15.032 Bericht zur Abschreibung der Motionen 05.3473 WAK-S vom 6. September 2005: Bilaterale Verträge.

Erleichterung des Marktzuganges für Schweizer KMU in der Europäischen Union und 10.3279 FDP vom 19. März 2010: Gegen Diskriminierung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens vom 6. März 2015

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2005

M 05.3473

Bilaterale Verträge. Erleichterung des Marktzuganges für Schweizer KMU in der Europäischen Union (S 27.09.2005, WAK-S; N 01.12.2005)

2010

M 10.3279

Gegen Diskriminierung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (N 18.06.2010, APK-S; S 01.12.2010)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. März 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2643

3001

Übersicht Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen ist für die Berufstätigkeit und die Dienstleistungserbringung in EU-Mitgliedsländern ein klarer Rahmen gesetzt.

Mit den vom Bundesrat getroffenen Massnahmen konnten gewisse von Schweizer Wirtschaftsvertretern vorgebrachte Schwierigkeiten gelöst werden. Die neusten Umfragen haben gezeigt, dass die bilateralen Verträge gut funktionieren; in den vergangenen Jahren wurden keine Probleme beim Zugang zu den EU-Märkten mehr vermeldet. Der Bundesrat beantragt deshalb die Abschreibung der beiden Motionen.

Die zwei Motionen befassen sich mit den aus dem Freizügigkeitsabkommen abgeleiteten Möglichkeiten des Zugangs zu den EU-Märkten. Sie zielen auf eine Verbesserung der Rechte von Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen in diesem Bereich ab, wobei sie bemängeln, dass diese Rechte in den Nachbarländern nicht immer vollumfänglich garantiert seien.

Die Rechtsgrundlage, die den Zugang zu den EU-Märkten regelt, bietet gewisse Erleichterungen für Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen, sie sieht jedoch keine vollständige Liberalisierung vor. Durch die seit dem Einreichen der Motionen aufgenommenen Kontakte mit den Berufs- und Wirtschaftsverbänden konnte der Informationsaustausch zwischen den betroffenen Parteien verbessert werden. Mit den rechtlichen Änderungen im Bereich der Dienstleistungserbringung in reglementierten Berufen im Jahr 2013 wurden die schweizerischen Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer ihren europäischen Konkurrentinnen und Konkurrenten gleichgestellt.

Die verschiedenen vom Bundesrat in Auftrag gegebenen Berichte aus den Jahren 2010 und 2012 zeigen, dass die bilateralen Verträge mit der EU gut funktionieren; die Berufs- und Wirtschaftsvertreter meldeten in den vergangenen Jahren keine konkreten Probleme mehr, was auf eine positive Entwicklung der Rahmenbedingungen hindeutet. Vor diesem Hintergrund geht der Bundesrat davon aus, dass die in den Motionen vorgebrachten Probleme beseitigt sind und dass allfällige künftige Probleme durch die bestehenden Kontakte in der Schweiz und auch mit den ausländischen Behörden gelöst werden können. Er beantragt daher die Abschreibung der beiden Motionen.

3002

Abkürzungsverzeichnis ABl.

APK BAG EDA EFTA EFTA-Konvention EG ETH EU FDP FMH FZA

MWST Richtlinie 2005/36/EG SBFI SECO SGV SIA SR SUPSI SVFB ULAK USI WAK WBF

Amtsblatt der Europäischen Union Aussenpolitische Kommission (S: Ständerat; N: Nationalrat) Bundesamt für Gesundheit Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Europäische Freihandelsassoziation Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (SR 0.632.31) Europäische Gemeinschaft Eidgenössische Technische Hochschulen Europäische Union Freisinnig-Demokratische Partei Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681) Mehrwertsteuer Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation Staatssekretariat für Wirtschaft Schweizerischer Gewerbeverband Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein Systematische Rechtssammlung des Bundes Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (Fachhochschule der italienischsprachigen Schweiz) Schweizerischer Verband freier Berufe Urlaubskasse (Deutschland) Università della Svizzera italiana (Universität der italienischsprachigen Schweiz) Kommission für Wirtschaft und Abgaben (S: Ständerat; N: Nationalrat) Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

3003

Bericht 1

Einleitung

Der vorliegende Bericht befasst sich mit zwei zusammenhängenden Motionen, die 2005 und 2010 eingereicht wurden und beide darauf abzielen, für Schweizer Unternehmen den Zugang zu den EU-Märkten zu verbessern und die von den Unternehmen angetroffenen Probleme zu lösen.

Der Bericht beschreibt die Reichweite der Motionen, die von den zuständigen Behörden getroffenen Massnahmen und die Fortschritte bei der Information und der Lösung allfälliger Probleme. Er erklärt die Möglichkeiten, welche die Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bieten, sowie die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Lösung von Problemen, die zu einem späteren Zeitpunkt auftreten könnten.

Abschliessend beantragt der Bericht die Abschreibung der beiden Motionen.

2

Der Inhalt der beiden Motionen

Inhaltlich behandeln beide Motionen die gleiche Frage, namentlich die Möglichkeiten des Zugangs zu den EU-Märkten, die sich aus dem Freizügigkeitsabkommen1 ergeben. Sie behaupten, dass die Abkommen schlecht umgesetzt oder für Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen unvollständig angewendet werden, was zu wirtschaftlichen Hindernissen führe. Sie fordern den Bund dazu auf, Massnahmen zur Regelung dieser Probleme zu ergreifen.

2.1

Die Motion WAK-S 05.3473

2.1.1

Eingereichter Text und Antwort des Bundesrates

Der Text der Motion lautet wie folgt: «Bilaterale Verträge. Erleichterung des Marktzuganges für Schweizer KMU in der Europäischen Union Die bilateralen Verträge ermöglichen es schweizerischen KMU (z. B. Architekten, Ingenieuren, Installateuren, Schreinern, Bodenlegern, Malern usw.), im benachbarten Ausland Waren und Dienstleistungen anzubieten. Die Nachbarstaaten verlangen jedoch den Nachweis der Ausübung des betreffenden Berufes in der Schweiz.

Der Bundesrat wird eingeladen, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um den KMU den Nachweis der Berufsausübung in der Schweiz - ohne die jetzigen bürokratischen Umtriebe - möglichst zu erleichtern.»

1

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681).

3004

Der Bundesrat hat am 23. September 2005 wie folgt Stellung genommen: «Das Freizügigkeitsabkommen erlaubt die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung für maximal 90 Tage pro Kalenderjahr. Handelt es sich bei der Dienstleistung um eine im Empfangsstaat reglementierte Berufsausübung, muss vorgängig eine Diplomanerkennung erwirkt werden. Dies gilt für alle Dienstleistungserbringer im EU-Raum. Die Dienstleistungserbringer haben daher alles Interesse daran, die für die Diplomanerkennung notwendigen Schritte frühzeitig vorzunehmen.

Neben der Diplomanerkennung kann der Empfangsstaat das Vorlegen zusätzlicher Dokumente verlangen. Eine solche Verpflichtung muss jedoch im nationalen Recht vorgesehen und sowohl verhältnismässig als auch diskriminierungsfrei ausgestaltet sein. Zudem ist der Empfangsstaat verpflichtet, die im Ursprungsland gültig ausgestellten Dokumente ohne Weiteres zu anerkennen.

Gleichwohl ist sich der Bundesrat der praktischen Probleme bewusst, die sich Schweizer Dienstleistern in den verschiedenen Staaten der EU stellen können. Er wird Lösungen prüfen.» Die Motion wurde vom Ständerat am 27. September 2005 und vom Nationalrat am 1. Dezember 2005 angenommen.

