15.065 Botschaft zur Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Luzern, Schwyz, Glarus, Solothurn, Basel-Stadt und Appenzell Innerrhoden vom 14. Oktober 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Luzern, Schwyz, Glarus, Solothurn, Basel-Stadt und Appenzell Innerrhoden mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Oktober 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2015-0549

7615

Übersicht Der Bundesversammlung wird beantragt, mit einfachem Bundesbeschluss Änderungen in den Verfassungen der Kantone Luzern, Schwyz, Glarus, Solothurn, Basel-Stadt und Appenzell Innerrhoden zu gewährleisten. Die Verfassungsänderungen betreffen ganz unterschiedliche Themen. Alle Änderungen sind bundesrechtskonform. Die Gewährleistung kann somit erteilt werden.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Steht eine kantonale Verfassungsbestimmung im Einklang mit dem Bundesrecht, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie diese Voraussetzung nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand im Kanton Luzern: ­

Neuorganisation der kantonalen Aufsicht über die Gemeinden;

im Kanton Schwyz: ­

Kantonsratswahlverfahren;

im Kanton Glarus: ­

Verwesentlichung und Flexibilisierung der kantonalen Gesetzgebung;

im Kanton Solothurn: ­

Verankerung und Erweiterung der Gewerbesteuern;

im Kanton Basel-Stadt: ­

Zuständigkeit zur Einbürgerung;

im Kanton Appenzell Innerrhoden: ­

Verordnungskompetenzen des Grossen Rates;

­

Ausschluss vom Stimmrecht.

7616

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Luzern

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung vom 24. November 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Luzern haben in der Volksabstimmung vom 24. November 2013 dem geänderten Paragrafen 73 Absatz 2 der Verfassung des Kantons Luzern vom 17. Juni 20071 (KV-LU) (Neuorganisation der kantonalen Aufsicht über die Gemeinden) mit 77 115 Ja gegen 46 848 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 4. August 2014 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Luzern um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Neuorganisation der kantonalen Aufsicht über die Gemeinden

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 73 Abs. 2 2 Der Kanton richtet dezentral organisierte Aufsichtsbehörden ein, welche die Gemeinden unter Respektierung ihres Gestaltungsfreiraumes unterstützen. Das Gesetz regelt die aufsichtsrechtlichen Massnahmen.

§ 73 Abs. 2 2 Der Kanton bezeichnet die Behörden, welche die Gemeinden unter Respektierung ihres Gestaltungsfreiraumes beaufsichtigen. Das Gesetz regelt die aufsichtsrechtlichen Massnahmen.

Bisher beaufsichtigten die Regierungsstatthalter die Gemeinden. Ein bedeutender Teil der Aufgaben der Regierungsstatthalter ist mit der Schaffung der Kindes- und Erwachsenschutzbehörden weggefallen. Deshalb beschloss der Kantonsrat, die verbliebenen Aufgaben anderen Gremien zuzuteilen. Die Aufsicht über die Gemeinden obliegt nun den fachlich zuständigen Departementen und Dienststellen.

Die Regelung ändert die Zuständigkeit für die Aufsicht über die Gemeinden. Die Gemeindeautonomie nach Artikel 50 Absatz 1 der Bundesverfassung2 (BV) wird durch diese Neuordnung nicht tangiert. Die Änderung der KV-LU ist somit bundesrechtskonform; sie kann gewährleistet werden.

1.2

Verfassung des Kantons Schwyz

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 8. März 2015

Die Stimmberechtigten des Kantons Schwyz haben in der Volksabstimmung vom 8. März 2015 der Änderung von Paragraf 48 Absatz 3 der Verfassung des Kantons Schwyz vom 24. November 20103 (KV-SZ) (Kantonsratswahlverfahren) mit 18 608 1 2 3

SR 131.213 SR 101 SR 131.215

7617

Ja gegen 16 142 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 21. April 2015 ersucht der Regierungsrat des Kantons Schwyz um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Kantonsratswahlverfahren

Bisheriger Text § 48 Abs. 3 3 Der Kantonsrat wird innerhalb der Wahlkreise nach dem Grundsatz der Verhältniswahlen bestellt.

