. Besass eine rentenberechtigte Person ursprünglich die schweizerische Staatsangehörigkeit oder jene eines Staates, mit welchem die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, und erwirbt sie später die Angehörigkeit eines Nichtvertragsstaates, so muss die Rente bei einer Ausreise aus der Schweiz neu berechnet werden. Unterschieden werden muss dann zwischen rentenbildenden Beiträgen und solchen, die nicht rentenbildend sind. Exportiert kann nämlich nur der Rententeil werden, welcher auf Beiträgen beruht, die eine Person als Staatsangehörige eines Vertragslandes entrichtet hat. Die übrigen (nicht rentenbildenden) Beiträge können gegebenenfalls einen Anspruch auf Beitragsrückvergütung auslösen. Es liegt auf der Hand, dass solche Berechnungen äusserst aufwändig sind.

Diese Schwierigkeiten können vermieden werden, wenn auf die Staatsangehörigkeit während des Leistungsbezugs abgestellt wird. Ändert sich während des Leistungsbezugs die Nationalität, wird die Leistungsberechtigung neu überprüft.

Für die Möglichkeit der Rentenauszahlung ins Ausland wird auf die Staatsangehörigkeit im Ausreisezeitpunkt abgestellt. Entweder wird die bisherige
Rente unverändert ins Ausland weitergewährt oder an Stelle der Rentenzahlungen tritt ausschliesslich die Beitragsrückvergütung. Dieser Wechsel kann auch erst nach der Ausreise aus der Schweiz stattfinden, sofern die Staatsangehörigkeit erst später ändert.

1976

3.2.2.3

Ausdehnung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften

Die Betreuungsgutschriften sind 1997 mit der 10. AHV-Revision eingeführt worden. Die ersten Wirkungsanalysen zeigen, dass die Anspruchsbedingungen zu eng gefasst worden sind und sich eine Korrektur aufdrängt.

Die bisherige Regelung beschränkt die Gewährung von Betreuungsgutschriften auf die Pflege von Verwandten mit einem Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV oder der IV für mittlere oder schwere Hilflosigkeit. Häufig werden aber solche Betreuungspflichten auch gegenüber Personen wahrgenommen, die ausschliesslich Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der obligatorischen UV oder der MV haben. Ob eine Hilflosenentschädigung der AHV oder IV oder eine solche der UV oder der MV ausgerichtet wird, hat keinen Einfluss auf die Pflegeintensität für diese Personen. Es rechtfertigt sich daher, den betreuenden Personen auch in den letzteren Fällen Betreuungsgutschriften zu gewähren. Auf Grund der Koordinationsregeln der Artikel 43bis Absatz 1 AHVG und 42 Absatz 1 IVG gewähren AHV und IV keine Hilflosenentschädigungen, wenn solche nach UVG oder auf Grund des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (MVG, SR 833.1) beansprucht werden. Mit dieser Regelung soll lediglich eine Leistungskumulation verhindert und nicht der Anspruchskreis für die Gewährung von Betreuungsgutschriften eingeschränkt werden. Neu kann daher einer betreuenden Person eine Betreuungsgutschrift auch dann gewährt werden, wenn die pflegebedürftige Person eine Hilflosenentschädigung der UV für mindestens mittlere Hilflosigkeit bezieht oder entsprechende Leistungen der MV erhält.

Betreuungsgutschriften werden ausserdem nur gewährt, wenn die betreute Person im gemeinsamen Haushalt der betreuenden Person lebt oder doch wenigstens in deren unmittelbaren Nachbarschaft. Die Erfahrung zeigt, dass dieses Erfordernis den wirklichen Gegebenheiten zu wenig Rechnung trägt und deshalb den Kreis der Anspruchsberechtigten zu sehr einschränkt. Die meisten der ungefähr 1100 Betreuungsgutschriften, die 1997 gewährt worden sind, betreffen nämlich Personen, die ihre betagten Eltern oder Schwiegereltern betreuen. Heutzutage ist es jedoch in der Regel nicht mehr so, dass verschiedene Generationen unter einem Dach wohnen oder in unmittelbarer Nähe. Ausserdem ist die Mobilität heute so gross, dass es möglich ist, jemanden intensiv
zu betreuen, auch wenn die Betreuerin oder der Betreuer nicht in der engen Nachbarschaft der betreuten Person wohnt. Wir schlagen deshalb vor, Betreuungsgutschriften auch zu gewähren, wenn die betreuende Person nicht in unmittelbarer Nähe von der betreuten Person wohnt, vorausgesetzt allerdings, dass sie ohne weiteres erreichbar ist und beispielsweise in einer halben Stunde zur betreuten Person gelangen kann.

Diese zwei Massnahmen werden dazu führen, dass vermehrt Anspruch auf Betreuungsgutschriften besteht. Die Anspruchsbedingungen bleiben jedoch immer noch restriktiv, sodass sich die Kostenfolgen dieser Vorschläge in engen Grenzen halten.

Diese Ausdehnung sollte den Ausgleichskassen keinen erheblichen administrativen Mehraufwand bringen. Die Hilflosenentschädigung der UV wird nämlich nach den gleichen Kriterien festgesetzt, wie diejenige der AHV und IV. Dies gilt zwar nicht für die Hilflosenentschädigung der MV. Angesichts der geringen Anzahl von Fällen könnte ein ähnliches Verfahren vorgesehen werden, wie es bereits heute für die Befreiung von behinderten Personen vom Militärpflichtersatz durchgeführt wird. Es ist

1977

zudem einfach abzuklären, ob die Person, die Anspruch auf Betreuungszulagen erhebt, im verlangten Umkreis der betreuten Person wohnt.

3.2.2.4

Einführung einer fakultativen Reziprozitätsklausel

1973 wurde die Beitragsrückvergütung mit dem Inkrafttreten der 8. AHV-Revision von der Bedingung abhängig gemacht, dass der Heimatstaat der betroffenen Person Gegenrecht gewährt. Im Rahmen der 10. AHV-Revision (in Kraft seit 1997) wurde auf die (obligatorische) Reziprozitätsklausel in Artikel 18 AHVG verzichtet mit folgender Begründung in der Botschaft: "Die Prüfung des Gegenrechts bildet grösste Schwierigkeiten rechtlicher und administrativer Natur und belastet unverhältnismässig unsere diplomatischen Vertretungen wie den zuständigen Dienst des Bundesamtes für Sozialversicherung. Die Erfahrungen seit der achten AHV-Revision haben denn auch gezeigt, dass sich die Einführung der Reziprozität als Voraussetzung für die Beitragsrückvergütung nicht bewährt hat. Die Gegenrechtsklausel soll daher aufgehoben werden" (BBl 1990 II 58 f.).

Es hat sich jedoch gezeigt, dass durch den Verzicht auf die Reziprozitätsklausel die legitimen Interessen von Auslandschweizerinnen und -schweizern hinsichtlich der Rückvergütung von Beiträgen, die an die Sozialversicherungen des Gastlandes entrichtet wurden, in gewissen Fällen nicht wahrgenommen werden können. Trotz der geschilderten Schwierigkeiten kommt die erneute Einführung einer generellen Reziprozitätsklausel ­ und damit eine Rückkehr zur Situation vor der 10. AHV-Revision ­ jedoch nicht in Frage. Dies würde nämlich heute eine obligatorische und generelle Abklärung des Gegenrechts bei rund 160 Staaten, mit denen die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, nach sich ziehen. Hingegen ist die Einführung einer fakultativen Reziprozitätsklausel vorgesehen, die nur in Fällen anwendbar ist, in denen dies zur Wahrung der Interessen der Auslandschweizerkolonien unabdingbar ist.

Wir schlagen daher vor, in Artikel 18 AHVG einen fakultativen Gegenrechtsvorbehalt aufzunehmen, der nur unter der Bedingung anwendbar ist, dass er keinen internationalen Verpflichtungen der Schweiz entgegensteht und der so abgefasst ist, dass ausländische Staatsangehörige weiterhin die ihnen zustehenden Rechte gegenüber der AHV wahrnehmen können. Zweck wäre einzig und allein, die Stellung der betreffenden Auslandschweizerinnen und -schweizer zu verbessern und allenfalls Verhandlungen zu ermöglichen.

3.2.3

Änderung der Anlagevorschriften des AHV-Ausgleichsfonds

Bei der Einführung der AHV wurden dem Ausgleichsfonds Anlagen in Aktien und ähnliche Beteiligungen untersagt. Diese Bestimmungen galten bis zum Inkrafttreten der 10. AHV-Revision im Jahre 1997. Mit dieser Revision wurde das Verbot des Aktienerwerbs im AHV-Gesetz aufgehoben und damit die Entscheidungskompetenz für eine begrenzte Anlage von Fondsgeldern in Aktien und ähnlichen Beteiligungen ermöglicht. Der Verwaltungsrat des AHV-Fonds hat Richtlinien über diese erweiterte Anlagepolitik erlassen. Allerdings mussten auf Grund der bestehenden Geset-

1978

zesformulierung die Beteiligungen auf schweizerische Unternehmen beschränkt werden.

Die moderne Finanzmarkt-Theorie und die tatsächliche Entwicklung zeigen, dass mit international diversifizierten Aktien seit vielen Jahren ­ von kleineren Ausnahmen abgesehen ­ eine höhere Performance erzielt werden kann als nur mit Schweizer Aktien. Die Anlagevorschriften der SUVA, der Lebensversicherungen und vor allem der beruflichen Vorsorge sind in den letzten Jahren entsprechend angepasst worden. Diese internationale Diversifizierung des Aktienmarktes soll nun auf Antrag des Verwaltungsrates des AHV-Fonds und auf Empfehlung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (BBl 1999 2439 f.) auch in der AHV ermöglicht werden. Dies erfordert die Anpassung von Artikel 108 Absatz 1 AHVG.

3.2.4

Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der EO in die IV

Um das Ziel der finanziellen Konsolidierung der IV möglichst rasch zu erreichen, soll zusätzlich zu den Einnahmen des Mehrwertsteuerprozentes nochmals eine Überweisung von Mitteln des Fonds der EO zur IV vorgenommen werden. Es kann nicht das Ziel sein, dass einzelne Sozialversicherungen hohe Reserven ausweisen und andere verschuldet sind. Mit einer möglichst raschen Tilgung der Schulden der IV kann auch die Zinsenlast verringert werden. Dies ist vor allem für die öffentliche Hand von Bedeutung, da sie gemäss Artikel 78 IVG die Hälfte dieser Zinsen zu übernehmen hat (Bund 37,5 %, Kantone 12,5 %).

Selbstverständlich darf dabei der gesetzliche Mindeststand des Ausgleichsfonds der EO von einer halben Jahresausgabe nicht unterschritten werden. Es wird vorgeschlagen, auf den 1. Januar 2003 1,5 Milliarden Franken aus dem Ausgleichsfonds der EO in die IV zu verlagern. Der Leistungsausbau der 6. EO-Revision einerseits und die grösseren Jahrgänge der Dienstpflichtigen werden in den kommenden Jahren Ausgabenüberschüsse ergeben. Die mittelfristige finanzielle Sicherheit der EO wird dadurch aber nicht gefährdet. Es werden nämlich neue Reformschritte in Armee und Bevölkerungsschutz vorbereitet. Dabei werden die Diensttage zurückgehen und der EO-Fonds wird auch langfristig mehr als eine halbe Jahresausgabe betragen.

3.2.5

Verwendung der Goldreserven der Nationalbank

In den nächsten Jahren wird die Schweizerische Nationalbank rund 1300 Tonnen Gold ­ die, je nach Goldpreis, knapp 17 Milliarden Franken entsprechen ­ verkaufen können, welches nicht mehr für geld- oder währungspolitische Zwecke gebraucht wird. Nachdem für den Bundesrat klar ist, dass 500 Tonnen Gold für die Stiftung solidarische Schweiz eingesetzt werden sollen, stellt sich noch die Frage nach der Verwendung der übrigen 800 Tonnen Gold. Der Bundesrat ist zum Schluss gekommen, dass für die Verwendung der überschüssigen Goldreserven neben dem Bildungsbereich und dem Schuldenabbau die Altersvorsorge im Vordergrund steht.

Da eine Einspeisung der Goldreserven in ihrer Substanz in den AHV-Fonds aber die strukturellen Finanzierungsbedürfnisse der AHV nicht zu decken vermöchte, prüft der Bundesrat gegenwärtig im Rahmen der Vorbereitung einer Vernehmlassungs1979

vorlage zur Verwendung der überschüssigen Goldreserven eine gezieltere Verwendungsmöglichkeit im Bereich der AHV, bei welcher der Vermögensertrag dazu eingesetzt würde, Massnahmen der 11. AHV-Revision im Bereich Rentenalter/ flexibles Rentenalter und Anpassung der Witwenrente an die Witwerrente gezielt sozial abzufedern. Diese zur Sicherstellung eines dauerhaften finanziellen Gleichgewichts der AHV unumgänglichen Massnahmen könnten in einer Übergangsphase für bestimmte Personengruppen durch Überbrückungsleistungen, die aus der Anlage des Verkaufserlöses der überschüssigen Goldreserven finanziert würden, gemildert werden. Die Vernehmlassungsvorlage zur Verwendung der überschüssigen Goldreserven wird im Sommer 2000 vorliegen.

3.3

Nicht berücksichtigte Revisionsbegehren

3.3.1

Verhältnis Minimal-/Maximalrente

Im Rahmen des Auftrags an die IDA FiSo 2 liess der Bundesrat beim Schwerpunktkatalog der in die Analyse einzubeziehenden Leistungsparameter auch das Verhältnis von der Minimal- zur Maximalrente in der AHV/IV überprüfen.

Dieses Verhältnis beträgt seit 1969 (7. AHV-Revision) 1:2. In Artikel 34quater Absatz 2 Satz 4 BV ist seit 1972 festgehalten, dass "die Höchstrente das Doppelte der Mindestrente nicht übersteigen darf". Der Bundesrat ist der Meinung, dass diese Verfassungsregelung nicht geändert werden soll. Mit einer Anhebung der Minimalrente und/oder einer Senkung der Maximalrente würde ein je nach Ausgestaltung weit gehender Schritt in Richtung Einheitsrente getan. Die Einheitsrente widerspricht aber dem Grundsatz der Beachtung des Versicherungsprinzips, von dem der Bundesrat nicht abweichen möchte. Angesichts der Notwendigkeit, die Finanzierung der ersten Säule auf lange Sicht sicherzustellen, soll in diesem Bereich an der ausbalancierten Solidarität der höheren mit den tieferen Einkommen nichts geändert werden. Eine gewisse Verstärkung der Solidarität im Rentenbereich wird dagegen die Flexibilisierung des Rentenalters mit sich bringen (oben Ziff. 3.1.3).

3.3.2

Nachzahlung fehlender Beitragsjahre

Das Postulat Vermot vom 5. März 1997 (97.3065; AHV-Nachzahlungsmöglichkeit für fehlende Beitragsjahre) hat der Bundesrat am 23. April 1997 entgegengenommen und sich bereit erklärt, das Problem der Auffüllung von Beitragslücken unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit der 10. AHV-Revision im Rahmen der 11. AHV-Revision einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Der Bundesrat hat bereits in seiner Botschaft zur 10. AHV-Revision vom 5. März 1990 (BBl 1990 II 63 f.) auf die Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung einer Nachzahlungsmöglichkeit hingewiesen und daher auf eine solche Lösung verzichtet. Die Höhe der nachzuzahlenden Beiträge würde für die Versicherten prohibitive Ausmasse annehmen, wenn die Lösung für die Versicherung einigermassen kostenneutral sein sollte. Wirtschaftlich schlechter gestellte Personen könnten daher von einer solchen Nachzahlungsmöglichkeit kaum profitieren.

Immerhin konnte bereits auf den 1. Januar 1990 mit der Änderung von Artikel 52d AHVV betreffend die Anrechnung fehlender Beitragsjahre eine wesentliche Verbes1980

serung erzielt werden. Durch die geänderte Regelung können seither für fehlende Beitragsjahre vor dem 1. Januar 1979 bis zu drei Beitragsjahre zusätzlich angerechnet werden. Bei kürzeren Auslandaufenthalten, welche vor Inkrafttreten der 9. AHVRevision und somit vor Einführung der seither gültigen Teilrentenordnung lagen, konnte damit das Problem der Beitragslücken weitgehend beseitigt werden.

Das Verfahren der Einkommensteilung (Splitting), das seit dem 1. Januar 1997 (10. AHV-Revision) in Kraft ist, hat den Einfluss fehlender Beitragsjahre auf die Rentenhöhe noch zusätzlich vermindert. Den gleichen Effekt haben die ebenfalls seit diesem Datum zu berücksichtigenden Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die als fiktive Einkommen gegebenenfalls Beitragslücken füllen können.

Bei längeren Beitragslücken darf ausserdem nicht übersehen werden, dass die betroffenen Personen im Rahmen eines Sozialversicherungsabkommens häufig in den Genuss von ausländischen Leistungen gelangen, welche die lückenbedingten Kürzungen der schweizerischen AHV- oder IV-Renten mindestens teilweise ausgleichen. Nicht zu vergessen ist auch, dass Nachzahlungsmöglichkeiten dem Versicherungsprinzip klar zuwiderlaufen.

Aus diesen Gründen halten wir die Schaffung einer zusätzlichen Möglichkeit für Beitragsnachzahlungen nicht für nötig.

3.3.3

Verbesserung der AHV-Renten für Alleinstehende

Am 28. Januar 1998 hat der Bundesrat beantragt, die Motion Baumann (97.3571; Verbesserung der AHV-Renten für Alleinstehende), mit welcher die Gewährung eines Zuschlages von 20 Prozent (analog dem Verwitwetenzuschlag) auf den Renten von Alleinstehenden ohne Anspruch auf eine maximale Vollrente verlangt wurde, in ein Postulat umzuwandeln. Der Nationalrat ist diesem Antrag am 17. Juni 1999 gefolgt. In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass bereits die neue Rentenformel, welche am 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt worden ist, Leistungsverbesserungen für 80 Prozent der ledigen und geschiedenen Personen gebracht hat. Ein weitere Verbesserung konnte mit der Einführung von Erziehungsgutschriften für geschiedene Frauen (ab 1. Januar 1994) und für alle (ab 1. Januar 1997) erzielt werden. Mit der Einführung von Betreuungsgutschriften konnte schliesslich noch ein dritter Schritt in dieselbe Richtung getan werden.

Selbst wenn der Anteil lediger und geschiedener Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, immer noch rund 30 Prozent beträgt, rechtfertigt sich die generelle Einführung eines Zuschlages für Alleinstehende ohne Anspruch auf eine maximale Vollrente nicht. Die Tatsache, dass eine Person keine maximale Vollrente bezieht, bedeutet noch nicht, dass sie auch bedürftig ist. Eine Altersrente kann tief sein, weil eine Person beispielsweise von der Beitragspflicht befreit (nichterwerbstätige Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten; internationale Beamte) oder einer ausländischen Versicherung unterstellt war. Auf der andern Seite kann sich eine Person auch trotz maximaler Vollrente in prekären finanziellen Verhältnissen befinden. Unter diesen Umständen sind die Ergänzungsleistungen auf Grund ihrer bedarfsabhängigen Ausgestaltung ein zielgerichtetes Instrument für die Hilfe an bedürftige Personen.

Die vorliegende Revision sieht ausserdem zwei Massnahmen vor, bei welchen insbesondere auch alleinstehende Personen Rentenverbesserungen erfahren werden: die 1981

Einführung der jahresweisen Aufwertung der Einkommen bei der Berechnung der AHV- oder IV-Renten (Ziff. 3.1.6) und die Ausdehnung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften (Ziff. 3.2.2.3).

3.3.4

Unterstellung aller Ausgleichskassen unter das eidgenössische Datenschutzgesetz

Der von den Ausgleichskassen eingebrachte Antrag, die Ausgleichskassen vom Anwendungsbereich der kantonalen Datenschutzgesetzgebung auszunehmen, wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. Zwar verfügen die Kantone im Datenschutzrecht über einen Selbstständigkeitsbereich, in der AHV indes haben sie keine Kompetenz. Somit sind die kantonalen AHV-Ausgleichskassen, als kantonales Organ, einer Doppelregelung unterstellt; zum einen der kantonalen Gesetzgebung über den Datenschutz ­ wie jede andere kantonale Verwaltungsstelle ­, zum andern der AHV. Dabei entsprechen sowohl das AHVG als auch seine Anwendungsbestimmungen den Grundsätzen des Datenschutzes, wie sie auf eidgenössischer Ebene verankert sind.

Im Fall einer Normenkollision gehen die Bestimmungen der AHV vor. Die AHVVerbandsausgleichskassen wiederum sind dem Bundesgesetz über den Datenschutz unterstellt, gelten sie doch im Sinne dieses Gesetzes als "Bundesorgane". Übernehmen sie noch andere Aufgaben neben der Durchführung der AHV, können sie nichtsdestoweniger der kantonalen Gesetzgebung über den Datenschutz unterstellt sein.

Diese Doppelunterstellung bringt zwar gewisse Komplikationen mit sich. Sie ist aber eine Folge der Kompetenzaufteilung zwischen dem Bund und den Kantonen im Bereich des Datenschutzes58. Der Vorschlag für eine einheitliche Anwendung des Bundesrechts ist in der Vernehmlassung nebst den Vollzugsorganen der AHV/IV von acht Kantonen unterstützt worden und verdient eine sorgfältige Prüfung. Sollte es zu einer Neuverteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Kantonen kommen oder sollten Massnahmen zur Milderung der nachteiligen Folgen dieser Kompetenzverteilung ergriffen werden, dann müsste man im Bereich des Datenschutzes vorgehen und nicht im Rahmen der 11. AHV-Revision. Die AHV-Gesetzgebung enthält nämlich keine Bestimmung über die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen im Datenschutzbereich; ganz anders das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG, SR 235.1), das in Artikel 3 Buchstabe h den Begriff Bundesorgane umschreibt und in Artikel 37 Absatz 1 die Anwendung des kantonalen Rechts auf Personendaten beschränkt, die durch kantonale Organe beim Vollzug von Bundesrecht bearbeitet werden (sofern der betroffene Kanton über eine entsprechende Gesetzgebung verfügt). Mit einer nur auf die AHV bezogenen Änderung
dieser Vorschriften würde die in der Schweiz geltende förderalistische Verfassungsordnung, wie bereits angesprochen, gestört und zudem eine Sondersituation für nur eine Sozialversicherung geschaffen, während andere Versicherungszweige vielleicht ähnliche Schwierigkeiten haben. Es wäre somit sinnvoller, diese Problematik in einem umfassenderen Geschäft zu behandeln, beispielsweise bei der nächsten Revision der Datenschutzgesetzgebung.