2.1.2

Die Behandlung der Motion

Die Motion führte zu zahlreichen Analysen und Gesprächen, deren Ergebnisse weiter unten vorgestellt werden sollen (vgl. Ziff. 4.1). Darüber hinaus wurden folgende Schritte unternommen: ­

2006 fanden zwei Sitzungen mit den betroffenen Partnern statt, insbesondere mit dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGB) und dem Schweizerischen Verband freier Berufe (SVFB).

­

Ab 2006 analysierte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des SVFB die in der Motion erwähnten Probleme. Diese Arbeiten dauerten bis 2009 und waren Gegenstand eines umfassenden Seminars, das am 12. Mai 2009 unter Beteiligung zahlreicher Berufsverbände und Medienvertreter sowie unter der Leitung von Ständerat Urs Schwaller stattfand.

Seitdem treffen sich das SBFI und der SVFB sowie Vertreterinnen und Vertreter des SGB jährlich zu einem Informationsaustausch über die Umsetzung des Freizügigkeitsabkommens.

In seinem Bericht vom 4. März 20112 über die Motionen und Postulate beantragte der Bundesrat, die Motion abzuschreiben. Am 18. April 2011 lehnte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats die Abschreibung ab. Grund dafür war insbesondere ein Auftrag des SECO an einen privaten Anbieter mit dem Ziel, Schweizer Unternehmen bei der Aufnahme einer Tätigkeit in der EU zu begleiten.3

2 3

BBl 2011 2641 Die Ergebnisse des entsprechenden Berichts liegen mittlerweile vor; siehe Ziff 4.1.3.

3005

2.1.3

Reichweite der Motion

Das eigentliche Ziel der Motion ist zu überprüfen, auf welche Art und Weise Schweizer Unternehmen den Nachweis der Berufsausübung in der Schweiz erbringen können, damit sie im benachbarten Ausland Waren und Dienstleistungen anbieten dürfen. Die Motion betrifft demzufolge einen landesinternen Aspekt, d. h. die Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen sowie den Bürgerinnen und Bürgern einerseits und den Behörden andererseits im Hinblick auf den Nachweis der Berufsausübung. In seinem Antrag auf eine Abschreibung der Motion im Bericht vom 4. März 2011 über die Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2010 stützte sich der Bundesrat auf diese Auslegung.

In der Debatte der WAK-S vom 18. April 2011 zeigte sich jedoch, dass die Sorgen einem viel allgemeineren Thema galten, nämlich den Schwierigkeiten von Schweizer Unternehmen beim Zugang zu den EU-Märkten. Es ging nicht mehr um den Nachweis der Niederlassung in der Schweiz oder der Berufspraxis, sondern vielmehr um die angeblichen Hürden, die Behörden im benachbarten Ausland für Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen, die im Ausland eine Dienstleistung erbringen wollen, aufbauen.

Die Parlamentsmitglieder und die politischen Partner des Bundesrats schrieben also der Motion WAK-S 05.3473 eine sehr ähnliche Bedeutung zu wie der Motion FDP 10.3279, die im Folgenden beschrieben wird.

2.2

Die Motion FDP 10.3279

2.2.1

Eingereichter Text und Stellungnahme des Bundesrates

Der Text der Motion lautet wie folgt: «Gegen Diskriminierung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens Der Bundesrat wird beauftragt, seine Bemühungen für den Abbau bestehender Diskriminierungen beim Zugang von Schweizer Dienstleistungserbringern zu den europäischen Märkten zu verstärken.

Er soll im Gemischten Ausschuss zum Freizügigkeitsabkommen und auf bilateraler Ebene mit den betroffenen Staaten insbesondere Lösungen zu folgenden Problemen finden: ­

zu der von Frankreich verlangten Pflicht für Leistungserbringer im Bausektor, eine Versicherung vorzulegen, die als Garantie gegen Baumängel während zehn Jahren dient;

­

zu der Pflicht der Leistung von Beiträgen an deutsche oder italienische Urlaubskassen bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung, obwohl bereits Beiträge in der Schweiz einbezahlt wurden;

­

zur Mehrwertsteuer-Kaution bei der temporären Ausfuhr von Baumaschinen nach Italien;

­

zu den deutschen Anmeldeverfahren für kurzfristige Arbeitseinsätze von Monteuren in Deutschland.

3006

Begründung Eine Anfang Februar 2010 vom Integrationsbüro publizierte Umfrage zur Anwendung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU zeigt auf, dass insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung ein Diskriminierungspotenzial besteht, da die grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen beispielsweise mit nationalen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer oder der finanziellen Interessen im Empfängerstaat im Konflikt stehen können.

Die Probleme sind teilweise bereits seit Jahren bekannt, und der Bundesrat wird entsprechend aufgefordert, sich bei den europäischen Nachbarstaaten verstärkt für den Abbau der bestehenden Diskriminierungen beim Marktzugang von Schweizer Dienstleistungserbringern im Rahmen des FZA einzusetzen.» Der Bundesrat hat am 26. Mai 2010 wie folgt Stellung genommen: «Der Bundesrat ist über die erwähnten Probleme im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung im Bilde und ist der Meinung, dass gegen die genannten, teilweise diskriminierenden Regelungen entschieden vorgegangen werden muss. Aus diesem Grund hat er in den letzten Jahren mehrmals sowohl innerhalb der gemischten Ausschüsse als auch bei den betroffenen Regierungen interveniert.

Hierbei ist zu erwähnen, dass die genannten Fälle zum Teil rechtlich ausgesprochen komplex und unter anderem auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass die Schweiz mit dem Freizügigkeitsabkommen einen gewissen Teil der EU-intern geltenden Dienstleistungsfreiheit, nicht aber die Gesamtheit der entsprechenden Bestimmungen übernommen hat und nicht Teil der europäischen Zollunion ist. Die Lösungsfindung erweist sich zudem als anspruchsvoll, weil der Verwaltung kaum konkrete Problemfälle vorliegen. Im Sinne einer pragmatischen Vorgehensweise verstärkte der Bundesrat in den vergangenen zwei Jahren seine Bemühungen um eine Lösungsfindung auf zwischenstaatlicher Expertenebene.

In gewissen Bereichen scheinen sich Lösungen abzuzeichnen: Im Rahmen eines Round-Table-Gesprächs, das am 19. März 2010 in Paris stattfand und sich um das Thema der zehnjährigen Garantie im Bausektor drehte, wurden neue Versicherungsprodukte vorgestellt, die gerade für in Frankreich tätige Schweizer Unternehmen entwickelt werden, damit sie in Zukunft die verlangte Garantie gewähren können.

Momentan wird die Möglichkeit
geprüft, mit Deutschland auf bilateraler Ebene eine Lösung für das Problem mit den Urlaubskassen zu finden. Allerdings geht es dabei um sehr unterschiedliche Systeme. Im Fall der italienischen Urlaubskassen haben zwischen Bundesbehörden sowie Tessiner und italienischen Behörden bereits Kontakte stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit haben sich die italienischen Sozialpartner dazu bereiterklärt, mit den schweizerischen Partnern ein Abkommen auszuhandeln. In Bezug auf die Mehrwertsteuer-Kaution für Baumaschinen und Anmeldeverfahren für Monteure sollte erwähnt werden, dass diese Probleme auch in der Schweiz bzw. innerhalb der kompetenten gemischten Ausschüsse Schweiz-EU sowie im Rahmen der bilateralen Gespräche identifiziert worden sind. Seitdem hat man uns in beiden Bereichen über keine neuen Problemfälle in Kenntnis gesetzt.

Die bisher erfolgten Demarchen entsprechen dem Anliegen der Motion. Der Bundesrat wird diese Haltung auch weiterhin vertreten. In diesem Sinne beantragt er die Annahme der Motion.»

