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85.040

Botschaft betreffend die Aenderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege

vom 29. Mai 1985

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen Botschaft und Entwurf zur Aenderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Weiter beantragen wir Ihnen, folgende Motionen und Postulate abzuschreiben : 1969 M

10O1O

Ausbau des Schutzes der verfassungsmässigen Rechte des Bürgers (N 24.9.69, Cadruvi; S 11.12.69)

1969 P

10122

Erleichterung der staatsrechtlichen Beschwerde (N 24.9.69, Bachmann)

1969 P

10123

Aenderung des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege (N 24.9.69, Caroni)

1974 P

11256

Verwaltungsrechtspflege (N 19.3.74, Schürmann)

1976 P 75.51O

Gerichtsverhandlungen. Publizität (N 4.3.76, Ueltschi). Abschreibung von Buchstabe c

1977 M 76.467

Beschwerdeverfahren vor dem Bundesrat (N 23.6.77, Geschäftsprüfungs"kommission des Nationalrates; S 28.9.77)

1978 P 77.424

Kartellgesetz (N 18.1.78, Aider). Abschreibung von Punkt l

1979 P 78.539

Verwaltungsverfahren. Fristenstillstand (N 20.3.79, Meier Josi)

1980 P 79.497

Europäischer Gerichtshof. Vollzug der Entscheide (N 6.3.8O, Reiniger)

1985-509

30 Bundesblau. 137.Jahrgang. Bd.II

737

1981 M 81.315

Eidgenössische Gerichte. Entlastung (N 4.3.81, Petitions- und Gewährleistungskommission; S 17.6.81)

1981 P 81.325

Beschwerden der Kantone beim Bundesgericht (N 19.6.81, Grobet)

1983 P 83.3O7

Organisationsgesetz. Revision (N 24.6.83, Bratschi).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 1985

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Purgier Der Bundeskanzler: Buser

738

Uebersicht Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht sind seit Jahren überlastet. Beide Gerichte können den Berg hängiger Streitfälle aus eigener Kraft nicht mehr abbauen.

Die Verfahren ziehen sich deswegen in die Länge; der Anspruch des Bürgers, in einem Streitfall den Entscheid des Gerichts binnen angemessener Frist zu erhalten, ist damit nicht mehr gewährleistet.

Um akute Ueberlastungen zu beheben, hat das Parlament zu verschiedenen Malen Sofortmassnahmen getroffen. Diese zielten zur Hauptsache jeweils auf einen personellen Ausbau der beiden eidgenössischen Gerichte ab. So hat das Parlament zuletzt 1984 die Zahl der Ersatzrichter des Bundesgerichts um 15 und jene der Urteilsredaktoren um sechs erhöht; beide Massnahmen laufen Ende 1988 aus. Solche personellen Massnahmen bringen auf kurze Frist die nötige Abhilfe. Wenn sie sich jedoch in regelmässigen Abständen wiederholen, führen sie zu einem uferlosen personellen Ausbau der eidgenössischen Gerichte.

Um dies zu vermeiden und um die beiden Gerichte auf lange Sicht dennoch zu entlasten, sind andere - prozessuale und organisatorische - Massnahme nötig. Sie sollen die eidgenössischen Gerichte einerseits in die Lage versetzen, die Dauer der Streitverfahren wieder auf ein annehmbares Mass zu verkürzen. Anderseits sollen diese Massnahmen den Gerichten erlauben, sich neben dem Rechtsschutz des Bürgers wieder stärker ihren ändern Hauptaufgaben zuzuwenden, nämlich über die richtige und einheitliche Rechtsanwendung zu wachen sowie das Recht in wichtigen Fragen fortzubilden. Insgesamt werden die Entlastungsmassnahmen dazu dienen, die Qualität der Rechtsprechung zu sichern und die Rechtspflege unserer obersten Gerichte klarer auf deren wesentliche Aufgaben auszurichten ("Verwesentiichung der Rechtsprechung"). Es versteht sich, dass diese Massnahmen die verfassungsmässigeri rantien des Bürgers respektieren.

Verfahrensga-

739

Im Vordergrund steht dabei das Annahmeverfahren, das an beiden eidgenössischen Gerichten eingeführt werden soll. In Zukunft wird sich ein Burger in der Regel nur noch an diese Gerichte wenden können, wenn es sich um einen Streitfall von erheblicher Bedeutung handelt. Das Annahmeverfahren spielt allerdings nur dort, wo als Vorinstanz der eidgenössischen Gerichte eine richterliche Behörde entscheidet. Das erfordert einen Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte, und zwar auf der Stufe des Bundes und der Kantone.

Unter den Massnahmen, die wie das Annahmeverfahren den Zugang zum Gericht erschweren und beschränken, sind weiter zu nennen die Erhöhung und Ausdehnung der Streitwertgrenzen in der Zivilrechtspflege, der weitgehende Verzicht auf die verwaltungsrechtliche Klage und die obligatorische Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei der staatsrechtlichen Beschwerde. Ferner fallen darunter die Erhöhung der Gerichtsgebühren am Bundesgericht und die Einführung der gleichen Kostenregelung für das Eidgenössische Versicherungsgericht.

Andere Massnahmen wiederum bezwecken, das Entscheidverfahren der eidgenössischen Gerichte zu vereinfachen. In diesem Sinne werden die Dreierbesetzung erweitert und das vereinfachte Verfahren (ohne öffentliche Beratung) auf alle Abteilungen des Bundesgerichts ausgedehnt. Beschränkt werden zudem die Parteiverhandlung bei der zivilrechtlichen Berufung und die Angemessenheitskontrolle sowie die mündliche Schlussverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Weiter soll die Regelung am Eidgenössischen Versicherungsgericht an jene des Bundesgerichts angepasst werden, was die Bindung an Sachverhalt und an Parteianträge sowie die Angemessenheitskontrolle betrifft.

Der Bundesrat prüft in der Botschaft

auch Alternativen zu

seinem Entlastungskonzept. Allen Alternativen ist gemeinsam.

740

dass sie auf das Annahmeverfahren und, mehr oder weniger stark, auch auf andere organisatorische und prozessuale Entlastungsmassnahmen verzichten. Untersucht wird, wie sich das Konzept des Bundesrates und diese Alternativen hinsichtlich der Qualität der Rechtsprechung auswirken und welche finanziellen und personellen Konsequenzen sie haben.

Schliesslich benutzt der Bundesrat die Gelegenheit, um verschiedene Aenderungen von Verfahrensgesetzen des Bundes vorzuschlagen, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben.

Bei der vorübergehenden Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter des Bundesgerichts, von der bereits die Rede war, handelt es sich um eine Ueberbrückungsmassnahme. Sie soll Ende 1988 durch die Entlastungsmassnahmen abgelöst werden, welche diese Vorlage bringt. Dies bedeutet, dass die Vorlage bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode behandelt und verabschiedet werden solite.

741

Botschaft

I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangsläge

III

Rückblick

111.1

Revision der Bundesrechtspflege von 1969

Das geltende Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; SR 173.110) stammt aus dem Jahre 1943. Es wurde im grossen und ganzen bis 1969 nur punktuell geändert.

Dieses Jahr brachte eine Wende, was die

Bundesverwaltungs-

rechtspflege angeht. Neu geordnet wurden zur Hauptsache

fol-

gende Punkte: Einerseits wurde das Verwaltungsverfahren des Bundes erstmals umfassend geregelt; dieser Regelung unterstehen streitige

(Verfügungs-) Verfahren

und

das

das nicht-

streitige

(Be-

schwerde-) Verfahren vor Verwaltungsbehörden des Bundes (Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren; SR 172.021).

Ander-

seits wurde die Verwaltungsgerichtbarkeit des Bundesgerichts ausgebaut. Bis dahin stand der Rechtsweg nur für einen festen Kreis von Bundesverwaltungs-, in erster Linie Bundessteuersachen offen, die abschliessend Recht kehrte

aufgezählt waren.

diese Regel um und unterstellte

alle Bundesverwaltungssachen der

Das neue

grundsätzlich

Verwaltungsgerichtsbeschwer-

de (Generalklausel); die Ausnahmen davon waren abschliessend aufzuzählen

(Art.

97 ff. OG;

BEI

1965

II 1265

ff.;

Gygi

Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 14 ff.).

742

111.2

Zunahme der Geschäftslast am Bundesgericht

Seit 1969 hat die Belastung des Bundesgerichts,

namentlich

mit Staats- und verwaltungsrechtlichen Geschäften, beträchtlich zugenommen. Die Zahl der neu eingegangenen Fälle ist von 1969 bis

1983

um 127 Prozent

angestiegen

(Eingänge

1629 Fälle, 1983 = 371O Fälle). Die staatsrechtlichen

1969

=

Strei-

tigkeiten haben in der gleichen Zeitspanne am stärksten zugenommen (Eingänge 1969 = 684 Fälle, 1983 = 1688 Fälle).

Die Zahl der vom Bundesgericht erledigten Fälle liess sich durch personelle, organisatorische und prozessuale Massnahmen ebenfalls steigern: Von 1705 im Jahre 1969 auf 381O im Jahre 1983, das heisst um rund 123 Prozent. 1969 entfielen auf jeden Richter

rund 66 Erledigungen, 1983

deren 127 im Jahr.

Trotzdem nahmen die Rückstände immer mehr zu, weil jede Entlastungsmassnahme durch die Zunahme der Neueingänge sozusagen unterlaufen wurde.

Ende 1983 musste das Bundesgericht 1662 unerledigte Fälle auf das Jahr

1984

übertragen.

Davon können rund

7OO Fälle als

normale Uebertragungen gelten, also solche, die im letzten Jahresviertel eingegangen sind oder die sistiert wurden. Rund 9OO Fälle sind dagegen "echte" Rückstände, die vor allem bei den öffentlichrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts liegen. Unter Rückständen sind Fälle zu verstehen, die wegen der Ueberlastung des Gerichts noch nicht erledigt werden konnten, obwohl sie spruchreif sind (Bericht des Bundesgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 1983, S. 376, Ziff. IV; BEI 1983 IV 475 f., Ziff. 111).

1970 betrug die mittlere Streitigkeiten

Prozessdauer

in

staatsrechtlichen

121 Tage, in verwaltungsrechtlichen

Streitig-

keiten 143 Tage; für 1983 lauten die Zahlen 204 und 303 Tage.

Der Zeitaufwand für die Ausfertigung des begründeten Urteils ist dabei noch nicht eingerechnet (Bericht des Bundesgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 197O, S.

235, Est. C, und

1983, S. 392, Est. C/I).

743

111.3

Zunahme der Geschäftslast am Eidgenössischen Versicherungsgericht

Am Eidgenössischen Versicherungsgericht hat sich die Geschäftslast bis 1982 in Vergleichbarem Ausmass entwickelt.

In den ersten Jahren nach 1969 war die Belastung dieses Gerichts zwar ungefähr gleich geblieben. Seit 1975 hat sie indes beträchlich zugenommen. So waren in den drei Jahren 1970 - 1972 durchschnittlich 683 Eingänge zu verzeichnen; in der Vergleichsperiode 198O - 1982 sind diese demgegenüber auf durchschnittlich 154O Fälle im Jahr angewachsen. Innerhalb eines Jahrzehnts haben die Eingänge um 125 Prozent zugenommen.

Im Jahr 1983 hat sich die Zahl der neuen Geschäfte gegenüber 1982 allerdings von 1429 auf 1350 (-79) vermindert. Dabei sind in erster Linie die Beschwerden aus der Invalidenversicherung zurückgegangen (-115).

Erledigt im Jahre 1983 wurden 1621 Fälle. Am Ende des Jahres waren noch 966 Beschwerden anhängig - gegenüber 1237 am 31.

Dezember 1982. Die Zahl der auf das Jahr 1984 übertragenen Geschäfte konnte damit um 271 gesenkt werden (Bericht des Eidgenössischen Versicherungsgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 1983, S. 4O1; BB1 1983 IV 477, Ziff. 12).

1970 betrug die mittlere Prozessdauer 4,7 Monate, 1983 dagegen 9,5 Monate (Bericht des Eidgenössischen Versicherungsgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 197O, S. 242, Bst.

C, und 1983, S. 4O8, Bst. C/l).

112

Entwicklung im Jahre 1984 und Ausblick

Für 1984 bietet sich folgendes Bild (Berichte des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1984, S. 352 f., 366 ff., 375 und 382 f.):

744

112.1

Bundesgericht

Das Bundesgericht zählte in diesem Jahr 3997 Neueingänge, also 287 mehr als 1983. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der neuen Fälle damit gesamthaft um 7,7 Prozent gewachsen. Die steigende Tendenz bei den Geschäftszahlen, die seit Jahren anhält, setzte sich damit fort. Während in früheren Jahren der Zuwachs namentlich bei den staatsrechtlichen Beschwerden lag, waren es 1984 die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten mit den Verwaltungsgerichtsbeschwerden, die mit einem Zuwachs von 23,5 Prozent hervorstachen.

