14.095 Botschaft zum Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten vom 28. November 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Ladenöffnungszeiten.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2013

M 12.3637

Frankenstärke. Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten (S 17.9.12, Lombardi; N 19.3.13; S 17.6.13)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. November 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2735

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Übersicht Das hier beantragte Ladenöffnungsgesetz soll für den gesamten Schweizer Detailhandel einen gemeinsamen Mindeststandard für die Ladenöffnungszeiten festsetzen.

Ausgangslage Am 15. Juni 2012 reichte Ständerat Filippo Lombardi die Motion 12.3637 «Frankenstärke. Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten» ein. Diese verlangt auf nationaler Ebene einen Mindeststandard für die Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag. Die Motion wurde am 17. Juni 2013 an den Bundesrat überwiesen.

Inhalt der Vorlage Der Gesetzesentwurf zu den Ladenöffnungszeiten erfüllt die Motion Lombardi. Die Detailhandelsbetriebe dürfen somit montags bis freitags von 6­20 Uhr und am Samstag von 6­19 Uhr geöffnet sein. Die Abend-, Nacht- und Sonntagsarbeit ist von der Vorlage nicht betroffen. Das neue Gesetz bringt auch keine Änderung des Arbeitsgesetzes mit sich, das den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet. Im Einklang mit den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes können die Kantone längere Öffnungszeiten bewilligen und den Betrieben Abendverkäufe an Werktagen beziehungsweise Ladenöffnungen an Sonntagen genehmigen.

Die kantonalen Feiertage sowie deren Vortage sind von der neuen Regelung ausgenommen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Motion Lombardi 12.3637

Am 15. Juni 2012 reichte Ständerat Filippo Lombardi gemeinsam mit zwanzig Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichnern die Motion 12.3637 «Frankenstärke.

Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten» ein. Der Motionstext lautet wie folgt: Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Änderung des Binnenmarktgesetzes und gegebenenfalls weiterer Gesetze zu unterbreiten, sodass im Rahmen der Wachstumspolitik auf nationaler Ebene die Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag für alle Detailhandelsbetriebe im Sinne eines Mindeststandards wie folgt teilharmonisiert werden: von Montag bis Freitag von 6­20 Uhr und am Samstag von 6 bis 19 Uhr. Alternativ wäre eine Gesetzgebung aufgrund der gewerbepolizeilichen Kompetenz des Bundes (Art. 95 der Bundesverfassung) zu prüfen. Die kantonale Hoheit zur weiter gehenden Legiferierung innerhalb des Arbeitsgesetzes soll gewahrt bleiben.

Ursprung und Begründung der Motion liegen in den Schwierigkeiten, mit denen der Schweizer Detailhandel aufgrund der Frankenstärke und der daraus resultierenden Verstärkung des Einkaufstourismus konfrontiert ist. In der Motionsbegründung verweist Ständerat Lombardi auf die Einbussen des Detailhandels, die zur Gefährdung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie zum Verlust von Steuereinnahmen (insbesondere Mehrwertsteuer) führen. Mit der Begründung, der Detailhandel müsse sich an die heutigen Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten und an deren veränderte Gewohnheiten anpassen, beantragt Ständerat Lombardi eine Harmonisierung der Ladenöffnungszeiten im Sinne eines Mindeststandards. Eine solche Massnahme würde zum einen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Läden gegenüber Detailhandelsbetrieben im benachbarten Ausland stärken, die von liberaleren Öffnungszeiten profitieren. Zum anderen könnten allen Detailhandelsbetrieben innerhalb des Schweizer Binnenmarkts dieselben Mindeststandards garantiert werden. Dadurch soll insbesondere die Diskriminierung des traditionellen Detailhandels gegenüber Läden in Bahnhöfen, Flughäfen und Tankstellen, die von Ausnahmeregelungen profitieren, teilweise reduziert werden. Die Motion Lombardi beabsichtigt keine Veränderung des Arbeitnehmerschutzes in der Arbeitsgesetzgebung. Ausserdem belässt eine Teilharmonisierung den Kantonen weiterhin einen gewissen Freiraum.

1.1.2

Stellungnahme des Bundesrates

In seiner Stellungnahme vom 29. August 2012 hat der Bundesrat die Annahme der Motion beantragt. Er teilt die Meinung, dass die unterschiedlichen kantonalen Regelungen der Ladenöffnungszeiten für Detailhändler Verzerrungen der Wettbewerbssituation bewirken. Räumte man den einzelnen Händlern hinsichtlich der zulässigen Öffnungszeiten an Werktagen einen Mindestanspruch auf einheitliche Rahmenbe-

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dingungen ein, so würde dies für ausgeglichenere Wettbewerbsbedingungen sorgen.

Allerdings stellt der Bundesrat fest, dass die Motion nicht alle Wettbewerbsungleichheiten (z. B. Sonntagsverkäufe) aufgreift. Indem sich die Motion auf eine Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten beschränkt, kann den unterschiedlichen wirtschaftlichen, kulturellen und geografischen Verhältnissen in der Schweiz genügend Rechnung getragen werden. Mit massvoll erweiterten Öffnungszeiten würde nicht zuletzt einem gesellschaftlichen Wandel entsprochen.

1.1.3

Überweisung der Motion

Am 17. September 2012 nahm der Ständerat die Motion Lombardi mit 27 zu 11 Stimmen an. Am 19. März 2013 wurde die Motion im Nationalrat mit 121 zu 56 Stimmen ebenfalls gebilligt, allerdings mit einer Änderung, die darauf abzielte, die kantonalen Feiertage von der Regelung auszunehmen. So fügte der Nationalrat folgenden Satz hinzu: [...] 19 Uhr. Von dieser Harmonisierung ausgenommen bleiben die kantonalen Feiertage. Alternativ wäre [...]

Der Ständerat stimmte der Änderung, die auch vom Bundesrat unterstützt wird, am 17. Juni 2013 zu.

1.1.4

Weitere parlamentarische Vorstösse

Die Motion Abate 12.3791 «Stärkung des Schweizer Tourismus. Anpassung der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz an die Bedürfnisse des Fremdenverkehrs» steht zwar nicht in direkter Beziehung zur Motion Lombardi, wird aber häufig in der öffentlichen Debatte mit dieser in Verbindung gebracht. Die Motion Abate fordert eine Anpassung von Artikel 25 der Verordnung 2 vom 10. Mai 20001 zum Arbeitsgesetz (ArGV 2), damit dieser den Erfordernissen des modernen Fremdenverkehrs besser entspricht. Zu diesem Zweck soll Shoppingcentern, die bestimmte Kriterien erfüllen, die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Sonntag gestattet werden. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, damit der von der Frankenstärke besonders betroffene Schweizer Tourismus den Bedürfnissen der internationalen Kundschaft Rechnung tragen kann. Beide Parlamentskammern nahmen die Motion am 19. März 2013 an. Die Anhörung über die Anpassung der ArGV 2 wurde am 31. Januar 2014 abgeschlossen. Der Bundesrat wird bis Ende Jahr über eine allfällige Revision der ArGV 2 entscheiden.

Im Zusammenhang mit der Motion Lombardi wurde die Motion de Buman 13.3617 «Ein runder Tisch zu den Ladenöffnungszeiten» am 21. Juni 2013 eingereicht.

Infolge der Annahme der Motionen Lombardi und Abate wird in dieser Motion beantragt, die von den zwei genannten Motionen betroffenen Akteure (Kantone, Städte und Gemeinden sowie wirtschaftliche und soziale Organisationen ­ einschliesslich Tourismuskreise und Konsumentenschutzorganisationen) an einem nationalen «runden Tisch» zusammenzubringen. Die Motion de Buman wurde vom Nationalrat (Erstrat) noch nicht behandelt. In seiner Stellungnahme vom 28. August 1

744

SR 822.112

2013 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion de Buman. Die Umsetzung der beiden Aufträge (Motion Lombardi und Motion Abate) geschieht unabhängig voneinander in bereits existierenden Gremien (u. a. Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben und Eidgenössische Arbeitskommission), in denen die entsprechenden Diskussionen und Verhandlungen stattfinden werden. Für das weitere Vorgehen scheint dem Bundesrat ein «runder Tisch», an dem die beiden Motionen diskutiert werden sollen, nicht nötig. Was die Motion Lombardi betrifft, wurde der Inhalt der neuen Gesetzgebung bereits vom Parlament beschlossen. Dieser lässt wenig Handlungsspielraum für die Ausarbeitung spezifischer Bestimmungen zu. Die Motion Abate hat hingegen die Sonntagsarbeit zum Gegenstand und besitzt damit ebenfalls einen eingeschränkten Fokus.

Das Parlament hat die am 14. Dezember 2012 beim Nationalrat eingereichte Motion der Grünliberalen Fraktion 12.4268 «Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs bei den Öffnungszeiten» noch nicht behandelt. In ihr wird eine Änderung des Arbeitsgesetzes vom 13. März 19642 (ArG) beantragt, die dahin geht, dass künftig Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe mit maximal 120 Quadratmetern Fläche auch sonntags und in der Nacht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen dürfen.

Die Motion Buttet 11.4086 «Versorgung von Randregionen sichern» wurde am 25. September 2013 vom Nationalrat angenommen. Die Motion verlangte vom Bundesrat, das Arbeitsrecht für kleine Läden in Randregionen zu ändern, um die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu erlauben. Der Ständerat hat die Motion am 16. Juni 2014 jedoch abgelehnt, womit sie als erledigt abgeschrieben wurde.