3007

Die Motion wurde vom Ständerat am 18. Juni 2010 und vom Nationalrat am 1. Dezember 2010 angenommen.

2.2.2

Die Behandlung der Motion

In Beantwortung der Motion wurde eine Studie zur Ermittlung der konkreten Probleme durchgeführt, mit der Schweizer Unternehmen bei der Dienstleistungserbringung in der EU konfrontiert sind. Die definitiven Ergebnisse der Studie liegen seit 2013 vor (vgl. Ziff. 4.1.3).

Die Ergebnisse der Studie zeigten keine Missachtung der geltenden Regeln durch die benachbarten Staaten auf. Das SECO untersuchte jedoch gewisse Probleme, von denen es wiederholt Kenntnis erhielt, genauer und ergriff Massnahmen zu deren Beseitigung. Die Frage der «casse edili» (Urlaubskassen in Italien) und der deutschen Urlaubskasse (ULAK) wurde im Rahmen bilateraler Wirtschaftstreffen und bi- oder trinationaler Sitzungen mehrmals behandelt. Der Schweizerische Baumeisterverband wurde einbezogen und ist auf dem Laufenden. In Bezug auf die «garantie décennale» (zehnjährige Garantie gegen Baumängel in Frankreich) konnte ein Versicherungsprodukt für Schweizer Unternehmen gefunden werden, die im Bausektor in Frankreich Dienstleistungen erbringen wollen. Ausserdem standen diese Themen auch auf der Tagesordnung der letzten Sitzungen des Gemischten Ausschusses Schweiz-EU über die Freizügigkeit. Die schweizerischen Sozialpartner wurden über diese Schritte und die erzielten Ergebnisse informiert und vermeldeten seither keine konkreten Probleme mehr. Sie haben nun die Möglichkeit, sowohl für die «casse edili» als auch für die ULAK mit den italienischen bzw. deutschen Sozialpartnern Lösungen auszuhandeln.

Die Ergebnisse dieser Massnahmen sowie die mit den Nachbarländern gefundenen Lösungen werden weiter unten beschrieben (vgl. Ziff. 4.2.1).

3

Zugang zu den EU-Märkten: Wiederholung der Spielregeln

3.1

Grundsatz der Nichtdiskriminierung

Bevor die in der Motion angesprochenen Probleme zur Sprache kommen, sollen die Möglichkeiten beschrieben werden, die sich aus den bilateralen Abkommen mit der EU, insbesondere aus dem FZA, ergeben. Dieses Abkommen regelt gewisse Fragen, lässt andere jedoch offen.

Während das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 19724 eine Freihandelszone für Industrieprodukte schafft, ermöglicht das Freizügigkeitsabkommen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen unter anderem die grenzüberschreitende Erbringung individueller Dienstleistungen während bis zu 90 Tagen pro Kalenderjahr.

4

Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

3008

Daneben bestehen andere Abkommen, die unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit der Dienstleistungserbringung vorsehen. Dabei geht es jedoch um spezifische Situationen, auf die hier nicht eingegangen werden soll.5 Das Freizügigkeitsabkommen beruht auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Art. 2 FZA). Auf die Dienstleistungserbringung bezogen (Art. 5 FZA) bedeutet dieser Grundsatz im Wesentlichen, dass der Aufnahmestaat von schweizerischen Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern nicht mehr verlangen darf als von den eigenen Staatsbürgerinnen und -bürgern. Er bedeutet indessen nicht, dass die Dienstleistungserbringung vollständig frei ist oder zu den in der Schweiz geltenden rechtlichen Bedingungen erfolgen kann; die Dienstleistungserbringung ist an die Voraussetzungen des Aufnahmestaates geknüpft, die dieser frei festlegen kann (Anhang I Art. 19 FZA). Somit können für schweizerische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer mehrere Bedingungen gelten, beispielsweise: ­

die Pflicht, die Berufsqualifikationen anerkennen zu lassen, wenn der Beruf im Aufnahmestaat reglementiert ist;

­

die Pflicht, sich (vorübergehend) in einer Berufsorganisation oder in einem Register wie der deutschen Handwerkskammer eintragen zu lassen;

­

die Pflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, wenn diese für Inländerinnen und Inländer obligatorisch ist.

Diese Anforderungen kann der Aufnahmestaat unabhängig von der Schweizer Gesetzgebung festlegen. Gemäss diesem System kann es sein, dass Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer im Ausland andere Voraussetzungen erfüllen müssen als für die Ausübung des gleichen Berufs in der Schweiz. Solche Bedingungen sind gemäss FZA rechtmässig, sofern sie nicht diskriminierend sind.

Dasselbe gilt selbstverständlich für Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer aus der EU, die Dienstleistungen in der Schweiz nur zu den gemäss Schweizer Recht geltenden Bedingungen erbringen dürfen. Auch sie müssen deshalb manchmal Voraussetzungen erfüllen, die ihnen in ihrem Herkunftsland nicht auferlegt werden.

Tatsächlich sind gewisse Regelungen für die Berufsausübung in der Schweiz strenger als in den Nachbarländern; dies betrifft beispielsweise den Elektrizitätsbereich, der stärker reglementiert ist als in Frankreich, Deutschland oder Österreich. Hierzulande sind ausländische Elektrikerinnen und Elektriker verpflichtet, ergänzende Ausbildungen zu absolvieren oder Bewilligungen zu beantragen, die in ihrem Herkunftsland nicht erforderlich sind.

Die obenstehenden Erklärungen zeigen, dass die Abkommen insofern keine Gegenseitigkeit gewährleisten, als die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer ihren Beruf im Ausland nicht unbedingt zu den gleichen Bedingungen ausüben können wie nach Schweizer Recht. Denn mit dem FZA werden die Voraussetzungen zur Ausübung der verschiedenen Berufstätigkeiten nicht vereinheitlicht.

5

Dabei handelt es sich um das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68), das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68) und das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (SR 0.740.72).

3009

3.2

Zugang zu reglementierten Berufstätigkeiten

Der Zugang zu den Märkten, die in den EU-Ländern Bedingungen wie die oben erwähnten (Anforderungen an die Berufsqualifikationen, Pflicht der Eintragung in einer Berufsorganisation, Versicherungspflicht usw.) voraussetzen, ist in Anhang III des FZA geregelt. Dieser Anhang verweist auf die Vorschriften der EU, insbesondere auf die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen6. Diese Richtlinie regelt nicht nur die Frage der Anerkennung von Berufsqualifikationen, sondern auch jene der anderen oben erwähnten Hürden, mit denen die Länder den Marktzugang erschweren können. So sieht sie für Berufsorganisationen vor, dass diese Berufsleute, die eine Dienstleistung erbringen wollen, aufnehmen müssen (Art. 6 Bst. a der Richtlinie). Die Funktionsweise dieser Richtlinie wird weiter unten noch ausführlicher beschrieben (vgl. Ziff. 4.2.4).

3.3

Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Dienstleistungsbereich

Die Schweiz und die EU haben kein spezifisches Dienstleistungsabkommen abgeschlossen. Entsprechende Verhandlungen wurden 2004 einvernehmlich ausgesetzt.

Deshalb nimmt die Schweiz zum Beispiel nicht am System der «Dienstleistungsrichtlinie» 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt7 teil.

Die Richtlinie 2006/123/EG hat zum Ziel, ungerechtfertigte oder unverhältnismässige Hindernisse rechtlicher oder wirtschaftlicher Art (z. B. Schutz inländischer Anbieter, Garantie von Arbeitsschutznormen, Anforderungen bezüglich Staatsangehörigkeit oder Wohnort, Prüfung des wirtschaftlichen Bedarfs, Pflicht zum Einholen einer Kaution von nationalen Unternehmen) zu beseitigen. Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer, die im Ausland tätig sein wollen, stossen oft auf solche Hindernisse. Des Weiteren soll die Richtlinie 2006/123/EG Einschränkungen der passiven Dienstleistungserbringung für Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unternehmen beseitigen, die in einem anderen Land Dienstleistungen beziehen wollen. Sie soll ihre Rechte stärken und die Qualität der Dienstleistungen verbessern.