Bei den Erledigungen (4015 Fälle) konnte das Gericht ungefähr mit den Neueingängen Schritt halten. Ein spürbarer Abbau der Rückstände war wegen der Mehreingänge mit dem regulären Personalbestand des Gerichts allerdings nicht möglich. Diese Aufgabe obliegt den 15 ausserordentlichen Ersatzrichtern, die ihr Amt seit Mitte Juli 1984 ausüben und bis Ende 1988 gewählt sind. Ende Dezember 1984 hatten die ausserordentlichen Ersatzrichter die Berichterstattung in 108 ihnen zugewiesenen Fällen abgeschlossen.

Auf das neue Jahr musste das Gericht 1644 (.Vorjahr 1662) Fälle übertragen. Diese Rückstände sind immer noch eindeutig zu hoch; die mittlere Prozessdauer wird daher nicht spürbar sinken. Bei den staatsrechtlichen Streitigkeiten betrug sie im Berichtsjahr 173 Tage. Hinzu kommt der Zeitaufwand für die Redaktion der begründeten Urteile; dieser erreichte 1984 im Einzelfall durchschnittlich 33 Tage (mittlere Redaktionsdauer) . Bei den verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten sieht das Bild noch ungünstiger aus: Hier steht die mittlere Prozessdauer mit 317 Tagen zu Buch, die mittlere Redaktionsdauer mit 36 Tagen.

745

112,2

Eidgenössisches Versicherungsgericht

Beim Eidgenössischen Versicherungsgericht haben die Neueingänge mit je rund 16OO Fällen in den Jahren 198O und 1981 eine Spitze erreicht. Seither geht diese Zahl zurück und betrug im Jahre 1984 1251 neue Fälle. Erledigt hat das Gericht 1350 Fälle. Die Zahl der hängigen Fälle (Rückstände) ist damit weiter gesunken und belief sich Ende 1984 auf 867.

Der Abbau der Pendenzen ist zweifellos erfreulich. Er darf aber nicht darüber hinwegtäuschen', dass die mittlere Prozessdauer, die 1973 weniger als fünf Monate betrug, gegenwärtig immer noch bei neun Monaten liegt. In schwierigeren Fällen kann sie unter Umständen zwei Jahre erreichen oder sogar überschreiten. Auch und gerade in der Sozialversicherung ist dies zu lange, was für den Rechtsuchenden nicht verständlich und rechtsstaatlich bedenklich ist.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Zahlen des Jahres 1984 in keiner Weise geeignet sind, die Lage am Eidgenössischen Versicherungsgericht auch nur mittelfristig richtig zu beurteilen; daher ist die Entwicklung der Geschäftslast in einem etwas grösseren Zusammenhang zu beleuchten.

Zunächst ist festzustellen, dass der Rückgang bei den neuen Fällen nicht mit einer proportionalen Veminderung der Arbeitslast einhergeht. Zurückgegangen sind nämlich vorwiegend die Routinefälle, während der Schwierigkeitsgrad der ändern Fälle allgemein zugenommen hat.

In absehbarer Zeit soll zudem die zweite Revision der Invalidenversicherung verwirklicht werden, welche anstatt der bisherigen zwei Rentenstufen neu deren vier bringen soll (BB1 1985 I 32 ff., Ziff. 21). Dies wird voraussichtlich einen spürbaren Anstieg der Zahl von Rentenbegehren und damit der Beschwerden beim Eidgenössischen Versicherungsgericht zur Folge haben; denn zahlreiche Versicherte, denen bisher Leistungen wegen zu niedrigen Invaliditätsgrades verweigert wurden, werden sich erneut melden.

746

Am 1. Januar 1984 traten ferner folgende Neuordnungen von Sozialversicherungszweigen in Kraft; - Das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (SR 832.20), welches eine Ausdehnung der unterstellten Betriebe um rund zwei Drittel, der Versicherten um einen Drittel und eine Vervielfachung der Träger der Versicherung bringt. Dies bedeutet eine Vermehrung der Konfliktmöglichkeiten und damit der Streitfälle.

- Das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (SR 837.0) , welches gegenüber dem bisherigen Recht neben neuen Leistungsarten zahlreiche andere grundlegende Aenderungen enthält, für die eine Gerichtspraxis erst geschaffen werden muss.

Die erwähnten neuen Gesetze haben beim Eidgenössischen Versicherungsgericht bisher noch nicht zu einer wesentlichen Zunahme von Beschwerdefällen in diesen Materien geführt.

Eine Mehrbelastung ergab sich jedoch insofern, als namentlich im Bereich der Arbeitslosenversicherung neue und heikle Rechtsfragen grundsätzlicher Natur zu entscheiden waren.

Und schliesslich ist zu bedenken, dass die Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (SR 831.40) auf den 1. Januar 1985 für das Eidgenössische Versicherungsgericht Neuland bedeutet. Gesetz und Verordnungen sind komplex, die Träger und Durchführungsstellen dieses Versicherungszweiges äusserst zahlreich und vielgestaltig. Ausser Zweifel dürfte stehen, dass im Laufe der wohl mehrjährigen Einführungsphase mannigfaltigste Grundsatzfragen zu entscheiden sein werden, bis sich das neue Gesetz einigermassen eingespielt haben wird.

Aus diesen Gründen ist damit zu rechnen, dass die Belastung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in den nächsten Jahren steigen wird. Dies gilt sicher wegen des Schwierig-

747

keitsgrades der Beschwerden; es ist aber vorauszusehen, dass auch die Zahl der Beschwerden zunehmen wird.

113

Revisionsbestrebungen

113.1

Parlamentarische Vorstösse

Von den parlamentarischen Revisionsbestrebungen zeugen die in der Einleitung zur Botschaft erwähnten Motionen und Postulate.

113.2

Vorarbeiten der Verwaltung

113.21

Expertenkommission Marti

In den Jahren 1969 bis 1971 hat eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Professor Hans Marti, Bern, eine Teilrevision des OG vorbereitet. Dieses Vorhaben zielte vor allem darauf ab, die staatsrechtliche Beschwerde zu erleichtern und auszudehnen (Motion Cadruvi, Postulate Bachmann und Caroni; vgl.

Einleitung). Die Vorschläge der Expertenkommission Marti sind in der Folge nicht weiter behandelt worden. Dies vor allem aus zwei Gründen: Einmal hat das Bundesgericht in seiner Praxis die formellen Schranken bei der staatsrechtlichen Beschwerde gelockert und damit dem Anliegen der parlamentarischen Vorstösse Rechnung getragen. Sodann begannen in den siebziger Jahren die Geschäftszahlen beim Bundesgericht stark zu steigen; es erwies sich deshalb als richtig, vorerst einen Marschhalt einzuschalten.

Die Ueberlastung der eidgenössischen Gerichte, die sich damals ankündigte, führte denn auch dazu, dass sich das Schwergewicht der Revisionsbestrebungen verschob. Im Vordergrund stand nicht mehr der Ausbau des Rechtsschutzes, sondern die Entlastung der Bundesrechtspflege. Dies schlug sich auch in der Diskussion am Schweizerischen Juristentag 1975 in Mon-

748

treux nieder (Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1975 II 428 ff.).

113.22

Studienkommission Cavin

Unter diesen Vorzeichen setzte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement 1975 eine Studienkommission unter dem Vorsitz des damaligen Bundesgerichtspräsidenten Pierre Cavin ein.D Die Studienkommission hatte den Auftrag, ein Konzept für eine mittel- und langfristige Reorganisation der Bundesrechtspflege zu erarbeiten. Der Schwerpunkt sollte auf der Staats- und Verwaltungsrechtspflege liegen und erlauben, die eidgenössischen Gerichte zu entlasten, ohne diese personell weiter ausbauen zu müssen.

Im Jahr 1977 lieferte die Studienkommission den Vorentwurf für eine Revision des OG ab. Zur Entlastung der eidgenössischen Gerichte schlug sie insbesondere vor, in der Bundesverwaltungsrechtspflege die richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auszubauen. Auf der Stufe des Bundes wäre eine zentrale Verwaltungsrekurskommission zu schaffen.

Sie hätte alle Verfügungen der Bundesverwaltung zu beurteilen, die in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht unterliegen. Die Kantone ihrerseits hätten verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanzen für Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes zu bestellen, sofern der Entscheid der letzten kantonalen Instanz unmittelbar mit Ver-

1) Der Kommission gehörten an Bundesrichter Theodor Bratschi (Eidgenössisches Versicherungsgericht), a. Bundesgerichtspräsident André Grisel, Professor Fritz Gygi (Universität Bern), Verwaltungsgerichtspräsident Hans-Peter Moser, Zürich, Direktor Joseph Voyame und Stellvertretender Direktor Alfred Muff, beide Bundesamt für Justiz.

749

waltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Der Vorentwurf enthielt zudem organisatorische Neuerungen, die in der Zwischenzeit verwirklicht worden sind (Erweiterung des Anwendungsbereichs des summarischen Verfahrens, Bildung von zwei öffentlichrechtlichen Abteilungen am Bundesgericht; vgl.

Ziff. 114.1 hiernach).

113.23

Expertenkommission Dubs

Anfangs 1978 hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Zustimmung des Bundesrates eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Bundesrichter Hans Dubs eingesetzt (Bundesratsbeschluss vom 15. März 1978). Die direkt interessierten Kreise waren darin angemessen vertreten (namentlich die eidgenössischen und kantonalen Gerichte, die Bundesverwaltung, die Anwaltschaft und die Wissenschaft).2)

2) Der Kommission gehörten als Mitglieder an: - Bundesrichter Theodor. Bratschi, Eidgenössisches Versicherungsgericht, Luzern - Professor Francis Cagianut, Präsident des .Verwaltungsgerichts, St. Gallen - Ständerat Matthias Cavelty, Rechtsanwalt,1 Chur - Hans Dressler, Präsident des Appellationsgerichts, Ersatzrichter des Bundesgerichts, Basel - Bundesrichter Rolando Forni, Lausanne - a. Bundesgerichtspräsident André Grisel, Lausanne - Charles Guggenheim, Präsident des Kantonsgerichts, Freiburg - Professor Fritz Gygi, Bern - Kurt Haurl, stellvertretender Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Bern - Professor Charles-André Junod, Rechtsanwalt, Genf - Bundesrichter Adolf Lüchinger, Lausanne - Professor Hans Marti, Fürsprecher und Notar, Bern - Professor Pierre Moor, Lausanne - Hans-Peter Moser, Präsident des Verwaltungsgerichts, Zürich - Alfred Muff, Stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Justiz, Bern - Bundesrichter Peter Müller, Lausanne - Professor Jean-François Poudret, Rechtsanwalt, Lausanne.

750

Wenn im folgenden von der "Expertenkommission" die Rede ist, so ist damit stets die Expertenkommission Dubs gemeint.

Die Expertenkommission nahm ihre Arbeit im März 1978 auf. Sie hielt insgesamt 14 Plenarsitzungen ab (davon acht zweitägige) und liess einzelne Problemkreise von Subkommissionen vorbereiten, die ihrerseits 14 Sitzungen durchführten.

Gemäss Auftrag hatte die Expertenkommission den Vorentwurf der Studienkommission Cavin zu bereinigen. Die wachsende Belastung der Bundesrechtspflege zwang dazu, sich vor allem auf die Frage zu konzentrieren, wie die eidgenössischen Gerichte wirksam und nachhaltig entlastet werden könnten. Daneben untersuchte die Expertenkommission auch, in welchen Bereichen es wünschbar erschien, den Rechtsschutz des Bürgers zu verbessern. Und schliesslich benutzte die Expertenkommission die Gelegenheit, das OG in sprachlicher und systematischer Hinsicht zu überholen.

Im Februar 1982 lieferte die Expertenkommission Vorentwurf und Bericht für die Revision des OG ab.3) Gemäss Auftrag setzte sie dabei das Schwergewicht auf Aenderungen, die - zumindest mittelbar - der Entlastung der eidgenössischen Gerichte dienen können: Für die Verwaltungsrechtspflege im Gebiet des Bundesverwaltungsrechts werden mehr verwaltungsunabhängige Vorinstanzen des Bundesgerichts vorgeschlagen (Rekurskommissionen im Bund; obligatorische verwaltungsunabhängige Vorinstanzen in den Kantonen. Bericht der Expertenkommission, S. 12 ff. und 18 ff.). Die Entscheide dieser Vorinstanzen müsste das Bundesge-

3) Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission beim Bundesamt für Justiz bezogen werden.

können

751

rieht auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin in der Regel nur noch auf Rechts-, nicht auf Tat- und Ermessensfragen prüfen (Art. 117 und 118 Vorentwurf, im folgenden VE).