In seinen Stellungnahmen zu den beiden letztgenannten Motionen hat sich der Bundesrat klar für eine Ablehnung ausgesprochen, weil Ausnahmen vom Sonntagsund Nachtarbeitsverbot nur restriktiv zuzulassen sind. Das ArG bezweckt den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Einen zentralen Bestandteil des Arbeitnehmerschutzes stellen dabei das Sonntags- und das Nachtarbeitsverbot dar.

1.1.5

Aktuelle Regelung

Momentan werden die Ladenöffnungszeiten in Ermangelung einer Regelung auf Bundesebene durch kantonales Recht geregelt. Dabei sind die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung über die Arbeit einzuhalten, welche die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern regeln. In mehreren Kantonen gibt es keinerlei Regelung der zulässigen Ladenöffnungszeiten, oder aber die Ladenöffnungszeiten sind auf Ebene der Gemeinden geregelt (vgl. Ziff. 3.2 sowie Anhang). Die neue Bundesgesetzgebung muss somit den unterschiedlichen Situationen der Kantone Rechnung tragen. Der Freiraum der Kantone, die sich für eine vollständige Liberalisierung der Öffnungszeiten entschieden haben, soll nicht eingeschränkt werden. Umgekehrt verlangt der Wortlaut der Motion nicht, die Kantone mit restriktiveren Öffnungszeiten zu einer vollständigen Harmonisierung in diesem Bereich zu zwingen. Vielmehr soll es allen Händlerinnen und Händlern in der Schweiz ermög-

2

SR 822.11

745

licht werden, ihre Öffnungszeiten innerhalb eines einheitlichen Zeitrahmens festzulegen.

1.2

Beantragte Neuregelung

Das Parlament hat den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Gesetzes beauftragt, das in Bezug auf die zulässigen Ladenöffnungszeiten einheitliche Rahmenbedingungen für den gesamten Detailhandel in der Schweiz schaffen soll. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Regelung erfolgt über ein neues Spezialgesetz, das Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten (LadÖG). Die vom Gesetz erfassten Betriebe dürfen somit montags bis freitags von 6­20 Uhr und samstags von 6­19 Uhr geöffnet sein.

Der Sonntag ist nicht betroffen. Die kantonalen Feiertage sowie deren Vortage sind vom LadÖG ausgenommen. Im Einklang mit den Bestimmungen des ArG können die Kantone längere Öffnungszeiten bewilligen und den Betrieben Abendverkäufe an Werktagen beziehungsweise Ladenöffnungen an Sonntagen genehmigen. Kantone, die über keine eigenen gesetzlichen Bestimmungen für die Ladenöffnungszeiten verfügen, müssen keine spezielle Rechtsgrundlage schaffen.

Das LadÖG bringt keine Änderung des ArG mit sich. Das ArG regelt die Tages- und Abendarbeitszeiten, die bewilligungsfrei sind ­ namentlich die Zeitspanne zwischen 6 und 20 Uhr respektive zwischen 20 und 23 Uhr. Ausserdem definiert es im Einzelnen die einzuhaltenden Ruhezeiten. Das LadÖG betrifft daher offensichtlich nicht die Abend-, Nacht- und Sonntagsarbeit.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Neues Spezialgesetz und Abgrenzung des Geltungsbereichs

Anders als in der Motion beantragt, erfolgt die Regelung nicht mittels Änderung des Binnenmarktgesetzes vom 6. Oktober 19953 (BGBM), sondern durch Verabschiedung eines neuen Spezialgesetzes. Da das BGBM allgemeine Prinzipien festschreibt, ist es sinnvoller, Bestimmungen für einen Einzelsektor ­ namentlich den Detailhandel ­ im Rahmen eines Spezialgesetzes zu fixieren, das den Kantonen einen gewissen Freiraum zugestehen kann.

Im Rahmen der Parlamentsdebatten wurden Differenzen über den Wortlaut der Motion Lombardi ausgeräumt, sodass hinsichtlich des Inhalts des neuen Gesetzes nur wenig Handlungsspielraum besteht. Dieses besagt, dass Detailhandelsbetriebe von Montag bis Freitag von 6­20 Uhr und am Samstag von 6­19 Uhr geöffnet sein dürfen, womit sich diese Zeiten im Rahmen der vom ArG definierten Tagesarbeit bewegen. In der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats wurde darüber debattiert, ob die Ladenschlusszeit am Samstag auf 18 Uhr festgesetzt werden sollte ­ und nicht auf 19 Uhr, wie in der Motion beantragt.4 Dieser Vorschlag wurde jedoch mit 14 zu 8 Stimmen abgelehnt. Schliesslich stimmten beide 3 4

746

SR 943.02 AB 2013 N 154

Parlamentskammern zu, die kantonalen Feiertage von der Harmonisierung auszunehmen. Gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse schlägt der Bundesrat vor, die Vortage von kantonalen Feiertagen ebenfalls vom Geltungsbereich des LadÖG auszuschliessen.

1.3.2

Bewertung der Vernehmlassung

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 20. August 2014 Kenntnis von den Ergebnissen der Vernehmlassung genommen, die vom 19. Februar bis zum 30. Mai 2014 lief. Er hat dabei an seinem Beschluss, die Motion Lombardi umzusetzen, festgehalten. Der Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse wurde im Anschluss an die erwähnte Sitzung veröffentlicht.5 Zum Gesetzesentwurf für das LadÖG und zum entsprechenden erläuternden Bericht gingen 78 Stellungnahmen ein. Die Positionen der 26 Kantone, der Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK), von 6 politischen Parteien, 8 gesamtschweizerischen Dachverbänden sowie 37 Organisationen und interessierten Kreisen flossen in den Bericht ein.

Das neue Bundesgesetz wurde in der Mehrheit der eingegangenen Stellungnahmen begrüsst. Es ist jedoch anzumerken, dass neben den Dachverbänden der Detailhandelsbranche eine grosse Anzahl von Detailhandelsbetrieben eine eigene Stellungnahme eingereicht hat. Einige Teilnehmende haben sich nicht eindeutig für oder gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen oder haben verschiedene Vorbehalte formuliert. Eine bedeutende Minderheit lehnte den Entwurf ab.

Allgemein lässt sich sagen, dass der Detailhandel, die Vertreter der Konsumentinnen und Konsumenten, der Tourismus, die Interessenverbände der kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz, die FDP.Die Liberalen und die Schweizerische Volkspartei den Entwurf für das LadÖG unterstützt haben.

Die grosse Mehrheit der Kantone, die Gewerkschaften, die Arbeitnehmerorganisationen sowie die Sozialdemokratische Partei der Schweiz, die Grüne Partei der Schweiz und die Evangelische Volkspartei der Schweiz haben die Umsetzung der Motion Lombardi abgelehnt.

Was die Kantone anbelangt, hat die grosse Mehrheit den Gesetzesentwurf aus föderalistischen Gründen abgelehnt, da die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich dann nicht mehr bei ihnen liegen würde (Eingriff in die kantonale Souveränität).

Drei Kantone haben sich für eine Harmonisierung und eine Liberalisierung ausgesprochen. Sie lehnen ein Bundesgesetz aber gleichwohl ab. Zwei Kantone sind nicht gegen das LadÖG und ein Kanton hat die Vorlage unterstützt.

Die Argumente im Zusammenhang mit dem Föderalismus und den Arbeitsbedingungen für die Detailhandelsangestellten stellten die zwei
Hauptkritikpunkte am Entwurf dar. Was die kantonale Souveränität anbelangt, lehnen es die Kantone ab, dass der Bund im Bereich der Ladenöffnungszeiten Gesetze erlässt. Die betreffende Gesetzgebungskompetenz liegt allerdings nur deshalb bei den Kantonen, weil es bislang keine nationale Regelung gibt. Die Kantone können dieses Recht also nicht 5

Abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung.

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für sich einfordern. In Bezug auf die Arbeitsbedingungen ist darauf hinzuweisen, dass das LadÖG das geltende ArG explizit nicht in Frage stellt. Die festgelegten Öffnungszeiten bewegen sich im Rahmen der vom ArG definierten Tagesarbeit.

Dass der Bund einen Mindeststandard festlegt, bedeutet zudem nicht, dass alle Betriebe automatisch von den maximal zulässigen Öffnungszeiten Gebrauch machen werden. Dafür ermöglicht das neue Gesetz dem Detailhandel, dem Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach flexibleren Öffnungszeiten nachzukommen.

Von verschiedenen Seiten wurde kritisiert, dass sich der Einkaufstourismus nicht durch eine Liberalisierung der Öffnungszeiten bekämpfen lasse. Schliesslich würden die Konsumentinnen und Konsumenten vor allem wegen der Preise im Ausland einkaufen. Umfragen zeigen jedoch, dass die Ladenöffnungszeiten sehr wohl eine Rolle beim Einkaufsentscheid spielen (vgl. Frage des Einkaufstourismus in Ziff. 3.3.2). Durch die Festsetzung eines Standards für den gesamten Detailhandel wird dessen Wettbewerbsfähigkeit sowohl im In- als auch gegenüber dem Ausland gestärkt. Interessant festzustellen ist diesbezüglich, dass die Verbände kleiner Läden das neue Gesetz unterstützen.