58

vgl. R. Schweizer "Das neue Datenschutzgesetz des Bundes", Schulthess Verlag, S. 29 ff.

1982

3.3.5

Anerkennung der Freiwilligenarbeit in der AHV

Im Postulat vom 25. Juni 1998 (98.3308) wurde der Bundesrat von Nationalrat Widmer ersucht, bei der AHV einen Bonus für Freiwilligenarbeit im Sozialbereich einzuführen, wenn diese von Personen ausgeführt wird, die nicht erwerbstätig sind oder ein tiefes Einkommen haben. Der Bundesrat erklärte sich bereit, das Postulat entgegenzunehmen und im Rahmen der vorliegenden Revision zu prüfen. Zahlreiche an der Vernehmlassung zum Vorentwurf der Botschaft über die 11. AHV-Revision Beteiligte formulierten Anliegen, die sich weitgehend oder vollumfänglich mit dem Postulat von Nationalrat Widmer decken.

Keine Gemeinschaft kann auf Freiwilligenarbeit verzichten, und jede funktionierende Gesellschaft setzt voraus, dass gewisse Aufgaben unentgeltlich und freiwillig übernommen werden.

Heute kommt der Freiwilligenarbeit eine immer grössere Bedeutung zu: Den Gemeinwesen fehlt es an Mitteln und sie kürzen oder streichen Leistungen auch im Bereich der Betreuung von älteren Menschen, Kindern, Behinderten oder Personen mit Integrationsschwierigkeiten. Die Zahl der freiwillig Tätigen nimmt jedoch ab, da gewisse traditionell unentgeltlich verrichtete Tätigkeiten so anspruchsvoll geworden sind, dass sie nur durch Fachkräfte ausgeführt werden können. Zudem sehen sich auf Grund der gegenwärtig schwierigen Wirtschaftslage viele Personen gezwungen, ihre Freiwilligentätigkeit ganz oder teilweise zu Gunsten einer bezahlten Arbeit aufzugeben.

Gewisse Befürworterinnen und Befürworter eines Bonus für Freiwilligenarbeit sind der Ansicht, dass die Freiwilligenarbeit durch diesen Bonus der bezahlten Arbeit angenähert und damit aufgewertet würde, wie dies bereits bei der von der AHV anerkannten Erziehungsarbeit oder der Betreuung Angehöriger der Fall ist. Es wird auch das Ziel angestrebt, dass die Frauen dadurch höhere Renten erhalten. Einig sind sich alle, dass die Einführung eines Bonus die Freiwilligenarbeit attraktiver machen würde.

Fest steht, dass Freiwilligenarbeit im Sozialbereich in erster Linie durch Frauen verrichtet wird. In den übrigen Bereichen (z.B. Sport, Kultur, Politik) sind vor allem Männer engagiert59. Die Einführung von Gutschriften ausschliesslich für Freiwilligenarbeit im Sozialbereich würde also vor allem den Frauen zugute kommen. Der daraus entstehende Nutzen wäre aber gering.

Die mit der 10. AHV-Revision
definitiv eingeführte neue Formel für die Rentenberechnung mit einer Begünstigung der tiefen Einkommen sowie die eingeführten Erziehungs- und Betreuungsgutschriften und das Einkommenssplitting führten zu einer wesentlichen Besserstellung der Renten von Personen, welche, wie viele Frauen, nicht erwerbstätig waren, welche die Erwerbstätigkeit während längerer Zeiträume unterbrachen oder die über tiefe Einkommen verfügten. Die vorliegende Revision sieht weitere Massnahmen vor, welche insbesondere Frauen und tiefe Einkommen begünstigen: die jahresweise Aufwertung der Einkommen (vgl. Ziff. 3.1.6) und die Ausdehnung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften (vgl. Ziff. 3.2.2.3).

Im Rahmen der 10. AHV-Revision wurde geprüft, ob Freiwilligenarbeit für die Gewährung von Betreuungsgutschriften berücksichtigt werden kann. Das Parlament 59

Vgl. BFS, SAKE -News 4/1998 und Wallimann, Freiwillig Tätige im Sozialbereich und anderen Bereichen: Ergebnisse aus einer nationalen Befragung, Basel 1993.

1983

lehnte dies schliesslich ab, angesichts der Schwierigkeit, die abzugeltende Freiwilligenarbeit zu definieren. An diesen Definitionsproblemen hat sich nichts geändert.

Die Vorschläge der Befürworter eines Bonus für Freiwilligenarbeit bringen diese Problematik deutlich zum Vorschein. Während gewisse Befürworter nur die im Sozialbereich vollbrachte Freiwilligenarbeit berücksichtigen wollen, schlagen andere vor, jede Form freiwilliger Arbeit einzubeziehen, d.h. auch Freiwilligenarbeit in Politik, Sport, Kultur, Religion, Ökologie, Erziehung und Nachbarschaftshilfe. Weiter gehen die Meinungen in der Frage auseinander, ob Freiwilligenarbeit ausschliesslich berücksichtigt werden soll, wenn sie im Auftrag anerkannter Institutionen und Organisationen erfolgt, oder ob diesbezüglich keine Bedingungen zu stellen sind. Was das Mindestvolumen der von der AHV zu berücksichtigenden Freiwilligenarbeit betrifft, klaffen die Vorstellungen ebenfalls weit auseinander: Die Vorschläge gehen von 100 Stunden pro Jahr bis zu jährlich über 400 Stunden.

Wird bei der AHV eine Gutschrift nur für bestimmte Kategorien von Freiwilligenarbeit gewährt, so wird die nicht berücksichtigte Freiwilligenarbeit abgewertet. Es kann aber nicht Aufgabe der Sozialversicherung sein, darüber zu entscheiden, welche Kategorien von Freiwilligenarbeit eine Gutschrift verdienen und welche nicht.

Ohne entsprechende Kriterien hingegen wären die Gesuche derart zahlreich, dass sie kaum zu bewältigen wären. Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung übt nämlich eine freiwillige Tätigkeit aus.

Auch die Frage nach dem Volumen der Freiwilligenarbeit wirft Probleme auf. Soll eine Person, die zehn Stunden pro Monat unentgeltlich arbeitet, gleich behandelt werden wie eine andere, die dieser Tätigkeit hundert Stunden widmet? Im Rahmen einer gerechten Lösung wären abgestufte Gutschriften erforderlich, was auch einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auslösen würde.Weiter dürfte es Schwierigkeiten und Abgrenzungsprobleme bei Freiwilligenarbeit geben, die symbolisch entschädigt wird oder mit einer guten Spesenentschädigung verbunden ist.

Aus all diesen Gründen lehnt der Bundesrat die Gutschrift für die Freiwilligenarbeit nach wie vor ab.

3.3.6

Abschaffung des Regressprivilegs

Stirbt eine versicherte Person oder wird sie invalide infolge Einwirkung durch Dritte (haftpflichtige Dritte), so ist die AHV/IV berechtigt, bei diesen Dritten für einen Teil oder die gesamten von der AHV/IV erbrachten Leistungen zu regressieren. Dieses Regressrecht ist jedoch begrenzt, wenn das Opfer und die schädigende Person verwandt sind, im gemeinsamen Haushalt leben oder in der gleichen Firma arbeiten (Arbeitgebende oder Arbeitskolleginnen und -kollegen). In diesen Fällen ist ein Regress nur möglich, wenn die haftpflichtige Person grobfahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat (vgl. Art. 44 UVG und der neue Art. 48sexies AHVG). Das Privileg für Arbeitgebende und Familienangehörige, das in den Anfängen des UVG aus sozioökonomischen Gründen eingeführt wurde, hat mit der Entwicklung der Haftpflichtversicherungen viel von seiner Bedeutung verloren. Das Regressprivileg hat eine unsachgerechte Verteilung der ökonomischen Konsequenzen der zur Diskussion stehenden Unfälle zur Folge. Die Konsequenzen dieser Ereignisse werden vorwiegend von den Sozialversicherungen getragen und nicht von den Haftpflichtversicherern. Deswegen wurde die Frage der Abschaffung des Regressprivilegs in den letzten Jahren bei den Arbeiten für das Bundesgesetz über einen allgemeinen Teil des 1984

Sozialversicherungsrechts (ATSG) aufgeworfen, ohne dass die Diskussionen zu konkreten Änderungsvorschlägen geführt hätten. Gemäss einem Rechtsgutachten von Prof. Thomas Koller wird die Abschaffung des Privilegs in den Fällen befürwortet, soweit die Haftung auf einem Kausalhaftungstatbestand beruht oder soweit Arbeitgebende für leichte Fahrlässigkeit einzustehen haben. Das erwähnte Regressprivileg ist demgegenüber beizubehalten, soweit Familienangehörige des Opfers, Nebenmitarbeitnehmende und Familienangehörige des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin für leichte Fahrlässigkeit einzustehen haben. Die Umsetzung der überzeugenden Expertise bedingt diverse Gesetzesänderungen, im Besonderen eine Modifikation des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Da sich verschiedene komplexe Fragestellungen vor allem im Bereiche des UVG und des VVG ergeben, soll diese Thematik nicht im Rahmen der 11. AHV-Revision angegangen werden.

4

Finanzielle Auswirkungen der Revisionsmassnahmen

4.1

Auswirkungen ohne Übergangseffekte

Das Ausmass der Veränderungen bei den Leistungen und den Beiträgen ist für die einzelnen Revisionsmassnahmen in der Tabelle 41-1 für die AHV und die IV aufgelistet. Um eine Beurteilung der langfristigen Auswirkungen zu ermöglichen, werden diese für das Jahr 2003 ausgewiesen. Dies ist der vorgesehene Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision. Die Übergangseffekte beim Rentenalter und bei den Witwenrenten werden dabei nicht berücksichtigt, diese werden in der folgenden Ziffer 42 behandelt.

Bei den Witwenrenten werden in der AHV 833 Millionen Franken eingespart und für die Witwerrenten 47 Millionen mehr aufgewendet (vgl. Ziff. 3.1.4.7), was zusammen eine Entlastung der Ausgaben von 786 Millionen Franken ergibt. Die jährlichen Einsparungen beim Rhythmus der Rentenanpassung (vgl. Ziff. 3.1.7) sind ein Durchschnitt über 15 Jahre. Die Auswirkungen der reduzierten Rentenkürzung bei einem Rentenvorbezug und der Rentenaltererhöhung bei den Frauen auf 65 sind in der Tabelle 41-2 noch detaillierter ausgewiesen. Die Erhöhung des Rentenalters verursacht bei der IV Mehrausgaben wegen der längeren Bezugsdauer. Ohne Übergangseffekte betragen die Mehrausgaben und der Beitragsausfall bei der AHV und IV 28 Millionen Franken im Jahr 2003.

1985

Tabelle 41-1 Finanzielle Auswirkungen der 11. AHV-Revision im Jahr 2003 ohne Übergangseffekt Beträge in Millionen Franken zu Preisen von 1999 AHV

IV

­__74

_69

­_786 ­_150 ­1010

­11 ­27 _31

Beiträge Rentenalter 62­65 Aufhebung Freibetrag für Altersrentner Sinkende Skala* Beitragssatz Selbstständigerwerbende 8,1 % Nichterwerbstätige Total

­__28 __202 ___27 ___63 ­__14 __250

­_5 _34 __4 ­ ­_2 _31

Insgesamt (Renten minus Beiträge)

­1260

__0

Renten Rentenalter 62­65 (Rentenaltererhöhung mit Flexibilisierung) Witwen und Witwer Rhythmus der Rentenanpassung Total

* entspricht den Mehreinnahmen im Jahr 2010

Tabelle 41-2 Rentenalter 62­65 im Jahr 2003 ohne Übergangseffekt Veränderung der Ausgaben und Beitragseinnahmen Beträge in Millionen Franken

zu Preisen von 1999 Renten

Beiträge

Renten minus Beiträge

AHV Rentenalter Frau 65 Rentenvorbezug Total AHV

­422 _348 ­_74

_23 ­51 ­28

­445 _399 ­_46

IV Rentenalter Frau 65 Rentenvorbezug Total IV

__69 ___0 __69

__4 ­_9 ­_5

__65 ___9 __74

Total AHV und IV

­__5

­ 33

__28

1986

4.2

Übergangseffekte bei der AHV Tabelle 42-1

Übergangseffekte der Erhöhung des Rentenalters der Frau sowie der Flexibilisierung des Rentenalters Beträge in Millionen Franken Jahr

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

zu Preisen von 1999

Rentenalter Frau 65

Rentenvorbezug

Total

Renten

Beiträge

Renten minus Beiträge

Renten

Beiträge

Renten minus Beiträge

___0 ___0 ___0 ___0 ___0 ___0 ­291 ­582 ­612 ­603 ­627 ­610 ­628

_0 _0 _0 _0 _0 _0 14 30 30 31 31 31 30

___0 ___0 ___0 ___0 ___0 ___0 ­305 ­612 ­642 ­634 ­658 ­641 ­658

_53 215 207 262 132 _34 157 640 744 654 648 601 590

­_47 ­_58 ­_74 ­_93 ­_76 ­_80 ­_90 ­104 ­116 ­119 ­118 ­119 ­119

100 273 281 355 208 114 247 744 860 773 766 720 709

_100 _273 _281 _355 _208 _114 ­_58 _132 _218 _139 _108 __79 __51

Die Veränderungen beim Rentenalter und den neuen Anspruchsbedingungen für Witwenrenten bewirken Übergangseffekte, welche stark ins Gewicht fallen. Tabelle 42-1 zeigt die Entwicklung der finanziellen Konsequenzen der Erhöhung des Rentenalters der Frau sowie der Flexibilisierung des Rentenalters.

Die Grafik 42-1 veranschaulicht diese Zahlen. Die Rentenaltererhöhung im Jahr 2009 ermöglicht für Frauen ab Jahrgang 1945 eine um ein Jahr längere Vorbezugsdauer. Gemäss der Übergangsregelung der 10. AHV-Revision wird bei den Frauen der Jahrgänge 1947 und älter nur der halbe versicherungstechnische Kürzungssatz angewendet, was heute 3,4 Prozent pro Vorbezugsjahr ergibt. Für Frauen werden Kürzungssätze von mehr als 3,4 Prozent erst ab 2010 für die Jahrgänge 1948 und jünger angewendet. Entsprechende Anpassungen bei den Vorbezugsquoten ab Alter 62 wurden einbezogen.

1987

Grafik 42-1 Finanzielle Auswirkungen Rentenalter 62­65 zu Preisen von 1999 1 000 800 600 400 200 0 - 200 - 400 - 600 - 800 2003

Rentenalter Frau 65 Rentenvorbezug Total

2005

2007

2009 Jahr

2011

2013

2015

Die Übergangsregelung zu den neuen Anspruchsbedingungen für Witwenrenten bewirkt eine fünfzehnjährige Übergangszeit, bis die Einsparungen voll zur Wirkung kommen. Die Grafik 42-2 zeigt in den einzelnen Jahren den Anteil der realisierten Einsparungen gemessen an den Einsparungen ohne Übergangsrecht. In den ersten drei Jahren gilt noch das alte Recht. Im Jahr 2009 verursacht die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre eine Verlängerung der Übergangszeit um ein Jahr. Der Nettobetrag der Einsparungen bei den Witwen und den Ausgaben bei den Witwern ist in der Tabelle 42-2 ausgewiesen.

1988

Grafik 42-2 Neue Anspruchsbedingungen bei Witwenrenten: Realisierte Einsparungen 100% 90% Realisierte Einsparungen

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 2003

2005

2007 2009 2011 2013 Jahr (Inkrafttreten der 11. AHV-Revision 2003)

2015

2017

2019

In der Tabelle 42-2 sind alle Auswirkungen der Revision auf die Ausgaben und Beiträge bei der AHV zusammengestellt. Die Anfangskosten des flexiblen Rentenalters werden nach dem Jahr 2015 durch die vorbezugsbedingten Rentenkürzungen und durch die Einsparungen auf Grund der Rentenerhöhungen ausgeglichen (vgl.

Tabelle 42-1). Die Einsparungen bei den Witwenrenten werden bis zum Jahr 2018 noch zunehmen. In der Kolonne neue Beiträge sind auch Beiträge auf den Taggeldern der UV und KV enthalten. Diese Mehreinnahmen sind nur vorübergehend, da später deswegen höhere Renten entstehen.

Tabelle 42-2 Auswirkungen der 11. AHV-Revision auf den Finanzhaushalt der AHV Beträge in Millionen Franken Jahr

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

zu Preisen von 1999

Mehrausgaben

Mehrbeiträge

Flexibles Rentenalter

Witwen Total und Witwer

Flexibles Rentenalter

Neue Beiträge

Total

53 214 206 261 131 34 ­133 58 131 51 21 ­ 10 ­ 36

8 16 24 ­187 ­218 ­254 ­331 ­388 ­473 ­539 ­649 ­731 ­821

­46 ­58 ­74 ­93 ­76 ­79 ­75 ­73 ­85 ­87 ­87 ­87 ­88

383 391 396 409 413 417 421 440 443 458 462 478 483

337 333 322 316 337 338 346 367 358 371 375 391 395

61 230 230 74 ­ 87 ­220 ­464 ­330 ­342 ­488 ­628 ­741 ­857

Mehrausgaben minus Mehrbeiträge

­ 276 ­ 103 ­ 92 ­ 242 ­ 424 ­ 558 ­ 810 ­ 697 ­ 700 ­ 859 ­1003 ­1132 ­1252

1989

4.3

Die Finanzhaushalte

4.3.1

Beurteilung der Finanzhaushalte der AHV

Die Anhangtabellen 1 und 2 zeigen die Finanzhaushalte der AHV unter der geltenden Ordnung und mit der 11. AHV-Revision. In der hintersten Spalte der Tabellen wird der Stand des Kapitalkontos in Prozenten der Ausgaben ausgewiesen. Dieser Wert ist ein guter Indikator zur Beurteilung der finanziellen Situation über mehrere Jahre. Bis Ende 2002 wird das Kapitalkonto klar unter 70 Prozent einer Jahresausgabe fallen. Beim Finanzhaushalt geltende Ordnung entstünde im Jahr 2010 eine Verschuldung von 3 Prozent.

Beim Finanzhaushalt mit der 11. AHV-Revision wird das Total der Mehrausgaben und das der Mehrbeiträge aus der Tabelle 42-2 verwendet. Sie erscheinen bei den Ausgaben in der Spalte 11. AHV-Revision und bei den Einnahmen unter Beiträge 11. AHV-Revision. Der Beitrag der öffentlichen Hand ist weiterhin mit 20 Prozent der Ausgaben definiert (weitere Angaben unter Ziff. 6.1). Das Kapitalkonto der AHV enthält ab dem Jahr 2007 mehr als 70 Prozent einer Jahresausgabe ­ dies dank den vorgesehenen Erhöhungen der MWST im Jahre 2003 um 0,5 Prozentpunkte und im Jahre 2006 um 1 Prozentpunkt. Die Renten werden gemäss dem neuen Anpassungsrhythmus (vg. Ziff. 3.1.5) gegenüber der geltenden Ordnung erst im Jahre 2004 statt 2003 angepasst. Um dem längerfristigen Spareffekt im Finanzhaushalt Rechnung zu tragen, wird eine weitere dreijährige Periode von 2006 bis 2009 vorgegeben.

4.3.2

Beurteilung der Finanzhaushalte der IV

Die Anhangtabellen 3 und 4 zeigen die Finanzhaushalte der IV unter der geltenden Ordnung und mit der 11. AHV-Revision. Dabei werden die möglichen Auswirkungen der 4. IV-Revision noch nicht berücksichtigt. Zum heutigen Stand der Vorarbeiten zur 4. IV-Revision sei auf Ziffer 1.1.4.2.2 verwiesen. Bis Ende 2002 wird die IV beim AHV-Fonds Schulden von einer halben Jahresausgabe haben. Dank der Kapitalverlagerung von 1,5 Milliarden Franken aus dem EO-Fonds und der Zusatzfinanzierung ab 2003 wird die IV diese Schulden bis 2008 abbauen können. Ab 2010 ermöglicht dies die MWST für die IV auf 0,9 Prozentpunkte zu senken, ohne das längerfristige Gleichgewicht der Finanzierung zu gefährden. Der Anteil der öffentlichen Hand beträgt weiterhin 50 Prozent der Ausgaben (weitere Angaben unter Ziff. 6.1).

4.3.3

Beurteilung des Finanzhaushaltes der EO

Die Anhangtabelle 5 zeigt den Finanzhaushalt der EO unter der geltenden Ordnung bei den Ausgaben und der Kapitalverlagerung von 1,5 Milliarden Franken zur IV im Jahre 2003. Der Leistungsausbau der 6. EO-Revision einerseits und die grösseren Jahrgänge der Dienstpflichtigen werden in den kommenden Ausgabenüberschüssen ergeben. Bis zum Jahr 2010 wird sich der Fondsstand auf zwei Drittel der Jahresausgabe zurückbilden. Neue Reformschritte von Armee und Bevölkerungsschutz sind aber absehbar und werden vorbereitet. Dabei werden die Diensttage zurückge-

1990

hen und der EO-Fonds wird auch langfristig mehr als die erforderliche halbe Jahresausgabe betragen.

5

Besonderer Teil: Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Verfassungs- und Gesetzesänderungen

5.1

Änderung der Bundesverfassung

Art. 112 Abs. 3 Bst. c (neu) und Abs. 5 Vgl. Ziffer 3.1.2.2.1 Art. 130 Abs. 4­6 (neu) Vgl. Ziffer 3.1.2.2.1. Die vorgeschlagene Ergänzung des Artikels 130 BV mit den neuen Absätzen 4­6 beinhaltet die Kompetenzregelung für die Finanzierung des über die Einnahmen des Demografieprozentes hinausgehenden Zusatzbedarfs der AHV/IV sowie den Auftrag an den Gesetzgeber zu allfälligen bestimmten leistungsseitigen Korrekturen, falls die Zusatzfinanzierung nicht im gebotenen Ausmass realisiert werden kann. Die Zuwendung aus diesen Erträgen der Mehrwertsteuer wird nicht mehr explizit auf die demografische Belastung der AHV/IV beschränkt.