In diesem Zusammenhang wäre das Eidgenössische Versicherungsgericht folgerichtig von der Pflicht zu befreien, im Streite über Leistungen der Sozialversicherung Tat- und Ermessenfragen zu prüfen; denn dieses Gericht verfügt ja in den kantonalen Versicherungsgerichten bereits über jene verwaltungsunabhängigen Vorinstanzen. Wie das Bundesgericht wäre dieses Gericht ferner künftig auch an die Parteianträge zu binden (Art. 127 Abs. l VE) und hätte unterliegenden Beschwerdeführern Kosten aufzuerlegen, was bei Streitigkeiten um Versicherungsleistungen bisher nicht der Fall war (Art. 62 Abs. l VE) .

Bei der staatsrechtlichen Beschwerde wird das Erfordernis ausgedehnt, dass der kantonale Instanzenzug erschöpft werden muss (Art. 134 VE).

Auf die verwaltungsrechtliche Klage, über die - im sogenannten direkten Prozess - das Bundesgericht als einzige Instanz entscheidet, wird weitgehend zugunsten der Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet (Art. HO VE).

In der Zivilrechtspflege werden die Streitwertgrenzen für die zivilrechtliche Berufung und Klage erhöht und auf die vermögensrechtlichen Zivilsachen ausgedehnt (Art. 68 Abs. l, 71 Abs. l und 73 VE) sowie die mündliche Parteiverhandlung beschränkt (Art. 90 Abs. l VE).

Das vereinfachte Verfahren - -ohne Schriftenwechsel und ohne öffentliche Beratung - wird in liquiden Fällen verallgemeinert (Art. 53 Abs. l VE). Das Verfahren wird ferner durch die Möglichkeit erleichtert, den Entscheid mittels blosser Verweisung auf die Erwägungen der Vorinstanz oder auf die Vernehmlassung einer Behörde zu begründen (Art. 53 Abs. 2 VE) und Fälle von mutwilliger, trölerischer oder sonstwie rechts-

752

missbräuchlicher Prozessführung aus dem Recht zu weisen (Art.

54 VE) .

Die Dreierbesetzung des Gerichts wird verallgemeinert; die Besetzung mit fünf oder sieben Richtern tritt demgegenüber zurück (Art. 25 Abs. l VE).

Das Anwaltsmonopol wird von der Zivil- und der Strafrechtspflege auf die übrige Rechtspflege ausgedehnt (Art. 39 Abs. l VE) .

Der Dokumentationsdienst, der juristische Dienst und der Kanzleidienst an den Gerichten sollen ausgebaut werden (Bericht der Expertenkommission, S. 40 f.). Im Unterschied zu den vorgenannten Massnahmen wird sich ein solcher Ausbau nicht verwirklichen lassen, ohne dass den Gerichten zusätzliches Personal (Gerichtsschreiber, wissenschaftliche Mitarbeiter und Verwaltungspersonal) bewilligt wird.

Daneben hat die Expertenkommission auch eine Reihe von Massnahmen vorgeschlagen, die nicht der Entlastung der Gerichte dienen, sich aber aus ändern Gründen aufdrängen, beispielsweise um Lücken im geltenden Recht zu schliessen (Bericht der Expertenkommission, S. 94, Ziff. 52).

Am 23. Februar 1983 ermächtigte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, über den Vorentwurf der Expertenkommission und die ergänzenden Vorschläge des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements bei den Kantonen, den eidgenössischen Gerichten, politischen Parteien und interessierten Organisationen ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.

753

113.24

Ergänzende Vorschläge des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes

Diese Vorschläge stellten zusätzliche

Entlastungsmassnahmen

zur Diskussion. Es handelte sich einerseits um das Zulassungsverfahren und anderseits um die Schaffung neuer Rekurskommissionen für die Bundesverwaltungsrechtspflege.

Das Zulassungsverfahren zielt darauf ab, die Zahl der an die eidgenössischen Gerichte weiterziehbaren Beschwerdefälle zu vermindern. Das Gericht braucht ein Rechtsmittel in der Sache nur noch zu prüfen, wenn ein Zulassungsgrund vorliegt. Als Zulassungsgründe vorgesehen waren nach dem Vorentwurf des Departements die Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen des Bundesrechts und andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die das Gericht noch nicht beurteilt hat oder welche die Vorinstanz abweichend von der Rechtsprechung des Gerichts beurteilt.

Das Zulassungsverfahren sollte nur dort spielen, wo als Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte richterliche Behörden wirken. Schon die Expertenkommission hatte empfohlen, diese richterlichen Behörden für die Bundesverwaltungsrechtspflege auf kantonaler und auf Bundesebene auszubauen, auf kantonaler Ebene durchgehend, auf Bundesebene selektiv (neue Rekurskommissionen für Kultur und Bildung, für Bundespersonal und für Führerausweisentzüge). Weitergehend sollten nach dem Vorschlag des Departementes nun auf Bundesebene Rekurskommissionen auch für die Wirtschaftsverwaltung (einschliesslich Kontingentswesen) und für die indirekten Bundessteuern eingerichtet werden.

Ferner benutzte das Departement die Gelegenheit, auch jene Vorschläge in das Vernehmlassungsverfahren einzubeziehen, die eine Arbeitsgruppe zum Postulat Reiniger (198O P 79.497, Nationalrat) erarbeitet hatte. In diesem Vorstoss wird der Bundesrat eingeladen zu untersuchen, ob mittels einer Aenderung eidgenössischer Verfahrensgesetze (Bundesgesetze über die Organisation der Bundesrechtspflege, über die" Bundesstraf-

754

rechtspflege und über das Verwaltungsverfahren) die Revision bundesgerichtlicher Urteile zulässig erklärt werden soll, wenn sie gemäss Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte oder des Ministerkomitees des Europarates die Menschenrechtskonvention verletzen. Ferner sollte in diesem Zusammenhang ein analoger Revisionsgrund für die kantonale Gerichtsbarkeit geprüft werden.

114

Sofortmassnahmen

Während der Vorarbeiten für die Reorganisation der Bundesrechtspflege erreichte die Geschäftslast an beiden eidgenössischen Gerichten schubweise ein untragbar hohes Mass. Um ,diese akuten Ueberlastungen zu beheben, waren Massnahmen zu treffen, die auf kurze Frist Abhilfe versprachen. Daher hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten in verschiedenen Botschaften Sofortmassnahmen zur Entlastung der Bundesrechtspflege beantragt.

114.1

Botschaft vom 12. April 1978 (BEI 1978 I 1229 ff. )

In dieser Botschaft hat der Bundesrat dem Parlament verschiedene Aenderungen vorgeschlagen, die von der Studienkommission Cavin stammten und spruchreif waren (vgl. Ziff. 113.22 hiervor). Die entsprechende Aenderung des OG (AS 1979 42} trat am 1. Februar 1979 in Kraft und bestand darin: - aus der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts zwei öffentlichrechtliche Abteilungen zu bilden (Art. 12 Abs. l Bst. a OG); - deren Besetzung mit drei Richtern auch für Routinegeschäfte der Staatsrechtspflege ausserhalb des sogenannten summarischen Verfahrens einzuführen (Art. 15 Abs. 2 und 3 OG); - das summarische Verfahren für gutheissende Entscheidungen in der Staats- und Verwaltungsrechtpflege einzuführen (Art.

92 Abs. 2 und 109 Abs. 2 OG);

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- zwei zusätzliche vollamtliche Richter am Bundesgericht im Rahmen der gesetzlichen Höchstzahl zu wählen, womit das Bundesgericht seither 30 Richter zählt (Art. l Abs. l OG) ; - die Höchstzahl der Gerichtsschreiber und Sekretäre des Bundesgerichts von 24 auf 28 anzuheben (AS 1979 228).

Einen Antrag des Bundesrates, in diesem Zusammenhang das Eidgenössische Versicherungsgericht von seiner Verpflichtung zu entlasten, auch Ermessens- und Tatfragen zu prüfen (Art. 132 Bst. a und b OG), lehnte die Bundesversammlung ab (BB1 1978 I 1229 ff.,- Amtl. Bull. N 1978 8O9 ff., 1236/1237; S 1978 425 ff., 495) .

114.2

Botschaft vom 26. November 1979 (BEI 1980 I 153 ff.)

Aufgrund dieser Botschaft hat das Parlament mit Beschluss vom 21. März 1980 die gesetzliche Höchstzahl der Urteilsredaktoren am Eidgenössischen Versicherungsgericht von 13 auf 23 erhöht (AS 1980 274). Bereits vorher, nämlich auf den 1. Januar 1978, war die Zahl der Ersatzrichter von sieben auf neun erhöht worden (Amtl. Bull. N 1977 1763 f.). Ueberdies hat das Parlament für dieses Gericht am 11. Juni 1980 zwei zusätzliche vollamtliche Bundesrichter gewählt und damit deren Zahl ebenfalls auf neun erhöht (Amtl. Bull. N 1980 847 f.).

114.3

Botschaft vom 17. September (BB1 1980 III 761 ff.)

1980

Die fortschreitende Ueberlastung zwang dazu, die Zahl der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts erneut zu erhöhen, und zwar von 28 auf 4O (AS 1981 226).

756

114.4

Botschaft vom 19. Oktober 1983 (BEI 1983 IV 473 ff.)

Drei Jahre später erwies es sich schon wieder als nötig, der Bundesrechtspflege mit Sofortmassnahmen etwas Luft zu verschaffen. Diese sollten insbesondere das Bundesgericht in die Lage versetzen, die Rückstände auf ein annehmbares Mass abzubauen, bis das revidierte OG in Kraft tritt und sich auszuwirken beginnt.

Das Schwergewicht dieser Ueberbrückungsmassnahmen lag auf einem personellen Ausbau des Bundesgerichts. Vorab ist zu nennen die Wahl von 15 zusätzlichen Ersatzrichtern, die auf Zeit, das heisst bis Ende 1988, amten werden. Ferner sollte das Parlament künftig ausscheidende Bundesrichter als Ersatzrichter auf Zeit wählen können, ohne dass diese an die Höchstzahl der Ersatzrichter angerechnet werden. Die anderen Massnahmen folgten, soweit sie beim Bundesgericht zu verwirklichen waren, aus der Erhöhung der Richterzahlen: Die Zahl der Urteilsredaktoren sollte vorübergehend von 40 auf 46 erhöht werden; auch das Kanzleipersonal benötigte Verstärkung.

Schliesslich drängte es sich wegen der gestiegenen Verantwortung der Ersatzrichter auf, die Taggeldansätze anzuheben, wofür der Bundesrat zuständig war.

Die Regelung über den Beizug ausscheidender Bundesrichter und über die Erhöhung der Taggeldansätze der Ersatzrichter sollten ferner auch für das Eidgenössische Versicherungsgericht gelten.

Das Parlament hat die vorgenannten Massnahmen, soweit es dafür zuständig war, in der Frühjahrssession 1984 beschlossen; sie sind auf den 15. Juli 1984 in Kraft getreten (AS 1984 748.) .

757

12

Ueberlastung als Hauptproblem der Bundesrechtspflege

121

Zeichen der Ueberlastung

J

Die' Bundesrechtspflege leidet heute vor allem unter einer chronischen Ueberlastung. Ein Gericht ist dann überlastet, wenn es die anhängig gemachten Streitfälle nicht mehr mit der notwendigen Sorgfalt prüfen und binnen angemessener Frist entscheiden kann. Dies äussert sich darin, dass die Zahl der Eingänge die Zahl der Erledigungen übersteigt, die Rückstände wachsen und die Zeitspanne zwischen Eingang und Erledigung (Prozessdauer) zunimmt (Grisel André, La surcharge des Cours suprêmes et les moyens d'y remédier, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 1978, S. 374).

Diese Merkmale weist das Bundesgericht seit langem auf; es ist ohne Zweifel überlastet (vgl. Ziff. 111.2 und 112.1 hiervor). Beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hat sich die Lage in jüngster Zeit etwas entspannt. Nach Meinung von Fachleuten handelt es sich dabei allerdings bloss um ein Zwischenspiel; auf mittlere und längere Sicht wird dieses Gericht ebenfalls wieder unter starken Druck geraten, und zwar wegen der neuen Gesetze im Bereich der Sozialversicherung (vgl. Ziff. 112.2 hiervor). Abgesehen davon ist die durchschnittliche Prozessdauer an diesem Gericht auch heute noch eindeutig zu hoch. Unter diesem Blickwinkel ist daher das Eidgenössische Versicherungsgericht nach wie vor überlastet.

122

Ursachen der Ueberlastung

Die Ueberlastung der Bundesrechtspflege entspringt verschiedenen Ursachen. Der Bundesrat ist darauf bereits in früheren Botschaften zur Entlastung der Bundesrechtspflege eingegangen (BEI 1978 I 1232, Ziff. 2; BB1 198O I 156, Ziff. 13; BEI 1983 IV 476, Ziff. 113). Zum einen handelt es sich um Gründe, die mit der Gesetzgebung und der Rechtsprechung zusammenhängen; zum ändern sind es Gründe, die mit der Entwicklung von Ge-

758

Seilschaft und Wirtschaft zu tun haben (dazu auch Schibli Peter , Die Möglichkeit der Einführung einer Zulassungsbeschränkung am schweizerischen Bundesgericht nach dem Muster des amerikanischen 170 ff.).