Zahlreiche Teilnehmende lehnten es ab, dass der 24. Dezember im Vorentwurf dem Samstag gleichgestellt wurde. Sie forderten, dass die Läden an diesem Tag früher schliessen müssen oder dass dieser Tag von der Regelung ausgenommen wird.

Einige Teilnehmende verlangten die gleiche Regel auch für die anderen Vortage kantonaler Feiertage. Der Bundesrat folgt nun diesem Anliegen und schlägt vor, die Vortage kantonaler Feiertage auszunehmen, um damit die regionalen Bedürfnisse noch stärker zu berücksichtigen.

Diverse Teilnehmende haben kritisiert, dass die Kantone, die bislang über keine eigenen gesetzlichen Bestimmungen für die Ladenöffnungszeiten verfügen, aufgrund des Vorentwurfs eine spezielle Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Öffnungszeiten schaffen müssten. Dies würde einen zusätzlichen finanziellen und personellen Aufwand bedeuten. Entsprechend hat der Bundesrat dieses Element in im Entwurf nun berücksichtigt.

1.4

Rechtsvergleich mit den Nachbarländern

1.4.1

Ladenöffnungszeiten

Im Rahmen einer Debatte über die Öffnungszeiten im Schweizer Detailhandel lohnt es sich, einen Blick auf die entsprechenden Regelungen der Nachbarländer zu werfen. Aufgrund der geringen Grösse der Schweiz können die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten gelegentliche oder regelmässige Einkäufe leicht im angrenzenden Ausland tätigen (vgl. hierzu auch Ziff. 3.3.2 zum Thema Einkaufstourismus). Allerdings lässt sich die Frage einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten nicht von den arbeitsrechtlichen Bestimmungen in den jeweiligen Ländern trennen (vgl. Ziff. 1.4.2 und, für die Schweiz, Abschnitt «Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer» in Ziff. 3.3.1).

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Auf europäischer Ebene gibt es keine Vorschriften bezüglich der Öffnungszeiten im Detailhandel. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2003/88/EG6 hoben mehrere Staaten ihre Gesetze über die Ladenöffnungszeiten auf.

In Deutschland sind die Ladenschlusszeiten im Bundesgesetz über den Ladenschluss (LadSchlG) geregelt, das am 28. November 1956 in Kraft getreten ist. In seiner aktuellen Fassung erlaubt das Gesetz den Detailhandelsbetrieben, ihre Geschäfte montags bis samstags von 6­20 Uhr zu öffnen. Nach wie vor schreibt das Gesetz vor, dass Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen sein müssen. Ausserdem sieht es Ausnahmeregelungen für Apotheken, Tankstellen sowie Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Flughäfen vor. Infolge der Föderalismusreform im Jahr 2006 liegt die Gesetzgebungskompetenz für die Ladenöffnungszeiten neu bei den Bundesländern. Wenngleich das LadSchlG formal in Kraft bleibt, können die Bundesländer künftig frei über die auf ihrem Territorium geltenden Ladenöffnungszeiten entscheiden. Infolge dieser neuen Aufgabenteilung sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden. Während Bayern bisher kein entsprechendes Gesetz erlassen hat und sich an den Rahmen des Bundesgesetzes hält, haben andere Bundesländer die zulässigen Ladenöffnungszeiten liberalisiert. So dürfen beispielsweise die Geschäfte in Berlin oder im an die Schweiz angrenzenden BadenWürttemberg montags bis samstags rund um die Uhr geöffnet sein.

Frankreich besitzt keine gesetzliche Regelung der Ladenöffnungszeiten im Detailhandel.

In Italien ist die Deregulierung der Ladenöffnungszeiten Teil eines Massnahmenpakets, das am 1. Januar 2012 zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Kraft gesetzt wurde. Seitdem können alle Detailhandelsbetriebe frei und ohne Einholung von Sondergenehmigungen über ihre Öffnungszeiten bestimmen und ihre Läden die ganze Woche, also auch sonntags, rund um die Uhr öffnen.

In Österreich sind die Ladenöffnungszeiten auf Bundesebene im Öffnungszeitengesetz (ÖZG) geregelt. Demgemäss dürfen Läden montags bis freitags von 6­21 Uhr und samstags von 6­18 Uhr geöffnet sein. Sonderregelungen betreffen in erster Linie Bäckereien, Fremdenverkehrsregionen, Tankstellen und Verkaufsstellen in Bahnhöfen.

In den genannten vier Ländern schöpfen die Detailhandelsbetriebe die maximal zulässigen
Ladenöffnungszeiten nicht immer aus. Die Einkaufszentren und Lebensmittelgeschäfte in Städten nahe der Schweizer Grenze ­ Weil am Rhein und Lörrach in Deutschland, Saint-Louis, Mulhouse und Epagny in Frankreich, Domodossola in Italien und Dornbirn in Österreich ­öffnen in der Regel montags bis samstags zwischen 8 und 9 Uhr und schliessen zwischen 19.30 und 22 Uhr. Eine Ausnahme bilden indes die österreichischen Läden in Dornbirn, die früher schliessen als in den anderen Vergleichsorten.

6

Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9.

749

1.4.2

Arbeitsbedingungen

Die Arbeitszeiten sind in den Nachbarstaaten in der Regel stärker durch Gesetz und Gesamtarbeitsverträge (GAV) reguliert als in der Schweiz.

In der Schweiz legt Artikel 9 Absatz 1 ArG die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in industriellen Betrieben, für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels und auf 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer fest. GAV können kürzere Arbeitszeiten vorsehen. So legt der GAV des Detailhandels im Kanton Genf (Version 2013­2018) die Höchstarbeitszeit auf 42 Stunden bei einer 5-Tage-Woche fest. Gemäss Landes-GAV der Migros-Gruppe für die Periode 2011­2014 und GAV der Gruppe Coop gültig ab 1. Januar 2014 beträgt die normale wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden. Es gibt hingegen keinen allgemeinverbindlichen nationalen GAV für die gesamte Branche.

In Deutschland beläuft sich die gesetzliche Arbeitszeit auf 8 Stunden am Tag (40 Stunden bei einer 5-Tage- und 48 Stunden bei einer 6-Tage-Woche). Für den Detailhandel gelten auf Länderebene GAV. Die meisten dieser GAV sehen Wochenarbeitszeiten zwischen 37 und 38 Stunden vor. Zusätzlich hat der Betriebsrat gemäss § 87 Absatz 1 Ziffern 2 und 3 des Betriebsverfassungsgesetzes bei Arbeitszeitfragen sowie bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen.

In Frankreich darf gemäss dem Code du Travail die effektive Arbeitszeit 10 Stunden pro Tag beziehungsweise 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten. Gemäss dem landesweiten GAV für den vorwiegend im Lebensmittelbereich tätigen Detail- und Grosshandel (Convention collective nationale du commerce de détail et de gros à prédominance alimentaire) vom 12. Juli 2001 darf die effektive Wochenarbeitszeit bezogen auf einen beliebigen zusammenhängenden 12-Wochen-Zeitraum 42 Stunden durchschnittlich nicht überschreiten. Ausserdem ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine wöchentliche ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden zu gewähren ­ in der Regel am Sonntag. Im Detailhandel kann jedoch die wöchentliche Ruhezeit am Sonntag auch erst ab 13 Uhr beginnen.

In Italien beläuft sich laut dem Gesetzesdekret Nr. 66 vom 8. April 2003 (Decreto Legislativo n. 66) die Normalarbeitszeit auf 40 Wochenstunden. In GAV kann eine
geringere Wochenarbeitszeit festgelegt werden. Die Gesetzgebung legt keine maximale Tagesarbeitszeit fest, schreibt aber vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wöchentlich eine ununterbrochene 24-stündige Ruhezeit zu gewähren ist.

In Österreich ist im Arbeitszeitgesetz (AZG) eine tägliche Normalarbeitszeit von 8 Stunden und eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden festgeschrieben.

Ausserdem sieht das AZG wöchentlich eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 36 Stunden vor. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit des Personals von Verkaufsstellen im Sinne des ÖZG in den einzelnen Wochen eines Durchrechnungszeitraumes von vier Wochen bis auf 44 Stunden ausgedehnt werden kann, wenn innerhalb dieses Zeitraumes die durchschnittliche wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden beziehungsweise die durch GAV festgelegte Normalarbeitszeit nicht überschreitet. Die tägliche Normalarbeitszeit darf jedoch 9 Stunden nicht überschreiten.

750

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Annahme des LadÖG wird die Motion Lombardi 12.3637 vollumfänglich erfüllt. Der Bundesrat beantragt mit der Unterbreitung dieses Entwurfs daher die Abschreibung der Motion.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Titel und Ingress Der Titel bringt zum Ausdruck, dass sich die Regelung der Ladenöffnungszeiten auf Läden, also den Detailhandel, bezieht.

Der Ingress verweist auf den Wirtschaftsartikel 95 der Bundesverfassung7 (BV).

Dieser gibt dem Bund die Kompetenz, Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaflichen Erwerbstätigkeit zu erlassen (Abs. 1). Darüberhinaus soll der Bund für einen einheitlichen Wirtschaftsraum sorgen (Abs. 2).