Die Situation für Schweizer Staatsangehörige, die in der EU eine Dienstleistung erbringen wollen, hat sich mit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2006/123/EG in der EU nicht verschlechtert, etwa weil Konkurrentinnen und Konkurrenten aus der EU aufgrund dieser Richtlinie von Erleichterungen profitieren würden.

Im Oktober 2009 hat der Bundesrat die zuständigen Ämter beauftragt, die Möglichkeit eines Dienstleistungsabkommens mit der EU erneut zu prüfen. An seiner Sitzung vom 24. Februar 2010 entschied der Bundesrat, diese Frage nicht weiterzuverfolgen. Die Verhandlungen wären aufgrund der rechtlichen und institutionellen Unterschiede zwischen der Schweiz und der EU zu komplex geworden. Gegenwär6

7

Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.09.2005, S. 22.

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.

3010

tig steht eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Dienstleistungsabkommen nicht zur Diskussion.

4

Vom Bundesrat eingeleitete Schritte zur Lösung der in den beiden Motionen erwähnten Probleme

Als Erstes wünschte der Bundesrat eine detailliertere Untersuchung der Situation der Schweizer Unternehmen und Staatsangehörigen in der EU (vgl. Ziff. 4.1), um danach Massnahmen zu bestimmen, mit denen die in den bilateralen Abkommen vorgesehenen Möglichkeiten und Verfahren besser bekannt gemacht werden können (vgl. Ziff. 4.2).

4.1

Eine bessere Gesamtsicht

4.1.1

Kontakte mit den Berufsdachverbänden

Die Bearbeitung der Motionen und ihre Umsetzung führten zu einer Vertiefung der Kontakte mit zahlreichen Berufsverbänden. Diese Kontakte ermöglichten ein besseres Verständnis der Funktionsweise der bilateralen Abkommen mit der EU sowie der Schwierigkeiten und Bedürfnisse der betroffenen Partner.

Seit der Einreichung der Motion WAK-S 05.3473 wurden folgende Verbände kontaktiert: ­

Swiss Engineering;

­

der SIA;

­

der Bund Schweizer Architekten;

­

der Schweizerische Verband freier Berufe;

­

der Schweizerische Gewerbeverband;

­

Swiss Snowsports.

Im Übrigen unterhält das WBF regelmässige Kontakte mit der FMH, um die korrekte Anerkennung von Schweizer Diplomen in der EU zu überwachen. Es trifft sich einmal jährlich mit den Vertreterinnen und Vertretern des SGV und des SVFB zu einem Austausch über die Entwicklung des FZA und seiner Umsetzung durch die EU-Mitgliedsländer. Die ermittelten Probleme werden entweder durch das SBFI oder das SECO behandelt, die bei den betreffenden Staaten intervenieren.

Die von den Organisationen vorgebrachten Probleme konnten alle gelöst werden, sofern sie in den Geltungsbereich der bestehenden Abkommen fielen.

4.1.2

Umfrage über die Anwendung der bilateralen Abkommen Schweiz-EU

Das EDA führte 2009 eine Umfrage zur Anwendung der bilateralen Abkommen (Freihandelsabkommen, Versicherungsabkommen, bilaterale Abkommen I und II, Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit) zwischen der Schweiz und 3011

der EU durch mit dem Ziel, die dabei angetroffenen Probleme und Schwierigkeiten zu erfassen.8 Befragt wurden die betroffenen Bundesämter, die Mission der Schweiz bei der EU, Schweizer Botschaften in EU-Mitgliedsländern, die Konferenz der Kantonsregierungen (KDK) sowie die wichtigsten Verbände und Organisationen des Privatsektors wie economiesuisse, der Schweizerische Bauernverband, die Gewerkschaften und die bilateralen Handelskammern.

Der Bericht hält fest, dass das FZA im Vergleich zu anderen bilateralen Abkommen häufig kommentiert wird, was in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Abkommens für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger nicht erstaunt. Die Erfahrungen mit diesem Abkommen sind im Allgemeinen positiv, wie insbesondere der SGV betonte. Der Bericht zeigt jedoch ein Diskriminierungspotenzial auf, vor allem im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung; denn diese kann mit nationalen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz oder finanziellen Interessen im Zielland im Konflikt stehen. Ausserdem geht hervor, dass die Erwartungen in Bezug auf die Reichweite des FZA teilweise überhöht sind. Gewisse genannte Probleme wie die in Frankreich verlangte zehnjährige Garantie gegen Baumängel oder die Beiträge an die deutschen oder italienischen Urlaubskassen stehen seit Langem auf der Liste der mit unseren Nachbarn und in Brüssel verhandelten Punkte. Einige vom Bundesrat erarbeitete Lösungen werden weiter unten beschrieben.

Die im Bericht hervorgehobenen Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen9 betreffen teilweise Verfahren, bei denen festgestellt wurde, dass sie eigentlich mit dem FZA übereinstimmen; dazu zählen die unter anderem von Deutschland eingeführten Meldeverfahren10 gemäss der neuen Richtlinie 2005/36/EG, die seit dem 1. September 2013 auch in der Schweiz umgesetzt wird.

Ausserdem beschreibt der Bericht Probleme, die unterdessen gelöst werden konnten11.

4.1.3

Bericht des SECO «Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien in der Bauwirtschaft und bei Montageleistungen»12

Das SECO beauftragte 2010 einen externen Anbieter mit einer Analyse der Situation von Unternehmen, die Dienstleistungen in der Bauwirtschaft und im Montagebereich erbringen. Dabei sollte konkret untersucht werden, welche Voraussetzungen verlangt werden, welche Probleme auftreten und wie hoch die Kosten sind, die dadurch entstehen. Zudem sollten allfällige Verbesserungsmassnahmen aufgezeigt werden.

Der Auftragnehmer kontaktierte zwölf Unternehmen und reichte im Mai 2012 seinen abschliessenden Bericht ein. Er gelangte zum Schluss, dass die Bedingungen 8 9 10 11 12

«Umfrage zur Anwendung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU: Auswertender Bericht und Analyse der Problemfälle», Januar 2010.

Siehe Bericht, S. 12.

Siehe die Fälle 14 und 15 im Bericht.

Siehe Fall 35 im Bericht.

«Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien in der Bauwirtschaft und bei Montageleistungen». Der Bericht ist auf Anfrage beim SECO erhältlich.

3012

zur Ausübung einer Tätigkeit manchmal schwer verständlich sind, da sie von jedem Staat eigenständig festgelegt werden können.13 Die Voraussetzungen, unter denen ein Schweizer Unternehmen eine Dienstleistung erbringen kann, sind im Allgemeinen nicht unangemessen, sie unterscheiden sich lediglich von denen in der Schweiz.

Der Auftragnehmer fand keine Fälle von rechtlicher Diskriminierung, erachtet aber die Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen als nachteilig für die ausländischen Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer, unabhängig von ihrer Herkunft.

Die Autoren des Berichts konnten keinen konkreten Fall einer Missachtung der geltenden Abkommen im Umgang mit Schweizer Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern feststellen.