Certiorari-Verfahrens,

Diss.

Bern

1984,

S.

Zunächst zu Gesetzgebung und Rechtsprechung: Diese haben in neuerer Zeit den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten schrittweise erleichtert. Die Gesetzgebung etwa dadurch, dass heute in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes die Generalklausel gilt (vgl. Ziff. 111.1 hiervor). Verfügungen, die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützen, unterliegen in der Regel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an eines der beiden eidgenössischen Gerichte, soweit nicht das Bundesrecht eine Ausnahme vorsieht (Art. 97 ff. OG) . Praktisch bedeutet dies, dass die Arbeit der eidgenössischen Gerichte zunimmt, je mehr der Bund seine Tätigkeit (Eingriffs- und Leistungsverwaltung) ausweitet. Oder ganz verkürzt ausgedrückt: Jedes neue Gesetz bringt dem Bundesgericht oder dem Eidgenössischen Versicherungsgericht mehr Arbeit. Die Rechtsprechung der eidgenössischen Gerichte ihrerseits hat zu dieser Zunahme der Geschäftslast auch beigetragen. So hat zum Beispiel das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation im öffentlichen Recht punktuell erweitert, wie parlamentarische Vorstösse dies gefordert hatten (vgl. Ziff. 113.1 hiervor). Um Missverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, dass es nicht darum geht, diese Praxis zu kritisieren; doch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das Bundesgericht den Arbeitsanfall durch seine Praxis ein Stück weit selber beeinflussen kann.

Bei den Gründen, die mit der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft zu tun haben, ist vorab die Zunahme der Wohnbevölkerung in der Schweiz zu nennen. Allerdings ist dies nicht der einzige Grund; denn seit Jahren stagniert die Bevölkerungszahl praktisch (Statistisches Jahrbuch der Schweiz, 1984, S. 57). Trotzdem steigt die Geschäftslast der eidgenössischen Gerichte weiter. Es muss daher noch andere Gründe für diese Zunahme geben.

759

Unter anderem ist hier die technische Entwicklung - zusammen mit der Steigerung des allgemeinen Wohlstandes - zu nennen.

Dass zum Beispiel die Zahl der Motorfahrzeuge und die Dichte des Strassenverkehrs zugenommen haben, blieb nicht ohne Folgen: Aus Unfällen etwa entwickeln sich oft langwierige Rechtsstreitigkeiten, welche die Gerichte belasten.

Schliesslich ist ein Umstand zu erwähnen, der weniger offen zutage tritt als andere Gründe, aber kaum leichter wiegen dürfte. Gemeint ist die veränderte Haltung des Bürgers gegenüber dem Gemeinwesen. Das Gemeinwesen ]eistet heute mehr für den Bürger, greift aber auch in vielen Bereichen stärker ein als früher. Konflikte zwischen Bürger und Gemeinwesen nehmen daher zu. Sozusagen als Gegengewicht zur stärkeren Stellung des Gemeinwesens ist der Rechtsschutz ausgebaut worden. Der Bürger weiss das und nutzt diese Möglichkeit, seine Interessen zu wahren, sei dies allein oder mit fremder Hilfe/ beispielsweise eines Rechtsanwaltes. Dass der Bürger heute eher bereit ist, sich mit dem Gemeinwesen rechtlich auseinanderzusetzen, dürfte zur Zunahme der Geschäftslast in der Staatsund Verwaltungsrechtspflege der beiden eidgenössischen Gerichte auch beigetragen haben.

Als bedenklicher Auswuchs wachsender Streitlust ist die starke Zunahme von querulatorischen oder sonst rechtsmissbräuchlichen Eingaben zu werten.

"Die Zahl der Rechtsuchenden, die das Gericht mit querulatorischen und obstruktiven Eingaben überfluten, hat zugenommen; sie handeln vielfach in der Absicht, den ordentlichen Gang des Verfahrens nicht nur zu hindern oder zu verzögern, sondern sogar die Rechtsprechung lahmzulegen. Wenn sich das Gericht je länger je mehr - mit derartigen, im Einzelfall aufwendigen Verfahren befassen muss, stellt dies nicht nur eine durch nichts gerechtfertigte Belastung des Steuerzahlers dar, sondern es folgt daraus vor allem, dass Bürger, die von ihren Rechten in der vom Gesetzgeber verstandenen Art Gebrauch machen.

760

immer länger auf den Rechtsspruch warten müssen. Es scheint daher dringend, dass der Gesetzgeber dem Rechtsmissbrauch im Verfahren begegnet. In das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege ist eine Bestimmung aufzunehmen, die es dem Richter erlaubt, solchen Machenschaften damit entgegenzuwirken, dass offensichtlich rechtsmissbräuchliche Begehren von Gesetzes wegen unbeachtet bleiben. " (Bericht des Schweizerischen Bundesgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 1979, S. 314).

123

Auswirkungen der Ueberlastung

Auf die Auswirkungen der Ueberlastung hat der Bundesrat bereits in früheren Botschaften hingewiesen (BB1 1978 I 1232, Ziff. 2; BB1 1980 I 155, Ziff. 12, und III 763, Ziff. 1; BB1 1983 IV 476, Ziff. 112). Die Ueberlastung droht Rechtsschutz, Rechtssicherheit und Rechtseinheit zu beeinträchtigen.

Der Rechtsschutz wird gefährdet, weil die eidgenössischen Gerichte heute Mühe bekunden, den einzelnen Streitfall in einer angemessenen Frist zu erledigen. Darauf aber hat der Bürger Anspruch, und zwar kraft der Bundesverfassung (Art. 4) wie auch aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art.

6 Ziff. 1; SR O.101). Mit dem Rechtsverzögerungsverbot lässt sich nicht vereinbaren, dass zum Beispiel eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde erst rund dreieinhalb Jahre nach Eingang erledigt wird, ohne dass triftige Gründe eine solche lange Verfahrensdauer rechtfertigen. Die Ueberlastung des Gerichts kann - für sich allein - nicht als solcher Grund anerkannt werden (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13. Juli 1983 in Sachen Zimmermann und Steiner gegen Schweizerische Eidgenossenschaft; Schweizerische Juristen-Zeitung, 1983, S. 327 f.; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 47.15O C; Europäische Grundrechte-Zeitschrift, 1983, S. 482).

761

Der Zeitdruck, unter dem die Bundesrichter arbeiten müssen, beeinträchtigt zwangsläufig auch die Qualität der Rechtspre,chung, ihre Abgeklärtheit, Ausgewogenheit und Folgerichtigkeit. Gerade die höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass der Richter die ihm zur Berichterstattung zugewiesenen und die von den anderen Mitgliedern der Gerichtsabteilung instruierten Geschäfte sehr sorgfältig bearbeitet. Es fällt bei aller Anstrengung naturgemäss schwer, diese Sorgfalt in einem Klima des quantitativen Erledigungszwanges durchzuhalten, schon weil der Zwang zur Quantität die Neigung zu einer punktuellen, auf den Einzelfall ausgerichteten Betrachtungsweise fördert; die grösseren Zusammenhänge kommen leicht zu kurz.

Zudem schafft der Zeitdruck die Gefahr, dass der Referent ein Uebergewicht erlangt, das ihn faktisch in die Nähe des Einzelrichters rückt und sich mit dem gesetzlichen System der gemeinsamen Entscheidungsfindung (Kollegialentscheid) schlecht verträgt.

Diese Folgen machen die Ueberlastung letzten Endes zu einer staatspplitischen Frage. Sie werfen die Frage auf, ob die eidgenössischen Gerichte ihren verfassungsmässigen Auftrag, die Rechtseinheit, die Rechtssicherheit und die Rechtsfortbildung zu gewährleisten, noch anstandslos erfüllen können.

Eine bejahende Antwort liegt nach dem Gesagten nicht mehr ohne weiteres auf der Hand.

762

13

Priorität für die Entlastung der 'Bundesrechtspflege

131

Teilrevision mit Schwerpunkt auf der Entlastung

Dass die Ueberlastung der eidgenössischen Gerichte das Hauptproblem darstellt, berechtigt und verpflichtet dazu, deren Entlastung zurzeit Priorität einzuräumen. Die Entlastung geniesst den Vorrang vor einer Perfektionierung des Rechtsschutzes und vollends vor einer redaktionellen Perfektionierung des Rechtsstoffes, die, soweit wünschbar und möglich, für einen späteren Zeitpunkt auf der Tagesordnung bleiben.

Der vorläufige Verzicht auf dieses Wünschbare zugunsten jenes Notwendigen liegt auch im wohlverstandenen Interesse des echten, auf die eidgenössischen Gerichte angewiesenen Rechtsuchenden. Dieser gewinnt unter dem Strich nichts, wenn er zwar die eidgenössischen Gerichte anrufen kann, aber wegen deren Ueberlastung übermässig lange auf ein Urteil warten muss.

Geht man davon aus, dass Abhilfe gegen die Ueberlastung not tut, so empfiehlt sich eine Selbstbeschränkung auf dieses Ziel, will man es innert nützlicher Frist erreichen. Die Teilrevision soll die eidgenössischen Gerichte befähigen, ihre Aufgaben wieder gründlicher und zügiger zu erfüllen. Bei der staatsrechtlichen Beschwerde ist dies vor allem der Schutz der verfassungsmässigen Rechte der Bürger, bei den ändern Rechsmitteln die Sorge für Rechtsschutz und Rechtseinheit.

Die Expertenkommission hatte allerdings einen Vorentwurf im Sinne einer Totalrevision vorgelegt, jedenfalls in formeller Hinsicht, hat sie doch Sprache und Systematik des Gesetzes weitgehend überarbeitet. In der Sache hingegen handelt es sich um eine Teilrevision. Ueber weite Strecken blieb das geltende Recht materiell unverändert; neu geregelt wurden nur Teilbereiche (gewisse Massnahmen zur Entlastung der eidgenössischen Gerichte und punktuelle Verfeinerungen des Rechtsschutzes). Die ergänzenden Vorschläge des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (Zulassungsverfahren, Schaffung

763

neuer Rekurskommissionen in der Bundesverwaltungsrechtspflege, Postulat Reiniger) änderten daran nichts.

Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens lassen erkennen, dass eine formelle Totalrevision ein schwieriges und zeitraubendes Unternehmen wäre. Sie würde den Zeitplan sprengen.

Dieser sieht vor, dass die Revision spätestens anfangs·1988 in Kraft tritt, weil Ende 1988 die vorübergehenden Massnahmen zur Entlastung des Bundesgerichts (zusätzliche Ersatzrichter) dahinfallen. Die neuen Entlastungsmassnahmen müssen rechtzeitig vor diesem Termin eingeführt werden, da sie sich erst nach einer gewissen Anlaufzeit auswirken werden.

Der knappe Zeitplan zwingt dazu, die Kräfte auf das Hauptziel, nämlich die Entlastung, zu konzentrieren. Dieses Ziel lässt sich mit einer entsprechenden Teilrevision erreichen; eine weitergehende formelle Totalrevision ist dazu nicht erforderlich. Die Umstellung auf eine neue Sprache und Systematik des Gesetzes würde die Gerichte sogar zusätzlich belasten. Das Hauptziel wäre damit in Frage gestellt.

132

Abschreibung parlamentarischer Vorstösse

Diese Teilrevision mit Schwerpunkt auf der Entlastung der eidgenössischen Gerichte dient ausserdem dazu, mehrere liquide Revisionspunkte zu verwirklichen, die sich aus parlamentarischen Vorstössen ergeben und das Verwaltungs- und übrige Verfahren betreffen (vgl. Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1984, S. 171, Ziff. 2a, und S. 178 oben; Ziff. 113.1 hiervor und Ziff. 3 hiernach).

Im Vordergrund steht dabei das Postulat Reiniger. Es befasst sich mit dem landesinternen Vollzug der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (198O P 79.497, Amtl.

Bull. N 1980 1O9). Die Aenderungen, die sich daraus ergeben, betreffen neben anderen Verfahrensgesetzen des Bundes auch das OG; daher rechtfertigt es sich, dieses Postulat in die

764

OG-Revision einzubeziehen, auch wenn es nicht der Entlastung der Bundesrechtspflege dient (vgl. Ziff. 41 hiernach).

Gleiches gilt für die Bundesgesetze über die Bundesstrafrechtspflege und über den Militärstrafprozess, die in weiteren Punkten der Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention bedürfen (vgl. Ziff. 42 hiernach).

2

Mittel und Wege der Entlastung

Im folgenden ist zu prüfen, wie die eidgenössischen Gerichte entlastet werden können, ohne die Zahl der Richter weiter zu vermehren. Ein Patentrezept kann der Bundesrat hierfür nicht empfehlen. Abhilfe ist nur von einem Bündel von Einzelmassnahmen zu erwarten.