Art. 1

Öffnungszeiten

Der Gesetzesentwurf richtet sich nach den konkreten Vorgaben der Motion Lombardi im Hinblick auf die Öffnungszeiten der Detailhandelsbetriebe. Die Läden dürfen demnach von Montag bis Freitag von 6­20 Uhr und am Samstag von 6­19 Uhr geöffnet sein (Abs. 1). Diese Regelung stellt einen Mindeststandard dar, die Kantone können also längere Öffnungszeiten vorsehen (Abs. 2). Die Kantone, welche keine Vorschriften bezüglich der Öffnungszeiten erlassen haben, werden den Kantonen gleichgestellt, welche längere Öffnungszeiten vorgesehen haben. In diesen Kantonen kann somit der Mindeststandard nach Artikel 1 LadÖG überschritten werden. Der Erlass von neuen kantonalen Vorschriften bezüglich der Ladenöffnungszeiten ist dazu nicht erforderlich.

Die spezifischen Bundesregelungen betreffend die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Tankstellenshops sowie in Verkaufsstellen in Bahnhöfen oder Flughäfen (Art. 27 Abs. 1ter und 1quater ArG) werden durch diese Gesetzesvorlage nicht tangiert. Hingegen bedarf es einer Anpassung des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19578 (EBG; siehe unten zu Art. 4).

Art. 2

Kantonale Feiertage

Wie vom Parlament (Motion Lombardi) gefordert, sind die kantonalen Feiertage vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die Regelung der Ladenöffnungszeiten an diesen Tagen verbleibt somit in der alleinigen Kompetenz der Kantone. Zu den kantonalen Feiertagen im Sinne des LadÖG gehören die höchstens acht Feiertage, welche die Kantone nach Artikel 20a Absatz 1 ArG den Sonntagen gleichstellen können. Auch die übrigen kantonalen Feiertage, die ausschliesslich durch kantonales Recht geregelt sind, fallen unter den Vorbehalt. Zudem steht es den Kantonen auch frei, für die Vortage der gesetzlich festgelegten Feiertage kürzere Öffnungszeiten vorzusehen.

7 8

SR 101 SR 742.101

751

Art. 3

Begriffe

Die Motion Lombardi fordert explizit einen einheitlichen Rahmen für die Ladenöffnungszeiten des Detailhandels. Dementsprechend sind mit dem Begriff «Läden», der für das LadÖG gewählt wurde, weil er dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, lediglich die Detailhandelsbetriebe gemeint. Als Detailhandelsbetriebe gelten physische Geschäftslokale, in denen Konsumentinnen und Konsumenten Waren zum Verkauf angeboten werden. Nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen somit Dienstleistungsbetriebe wie etwa Coiffeursalons oder Solarien.

Die Regelung der Öffnungszeiten solcher Betriebe liegt somit weiterhin in der Kompetenz der Kantone. Im Übrigen sind Geschäftslokale, in denen sowohl Waren verkauft als auch Dienstleistungen erbracht werden (z. B. Autogaragen, Sportgeschäfte), dann als Detailhandelsbetriebe zu erachten, wenn ihre Geschäftstätigkeit hauptsächlich im Warenverkauf besteht.

Art. 4

Änderung eines anderen Erlass

Das LadÖG erfordert eine Anpassung von Artikel 39 Absatz 3 EBG. Da das LadÖG an die Stelle von restriktiveren kantonalen und kommunalen Vorschriften tritt, muss klargestellt werden, dass auch diese neuen Bundesbestimmungen keinen Einfluss auf die Öffnungszeiten von Nebenbetrieben im Sinne des EBG haben. Daher wird Artikel 39 Absatz 3 EBG so ergänzt, dass neben den Vorschriften der Kantone und der Gemeinden auch jene des LadÖG für solche Nebenbetriebe keine Anwendung finden.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Der Gesetzesentwurf hat für den Bund keine unmittelbaren finanziellen Folgen, weil der betreffend die zulässigen Öffnungszeiten gesteckte Rahmen nicht über den Schutzbereich der Arbeitsgesetzgebung hinausgeht und somit keine Sonderbewilligungen erfordert. Ergeben sich aus der Anwendung des neuen LadÖG positive Wirtschaftsimpulse, so kommen diese auch den öffentlichen Finanzen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden zugute.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Das neue Gesetz bringt keinerlei Veränderungen beim Bundespersonal mit sich.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Bisher wurden die Ladenöffnungszeiten aufgrund des Fehlens einer Bundesregelung durch das kantonale Recht geregelt. Nun macht der Bund jedoch von seiner Kompetenz Gebrauch. Für die Kantone bedeutet die Verabschiedung eines Bundesgesetzes, dass ihr kantonales Gesetz über die Ladenöffnungszeiten insoweit hinfällig wird, als 752

es dem vom Bund gesetzten Mindeststandard widerspricht. Dasselbe gilt für Gemeinden, an die der Kanton (insbesondere Waadt und Graubünden) das Recht zur Regelung der Öffnungszeiten delegiert hat. Vollumfänglich erhalten bleiben die Entscheidungsbefugnisse der Kantone und der Gemeinden jedoch hinsichtlich aller Aspekte, die über den vom Bundesgesetz festgelegten Zeitrahmen hinausgehen. So bleiben zum Beispiel die Regelungen der Kantone betreffend den Vollzug vollständig erhalten. Zudem können sie ­ unter Einhaltung der Bestimmungen des ArG ­ auch künftig frei entscheiden, ob sie Detailhandelsbetrieben Bewilligungen zur Öffnung ihrer Läden ausserhalb der bundesgesetzlich zulässigen Öffnungszeiten erteilen und Abendverkäufe an Werktagen beziehungsweise Ladenöffnungen an Sonn- und kantonalen Feiertagen sowie an deren Vortagen genehmigen wollen. Das Bundesgesetz wirkt sich auf die kantonalen Gesetze lediglich insofern aus, als es kantonale Normen ersetzt, welche für Detailhandelsbetriebe an «gewöhnlichen» Werktagen (kantonale Feiertage und deren Vortage zählen nicht dazu) kürzere Öffnungszeiten vorsehen. Für die Kantone, die bereits vor Inkrafttreten des LadÖG gleich lange oder längere Öffnungszeiten vorgesehen haben oder gar auf eine Einschränkung der Öffnungszeiten verzichtet haben, ändert sich somit nichts.

Im Anhang zu diesem Bericht findet sich eine Übersicht über den aktuellen Status quo in den verschiedenen Kantonen. Diese Übersicht gibt Auskunft darüber, ob die einzelnen Kantone ein eigenes Ladenöffnungs- oder Ladenschlussgesetz erlassen haben und wie sich eine ­ gemäss dem LadÖG gestaltete ­ Ausweitung der Öffnungszeiten auf diese Kantone auswirken würde. Von den 26 Kantonen kennen 10 keinerlei Regelung im Bereich der Ladenöffnungszeiten, während 16 gesonderte Gesetze erlassen haben. Das Gesetz des Kantons Zürich entbindet die Läden von jeglicher zeitlichen Beschränkung. Im Endeffekt sind von den Kantonen mit eigenen Regelungen im Bereich der Ladenöffnungszeiten 5 Kantone von den vom LadÖG vorgesehenen zeitlichen Vorgaben für Montag bis Freitag nicht betroffen, während auf 2 Kantone die bundesgesetzlichen Zeitvorgaben an Samstagen nicht zutreffen.

Denn in diesen Kantonen gelten bereits spätere Ladenschlusszeiten als 20 Uhr unter der Woche und als 19 Uhr am Samstag. Somit müssten infolge des
neuen Bundesgesetzes die Ladenöffnungszeiten in 11 Kantonen unter der Woche und in 14 Kantonen an Samstagen ausgeweitet werden. Für diese Kantone bringt das neue Gesetz für Montag bis Freitag eine maximale Ausweitung der Ladenöffnungszeiten um eine bis eineinhalb Stunden und samstags um eine bis drei Stunden mit sich. Zu erwähnen ist indes, dass viele Kantone mit derzeit noch «restriktiven» Ladenschlussbestimmungen Ausnahmen von ihren eigenen Regelungen definiert haben ­ insbesondere durch Befreiungen oder die Festlegung längerer Öffnungszeiten in Tourismusregionen oder Grenzgebieten.

Da das LadÖG gleiche Rahmenbedingungen für alle Detailhandelsbetriebe in der ganzen Schweiz garantiert, wird sich dies auch auf die interregionale Umsatzverteilung der Läden auswirken. Von der Ungleichheit profitieren im Moment verschiedene Detailhandelsbetriebe in Kantonen mit liberaleren Ladenöffnungsbestimmungen, deren Läden nahe der Grenze zu einem Kanton mit restriktiveren Vorschriften angesiedelt sind. Denn diese Läden werden am späteren Abend auch von Konsumentinnen und Konsumenten frequentiert, die zum Einkauf aus den letztgenannten Kantonen anreisen. Die Läden der Kantone mit bis anhin restriktiven Bedingungen profitieren somit künftig von denselben Mindeststandards, sodass die Öffnungszeiten keinen Vor- oder Nachteil mehr darstellen. Dies gilt jedoch nicht für

753

Fälle, in denen ein Nachbarkanton eine über den Rahmen des LadÖG herausgehende Liberalisierung durchgesetzt hat.

Was die Kantone an der Grenze zu den europäischen Nachbarländern betrifft, kann die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Läden gegenüber den grenznahen Geschäften im Ausland führen.