Neuer Text § 48 Abs. 3 Der Kantonsrat wird nach dem Verhältniswahlverfahren (Proporz) gewählt. Das Gesetz kann Mindestquoren vorsehen.

3

Die Regelung der Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten ist Sache der Kantone (Art. 39 Abs. 1 BV). Sie sind dabei an die Garantie der politischen Rechte, welche die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe schützt (Art. 34 BV), und an die demokratischen Mindestanforderungen von Artikel 51 Absatz 1 BV gebunden. In Bezug auf das Wahlsystem können die Kantone sowohl das Majorz- als auch das Proporzwahlverfahren vorsehen. Entscheidet sich ein Kanton für das letztgenannte Verfahren, muss es grundsätzlich so ausgestaltet sein, dass es den verschiedenen politischen Gruppierungen eine Vertretung im kantonalen Parlament ermöglicht, die ihren Wähleranteilen entspricht. Soweit in einer Mehrzahl von Wahlkreisen gewählt wird ­ wie dies im Kanton Schwyz der Fall ist ­ hängt die Realisierung des Verhältniswahlrechts unter anderem von der Grösse der Wahlkreise und damit zusammenhängend vom sogenannten natürlichen Quorum ab. Als natürliches Quorum bezeichnet man den Prozentanteil der Stimmen, den eine Liste in einem bestimmten Wahlkreis erhalten muss, um mindestens einen Sitz zu gewinnen. Bei Proporzwahlen darf dieser Prozentsatz grundsätzlich nicht über 10 Prozent liegen.4 Im Kanton Schwyz war gemäss dem bisherigen Paragrafen 48 Absatz 3 KV-SZ eine wahlkreisübergreifende Stimmenauswertung explizit ausgeschlossen, und die natürlichen Quoren in den verschiedenen Wahlkreisen des Kantons lagen im Durchschnitt bei 33 Prozent. Insbesondere weil damit der Schwellenwert von 10 Prozent deutlich überschritten war, stufte das Bundesgericht diese Regelung als nicht bundesrechtkonform ein. Die Bundesversammlung verweigerte dieser Bestimmung später die Gewährleistung.5 Die geänderte Verfassungsbestimmung ermöglicht nun einen wahlkreisübergreifenden Proporz; sie entspricht in ihrer Knappheit dem Text der Aargauer Verfassung.6 Die in den Gemeinden für die gleiche Partei oder politische Gruppierung abgegeben Stimmen werden für den ganzen Kanton zusammengezählt. Entsprechend der gesamtkantonalen Wählerstärke werden die 100 Sitze im Kantonsrat dann auf der Grundlage des Verfahrens «doppelter Pukelsheim» den Parteien und politischen Gruppierungen zugeteilt. Jeder Gemeinde stehen so viele Sitze zu, wie es ihrem prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht, jedoch mindestens ein Sitz. Die
geänderte Bestimmung stellt nun insbesondere sicher, dass der Schwellenwert von 10 Prozent nicht überschritten wird. Die Änderung der KV-SZ ist somit bundesrechtskonform; sie kann gewährleistet werden.

4 5 6

BGE 136 I 376, E. 4.5 Art. 1 des Bundesbeschlusses vom 14. März 2013 über die Gewährleistung der Verfassung des Kantons Schwyz, BBl 2013 2621.