5.2

Änderung des AHVG

Art. 1 Abs. 2 Bst. c und Abs. 5 (neu) Abs. 2 Absatz 2 Buchstabe c wurde bei der Einführung der AHV vor allem aus administrativen Gründen erlassen. Der Gesetzgeber betrachtete seinerzeit den Aufwand für eine Versicherungsunterstellung im Vergleich zum Beitragsaufkommen als unverhältnismässig. Dieses Argument behält seine volle Gültigkeit für die Selbstständigerwerbenden, die Arbeitnehmenden ohne beitragspflichtige Arbeitgebende und für die Nichterwerbstätigen. Mangels ausreichender Kontrollmittel soll die Befreiung für eine verhältnismässig kurze Zeit für diese drei Kategorien beibehalten werden. Absatz 2 Buchstabe c wird in diesem Sinne präzisiert. Dagegen verursacht die Unterstellung und die Beitragserhebung bei den von einer Schweizer Arbeitgeberin oder einem Schweizer Arbeitgeber entlöhnten Personen ­ mit Ausnahme gewisser Arbeitnehmenden, die hierzulande bloss einen bestimmten Auftrag erfüllen ­ keine nennenswerten Probleme mehr. Gestützt auf die Rechtsprechung (Zeitschrift für die Ausgleichskassen [ZAK] 1985 S. 567) können Arbeitnehmende, die in der Schweiz für eine schweizerische Arbeitgeberin oder einen schweizerischen Arbeitgeber in einer Weise tätig sind, die sich nicht von einem üblichen Arbeitsverhältnis unterscheidet, nicht für eine verhältnismässig kurze Zeit befreit werden. Schliesslich kann die Befreiung in gewissen Fällen die Angehörigen von Staaten benachteiligen, mit denen die Schweiz ein Abkommen betreffend Alters-, Hinterlassenen-, Invaliden- und Arbeitslosenversicherung abgeschlossen hat. Aus diesem Grunde wird die Befreiung für eine verhältnismässig kurze Zeit von Personen aufgehoben, die von einer Arbeit1991

geberin oder einem Arbeitgeber in der Schweiz entlöhnt werden (vgl. allerdings die in Abs. 5 vorgesehene Ausnahme).

Abs. 5 In der Praxis stellt die Erfassung gewisser Kategorien von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die für die Erfüllung bestimmter Aufträge verhältnismässig kurzfristig in die Schweiz kommen, den Ausgleichskassen und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern häufig mehr Probleme als deren Befreiung. Es handelt sich insbesondere um gewisse Artistinnen und Artisten, Erntehelferinnen und Erntehelfer und gewisse Lehrpersonen. Im Sinne einer administrativen Vereinfachung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlagen wir in Absatz 5 vor, dass die Befreiung wegen Erfüllens der Voraussetzungen für eine verhältnismässig kurze Zeit für die erwähnten Kategorien nicht mehr von Amtes wegen, sondern nur noch auf Gesuch der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers vorgenommen wird. Der Bundesrat kann in der Ausführungsverordnung die Berufskategorien aufführen, für welche sich eine Ausnahme wegen Kurzfristigkeit noch rechtfertigt.

Art. 3 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 (neu) Abs. 1 Das ordentliche Rentenalter wird für Frauen vorbehältlich der Übergangsbestimmungen auf 65 Jahre angehoben. In der Regel endet daher die Beitragspflicht für alle nichterwerbstätigen Personen mit 65 Jahren. Eine Ausnahme besteht immerhin für diejenigen Versicherten, die eine ganze Altersrente der AHV vorbeziehen. Sie sind von der Beitragspflicht ungeachtet ihrer finanziellen Verhältnisse befreit. Unseres Erachtens würde es aber kaum verstanden, wenn von Versicherten, die eine Rente vorbeziehen, nicht mehr rentenbildende Beiträge verlangt würden (vgl.

Ziff. 3.1.3.3.4.2.2). Unter 65-jährige Personen, welche bereits eine ausländische Rente beziehen und sich in der Schweiz niederlassen, sind von der Beitragspflicht dagegen nicht befreit, da die neue Regelung nur für Versicherte gilt, die eine Rente der AHV vorbeziehen. Allerdings genügt es, wenn solche Personen während eines vollen Jahres auf ihrem Vermögen und Renteneinkommen Beiträge bezahlen, um auch eine AHV-Rente vorbeziehen und so von der Beitragspflicht befreit werden zu können.

Zurzeit dauert die Beitragspflicht für Nichterwerbstätige bis zum Ende des Monats, in welchem sie das 65. Altersjahr
vollendet haben (zur schrittweisen Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre: vgl. Übergangsbestimmungen). Daraus ergibt sich, dass eine im Januar geborene Person nur noch für einen Monat Beiträge schuldet, während die im Dezember geborenen Versicherten noch Beiträge für zwölf Monate zu bezahlen haben. Da die Beitragspflicht für alle Nichterwerbstätigen am 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahrs beginnt, variiert die Gesamtdauer der Beitragspflicht in Abhängigkeit vom Geburtsmonat. Wird das Ende der Beitragspflicht bei den Nichterwerbstätigen einheitlich auf den 31. Dezember des dem Rentenalter bzw. dem Vorbezug einer ganzen Altersrente vorangehenden Jahres festgesetzt, lässt sich diese Ungleichbehandlung eliminieren. Diese Änderung rechtfertigt sich umso mehr, als für die Rentenberechnung das nach dem 31. Dezember vor Eintritt des Rentenbeginns erzielte Erwerbseinkommen im Sinne von Artikel 29quinquies AHVG nicht mehr für die Rentenberechnung berücksichtigt wird (Art. 29bis Abs. 1 AHVG). Ferner erübrigt sich für die Ausgleichskassen die Bestimmung der sozialen 1992

Verhältnisse des Versicherten, welche sie bisher zuweilen selbst für einen einzigen Monat durchführen mussten. Die Vorverlegung des Endes der Beitragspflicht auf den 31. Dezember vor Rentenbeginn führt zu einem Beitragsrückgang in der Höhe von jährlich 15 Millionen Franken. Im Todesfall bleiben die Beiträge hingegen bis zum Ende des Monats geschuldet, in dem das Ereignis eingetreten ist.

Abs. 4 Die Beiträge nichterwerbstätiger verheirateter Personen gelten nach Absatz 3 Buchstabe a und grundsätzlich als bezahlt, sofern der erwerbstätige Ehegatte Beiträge von der doppelten Höhe des Mindestbeitrags entrichtet hat. Nach der Verwaltungspraxis kommt die Bestimmung im Jahr der Eheschliessung und -auflösung in Übereinstimmung mit den Regeln für die Einkommensteilung (vgl. den heutigen Art. 50b Abs. 3 AHVV) nicht zur Anwendung. Dies kann dem Gesetz nicht direkt entnommen werden. Die Regelung von Absatz 3 ist deshalb in einem neuen Absatz 4 entsprechend zu präzisieren. Erwerbstätige Personen im Rentenalter, die den doppelten Mindestbeitrag geleistet haben, können weiterhin ihre nichterwerbstätige Ehefrau oder ihren nichterwerbstätigen Ehemann befreien. Die Befreiung gilt im Übrigen auch in den Kalenderjahren, in denen nicht beide Personen in denselben Monaten versichert sind (vgl. den heutigen Art. 50b Abs. 2 AHVV).

Art. 4 Abs. 2 Die Abschaffung des Freibetrages für erwerbstätige Altersrentnerinnen und -rentner (vgl. Ziff. 3.1.7.4) zieht die Aufhebung von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b nach sich.

Art. 5 Abs. 2 dritter Satz (neu), Abs. 3 Bst. b sowie Abs. 5 Abs. 2 dritter Satz Nach Artikel 324a des Obligationenrechts (OR); SR 220) hat die Arbeitgeberin bzw.

der Arbeitgeber der kranken arbeitnehmenden Person den Lohn für eine beschränkte Zeit weiter zu entrichten. Bezahlt die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber den Lohn aus eigenen Mitteln, sind die AHV-Beiträge geschuldet. Schliesst die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber indessen eine Versicherung ab, welche ihm bzw. ihr die Lohnzahlungen rückerstattet, sind nach geltendem Recht keine Beiträge geschuldet. Die Ersatzeinkommen sind den Erwerbseinkommen nur dann gleichgestellt, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (vgl. Ziff. 3.2.1.1). Gegenwärtig besteht keine gesetzliche Grundlage für die Beitragserhebung auf den Taggeldern der Kranken- oder
Unfallversicherung. Eine unterschiedliche Behandlung der ausgerichteten Leistungen an die erkrankten oder verunfallten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer je nach der Art der Finanzierung ist in der AHV nicht gerechtfertigt. Aus diesem Grunde schlagen wir vor, dass alle Leistungen der Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber an eine kranke oder verunfallte arbeitnehmende Person der Beitragspflicht unterliegen; und zwar mit Einschluss derjenigen, die über das vom Obligationenrecht vorgeschriebene Mass hinausgehen, und unabhängig davon, ob sie direkt von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber oder neu durch eine Versicherung finanziert werden.

Dagegen unterstehen Taggeldleistungen, die der versicherten Person direkt ausbezahlt werden, nicht der Beitragspflicht (vgl. Ziff. 3.2.1.1). Die Beitragspflicht kann im Übrigen nicht auf den Zeitraum beschränkt werden, während dessen die Arbeit1993

geberin oder der Arbeitgeber gestützt auf Artikel 324a OR zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Da dieser Zeitraum je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den konkreten Umständen variieren kann, ergäben sich daraus für die AHV Ungleichbehandlungen. Ausserdem bezahlen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Lohn häufig über das im OR vorgesehene Minimum hinaus. Aus diesen Gründen ist vorgesehen, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Beiträge auf den Taggeldern bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erheben. Heute muss die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber den geleisteten Betrag in einen beitragspflichtigen und in einen nicht beitragspflichtigen Teil aufteilen. Künftig rechnen die Arbeitgebenden mit ihrer Ausgleichskasse über den gesamten entrichteten Betrag ab. Die Arbeitgeberpflichten werden dadurch wesentlich vereinfacht. Wie unter Ziffer 3.2.1.1 ausgeführt, übernimmt die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber den Arbeitgeberanteil der Beiträge. Die arbeitnehmende Person trägt die Arbeitnehmerbeiträge selbst.

Abs. 5 Gestützt auf die Ausführungen unter Ziffer 3.2.1.2.2 wird die Ausnahme geringfügiger Entgelte vom massgebenden Lohn in eine Verzichtsmöglichkeit für den Beitragsbezug umgewandelt. Die neue Regelung beschlägt den Beitragsbezug und gehört als solche in Artikel 14. Artikel 5 Absatz 5 kann deshalb aufgehoben werden.

Dies betrifft ebenfalls den letzten Satz betreffend Stipendien und ähnliche Leistungen. Wenn die Stipendien nicht auf einem Arbeitsverhältnis zwischen der begünstigten und der geldgebenden Person beruhen, gehören sie nicht zum Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Weil sie ohnehin nicht zum massgebenden Lohn gehören, ist es auch überflüssig, sie im Gesetz zu erwähnen.

Art. 6

2. Beiträge der Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber

Zur Anhebung des Beitragssatzes vgl. die Ausführungen unter Ziffer 3.1.7.2. Die Massnahme gilt auch für die zahlenmässig eher unbedeutenden Arbeitnehmenden ohne beitragspflichtigen Arbeitgebende (gewisse Angestellte von diplomatischen Missionen oder von ausländischen Arbeitgebenden).

Art. 7

3. Globallöhne

Globallöhne sollen bestimmten Kategorien von Unselbstständigerwerbenden Anwartschaften auf angemessene Versicherungsleistungen sichern. Entsprechend dem gesetzlich verankerten Prinzip der Beitragserhebung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 4 AHVG) muss die Beitragsfestsetzung auf Grund von Globaleinkommen, d.h. fiktiver Bemessungsgrundlagen, die Ausnahme bleiben. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der Globallöhne stark zurückgegangen. Die effektiven Löhne liegen heutzutage fast ausnahmslos über den Globallohnansätzen. Der aktuelle Anwendungsbereich der Norm beschränkt sich denn auch auf mitarbeitende Familienmitglieder in der Landwirtschaft. Darüber hinaus ist die Bestimmung obsolet. Unser Vorschlag trägt diesem Umstand Rechnung.

1994

Art. 8

Beiträge von Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit 1. Grundsatz

Abs. 1 Laut dieser Bestimmung wird der Beitragssatz auf 8,1 Prozent erhöht. Zu dieser Anhebung verweisen wir auf die Ausführungen unter Ziffer 3.1.7.2.

Abs. 2 Damit Versicherte, welche ausschliesslich eine selbstständige Erwerbstätigkeit ohne oder bloss mit einem sehr bescheidenen Einkommen ausüben, keine Beitragslücken erleiden, müssen sie mindestens den Mindestbeitrag von 324 Franken entrichten (Satz 1). Dieses Problem stellt sich indessen nicht bei Personen, die aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zwar nur ein geringes Einkommen erzielen, aber auf einem Arbeitnehmereinkommen bereits genügend hohe Beiträge bezahlen, so dass sie keine Beitragslücken erleiden. Es ist nicht nötig, den Mindestbeitrag von Selbstständigerwerbenden zu verlangen, die den entsprechenden Betrag bereits auf dem Einkommen aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit entrichtet haben. Es genügt, wenn sie einen Beitrag zum niedrigsten Satz der sinkenden Beitragsskala bezahlen. Diese Unterscheidung ist für Personen von Bedeutung, deren Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gegenwärtig weniger als 7700 Franken im Jahr beträgt. Um auch dem Postulat David vom 16. Dezember 1998 (98.3599) Rechnung zu tragen, sollen Versicherte, die den Mindestbeitrag bereits auf ihrem unselbstständigen Einkommen entrichtet haben, die Möglichkeit erhalten, als Selbstständigerwerbende tiefere Beiträge als 324 Franken zu leisten (Satz 2).

Abs. 3 Aus redaktionellen Gründen wird Satz 2 des bisherigen Absatzes 2 zum Absatz 3.

Art. 9bis Anpassung des Mindestbeitrags Das "Einfrieren" der sinkenden Beitragsskala der Artikel 6 und 8 bringt die Aufhebung des ersten Teils von Artikel 9bis mit sich. Diese Bestimmung wird im Übrigen dahingehend präzisiert, dass der Mindestbeitrag sowohl für die Selbstständigerwerbenden (Art. 8) als auch für die Nichterwerbstätigen (Art. 10) an den Rentenindex angepasst wird. Aus diesem Grund kann die bisherige Verweisung auf Artikel 9bis für die Nichterwerbstätigen in Artikel 10 Absatz 1 aufgehoben werden.

Art. 10 Abs. 1­1 quater und 2 sowie 2bis (neu) Abs. 1 Übereinstimmend mit der geltenden Ordnung wird in Absatz 1 gesagt, dass sich die sozialen Verhältnisse nach dem Vermögen und dem kapitalisierten Renteneinkommen richten. Im Sinne einer besseren Transparenz haben wir ausserdem die geltende Regelung für
verheiratete Personen, wie sie in Artikel 28 Absatz 4 besteht, ins Gesetz überführt. Damit hält das Gesetz ausdrücklich fest, dass jeder Ehegatte Beiträge auf der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens zu bezahlen hat.

1995

Abs. 1bis Wie in Ziffer 3.2.1.2.1 erwähnt, sollen die Nichterwerbstätigenbeiträge deplafoniert werden. Es erscheint daher kein Höchstbeitrag mehr im Gesetz. Dafür haben wir die Berechnungsregeln für die Beiträge der Nichterwerbstätigen, die bisher lediglich als Beitragstabelle in Artikel 28 Absatz AHVV existierten, ins Gesetz aufgenommen.

Mit andern Worten wird ­ mit Ausnahme des Plafonds ­ an der heute in der Verordnung aufgestellten Regelung festgehalten. In Absatz 1bis wird der Dreistufentarif verankert. Auch wenn er anders dargestellt wird, entspricht er doch demjenigen von Artikel 28 Absatz 1 AHVV. Bis zu einer gewissen Grenze wird lediglich der Mindestbeitrag, danach bis zu einer weiteren Grenze zusätzlich ein prozentualer Beitrag von 5,6 Prozent des Vermögensertrages, darüber hinaus noch ein solcher von 8,4 Prozent erhoben. Die drei Grenzen sind nicht im Gesetz selber fixiert; so können sie künftig leichter der Preisentwicklung angepasst werden (vgl. Abs. 1ter). Wir stellen uns vor, die Grenzen grundsätzlich im heute geltenden Rahmen zu belassen.

Abs. 1ter Der prozentuale Beitrag soll nicht am effektiven Vermögensertrag gemessen werden, was administrativ nicht zu bewältigen wäre, sondern an einem einheitlichen Zinssatz von 3 Prozent. Dieser Prozentsatz entspricht einem üblichen versicherungstechnischen Zinssatz zur Bestimmung des Vermögensertrages. Der Absatz gibt dem Bundesrat ausserdem die Kompetenz, die Grenzwerte von Absatz 1bis festzulegen. Diese Delegation soll es ermöglichen, Anpassungen flexibler vorzunehmen.

Abs. 1quater Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden die Personen mit sehr geringen Einkommen und diejenigen, die nicht dauernd voll erwerbstätig sind, in einem eigenen Absatz behandelt (bisheriger Abs. 1 Satz 3).

Abs. 2 Nichterwerbstätige Studenten bezahlen in der AHV den Mindestbeitrag. Der Begriff Student deckt eine Vielfalt von Verhältnissen ab: Es werden darunter Personen verstanden, welche sich regelmässig und vollzeitlich oder bloss nebenberuflich der Ausbildung widmen und eine mittlere oder höhere Lehranstalt besuchen; und zwar zur Weiterbildung, zur Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit, aus wissenschaftlichem Interesse oder auch bloss zur sinnvollen Lebensgestaltung. In dem Masse, als Buchstabe a von den allgemeinen Vorschriften über die Beitragsfestsetzung der
Nichterwerbstätigen abweicht, ist seine Anwendung auf Studierende zu beschränken, die über keine eigenen Mittel verfügen. Wir finden, dass nur junge Leute, die eine erste vollzeitliche Berufsausbildung absolvieren, unter diese Kategorie fallen und von Amtes wegen in den Genuss des Mindestbeitrags kommen sollen. Aus diesem Grunde schlagen wir vor, ein Höchstalter festzulegen, bis zu welchem die Studierenden nur den Mindestbeitrag schulden, nämlich 25 Jahre. Dieses Alter bildet in der Regel auch die oberste zeitliche Grenze für Sozialversicherungsleistungen an Personen in Ausbildung (zum Beispiel Art. 25 Abs. 5 AHVG; Art. 22 Abs. 3 BVG; Art. 30 Abs. 3 UVG; Familienzulagenordnungen). Oberhalb dieser Altersgrenze sind die Beiträge der Studierenden nach den allgemeinen Bestimmungen von Artikel 10 Absatz 1 festzusetzen. Verfügen über 25-jährige in Ausbildung stehende Personen weder über Renteneinkommen noch über Vermögen, entrichten sie weiterhin den Mindestbeitrag.

1996

Seit jeher schulden aus öffentlich Mitteln unterstützte Versicherte den Mindestbeitrag. Fürsorgeleistungen im traditionellen Sinn werden zunehmend durch Mindesteinkommen der Sozialhilfe ersetzt. Dies ist bereits im Tessin und teilweise in Genf der Fall. Weitere Kantone, wie Neuenburg, Wallis und Waadt, bereiten entsprechende Projekte vor. Diese Mindesteinkommen der Sozialhilfe gleichen hinsichtlich Berechnung der gewährten Leistungen der Fürsorge. In der Regel bestehen sie aus einem Pauschalbetrag nach den Ansätzen der Sozialhilfe, zu dem die Übernahme der Kosten für Mietzins, Strom und Telefon hinzukommen. Andrerseits unterscheiden sie sich von den Fürsorgeleistungen insofern, als sie mit der Auflage der Ausübung einer nicht erwerblichen Ausgleichstätigkeit verknüpft werden können und sie nicht der Rückzahlungspflicht unterliegen. Trotz dieser Unterschiede bleibt die von verschiedenen Kantonen geschaffene neue Sozialhilfeordnung in der Nähe der Fürsorge. Aus diesem Grunde finden wir, dass Personen, die ein Mindesteinkommen der Sozialhilfe beziehen, wie die von der traditionellen Fürsorge Unterstützten, lediglich den Mindestbeitrag schulden. Das Gesetz wird in diesem Sinne präzisiert (Bst. b).

Buchstabe c übernimmt die bisherige Regelung. Er betrifft vor allem nichterwerbstätige Versicherte, die dauernd finanziell unterstützt werden, allerdings nicht vom Staat, sondern durch karitative Institutionen oder durch eine Kirche. Sie bezahlen ebenfalls den Mindestbeitrag. Nicht zu dieser Gruppe gehören Personen, die freiwillig und ohne wirtschaftlichen Zwang Leistungen von Dritten erhalten.

Art. 11 Abs. 2 Soll einem Versicherten der Mindestbeitrag erlassen werden, muss heute der Wohnsitzkanton nach vorgängiger Anhörung dafür aufkommen. Folgerichtig gelten nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG; SR 851.1) die von einem Gemeinwesen an Stelle von Versicherten zu leistenden Mindestbeiträge an obligatorische Versicherungen nicht als Unterstützungen. Laut den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zur Bemessung der Sozialhilfe sind Mindestbeiträge für bedürftige Personen vom zuständigen Gemeinwesen zu Lasten der allgemeinen Verwaltungsrechnung zu übernehmen; sie gelten also nicht als
Sozialhilfeleistungen und unterliegen weder der Rückerstattungs- noch der Verwandtenunterstützungspflicht. Diese Richtlinien sind gemäss einer Aufstellung der SKOS in einer grossen Mehrheit der Kantone als verbindlich erklärt worden. Nachdem Versicherte, die den Mindestbeitrag nicht aufzubringen vermögen, in aller Regel auch Unterstützungen der Sozialhilfe erhalten, scheint diese aus den Anfangszeiten der AHV stammende Spezialregelung für die AHV-Beiträge nicht mehr gerechtfertigt.