In Ziffer 1.4 wurde bereits auf die liberaleren Ladenöffnungszeiten in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich hingewiesen.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Für Detailhandelsbetriebe in Kantonen, deren Bestimmungen restriktiver sind als der im LadÖG festgelegte Minimalstandard, scheint eine Übersicht über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten angebracht. Für Läden, die abgesehen von den Vorschriften des ArG keinerlei zeitlichen Beschränkungen unterliegen oder die innerhalb eines liberaleren Umfelds agieren als vom LadÖG vorgesehen, wird sich der Wettbewerb auf dem Schweizer Markt verschärfen.

Aus den Erfahrungen anderer Länder können nur begrenzt Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten abgeleitet werden. Dies zeigt insbesondere eine im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) erstellte Studie9, die sich sowohl auf die Erfahrungen anderer Länder (Schweden, Niederlande, USA, Kanada, Grossbritannien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Österreich) als auch auf die Praxis der Kantone stützt, die ihre Ladenöffnungszeiten liberalisiert haben. Auf Grundlage ihrer Ergebnisse haben die Autoren der Studie die möglichen Auswirkungen einer Lockerung der Ladenöffnungszeiten in unserem Land qualitativ bewertet. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Folgen der Frankenstärke und des verstärkten Einkaufstourismus im Rahmen der Studie nicht analysiert wurden. Die Auswirkungen hängen wesentlich von der jeweiligen Ausgangssituation ab ­ also von den arbeitsrechtlichen Bestimmungen und der Wettbewerbssituation im Detailhandel sowie vom Ausmass der Liberalisierung im Bereich der Ladenöffnungszeiten.

3.3.1

Wirtschaftliche Auswirkungen auf die verschiedenen wirtschaftlichen Akteure

Konsumentinnen und Konsumenten In Fällen, in denen zwei in einem Haushalt zusammenlebende Personen ausser Haus arbeiten oder in denen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer alleine wohnen oder alleinerziehend sind, lassen sich restriktive Ladenöffnungszeiten nur schwer mit den zeitlichen Anforderungen des Arbeitslebens vereinbaren. Wenn Konsumentinnen und Konsumenten ihre Einkäufe nicht tagsüber erledigen können, müssen sie dies ausserhalb ihrer Arbeitszeiten am frühen Morgen, am Abend oder am Samstag tun.

Manche weniger preissensitive Konsumentinnen und Konsumenten nutzen die Einkaufsmöglichkeiten in Tankstellenshops sowie Verkaufsstellen in Bahnhöfen und 9

754

Econcept, 2005, «Volkswirtschaftliche Auswirkungen flexibler Ladenöffnungszeiten», Arbeitsmarktpolitik Nr. 12.

Flughäfen. Diese Läden profitieren von liberaleren Ladenöffnungsregelungen und weiten als Reaktion auf die Kundennachfrage ihr Sortiment innerhalb des gesetzlichen Rahmens immer weiter aus. Alternativ dazu können die Konsumentinnen und Konsumenten auch in Einzelhandelsbetrieben angrenzender Kantone oder benachbarter Länder mit verlängerten Öffnungszeiten einkaufen.

Es ist kaum zu bestreiten, dass die Konsumentinnen und Konsumenten von einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten profitieren.10 Diese These wird auch durch die vom SECO 2005 in Auftrag gegebene Studie gestützt.11 Längere Ladenöffnungszeiten verringern die Opportunitätskosten der Konsumentinnen und Konsumenten, da sie sich die Zeit für ihre Einkäufe besser einteilen können. Dadurch lassen sich Zeitkollisionen mit anderen beruflichen oder privaten Aktivitäten verringern. Dank grösserer zeitlicher Flexibilität können die Konsumentinnen und Konsumenten zudem freier wählen, an welchem Ort sie ihre Einkäufe tätigen wollen.

In diesem Zusammenhang sei aber auf folgenden Punkt hingewiesen: Die vom SECO in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten bis 20 Uhr für die Konsumentinnen und Konsumenten einen erheblichen Zusatznutzen mit sich bringt, während der Zusatznutzen einer weiteren Verlängerung über 20 Uhr hinaus nur gering ist. In ihrer jüngsten Veröffentlichung zum Detailhandel12 stellt auch die Credit Suisse fest, dass eine vollständige Liberalisierung den Detailhandelsbetrieben aufgrund des abnehmenden Grenznutzens für die Konsumentinnen und Konsumenten nur wenig einbringen würde. Im Rahmen dieser Studie wurde die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten von Montag bis Freitag simuliert. Den Ergebnissen dieser Simulation zufolge würden die Shoppingstunden gegenüber dem Basisszenario (Ladenöffnungszeiten zwischen 8 und 19 Uhr) um 1,2 Prozent zunehmen, sollten alle Detailhandelsbetriebe den vom neuen Bundesgesetz vorgesehenen maximalen Zeitrahmen ausschöpfen. Das «24h»-Szenario einer vollständigen Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten erhöht hingegen die Shoppingstunden gegenüber dem Szenario «Lombardi» nur noch um 0,5 Prozent. Deshalb steht es im Einklang mit der Motion Lombardi und der Stellungnahme des Bundesrates auch nicht zur Diskussion, auf nationaler Ebene eine vollständige Liberalisierung der
Ladenöffnungszeiten vorzunehmen und es den Detailhandelsbetrieben zu gestatten, rund um die Uhr zu öffnen. Das Stimmvolk hat sich im Übrigen auf Kantonsebene zwar mehrfach gegen eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten entschieden, insbesondere aber Änderungen abgelehnt, die über die Forderungen der Motion Lombardi hinausgegangen wären. Besonders deutlich wurde dies unlängst bei zwei Volksabstimmungen zu diesem Thema. So wurde im Juni 2012 eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten im Kanton Zürich mit 71 Prozent der abgegebenen Stimmen abgelehnt. Die Volksinitiative verlangte allerdings, die Ladenöffnungszeiten völlig ­ das heisst an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr ­ freizugeben. Dies geht über das Ziel des LadÖG hinaus. In Basel-Stadt wandte sich das Volk am 3. März 2013 mit einer Mehrheit von 59,7 Prozent gegen eine Gesetzesänderung, die zum einen an zwei Sonntagen im Jahr die Öffnung der Läden 10

11 12

Credit Suisse, 2014, Retail Outlook 2014, Fakten und Trends, Swiss Issues Branchen, Economic Research; Productivity Commission of the Australian Government, 2011, «Retail Trading Hours Regulation», Economic Structure and Performance of the Australian Retail Industry, Inquiry Report No. 56; Nooteboom B., 2006, «The Industrial and Social Dynamics of Retailing, and Effects of Opening Hours», Discussion Paper, Center of Economic Research, Tilburg University.

Vgl. Verweis in der Fussnote 9.

Vgl. Verweis in der Fussnote 10.

755

und die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen sollte (Art. 19 ArG gestattet es den Kantonen, höchstens vier Sonntage pro Jahr zu bezeichnen, an denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsgeschäften ohne Bewilligung beschäftigt werden dürfen). Zum anderen sah die Gesetzesänderung eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten am Samstag von 18 auf 20 Uhr vor, wobei die Basler Gesetzgebung für Montag bis Freitag bereits eine Ladenöffnung bis 20 Uhr ermöglicht. Die vorgesehenen Änderungen gingen damit teilweise über den Minimalstandard des LadÖG hinaus.

Detailhandelsbetriebe Wenn Konsumentinnen und Konsumenten mehr Einkaufszeit zur Verfügung hätten, könnten sie bei entsprechendem Bedarf und Budget sowie aufgrund des mit dem Shopping möglicherweise verbundenen Erholungsaspekts mehr konsumieren. Wie erwähnt schätzt die Credit Suisse, dass sich die Shoppingstunden gegenüber dem Basisszenario um 1,2 Prozent erhöhen würden. Diese Simulation impliziert jedoch, dass alle Einzelhandelsbetriebe, die bisher von 8­19 Uhr geöffnet hatten, den neuen zulässigen Zeitrahmen ausschöpfen. Die Detailhandelsbetriebe können infolge der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten mit einer geringfügigen Umsatzsteigerung rechnen. Wenngleich der Wachstumseffekt letztlich nur schwer zu quantifizieren ist, könnte sich eine Liberalisierung leicht positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken.

Allerdings profitieren kleine Geschäfte und Supermärkte sehr unterschiedlich von der Liberalisierung. Durch die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten entstehen höhere variable Kosten (Personal- und Betriebsaufwand). Mittel- bis langfristig sollten diese Mehrkosten jedoch durch Effizienzgewinne ausgeglichen werden, die sich aus einem effizienteren Ressourceneinsatz ­ wie beispielsweise einer besseren Kapitalverwendung ­ ergeben. Die Geschäfte können die bestehenden Kapazitäten der Verkaufsinfrastrukturen länger nutzen und daher ihre Fixkosten besser verteilen.