§ 61 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980, SR 131.227

7618

1.3

Verfassung des Kantons Glarus

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung vom 4. Mai 2014

Die Stimmberechtigten des Kantons Glarus haben an der Landsgemeinde vom 4. Mai 2014 der Änderung der Artikel 18 Absatz 1, 53 Absätze 1 und 2, 62 Absatz 3, 90 Buchstabe a, 100 Buchstabe a, 119 Absatz 1, 122 Absatz 1 und 131 Absatz 1 Buchstabe f, dem neuen Artikel 127 Absatz 4 sowie der Aufhebung der Artikel 18 Absätze 2 und 3 und 32 Absatz 4 der Verfassung des Kantons Glarus vom 1. Mai 19887 (KV-GL) (Verwesentlichung und Flexibilisierung der kantonalen Gesetzgebung) zugestimmt. Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Glarus um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2

Verwesentlichung und Flexibilisierung der kantonalen Gesetzgebung

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 18 Staatshaftung 1 Kanton, Gemeinden und andere öffentlichrechtliche Körperschaften haften für den Schaden, den ihre Behördenmitglieder, Angestellten und Lehrpersonen oder andere im öffentlichen Auftrag tätige Personen durch eine Amtshandlung rechtswidrig verursacht haben.

2 Sie können auf die Verantwortlichen nach Gesetz Rückgriff nehmen.

3 Die Gesetzgebung kann die Haftung des Staates auf weitere Fälle ausdehnen. Sie kann für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Auftrag die persönliche Haftung nach Bundeszivilrecht vorsehen.

Art. 18 Staatshaftung 1 Kanton, Gemeinden und weitere Träger öffentlicher Aufgaben haften für den Schaden, den die für sie tätigen Personen durch eine Amtshandlung rechtswidrig verursacht haben. Das Gesetz regelt die Einzelheiten, namentlich die Ausdehnung der Haftpflicht, die Anwendbarkeit anderweitiger Haftungsnormen und den Rückgriff auf die Haftungsverursacher.

2 Aufgehoben 3 Aufgehoben

Art. 32 Abs. 4 4 Er gewährt den im Kanton tätigen, vom Bund anerkannten Krankenversicherungen Beiträge.

Art. 32 Abs. 4 4 Aufgehoben

Art. 53 Sachüberschrift, Abs. 1 und 2 Voranschlag und Rechnung 1 Der Voranschlag enthält die voraussichtlichen Einnahmen und die bewilligten Ausgaben der Rechnungsperiode.

2 Die Rechnung enthält sämtliche Einnahmen und Ausgaben und gibt den Stand des Vermögens auf Ende der Rechnungsperiode an.

Art. 53 Sachüberschrift, Abs. 1 und 2 Budget und Rechnung 1 Das Budget enthält die voraussichtlichen Erträge und Einnahmen sowie die bewilligten Aufwände und Ausgaben der Rechnungsperiode.

2 Die Rechnung enthält sämtliche Erträge und Einnahmen sowie Aufwände und Ausgaben und gibt die Vermögenslage auf Ende der Rechnungsperiode an.

7

SR 131.217

7619

Art. 62 Abs. 3 3 Mit dem Memorial werden der Landsgemeinde die Staatsrechnung, der Finanzbericht sowie der Voranschlag zur Kenntnis gebracht.

Art. 62 Abs. 3 3 Mit dem Memorial werden der Landsgemeinde die Jahresrechnung, der Finanzbericht sowie das Budget zur Kenntnis gebracht.

Art. 90 Bst. a Dem Landrat stehen zu: a. die Festsetzung des Voranschlags, die Prüfung und Abnahme der Staatsrechnung und die Genehmigung des Finanzplans;

Art. 90 Bst. a Dem Landrat stehen zu: a. die Festsetzung des Budgets, die Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung und die Genehmigung des Finanzplans;

Art. 100 Bst. a Dem Regierungsrat stehen zu: a. der Entwurf des Voranschlags, die Führung der Staatsrechnung sowie die Aufstellung des Finanzplans;

Art. 100 Bst. a Dem Regierungsrat stehen zu: a. der Entwurf des Budgets, die Führung der Jahresrechnung sowie die Aufstellung des Finanzplans;

Art. 119 Abs. 1 1 Die Gemeinden besorgen alle örtlichen Angelegenheiten, für die weder der Bund noch der Kanton zuständig sind.

Art. 119 Abs. 1 1 Die Gemeinden besorgen alle örtlichen Angelegenheiten, für die weder der Bund noch der Kanton ausschliesslich zuständig sind.