Der Bundesrat hat dabei zunächst geprüft, wieweit - ohne untragbare Beeinträchtigung des Rechtsschutzes - geltende Grenzen enger gezogen oder allenfalls neue Schranken errichtet werden können, die den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten hindern oder erschweren. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Annahmeverfahren, das neu eingeführt werden soll. Dieses wird es den eidgenössischen Gerichten erlauben, unerhebliche Streitfälle künftig von der Hand zu weisen, ohne sie materiell entscheiden zu müssen (vgl. Ziff. 21 hiernach).

Erfahrungsgemäss hängt der Zustrom von Beschwerden an die letzte Instanz aber auch davon ab, wie das vorangehende Verfahren ausgestaltet ist und welche Rechtsmittel dem Bürger vor dem Weiterzug an die eidgenössischen Gerichte zur Verfügung stehen. Vorgeschaltete Beschwerdeinstanzen haben zumal dann, wenn es sich um richterliche Behörden handelt, eine "Filterwirkung"; sie fangen einen Teil der Beschwerdefälle auf, die sonst an die eidgenössischen Gerichte weitergezogen würden. Deshalb schlägt der Bundesrat vor, in der Bundesverwaltungsrechtspflege die verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auszubauen. Im Bund wären demnach neue Rekurskommissionen für bestimmte Bereiche zu

765

schaffen; die Kantone ihrerseits hätten durchgehend Gerichte oder Rekurskommissionen als letzte kantonale Instanzen zu bezeichnen, soweit dagegen unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (vgl. Ziff. 22 hiernach).

Schliesslich schlägt der Bundesrat vor, das Entscheidverfahren dort zu vereinfachen, wo sich dies verantworten lässt. In diesem Sinne soll zum Beispiel das vereinfachte Verfahren erweitert werden (vgl. Ziff. 23 hiernach).

Dieses Entlastungskonzept, das zur Hauptsache an Verfahren und Aufbau der Bundesrechtspflege ansetzt, soll durch flankierende Massnahmen personeller Art verstärkt werden (vgl.

Ziff. 24 hiernach). Diese zielen vor allem darauf ab, den wissenschaftlichen und administrativen Unter- und Mittelbau der eidgenössischen Gerichte (Urteilsredaktoren, Dokumentationsdienst, Kanzleidienst) zu verbreitern.

21

Erschwerungen und Beschränkungen des Zugangs zu den eidgenössischen Gerichten

211

Einführung des Annahmeverfahrens

Das Annahmeverfahren ist im geltenden Recht nirgends vorgesehen - im Unterschied zu den ändern Beschränkungen und Erschwerungen des Zugangs. Diese sind zumindest im Kern bereits vorhanden wie zum Beispiel die Streitwertgrenzen für die Zivilrechtspflege .

211.1

Regelungen im Ausland

In ausländischen Staaten wird der starke Zustrom von Beschwerden an die obersten Gerichte teilweise durch ein Annahmeverfahren eingedämmt. Diese Gerichte sind befugt, nur auf jene Streitfälle einzutreten, die nach freiem Ermessen oder

766

nach bestimmten gesetzlichen Kriterien als erheblich erscheinen; alle übrigen Fälle werden ohne oder höchstens mit einer ganz kurzen Begründung von der Hand gewiesen. Wenn die obersten Gerichte selber entscheiden, ob ein Streitfall erheblich und daher zum Entscheid in der Sache anzunehmen ist, spricht man von "Annahmeverfahren". Treffen den Entscheid dagegen die Vorinstanzen dieser Gerichte, geht es also um die Bewilligung der Zulassung zu den obersten Gerichten, so handelt es sich um ein "Zulassungsverfahren".

Als Annahmekriterien kommen etwa folgende Gesichtspunkte in Betracht: - die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage; - die Tatsache, dass der angefochtene Entscheid der Vorinstanz von der Rechtsprechung des höchsten Gerichts abweicht; - die grosse Bedeutung des Falles für die beteiligten Parteien; die Schwere des verursachten Unrechts; - ein streitentscheidender Verfahrensfehler.

Die Annahmekriterien werden von Land zu Land sehr unterschiedlich umschrieben und gehandhabt (Bericht der Expertenkommission, S. 32 ff.): Der Supreme Court der Vereinigten Staaten entscheidet beim "writ of certiorari" nach seinem Ermessen ohne Bindung an feste Selektionsregeln ("special and important reasons"). Die Entscheidungen über die Versagung oder Bewilligung der Zulassung werden im allgemeinen nicht begründet (höchstens mit kurzen formelhaften Hinweisen). Zugelassen werden etwa IO bis 15 Prozent aller Begehren (vgl. Haller Walter, Supreme Court und Politik in den USA, Bern 1972, S. 105 ff.).

Für das deutsche Bundesverfassungsgericht gilt gemäss § 93a_ des Bundesverfassüngsgerichtsgesetzes folgendes Annahmeverfahr en !

767

1. Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

2. Ein aus drei Richtern bestehender Ausschuss, der von dem zuständigen Senat für die Dauer eines Geschäftsjahres berufen wird, prüft die Verfassungsbeschwerde vor. Jeder Senat kann mehrere Ausschüsse berufen.

3. Der Ausschuss kann durch einstimmigen Beschluss die Annahme der. Verfassungsbeschwerde ablehnen, wenn sie unzulässig ist oder aus anderen Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

4. Hat der Ausschuss die Annahme nicht abgelehnt, so entscheidet der Senat über die Annahme. Er nimmt die Verfassungsbeschwerde an, wenn mindestens zwei Richter der Auffassung sind, dass von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage zu erwarten ist oder dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entsteht.

5. Die Entscheidungen des Ausschusses oder des Senats ergehen ohne mündliche Verhandlung und brauchen nicht begründet zu werden. Der Beschluss, durch den die Annahme der Verfassungsbeschwerde abgelehnt wird, wird dem Beschwerdeführer vom Ausschuss oder vom Vorsitzenden des Senats unter Hinweis auf den für die Ablehnung nach Absatz 3 oder 4 massgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt mitgeteilt.

Bei den ändern obersten deutschen Gerichten bestehen ebenfalls Zulassungsbeschränkungen, und zwar insbesondere in Form des Zulassungsverfahrens. Dies gilt für den Bundesfinanzhof, für das Bundesverwaltungsgericht und für den Bundesgerichtshof, der Zivil- und Strafsachen beurteilt.

Schweden kennt für das letztinstanzliche Verwaltungsgericht (Regierungsgericht) folgende Beschränkung (Bericht der Expertenkommission, S. 33): Die Beschwerde ist zuzulassen, 1. wenn es für die Leitung der Rechtsanwendung von Bedeutung ist, dass die Frage vom Regierungsgericht geprüft wird,

768

wenn besondere Gründe für eine solche Prüfung sprechen, wie etwa, dass ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegt oder die Entscheidung des Kanunergerichts offenbar auf einem groben Versehen oder einem groben Fehler beruht .

211.2

Haltung der Expertenkommission

Die Expertenkommission hat sich einlässlich mit dem Annahmeverfahren (Zulassungsverfahren) auseinandergesetzt (Bericht, S. 31 ff.). Sie ist zum Schluss gekommen, ein Annahmeverfahren nicht vorzuschlagen, und zwar aus folgenden Gründen: - Der schweizerischen Rechtstradition ist das Annahmeverfahren fremd. Ein solcher Bruch mit dem herkömmlichen Verständnis der bundesrechtlichen Rechtsmittel drängt sich auch in der heutigen Lage nicht auf.

- Es erscheint zweifelhaft, ob ein Annahmeverfahren bei der staatsrechtlichen Beschwerde mit Artikel 113 Ziffer 3 der Bundesverfassung vereinbar ist.

- Wenn ein Annahmeverfahren lediglich zur Folge hätte, dass ausgesprochene Bagatellfalle von der Hand gewiesen werden könnten, so brächte dies keine echte Entlastung; denn solche Fälle belasten die eidgenössischen Gerichte nicht stark.

211.3

Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes

Trotz dieser Bedenken der Expertenkommission hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Zustimmung des Bundesrates das Annahmeverfahren aufgegriffen und in den interessierten Kreisen zur Diskussion gestellt.

Gelegenheit dazu bot das Vernehmlassungsverfahren, das 1983 über den Vorentwurf der Expertenkommission durchgeführt wurde. Das Depar-

3l

Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd.II

769

tement liess sich dabei vom Bestreben leiten, das Vernehmlassungsverfahren von den Entlastungsmassnahmen her möglichst breit anzulegen. In den Grundzügen lässt sich der Vorschlag des Departements wie folgt umreissen 1982) :

(Vorentwurf EJPD Nov.

- Präsentiert wurden zwei Varianten. Sie unterscheiden sich darin, dass im einen Fall (Variante 1) die Vorinstanz als erste (aber nicht einzige) Instanz, im ändern Fall (Variante 2) die eidgenössischen Gerichte allein über die Annahme entscheiden. Variante l ist im Grunde ein Zulassungsverfahren, Variante 2 entspricht dem Typ des Annahmeverfahrens.

- Beiden Varianten ist gemeinsam, dass sie nur für ordentliche Rechtsmittel wie namentlich die zivilrechtliche Berufung und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gelten; ausserordentliche Rechtsmittel wie die staatsrechtliche Beschwerde sind vom Annahmeverfahren ausgenommen.

- Das Verfahren spielt nur dort, wo vor den eidgenössischen Gerichten richterliche Vorinstanzen des Bundes oder der Kantone entscheiden.

- Als Annahmekriterium anerkannt werden nur Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.

211.4

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren stiess das vorgeschlagene Annahmeverfahren auf starken Widerstand. Aus der Sicht der Gegner ist es mit der schweizerischen Rechtstradition nicht vereinbar. Der Entscheid über die Annahme eines Streitfalles räumt dem Richter ein zu grosses Ermessen ein. Zudem erfordern die Abklärungen über die Annahme einen Arbeitsaufwand, der besser für die Lösung der aufgeworfenen materiellen Fragen eingesetzt würde.

770

Mehrere Vernehmlasser, darunter die beiden eidgenössischen Gerichte, sprechen sich aber für die Einführung eines Annahmeverfahrens aus. Einige verlangen sogar, dass nicht nur die ordentlichen Rechtsmittel, sondern auch die staatsrechtliche Beschwerde diesem Verfahren unterliegen sollen; das Bundesgericht ist gerade in diesem Bereich am meisten überlastet.

Andere Teilnehmer würden ein Annahmeverfahren ebenfalls befürworten, aber erst dann, wenn die Ueberlastung der eidgenössischen Gerichte nicht mit ändern Mitteln behoben werden kann. Sie sind mehrheitlich der Ansicht, dass sich im heutigen Zeitpunkt andere Lösungen finden lassen und sich deshalb eine derart einschneidende Massnahme nicht aufdrängt.

211.5

Gründe für das Annahmeverfahren

Trotz dieses Widerstandes hat sich der Bundesrat entschlossen, dem Parlament das Annahmeverfahren vorzulegen. Dies aus folgenden Gründen: - Das Parlament selber verlangt vom Bundesrat, es seien ihm mit der OG-Revision Zulassungsbeschränkungen zu unterbreiten. Mit der Motion vom 4. März 1981 (81.315) fordert das Parlament den Bundesrat auf, die nötigen Gesetzesänderungen vorzulegen, um den Weiterzug an die eidgenössischen Gerichte einzuschränken und damit diese Gerichte wirksam und dauernd zu entlasten und aufzuwerten, ohne jedoch berechtigte Rechtsschutzinteressen des Bürgers zu beeinträchtigen (Amtl. Bull. N 1981 69 f., S 1981 307). Unter den Zulassungsbeschränkungen, die in Betracht fallen, steht das Annahmeverfahren ganz eindeutig im Vordergrund. Zu wiederholten Malen - letztmals bei der Beratung der Vorlage über eine vorübergehende Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts - haben sich Parlamentarier für Zulassungsbeschränkungen ausgesprochen (vgl. Amtl. Bull. N 1984 9 f., S 1984 122 f. ) .

771

Das Annahmeverfahren kann die eidgenössischen Gerichte wirksam und nachhaltig entlasten. Zwar lässt sich diese Voraussage nicht auf eigene Erfahrungen stützen; denn in der Schweiz ist ein Annahmeverfahren bisher in keiner Form verwirklicht. Nach den Erfahrungen, die im Ausland damit gesammelt werden, gehört das Annahmeverfahren jedoch vermutlich zu den wirksamsten Zulassungsbeschränkungen (Grisel André, La surcharge des Cours suprêmes et les moyens d'y remédier, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 1978, S. 381 f.). Es wird den eidgenössischen Gerichten obliegen, das Annahmeverfahren und die ändern Entlastungsmassnahmen, welche die OG-Revision bringt, so zu handhaben und sich auch sonst so zu organisieren, dass sie mit dem Geschäftsanfall fertig werden.