Grosse Detailhandelsbetriebe, die ihre Ressourcen leichter rationalisieren können, profitieren am meisten vom Abend- und Samstagsverkauf. Die Detailhändler verfügen im Vergleich dazu arbeitsorganisatorisch nur über begrenzte Möglichkeiten und Flexibilität. Dadurch könnte sich ein Phänomen verstärken, das sich schon jetzt beobachten lässt: die Verdrängung kleiner
Geschäfte durch grössere Detailhandelsbetriebe. Dieser mit einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten einhergehende Strukturwandel wurde durch mehrere Studien aufgezeigt.13 Diese Entwicklung könnte Probleme bezüglich der Marktmacht mancher Einzelhandelsbetriebe mit sich bringen und letztlich zu steigenden Preisen führen. Derartige Preissteigerungen lassen sich jedoch möglicherweise dadurch kompensieren, dass Kioske, Tankstellenshops sowie Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Flughäfen ihre Preise aufgrund des stärkeren Wettbewerbsdrucks seitens der traditionellen Detailhandelsbetriebe senken müssen. Wie sich eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten auf den Umsatz der Geschäfte auswirkt, hängt wesentlich von deren Standort ab (im Stadtzentrum, in Einkaufsstrassen, im Bahnhof, an Pendlerstrecken usw.) sowie von der Frage, ob sie einen Nischenmarkt abdecken oder nicht.

13

756

Nooteboom B., op.cit.; BAKBASEL, 2010, Kosten, Preise und Performance: Der Schweizer Detailhandel im internationalen Vergleich, Basel; Wenzel T., 2010, «Liberalization of Opening Hours with Free Entry», German Economic Review 11(4), Verein für Socialpolitik, S. 511­526.

Dabei ist der Hinweis wichtig, dass Familienbetriebe vom Anwendungsbereich des ArG ausgenommen sind. Das Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern während der Nacht und an Sonntagen gilt für sie nicht, soweit die Beschäftigten Familienmitglieder im Sinne der Definition im ArG sind. Die Vorteile von Kiosken, Tankstellenshops sowie Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Flughäfen gegenüber traditionellen Detailhandelsbetrieben nehmen zwar tendenziell ab, wenn Letztere die Ausdehnung der zulässigen Ladenöffnungszeiten ausschöpfen. Ganz verschwinden werden sie jedoch nicht, sodass einige Wettbewerbsverzerrungen bestehen bleiben. Schliesslich bleibt noch Folgendes anzumerken: Indem den Detailhändlerinnen und -händlern das Recht der Ladenöffnung innerhalb eines gesetzlich definierten Zeitrahmens eingeräumt wird, überlässt man ihnen die Wahl, ob sie ihre Geschäfte bis zur spätesten gesetzlich zulässigen Ladenschlusszeit öffnen oder nicht. Ihre individuelle Entscheidung wird dabei auch vom Verhalten der Mitbewerberinnen und Mitbewerber beeinflusst.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Im Schweizer Detailhandel waren im zweiten Quartal 2014 rund 317 400 Personen in Voll- oder Teilzeit14 beschäftigt. Damit spielt dieser Wirtschaftszweig eine wichtige Rolle für den Arbeitsmarkt in der Schweiz, stellt er doch rund 7,6 Prozent der Arbeitsplätze dar. Die wöchentliche Normalarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten im Detailhandel belief sich 2013 auf 41,8 Stunden und lag damit leicht über dem Durchschnitt im Dienstleistungssektor und über dem Gesamtdurchschnitt aller Sektoren (41,7 Stunden).

Der Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird durch das ArG gewährleistet. Daran ändert das LadÖG nichts. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 ArG gilt in allen Branchen die Arbeit von 6­20 Uhr als Tagesarbeit. Sie ist bewilligungsfrei. Allerdings wird der zulässige Zeitrahmen für Einzelbranchen wie den Detailhandel häufig durch kantonale Polizeiverordnungen beschränkt; diese lassen indes für Fremdenverkehrs- oder Grenzgebiete Ausnahmen zu.

Im Übrigen werden die Arbeitsbedingungen durch die Bestimmungen der Artikel 319 ff. des Obligationenrechts15 (OR), allfällige GAV (z. B. auf kantonaler Ebene oder Betriebsstufe) und den Arbeitsvertrag geregelt.

Inwieweit sich eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten
auf die Arbeitsbedingungen auswirkt, hängt davon ab, wie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitsabläufe umorganisieren. So können sie entweder zusätzliches Personal einstellen oder die Arbeitsbedingungen der bestehenden Belegschaft verändern. Im letztgenannten Fall sind verschiedene Beschränkungen zu berücksichtigen. So darf im Falle einer Verlängerung der Arbeitszeit die in Artikel 9 ArG vorgesehene wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 beziehungsweise 50 Stunden ­ je nachdem, ob der Detailhandelsbetrieb mehr oder weniger als 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt ­ nicht übersteigen. Ausserdem wird in Fällen, in denen Arbeit auf Abruf möglich ist, zur Verfügung gestellte Zeit ohne Arbeitsleistung vergütet, sofern nichts anderes vereinbart worden ist. Arbeitsverträge ohne Arbeits14

15

Bundesamt für Statistik BFS, Beschäftigungsstatistik (BESTA). Der Detailhandel fällt ­ abgesehen vom Detailhandel mit Autos und Motorrädern ­ unter Abteilung 47 der allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige von 2008 (NOGA 2008) Diese Abteilung umfasst auch den E-Commerce.

SR 220

757

zeitregelung sind unzulässig. Schliesslich ist eine Kündigung mit dem Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen (Änderungskündigung) zwar möglich, muss aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Des Weiteren müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Vertretung gemäss Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe b ArG bezüglich der Organisation der Arbeitszeit und der Gestaltung der Stundenpläne informieren und anhören. Bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeit ist schliesslich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Familienverpflichtungen besonders Rücksicht zu nehmen (Art. 36 Abs. 1 ArG). Die Arbeitsbedingungen hängen ausserdem davon ab, ob ein GAV besteht und dieser beispielsweise die Wochenarbeitszeit regelt. Letzteres gilt aber schon heute und hängt mit der Frage, ob es durch das LadÖG zu einer Harmonisierung im Sinne des vorgesehenen Mindestanspruchs kommen wird, nur dann zusammen, wenn das LadÖG zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber führt.

Auf Seiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verschiedene Einschätzungen denkbar ­ je nachdem, ob die Situation aus Sicht von im Detailhandel erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Personen betrachtet wird. Nicht alle Angestellten, die bereits im Detailhandelssektor tätig sind, stehen einer Lockerung der Ladenöffnungszeiten positiv gegenüber. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die gesetzlich festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit von der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten unberührt bleibt. Effektiv verändern wird sich indes die Arbeitszeitorganisation. Manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden aber die Möglichkeit begrüssen, auch frühmorgens oder spätabends zu arbeiten, z. B Studierende, die auf diese Weise ihr Studium mit einer begrenzten Arbeit in den Randstunden kombinieren können. Dies ermöglicht ihnen eine grössere Flexibilität innerhalb des vom ArG definierten Rahmens. Dabei wird es sicherlich nötig sein, sinnvolle Regelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Familienverpflichtungen zu finden ­ insbesondere im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen. Für Arbeitsuchende dürften daher die Vorteile überwiegen, da für sie die Chancen steigen, dank einer allfälligen Zunahme der Teilzeitstellen zumindest einen Teileinstieg in den Arbeitsmarkt zu schaffen.

3.3.2

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Entwicklungen im Detailhandel Der Detailhandelssektor (einschliesslich des E-Commerce) spielt für den Wirtschaftsstandort Schweiz eine wichtige Rolle. Bezogen auf den Zeitraum zwischen 1997 und 2012 beläuft sich sein Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung (BWS) der Schweiz (unbereinigt) auf rund 4,6 Prozent, wenngleich dieser Wertschöpfungsbeitrag im Zeitverlauf tendenziell abnimmt (vgl. Grafik 1). Die BWS dient als Indikator für die Wirtschaftsleistung. Im Bereich des Detailhandels entspricht sie dem Umsatz nach Abzug von Versorgungslieferungen und Vorleistungen (Energie- und Transportkosten). Der Anteil an der BWS sank von ungefähr 4,9 Prozent im Jahr 1997 auf etwa 4,1 Prozent im Jahr 2012 (vorläufige Zahlen des Bundesamts für Statistik [BFS]). Der Ausschlag im Jahr 2009 lässt sich dadurch erklären, dass einige Bereiche wie der Industriesektor besonders stark unter der Krise litten. Dadurch verringerte sich ihr Beitrag zur gesamten BWS, während der Anteil des Detailhandels stieg.

758

Seit 2010 ist eine Verringerung der BWS des Detailhandels zu beobachten. Diese Entwicklung ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Einkäufe, die früher in der Schweiz getätigt worden sind, teilweise im Ausland erledigt werden. Ausserdem gerieten die Preise im Schweizer Detailhandel durch den Eintritt neuer Anbieter auf dem Schweizer Markt unter Druck.

Grafik 1 Bruttowertschöpfung des Detailhandels, 1997­2012

Quelle: BFS

Der Wettbewerb innerhalb des Schweizer Detailhandels Das neue LadÖG zielt darauf ab, einen einheitlichen Wettbewerbsrahmen für den gesamten Schweizer Detailhandel zu schaffen. Es sichert allen Detailhandelsbetrieben die Möglichkeit, ihre Läden unter der Woche zwischen 6 und 20 Uhr sowie samstags zwischen 6 und 19 Uhr zu öffnen. Die Verankerung eines Mindestanspruchs auf einheitliche Ladenöffnungszeiten ist als moderate Massnahme zu bewerten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Detailhandelsbetriebe keinesfalls verpflichtet sind, den gesamten Rahmen der zulässigen Ladenöffnungszeiten auszuschöpfen. Alle Detailhandelsbetriebe können ihre Ladenöffnungszeiten je nach Kundschaft, Warensortiment und Standort selbst bestimmen.