Art. 122 Abs. 1 Die Gemeinde nimmt alle öffentlichen Aufgaben wahr, für die weder Bund noch Kanton noch die Kirchgemeinden zuständig sind (Einheitsgemeinden).

Art. 122 Abs. 1 1 Die Gemeinde nimmt alle öffentlichen Aufgaben wahr, für die weder der Bund noch der Kanton ausschliesslich zuständig sind (Einheitsgemeinden).

1

Art. 127 Abs. 4 4 Für die kommunalen Organisationen anderer Religionsgemeinschaften, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannt sind, gelten die Vorschriften über die Kirchgemeinden sinngemäss.

Art. 131 Abs. 1 Bst. f 1 Die Stimmberechtigten sind insbesondere zuständig für: f. die Festsetzung des Voranschlags;

Art. 131 Abs. 1 Bst. f 1 Die Stimmberechtigten sind insbesondere zuständig für: f. die Festsetzung des Budgets;

Die Vorlage zur Verwesentlichung und Flexibilisierung der kantonalen Gesetzgebung betraf die Kantonsverfassung und 54 Gesetze. Auf Verfassungsstufe wurden folgende Änderungen vorgenommen: ­

Der bisherige Artikel 18 KV-GL sah eine direkt anwendbare Haftungsregel auf Stufe Verfassung vor. Nach dem Erlass des Staatshaftungsgesetzes genügt es, in der Verfassung das Grundsätzliche zu regeln und die Einzelheiten an den Gesetzgeber zu delegieren.

­

Artikel 32 Absatz 4 KV-GL erübrigte sich, weil der Kanton keine direkten Beiträge mehr an die Krankenversicherungen leistet.

­

Mehrere Verfassungsbestimmungen wurden der modernen, in der Finanzhaushaltsgesetzgebung verwendeten Begrifflichkeit angepasst. «Voran-

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schlag» und «Staatsrechnung» wurden ersetzt durch «Budget» und «Jahresrechnung» (Art. 53, 62, 90, 100 und 131 KV-GL). Artikel 53 KV-GL klärt neu zudem, dass das Budget (bzw. nach alter Terminologie die Rechnung) nicht bloss Ausgaben und Einnahmen (Zahlungen), sondern auch bewilligte Aufwände und voraussichtliche Erträge (Wertveränderungen) enthält.

Zudem wird ergänzt, dass die Rechnung nicht mehr nur den Stand des Vermögens, sondern die Vermögenslage wiedergibt, d. h. die Schulden miteinbezieht.

­

Die Bestimmungen betreffend die Gemeindebefugnisse wurden redaktionell präzisiert (Art. 119 und Art. 122 KV-GL).

­

Die bisher im Gemeindegesetz verankerte Bestimmung, wonach für die kommunalen Organisationen anderer Religionsgemeinschaften, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannt sind, die Vorschriften über die Kirchgemeinden sinngemäss gelten, wurde auf Verfassungsstufe gehoben (Art. 127 Abs. 4 KV-GL).

Die redaktionellen Änderungen betreffen Bereiche, die im kantonalen Zuständigkeitsbereich liegen und für die der Bund keine Vorgaben macht. Auch Vorschriften zur Behandlung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften liegen im Kompetenzbereich der Kantone (vgl. Art. 72 BV).

Die Änderungen der KV-GL sind somit bundesrechtskonform; sie können gewährleistet werden.

1.4

Verfassung des Kantons Solothurn

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 8. März 2015

Die Stimmberechtigten des Kantons Solothurn haben in der Volksabstimmung vom 8. März 2015 der Ergänzung von Artikel 132 Absatz 1 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 19868 (KV-SO) (Erhebung von Sondersteuern) mit 48 958 Ja gegen 14 037 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 16. März 2015 ersucht die Staatskanzlei des Kantons Solothurn um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Verankerung und Erweiterung der Gewerbesteuern Neuer Text Art. 132 Abs. 1 Bst. m 1 Der Kanton kann folgende Steuern erheben: m. Steuern von Gastwirtschafts-, Takeaway/Imbiss-Betrieben, Beherbergungs- und Alkoholhandelsbetrieben sowie Betrieben der Sexarbeit.