Vielmehr sollen alle Unterstützungen über die gleichen Behörden laufen. Die zuständigen Organe der Sozialhilfe verfügen zudem bereits über die nötigen Informationen bezüglich der finanziellen Situation der von ihnen unterstützten Personen. Es ist daher sinnvoll, wenn die Sozialhilfeorgane im Rahmen der materiellen Grundsicherung angehalten werden, auch die Mindestbeiträge als Sozialhilfeleistungen zu übernehmen. Die Verbuchung der AHV-Mindestbeiträge über dasselbe Konto wie die konventionellen Sozialhilfeleistungen führt auch für die Sozialhilfeorgane zu einer Vereinfachung. Zusätzliche Kosten sind damit nicht verbunden, doch kann es innerkantonal allenfalls zu geringen Lastenumverteilungen kommen. Der heutige Absatz 2 von Artikel 11 ist daher aufzuheben und der Titel vor diesem Artikel entsprechend anzupassen.

1997

Art. 14 Abs. 5 (neu) Abs. 5 Wie aus den Erläuterungen in Ziffer 3.2.1.2.2 hervorgeht, soll der Bezug von Beiträgen auf geringfügigen Entgelten vereinfacht werden. Einerseits hängt die Befreiung von der Beitragserhebung inskünftig nicht mehr von der Ausübung einer Haupterwerbstätigkeit, sondern nur noch von der Höhe des Einkommens ab. Somit müssen Rentnerinnen und Rentner sowie Hausfrauen und Hausmänner ohne Haupterwerb keine Beiträge mehr bezahlen auf den oft eher symbolischen Entschädigungen, welche sie für ihr soziales, kulturelles, politisches oder anderes Engagement erhalten. Anderseits braucht die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nicht mehr vorgängig das Einverständnis abzugeben. Die Rechtsprechung des EVG liess dieses Erfordernis ohnehin bereits hinfällig werden und toleriert die Einreichung eines Gesuches auch nach Aufnahme der Arbeit. Im Übrigen erteilte die Mehrheit der Arbeitnehmenden sowieso jeweils ihr Einverständnis. Neu wird daher die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber ohne weiteres auf die Beitragsabrechnung von Entgelten von 1000 Franken oder weniger verzichten können. Umgekehrt gibt die arbeitgebende Person dadurch, dass sie die Beiträge auf geringfügigen Entgelten erhebt, zu erkennen, dass sie von der in Absatz 5 vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch machen will.

Die neue Regelung bringt den Arbeitgebenden und den Ausgleichskassen eine administrative Erleichterung. Diese Vereinfachung darf allerdings nicht auf Kosten der Arbeitnehmenden gehen. Damit ihre Rentenansprüche nicht beeinträchtigt werden, muss die Einkommenslimite tief, nämlich bei 1000 Franken angesetzt werden.

Nachdem nicht mehr entscheidend ist, ob es sich um einen Nebenerwerb handelt, ist es umso wichtiger, dass der von der Beitragserhebung ausgenommene Betrag tatsächlich gering ist. Bei einer höheren Grenze (z.B. ­ wie verschiedentlich gewünscht ­ bei 2000 Franken) wäre der soziale Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr ausreichend gewährleistet. Ausserdem können die Arbeitnehmenden verlangen, dass die Beiträge auf den geringfügigen Entgelten abgerechnet werden. Schliesslich kann der Bundesrat für gewisse Tätigkeiten Ausnahmen vorsehen; denn es wäre nicht rechtens, wenn Arbeitnehmende mit ausschliesslich minimen Tätigkeiten, die aber in ihrer Gesamtheit praktisch einer vollen Erwerbstätigkeit
gleichkommen, keine Beiträge auf ihrem Einkommen bezahlen würden. Diese zwar sehr seltenen Fälle können vorkommen bei Putzfrauen, Hilfspersonal im Gastgewerbe sowie Artistinnen und Artisten, die häufig das Lokal wechseln.

Der im neuen Artikel 14 Absatz 5 festgelegte Betrag soll nach klaren und einfachen Kriterien angepasst werden können. Wir schlagen vor, seine Anpassung an den Rentenindex von Art. 33ter zu koppeln. Entsprechend Artikel 9bis ist dies nicht zwingend (Kann-Vorschrift). Da es nicht erwünscht wäre, dass der Betrag allzu häufig angepasst wird, hat der Bundesrat so die Möglichkeit, eine Erhöhung zu verschieben und den Betrag aufzurunden.

Art. 16 Abs. 1 erster und zweiter Satz, Abs. 2 vierter Satz und Abs. 3 zweiter und dritter Satz Zur Wahrung der so genannten Festsetzungsverjährungsfrist (Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Beitragsforderungen) muss die Beitragsverfügung nach der Rechtsprechung vor Ablauf der Frist dem Adressaten ordnungsgemäss eröffnet worden sein (vgl. BGE 121 V 7 Erw. 3c). Im Gegensatz dazu hat das EVG entschieden, 1998

im Rahmen der Arbeitgeberhaftung sei für die Wahrung der Frist zur Geltendmachung der Schadenersatzforderung die rechtzeitige Übergabe der Schadenersatzverfügung an die Post massgebend (vgl. BGE 119 V 89). Zwar sind Beitrags- und Schadenersatzforderungen rechtlich nicht identische Forderungen, die Ausgleichskasse befindet sich aber hinsichtlich Festsetzung in beiden Fällen häufig in derselben Lage (vgl. AHI-Praxis, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, 1996 S. 132 Erw. 3b). Absatz 1 soll daher so formuliert werden, dass die Verwirkungsfrist mit der rechtzeitigen Postaufgabe der Verfügung eingehalten werden kann. Präzisierend wird neu nicht mehr bloss auf Artikel 6, sondern auf dessen Absatz 1 verwiesen.

Abs. 2 Die Änderung von Absatz 2, nämlich die Verweisung auf Artikel 149a Absatz 1 statt auf Artikel 149 Absatz 5 SchKG, ist nicht materieller Natur, sondern stellt bloss eine Anpassung an das revidierte SchKG dar.

Abs. 3 Mit der neuen Regel in Satz 2 soll die Verjährungsfrist für die Rückerstattung von zu viel bezahlten Beitägen wieder mit derjenigen für die Festsetzung nach Absatz 1 in Einklang gebracht werden (vgl. dazu BBl 1971 II 1123). Wie bei der Rückerstattung in den Fällen, in denen von Kapitalgesellschaften als Löhne behandelte Vergütungen im Zuge der Steuerveranlagung als Gewinnausschüttungen dem Reinertrag zugerechnet werden (vgl. Satz 2 des geltenden Abs. 3), soll sich das Fristende für den Rückforderungsanspruch zu viel bezahlter persönlicher Beiträge nunmehr in jedem Fall in Abhängigkeit der Rechtskraft der massgebenden Steuerveranlagung bestimmen. In Anlehnung an die entsprechende Vorschrift im Rahmen der Festsetzungsverjährung soll schliesslich der Endpunkt der Frist immer mit dem Ende eines Kalenderjahres zusammenfallen (vgl. BBl 1953 II 119). In diesem Sinne wird auch die Regelung in Satz 3 von Absatz 3 (heutiger Satz 2 von Abs. 3) angepasst. Ausserdem wird der Terminologie des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) Rechnung getragen. Der Begriff des Reinertrags ist darin von demjenigen des Reingewinns abgelöst worden (vgl. Art. 57 DBG).

Art. 18 Abs. 1 zweiter Satz, 2 bis und 4 (neu) Abs. 1 Siehe Erläuterungen zu Ziffer 3.2.2.1.

Abs. 2bis Siehe Erläuterungen zu Ziffer 3.2.2.2.

Abs. 4 Siehe Erläuterungen zu Ziffer 3.2.2.4.

Art. 21 Abs. 1 Neu besteht für Frauen und Männer das gleiche Rentenalter (vgl. Ziff. 3.1.3). Absatz 1 ist daher entsprechend anzupassen.

1999

Art. 23 Abs. 1, 3, 4 und 5 Witwen und Witwer haben neu unter den gleichen Voraussetzungen Anspruch auf Hinterlassenenrenten (vgl. Ziff. 3.1.4.1).

Ein Rentenanspruch besteht, wenn eine Witwe oder ein Witwer im Zeitpunkt der Verwitwung eines oder mehrere Kinder unter 18 Jahren hat oder wenn sie oder er ein erwachsenes invalides Kind betreut, das Anspruch auf Betreuungsgutschriften begründet. Verwitwet eine Person erst zu einem späteren Zeitpunkt, so wird ein Anspruch auf eine Hinterlassenenrente dann gewährt, wenn sie über 50-jährig war, als ihr jüngstes Kind 18 Jahre alt wurde, oder als sie aufhörte, ein Kind zu betreuen, das Anspruch auf Betreuungsgutschriften gab. Schliesslich besteht ein Rentenanspruch auch noch, wenn eine Person erst nach 65 verwitwet (ordentliches Rentenalter). Im letzten Fall spielt es keine Rolle, ob die verwitwete Person Kinder hat oder nicht.

Wie in den anderen Fällen, in denen der Anspruch auf eine Hinterlassenenrente über das ordentliche Rentenalter hinaus besteht, wird die Witwen- oder Witwerrente jedoch nicht ausgerichtet, wenn gleichzeitig ein eigener Anspruch auf eine Altersrente besteht und diese höher ist als die Hinterlassenenrente.

Geschiedene Personen werden beim Tod des Ex-Ehegatten den verheirateten Personen vollumfänglich gleichgestellt. Bestehende Benachteiligungen gegenüber den verheirateten Personen, insbesondere das Erfordernis einer 10-jährigen Ehedauer, werden aufgehoben.

Die Absätze 3, 4 und 5 aus dem alten Recht, welche den Beginn, das Ende und das Wiederaufleben eines Rentenanspruchs regeln, werden neu in Artikel 24 aufgenommen.

Art. 24

Beginn und Erlöschen des Anspruchs

In diese Bestimmung werden die bisherigen Absätze 3, 4 und 5 von Artikel 23 aufgenommen. Sie sieht vor, dass der Rentenanspruch mit dem Tod oder der Wiederverheiratung erlischt, mit Ausnahme der Spezialregelungen im Falle einer Scheidung der neuen Ehe oder deren Nichtigkeit. Neu wird zudem festgelegt, dass der Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente auch erlischt, wenn der hinterbliebene Elternteil noch nicht 50 Jahre alt ist, wenn das jüngste Kind 18 Jahre alt wird oder stirbt oder wenn der Anspruch auf Betreuungsgutschriften erlischt (z.B., weil das Kind keinen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mindestens mittleren Grades mehr hat, wenn es in einem Heim betreut werden muss oder stirbt).

Die bisherigen Fälle des Wiederauflebens der Witwen- oder Witwerrente (Auflösung der neuen Ehe infolge Ungültigkeit oder Scheidung) bleiben bestehen. Neu soll die Rente auch wieder aufleben können, wenn wiederum ein Anspruch auf eine Betreuungsgutschrift für ein behindertes Kind besteht. (Beispiel: Ein in einem Heim untergebrachtes Kind wird wieder in der Familie betreut).

Art. 24a vgl. Erläuterungen zu Artikel 23

2000

Art. 29quinquies Abs. 4 Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Schliessung von Versicherungslücken im Rahmen des Splittingverfahrens in den meisten Fällen zu keinen spürbaren Verbesserungen der Rentenbetreffnisse geführt hat. Ausserdem sind die entsprechenden Anwendungsbestimmungen sehr komplex und führen zu Verzögerungen beim Splittingverfahren. Wir schlagen daher vor, darauf zu verzichten, Versicherungslücken mit Jahren aufzufüllen, die der Einkommensteilung unterliegen.

Art. 29septies Abs. 1 erster Satz Siehe Erläuterungen zu Ziffer 3.2.2.3.

Art. 30 Abs. 1 Bisher wurde die gesamte Summe der Erwerbseinkommen um einen bestimmten Faktor aufgewertet. Dieser wurde ermittelt, indem der Rentenindex durch den mit 1,1 gewichteten Durchschnitt der Lohnindizes aller Kalenderjahre von der ersten Eintragung in das individuelle Konto der versicherten Person bis zum Vorjahr des Rentenbeginns geteilt wurde (vgl. Art. 51bis AHVV). Dieses System führt zu einer stärkeren Gewichtung der jüngeren Einkommen gegenüber denjenigen, welche am Anfang der Berufskarriere erzielt worden sind. Ein Ausgleich kann nun mit der Einführung der jahresweisen Aufwertung erzielt werden.

Wie bereits heute werden diese Aufwertungsfaktoren vom Bundesrat jahresweise festgelegt.

Art. 30bis Sachüberschrift und erster Satz Die 10. AHV-Revision hat zu einer starken Automatisierung der Rentenberechnung geführt. Zahlreiche Rentenbeträge können den Rententabellen nicht mehr entnommen werden. Die bundesrätliche Kompetenz soll sich daher nicht mehr auf die Tabellen, sondern auf die ihnen zu Grunde liegenden Berechnungsvorschriften beziehen. Dies gibt auch eine grössere Flexibilität bei der Abstufung von Teilrenten und der Auf- oder Abrundung von Beträgen. Der Bundesrat wird diese Flexibilität ausnutzen, um die jahresweise Aufwertung der Einkommen kostenneutral auszugestalten.

Art. 30ter Abs. 3 (neu) Abs. 3 Wie unter Ziffer 3.1.6.3 erwähnt, wird die Verbuchung der Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit im individuellen Konto vorzugsweise auf Gesetzesstufe geregelt. Absatz 3 sieht vor, dass das Einkommen im betreffenden individuellen Konto in demjenigen Jahr gutzuschreiben ist, in welchem es der beschäftigten Person ausbezahlt wurde (so genanntes Realisierungsprinzip). Davon sind allerdings Ausnahmen vorzusehen. Zunächst
kann ein Einkommen nicht in einem Jahr eingetragen werden, in welchem keine Arbeit geleistet wurde; denn dies würde bedeuten, dass die versicherte Person ihrer Beitragspflicht als Nichterwerbstätige entgehen könnte. Daher muss das Einkommen unter dem Erwerbsjahr eingetragen werden, wenn die betreffende Person im Jahr, in welchem ihr der Lohn ausbezahlt wird, nicht mehr im Dienste desselben Arbeitgebers oder derselben Arbeitgeberin steht 2001

(Bst. a). Sodann kann die strikte Anwendung des Realisierungsprinzips zur Folge haben, dass in dem Jahr, in welchem die Arbeit tatsächlich geleistet wurde, kein Einkommen eingetragen wird, und dass dadurch für die versicherte Person Versicherungslücken entstehen. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem Agenten, welcher keinen festen Lohn bezieht und welchem die Provisionen für die im Jahre 2000 ausgeübte Tätigkeit erst im Jahre 2001 ausbezahlt werden. Nach dem Realisierungsprinzip sind sämtliche Provisionen dem Jahr 2001 gutzuschreiben. Somit ist unter dem Jahr 2000 kein Einkommen verbucht. Wenn die vom Einkommen entrichteten Beiträge den Mindestbeitrag nicht erreichen, entsteht ebenfalls eine Beitragslücke.

Um Beitragslücken zu vermeiden, scheint es daher gerechtfertigt, den nachträglich bezahlten Lohn dem Jahr der Arbeitsleistung gutzuschreiben, wenn der oder die Betroffene keine oder den Mindestbeitrag nicht erreichende Beiträge entrichtet hat. Da die Ausgleichskassen nicht in der Lage sind, solche Fälle zu erkennen, obliegt es den Arbeitnehmenden, die nachträgliche Lohnzahlung und die sich aus der Verbuchung nach dem Realisierungsprinzip ergebende Beitragslücke nachzuweisen. Die Verbuchung nach dem Erwerbsjahrprinzip kann anlässlich der Beitragsabrechnung oder später bei der Zustellung eines Auszuges aus dem individuellen Konto oder sogar bei Eintritt des Versicherungsfalls beantragt werden. Das Verfahren wird in der Ausführungsverordnung geregelt. Wird der Lohn zum Beispiel in dem Jahr, in welchem die arbeitnehmende Person das Rentenalter erreicht oder später ausbezahlt, bezieht er sich aber auf ein dem Rentenalter vorangehendes Jahr, so wird er bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt. Eine Massenversicherung kann keine personalisierten Lösungen anbieten, sondern sie muss Lösungen vorsehen, welche den Bedürfnissen der Mehrheit der Arbeitgebenden und der Versicherten entsprechen und zugleich einfach umzusetzen sind. Aus Praktikabilitätsgründen sehen wir davon ab, weitere Abweichungen vom Realisierungsprinzip vorzuschlagen. Für Selbstständigerwerbende, Arbeitnehmende nicht beitragspflichtiger Arbeitgebenden und Nichterwerbstätige richtet sich der Beitragsbezug nach anderen Regeln als für Arbeitnehmende. Das Gesetz unterscheidet für diese drei Kategorien deutlich zwischen Beitragsperiode
und Bemessungsperiode, so dass sich die Frage, ob das Einkommen dem Erwerbsjahr oder dem Realisierungsjahr gutzuschreiben ist, gar nicht stellt.

Daraus ergibt sich, dass das Realisierungsprinzip nicht zum Tragen kommt. Es ist nicht erforderlich, eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung vorzusehen.

Art. 33ter Abs. 1, 2 und 4 Abs. 1 und 4 Siehe Erläuterungen zu Ziff. 3.1.5.

Abs. 2 Dieser Absatz ist formell an geänderte Zuständigkeiten anzupassen: Der Landesindex der Konsumentenpreise und der Nominallohnindex werden beide vom Bundesamt für Statistik ermittelt.

Art. 39

Aufschub der Altersrente

Abs. 1 und 2 Zurzeit kann nur die ganze Rente aufgeschoben werden. Neu soll auch der Aufschub der halben Rente ermöglicht werden. Denkbar ist auch ein Wechsel vom Aufschub der ganzen zum Aufschub der halben Rente, nicht jedoch ein Wechsel vom Auf2002

schub der halben zum Aufschub der ganzen Rente (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 40 Abs. 4 AHVG). Von einem Aufschub von Viertels- oder Drittelsrenten ist abgesehen worden, da eine solche Lösung mit zu viel Verwaltungsaufwand verbunden wäre und der Rentenaufschub selten ist.

Die Höchstdauer des Aufschubs entspricht derjenigen des geltenden Rechts. Hingegen soll die Rente jetzt auch für weniger als ein Jahr aufgeschoben werden können, was bisher nicht möglich war.

Abs. 3 Nach geltender Praxis wird der Aufschubszuschlag anteilmässig auf alle Renten aufgeteilt, die neben der Hauptrente ausgerichtet werden, so insbesondere auch auf die Kinderrenten. Wird eine aufgeschobene Altersrente durch eine Hinterlassenenrente abgelöst, so wird der Aufschubszuschlag auch auf dieser Rente weitergewährt. Beim Rentenvorbezug werden die Hinterlassenenrenten, welche eine vorbezogene Altersrente ablösen, nicht mehr gekürzt (vgl. Erläuterungen zu Art. 40bis). Die Weitergewährung des Aufschubszuschlags auf Hinterlassenenrenten, welche eine aufgeschobene Altersrente ablösen, rechtfertigt sich daher nicht mehr.

Art. 40

Vorbezug der Altersrente

Abs. 1 Siehe Erläuterungen Ziff. 313.3 Abs. 2 Die ganze Rente kann nur vorbezogen werden, wenn die Erwerbstätigkeit aufgegeben wird (vgl. dazu auch Ziff. 3.1.3.3). Für den Vorbezug der halben Rente muss das Erwerbseinkommen um mindestens ein Drittel reduziert werden. Die Lösung lehnt sich an Regelungen in der IV an, wo eine ganze Rente auch schon gewährt wird, wenn die Resterwerbsfähigkeit noch einen Drittel beträgt. Den Vorbezug der halben Rente von der Reduktion des Arbeitspensums abhängig zu machen, ist nicht sinnvoll: Um festzustellen, ob eine betroffene Person ihre Tätigkeit im verlangten Mass reduziert hat, müsste ein Arbeitszeitvergleich gemacht werden. Da Arbeitszeiten je nach Arbeitgeber und Beruf verschieden geregelt sind, würde die Abklärung nicht nur zu unverhältnismässig hohen Verwaltungskosten führen, sondern vor allem zu ungerechten, für die Betroffenen unverständlichen Ergebnissen im Einzelfall.

Abs. 3 Unter Vorbehalt von Artikel 29quinquies Absatz 3 AHVG (Neuberechnung der Rente, wenn ein Splittingtatbestand realisiert ist) wird die vorbezogene Rente nur in dem Zeitpunkt berechnet, in dem der Vorbezug zum ersten Mal geltend gemacht wird.

Wie beim Wechsel von einer halben zu einer ganzen IV-Rente wird die Rente auch beim Wechsel von einer halben zu einer ganzen vorbezogenen Altersrente nicht neu berechnet. Wie heute können AHV-Beiträge, die während des Rentenvorbezugs auf einem Erwerbseinkommen bezahlt werden, die Rente nicht mehr erhöhen.

Abs. 4 Wie der Rentenaufschub kann auch der Vorbezug nur für die Zukunft geltend gemacht werden. Es ist deshalb nicht möglich, z. B. mit 63 Jahren eine vorbezogene Rente für die Zeit nach dem 60. Altersjahr zu beantragen. Der Vorbezug kann auch nicht rückgängig gemacht werden und es ist deshalb ausgeschlossen, nach ein paar 2003

Jahren oder Monaten auf die vorbezogene Rente zu verzichten, um sie nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters wieder zu beziehen. Der Wechsel vom Vorbezug einer ganzen zum Vorbezug einer halben Rente ist ebenfalls ausgeschlossen, da ein solcher Wechsel den Vorbezug ja teilweise rückgängig macht. Das flexible Rentenalter soll zwar einen individuell ausgestalteten Rücktritt aus dem Erwerbsleben ermöglichen. Hingegen können für eine Volksversicherung wie die AHV keine auf jedes Einzelbedürfnis ausgerichtete Regelungen getroffen werden, umso weniger, da dies zu sehr grossen Koordinationsschwierigkeiten mit den bestehenden Bestimmungen über die Rentenberechnung und die Einkommensteilung führen würde.

Art. 40bis (neu)

Vorbezug bei gleichzeitigem Anspruch auf eine Invaliden-, Witwen- oder Witwerrente

Abs. 1 Der Vorbezug der Altersrente ist insbesondere auch für gesundheitlich geschwächte Personen gedacht, die ihre Resterwerbsfähigkeit auf dem angespannten Arbeitsmarkt lange vor Erreichen des regulären Rentenalters nicht mehr einsetzen können. Deshalb besteht für diejenigen Personen, welche die Anspruchsbedingungen für eine Invalidenrente erfüllen (Invaliditätsgrad von mindestens 40%), die Möglichkeit, bereits mit 59 Jahren an Stelle der IV-Rente eine ganze Altersrente vorzubeziehen.