Das Annahmeverfahren wird es den Gerichten erlauben, unerhebliche Streitfälle Künftig nicht mehr anhand nehmen zu müssen, also die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Gerichte werden jene Fälle gründlicher und schneller entscheiden können, die der gerichtlichen Prüfung würdig sind. Das liegt im Interesse des echten, auf die eidgenössischen Gerichte angewiesenen Rechtsuchenden.

Dies wird es den Gerichten zudem gestatten, sich neben dem Rechtsschutz des Bürgers wieder stärker ihrer ändern Hauptaufgabe zuzuwenden, nämlich über die einheitliche und richtige Rechtsanwendung zu wachen sowie das Recht in wichtigen Fragen fortzubilden.

Das Annahmeverfahren beschneidet den Rechtsschutz des Bürgers nicht über Gebühr. Die Rechtsschutzgarantie bleibt dem Bürger nämlich in jedem Fall gewahrt, weil das Annahraeverfahren nur dort Platz greift, wo vor den eidgenössischen Gerichten richterliche Vorinstanzen entscheiden.

Das Annahmeverfahren stärkt die Stellung und Verantwortung der obersten richterlichen Behörden der Kantone; denn sie werden künftig häufiger als heute Streitfälle endgültig zu

772

entscheiden haben, dann nämlich, wenn das Bundesgericht oder das Eidgenössische Versicherungsgericht die Annahme verweigert. Dies liegt durchaus im Sinne, einer richtig verstandenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen; Rechtsprechung - Rechtsschutz überhaupt - ist nicht allein Sache des Bundes. Nach den Erfahrungen in der Zivilrechtspflege, wo schon heute mit der Streitwertgrenze eine Zulassungsbeschränkung für die Berufung besteht, lässt sich dieses Vertrauen in die kantonale Rechtspflege durchaus rechtfertigen.

211.6

Vorschlag des Bundesrates

Vom Vorentwurf vom November 1982, der ins Vernehmlassungsverfahren geschickt wurde, weicht der Bundesrat in verschiedenen wesentlichen Punkten ab. Er trägt damit einerseits dem Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Rechnung; anderseits berücksichtigt er damit auch die Erkenntnisse, die das Bundesamt für Justiz aus verfassungsrechtlicher Sicht gewonnen hat (vgl. Ziff. 211.7 hiernach). In den Grundzügen lässt sich der Vorschlag des Bundesrates wie folgt skizzieren (Art. 36^, 36b, 36£ QG-Entwurf): - Gegenüber dem Vorentwurf EJPD vom November 1982 sind die Annahmegründe weiter gefasst. Nach dem Entwurf des Bundesrates ist eine Streitsache erheblich und wird vom Bundesgericht oder vom Eidgenössischen Versicherungsgericht angenommen und materiell geprüft, wenn: a. sie eine Rechtsfrage aufwirft, die das Gericht noch nicht beurteilt hat oder die erneuter Prüfung bedarf; b. der angefochtene Entscheid von der Rechtsprechung des Gerichts abweicht; c. in einer Verwaltungsgerichts- oder staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen gerügt wird, soweit der Beschwerdeführer diese Rüge im Verfahren der Vorinstanz nicht vorbringen konnte oder die Vorinstanz sie nicht geprüft hat;

773

d. für Parteien und Beteiligte ein schwerwiegender Nachteil zu erwarten ist, falls das Gericht nicht in der Sache entscheidet.

Ueber die Annahme entscheidet das im Streitfall angerufene eidgenössische Gericht. Die Vorinstanzen dieses Gerichts haben mit diesem Entscheid somit nichts zu tun. In diesem Sinne handelt es sich beim Vorschlag des Bundesrates nicht um ein eigentliches Zulassungsverfahren, sondern um ein Annahmeverfahren .

Zu Besetzung und Verfahren des Gerichts gilt folgendes: Die Besetzung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (Art. 15 OG-Entwurf). Grundsätzlich entscheiden also drei Richter über die Annahme, in Ausnahmefällen fünf oder sieben Richter. Bei Dreierbesetzung ist das vereinfachte Verfahren zu beschreiten, wenn die zuständige Abteilung einstimmig auf ein Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache nicht eintritt, also die Annahme verweigert. Annahmeverfahren und vereinfachtes Verfahren decken sich allerdings nicht; das Annahmeverfahren ist letzten Endes nur ein neuer Anwendungsfall des vereinfachten Verfahrens, das gegenüber dem geltenden Recht erweitert wird (vgl. Ziff. 232 hiernach).

Dem Annahmeverfahren unterstehen folgende Rechtsmittel: zivilrechtliche Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde, Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde. Die staatsrechtliche Beschwerde hatte im Vorentwurf EJPD vom November 1982 noch gefehlt. In diesem Bereich aber ist das Bundesgericht weitaus am stärksten belastet. So zählte man im Jahr 1984 von den 3997 Eingängen 1663 staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. l Bst. a OG; Bericht des Bundesgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 1984, S. 369). Daher ist es unabdingbar, das Bundesgericht gerade bei der staatsrechtlichen Beschwerde zu entlasten und es mittels des Annahme-

774

Verfahrens von der Pflicht zu befreien, unerhebliche Streitfälle zu prüfen. Insbesondere soll das Annahmeverfah-ren erlauben, einen Teil der sogenannten "Willkürbeschwerden" (Art. 4 BV), die kantonales Recht betreffen, auf diesem Weg zu erledigen. Würde die staatsrechtliche Beschwerde vom Annahmeverfahren ausgenommen, so würden zudem viele Beschwerdeführer das Annahmeverfahren bei den ändern Rechtsmitteln umgehen, indem sie auf die staatsrechtliche Beschwerde ausweichen (vgl. Dubs Hans, Beschränkungen der Rechtsmittel, in: Mélanges André Grisel, Neuenburg 1983, S.

683). Der Andrang zur staatsrechtlichen Beschwerde würde dadurch noch weiter steigen; was durch das Annahmeverfahren bei den ändern Rechtmitteln gewonnen würde, ginge bei der staatsrechtlichen Beschwerde wieder verloren. Das Bundesgericht würde daher im Ergebnis nicht wirklich entlastet.

Aus diesen Gründen unterstellt der Bundesrat auch die staatsrechtliche Beschwerde dem Annahmeverfahren. Es versteht sich, dass er dabei die Grenzen beachtet, welche die Bundesverfassung dem Annahmeverfahren setzt (vgl. Ziff.

211.7 hiernach).

Nicht unter das Annahmeverfahren fallen dagegen die übrigen Rechtsmittel, die dem Bürger .für den Weg an die eidgenössischen Gerichte zur Verfügung stehen. Es sind dies der Rekurs in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, die Revision und die Erläuterung (Art. 78 ff. und 136 ff. OG). Der Rekurs in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wird deshalb nicht dem Annahmeverfahren unterstellt, weil das Bundesgericht hier eine Sonderstellung einnimmt. Im unterschied zu den ändern Rechtsgebieten, wo das Bundesgericht nur auf Rechtsmittel oder Klage hin tätig wird, ist es Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen (Art. 15 Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz; SR 281.1) . Mit dieser Aufgabe wäre es nur schwer zu vereinbaren, wenn Einzelfälle aufgrund des Annahmeverfahrens der Kontrolle der Aufsichtsbehörde entzogen würden.

775

Die direkten Prozesse unterstehen ebenfalls nicht dem Annahmeverfahren; dazu gehören die zivilrechtliche Klage sowie die staatsrechtliche und die verwaltungsrechtliche Klage (Art. 41 f., 83 und 116 OG, mit Aenderungen im Sinne des Entwurfs).

Das Annahmeverfahren spielt nur dort, wo vor den eidgenössischen Gerichten richterliche Behörden entscheiden. Dies vor allem aus zwei Gründen: Einmal verleiht die Europäische Menschenrechtskonvention dem Bürger in bestimmten Fällen den Anspruch, dass seine Sache von einem unabhängigen Gericht beurteilt wird; dies gilt namentlich für zivilrechtliche Ansprüche und für strafrechtliche Anklagen (Art. 6 Ziff. l der Konvention; SR 0.1O1) . Wenn das, Bundesgericht in solchen Fällen ein Rechtsmittel nicht annimmt und somit den Streitfall in der Sache nicht beurteilt, so folgt aus jener Garantie, dass zumindest die Vorinstanz des Bundesgerichts eine richterliche ,Behörde sein muss. Sodann erachtet der Bundesrat es auch in den ändern Fällen aus rechtsstaatlichen Gründen als richtig, dem Bürger nach wie vor mindestens eine richterliche Instanz zu sichern. Die Rechtsschutzgarantie bleibt dem Bürger somit auch unter dem Annahmeverfahren gewahrt i Das Annahmeverfahren wird die eidgenössischen Gerichte dann am wirksamsten entlasten, wenn möglichst alle Entscheide, die an diese weitergezogen werden, von richterlichen Vorinstanzen ausgehen. Folgerichtig ist zu fordern, dass diese richterlichen Vorinstanzen ausgebaut werden.

Dies gilt insbesondere für die Bundesverwaltungsrechtspflege . Deshalb schlägt der Bundesrat vor, im Bund neue Spezialrekurskommissionen zu schaffen. Die Kantone ihrerseits wären zu verpflichten, verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanzen einzurichten für jene Fälle, die in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an ein eidgenössisches Gericht unterliegen (vgl. Ziff. 224 hiernach).

776

211.7

Verfassungsmässigkeit des Annahmeverfahrens

Wie das Annahmeverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beurteilen ist, hat das Bundesamt für Justiz einlässlich untersucht. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 7. Sept.

1984 zur Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, Heft 49.36).

211.71

Zivilrechtliche Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde, Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Verwaltungsgerichtsbeschwerde

Ob und wieweit der Gesetzgeber den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten durch ein Annahmeverfahren beschränken darf, wird in der Bundesverfassung (BV) nicht für alle Rechtsmittel gleich beantwortet. Zu unterscheiden sind einerseits die zivilrechtliche Berufung, die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und anderseits die staatsrechtliche Beschwerde. (Zur zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde fehlt eine gutachtliche Aeusserung des Bundesamtes für Justiz, weil dieses Rechtsmittel erst später dem Annahmeverfahren unterstellt wurde. Was im folgenden für die zivilrechtliche Berufung gesagt wird, dürfte sinngemäss jedoch auch für die Nichtigkeitsbeschwerde gelten.)

Bei der zivilrechtlichen Berufung verhält es sich wie folgt: Nach dem Wortlaut von Artikel 114 BV ist der Gesetzgeber frei, welche Fälle er dem Bundesgericht übertragen will, damit dieses die einheitliche Anwendung des Bundeszivilrechts (Art. 64 BV) kontrollieren kann. Er ist also verfassungsrechtlich keineswegs gehalten, für diese Rechtskontrolle umfassend Rechtsmittel gegen die kantonalen Gerichte zur Verfügung zu stellen. Zugangsbeschränkungen für die Berufung gibt es bereits heute verschiedene:

777

So wird die Berufung gegen Entscheide unterer kantonaler Gerichte weitgehend ausgeschlossen, wenn sie als einzige Instanz entschieden haben (Art. 48 Abs. 2 Bst. b OG); in Zivilsachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit ist die Berufung nur in den Fällen von Artikel 44 OG zulässig; in einem gewissen Sinne wird der Zugang zum Gericht auch dadurch beschränkt, dass das Bundesgericht auf Berufung hin grundsätzlich nur Rechtsfragen, nicht auch Tatfragen prüft (Art. 43 OG). Eine Hürde bildet schliesslich die Berufungssumme, die vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeiten grundsätzlich von der Berufung ausschliesst, wenn sie den Streitwert von 8OOO Franken oder neu 3O'OOO Franken nicht erreichen (Art. 46 OG mit Aenderung im Sinne des Entwurfs).

Wenn aber der Gesetzgeber für bestimmte Gegenstände die Berufung ganz ausschliessen kann, darf es ihm grundsätzlich nicht verwehrt sein, diese - statt ganz auszuschliessen - nur für Fälle zuzulassen, die nach bestimmten Kriterien umschrieben werden. Solche Kriterien stellt das Annahmeverfahren auf.

Dieses ist daher aus der Sicht von Artikel 114 BV nicht zu beanstanden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen stützt sich wie die Berufung auf Artikel 114 BV; was dort ausgeführt wurde, gilt grundsätzlich auch für die Ueberprüfung des Bundesstrafrechts (Art. 64bis BV) . Dem Gesetzgeber ist es demnach nicht verwehrt, die Nichtigkeitsbeschwerde nur in Fällen zuzulassen, die bestimmte Kriterien erfüllen, wie das Annahmeverfahren sie umschreibt.

Bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde fallen die Artikel 1O3 Absatz 3 und Artikel 114bis Absatz l BV in Betracht. Danach bezeichnet der Gesetzgeber jene Fälle, die an das Bundesgericht oder an "das eidgenössische Verwaltungsgericht" gezogen werden können. Der Gesetzgeber ist frei, wie er die dem Gericht zugewiesenen Gegenstände bestimmt (Enumerationsmethode oder Generalklausel mit Ausnahmen); dies gilt auch für die formellen Voraussetzungen der Beschwerden (wie zum Beispiel

778

für die Beschwerdelegitimation oder für die zulässigen Beschwerdegründe) . Das geltende OG grenzt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ferner nach Materien und nach Vorinstanzen ab. Nichts steht entgegen, eine weitere Abgrenzung nach der "Bedeutung" oder "Erheblichkeit" des Streitgegenstandes einzuführen, die im Einzelfall mittels des Annahmeverfahrens vorzunehmen ist; die Abgrenzungskriterien müssen als solche freilich verfassungsrechtlich haltbar sein.

Soweit bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die Anwendung des Bundesverwaltungsrechts zu überprüfen ist, fehlt eine allgemeine Rechtsschutzgarantie, wie Artikel 113 Absatz l Ziffer 3 BV sie für die staatsrechtliche Beschwerde begründet. Anders verhält es sich jedoch dort, wo die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch die Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde erfüllt (Einheitsbeschwerde); das ist dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer rügt, eine kantonale Verfügung, die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützt, verletze verfassungsmässige Rechte. In diesen Fällen ist die erwähnte Rechtsschutzgarantie zu beachten. Davon wird bei der staatsrechtlichen Beschwerde die Rede sein.

Aus diesen Ueberlegungen folgt, dass der Bundesgesetzgeber für die vorgenannten Rechtsmittel Zulassungsbeschränkungen vorsehen kann. Zulässig sind Zugangsbeschränkungen: - nach Vorinstanzen, - nach Materien, - nach Legitimation, - nach Kognition (Beschränkung der zulässigen Rügen), - nach Streitwert, - nach Art des Streitgegenstandes.

Wenn der Gesetzgeber dergestalt den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten einschränken und für bestimmte Gegenstände ganz ausschliessen kann, verstösst es auch nicht gegen Artikel 1O3 und 106 ff. BV, eine weitere Zulassungsbeschränkung vorzusehen, die von der Erheblichkeit des einzelnen Falles abhängt.

77,9

Im folgenden ist für die vorgenannten Rechtsmittel weiter zu untersuchen, ob einer solchen Beschränkung allenfalls andere Verfassungsbestimmungen entgegenstehen und welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regelung eines Annahmeverfahrens zu stellen sind.

Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 58 Abs., l BV): Artikel 58 BV enthält keine allgemeine Justiz-; und Rechtsweggarantie (Burckhardt Walther, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage, Bern 1931, S. 533; Beyeler Erwin, Das Recht auf den verfassungsmässigen Richter als Problem der Gesetzgebung, Diss. Zürich 1978, S. 38). Die Bestimmung begründet aber die Garantie des gesetzlich zuständigen Richters, das heisst die Garantie einer durch Rechtssatz festgelegten Gerichtsordnung (Beyeler Erwin, a.a.O., S.

24 ff.; Müller Jörg P., Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, 197O, S. 249 ff., insbesondere S. 252 ff.).

Die Literatur leitet daraus ab, dass der zuständige Richter für jeden denkbaren Streitfall so eindeutig wie möglich durch Rechtssatz bestimmbar sein muss. Diesem Erfordernis entspricht Artikel 36b OG-Entwurf. Dass das Annahmekriterium des schwerwiegenden Nachteils (Art. 36b Bst. d OG-Entwurf) dem Bundesgericht einen gewissen Spielraum lässt, sprengt den Rahmen nicht, den Artikel 58 Absatz l BV zieht.

Die Annahmekriterien müssen weiter mit dem Gleichbehandlungsgebot und mit dem Willkürverbot (Art. 4 BV) vereinbar sein.

Es muss sich also sachlich rechtfertigen lassen, den bundesgerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren oder zu versagen, je nachdem, ob die Annahmekriterien von Artikel 36b OG-Entwurf erfüllt sind oder nicht. Das ist zu bejahen: Die Annahmekriterien, welche die erheblichen Fälle umschreiben und damit namentlich Bagatellfalle vom Gericht ausschliessen, hängen nicht allein von der grundsätzlichen Bedeutung des Falles ab (neue oder erneuter Prüfung bedürftige Rechtsfrage, Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichts). Sie berücksichtigen daneben auch das individuelle Rechtsschutzbedürfnis

780

des Bürgers (Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen, schwerwiegender Nachteil.) .

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Annahmeverfahren bei der zivilrechtlichen Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde, bei der Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen und bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der Bundesverfassung vereinbar ist.

211.72

Staatsrechtliche Beschwerde

Die Bundesverfassung formuliert bei der staatsrechtlichen Beschwerde anders als bei den vorgenannten Rechtsmitteln, was die Rolle des Gesetzgebers angeht. Artikel 113 Absatz l BV lautet: "Das Bundesgericht urteilt über Beschwerden betreffend Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger sowie über solche von Privaten wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen." Vom Gesetzgeber ist hier nicht die Rede - im Unterschied zu den Artikeln 114 und 114bis Absatz l BV; dort überträgt die Bundesverfassung es dem Gesetzgeber, jene Fälle zu bestimmen, die der zivilrechtlichen Berufung, der strafrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen.

Wegen dieses Unterschiedes ist für die staatsrechtliche Beschwerde gesondert zu prüfen, ob das Annahmeverfahren mit der Bundesverfassung vereinbar ist.

211.721

Inhalt der Garantie von Artikel 113 BV

Heute ist man sich einig, dass Artikel 113 BV den Zugang zum Bundesgericht gewährleistet, wenn es um den Schutz verfassungsmässiger Rechte geht (Kälin Walter, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 30 f.). Ausgenommen sind einzig die sogenannten Administrativstreitigkeiten, die anstelle des Bundesgerichts vom Bundesrat zu ent-

781

scheiden sind und an die Bundesversammlung weitergezogen werden können (Art. 113 Abs. 2, 102 Ziff. 2 und 85 Ziff. 12 BV; Art. 79 Abs. l VwVG). Diese Streitigkeiten spielen heute jedoch praktisch keine grosse Rolle mehr. Es ist zu prüfen, ob und wieweit der Zugang zum Bundesgericht beschränkt werden kann, ohne dafür mittels der Administrativstreitigkeit einen Rechtsweg an Bundesrat und Bundesversammlung zu öffnen.

Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Literatur lassen erkennen, dass Artikel 113 BV sowohl eine Rechtsweggarantie wie auch eine Rechtsschutzgarantie enthält. Rechtsweggarantie meint die Beurteilung durch eine Bundesinstanz, praktisch immer durch das Bundesgericht. Rechtsschutzgarantie gewährt eine Beurteilung durch eine richterliche Instanz, welche die gesamte Tätigkeit der Kantone auf die Vereinbarkeit mit den verfassungsmässigen Rechten überprüft.

Ob das Annahmeverfahren verfassungsmässig ist, hängt entscheidend davon ab, welchen Gestaltungsspielraum die Bundesverfassung dem Gesetzgeber noch lässt. Damit ist die Frage nach Umfang und Grenzen der Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie gestellt.

211.722

Schranken der Garantie von Artikel 113 >BV

Der Zugang zum Verfassungsgericht ist nie schrankenlos gewesen. Der Gesetzgeber und vor allem auch die Praxis des Bundesgerichts haben materielle und verfahrensrechtliche Schranken errichtet, die von erheblicher Tragweite sind.

Als verfahrerisrechtliche Einschränkungen fallen in Betracht: - Die Beschwerdefrist (Art. 89 OG, mit weiteren Einengungen in der Praxis, etwa durch Verwirkung der Beschwerdemöglichkeit oder durch Ausschluss der Beschwerde erst gegen Vollzugsakte) .

782

- Die Beschwerdelegitimation (Art. 88 OG); praktisch von Bedeutung ist etwa die Beschränkung bei einer angeblich rechtswidrigen Begünstigung Dritter (vgl, BGE 1O9 la 252 ff.)/ die Abgrenzung gegen die Popularbeschwerde (ungenügend sind sowohl rein tatsächliche Interessen wie auch nur öffentliche Interessen, BGE 108 la 283) oder der Ausschluss von Beschwerden von Behörden (namentlich BGE 108 la 284).

- Summarisches Verfahren bei offensichtlich begründeten oder unbegründeten Beschwerden (Art. 92 OG).

- Beschränkung betreffend Anfechtungsobjekt, Bindung an die Anträge des Beschwerdeführers sowie an die vorgebrachten Beschwerdegründe, Beschränkung auf die blosse Kassation, Subsidiarität zu den kantonalen und ändern Bundesrechtsmitteln (Art. 84 Abs. 2 und 86 OG).

Stärker ins Gewicht fallen wohl die Beschränkungen in der materiellrechtlichen Ueberprüfung von Verfassungsverletzungen, die sich das Bundesgericht auferlegt: - Das Bundesgericht hat insbesondere eine reiche Palette von Kognitionsbeschränkungen entwickelt, so zum Beispiel bei der Ueberprüfung des Sachverhalts, bei leichten Eingriffen in Grundrechte, bei der Auslegung kantonalen Verfassungsrechts, durch eine verfassungskonforme Auslegung der angefochtenen kantonalen Erlasse, durch Zurückhaltung mangels Justiziabilität ("politische Fragen", besondere örtliche oder persönliche Verhältnisse, sogenannte Ermessensfragen, technische Fragen).

- Das Bundesgericht umschrieb sodann in weitgehend freier Rechtsfindung, was ein verfassungsmässiges Recht der Bürger ist und was nicht. Schon früh hat das Bundesgericht aus Justizgrundsätzen (Art. 58, 59 BV, die aus Art. 4, abgeleiteten Garantien) sowie aus bundesstaatlichen Zuständigkeitsregelungen (Art. 61, 43 Abs. 4 und 60, 46 Abs. 2, Art.

2 Uebergangsbestimmungen BV) verfassungsmässige Rechte ab-

783

geleitet. Es hat sodann auch wesentliche ungeschriebene Verfassungsrechte (persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit) anerkannt. Gleichzeitig hat es aber auch Grenzen gesetzt (etwa Leistungsansprüche aus Grundrechten abgelehnt, vgl. betreffend Informationsansprüche BGE 1O7 la 3O7 ff.) oder besondere, ungeschriebene Verfassungsrechte nicht anerkannt (keine über die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit hinausgehende Demonstrationsfreiheit, BGE 1OO la 398 ff.) .

Aus diesen vielgestaltigen Einschränkungen lassen sich gewisse Tendenzen ablesen: - Einige mehr formale Einschränkungen dienen der Prozessökonomie .

- Andere sollen die spezifische Funktion des Verfassungsrechts sichern (zum Beispiel verhindern, dass das Bundesgericht zur Superappellationsinstanz wird oder Entscheide treffen muss, die andere Instanzen sachgerechter treffen können).

-

Schliesslich geht es darum, die Verfassungsverletzungen von den blossen Rechtsverletzungen zu scheiden. Unter einer gewissen Bedeutungs- und Betroffenheitsschwelle soll nicht mehr von der Verletzung verfassungsmässiger Rechte gesprochen werden.

Der Gesetzgeber und vor allem das Bundesgericht haben bei der Ausgestaltung des Verfassungsrechtsschutzes einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum in Anspruch genommen. Während sich der Gesetzgeber auf verfahrensrechtliche Vorkehren im Interesse der Prozessökonomie beschränkte, hat das Bundesgericht durch seine Praxis den Verfassungsrechtsschutz in beträchtlichem Ausmass auch materiell gestaltet, und zwar sowohl im Sinne einer Ausdehnung (ungeschriebene Grundrechte) wie auch im Sinne einer Einschränkung (namentlich durch Beschränkung der Kognition).

784

Der Gestaltungsspielraum ergibt sich einerseits aus den Zuständigkeiten ira Organisations- und Verf aiirensrecht, anderseits aus dem relativ offenen Begriff "Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger" (Art. 113 Abs. l Ziff. 3 BV). Es geht dabei darum, die verfassungsmässigen Rechte von den "gewöhnlichen" Rechten zu scheiden, also eine Konzentration auf die wirklichen Verfassungsfragen zu ermöglichen und andere Fragen, die nicht mehr Verfassungsrang beanspruchen können, auszuscheiden.

Es steht dem Bundesgesetzgeber nicht zu, einzelne, vom Bundesgericht anerkannte Grundrechte von der Verfassungsgerichtsbarkeit auszunehmen oder in anderer Weise die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage zu stellen. Aber unterhalb dieser Grenzen kann er an und für sich den gleichen Gestaltungsspielraum ausnützen, den das Bundesgericht für sich beansprucht hat.