Gastwirtschafts-, Beherbergungs- und Alkoholhandelsbetriebe hatten schon bisher auf dem Umsatz beruhende Jahresgebühren entrichtet. Das Bundesgericht hatte sie 8

SR 131.221

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im Jahr 2002 als verfassungsmässig bezeichnet.9 Bei der Revision der Kantonsverfassung im Jahr 1986 galten diese Gebühren noch nicht als Steuern und wurden deshalb nicht in der Verfassung aufgeführt. Dies wurde nun nachgeholt. Gleichzeitig wurde die Steuer auf «Take-away/Imbiss-Betriebe» ausgedehnt und für «Betriebe der Sexarbeit» neu eingeführt.

Mit der Änderung der KV-SO wird eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Erhebung einer Steuer von verschiedenen Betrieben geschaffen. Die Kantone können aufgrund ihrer Steuerhoheit (Art. 3 BV) Gewerbesteuern erheben unter Vorbehalt der Steuerkompetenzen des Bundes (Art. 134 BV) und unter Beachtung der verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze (Art. 94 Abs. 1 und 4 sowie Art. 127 BV). Die Änderung der KV-SO ist bundesrechtskonform; sie kann gewährleistet werden.

1.5

Verfassung des Kantons Basel-Stadt

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung vom 27. November 2011

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt haben in der Volksabstimmung vom 27. November 2011 der Aufhebung von Paragraf 91 Absatz 1 Buchstabe f und der Änderung von Paragraf 110 Absatz 1 Buchstabe d der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 200510 (KV-BS) (Zuständigkeit zur Einbürgerung) mit 31 382 Ja gegen 11 266 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 27. April 2015 ersucht der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Zuständigkeit zur Einbürgerung

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 91 1 Der Grosse Rat: f. erteilt unter Vorbehalt der Kompetenz des Regierungsrates das Kantonsbürgerrecht;

§ 91 1 Der Grosse Rat: f. Aufgehoben

§ 110 Abs. 1 Bst. d 1 Der Regierungsrat hat die folgenden Aufgaben: d. die Verleihung des Kantonsbürgerrechts an Personen mit Anspruch auf Einbürgerung;

§ 110 Abs. 1 Bst. d 1 Der Regierungsrat hat die folgenden Aufgaben: d. die Verleihung des Kantonsbürgerrechts;

Die Verleihung des Kantonsbürgerrechts fällt nach der neuen Vorschrift in die ausschliessliche Zuständigkeit des Regierungsrats.

9 10

BGE 128 I 102 SR 131.222.1

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Erwerb und Verlust der Bürgerrechte werden durch den Bund gestützt auf Artikel 38 BV im Bürgerrechtsgesetz vom 29. September 195211 (BüG) geregelt. Am Verfahren der ordentlichen Einbürgerung beteiligen sich Bund, Kantone und Gemeinden.

Das Verfahren im Kanton und in der Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt (Art. 15a BüG). Die Änderung der KV-BS ist somit bundesrechtskonform; sie kann gewährleistet werden.

1.6

Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden

1.6.1

Kantonale Volksabstimmung vom 28. April 2013

Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell Innerrhoden haben an der Landsgemeinde vom 28. April 2013 der Änderung der Artikel 1 Absatz 3, 27 Absatz 3 und 29 Absatz 1 der Verfassung vom 24. November 187212 für den Eidgenössischen Stand Appenzell I. Rh. (KV-AI) (Verordnungskompetenzen des Grossen Rates) zugestimmt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2014 ersucht die Ratskanzlei des Kantons Appenzell Innerrhoden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.6.2

Verordnungskompetenzen des Grossen Rates

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 1 Abs. 3 3 Bei allen Volks- und Ratsabstimmungen entscheidet die absolute Mehrheit der Stimmenden. Den Bezirken und Gemeinden steht es frei, die offene Abstimmung an der Gemeindeversammlung durch geheime Abstimmung an der Urne zu ersetzen. Der Entscheid über die Einführung der Urnen-abstimmung hat im geheimen Verfahren zu erfolgen. Der Grosse Rat regelt die Urnen-abstimmung durch Verordnung.