Gekürzt wird nur der effektiv vorbezogene Teil der Altersrente, d.h. der Teil, welcher den Betrag der IV-Rente übersteigt.

Diese Regelung wird sowohl dann angewendet, wenn bei Beginn des Vorbezugs schon ein Anspruch auf eine Invalidenrente besteht, als auch dann, wenn dieser während des Vorbezuges erst neu entsteht. Mit dem Vorbezug der Altersrente ab dem 59. Altersjahr geht der Anspruch auf eine Invalidenrente nicht unter, sondern bleibt gleichermassen im Hintergrund bestehen, bis das ordentliche Rentenalter erreicht ist. Bis zu diesem Zeitpunkt muss deshalb der Anspruch auf eine Invalidenrente überprüft werden, auch wenn eine Altersrente vorbezogen wird.

Abs. 2 Wenn Verwitwete das Rentenalter erreichen, haben sie in der Regel Anspruch auf eine Altersrente. Sind gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine Witwen- oder Witwerrente erfüllt, wird nur die höhere der beiden Leistungen ausgerichtet (Art. 24b AHVG). Wenn die Hinterlassenenrente tiefer ist als die Altersrente, kann ein Interesse am Vorbezug bestehen. In solchen Fällen wäre es aber störend, wenn die Betroffenen die Kürzung gemäss Artikel 40bis auf dem Gesamtbetrag der ihnen zustehenden Leistung in Kauf nehmen müssten und nicht nur auf dem effektiv vorbezogenen Betrag. Deshalb wird bei der Kürzung der vorbezogenen Altersrente, die einer Witwe oder einem Witwer zusteht, nur der Teil der Altersrente gekürzt, der den Betrag der Hinterlassenenrente, die ohne den Vorbezug geschuldet wäre, überschreitet.

Art. 40ter (neu)

Kürzung der vorbezogenen Altersrente

Siehe Erläuterungen in Ziff. 3.1.3.3.4.2.2.

Im Gegensatz zur geltenden Regelung können neu auch Kinderrenten vorbezogen werden. In einem Modell des flexiblen Rentenalters mit einer sozial abgefederten Kürzung beim Rentenvorbezug rechtfertigt es sich im Gegensatz zur heutigen Praxis

2004

nicht mehr, Witwen-, Witwer- und Waisenrenten, welche eine vorbezogene Rente ablösen, zu kürzen.

Art. 44 Abs. 3 erster Satz In Absatz 3 erfolgt eine rein formelle Änderung im ersten Satz: Der Begriff "Postcheckkonto" wird an die neue Terminologie angepasst, d.h., durch den Begriff "Postkonto" ersetzt.

Art. 48ter

Rückgriff auf haftpflichtige Dritte 1. Grundsatz

Abs. 1 Vgl. Erläuterungen zu Art. 48 sexies.

Abs. 2 Mit der Änderung wird verbindlich geklärt, dass gegenüber dem Versicherungsträger gleich wie gegenüber dem Geschädigten je nach Gesetzesbestimmung "echte" Solidarität (gem. Art. 50 OR und Regelungen in Spezialgesetzen, z.B. Art. 60 des Strassenverkehrsgesetzes, SVG, SR 741.01) oder "unechte" Solidarität (gem. Art. 51 OR) gilt.

Abs. 3 Nach geltender Auffassung ergibt sich aus der Subrogation des Sozialversicherers in die Ansprüche der Geschädigten, dass für die Verjährung des Regressanspruches dieselbe Frist wie für den Anspruch der Geschädigten gilt (vgl. Bericht der Studienkommission für die Gesamtrevision des Haftpflichtrechts, S. 170). Was den Beginn des Fristenlaufs angeht, dürfte die Meinung Schwander, "Über die Verjährung von Schadenersatzforderungen", Strassenverkehrsrechts-Tagung, Freiburg 1984, S. 8 ff., heute unbestritten sein, wonach die Verjährungsfrist gegenüber den Regressansprüchen des Sozialversicherers erst mit dessen Kenntnis seiner regressfähigen Leistungen und der Person des Haftpflichtigen zu laufen beginnen kann. Angesichts der früheren, überholten Auffassung, wonach die SUVA gemäss Artikel 100 des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (KUVG) bei laufender Verjährung in die Ansprüche der Geschädigten eintrete (Oftinger, 4.Auflage, Bd. I, S. 406, bei FN 142; Maurer, Recht und Praxis, S. 343, FN 8) scheint jedoch eine ausdrückliche Normierung angezeigt.

Abs. 4 Sowohl das direkte Forderungsrecht als auch die Einredenausschlüsse galten bisher unbestrittenermassen auch für die Regressansprüche der Sozialversicherer. Erst in jüngster Zeit traten in der Erledigungspraxis vereinzelt diesbezügliche Probleme auf.

Mit einer gesetzlichen Normierung soll Klarheit geschaffen und sollen unnötige Auseinandersetzungen vermieden werden.

Art. 48quater Abs. 2 Abs. 2 Die geltende Regelung der Quotenteilung (d.h. die verhältnismässige Aufteilung der Haftpflichtansprüche zwischen der Versicherung und der versicherten Person bei 2005

Leistungskürzungen) kann zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Versicherungsträgers führen, wenn ihm im Falle von Verschuldenskürzung plötzlich ein zuvor nicht bestehender Regressanspruch zu Lasten der geschädigten Person erwächst.

Dies rührt daher, dass aus der blossen Gegenüberstellung von Versicherungsleistung und Schaden ("... Verhältnis der Versicherungsleistungen zum Schaden ...") nicht ersichtlich ist, ob die Leistung nur wegen Selbstverschuldens herabgesetzt ist oder ob sie von vornherein nicht den ganzen Schaden deckt. Zu einer billigen Lösung führt das Prinzip, das in BGE 58 II 235 aufgezeigt und im obigen Änderungsantrag umgesetzt ist. Der Anspruch auf Ersatz jenes Schadens, der die ungekürzten Versicherungsleistungen übersteigt, soll den Geschädigten allein zustehen. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird erreicht, dass sich die Summe der Ansprüche der geschädigten Person gegenüber der haftpflichtigen Partei und der Sozialversicherung jeweils genau um den Kürzungsbetrag der Sozialversicherung vermindert.

Art. 48quinquies Abs. 2 Abs. 2 Bst. a Nachdem nun im Rahmen der AHV auch Witwerrenten ausgerichtet werden, sollten diese auch in der Aufzählung erwähnt werden. Einfacher ist es aber, die Sammelbezeichnung "Hinterlassenenrenten" zu verwenden.

Abs. 2 Bst. b Kann gestrichen werden, da mit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision und nach Überführung der laufenden Renten in das neue Rentensystem (d.h. ab 1. Januar 2001) keine Fälle mehr auftreten, wo Altersrenten an Stelle von Invalidenrrenten ausgerichtet werden60.

Abs. 2 Bst. c Rein redaktionelle Verbesserung. Das "und" stellt in der gesamten Aufzählung jeweils die AHV-Leistungen den Haftpflichtleistungen gegenüber. Die aktuelle Formulierung ist verwirrlich.

Art. 48sexies

4. Einschränkung des Rückgriffs

Das Bundesgericht hat in den Urteilen AHV/BASLER (BGE 112 II 167) und FLURY/ALPINA (BGE 117 II 609) den bisherigen Vorbehalt von Artikel 44 UVG in Artikel 48ter AHVG dahingehend interpretiert, dass in Bezug auf AHV/IV-Versicherte kein Haftungsprivileg, sondern ein blosses Regressprivileg besteht. Der obige Vorschlag ist Ausdruck dieser Bundesgerichtspraxis, die kürzlich durch ein Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 1998 bestätigt worden ist (Ref.: 4 C.269/1998).

Art. 52

Deckung von Schäden

Abs. 1 Die Arbeitgeberhaftung bildet das Korrelat zur öffentlich-rechtlichen Pflicht der Arbeitgebenden zum Bezug, zur Ablieferung und zur Abrechnung der paritätischen 60

Altes Recht: Ehepaar-Altersrenten, die wegen mindestens hälftiger Invalidität der Ehefrau ausgerichtet werden (Art. 22 Abs. 1 AHVG).

2006

Sozialversicherungsbeiträge als gesetzliche Vollzugsorgane der AHV (BGE 112 V 155 Erw. 5). Sie nimmt heute eine prominente Stellung im Beitragsrecht ein. Dies rührt einmal daher, dass auf Grund der Rechtsprechung des EVG seit dem Jahre 1970 nicht nur die Arbeitgebenden, sondern subsidiär die für sie handelnden natürlichen Personen haften. Sodann haben Schadensfälle für die AHV seit der Abschaffung des Konkursprivilegs im Jahre 1997 stark zugenommen. In dieser Situation wirkt sich störend aus, dass nicht nur die Tatsache der subsidiären Organhaftung, sondern auch weitere wichtige Charakteristika der Haftung nicht im Gesetz selber geregelt sind und erst über ein Studium der umfangreichen Rechtsprechung erschlossen werden können. Im Sinne der Bürgerfreundlichkeit soll das Gesetz diesbezüglich transparenter gestaltet werden. An der Grundkonzeption wird indessen nichts geändert; die Haftung bleibt auf grobes Verschulden beschränkt. Der heutige Artikel bildet neu den Absatz 1 der Bestimmung.

Abs. 2 Die subsidiäre Haftung der Organe einer juristischen Person entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen und findet sich auch im Privatrecht (vgl. namentlich Art. 55 Abs. 3 ZGB und Art. 754 OR). Das EVG leitet sie ab aus Artikel 19 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten, SR 170.32, (BGE 114 V 219 ff. mit Hinweisen).

Die Organhaftung ist vor diesem Hintergrund nicht nur sachgerecht, sondern darüber hinaus notwendig, damit die Haftung nach Artikel 52 nicht toter Buchstabe bleibt. Selbstständigerwerbende, die ihre Klein- und mittelgrossen Betriebe in Form einer Einzelfirma führen, haften im Übrigen nach der Konkurseröffnung ebenfalls persönlich als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Schliesslich darf die präventive Bedeutung der persönlichen Organhaftung nicht unterschätzt werden. Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich daher, die Organhaftung im AHVG ausdrücklich zu verankern. Die Formulierung lehnt sich an jene der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit von Artikel 754 OR an. Sie bringt auch zum Ausdruck, dass ­ wie bisher ­ nicht nur formelle, sondern auch faktische Organe (d.h. Personen, welche Entscheidungen treffen, die eigentlich den Organen vorbehalten wären) haftbar sind.

Haben mehrere Organe einer juristischen Person einen
Schaden verursacht, so haften sie solidarisch (BGE 119 V 87 Erw. 5a, 114 V 214 mit Hinweisen). Da die Schadenersatzpflicht gemäss Absatz 1 begrifflich ein qualifiziertes Verschulden voraussetzt (Absicht oder Grobfahrlässigkeit), handelt es sich um eine so genannte absolute Solidarität (AHI-Praxis 1996 S. 291 Erw. 6). Auch diese auf Grund der Rechtsprechung bereits geltende Regelung ist im Gesetz ausdrücklich zu verankern.

Eine allfällige Regressforderung haben die Haftpflichtigen auf dem zivilrechtlichen Weg (Art. 41 ff. und Art. 759 Abs. 2 OR) geltend zu machen.

Abs. 3 Die Verjährung des Schadenersatzanspruches ist als für den Bestand des Ersatzanspruches zentrale Frage fortan ebenfalls im Gesetz zu regeln. Dabei ist grundsätzlich auf die heute geltende und im Haftpflicht allgemein übliche Einjahresfrist seit Kenntnis und die Fünfjahresfrist seit Eintritt des Schadens abzustellen. Allerdings scheint es angezeigt, den Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens für die Fälle des Konkurses und des Nachlassvertrages ausdrücklich zu definieren, ist er doch in diesen Fällen seit langem kontrovers und bewog das EVG verschiedentlich zu Praxisänderungen. Die Fixierung eines eindeutigen fristauslösenden Moments hat den Vorteil der Rechtssicherheit und der Transparenz. Nachdem wir die Wiedereinfüh2007

rung des Konkursprivilegs beantragen, darf dieser Zeitpunkt nicht zu früh angesetzt werden: Es macht nämlich keinen Sinn, eine Person mit einer Schadenersatzforderung ins Recht zu fassen, wenn die Beitragsforderung im Konkurs schliesslich doch ganz oder teilweise gedeckt wird. Auf der andern Seite besteht ein Interesse aller Beteiligten, dass mit allfälligen Schadenersatzforderungen nicht über Gebühr zugewartet wird. Wir schlagen daher vor, die Einjahresfrist in weitgehender Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsprechung (vgl. BGE 119 V 62) mit dem Zeitpunkt der Auflage des Kollokationsplanes und des Inventars laufen zu lassen. Dort, wo kein Kollokationsplan aufliegt (wie beim Konkursverfahren mangels Aktiven), ist die Einstellung des Konkurses nach Artikel 268 SchKG abzuwarten. Bei Nachlassverträgen soll auf den Bestätigungsentscheid nach Artikel 306 SchKG abgestellt werden.

Abs. 4 Der Schadenersatzanspruch ist von den Ausgleichskassen in einem besonderen Verfahren geltend zu machen. Gegen die entsprechende Verfügung können die Haftpflichtigen Einsprache erheben. Daraufhin hat die Kasse eine Klage einzureichen. Der Schadenersatzanspruch wird also nicht ­ wie sonst üblich ­ in der nachträglichen, sondern in der ursprünglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit beurteilt. Dieses zweistufige Verfahren gibt insbesondere daher Sinn, als den Ausgleichskassen die für die Klage nötigen Sachverhaltselemente für die Begründung der Schadenersatzklage kaum bekannt sind. Das Einspracheverfahren (ohne Rechtsmittelfunktion) verschafft den Ausgleichskassen in der Regel die notwendigen Informationen. Dieses heute in der AHVV geregelte Verfahren soll ebenfalls ins Gesetz überführt werden.

Art. 84 Abs. 1 zweiter Satz Mit diesem Änderungsantrag soll dem Ehegatten ein gesetzliches Vertretungsrecht zugesprochen werden, wie es für nahe Verwandte besteht. Dieser Vorschlag wurde bereits im Rahmen des Entwurfs eines Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) gestellt. Da sich die Verabschiedung dieses neuen Gesetzes hinauszögert, scheint es uns angebracht, diese Bestimmung bereits heute im AHVG einzuführen.

Praktische Gründe sprechen für die Übertragung der Vertretungsbefugnis an den Ehegatten. In dieser Befugnis enthalten ist auch das Recht, gegen Verfügungen Beschwerde zu erheben, wie es
für Verwandte in auf- und absteigender Linie und Geschwister gilt. Es geht darum, dem einen Ehegatten zu erlauben, den anderen zu vertreten, auch wenn die Voraussetzungen nach Artikel 166 ZGB nicht erfüllt sind (z.B. wenn die Ehegatten getrennt leben, da der eine in ein Pflegeheim eingewiesen werden musste; Verzicht auf die Intervention eines Richters, wenn die Angelegenheit nicht dringend, der betroffene Ehegatte aber verhindert ist). Im Übrigen würde der Ehegatte mit den Verwandten in auf- und absteigender Linie und den Geschwistern gleichgestellt. Warum sollte ausgerechnet der Ehegatte, welcher der versicherten Person näher stehen dürfte, als die anderen Familienmitglieder, von dieser Liste ausgeschlossen werden? Die Missbrauchsrisiken sind a priori nicht höher. Darüber hinaus würde für Artikel 67 Absatz 1 AHVV eine ausdrückliche Gesetzesgrundlage geschaffen. Zugleich beantragen wir, den Ausdruck "Rentenansprecher" durch "Leistungsansprecher" zu ersetzen, um auch die Verfügungen im Bereich der Sachleistungen mit einzubeziehen.

2008

Art. 87 viertes Lemma Der mit der Änderung der Rechtsprechung zur Zweckentfremdung von Arbeitnehmerbeiträgen nach Absatz 3 einhergehende Verlust an abschreckender Wirkung (BGE 117 IV 78 Erw. 2 S. 80) soll kompensiert werden (vgl. Ziff. 3.2.1.2.3). Und zwar indem die Initialphase, der Zeitpunkt der Lohnauszahlung, zusätzlich strafrechtlich abgesichert wird. Die AHV-Beitragsschuld entsteht von Gesetzes wegen im Zeitpunkt der Lohnzahlung (vgl. Art. 14 und 51 AHVG; BGE 110 V 225 S. 227). Fällig wird sie mit dem Ablauf der Zahlungsperiode (Art. 34 Abs. 4 AHVV). Hinsichtlich Bezug, Ablieferung und Abrechnung der paritätischen Sozialversicherungsbeiträge nimmt der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin eine Sonderstellung ein (vgl. auch dazu Ziff. 3.2.1.2.3). Das AHV-Recht verlangt zwingend, dass Löhne nur soweit zur Ausrichtung gelangen, als die darauf geschuldeten Beiträge bezahlt (oder Rückstellungen hierfür getätigt) werden. Ziehen die Arbeitgebenden AHV-Beiträge vom Lohn ab, begründen sie damit eine öffentlich-rechtliche Forderung gegenüber der AHV. Erfüllen sie diese Forderung nicht, so begehen sie neu eine strafbare Handlung.

Art. 90 Abs. 2 Gegenwärtig müssen die kantonalen Behörden ihre Strafentscheide der Bundesanwaltschaft einsenden. Daran gebunden ist auch die Rekurskompetenz der Bundesanwaltschaft. Nachdem diese von ihrer Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, seit einigen Jahren keinen Gebrauch mehr macht, kann Absatz 2 Buchstabe a aus Transparenzgründen aufgehoben werden. Wegen der Verweisungen in den entsprechenden Gesetzen wirkt sich die Massnahme auch auf die IV, die EO, die Familienzulagen in der Landwirtschaft und die EL aus.

Art. 102 Abs. 1 Bst. e (neu) Dieser Artikel nennt die Finanzierungsquellen der AHV und ist mit einem neuen Buchstaben e, der Nennung der Mehrwertsteuereinnahmen, zu ergänzen.

Art. 104 Abs. 1 Diese Bestimmung wird mit der Nennung des Mehrwertsteuerertrags sowie mit der Nennung der Spielbankenerträge gemäss dem bis zum Inkrafttreten der 11. AHVRevision wirksam gewordenen Spielbankengesetz ergänzt.

Art. 107 Abs. 3 Vgl. Ausführungen unter Ziffer 3.1.1.3.3 Art. 108 Abs. 1 In Einklang mit der neuen erweiterten Anlagepolitk des AHV-Fonds soll im ersten Satz der Begriff "angemessene Verzinsung" durch "marktkonformen Ertrag" ersetzt werden.

Der zweite Satz von Absatz 1 soll
ersatzlos gestrichen werden. Wie bei der beruflichen Vorsorge, der SUVA und der Privatassekuranz sollen Aktienanlagen international diversifiziert und nicht bloss auf Schweizer Unternehmen beschränkt werden, da dies eine höhere Performance ergibt (siehe Ausführungen in Ziff. 3.2.3).

2009

Art. 111 vgl. Erläuterung zu Artikel 104

Übergangsbestimmungen Grundsatz Die neuen Bestimmungen gelten grundsätzlich für alle Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten der 11. AHV-Revision eintreten. Besondere Regeln sind für die Erhöhung des Rentenalters der Frauen, für die Rentenvorbezugskürzung für Frauen und für die Witwenrenten vorgesehen.

Erhöhung des Rentenalters der Frauen In Anlehnung an den vierjährigen Erhöhungsrhythmus der 10. AHV-Revision wird das Rentenalter für Frauen im Jahr 2009 auf 65 Jahre angehoben. Dies gilt selbstverständlich sowohl für den Renten- als auch für den Beitragsbereich.

Rentenvorbezug Gegenüber dem geltenden Recht wurden die Anspruchsbedingungen für den Rentenvorbezug erheblich verbessert. Die Zahl der Personen, die vom Vorbezug Gebrauch macht, dürfte daher zunehmen. Mit dieser Übergangsbestimmung soll verhindert werden, dass der AHV auf Grund des flexiblen Rentenalters Mehrausgaben erwachsen, bevor die Einsparungen durch die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre realisiert werden können. Andernfalls entstünden der AHV bis zum Jahr 2009 Mehrausgaben von ungefähr einer Milliarde Franken. Auch wenn es sich dabei nicht um konstante Mehrausgaben handelt, sind diese von der Versicherung finanziell kaum zu verkraften.

Mit der 10. AHV-Revision wurden für eine Übergangsgeneration von Frauen (bis und mit Jahrgang 1947) beim Rentenvorbezug tiefere Kürzungssätze eingeführt (3,4% pro Vorbezugsjahr), die der Hälfte des versicherungsmathematischen Kürzungssatzes entsprechen. Das neue Vorbezugsmodell sieht abgestufte Kürzungssätze vor, die in gewissen Fällen höher sind. Damit den betroffenen Frauen mit der 11. AHV-Revision der Vorteil, der ihnen bei der 10. AHV-Revision zugestanden worden ist, nicht wieder entzogen wird, sehen die Übergangsbestimmungen vor, dass die Kürzungssätze ihrer vorbezogenen Renten 3,4 Prozent pro Vorbezugsjahr nicht übersteigen dürfen.

In bestimmten Fällen sind die Kürzungssätze für die vorbezogenen Renten gemäss den neuen Regeln tiefer als beim geltenden Recht. Damit auch Personen, die vor dem Inkrafttreten der 11. AHV-Revision vom Vorbezug Gebrauch gemacht haben, in den Genuss dieser tieferen Kürzungen kommen, können sie auf Antrag eine Neuberechnung des Kürzungssatzes verlangen, wenn dies für sie günstiger ist. Der neu gekürzte Rentenbetrag wird aber nur für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Revision ausbezahlt.

Witwenrenten

Vgl. Erläuterungen in Ziffer 3.1.4.6

Schlussbestimmungen Diese Bestimmung enthält die Referendumsklausel sowie die Regelung in Bezug auf das Inkrafttreten der 11. AHV-Revision.

2010

5.3

Änderung weiterer Bundesgesetze

5.3.1

Änderung des IVG

Art. 3 Abs. 1 Wie in der AHV sind die Beiträge der Nichterwerbstätigen in der IV nicht mehr plafoniert. Inskünftig wird nur noch der Mindestbeitrag genannt und im Übrigen auf die Berechnungsregeln des AHVG verwiesen.