Diese Freiheit wird jedoch ­ wie oben bereits erwähnt (vgl. Abschnitt «Detailhandelsbetriebe» unter Ziff. 3.3.1) ­ dadurch eingeschränkt, dass nicht jeder Betrieb die in Verbindung mit der neuen Arbeitsorganisation entstehenden Zusatzkosten tragen kann.

Ausserdem wird es auch künftig keine absolut identischen Wettbewerbsbedingungen geben, weil der Sonntag und die kantonalen Feiertage sowie deren Vortage von der Regelung ausgenommen bleiben. Zudem können Detailhandelsbetriebe in Kantonen, die bereits sämtliche Regelungen über zulässige Ladenöffnungszeiten aufgehoben haben, auch in Zukunft den gesamten von der Arbeitsgesetzgebung gebotenen Rahmen ­ also den Zeitraum von 6­23 Uhr ­ ausschöpfen. Und schliesslich bleiben die keine Bewilligungspflicht vorsehenden Sonderbestimmungen des ArG zur 759

Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Tankstellenshops sowie in Verkaufsstellen auf Bahnhöfen und Flughäfen in Kraft. Das neue Bundesgesetz erlaubt es jedoch, die Wettbewerbsbedingungen insgesamt stärker zu vereinheitlichen.

Die Schweizer Detailhandelsbetriebe sehen sich auch mit Konkurrenz aus den Grenzgebieten konfrontiert, deren Ladenöffnungsvorschriften liberaler sind als in zahlreichen Kantonen (vgl. Ziff. 1.4). Verschärft wurde diese Konkurrenz noch durch die Frankenstärke, die zu einer Zunahme des Einkaufstourismus seitens der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten geführt hat (siehe nachfolgenden Abschnitt «Schweizerfrankenstärke»).

Die Einführung eines einheitlichen Rechtsrahmens für den gesamten Detailhandel in der Schweiz ist angemessen, da es sich um ein Recht innerhalb des vom ArG definierten Rahmens handelt. Die Massnahme dürfte den Wettbewerb stärken und sich dank einer Erhöhung der Produktivität positiv auf die Gesamtwirtschaft auswirken.

Allerdings lassen sich die Effekte der Liberalisierung nur schwer quantifizieren. Sie könnte möglicherweise zu einem Rückgang der Verbraucherpreise führen. Das Ausmass der Produktivitätssteigerung ist in der Literatur umstritten. Einige Studien zeigen jedoch, dass die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten zu einem grösseren Angebot führt. Dieses wirkt sich positiv auf die Wertschöpfung des Detailhandels aus und fördert somit das Wirtschaftswachstum.16 Allerdings dürfte der immer wichtiger werdende E-Commerce die Bedeutung der Ladenöffnungszeiten für den Wettbewerb relativieren. Dies gilt insbesondere für Produkte, die bereits weitgehend im Internet gekauft werden. Bezogen auf die gesamten Konsumausgaben der Schweizer Privathaushalte im Jahr 2011 liegt der Anteil der per Internet getätigten Käufe oder Bestellungen bei vergleichsweise bescheidenen 1,5 Prozent.17 Dieser Anteil nimmt aber von Jahr zu Jahr stetig zu.

Knapp 27 Prozent der Internetkäufe entfallen auf die Bereiche Ferien und Übernachtungen (vgl. Grafik 2). 2,1 Prozent der Käufe im Internet betreffen Bücher. Dies macht aber bereits 13 Prozent der Gesamtausgaben von Privathaushalten für diese Produktkategorie aus. In den Bereichen Bekleidung und Schuhe werden rund 3 Prozent der Gesamtausgaben, welche die Haushalte für diese Produktkategorie tätigen, über Internetkäufe
umgesetzt. Im Nahrungsmittelsegment beläuft sich der entsprechende Anteil auf 1,1 Prozent. Abschliessend lässt sich sagen, dass die Privathaushalte in den Produktkategorien Flugzeugtickets, IT-Geräte, Bücher, audiovisuelle und fotografische Geräte sowie Ferien und Unterkünfte jeweils mehr als 10 Prozent ihrer Gesamtausgaben via Internet tätigen. In allen anderen Waren- und Dienstleistungskategorien liegt der Anteil der auf den E-Commerce entfallenden Ausgaben darunter. Im Vergleich zum Jahr 2010 sind die per Internet getätigten Ausgaben von Privathaushalten 2011 für alle Warengruppen um 0,1­0,7 Prozentpunkte gestiegen. Bei den audiovisuellen und fotografischen Geräten belief sich der Anstieg sogar auf 3,2 Prozentpunkte. Was die Unternehmen betrifft, haben im Jahr 2011 73 Prozent der internetnutzenden Betriebe im Einkauf E-Commerce-Instrumente eingesetzt und 33 Prozent dieser Betriebe im Verkauf. Im Dienstleistungssektor lagen die entsprechenden Anteile bei 73 und 38 Prozent.

16

17

760

Burda M.C., 2000, «Product Market Regulation and Labor Market Outcomes: How Can Deregulation Create Jobs?», Working Paper No. 230, CESifo Working Paper Series, München.

Vgl. BFS, Indikatoren der Informationsgesellschaft, E-Commerce der privaten Haushalte.

Grafik 2 E-Commerce: Per Internet jährlich getätigte Ausgaben der privaten Haushalte, 2004­2011

Quelle: BFS

Schweizerfrankenstärke Die Stärke des Schweizerfrankens, insbesondere gegenüber dem Euro, wirkt sich erheblich auf das Einkaufsverhalten der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten aus. Gemäss zwei veröffentlichten Studien des Instituts Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sind die Ausgaben von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten für Auslandeinkäufe von 8,9 Milliarden Franken im Jahr 2012 auf 10 Milliarden Franken im Jahr 2013 gestiegen.18 Von diesen Beträgen entfallen im Jahr 2012 4,5 Milliarden Franken auf gezielte Einkäufe im Ausland (Einkaufstourismus) und im Jahr 2013 5 Milliarden Franken. Der Rest verteilt sich auf spontane Ausgaben während Ferien- und Geschäftsreisen und Online-Käufe. Als Gründe für ihre gezielten Einkäufe im Ausland im Jahr 2013 geben 79 Prozent der befragten Konsumentinnen und Konsumenten den günstigeren Preis und 22 Prozent die längeren Ladenöffnungszeiten in den Nachbarländern Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich an. Der Preis ist zweifellos der Hauptgrund dafür, dass es die Schweizerinnen und Schweizer zum Einkaufen ins Ausland zieht. Der Positiveffekt längerer Ladenöffnungszeiten sollte aber nicht unterschätzt werden und kann zur Bekämpfung des Einkaufstourismus beitragen.

Die Schweizerfrankenstärke stellt eine besondere Herausforderung für den schweizerischen Detailhandel dar, während die durch die Motion geforderten Gesetzesänderungen struktureller Natur sind. Das neue Bundesgesetz dürfte indes die Rahmenbedingungen für den Detailhandel in der Schweiz verbessern und dessen Position 18

GfK, 2014, Auslandeinkäufe 2013, und 2013, Auslandeinkäufe 2012, Hergiswil.

761

gegenüber der ausländischen Konkurrenz stärken. Innerhalb von 20 Minuten lassen sich vom Schweizer Grenzgebiet aus 2300 Lebensmittelgeschäfte im Ausland erreichen.19 Legt man eine 60-minütige Fahrdistanz zugrunde, erhöht sich die Zahl der erreichbaren ausländischen Detailhandelsunternehmen auf 8500.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten wirkt sich potenziell positiv auf die Beschäftigungslage aus. Die Umsetzung des LadÖG kann dazu beitragen, mehr Arbeitsuchende in den Arbeitsmarkt zu integrieren und die Arbeitslosigkeit zu verringern.

In diesem Fall würde sich das Gesetz somit positiv auf die Gesellschaft auswirken.

Eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten erleichtert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie insbesondere dann, wenn beide Elternteile berufstätig sind. So können Erwerbstätige, die ihre Kinder in einer Kinderkrippe betreuen lassen, dank längerer Ladenöffnungszeiten ihre Einkäufe auch nach der Abholung ihrer Kinder tätigen.

Damit kann diese Massnahme dazu beitragen, die Erwerbstätigkeit besonders von Müttern zu erhöhen und somit im Sinne der bundesrätlichen Fachkräfteinitiative die Mobilisierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials erleichtern.

Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Detailhandelssektors können die Auswirkungen unterschiedlich beurteilt werden. Die Möglichkeit, an Randstunden zu arbeiten, schafft zusätzliche Einkommensmöglichkeiten für Werkstudierende als auch für Familien mit Kindern, weil dann die Kinderbetreuung vom Partner übernommen werden kann. Anderseits könnte es für Alleinerziehende schwieriger werden, Familie und Beruf zu vereinbaren ­ etwa wenn Kinderkrippen vor den Detailhandelsgeschäften schliessen.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten kann sich auf mehreren Ebenen ­ wie etwa durch das Verkehrsaufkommen und, marginal, den Energieverbrauch ­ auf die Umwelt auswirken.