Art. 1 Abs. 3 3 Der Grosse Rat regelt das Erforderliche durch Verordnung.

Art. 27 Abs. 3 3 Er beschliesst über den Beitritt zu Konkordaten, entscheidet über deren Abänderung und deren Kündigung.

Art. 27 Abs. 3 3 Er beschliesst über den Beitritt zu Konkordaten, entscheidet über deren Abänderung und deren Kündigung und kann den Vollzug regeln.

Art. 29 Abs. 1 Der Grosse Rat überwacht den Geschäftsgang aller Behörden.

Art. 29 Abs. 1 1 Der Grosse Rat überwacht den Geschäftsgang aller Behörden. Er kann die Rechte und Pflichten der kantonalen Behörden und Angestellten regeln sowie die kantonale Verwaltungsorganisation festlegen, einschliesslich des Gebührenwesens. Er regelt für die kantonale Versicherungskasse das Erforderliche.

1

11 12

SR 141.0 SR 131.224.2

7623

Die neuen Vorschriften verleihen dem Grossen Rat wieder eigene Verordnungskompetenzen (wie vor 1994). Sie sind beschränkt auf das Wahl- und Abstimmungsverfahren, Verwaltungsbelange und den Vollzug von Konkordaten.

Die Zuteilung der formellen und materiellen Gesetzgebungskompetenzen liegt in der kantonalen Organisationsautonomie. Der Grosse Rat wird bei der Regelung des Wahl- und Abstimmungsverfahrens die Vorgaben der BV (Art. 34 BV: Garantie der politischen Rechte, d. h Schutz der freien Willensbildung und der unverfälschten Stimmabgabe; Art. 51 Abs. 1 BV: demokratische Mindestanforderungen) zu beachten haben. Die Bestimmung kann damit bundesrechtskonform angewendet werden; die Änderung kann gewährleistet werden.

1.6.3

Kantonale Volksabstimmung vom 26. April 2015

Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell Innerrhoden haben an der Landsgemeinde vom 26. April 2015 der Änderung von Artikel 16 Absatz 2 KV-AI (Ausschluss vom Stimmrecht) zugestimmt. Mit Schreiben vom 30. April 2015 ersucht die Ratskanzlei des Kantons Appenzell Innerrhoden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.6.4

Ausschluss vom Stimmrecht

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 16 Abs. 2 2 Vom Stimmrecht ist ausgeschlossen, wer wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche (Art. 369 ZGB2) entmündigt wurde.

Art. 16 Abs. 2 2 Vom Stimmrecht ist ausgeschlossen, wer wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft steht oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten wird.

2

SR 210

Mit der Revision wird die Umschreibung der Stimmberechtigung in kantonalen und in kommunalen Angelegenheiten der Regelung des auf den 1. Januar 2013 in Kraft getretenen neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts des Zivilgesetzbuchs13 (ZGB) angepasst. Die Regelung der Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten ist Sache der Kantone (Art. 39 Abs. 1 BV). Artikel 16 Absatz 2 KV-AI entspricht im Übrigen der Regelung auf Bundesebene (Art. 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dez. 197614 über die politischen Rechte).

Diese Änderung der KV-AI ist bundesrechtskonform; sie kann gewährleistet werden.

13 14

SR 210 SR 161.1

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2

Verfassungsmässigkeit

2.1

Bundesrechtkonformität

Die Prüfung hat ergeben, dass die Änderungen der Verfassungen der Kantone Luzern, Schwyz, Glarus, Solothurn, Basel-Stadt und Appenzell Innerhoden die Anforderungen von Artikel 51 BV erfüllen. Somit ist ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

2.2

Zuständigkeit der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 BV für die Gewährleistung zuständig.

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