Art. 6 Abs. 2bis (neu) Vgl. Ziffer 3.2.2.2 Art. 10 Abs. 1 zweiter Satz Für den Vorbezug der halben Altersrente wird nicht verlangt, dass die Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Nur das Erwerbseinkommen muss um ein Drittel reduziert werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 40 AHVG). Deshalb können Eingliederungsmassnahmen auch angezeigt sein, wenn eine versicherte Person schon eine halbe Altersrente bezieht. Der Vorbezug der ganzen Altersrente bedingt jedoch eine Erwerbsaufgabe. Deshalb wird Artikel 10 Absatz 1 zweiter Satz dahingehend ergänzt, dass der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen entweder mit Erreichen des ordentlichen Rentenalters erlischt oder aber mit dem Vorbezug einer ganzen Altersrente der AHV.

Art. 22 Abs. 2 zweiter Satz Eingliederungsmassnahmen geben Anspruch auf Taggelder. Deshalb muss das Ende des Anspruchs auf diese Leistung gleich ausgestaltet werden, wie dasjenige des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen (vgl. Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 1 zweiter Satz).

Art. 25ter Abs. 1 und 1bis (neu) Die IV-Taggelder gelten als massgebender Lohn im Sinne des AHVG. Absatz 1 wird entsprechend ergänzt. Bei dieser Gelegenheit wird die Bestimmung im Sinne der vertieften Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht umformuliert. Um bisherige Unklarheiten zu beseitigen, werden neu, anstelle der "mit ihr verbundenen Versicherungszweige", die tatsächlich gemeinten Sozialversicherungszweige aufgeführt, an die Beiträge von den IV-Taggeldern zu leisten sind. Die Bestimmung, wonach die Beiträge je zur Hälfte vom Versicherten und von der Invalidenversicherung zu tragen sind, wird neu in Absatz 1bis aufgeführt. Die Rückerstattung der durch die Arbeitgeberin bzw.

den Arbeitgeber in der Landwirtschaft nach Artikel 18 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG; SR 836.1) geschuldeten Beiträge wird gemäss der erwähnten Stellungnahme des Bundesrates in diesen Absatz aufgenommen.

Art. 30 Abs. 1 erster Satz Siehe Erläuterungen zu Artikel 40ter AHVG 2011

Art. 52 Abs. 2 Bst. d vgl. Erläuterungen zu Artikel 48quinquies Absatz 2 Buchstabe c AHVG.

Art. 77 Abs. 1 Bst. e (neu) vgl. Erläuterung zu Artikel 102 AHVG

5.3.2

Änderungen des BVG

Art. 10 Abs. 2 Mit der Einführung des flexiblen Rentenalters wird in dieser Bestimmung neu präzisiert, dass die Versicherungspflicht in jedem Fall beim Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters von 65 Jahren endet. Personen, die demzufolge während der Zeit des Vorbezugs der Altersleistungen eine Erwerbstätigkeit ausüben, bleiben für diese versichert, wenn sie die Voraussetzungen nach Artikel 2 BVG erfüllen. Dies unabhängig davon, ob sie gleichzeitig eine ganze oder halbe Altersrente vorbeziehen.

Art. 13

Leistungsanspruch

Das ordentliche Rentenalter wird neu auf 65 Jahre für beide Geschlechter festgelegt.

Art. 13a (neu) Flexibles Rentenalter Abs. 1 Die versicherte Person hat neu das Recht, ihre Altersleistung frühestens ab 59 Jahren zu beziehen. Sie kann im Weiteren wählen, ob sie die ganze oder die halbe Altersleistung vorbeziehen will.

Abs. 2 Bedingung hierzu ist jedoch, dass im ersten Fall das Arbeitsverhältnis beim jeweiligen Arbeitgebenden beendet wird oder im zweiten Fall, dass der letzte Jahreslohn aus dem betreffenden Arbeitsverhältnis mindestens um einen Drittel reduziert wird.

Dieses Recht ist somit neu Bestandteil der Mindestvorschriften (Art. 6 BVG) und kann durch das Reglement der Vorsorgeeinrichtung weder eingeengt noch vorenthalten werden.

Abs. 3 Die versicherte Person hat analog zur AHV (Art. 39 AHVG) das Recht, den Bezug der halben oder der ganzen Altersleistung über das ordentliche Rentenalter hinaus bis maximal zum 70. Altersjahr aufzuschieben, wie es schon unter dem geltenden Recht möglich ist. Sie kann im Weiteren wählen, ob sie die ganze oder die halbe Altersleistung aufschieben will.

Abs. 4 Bedingung hierzu ist jedoch, dass im ersten Fall der bisherhige Jahreslohn aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis um mindestens zwei Drittel ausgerichtet wird oder im zweiten Fall, dass dieser um mindestens einen Drittel ausgerichtet wird. Dieses Recht ist wie bisher Bestandteil der Mindestvorschriften (Art. 6 BVG) und kann 2012

durch das Reglement der Vorsorgeeinrichtung weder eingeengt noch vorenthalten werden.

Abs. 5 Die Vorsorgeeinrichtung muss sowohl im Fall des Vorbezugs wie auch beim Aufschub der Altersleistung den Umwandlungssatz für die Berechnung der Altersleistung auf der Basis des Umwandlungssatzes für das ordentliche Rentenalter von 65 Jahren nach unten oder nach oben anpassen.

Bei einem Aufschub ist vorgesehen, dass das nach Alter 65 nicht für Altersleistungen verwendete Altersguthaben zum Mindestzinssatz von Artikel 15 Absatz 2 BVG verzinst werden muss. Diese Verzinsungspflicht besteht aber nur für das BVGAltersguthaben. Hingegen wird nicht vorgeschrieben, wie eine Vorsorgeeinrichtung mit über das BVG hinausgehenden Leistungen im Falle eines Aufschubes vorgehen soll.

Abs. 6 Um zu gewährleisten, dass eine Person, welche die halbe Altersleistung vorbezieht, weiterhin angemessen im BVG versichert bleibt, müssen die Grenzbeträge und der minimale koordinierte Lohn angepasst werden.

Abs. 7 Es ist den Vorsorgeeinrichtungen freigestellt, in ihren Reglementen andere Modalitäten des Vorbezugs vorzusehen, insbesondere den Vorbezug der Altersleistungen schon vor dem 59. Altersjahr zu ermöglichen. Der Bundesrat verzichtet darauf, für den Vorbezug eine absolute untere Altersgrenze festzusetzen.

Die Vorsorgeeinrichtungen können im Reglement andere Möglichkeiten des Vorbezugs oder des Aufschubs der Altersleistungen vorsehen. Das Reglement kann zum Beispiel den Vorbezug eines Viertels oder eines Drittels statt der Hälfte der Altersleistungen vorsehen; es kann ebenso vorsehen, dass ein kleinerer oder grösserer Teil der Altersleistungen aufgeschoben wird.

Art. 14 Abs. 1 Diese Bestimmung regelt die Berechnung der Altersrente. Dabei wird vom Altersguthaben ausgegangen, welches die versicherte Person bis zum Zeitpunkt des effektiven Altersrücktritts, entweder des ordentlichen Rentenalters von 65 Jahren oder des vorzeitigen Altersrücktritts, erworben hat.

Art. 17

Kinderrente

Abs. 1 Der Anspruch auf Kinderrenten analog der AHV (vgl. Art. 22ter AHVG) steht auch einer versicherten Person zu, wenn sie die Altersleistung vorbezieht. In diesem Fall werden die Kinderrenten in gleicher Weise wie die vorbezogene Altersrente gekürzt: Die Vorsorgeeinrichtung wendet den gleichen Umwandlungssatz für die Berechnung der Kinderrente an. Damit sind diese Kinderrenten grundsätzlich durch das vorhandene Alterskapital vorfinanziert. Ob allerdings mit dem Eintreten des Risikos der Antiselektion (Versicherte mit Anspruch auf Kinderrenten tendieren verstärkt

2013

zum Rentenvorbezug) und damit zu nicht vorfinanzierten Mehrkosten zu rechnen sein wird, kann nicht nachgewiesen werden.

Abs. 2 Bezieht die versicherte Person eine halbe Altersrente, so wird die Kinderrente folglich um die Hälfte gekürzt.

Übergangsbestimmungen zu den Änderungen des BVG Art. 1

Erhöhung des Rentenalters der Frauen

Das ordentliche Rücktrittsalter für Frauen nach Artikel 13 wird in Koordination mit der AHV ebenfalls stufenweise auf neu 65 Jahre erhöht.

Art. 2

Koordination mit der 1. BVG-Revision

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die 11. AHV-Revision und die 1. BVGRevision nicht gleichzeitig in Kraft treten. In diesem Fall setzt die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre dennoch eine Vereinheitlichung des Umwandlungssatzes und der Altersgutschriftensätze voraus. Mit dieser Übergangsbestimmung erhält der Bundesrat die Kompetenz, diese technischen Anpassungen vorzunehmen.

5.3.3

Änderung des Freizügigkeitsgesetzes

Art. 2 Abs. 1bis Mit dieser Bestimmung wird gegenüber der geltenden Praxis klargestellt, dass der Vorbezug einer halben oder ganzen Altersleistung als Vorsorgefall im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes gilt, wenn er von der versicherten Person geltend gemacht wird. Wechselt diese demnach die Vorsorgeeinrichtung während der Vorbezugszeit, so tritt der Freizügigkeitsfall nach Artikel 1 Freizügigkeitsgesetz nur für jenen Teil der Vorsorge ein, die von der vorbezogenen Altersleistung nicht betroffen ist.

5.3.4

Änderung des ELG

Art. 3c Abs. 1 Bst. d Um zu verhindern, dass der Teilvorbezug einer halben Rente faktisch zu einem vollen Vorbezug führt, indem die Ergänzungsleistungen den Einkommensverlust voll ausgleichen, ist in diesen Vorbezugsfällen an Stelle der tatsächlich ausgerichteten halben gekürzten Rente die entsprechende ganze gekürzte Rente als Einnahme anzurechnen.

2014

5.3.5

Änderung des EOG

Art. 19a Abs. 1 und 1bis (neu) Die Erwerbsersatzentschädigungen zu Gunsten von Dienstleistenden in der Armee, im Zivildienst oder im Zivilschutz gelten als massgebender Lohn im Sinne des AHVG. Die Absätze 1 und 1bis werden entsprechend ergänzt. Bei dieser Gelegenheit wird die Bestimmung im Sinne der vertieften Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht umformuliert. Um bisherige Unklarheiten zu beseitigen, werden neu, anstelle der "mit ihr verbundene Versicherungszweige", die tatsächlich gemeinten Sozialversicherungszweige aufgeführt, an die Beiträge von den Erwerbsersatzentschädigungen zu leisten sind.

Art. 27 Abs. 1, 2 und 3 zweiter Satz Die Unterstellung unter die Versicherungszweige der ersten Säule (AHV/IV/EO/ ALV) muss im Interesse der Versicherten und zur Erleichterung der Beitragsabrechnung koordiniert werden. Absatz 1 Satz 2 wurde zu einer Zeit erlassen, in der die Alters- und Hinterlassenenversicherung noch keinen freiwilligen Beitritt zur obligatorischen Versicherung im Sinne des per 1. Januar 1997 eingeführten Artikels 1 Absatz 3 AHVG vorsah. Um möglichen Auslegungsproblemen im Zusammenhang mit dem Begriff "freiwillig versicherte Personen" vorzubeugen, genügt es, die erwähnte Bestimmung detaillierter abzufassen. Der neuen Formulierung kann entnommen werden, dass alle in der AHV versicherten Personen EO-Beiträge zu leisten haben (Abs. 1 Satz 1). Ausgenommen sind einzig diejenigen, die gemäss Artikel 2 AHVG freiwillig versichert sind (Abs. 1 Satz 2).

Wie in der AHV sind die Beiträge der Nichterwerbstätigen in der Erwerbsersatzordnung nicht mehr plafoniert. Nur der Mindestbeitrag wird genannt und im Übrigen auf die Berechnungsregeln des AHVG verwiesen.

5.3.6

Änderung des KVG

Art. 79 Abs. 2 (neu) und Abs. 3 und 4 Die Regelungen des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV widerspiegeln die im Zusammenhang mit dem ATSG festgehaltenen Lösungen, welche wiederum mit den jetzigen im Rahmen der Reform des Haftpflichtrechts festgehaltenen übereinstimmen. Die in der vorliegenden Revision des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV eingebrachten wesentlichen Änderungen (vgl. Art. 48ter Abs. 2, 48quater Abs. 2 und 48sexies AHVG) kommen nur voll zur Geltung, wenn die Bestimmungen zum Rückgriff auf haftpflichtige Dritte in der KV in gleicher Art angepasst werden.

5.3.7

Änderung des UVG

Art. 22 Abs. 1 zweiter Satz Die Invalidenrenten der obligatorischen Unfallversicherung werden nicht mehr revidiert, wenn von der anspruchsberechtigten Person angenommen wird, dass sie sich

2015

definitiv aus dem Erwerbsleben zurückgezogen hat, das heisst, sobald sie das ordentliche Rentenalter der AHV erreicht hat, oder ­ neu ­ eine ganze Altersrente dieser Versicherung vorbezieht. Der Vorbezug einer ganzen Altersrente bedingt ja die Aufgabe der Erwerbstätigkeit.

Art. 41 Abs. 2, Art. 42 Abs. 2 und Art. 44 Die Regelungen des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV widerspiegeln die im Zusammenhang mit dem ATSG festgehaltenen Lösungen, welche wiederum mit den jetzigen im Rahmen der Reform des Haftpflichtrechts festgehaltenen übereinstimmen. Die in der vorliegenden Revision des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV eingebrachten wesentlichen Änderungen (vgl. Art. 48ter Abs. 2, 48quater Abs. 2 und 48sexies AHVG) kommen nur voll zur Geltung, wenn die Bestimmungen betreffend des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der UV in gleicher Art angepasst werden.

5.3.8

Änderung des MVG

Art. 29 Abs. 3 und 3bis (neu) Die Taggelder der Militärversicherung gelten als massgebender Lohn im Sinne des AHVG. Artikel 29 Absatz 3 wird entsprechend ergänzt. Bei dieser Gelegenheit wird die Bestimmung im Sinne der vertieften Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht umformuliert. Um bisherige Unklarheiten zu beseitigen, werden neu, anstelle des Begriffes "mit ihr verbundenen Versicherungszweige", die tatsächlich gemeinten Sozialversicherungszweige aufgeführt, an die Beiträge von den Taggeldern der Militärversicherung zu leisten sind.

Art. 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 51 Abs. 4 In der Militärversicherung wird verschiedentlich das "AHV-Rentenalter" als Stichdatum vorgesehen: Bei der Anpassung von Renten, die auf unbestimmte Zeit festgesetzt werden (Art. 43 Abs. 1), der Umwandlung der Invalidenrente in eine Altersrente (Art. 47 Abs. 1) und der Berechnung der Hinterlassenenrenten, wenn der Versicherte nach dem 65. Altersjahr stirbt. Wegen der Ausdehnung des Rentenvorbezugs in der AHV muss der Begriff "AHV-Rentenalter" näher definiert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Daher wird in den erwähnten Bestimmungen jetzt neu auf das AHV-Rentenalter im Sinne von Art. 21 AHVG verwiesen, d.h. 65 Jahre.

Art. 67 Abs. 2 (neu) und 3 sowie Art. 68 Abs 2 Die Regelungen des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV widerspiegeln die im Zusammenhang mit dem ATSG festgehaltenen Lösungen, welche wiederum mit den jetzigen im Rahmen der Reform des Haftpflichtrechts festgehaltenen übereinstimmen. Die in der vorliegenden Revision des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der AHV/IV eingebrachten wesentlichen Änderungen (vgl. Art. 48ter Abs. 2, 48quater Abs. 2 und 48sexies AHVG) kommen nur voll zur Geltung, wenn die Bestimmungen betreffend des Rückgriffs auf haftpflichtige Dritte in der MV in gleicher Art angepasst werden.

2016

5.3.9

Änderung des AVIG

Art. 2 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. f (neu) Vgl. Ausführungen zu Artikel 27 EOG. Sie gelten sinngemäss auch für das AVIG.

Art. 8 Abs. 1 Bst. d Da das AHVG neu den Vorbezug einer halben Altersrente vorsieht, die keine Aufgabe der Erwerbstätigkeit erfordert, sondern nur eine Reduktion des Erwerbseinkommens um ein Drittel (vgl. Erläuterungen zu Art. 40 AHVG), besteht kein Grund, den Betroffenen keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung einzuräumen. Deshalb soll dieser Anspruch erst mit dem Vorbezug einer ganzen Altersrente oder beim Erreichen des Rentenalters gemäss Artikel 21 AHVG ganz erlöschen.

Art. 18 Abs. 5 (neu) Weil das AHVG von der Reduktion des Erwerbseinkommens ausgeht, dies aber für die ALV keine massgebende Grösse ist, wird eine Person, die eine halbe Altersrente der AHV vorbezieht, nur als zu 66 Prozent vermittlungsfähig angesehen und kann bloss in diesem Umfang einen Entschädigungsanspruch geltend machen.

Art. 22a Abs. 2 Die unter Artikel 7 Absatz 1 und 2 vorgesehene Arbeitslosenentschädigung gilt als massgebender Lohn im Sinne des AHVG. Artikel 22a Absatz 2 wird entsprechend ergänzt. Bei dieser Gelegenheit wird die Bestimmung im Sinne der vertieften Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht umformuliert. Um bisherige Unklarheiten zu beseitigen, werden neu, anstelle der "mit ihr verbundenen Versicherungszweige", die tatsächlich gemeinten Sozialversicherungszweige aufgeführt, an die Beiträge von der Arbeitslosenentschädigung zu leisten sind.

5.3.10

Änderung des ZUG

Art. 3 Abs. 2 Bst. b Die AHV-Beiträge gelten neu als Unterstützungen. Wir verweisen auf die Erläuterungen zu Artikel 11 Absatz 2 AHVG.

5.3.11

Änderung des SchKG

Art. 219 Abs. 4 Vgl. Erläuterungen zu Ziffer 3.2.1.2.4.

2017

5.4

Bundesgesetz betreffend die Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung

Die Kapitalüberweisung soll auf den 1. Januar 2003 erfolgen. Im Übrigen verweisen wir auf die Ziffern 3.2.4 und 4.3.3.

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

6.1

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund Tabelle 61-1

Beitrag des Bundes an die AHV nach der 11. AHV-Revision Beträge in Millionen Franken bzw. in Prozentpunkten der MWST zu Preisen von 1999

Jahr

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2003­2006 2007­2010 2003­2010

Finanzierung nach geltender Ordnung

11. AHV-Revision

MWST: 1 Prozentpunkt (linear)

Beitrag "netto" *

in MWSTProzentpunkten

17% der Ausgaben

Anteil an MWST (17%)

Beitrag "netto" *

in MWSTProzentpunkten

4 477 4 797 4 751 4 955 4 906 4 874 5 326 5 307 4 745 5 103 4 924

1,76 1,86 1,82 1,88 1,85 1,82 1,97 1,95 1,83 1,90 1,86

4 850 5 175 5 134 5 342 5 296 5 267 5 723 5 707 5 125 5 498 5 312

535 597 604 946 1 068 1 077 1 086 1 096 671 1 082 876

4 315 4 578 4 530 4 396 4 228 4 190 4 637 4 611 4 455 4 417 4 436

1,70 1,78 1,74 1,67 1,59 1,56 1,72 1,69 1,72 1,64 1,68

2 543 2 575 2 607 2 633 2 658 2 680 2 703 2 728 2 590 2 692 2 641

* "netto" bedeutet: Beitrag des Bundes nach Abzug des Anteils von 17 Prozent an den MWST-Einnahmen

In der Tabelle 61-1 wird einerseits ausgewiesen, wie hoch der Beitrag des Bundes an die AHV nach der 11. AHV-Revision wäre, unter Beibehaltung der jetzigen Finanzierungsordnung, andererseits wird aufgezeigt, wie hoch dieser Beitrag ausfallen würde auf Grund des mit der 11. AHV-Revision vorgeschlagenen Finanzierungsmodelles.

2018

Der Beitrag des Bundes beträgt 17 Prozent der Ausgaben61 abzüglich dem Anteil von 17 Prozent an den Einnahmen des seit 1. Januar 1999 erhobenen Mehrwertsteuerprozentes für die Demografie (die 170 Millionen Franken für das flexible Rentenalter gemäss der 10. AHV-Revision von 2003 bis und mit 2013 gemäss Art. 103 Abs. 3 AHVG sind hier nicht berücksichtigt, sie sind zusätzlich zu finanzieren).

Gemessen in Prozentpunkten der Mehrwertsteuer beträgt der Beitrag im Jahr 2003 1,76 Prozent. Dieser relative Wert steigt wegen der stärkeren Entwicklung der Ausgaben an. Der Durchschnitt bis 2010 beträgt 1,86 Prozent.

Mit dem vorgeschlagenen Finanzierungsmodell für die 11. AHV-Revision kann der Bund von den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer weiterhin den gleichen Prozentsatz erhalten, wie der Anteil seines Beitrags gemessen an den Ausgaben ist. Damit stabilisiert sich der Nettobeitrag. Der Durchschnitt von 2003 bis 2010 beträgt noch 1,68 Prozentpunkte, was etwa der Belastung im Jahr 2000 entspricht (1,75). Die dem Bund durch die demografische Entwicklung erwachsende Zusatzbelastung kann durch das vorgeschlagene Finanzierungsmodell stabilisiert werden.

Die Beträge in Prozentpunkten der Mehrwertsteuer beziehen sich auf eine volle (lineare) Erhöhung der reduzierten Steuersätze.