4.1.4

Marktzugang für Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen in der EU ­ statistische Daten

Monitoring des SBFI Gemäss der Richtlinie 2005/36/EG arbeiten die zuständigen Behörden der Aufnahme- und Herkunftsmitgliedstaaten eng zusammen und leisten sich gegenseitig Amtshilfe, um die Anwendung dieser Richtlinie zu erleichtern (Art. 56 Abs. 1 der Richtlinie). Die Kontaktstellen dienen unter anderem dazu, die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen (Art. 57 Abs. 1 Bst. b der Richtlinie). Die Kontaktstelle der Schweiz wird durch das SBFI geführt.

Von 2006 bis 2010 führte das SBFI regelmässig Umfragen bei allen Personen durch, die seine Dienste in Anspruch genommen hatten. Dazu schickte es ihnen einige Monate nach der Ausstellung einer Bescheinigung einen Fragebogen. Damit wollte das SBFI hauptsächlich in Erfahrung bringen, ob das Diplom im Aufnahmeland anerkannt worden war, wie lange das Verfahren gedauert hatte und ob Schwierigkeiten aufgetreten waren.

Die Antworten fielen stets weitgehend positiv aus. Zwar gab es einige wenige Problemfälle zu verzeichnen; diese sind im vorgehend erwähnten Bericht des EDA beschrieben. Im Allgemeinen zeigten die Antworten aus der Umfrage des SBFI aber, dass die Schweizer Diplome in der EU grösstenteils anerkannt wurden, auch wenn die schweizerische Ausbildungsstruktur gewisse Besonderheiten aufweist. Hierzu können folgende Beispiele genannt werden:

13

­

Architektendiplome (ETH-Master, Diplome der USI usw.) werden systematisch und automatisch anerkannt und ermöglichen die direkte Ausübung des Berufs, wie dies in der Richtlinie 2005/36/EG vorgesehen ist, selbst wenn im Aufnahmeland besondere Anforderungen (z. B. ein Staatsexamen in Italien) gelten.

­

Die Abschlüsse der Berufsbildung, insbesondere die höheren Fachprüfungen, werden ebenfalls anerkannt, und dies auch in Ländern, die für den entsprechenden Beruf universitäre Abschlüsse verlangen.

Siehe Erklärungen unter Ziff. 3.1.

3013

Statistiken zur Anerkennung von Schweizer Diplomen in den EU-Mitgliedsländern Gemäss der Richtlinie 2005/36/EG muss jedes Land Statistiken zu den anerkannten ausländischen Diplomen liefern. Auf der Internetseite der Europäischen Kommission (Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen14) stehen somit sehr detaillierte Daten für sämtliche Berufe und Länder zur Verfügung.

Die folgende Tabelle zeigt, wie die Entscheidungen bei den Anerkennungsgesuchen für alle Schweizer Berufsqualifikationen in der EU ausfielen (Zeitraum 2003­2013):

Dabei zeigt sich, dass negative Entscheide sehr selten sind (6 % der Fälle), ausserdem sind sie begründbar. Zu den möglichen Gründen für eine Ablehnung zählen das Nichtbestehen einer Ausgleichsmassnahme (Eignungsprüfung oder Anpassungslehrgang) oder Fälle, in denen das FZA für eine Tätigkeit in einem EU-Land nicht zur Anwendung kommt. In 74 % der Fälle hingegen wurden die schweizerischen Qualifikationen anerkannt. Die «neutralen» Entscheide betreffen Dossiers, die sich in Untersuchung befinden oder bei denen noch Ergänzungsprüfungen absolviert werden müssen.

Aus untenstehender Tabelle wird ersichtlich, welche EU-Länder im Zeitraum von 2003 bis 2013 die meisten Schweizer Diplome anerkannten:

14

http://ec.europa.eu/internal_market > Der Binnenmarkt für Dienstleistungen > Freizügigkeit von Fachkräften > Datenbank für reglementierte Berufe

3014

Im Folgenden werden die Zahlen für alle EU-Länder aufgeführt (Anzahl anerkannter Schweizer Diplome im angegebenen Land im Zeitraum 2003­2013): Land, das den Anerkennungsentscheid ausspricht

Anzahl ausgesprochene Anerkennungen

Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Island Italien Lettland Lichtenstein Litauen Luxemburg Malta Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Rumänien Schweden Slowakei Slowenien

82 30 917 16 148 14 30 3 354 1 93 3 3 1 55 44 214 25 13 2 83 4 16 3015

Land, das den Anerkennungsentscheid ausspricht

Anzahl ausgesprochene Anerkennungen

Spanien Tschechische Republik Ungarn Vereinigtes Königreich Zypern

84 39 9 387 11

Diese Daten belegen, dass in der EU zahlreiche schweizerische Berufsqualifikationen anerkannt werden. Die Zielländer sind die Nachbarländer der Schweiz sowie das Vereinigte Königreich, das auf europäischer Ebene die meisten Einwanderinnen und Einwanderer aufnimmt.

Was die Mobilität der einzelnen Berufe betifft, wurden für folgende Schweizer Diplome in der EU die meisten Anerkennungsanträge gestellt (Zeitraum 2003-2013): Schweizer Berufsleute, deren Diplome in der EU am häufigsten anerkannt werden Apotheker/in; 28

Sport- und Turnlehrer/in; 41

Sozialarbeiter/in; 28

Wirtschaftsprüfer/in; 27 Hebamme/Entbindungspfleger; 25 Bauingenieur/in; 17

Kosmetiker/in; 42 Vorschullehrer/in; 42 Krankenpflegehelfer /in; 43 Anwältin/Anwalt; 52 Zahnärztin/Zahnarzt; 54 Psychologin/Psychologe; 66 Tierärztin/Tierarzt; 76

Sekundarschullehrer/ in; 562

Masseur/in / Physiotherapeut/in; 128

Primarschullehrer/in; 163

Ärztin/Arzt; 346

Architekt/in ; 198 Krankenschwester/pfleger; 232

3016

Das statistische System der EU ermöglicht auch einen Auszug von Daten nach Berufen (die untenstehenden Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum 2003-2013).

Für den Arztberuf wurden in der EU 346 schweizerische Diplome anerkannt. Die Anerkennungsentscheide wurden von folgenden Ländern ausgesprochen:

Für den Zahnarztberuf wurden 54 Diplome anerkannt:

3017

Für Tierärztinnen und Tierärzte wurde 76 Anerkennungen ausgesprochen, für Apothekerinnen und Apotheker 28. Alle eingeleiteten Verfahren führten zu einer Anerkennung des Titels. Schweizer Architektinnen und Architekten werden in der EU ebenfalls anerkannt (insgesamt 198 Anerkennungen):

Bei den Psychologinnen und Psychologen wurden in der EU 66 Diplome anerkannt (Zeitraum 2003-2013):

3018

Die übrigen Berufe sind in den Statistiken der EU kaum vertreten, weshalb sie hier nicht einzeln aufgeführt werden. Über den oben angegebenen Link können jedoch sämtliche Daten eingesehen werden.

Es ist jedoch zu bedenken, dass in diesen Zahlen nicht reglementierte Berufe nicht berücksichtigt sind, da diese nicht der Richtlinie 2005/36/EG unterstehen.

Schweizer Berufsleute, die freien Zugang zu den EU-Märkten haben, da ihr Beruf im Aufnahmeland nicht reglementiert ist, werden in diesen Statistiken nicht erfasst.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Schweizer Diplome in der EU weitestgehend anerkannt sind und dass die Schweizerinnen und Schweizer in den EU-Mitgliedsländern die Richtlinie 2005/36/EG anwenden und davon profitieren.