Verlängerte Öffnungszeiten können über eine Verminderung des Einkaufs-Verkehrs einen positiven Effekt auf die Umwelt haben. So können die Konsumenten bei verlängerten Öffnungszeiten ihre Einkäufe besser über den Tag verteilen und sind z. B. nicht gezwungen, ihre Einkäufe gleich nach Arbeitsende zu erledigen. Wie die Simulation der Credit Suisse zeigt, hätte eine Liberalisierung der Öffnungszeiten eine gleichmässigere Verteilung der Einkäufe auf den ganzen Tag zur Folge.20 Die Pendlerinnen und Pendler könnten ihre Fahrstrecken optimieren und ihre Einkäufe entweder früh morgens auf dem Weg zur Arbeit oder abends auf dem Rückweg erledigen. Im Übrigen könnte die Harmonisierung der Öffnungszeiten auf nationaler Ebene den Verkehr zwischen den Kantonen mit unterschiedlichen Öffnungszeiten reduzieren, da die Konsumentinnen und Konsumenten dadurch nicht mehr in einen anderen Kanton fahren müssen, um von für sie besser geeigneten Öffnungszeiten zu 19 20

762

Credit Suisse, 2013, Retail Outlook 2013, Fakten und Trends, Swiss Issues Branchen, Economic Research.

Vgl. Fussnote 10.

profitieren. Die Konsequenzen könnten vor allem an den Samstagen spürbar sein, da das Gesetz an diesem Tag in einer Mehrzahl der Kantone eine Verlängerung der Öffnungszeiten erlauben würde. Hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkehrs ist zu erwarten, dass der Einkaufstourismus infolge einer Ausdehnung der Öffnungszeiten leicht zurückgeht und die damit verbundene Umweltverschmutzung sowie die Verkehrsbelastung sinken. Die Schweizer sind 2013 im Durchschnitt 74 Kilometer für gezielte Einkäufe im Ausland gefahren, im Vergleich zu 67 Kilometern 2012.21 Zwar liegt der Hauptteil der Strecken (35 Prozent) dabei in einem Radius von 26 Kilometern (2012 und 2013), die Fahrten von 100 Kilometern oder mehr sind aber von 17 Prozent (2012) auf 22 Prozent (2013) gestiegen.

Schlussendlich könnte eine Ausweitung der Öffnungszeiten jedoch auch durch höhere Kosten für Energie und insbesondere Strom zu Buche schlagen. Diese sind jedoch nur schwer quantifizierbar. Die Branchengruppe Handel verzeichnete 2013 einen Stromverbrauch von rund 3,8 Terawattstunden (TWh).22 Der Stromverbrauch des Handels für Beleuchtung beträgt rund 1 TWh pro Jahr. Längere Öffnungszeiten in den Morgen- und Abendstunden führen zu einem zusätzlichen Verbrauch. Strombetriebene Geräte wie Gefriertruhen und Kühlschränke laufen indes sowieso ohne Unterbrechung rund um die Uhr.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201223 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201224 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Dies erklärt sich dadurch, dass die Motion Lombardi am 17. Juni 2013 an den Bundesrat überwiesen wurde. Gemäss Artikel 122 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200225 hat der Bundesrat zwei Jahre Zeit, um eine Motion zu behandeln.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Nach Artikel 95 BV kann der Bund Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erlassen. Zudem hat er für einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu sorgen. Dabei ist er an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 BV) gebunden.

Beim Detailhandel handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 95 BV, weshalb der Bund auch befugt ist, die Öffnungszeiten von Detailhandelsbetrieben zu regeln. Ausserdem dient die Gesetzesvorlage der Verwirklichung des Binnenmarktes, da sie auf die Beseitigung der Wettbewerbsverzer21 22

23 24 25

Vgl. Studien GfK, Fussnote 18.

Bundesamt für Energie BFE, 2014, Energieverbrauch in der Industrie und im Dienstleistungssektor 2013, S. 41; BFE, 2014, Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000­2013 nach Verwendungszwecken, S. 43.

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 171.10

763

rungen hinwirkt, die durch die unterschiedlichen kantonalen Regelungen der Ladenöffnungszeiten verursacht werden. Die Regelung der zulässigen Öffnungszeiten für Detailhandelsbetriebe durch den Bund stellt eine grundrechtskonforme Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit dar. Diese Einschränkung ist durch ein öffentliches Interesse, nämlich die Ruhe sowie den Schutz der öffentlichen Ordnung, gerechtfertigt und zudem auch verhältnismässig.

Da der Bund nun von seiner Kompetenz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten Gebrauch macht, werden die kantonalen Vorschriften, welche dem vom Bund festgelegten Mindeststandard widersprechen, hinfällig. Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt keine abschliessende bundesrechtliche Regelung dar, sondern legt lediglich einen nationalen Mindeststandard fest. In Artikel 1 Absatz 2 LadÖG wird denn auch festgehalten, dass die Kantone längere Öffnungszeiten vorsehen können.

Mit dieser Lösung wird auch dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 43a Abs. 1 BV) Rechnung getragen. Der Mindeststandard liegt im Interesse des einheitlichen Wirtschaftsraums, und die Möglichkeit, längere Öffnungszeiten vorzusehen, trägt den unterschiedlichen kantonalen Interessen Rechnung.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Gesetzesvorlage weist keine direkten Berührungspunkte mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz auf.

5.3

Erlassform

Die vorliegende Gesetzesvorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

So sieht die Vorlage die Einschränkung von verfassungsmässigen Rechten vor, und es werden Rechte und Pflichten von Personen festgelegt.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegende Gesetzesvorlage sieht keine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen vor.

764

Anhang

Übersicht über die Ladenöffnungszeiten in den verschiedenen Kantonen Kantone

AG Keine kantonale AI Regelung der AR Öffnungszeiten

Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungsbzw. Arbeitszeiten26

26

Bemerkungen

Gesetz 2005 aufgehoben

Auswirkung des Bundesgesetzes: Ausweitung der Öffnungszeiten?

nein nein

Regelungen auf Gemeinde- teilweise ja ebene

BL

Gesetz 1997 aufgehoben

nein

GL

Gesetz 2000 aufgehoben

nein

GR

Regelungen auf Gemeinde- teilweise ja ebene Bsp. Chur: Mo­Fr: nein Sa: +2 Std.

NW

nein

OW

nein

SZ

nein

VD

Regelungen auf Gemeinde- teilweise ja ebene Bsp. Lausanne: Mo­Fr: +1 Std.

Sa: +1 Std.

BE

Mo­Fr: 6­20 Uhr Sa: 6­17 Uhr

Mo­Fr: nein Sa: +2 Std.

BS

Mo­Fr: 6­20 Uhr Sa: 6­18 Uhr

Mo­Fr: nein Sa: +1 Std.

FR

Mo­Fr: 6­19 Uhr Sa: 6­16 Uhr

Mo­Fr: +1 Std.

Sa: +3 Std.

GE

Mo­Do: bis 19 Uhr Fr: bis 19.30 Uhr Sa: bis 18 Uhr

Mo­Do: +1 Std.

Fr: +0.5 Std.

Sa: +1 Std.

JU

Mo­Fr: 6­18.30 Uhr Sa: 6­17 Uhr

Mo­Fr: +1.5 Std.

Sa: +2 Std.

Diese Tabelle gibt einen Überblick über die normalen von den kantonalen Gesetzen vorgesehenen Ladenöffnungs- bzw. Ladenschlusszeiten. Die durch die Kantone erlassenen Ausnahmeregelungen sowie die nächtlichen und sonntäglichen Öffnungszeiten sind nicht berücksichtigt.

765

766

Kantone

Bemerkungen

Auswirkung des Bundesgesetzes: Ausweitung der Öffnungszeiten?

LU

Mo­Fr: bis 18.30 Uhr Sa: bis 16 Uhr

Mo­Fr: +1.5 Std.

Sa: +3 Std.

NE

Mo­Fr: 6­19 Uhr Sa: 6­18 Uhr

Mo­Fr: +1 Std.

Sa: +1 Std.

SG

Mo­Fr: 6­19 Uhr Sa: 6­17 Uhr

Mo­Fr: +1 Std.

Sa: +2 Std.

SH

Mo­Fr: 5­22 Uhr (im Sommer)/ 6­22 Uhr (im Winter) Sa: bis 18 Uhr

Mo­Fr: nein

SO

Mo­Fr: 5­18.30 Uhr Sa: 5­16 Uhr

Mo­Fr: +1.5 Std.

Sa: +3 Std.

TG

Mo­Sa: 6­22 Uhr

nein

TI

Mo­Fr: bis 18.30 Uhr Sa: bis 17 Uhr

Mo­Fr: +1.5 Std.

Sa: +2 Std.

UR

Mo­Fr: bis 18.30 Uhr Sa: bis 17 Uhr

Mo­Fr: +1,5 Std.

Sa: +2 Std.

VS

Mo­Fr: bis 18.30 Uhr Sa: bis 17 Uhr

Mo­Fr: +1.5 Std.

Sa: +2 Std.

ZG

Mo­Fr: 6­19 Uhr Sa: 6­17 Uhr

Mo­Fr: +1 Std.

Sa: +2 Std.

ZH

Mo­Sa: keine Beschränkung

nein

Sa: +1 Std.