Beitrag des Bundes an die IV nach der 11. AHV-Revision

Tabelle 61-2

Beträge in Millionen Franken bzw. in Prozentpunkten der MWST zu Preisen von 1999 Jahr

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2003­2006 2007­2010 2003­2010

Beitrag ohne Anteil an MWST

11. AHV-Revision

MWST: 1 Prozentpunkt (linear)

37,5% der Ausgaben

in MWSTProzentpunkten

37,5% der Ausgaben

Anteil an MWST (18,75%)

Beitrag "netto" *

in MWSTProzentpunkten

3 549 3 713 3 754 3 911 3 914 3 908 4 158 4 149 3 732 4 032 3 882

1,40 1,44 1,44 1,49 1,47 1,46 1,54 1,52 1,44 1,50 1,47

3 540 3 712 3 758 3 921 3 927 3 924 4 171 4 160 3 733 4 046 3 889

357 483 489 494 498 502 507 512 456 505 480

3 183 3 229 3 269 3 427 3 429 3 422 3 664 3 648 3 277 3 541 3 409

1,25 1,25 1,25 1,30 1,29 1,28 1,36 1,34 1,27 1,31 1,29

2 543 2 575 2 607 2 633 2 658 2 680 2 703 2 728 2 590 2 692 2 641

* "netto" bedeutet: Beitrag des Bundes nach Abzug des Anteils an den MWST-Einnahmen

Tabelle 61-2 weist den Beitrag des Bundes an die IV aus, ohne und mit Beteiligung an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. (Die Ausgaben der IV sind ohne Betei61

Mit dem Stabilisierungsprogramm 98 wurde dieser Satz auf 16,36 Prozent herabgesetzt, jener der Kantone auf 3,64 Prozent angehoben. Diese Massnahme muss bis spätestens 1. Januar 2005 durch eine neue Regelung ersetzt werden. Die Berechnungen für die 11. AHV-Revision gehen deshalb ab 2005 von 17,0 Prozent aus.

2019

ligung des Bundes an der Mehrwertsteuer etwas tiefer, da mehr Schulden abgebaut werden und somit weniger Zinsen fällig werden.) Bei der IV wird der Anteil des Bundes aus dem Ertrag der Mehrwertsteuererhöhung nicht prozentual zu seinem Anteil an den Ausgaben festgesetzt. Der Ertragsanteil beträgt nur die Hälfte, da die Hälfte des Mehrwertsteuerertrages für den Schuldenabbau verwendet werden soll (vgl. Ziff. 3.1.1.3.2). Damit erhält der Bund 0,1875 Prozentpunkte von der Erhöhung der Mehrwertsteuer (37,5% von 0,5 Prozentpunkten). Die durchschnittliche Belastung von 2003 bis 2010 beträgt 1,29 Prozentpunkte. Damit können die Ausgaben des Bundes für die IV auf dem Niveau des Jahres 1997 (1,30) stabilisiert werden. Das neue Finanzierungsmodell entlastet den Bund bei der IV durchschnittlich um 473 Millionen Franken pro Jahr. Die Kapitalverlagerung von der EO zur IV bewirkt eine spürbare Entlastung bei den Schuldzinsen während acht Jahren von 20 Millionen Franken pro Jahr.

Auf den Beitrag an die Ergänzungsleistungen (EL) wirkt sich die Revision kostenneutral aus. Die Mehrausgaben wegen des Rentenvorbezugs werden durch die Einsparungen bei den wegfallenden Witwenrenten kompensiert.

6.2

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone

Der Beitrag der Kantone beläuft sich heute bei der AHV auf 3 Prozent und bei der IV auf 12,5 Prozent der Ausgaben. Die 11. AHV-Revision bewirkt für die Kantone bis zum Jahr 2008 bei der AHV Mehrausgaben von durchschnittlich einer Million Franken pro Jahr. Ab 2009 hat die Rentenaltererhöhung eine Entlastung bei der AHV von 13 Millionen Franken und bei der IV eine Belastung von 11 Millionen Franken zur Folge, insgesamt also Einsparungen von 2 Millionen Franken pro Jahr.

Bei den EL wirkt sich die Revision für die Kantone (wie für den Bund) kostenneutral aus, da sich die einzelnen Auswirkungen kompensieren. Die Kapitalverlagerung von der EO zur IV bewirkt eine Entlastung bei den Schuldzinsen von 7 Millionen Franken pro Jahr und dies während acht Jahren.

6.3

Weitere finanzielle Auswirkungen

6.3.1

Makroökonomische Auswirkungen

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer stellt in erster Linie eine Belastung für die Schweizer Wirtschaft dar. Das Ausmass der Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum kann jedoch nicht mit Sicherheit prognostiziert werden.

Die Analyse der makroökonomischen Auswirkungen der 11. AHV-Revision wurde mit Hilfe eines ökonometrischen Modells vorgenommen. Die mit einem Forschungsmandat beauftragte Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (KOF-ETH)62 entwickelte das ökonometrische Strukturmodell "MLM" sowie ein "Basis-Szenario"63 zuhanden des Perspektivstabs der Bundesverwaltung. Zur Bewertung der Auswirkungen der AHV-Revision wurden im Modell in einem Szenario "11. AHV-Revision" alle in der Botschaft festgelegten Referenz62 63

Auswirkungen der 11. AHV-Revision auf die Wirtschaft, KOF-ETH, Zürich, 15. Juni 1999.

Bei diesem "Basis-Szenario" handelt es sich um ein inoffizielles Arbeitsinstrument.

2020

werte aufgenommen. Die Annahmen zu den Vorbezugsquoten wurden somit unverändert übernommen64.

Die mit Hilfe des Modells MLM vorgenommenen Untersuchungen zeigen, dass die in der 11. AHV-Revision vorgesehenen Massnahmen lediglich einen vorübergehenden Einfluss auf den Mehrwert der gesamten Wertschöpfung haben65. Das Bruttoinlandprodukt entwickelt sich für das Szenario "11. AHV-Revision" nur auf einem unwesentlich tieferen Niveau als für das "Basis-Szenario".

Die makroökonomischen Auswirkungen, die direkt mit der 11. AHV-Revision zusammenhängen, zeigen sich grösstenteils auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits wird das Arbeitskräfteangebot durch die Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre tendenziell vergrössert, andererseits hat die Möglichkeit eines vorzeitigen Altersrücktritts den gegenteiligen Effekt. Insgesamt zeigt das Modell, dass sich das Arbeitskräfteangebot leicht verringert. Diese Entwicklung wird durch eine leicht erhöhte Arbeitsproduktivität (gemessen in Bezug auf das gesamte Arbeitsvolumen) im Szenario "11. AHV-Revision" kompensiert. Somit bleibt die Arbeitslosigkeit, die sich im "Basis-Szenario" bereits auf einem relativ tiefen Niveau bewegt, praktisch unverändert.

Die Mehrwertsteuererhöhungen werden zum grossen Teil über Preiserhöhungen auf die Konsumenten abgewälzt. Die Nominallöhne werden der Preisentwicklung bei Lohnverhandlungen nur teilweise angepasst66. Die Inflation bleibt sowohl für das "Basis-Szenario" als auch für das Szenario "11. AHV-Revision" gering. Die Auswirkungen auf Preise und Nachfrage auf volkswirtschaftlicher Ebene sind so gering67, dass Investitionstätigkeit und Aussenhandel nicht wesentlich beeinflusst werden.

Im Hinblick auf eine korrekte Interpretation dieser Ergebnisse sind einige Erläuterungen zur Methode erforderlich. In einem ersten Schritt ist klar zu bestimmen, was gemessen werden soll. Im vorliegenden Fall ging es darum, die wirtschaftlichen Auswirkungen der 11. AHV-Revision im Vergleich zum geltenden System zu bewerten. Dazu wurde zuerst ein "Basis-Szenario" zur wirtschaftlichen Entwicklung der kommenden Jahre festgelegt. In diesem "Basis-Szenario" entsprechen die von der AHV entrichteten Leistungen den in der 10. AHV-Revision vorgesehenen Beträgen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Finanzierung für den gesamten

64

65

66 67

Für die übrigen Punkte des Modells wurden lediglich die Annahmen zur Preis- und Lohnentwicklung (basierend auf dem Mischindex, mit dem die Berechnung der Anpassung für AHV- und IV-Renten erfolgt) nicht unverändert übernommen. Diese Variablen wurden vom Modell selbst im Bestreben um Kohärenz festgelegt, ohne dass dadurch die Ergebnisse beeinflusst wurden.

Man könnte einwenden, dass dieses Ergebnis vom Modell selbst abhängt, das die Wirtschaftskomponente "Angebot" nicht vollumfänglich abdeckt. Die mit Hilfe stark abweichender Modelle zum Beispiel im Rahmen von IDA FiSo vorgenommenen Simulationen zeigen jedoch eine gewisse Übereinstimmung bei den wichtigsten Ergebnissen.

Die Lohnentwicklung hängt im Endeffekt von der Entwicklung der Produktivität ab.

Mit dem Modell MLM ist es nicht möglich, die Nachfrage nach der Konsumstruktur der verschiedenen sozioökonomischen Gruppen aufzuschlüsseln. Mögliche Auswirkungen auf die Nachfrage auf Grund von Finanzflüssen zwischen Haushalten mit Erwerbstätigen und Haushalten mit Rentnern werden somit im Modell nicht berücksichtigt. Diese durch die 11. AHV-Revision bedingten Umverteilungseffekte sollten jedoch die Produktionskapazität der Schweizer Wirtschaft nicht tangieren.

2021

Beobachtungszeitraum gesichert ist68. Die durch die demografische Alterung bedingte steuerliche Mehrbelastung ist somit bereits im "Basis-Szenario" enthalten.

Der Vergleich des "Basis-Szenario" mit einem Szenario, das den in der 11. AHVRevision vorgesehenen Massnahmen Rechnung trägt (Szenario "11. AHV-Revision"), liefert somit in erster Linie Ergebnisse zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der im Bereich von Leistungen und Beiträgen vorgesehenen Massnahmen.

Auf Grund dieser Ergebnisse ist es somit nicht möglich, sämtliche volkswirtschaftlichen Auswirkungen aufzuzeigen, die sich aus den zur Deckung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs für AHV und IV vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhungen in zwei Etappen von 2,5 Punkten bis 2010 und weiteren 2,5 Punkten bis 2025 ergeben.

Dieser Mangel lässt sich beheben, indem auf Anhaltspunkte zurückgegriffen wird, die aus den im Rahmen von IDA FiSo 2 vorgenommenen Modellsimulationen hervorgehen. Dabei wurden insbesondere Szenarien mit unterschiedlicher Leistungszusammensetzung sowie unterschiedlichem Finanzierungsbedarf in Bezug auf ihre Auswirkungen auf Kriterien wie Wertschöpfung, Beschäftigung usw. analysiert und mit dem "Basis-Szenario" mit unveränderten Leistungen verglichen. Diese Simulationen zeigten, dass ein Szenario mit einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 1,2 Mehrwertsteuer-Punkten nur mit sehr begrenzten negativen Folgen für das Bruttoinlandprodukt verbunden ist 69.

Es gilt sicher einzuräumen, dass alle ökonometrischen Modelle und somit auch diese Ergebnisse an gewisse Grenzen stossen. Gegenwärtig stehen jedoch keine anderen Methoden zur Verfügung, die treffendere Ergebnisse liefern würden. Im Bericht IDA FiSo 2 wurde zudem auf gewisse Vorsichtsmassnahmen bei der Interpretation von Ereignissen hingewiesen, die auf Modellen zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung basieren. Dabei gilt es in erster Linie zu berücksichtigen, dass die Modelle auf Vergangenheitsdaten fussen. Die Basis bilden das Verhalten der Wirtschaftsakteure sowie die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen volkswirtschaftlichen Variablen in der Vergangenheit. Zudem darf nicht vergessen werden, dass jedes ökonometrische Modell auf Annahmen basiert, welche die Wirklichkeit stark vereinfacht wiedergeben.

6.3.2

Finanzielle Auswirkungen auf EL und ALV

Das flexible Rentenalter und der neue Anspruch auf Witwenrente wirken sich bei den Ergänzungsleistungen (EL) nur wenig aus. Bei Erreichen des Rentenalters ist der Anteil der EL-Bezügerinnen und -Bezüger noch sehr gering, so dass nur mit Mehrausgaben von 4 Millionen Franken zu rechnen ist. Genauso benötigen nur sehr wenige Witwen eine EL. Während der Übergangszeit (siehe Ziff. 4.2) erhöhen sich die vollen Einsparungen auf 5 Millionen Franken.

68

69

Technisch gesehen wurde im "Basis-Szenario" eine Erhöhung der Mehrwertsteuer simuliert, die genau ausreicht, um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf von AHV/IV bis zum Jahr 2025 zu decken.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 8 Punkte (Szenario "Gezielter Ausbau") wurden mit den Auswirkungen einer im "Basis-Szenario" (Szenario "Status quo") vorgesehenen Mehrwertsteuererhöhung von 6,8 Punkten verglichen. Die eigentlichen Auswirkungen des "Basis-Szenario" waren nicht Gegenstand der Analyse. In einem der verwendeten Modelle ergab sich für das Bruttoinlandprodukt im Jahr 2010 ein um 0,6 % tieferer Wert; in einem anderen Modell belief sich die Verringerung bis 2010 auf 0,1% der Wachstumsquote des realen Bruttoinlandproduktes.

2022

Das flexible Rentenalter entlastet die Arbeitslosenversicherung um 53 Millionen Franken. Der neue Anspruch auf Witwenrente kann jedoch langfristig Mehrausgaben von rund 93 Millionen Franken verursachen. Auch hier sind die Übergangszeiten zu beachten (siehe Ziff. 4.2), in den ersten zehn Jahren entstehen kleinere Einsparungen.

6.4

Personelle Auswirkungen

Vor allem die Flexibilisierung des Rentenalters in der AHV hat einen gewissen, dauerhaften Mehraufwand bei den Durchführungsorganen und Aufsichtsbehörden zur Folge. Die Behandlung eines Rentenantrags einer Person, die ihre Rente vorbeziehen möchte, ist etwas aufwändiger als die Bearbeitung eines Rentengesuchs für eine nicht vorbezogene Rente, da beim Rentenvorbezug geprüft werden muss, ob die Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise (Teilvorbezug) aufgegeben worden ist. Eine nicht vorbezogene Rente wird jedoch unabhängig von der Erwerbsaufgabe ausgerichtet. Andererseits ergeben sich Entlastungen, da während des Vorbezugs auf die Festsetzung und den Bezug der AHV-Beiträge verzichtet wird.

Es braucht keine zusätzlichen Stellen.

7

Legislaturplanung

Die Botschaft über die 11. Revision der AHV bildet Bestandteil der Legislaturplanung 1995­1999 (BBl 1996 II 293 ff.(317), Richtliniengeschäft R 16).

8

Verhältnis zum europäischen Recht

8.1

Vorschriften der europäischen Gemeinschaft

Mit dem am 2. Oktober 1997 unterzeichneten Vertrag von Amsterdam werden der Vertrag über die Europäische Union sowie die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften abgeändert. Die Mitgliedstaaten haben in diesem Vertrag ihr Festhalten an den Sozialrechten bestätigt. Zudem wurde eine Klausel mit einem allgemeinen Diskriminierungsverbot eingefügt (Art. 13) und die Gleichstellung von Mann und Frau ausgebaut (Art. 2, 3 und 141). Der Vertrag von Amsterdam ist am 1. Mai 1999 in Kraft getreten. Angesichts der Sachlage lässt sich sagen, dass sich der Gesetzgebungsprozess der Gemeinschaft im Bereich des sozialrechtlichen Schutzes noch immer auf die Umsetzung der Grundsätze des EG-Vertrages konzentriert.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist in Artikel 39 (ex-Art. 48) des EG-Vertrages verankert. Sie verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 42 (ex-Art. 51) des EG-Vertrages festgelegt ist. Dieser Artikel sieht jedoch nicht vor, dass ein europäisches System der Sozialen Sicherheit errichtet wird. Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbstständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die

2023

entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 geregelt (kodifiziert durch Verordnung Nr. 118/97 des Rates, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 307/1999 des Rates, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 38 vom 12.2.1999, S. 1).

Die Schweiz wird diesem Koordinationssystem nach dem Inkrafttreten der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft beitreten (vgl. Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft vom 23. Juni 1999, BBl 1999 3935).

Zudem wurden in Anwendung des Grundsatzes der Gleichstellung von Mann und Frau sowie der Gemeinschaftspolitik im Bereich der Chancengleichheit Richtlinien erlassen, die auf die Gleichbehandlung in den gesetzlichen und betrieblichen Systemen der Sozialen Sicherheit abzielen. Es handelt sich dabei um die Richtlinie 79/7 vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (Abl. Nr. L 6 vom 10.1.1979, S. 24) und um die Richtlinie 86/378 vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (Abl. Nr. L 225 vom 12.8.1986, S. 40).

Das Ziel der Richtlinie 79/7 besteht darin, in den gesetzlichen Systemen der Sozialen Sicherheit jede direkte oder indirekte Diskriminierung auf Grund des Geschlechts auszuschalten. Diese Richtlinie ist jedoch nicht auf die Hinterlassenenleistungen anwendbar und ermöglicht den Mitgliedstaaten, die Festlegung des Rentenalters aus dem Geltungsbereich auszuschliessen.

In der Richtlinie 86/378 waren die gleichen Ausnahmen (Rentenalter und Hinterlassenenrenten) vorgesehen wie in der Richtlinie 79/7. Doch im Anschluss an den Entscheid Barber vom 17. Mai 1990, in dem der Gerichtshof der EG die im Rahmen der betrieblichen Systeme geschuldeten Leistungen einem Entgelt gemäss Artikel 141 (ex-Art. 119) des EG-Vertrages gleichstellte, wurde die Richtlinie 86/378 teilweise für ungültig erklärt. Auf Grund dieses Entscheids darf in den betrieblichen Systemen bei Arbeitnehmern in Bezug auf das Rentenalter und die Hinterlassenenrenten nicht mehr zwischen Männern und Frauen unterschieden werden. Im Hinblick
auf die Rechtssicherheit musste daraufhin die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer neuen Richtlinie umgesetzt werden. Dies erfolgte mit der Richtlinie 96/97 vom 20. Dezember 1996 zur Änderung der Richtlinie 86/378/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (Abl. Nr. L 46 vom 17.2.1997, S. 20).

Mit einem Vorschlag für eine Richtlinie, den die Kommission am 27. Oktober 1987 (und somit noch vor dem Entscheid Barber) vorgelegt hat, wird die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in den gesetzlichen und betrieblichen Systemen der Sozialen Sicherheit angestrebt. Dieser Vorschlag ist zwar seit 1989 im Rat blockiert, bleibt jedoch weiterhin aktuell. Er hat zum Ziel, die Richtlinie 79/7 sowie die noch geltenden Bestimmungen der Richtlinie 86/378 anzupassen, wobei es bei dieser um den Fall der Selbstständigerwerbenden in den betrieblichen Systemen geht.

Zur Frage des Rentenalters werden zwei Lösungen vorgeschlagen: ­

2024

entweder ein einheitliches Rentenalter für beide Geschlechter, wobei zur Erleichterung des Übergangs eine allmähliche Einführung vorgeschlagen wird;

­

oder eine flexible Altersgrenze, wobei für beide Geschlechter gleiche Bedingungen ­ vor allem im Hinblick auf die Versicherungsjahre ­ gelten müssen.

In Bezug auf die Leistungen für den überlebenden Ehegatten ist in der vorgeschlagenen Richtlinie folgende Alternative vorgesehen: ­

entweder erhält der Witwer zu denselben Voraussetzungen Anspruch auf die Leistungen, die für Witwen vorgesehen sind;

­

oder die Witwenrenten werden durch die Schaffung oder Ausdehnung eines Systems eigener Ansprüche des überlebenden Ehegatten ersetzt, die nicht vom Geschlecht abhängig sind.

In seiner Empfehlung 82/857 vom 10. Dezember 1982 zu den Grundsätzen für ein gemeinsames Vorgehen betreffend die Altersgrenze (Abl. Nr. L 357 vom 18.12.1982, S. 27) fordert der Rat die Mitgliedstaaten auf, die Einführung des flexiblen Rentenalters als eines der Ziele ihrer Sozialpolitik anzuerkennen. Die Staaten sollen somit im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorschriften die freie Wahl des Zeitpunkts ermöglichen, ab dem Arbeitnehmer im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung ihre Altersrente beziehen können. Anschliessend wird eine Reihe von Prinzipien aufgezählt, von denen sich die Staaten zur schrittweisen Erreichung dieses Ziels leiten lassen sollen.

Schliesslich betont der Rat in seiner Entschliessung vom 30. Juni 1993 über flexible Regelungen für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (Abl. Nr. C 188 vom 10.7.1993, S. 1), dass ein flexibler Übergang in den Ruhestand eine sinnvolle Reaktion auf die demografische Entwicklung sowie auf die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt darstellen kann. Er hält zudem fest, dass die Gestaltung und Durchführung der Politik für einen flexiblen Altersrücktritt in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, wobei die Gemeinschaftsverträge und das Subsidiaritätsprinzip zu berücksichtigen sind.

8.2

Instrumente des Europarats

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, ist die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 das Pendant zur europäischen Menschenrechtskonvention. Artikel 12, der das Recht auf soziale Sicherheit vorsieht, gehört zu den sieben Artikeln, die den "harten Kern" der Charta bilden; für eine Ratifizierung müssen fünf von diesen sieben Artikeln vollumfänglich angenommen werden. In Ziffer 3 dieses Artikels ist insbesondere vorgesehen, dass sich die Vertragsparteien bemühen, "das System der Sozialen Sicherheit fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen". Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, so dass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Sie enthält eine allgemeine Klausel, welche Diskriminierungen ­ insbesondere auf Grund des Geschlechts ­ untersagt (Art. E). Das Recht auf Soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Der neue Artikel 20 bezieht sich spezifisch auf die Gleichstellung von Mann und Frau im Bereich der Beschäftigung und des Berufs. Doch im Anhang zur revidierten Charta, in dem der Umfang bestimmter Artikel genauer beschrieben wird, ist vorgesehen, dass die Bestimmungen über die Alters- und Hinterlassenenleistungen 2025

aus dem Geltungsbereich von Artikel 20 ausgeschlossen werden können. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 wurde am 16. September 1977 von der Schweiz ratifiziert (AS 1978 1491). Unser Land hat insbesondere Teil V über die Leistungen bei Alter und Teil X über die Leistungen an Hinterbliebene angenommen. In Teil V wird weder ein bestimmtes Rentenalter festgelegt noch das gleiche Rentenalter für Mann und Frau verlangt. Artikel 26 verfügt jedoch, dass das Alter, das Anspruch auf Altersleistungen verleiht, nicht über 65 Jahren liegen darf. Ein höheres Alter kann nur unter der Voraussetzung vorgesehen werden, dass die Zahl der Einwohner, die dieses Alter erreicht haben, mindestens 10 Prozent der Gesamtzahl der Einwohner im Alter zwischen 15 Jahren und dem betreffenden Alter ausmacht. Die nationale Gesetzgebung kann die Leistungen suspendieren, solange die anspruchsberechtigte Person in einem bestimmten Umfang erwerbstätig ist (Art. 26 Par. 3). In Teil X (Leistungen an Hinterbliebene) sind nur Leistungen zu Gunsten von Witwen (nicht aber von Witwern) und Kindern festgelegt.