4.1.5

Zwischenfazit: Der Zugang zu den EU-Märkten ist gewährleistet

Die vorangehenden Erklärungen zeigen deutlich, dass Schweizer Berufsleute ihre Berufsqualifikationen in den EU-Mitgliedsländern anerkennen lassen können und somit Zugang zu den entsprechenden Märkten haben. In den seltenen Fällen, in denen ein Diplom nicht anerkannt wird, führen bilaterale Kontakte zwischen Behörden meistens zu einer Klärung der Situation. Gemäss den Abklärungen des Bundesrates lassen sich die von Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen in der EU angetroffenen Schwierigkeiten drei Hauptkategorien zuordnen: ­

Die Komplexität der Abkommen ist mit Sicherheit die Hauptursache der Schwierigkeiten. Die Erwartungen liegen teilweise weit über den tatsächlich gegebenen Möglichkeiten. Die schweizerischen Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer vergessen manchmal, dass die ausländischen Behörden Zulassungsvoraussetzungen beibehalten dürfen, die es einzuhalten gilt.

­

Es besteht ein grosser Informationsbedarf vonseiten der Schweizer Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen. Gefragt sind Informationen zur Reglementierung der Berufe, zu den zuständigen Behörden (Adressen, Kontakte usw.) und den einzureichenden Unterlagen. In diesem Zusammenhang ist folgender Befund interessant: Die für den Bericht des SECO (vgl.

Ziff. 4.1.3) befragten Unternehmen hatten zu keinem Zeitpunkt die zuständigen Behörden des Aufnahmelandes kontaktiert; sie sahen sich mit einem Misserfolg konfrontiert, ohne dass sie versucht hätten, sich über mögliche Wege für einen erfolgreichen Abschluss des Verfahrens zu informieren.

­

Beschwerden, die auf eine tatsächliche Verletzung der Abkommen mit der EU und insbesondere des Freizügigkeitsabkommens hinweisen, sind nahezu inexistent. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass das Thema vernachlässigbar ist oder der Zugang zu den EU-Märkten auf Anhieb leichtfällt; aber es zeigt, dass die EU-Länder korrekt vorgehen und dass Schweizer Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürger nicht diskriminiert oder unrechtmässig behandelt werden.

Die verlangten Verfahrensschritte für den Zugang zu den EU-Märkten sind im Allgemeinen nicht unverhältnismässig, aber für Schweizer Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer häufig verwirrend, da diese in der Schweiz an vergleichsweise einfache Formalitäten gewöhnt sind. Zuerst administrative Schritte in einem anderen Land mit einer anderen Kultur unternehmen zu müssen, schreckt Schweizer Staats3019

angehörige und Unternehmen oft ab und trägt dazu bei, dass sich der Eindruck, die bilateralen Abkommen würden nicht funktionieren, weiter verbreitet.

4.2

Vom Bundesrat getroffene Massnahmen

Der Bundesrat hat verschiedene Massnahmen ergriffen, die eine bessere Information gewährleisten und die Nutzung der Rechte von Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen innerhalb des von den Abkommen vorgegebenen Rahmens erleichtern sollen. Diese Massnahmen sind eine Antwort auf die häufige Kritik an der Funktionsweise des Freizügigkeitsabkommens, sowohl im Zusammenhang mit der «garantie décennale», den Beiträgen an die ULAK und die «casse edili» (Motion FDP 10.3279, vgl. Ziff. 4.2.1) als auch betreffend die Berufsqualifikationen (Mo WAK-S 05.3473, vgl. Die Ziff. 4.2.2­4.2.4). Schliesslich tragen auch die kürzlich erfolgten rechtlichen Änderungen (vgl. Ziff. 4.2.5) zu einer deutlichen Verbesserung der Situation für die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer in der EU bei.

4.2.1

Interventionen von Schweizer Behörden bei ausländischen Verwaltungen

Die vom Bundesrat unternommenen Anstrengungen zur Beseitigung der Hürden bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung waren erfolgreich oder zeigen Lösungswege für die Sozialpartner auf. In Bezug auf die ULAK und die «casse edili» haben sowohl Deutschland als auch Italien grünes Licht für Verhandlungen gegeben. Auf europäischer Ebene nahm der Bundesrat in gemischten Ausschüssen Einfluss. Zudem hat er die von seinen wirtschaftlichen und politischen Partnern in der Schweiz aufgeworfenen Fragen auch an bilateralen Treffen mit den Nachbarländern zur Sprache gebracht. Diesbezüglich ermuntert der Bundesrat die Sozialpartner, Kontakte aufzunehmen, und unterstützt sie in ihren Bemühungen.

Die deutsche Urlaubskasse (ULAK) In Bezug auf die deutsche Urlaubskasse (ULAK) führten die Schweiz und Deutschland Gespräche über den Abschluss einer internationalen Vereinbarung. Ziel ist es zu vermeiden, dass Schweizer Unternehmen im Bausektor bei der Erbringung einer Dienstleistung in Deutschland benachteiligt werden, indem sie vor Ort Beiträge für Leistungen bezahlen, die sie bereits in der Schweiz entrichten. Die deutschen Behörden lehnten es jedoch ab, eine internationale Vereinbarung in diesem Bereich abzuschliessen. Sie halten vielmehr am alten Abkommen fest und plädieren für eine aktualisierte Version. Die ULAK ist bereit, mit den schweizerischen Sozialpartnern der Baubranche ein neues Abkommen abzuschliessen. Letztere können nun von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sofern sie dies für notwendig und sinnvoll halten.

Die italienischen Urlaubskassen (casse edili) Auch zwischen der Schweiz und Italien fanden im Rahmen von Wirtschaftsdialogen Gespräche über die «casse edili» (italienische Urlaubskassen für den Bausektor) 3020

statt. Die italienischen Sozialpartner sind bereit, mit den schweizerischen Sozialpartnern des Bausektors zu verhandeln. Der Ball liegt nun bei den schweizerischen Sozialpartnern. Die Frage der «casse edili» wurde ausserdem am 28. Juni 2013 dem Fachausschuss der EU für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterbreitet, der sie genauer untersuchen will. Das Dossier ist hängig. Anfang 2014 fand ein direkter Austausch zwischen den schweizerischen und italienischen Sozialpartnern statt, um die Frage zu klären. Diese Diskussionen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die zehnjährige Garantie (garantie décennale) In Bezug auf die zehnjährige Garantie gegen Baumängel steht Schweizer Unternehmen, die in Frankreich Dienstleistungen im Baubereich erbringen, nun ein Versicherungsprodukt zur Verfügung. An einem bilateralen Treffen in Lyon am 7. November 2013, bei dem es hauptsächlich um die flankierenden Massnahmen ging, anerkannte die französische Seite diese Lösung.

Weitere Probleme Gemäss den Informationen, die dem Bundesrat vorliegen, wurden keine allgemeinen Probleme bei den Anmeldeverfahren für Monteurinnen und Monteure in Deutschland und keine neuen Fälle einer Mehrwertsteuer-Kaution bei der temporären Ausfuhr von Baumaschinen nach Italien mehr gemeldet.

4.2.2

Vertiefung der Kontakte mit den Berufsverbänden

Die Kontakte mit den Berufsdachverbänden sollen auch in Zukunft weitergeführt werden. Sie schaffen eine ideale Diskussionsplattform und ermöglichen den Austausch von Informationen, die für alle Beteiligten nützlich sind. Die Vertreterinnen und Vertreter der Berufsverbände und der Wirtschaft können ihre Bedürfnisse und Befürchtungen einbringen, während die Verwaltungsstellen die Funktionsweise der Abkommen erklären und bei vermuteten Verstösse gegen die geltenden Vorschriften bei den ausländischen Behörden intervenieren können.

Die Kontakte mit den Berufsdachverbänden zeigten, dass die Hauptschwierigkeit beim Zugang zu den EU-Märkten darin besteht, Informationen zum Verfahrensablauf sowie zu den Kontaktadressen im Ausland zu erhalten.