Was die Finanzierung der Systeme der Sozialen Sicherheit anbelangt, sieht die Ordnung vor, dass die Aufwendungen für die Leistungen sowie die Verwaltungskosten kollektiv durch Beiträge oder Steuern oder durch eine Kombination dieser beiden Formen finanziert werden. Dabei ist zu vermeiden, dass Minderbemittelte über Gebühr belastet werden. Gleichzeitig muss sowohl der wirtschaftlichen Lage des Vertragsstaats als auch der geschützten Personen Rechnung getragen werden (Art. 70 Par. 1).

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990, die bisher von keinem Staat ratifiziert wurde, sieht in Artikel 3 Paragraf 6 vor, dass jede Partei sich bemüht, geeignete Massnahmen zu treffen, um den geschützten Personen beiderlei Geschlechts die Gleichbehandlung zu gewährleisten (...). Dies bedeutet, dass die Parteien bestrebt sein müssen, den Grundsatz der Gleichstellung von Mann und Frau umzusetzen. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine programmatische Bestimmung, die den Vertragsparteien einen grossen Handlungsspielraum belässt. Die revidierte Ordnung im Teil über die Leistungen an Hinterbliebene führt jedoch den
Begriff "überlebenden Ehegatten" ein, was die Witwer einschliesst.

Gemäss Artikel 64 kann der Leistungsanspruch des überlebenden Ehegatten davon abhängig gemacht werden, dass der Berechtigte ein vorgeschriebenes Alter erreicht hat (das unter dem Rentenalter liegen muss). Die Erfüllung einer derartigen Bedingung kann jedoch nicht gefordert werden, wenn der Ehepartner als arbeitsunfähig gilt oder mindestens ein Kind zu versorgen hat. Schliesslich kann der Leistungsanspruch bei einem überlebenden Ehegatten ohne Kind von einer vorgeschriebenen Ehedauer abhängig gemacht werden.

Gemäss Artikel 26 der revidierten Ordnung darf das Alter, das Anspruch auf eine Altersrente verleiht, nur dann über 65 Jahren liegen, wenn dies auf Grund angemessener demografischer, wirtschaftlicher und sozialer Kriterien gerechtfertigt ist. Falls dieses Alter bei oder über 65 Jahren liegt, muss es für bestimmte Personenkategorien gesenkt werden, beispielsweise für Personen, die schwere körperliche Arbeit verrichten oder unter gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen angestellt sind. Ein Staat kann jedoch von diesem Erfordernis abweichen, wenn seine Gesetzgebung Bestimmungen für die Flexibilisierung des Rentenalters in der Form des vorzeitigen oder aufgeschobenen Rentenbezugs enthält (Art. 27).

2026

Was die Finanzierung anbelangt, sieht die revidierte Ordnung eine analoge Bestimmung wie Artikel 70 Paragraf 1 der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit vor.

Von den Instrumenten des Europarats sind zudem eine Resolution und eine Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zu erwähnen: ­

die Resolution (76) 32 vom 21. Mai 1976 über Massnahmen der sozialen Sicherheit für Rentner oder Personen, die nach Erreichen des Rentenalters berufstätig bleiben. Diese Resolution strebt hauptsächlich die Einführung des flexiblen Rentenalters in den innerstaatlichen Gesetzgebungen an.

­

die Empfehlung Nr. R (89) 3 vom 6. März 1989 über die Flexibilität des Rentenalters.

8.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Die in der Vorlage enthaltenen Massnahmen für die Finanzierung bieten im Hinblick auf das europäische Recht keine Schwierigkeiten.

Die Vorlage sieht für das AHVG und das BVG (obligatorisches Minimum) das gleiche Rentenalter für Männer und Frauen vor. Das geltende Gemeinschaftsrecht für die gesetzlichen Systeme der Sozialen Sicherheit (Richtlinie 79/7) setzt dies zwar nicht zwingend voraus. Doch ein einheitliches Rentenalter geht in die Richtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau und entspricht der vorgeschlagenen Richtlinie der Gemeinschaft, die seit 1987 hängig ist. Es entspricht zudem dem Recht, das der Europarat empfiehlt. Sowohl das Gemeinschaftsrecht als auch die Instrumente des Europarats empfehlen, in den innerstaatlichen Gesetzgebungen ein flexibles Rentenalter einzuführen ­ was nun in der AHV und im BVG vorgesehen ist. Das vorgeschlagene System ist mit dem europäischen Recht vereinbar. Schliesslich enthalten diese Regelwerke keine Bestimmungen, die verunmöglichen, dass die Ausrichtung der Altersrente von der vollständigen oder teilweisen Aufgabe der Erwerbstätigkeit abhängig gemacht wird. Sie enthalten im Übrigen keine Aussage über eine Bedingung, dass im Fall eines Rentenaufschubs weiterhin eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden muss (BVG).

Im Bereich der Hinterlassenenrenten der AHV bietet die Anpassung der Bedingungen für den Erwerb des Anspruchs auf eine Witwenrente an die Bedingungen für den Erwerb des Anspruchs auf eine Witwerrente (mit Erweiterung durch ein Alterskriterium) im Hinblick auf das Recht des Europarats keine Schwierigkeiten. In Bezug auf das Gemeinschaftsrecht entspricht die in der Vorlage gewählte Lösung nicht der vorgeschlagenen Richtlinie vom 27. Oktober 1987: die erste Variante dieses Vorschlags sieht nämlich vor, dass Witwer zu gleichen Bedingungen Anspruch auf Leistungen erhalten wie Witwen. Damit soll verhindert werden, dass die Einführung der Gleichbehandlung zu einer Verschlechterung des Leistungsniveaus führt.

Die zweite Variante sieht die Aufhebung der Leistungen zu Gunsten von Witwen und die Schaffung eines Systems von eigenen Ansprüchen vor. Die Vorlage entspricht keiner der beiden Varianten. Da die Richtlinie jedoch noch nicht angenommen wurde, ist die Vorlage mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht vereinbar.

2027

9

Neuer Finanzausgleich und rechtliche Grundlagen

9.1

Vereinbarkeit mit dem neuen Finanzausgleich

Im Rahmen der Arbeiten zu einer Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen wird auch im Bereich der Sozialversicherungen eine Aufgabenentflechtung geprüft. Die Neuordnung des Finanzausgleichs postuliert eine Bundeszuständigkeit für die individuellen Leistungen der AHV. Die vorgeschlagenen Revisionsmassnahmen der 11. AHV-Revision sind mit diesem Grundsatz vereinbar, ebenso die vorgeschlagene Zusatzfinanzierung der Sozialversicherungen mit Mitteln der Mehrwertsteuer.

Gemäss Vernehmlassungsbericht zum neuen Finanzausgleich sollen sich die Kantone aus der Finanzierung der individuellen Leistungen der AHV und der IV zurückziehen. Auf der andern Seite sollen die Altershilfe und die kollektiven Leistungen der IV (Art. 73 und 74 IVG) weitgehend kantonalisiert werden. Mit dem neuen Finanzausgleich müsste der Bund somit einerseits den gesamten Beitrag der öffentlichen Hand tragen, die Ausgaben der AHV und der IV würden anderseits um den Betrag der kantonalisierten Leistungen reduziert. Diese Einsparungen sollen dem Bund zugute kommen. Die genaue Höhe der zukünftigen Bundesanteile sind noch nicht festgelegt.

9.2

Rechtliche Grundlagen

9.2.1

Verfassungsmässigkeit

Die Änderungen des AHVG und des IVG stützen sich auf Artikel 34quater Absatz 2 BV (neue BV: Art. 112) die Überweisung von Mitteln des Ausgleichsfonds der Erwerbsersatzordnung in die Invalidenversicherung auf den Artikeln 59 Absatz 4, 61 Absatz 4 und 111 Absatz 2 der neuen Bundesverfassung. Die Ergänzung des ELG hat ihre verfassungsmässige Grundlage in Artikel 11 der Übergangsbestimmungen zur BV (neue BV: Art. 196 Ziff. 10). Die Änderungen des BVG beruhen auf Artikel 34quater Absatz 3 BV (neue BV: Art. 113).

9.2.2

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der AHV/IV erforderlichen Regelungskompetenzen im technischen Bereich werden wie bisher an den Bundesrat delegiert. Im Einzelnen kann er zusätzlich zu seinen bestehenden Kompetenzen in folgenden Bereichen Bestimmungen erlassen: Die Bundesverfassung hält neu fest, dass der Bundesrat die Sätze der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV/IV um höchstens 1,5 Prozentpunkte anheben kann und dass er die Anteile der einzelnen Sozialversicherungszweige am Ertrag aus dieser Anhebung sowie den Anteil des Bundes bestimmt (Art. 130 Abs. 4 BV).

Der Bundesrat führt künftig in der Ausführungsverordnung die Berufskategorien auf, für welche er eine Ausnahme von der Versicherung zu Gunsten von Erwerbstätigen mit Wohnsitz im Ausland macht, die in der Schweiz während verhältnismässig kurzer Zeit in den fraglichen Kategorien tätig sind (Art. 1 Abs. 5 AHVG).

2028

Er setzt die Globallöhne in der Landwirtschaft für mitarbeitende Familienmitglieder fest (Art. 7 AHVG). Dies bringt eine Vereinfachung der Berechnung der beitragspflichtigen Einkommen mit sich.

Er veranlasst die Anpassung des Mindestbeitrags nach den Artikeln 8 und 10 an den Rentenindex, damit das Betragssystem und das Rentensystem bei den jeweiligen Rentenanpassungen weiterhin parallel laufen (Art. 9bis AHVG). Aus dem gleichen Grunde passt er die Höhe der geringfügigen Entgelte nach Artikel 14 Absatz 5 AHVG an den Rentenindex an.

Für die Berechnung der Beiträge von Nichterwerbstätigen setzt der Bundesrat einen oberen und unteren Grenzbetrag für die Anwendung des Beitragssatzes fest (Art. 10 Abs. 1bis AHVG). Er veranlasst die Erhöhung des Mindestbeitrages für Versicherte, die nicht dauernd voll erwerbstätig sind (Art. 10 Abs. 1 quater AHVG).

Der Bundesrat kann für die Beitragsvergütung an ausländische Staatsangehörige eine Reziprozitätsklausel einführen, soweit keine internationalen Verpflichtungen entgegenstehen (Art. 18 Abs. 4 AHVG).

Es ist Sache des Bundesrates, technische Vorschriften zur Rentenberechnung (jährliche Festlegung der Renten-Aufwertungsfaktoren nach Art. 30bis Abs. 1 AHVG) oder andere Bestimmungen zu erlassen, wie dies im Übrigen heute schon der Fall ist (Art. 30bis Abs. 1 AHVG).

Beim flexiblen Rentenalter kann der Bundesrat den Aufschub der Altersrente in gewissen Fällen ausschliessen und die Erhöhungsfaktoren festsetzen (Art. 39 AHVG); beim Vorbezug der Altersrente regelt er die Bezugs- und Berechnungsmodalitäten der vorgezogenen Rente (Art. 40 Abs. 5 AHVG) und legt die Kürzungssätze dieser Rente fest (Art. 40ter Abs. 1 AHVG).

Der Bundesrat ist weiterhin für die Anpassung der ordentlichen Renten an die Lohnund Preisentwicklung zuständig, dies ist grundsätzlich alle drei Jahre der Fall (Art. 33ter Abs.1 AHVG).

Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass der Bundesrat die Anwendbarkeit der neuen Artikel 23­23a (Witwenrente) auf Grund der wirtschaftlichen Bedingungen hinausschieben kann, wenn über 40-jährige Personen bei Inkrafttreten der elften AHV-Revision von langdauernder und erheblicher Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Die Koordination mit der 1. BVG-Revision (Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des BVG) ist gewährleistet, falls die zwei Revisionen nicht zeitgleich eingeführt werden sollten; Der Bundesrat passt die Sätze des Altersguthabens entsprechend an.

2029

Tabelle 1

AHV-Finanzhaushalt: Geltende Ordnung Beträge in Millionen Franken Jahr

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

zu Preisen von 1999

Ausgaben

Einnahmen

Total 1)

Beiträge und Regress

Mehrwertsteuer 2)

Kapitalkonto der

26 715 27 439 27 662 28 607 28 480 29 688 29 518 30 791 30 401 32 187 32 144 34 130 33 900

19 015 19 261 19 404 19 530 19 677 19 803 20 052 20 299 20 506 20 702 20 875 21 051 21 247

1 295 1 778 1 767 1 804 1 823 1 846 1 869 1 887 1 905 1 921 1 937 1 955

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in % Jahr 1999 2000 2001-2003 2004 Lohn 0,3 1,5 2,25 3,5 Preis 0,75 1,25 2,0 2,5

2030

Öffentliche Hand

Zinsen

Total

Jährliche Veränderung

Stand Ende Jahr

in Prozenten der Ausgaben

5 343 5 488 5 582 5 794 5 838 6 236 6 199 6 451 6 371 6 726 6 715 7 110 7 062

_964 _891 _858 _825 _776 _707 _617 _508 _408 _278 _140 ­_33 ­208

25 322 26 935 27 622 27 916 28 095 28 569 28 714 29 127 29 172 29 611 29 651 30 065 30 056

­1 393 ­_ 504 ­__ 40 ­_ 691 ­_ 385 ­1 119 ­_ 804 ­1 664 ­1 229 ­2 576 ­2 493 ­4 065 ­3 844

21 830 21 326 21 023 19 920 19 145 17 650 16 416 14 351 12 772 _9 885 _7 151 _2 911 ­1 004

81.7 77.7 76.0 69.6 67.2 59.5 55.6 46.6 42.0 30.7 22.2 _8.5 ­3.0

1) inklusive EU-Abkommen ab 2001 2) Erhöhung der Mehrwertsteuer, Anteil Bund 17% 1.1.1999: 1,0 Prozentpunkte (proportional) 3) inklusive Spielbankenabgabe ab 2000

Tabelle 2

AHV-Finanzhaushalt mit 11. Revision Beträge in Millionen Franken Jahr

zu Preisen von 1999

Aufgaben Geltende Ordnung 1)

Einnahmen Mehrwertsteuer 2)

Öffentliche Hand 3)

19 015 19 261 19 404 19 530 19 677 19 803 20 052 20 299 20 506 20 701 20 875 21 051 21 247

337 333 322 316 337 338 346 367

1 295 1 778 1 767 1 804 2 614 2 914 2 950 4 619 5 215 5 258 5 303 5 352

5 343 5 488 5 582 5 794 5 838 6 004 6 383 6 332 6 576 6 519 6 482 7 017 6 996

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in % Jahr 1999 2000 2001-2003 Lohn 0,3 1,5 2,25 Preis 0,75 1,25 2,0

2004 3,5 2,5

26 715 27 439 27 662 28 607 28 480 28 470 30 211 29 968 31 351 31 241 31 200 34 130 33 900

__61 _230 _230 __74 ­_87 ­220 ­464 ­330

Rentenanpassung: 2001, 04, 06, 09

2031

Total

Beiträge und Regress

26 715 27 439 27 662 28 607 28 480 28 531 30 441 30 198 31 425 31 154 30 980 33 666 33 570

Kapitalkonto der Beiträge 11. AHVRevision

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

11. AHVRevision

Zinsen

964 891 858 825 776 765 730 698 679 721 795 811 806

Total

Jährliche Veränderung

Stand Ende Jahr

in Prozenten der Ausgaben

25 322 26 935 27 622 27 916 28 095 29 523 30 412 30 601 32 696 33 493 33 748 34 528 34 768

­1 393 ­_ 504 ­__ 40 ­_ 691 ­_ 385 __ 992 ­__ 29 __ 403 _1 271 _2 339 _2 768 __ 862 _1 198

21 830 21 326 21 023 19 920 19 145 19 761 19 250 19 183 19 987 21 839 24 074 24 349 24 953

81.7 77.7 76.0 69.6 67.2 69.3 63.2 63.5 63.6 70.1 77.7 72.3 74.3

1) inklusive EU-Abkommen ab 2001 2) Erhöhung der Mehrwertsteuer, Anteil Bund 17% 1.1.1999: 1,0 Prozentpunkte (proportional) 1.1.2003: 0,5 Prozentpunkte (linear) 1.1.2006: 1,0 Prozentpunkte (linear) 3) inklusive Spielbankenabgabe ab 2000

Tabelle 3

IV-Finanzhaushalt: Geltende Ordnung Beträge in Millionen Franken Jahr

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

zu Preisen von 1999

Ausgaben

Einnahmen Zinsen

Total

Beiträge und Regress

Öffentliche Hand

_7 938 _8 454 _8 665 _8 980 _9 123 _9 539 _9 638 10 091 10 190 10 617 10 632 11 029 11 003

_27 _60 _99 141 187 237 290 347 407 470 536 605 674

_7 965 _8 514 _8 764 _9 121 _9 310 _9 776 _9 928 10 438 10 597 11 087 11 168 11 634 11 677

3 287 3 333 3 359 3 384 3 411 3 440 3 483 3 533 3 569 3 612 3 643 3 684 3 719

3 982 4 256 4 381 4 560 4 655 4 887 4 964 5 218 5 298 5 543 5 583 5 817 5 838

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in % Jahr 1999 2000 2001-2003 Lohn 0,3 1,5 2,25 Preis 0,75 1,25 2,0

2032

Kapitalkonto der

Geltende Ordnung

2004 3,5 2,5

1.1.1998:

Zinsen

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Total

Jährliche Veränderung

Stand Ende Jahr

in Prozenten der Ausgaben

7 269 7 589 7 740 7 944 8 066 8 327 8 447 8 751 8 867 9 155 9 226 9 501 9 557

­_ 696 ­_ 925 ­1 024 ­1 177 ­1 244 ­1 449 ­1 481 ­1 687 ­1 730 ­1 932 ­1 942 ­2 133 ­2 120

­__ 685 ­_1 610 ­_2 614 ­_3 740 ­_4 911 ­_6 264 ­_7 592 ­_9 094 ­10 602 ­12 275 ­13 918 ­15 712 ­17 449

­__8.6 ­_18.9 ­_29.8 ­_41.0 ­_52.7 ­_64.1 ­_76.5 ­_87.1 ­100.0 ­110.7 ­124.6 ­135.1 ­149.4

2200 Mio. Fr. Überweisung von der EO

Tabelle 4

IV-Finanzhaushalt mit 11. AHV-Revision Beträge in Millionen Franken Jahr

Ausgaben Geltende Ordnung 1)

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

zu Preisen von 1999

_7 938 _8 454 _8 665 _8 980 _9 123 _9 295 _9 774 _9 926 10 386 10 425 10 442 11 029 11 003

Einnahmen 11. AHVRevision

_0 _0 _0 _0 _0 _0 90 89

Zinsen

Total

Beiträge und Regress

_27 _60 _99 141 187 146 124 _96 _71 _47 _23 __4 __0

_7 965 _8 514 _8 764 _9 121 _9 310 _9 441 _9 898 10 022 10 457 10 472 10 465 11 123 11 092

3 287 3 333 3 359 3 384 3 411 3 435 3 486 3 529 3 573 3 608 3 639 3 684 3 719

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in % Jahr 1999 2000 2001-2003 Lohn 0,3 1,5 2,25 Preis 0,75 1,25 2,0 Rentenanpassung: 2001, 04, 06, 09

2033

2004 3,5 2,5

Kapitalkonto der Beiträge 11. AHVRevision

45 45 43 42 45 46 46 51

Mehrwertsteuer 2)

1 550 2 092 2 118 2 139 2 160 2 178 2 196 1 943

Öffentliche Hand

3 982 4 256 4 381 4 560 4 655 4 720 4 949 5 010 5 228 5 236 5 232 5 561 5 546

Zinsen

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 6

Total

Jährliche Veränderung

Stand Ende Jahr 3)

in Prozenten der Ausgaben

_7 269 _7 589 _7 740 _7 944 _8 066 _9 750 10 572 10 700 10 982 11 049 11 095 11 487 11 265

­_ 696 ­_ 925 ­1 024 ­1 177 ­1 244 __ 309 __ 674 __ 678 __ 525 __ 577 __ 630 __ 364 __ 173

­_ 685 ­1 610 ­2 614 ­3 740 ­4 911 ­3 110 ­2 360 ­1 624 ­1 059 ­_ 456 __ 185 __ 544 __ 704

­_8.6 ­18.9 ­29.8 ­41.0 ­52.7 ­32.9 ­23.8 ­16.2 ­10.1 ­_4.4 __1.8 __4.9 __6.3

1) inklusive EU-Abkommen ab 2001 2) Erhöhung der Mehrwertsteuer (linear), Anteil Bund 0,1875 Prozentpunkte 1.1.2003: 1,0 Prozentpunkte 1.1.2010: ­0,1 Prozentpunkte 3) 1.1.2003: 1500 Mio. Fr. Überweisung von der EO

Tabelle 5

Finanzhaushalt des EO-Fonds Beträge in Millionen Franken Jahr

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

zu Preisen von 1999

Ausgaben

Einnahmen

Total 1)

Beiträge

Zinsen

Total

Jährliche Veränderung

Stand Ende Jahr 2)

in Prozenten der Totalausgaben

558 724 839 767 831 841 827 808 898 884 912 894 981

681 690 695 699 705 718 728 736 743 751 758 764 771

127 124 121 119 118 _59 _56 _53 _48 _42 _36 _31 _24

808 814 816 818 823 777 784 789 791 793 794 795 795

_250 __90 ­_23 __51 ­__8 ­_64 ­_43 ­_19 ­107 ­_91 ­118 ­_99 ­186

3 051 3 141 3 079 3 070 3 002 1 483 1 404 1 351 1 211 1 090 _ 946 _ 824 _ 618

547 434 367 400 361 176 170 167 135 123 104 _92 _63

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung in % Jahr 1999 2000 2001-2003 Lohn 0,3 1,5 2,25 Preis 0,75 1,25 2,0

2034

Stand des EO-Fonds

2004 3,5 2,5

1) Inkrafttreten 6. EO-Revision: 1.7.1999 2) 1.1.2003: 1500 Mio. Fr. Überweisung zur IV