Ausgehend von dieser Feststellung hat das SBFI Leitfäden für sieben vom SVFB vorgeschlagene Berufe erarbeitet und Informationen zu Vorschriften, Verfahren und Kontaktadressen für fünf Länder (Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und das Vereinigte Königreich) erstellt.

Diese Informationsblätter sind grundsätzlich alle gleich aufgebaut: Sie enthalten Informationen über die gesetzlichen Grundlagen, die Reglementierung des betreffenden Berufs im jeweiligen Land, die Adresse der zuständigen Behörde (teilweise gleich mit dem auszufüllenden Formular), die erforderlichen Begleitdokumente und bei welcher schweizerischen Behörde diese erhältlich sind, und geben einige praktische Hinweise.

3021

Der SVFB hat nun 35 Informationsblätter erhalten, die den betroffenen Berufsleuten dabei helfen sollen, sich auf das Verfahren des Zugangs zu den EU-Märkten vorzubereiten und die notwendigen Adressen rasch zu finden, ohne bürokratischen Aufwand und ohne ständig von einer Behörde an die nächste verwiesen zu werden.

Solche Arbeiten werden auf Anfrage der betroffenen Partner regelmässig erneuert.

Vor Kurzem wurde das SBFI vom Kanton Tessin um die Anerkennung eines neuen Studiengangs der SUPSI gebeten. Dank der Kontakte mit den italienischen Behörden konnte das Vorgehen im Detail beschrieben werden, und Ende 2013 wurden die ersten Schweizer Diplome anerkannt.

4.2.3

Nachweis der Berufspraxis in der Schweiz ­ neues Verfahren

Wie weiter oben beschrieben (vgl. Ziff. 2.1.3) soll die Motion WAK-S 05.3473 in erster Linie sicherstellen, dass Schweizer Unternehmen den Nachweis der rechtmässigen Niederlassung in der Schweiz ohne bürokratischen Aufwand erbringen können. Das SBFI hat dementsprechend ein System geschaffen, das den Erhalt eines Nachweises der rechtmässigen Niederlassung in der Schweiz erleichtert; in diesem Rahmen bescheinigt es auch die Berufserfahrung. Mithilfe eines auf dem Internet15 verfügbaren Formulars können die von der zuständigen Behörde benötigten Informationen angegeben werden. Die Bescheinigung wird innerhalb von rund einer Woche zugestellt.

Das SBFI stellt jährlich mehrere Hundert Bescheinigungen aus. Diese Dokumente werden den zuständigen Behörden gemäss der Richtlinie 2005/36/EG vorgelegt, die auf dieser Grundlage entscheiden, für welche Berufstätigkeit eine Zulassung ausgesprochen werden kann.

Die Bescheinigungen enthalten jeweils die folgenden Informationen: ­

eine Bestätigung der Authentizität der Berufsqualifikationen;

­

eine Zuordnung des Diploms zu einem Niveau gemäss Artikel 11 der Richtlinie 2005/36/EG;

­

die Berufstätigkeiten, welche die Person in der Schweiz ausüben darf.

Die untenstehende Tabelle zeigt die Anzahl Nachweise, die das SBFI seit 2007 für Schweizer Staatsangehörige oder Unternehmen ausgestellt hat, die für eine Zulassung zu den EU-Märkten ihre Qualifikationen in der EU anerkennen lassen wollten.

15

www.sbfi.admin.ch/e4.

3022

Die Bescheinigungen bestätigen, dass die darin erwähnte Person oder das Unternehmen rechtmässig in der Schweiz niedergelassen ist; zudem enthalten sie auch die Berufserfahrung der gesuchstellenden Person, sofern dies erforderlich ist. Dies sind die Informationen, die gemäss der Richtlinie 2005/36/EG verlangt und in der Motion WAK-S 05.3473 angesprochen werden. Hier ist zu erwähnen, dass andere zuständige Behörden, insbesondere das BAG im Bereich der universitären Medizinalberufe, eigene Bescheinigungen ausstellen.16 Das neue Verfahren wird sowohl von den Schweizer Unternehmen und Staatsangehörigen als auch von den ausländischen Behörden gut akzeptiert und kommt häufig zur Anwendung.

4.2.4

Übernahme der Richtlinie 2005/36/EG in das FZA: eine Modernisierung der Regeln für den Zugang zu den EU-Märkten

Vorgeschichte Seit dem Inkrafttreten des FZA 2002 gelten für schweizerische Berufsqualifikationen in der EU die gleichen Anerkennungsregeln wie für jene aus EU-Mitgliedsländern.

Die Richtlinie 2005/36/EG wurde in der EU im Jahr 2005 verabschiedet. Sie modernisiert das gesamte europäische System zur Anerkennung von Berufsqualifikationen und bringt wichtige Neuerungen bei der Dienstleistungserbringung. Nach Ablauf der zweijährigen Umsetzungsfrist ist sie in der EU im September 2007 in Kraft getreten.

Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU, die Richtlinie in Anhang III des FZA aufzunehmen, waren aufgrund institutioneller Fragen blockiert, sodass sich die Schweiz und die EU erst im September 2011 über die Übernahme der Richtlinie 2005/36/EG einig wurden.17 Ab diesem Zeitpunkt galt für die Schweiz, wie für jeden EU-Mitgliedstaat, eine Frist von zwei Jahren zur Umsetzung der Richtlinie in 16

17

Das SBFI ist die Behörde, die die meisten Bescheinigungen ausstellt, da ihr Kompetenzbereich die gesamte Berufsbildung und die Hochschulbildung abdeckt. Eine Erfassung der Bescheinigungen anderer Behörden war nicht möglich, da diese keine Statistiken führen. Die Art der ausgestellten Dokumente und das Verfahren sind jedoch mit denjenigen des SBFI vergleichbar.

Für genauere Ausführungen siehe die Antworten des Bundesrates auf die Frage von Andy Tschümperlin (10.1058) und auf die Interpellation von Urs Schwaller (08.3143).

3023

der internen Gesetzgebung. Die Gesetzgebungsarbeiten konzentrierten sich auf das neue Meldeverfahren für Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer. Während dieser zweijährigen Umsetzungsfrist gelangte die Richtlinie 2005/36/EG provisorisch zur Anwendung, mit Ausnahme der Bestimmungen zur freien Dienstleistungserbringung, die zunächst in innerstaatliches Recht umgesetzt werden mussten.18 Die Schweiz hat die EU am 31. August 2013 über den Abschluss des internen Umsetzungsverfahrens informiert. Die Richtlinie 2005/36/EG ist in der Schweiz seit dem 1. September 2013 vollumfänglich wirksam.

Reglementierte Berufe gemäss der Richtlinie 2005/36/EG Mit dem FZA sollen gesetzliche Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt abgebaut werden. Es soll demzufolge Lösungen bieten, wenn ein Staat den Zugang zu Berufen durch spezifische Anforderungen an die Berufsqualifikationen reglementiert (reglementierte Berufe).

Ist der Zugang zu einem bestimmten Beruf nicht an eine Qualifikationsanforderung gebunden (nicht reglementierte Berufe), wird der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht durch rechtliche Hürden erschwert. Dann haben Berufsleute mit ihrem nationalen Diplom direkten Zugang zum Arbeitsmarkt, ohne ein vorgängiges Verfahren durchlaufen zu müssen.

Die Reglementierung der Berufe hängt vom jeweiligen Land ab. Ein Staat kann sich also für die Reglementierung eines Berufs entscheiden, während dieser im Nachbarland frei zugänglich ist. Dadurch wird das System kompliziert, da die Pflicht zur Anerkennung der Berufsqualifikationen von Land zu Land unterschiedlich ist. So ist beispielsweise der Beruf Bodenlegerin bzw. Bodenleger in Deutschland reglementiert, nicht aber in Frankreich; schweizerische Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer müssen in Deutschland somit zuerst eine Eintragung in der Handwerkskammer des betreffenden Bundeslandes beantragen, während sie in Frankreich freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

Neues Verfahren für Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer Ablauf Die Richtlinie 2005/36/EG sieht ein beschleunigtes und vereinfachtes Verfahren für Personen vor, die vorübergehend und gelegentlich (während höchstens 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr) in einem anderen Mitgliedstaat einer Dienstleistungstätigkeit in einem reglementierten Beruf nachgehen.

Gemäss Artikel 7 der Richtlinie 2005/36/EG können die
EU-Mitgliedsländer ein Meldeverfahren vorsehen, um die Berufsqualifikationen für reglementierte Berufe nachzuprüfen. Wenn sich ein Land gegen ein solches Verfahren entscheidet, dürfen die Dienstleistungserbringerinnen und -erbringer ihre Tätigkeit unangemeldet erbringen, selbst wenn der Beruf reglementiert ist. Nach Eingang dieser Meldung dürfen lediglich diejenigen Berufsqualifikationen nachgeprüft werden, die Auswirkungen für die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit haben. Bestehen wesent18

Die Bundesversammlung verabschiedete am 14. Dez. 2012 das Bundesgesetz über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufsqualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern in reglementierten Berufen (BGMD, SR 935.01). Das Gesetz trat am 1. September 2013 in Kraft.

3024

liche Unterschiede zwischen den Berufsqualifikationen der Dienstleistungserbringerin oder des Dienstleistungserbringers und der im Aufnahmestaat verlangten Ausbildung, hängt die Zulassung zur Berufsausübung vom Bestehen einer Eignungsprüfung gemäss Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie 2005/36/EG ab. Die EU-Staaten sind dabei an sehr strenge Fristen gebunden.

Anwendung für Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen in der EU Seit dem 1. September 2013 profitieren Schweizer Staatsangehörige und Unternehmen, die in den EU-/EFTA-Staaten Dienstleistungen erbringen möchten, von der kürzlich erfolgten Liberalisierung der Dienstleistungserbringung. Die EU-Staaten haben wie die Schweiz ein Meldeverfahren eingeführt. Dieses wird teilweise zentralisiert, teilweise von den lokalen Behörden verwaltet. Aufgrund der räumlichen Gliederung der einzelnen Länder gibt es auch hier je nach Land Unterschiede.

Das Verfahren ist einfach. Es zeichnet sich durch folgende Hauptmerkmale aus: ­

Die Fristen sind dynamisch und das Verfahren ist relativ kurz.

­

Eine Nachprüfung der Berufsqualifikationen, d. h. ein Vergleich der schweizerischen Ausbildung mit dem vom Aufnahmestaat verlangten Diplom ist nur möglich, wenn der Beruf Auswirkungen für die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit hat. Wenn der jeweilige Beruf weder die Gesundheit noch die öffentliche Sicherheit betrifft, muss der Aufnahmestaat die Dienstleistungserbringung erlauben, selbst wenn der Beruf reglementiert ist und sich die schweizerische Ausbildung von derjenigen des Aufnahmestaates unterscheidet.

­

Wird die Dienstleistung in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren erbracht, ist die Meldung jährlich zu erneuern.

Für die zuständige Behörde im Aufnahmestaat gelten die folgenden Bearbeitungszeiten: Beruf

Frist

Im Aufnahmestaat nicht reglementierter Beruf

Direkte Berufsausübung; keine vorherige Meldung notwendig.

Reglementierter Beruf, jedoch ohne Auswirkungen für die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit

Verlangt der Aufnahmestaat keine Meldung, kann der Beruf direkt ausgeübt werden.

Verlangt der Aufnahmestaat eine Meldung, muss er der Dienstleistungserbringerin oder dem Dienstleistungserbringer ermöglichen, die Tätigkeit quasi unverzüglich aufzunehmen.

3025

Beruf

Frist

Reglementierter Beruf mit Auswirkun- Innerhalb eines Monats nach Einreichen der gen für die Gesundheit oder die Meldung muss die zuständige Behörde des öffentliche Sicherheit Aufnahmestaats die Dienstleistungserbringerin bzw. den Dienstleistungserbringer unterrichten, falls Unterschiede zwischen den Ausbildungen des Herkunfts- und des Aufnahmestaats festgestellt wurden und eine Eignungsprüfung abzulegen ist.

Verlangt die zuständige Behörde eine Eignungsprüfung, muss sie der Dienstleistungserbringerin oder dem Dienstleistungserbringer innert Monatsfrist mitteilen, wann und wo diese stattfindet. Die Eignungsprüfung muss innerhalb des Monats, der auf die getroffene Entscheidung folgt, stattfinden. Das Verfahren kann sich folglich auf höchstens zwei Monate erstrecken.

Hält sich die zuständige Behörde nicht an diese Fristen, kann die Dienstleistungserbringerin oder der Dienstleistungserbringer seine Tätigkeit aufnehmen.

Die praktischen Details, wie die Kontaktadressen der Nachbarländer der Schweiz, die verschiedenen einzureichenden Unterlagen sowie die Stelle, an der diese in der Schweiz angefordert werden können, sind in einem Informationsschreiben enthalten, das dem SVFB und dem SGB im August 2013 zugestellt wurde.

Fazit: Die Dienstleistungserbringung ist seit September 2013 einfacher geworden.

Die Richtlinie 2005/36/EG bringt positive Neuerungen für den Zugang zu reglementierten Berufen im Rahmen einer Dienstleistungstätigkeit. Die neue Regelung entspricht damit den in den beiden Motionen vorgebrachten Anliegen, d. h. sie bringt eine Vereinfachung der Berufsausübung in der EU im Rahmen einer Dienstleistungserbringung.

5

Schlussfolgerungen und Gründe für die Abschreibung der Motionen

Der Zugang zu den EU-Märkten galt immer als eine wirtschaftliche Priorität, die der Bundesrat sehr ernst nimmt. Die Komplexität der Abkommen erfordert eine gute Information der betroffenen Partner, und der Bundesrat hat seine Tätigkeiten in diesem Bereich in den letzten Jahren verstärkt. Die dadurch entstandenen Kontakte haben zu Verbesserungen geführt, und die festgestellten Probleme mit der EU konnten schrittweise gelöst werden, häufig auf bilateralem Weg. Seit zwei Jahren wurden dem Bundesrat keine Probleme bei der Anwendung der bilateralen Verträge mit der EU mehr zugetragen.

3026

Auch aufgrund der neusten Änderungen der Rechtsgrundlagen lässt sich sagen, dass die von den Motionen verlangten Verbesserungen nun umgesetzt sind. Die seit September 2013 mit der Richtlinie 2005/36/EG eingeführte Liberalisierung der Dienstleistungserbringung bietet Schweizer Unternehmen und Staatsangehörigen, die in der EU tätig sein wollen, gute Möglichkeiten. Damit profitieren diese insbesondere von den gleichen Vorteilen wie ihre Konkurrentinnen und Konkurrenten aus den anderen EU-Mitgliedsländern. Künftig liegt es an der Wirtschaft, diesen neuen gesetzlichen Rahmen zur Erbringung von Dienstleistungen in der EU zu nutzen.

Darüber hinaus wird der Bundesrat seine Bemühungen fortsetzen, weiterhin Kontakte mit den Berufsverbänden unterhalten und eingreifen, wenn die bilateralen Abkommen nicht korrekt angewendet werden. Damit sind nun alle vorgebrachten Probleme beim Zugang zu den EU-Märkten geregelt, sodass die beiden Motionen abgeschrieben werden können.

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