Solange sich die Regelung des Annahmeverfahrens in der Grössenordnung jener verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Beschränkungen bewegt, die bereits heute bestehen, kann ihre Verfassungsmässigkeit bejaht werden. Nicht entscheidend ist, welches Instrument eingesetzt wird, um der Prozessökonomie zu dienen und um die verfassungsmässigen Rechte von den übrigen Rechten abzugrenzen. Es kommt einzig auf die Wirkung dieser Instrumente insgesamt an. Falls aber das Annahmeverfahren zu einer Selektion führte, die wesentlich über die heutigen Abgrenzungen hinaus ginge und damit den Schutz der verfassungsmässigen Rechte nicht mehr ausreichend garantieren könnte, wäre die Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie von Artikel 113 BV verletzt. Es geht nun also darum, die vorgeschlagene Regelung auf ihre Auswirkungen hin zu untersuchen.

Entscheidend für die Verfassungsmässigkeit ist das Ausmass der Einschränkungen (kritisch bis ablehnend äussern sich demgegenüber Auer Andreas, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Basel und Frankfurt am Main 1983,'S. 239, und Schibli Peter, Die Möglichkeit der Einführung einer Zulassungsbeschränkung am schweizerischen Bundesgericht nach dem Muster

785

des amerikanischen Certiorari-Verfahrens, Diss. Bern 1984, S.

187) .

211.723

Würdigung des Vorschlags des Bundesrates

Unter diesem Blickwinkel wie folgt zu beurteilen:

ist der Vorschlag des Bundesrates

Zunächst fällt ins Gewicht, dass das Annahmeverfahren nur dann spielt, wenn eine richterliche Behörde als letzte kantonale Instanz entschieden hat (Art. 36c_ OG-Entwurf). Damit wird auch in Zukunft in einer grossen Anzahl von Streitfällen die staatsrechtliche Beschwerde ohne Annahmeverfahren zugelassen, zum Beispiel- gegen Entscheide, die in letzter Instanz von kantonalen Regierungen oder Verwaltungsbehörden ausgehen.

Praktisch bleiben damit wohl meist jene Streitfälle dem Annahmeverfahren entzogen, die innerkantonal als politische und daher als Regierungsangelegenheiten angesehen werden. Auch ein Grossteil der Wahl- und Abstimmungsbeschwerden würde nicht dem Annahmeverfahren unterstellt. Auch für die richtige und vollständige Abklärung des Sachverhaltes dürfte ein Verwaltungsverfahren weniger Sicherheit bieten als ein gerichtliches Verfahren; von dieser Annahme geht jedenfalls Artikel 1O5 Absatz 2 OG aus. Das Erfordernis der richterlichen Vorinstanz wird in den meisten Fällen auch die abstrakte Normenkontrolle (separate Anfechtung kantonaler Erlasse) vom Annahmeverfahren ausschliessen; denn nur in wenigen Kantonen bestehen Verfassungsgerichte, die solche Erlasse im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle überprüfen.

In allen diesen Fällen, die letztinstanzlich von keiner kantonalen richterlichen Behörde beurteilt werden, bleibt es somit beim heutigen Zustand, was die Rechtsschutzgarantie betrifft: Nach wie vor übernimmt hier das Bundesgericht die richterliche Kontrolle kantonaler Verfügungen oder Erlasse; das Annahmeverfahren greift hier nicht Platz. Unter dem Blickwinkel der Rechtsschutzgarantie ist dies sehr wesentlich

786

für die Beurteilung der Frage, ob das Ausmass der Zulassungsbeschränkungen im Annahmeverfahren verfassungsmässig ist.

In jenen Fällen, da letztinstanzlich kantonale richterliche Behörden amten, geht die Rechtsschutzgarantie in einem gewissen Sinne vom Bundesgericht auf die richterlichen Behörden der Kantone über. Diese üben "stellvertretend" für das Bundesgericht die VerfassungsgerichtsbarXeit aus. Sie entscheiden allerdings auch hier nur dann endgültig, wenn das Bundesgericht im Einzelfall die Annahme verweigert und somit die Verfassungsmässigkeit des kantonalen Entscheids nicht prüft.

Die kantonalen richterlichen Behörden gewährleisten die ihnen zugedachte Rechtsschutzgarantie jedoch nur dann, wenn sie die Verfassungsfrage tatsächlich prüfen. Dazu sind jedenfalls die richterlichen Behörden der Kantone berechtigt und verpflichtet (Art. 2 Uebergangsbestimmungen BV; BGE 1O6 la 385 f.; Häfelin/Hailer, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1984, S. 512 f.; Auer Andreas, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Basel und Frankfurt am Main 1983, S. 278 ff.; Schiesser Fridolin, Die akzessorische Prüfung, Diss.

Zürich 1984, S. 157 ff.; Moser Hans Peter, Die akzessorische Normenkontrolle, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 1983, S. 170 f.).

Zu den Annahmekriterien ist aus verfassungsrechtlicher Sicht folgendes zu bemerken: Dass das Gericht einen Fall künftig nicht mehr annehmen muss, der keine neue oder neu zu beurteilende Frage aufwirft (erstes Kriterium), vereinfacht im Grunde lediglich die Begründung des Entscheides und damit den Ablauf des Verfahrens (Prozessökonomie}. Das erscheint als verfassungsrechtlich zulässig. Das zweite Kriterium (Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichts) erlaubt es, die Rechtseinheit in der Verfassungsgerichtsbarkeit auch künftig zu gewährleisten.

Beim dritten Kriterium ist davon auszugehen, das s als wesentliche Verfahrensbestimmungen mindestens jene gelten, die als verfassungsmässige Rechte anerkannt sind; dazu gehören insbe-

787

sondere die aus Artikel 4 BV abgeleiteten Verfahrensgarantien. Der verfassungsrechtliche Schutz wird damit gegenüber heute nicht wesentlich eingeschränkt. Schliesslich zum vierten Kriterium: Wenn ein schwerwiegender Nachteil für Parteien oder Beteiligte zu erwarten ist, besteht immer ein Anspruch auf einen Sachentscheid, ganz gleich, wie der Fall sonst liegt. Hier erscheint das Interesse am Rechtsschutz so stark, dass es den Gedanken der Prozessökonomie zurückdrängt, der das Annahmeverfahren prägt. Das Kriterium erlaubt es dem Bundesgericht, wichtige Fälle weiterhin zu beurteilen, andere Fälle dagegen auszuschliessen. Dies lässt sich noch als gesetzgeberische Interpretation der Abgrenzung der Verfassungsrechtsverletzung von den übrigen Rechtsverletzungen interpretieren.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass das Abnahmeverfahren im Sinne der vorstehenden Erwägungen mit der Bundesverfassung vereinbar ist. Die Schranken, die dieses Verfahren vor dem Zugang zum Bundesgericht errichtet, halten sich in den Grenzen, welche die Bundesverfassung zieht.

211.8

Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Unter dem Blickwinkel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; SR O.101) ist das Annahmeverfahren ebenfalls nicht zu beanstanden und hält insbesondere vor den Artikeln 6 und 13 der Konvention stand (vgl. Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 12. Juli 1984 über die Vereinbarkeit des Annahmeverfahrens mit der EMRK und die dort zitierte Literatur und Judikatur; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, Heft 49.36). Die beiden Bestimmungen verleihen dem Bürger eine Reihe von Verfahrensgarantien (etwa auf Rechtsschutz und Anhörung durch die entscheidende Behörde) sowie den Anspruch auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz.

Das Annahmeverfahren verletzt diese Garantien nicht. Dazu trägt vor allem bei, dass das Annahmeverfahren nur gegen Entscheide richterlicher Vorinstanzen der eidgenössischen Ge-

788

richte spielt; in den übrigen Fällen bleibt der Zugang zu diesen Gerichten im heutigen Umfang offen. Damit wird dem Bürger auch künftig der Weg zum Richter gewährleistet. Ferner versteht es sich, dass die eidgenössischen Gerichte Beschwerden gegen Entscheide annehmen werden, die unter Verletzung von Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention zustandegekommen sind; denn dabei handelt es sich ohne Zweifel um wesentliche Verfahrensbestimmungen (Art. 36b Bst. c OG-Entwurf).

Es wird den Parteien obliegen, in der Begründung der Rechtsmittel die Verletzung solcher Garantien zu rügen und damit die Erheblichkeit der Sache darzutun (Art. 36d OG-Entwurf).

Angesichts der besonderen Tragweite der Europäischen Menschenrechtskonvention werden aber auch die eidgenössischen Gerichte diesen Punkt im Auge behalten.

212

Erhöhung und Ausdehnung der Streitwertgrenzen in der Zivilrechtspflege

212.1

Geltende Regelung

Der Streitwert ist der Wert des Streitgegenstandes, der in einer Geldsumme ausgedrückt wird. Er setzt einen Streitgegenstand voraus, der sich seiner Natur nach in Geld beziffern lässt. Das trifft bei vermögensrechtlichen Ansprüchen zu (Kummer Max, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, Bern 1984, S. 109). In der Zivilrechtspflege müssen solche Ansprüche grundsätzlich einen bestimmten Streitwert erreichen, damit sie dem Bundesgericht vorgelegt werden können.

Dies gilt für direkte Klagen wie auch für kantonale Urteile (vermögensrechtliche ZivilrechtsstreitigKeiten), die mittels Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 41, 42 und 46 OG).

789

212.2

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission hat zur Entlastung des Bundesgerichts dort, wo nach dem geltenden Recht Streitwertgrenzen bestehen, diese grundsätzlich der Geldentwertung angepasst (Art. 68 Abs. l, 69 Abs. l, 71 Abs. l Vorentwurf; Bericht, S. 24 ff.).

Sie hat ferner bei der Berufung die Streitwertgrenzen auf Bereiche ausgedehnt, die dieses Erfordernis heute noch nicht kennen, nämlich auf einen Teil der vermögensrechtlichen Zivilsachen (Art. 73 Vorentwurf).

Weiter hat die Expertenkommission geprüft, ob der Gesetzgeber das Erfordernis des Streitwertes für bestimmte Rechtsgebiete lockern sollte. Es handelt sich dabei um Bereiche, wo im Streitfall der erforderliche Streitwert nach der Natur der Sache nie oder nur selten erreicht wird (Mietrecht, Arbeitsrecht, Abzahlungsvertrag). Dies hat zur Folge, dass Rechtsfragen aus solchen Gebieten dem Bundesgericht nur selten mittels Berufung vorgelegt werden können. Um diese Lücke zu schliessen, wurde wiederholt gefordert, es sei in solchen Fällen vom Erfordernis des Streitwertes abzusehen. Das entspricht auch dem Vorschlag, den Nationalrat Ziegler-Solothurn in seiner Einfachen Anfrage vom 20. März 198O (8O.658) für Arbeitsstreitigkeiten macht.

Die Studienkommission (vgl. Ziff. 113.2 hiervor) hatte eine solche Lösung ins Auge gefasst (Art. 60 ihres Vorentwurfes): Wird der 'erforderliche Streitwert nicht erreicht, ist die Berufung dennoch zulässig, wenn die beurteilte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und die letzte kantonale Instanz die Berufung bewilligt.

Die Expertenkommission hat diesen Vorschlag jedoch verworfen.

Folgende Gründe haben sie dazu veranlasst: - Wenn die kantonalen Instanzen die Berufung bewilligen, so wird jeder Kanton seine eigene Praxis entwickeln. Das führt zu untragbaren Unterschieden. Daher müsste dieser Entscheid dem Bundesgericht übertragen werden. Diesem würde dadurch

790

eine schwer abschätzbare Mehrbelastung erwachsen. Das praktische Bedürfnis für eine Berufung in Grundsatzfragen ist aber nicht derart gross, dass sich dieser Aufwand rechtfertigt.

-

Die geltenden Streitwertgrenzeh erschweren,

aber verhin-

dern die Entwicklung einer bundesgerichtlichen Praxis auf den Gebieten des Mietrechts, des Arbeitsrechts und des Abzahlungsvertrags nicht (vgl. Rechtsprechung der I.

Zivil-

abteilung im Bericht des Bundesgerichts über seine Amtstätigkeit im Jahre 1984, S. 358 f.).

- Die Berufung in Grundsatzfragen wird sich auf das kantonale Zivilprozessrecht

auswirken:

Künftig müssten sämtliche

Entscheide die Erfordernisse erfüllen, die Artikel 51 OG aufstellt; heute dagegen werden Fälle mit geringem Streitwert von den kantonalen Gerichten zum Teil in vereinfachten Verfahren erledigt, die kostengünstiger und rascher als die ordentlichen Verfahren sind.

-

Bei Arbeitsstreitigkeiten

insbesondere

sind die Parteien

- vor allem die Arbeitnehmer - an einer raschen Erledigung besonders stark interessiert. Die Berufung in Grundsatzfragen würde zu einer unerwünschten Verlängerung des Verfahrens führen.

Schliesslich hat die Expertenkommission auch geprüft, ob das Erfordernis

des Streitwerts

nicht auf neue Rechtsgebiete -

zum Beispiel Steuerrecht oder Strafrecht

(Bussen) - ausge-

dehnt werden soll. Sie, lehnt indes eine solche Erweiterung ab; in den Bereichen, die dafür in Frage kämen, stellen sich auch

bei

verhältnismässig

geringen

Streitwerten

häufig

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die vom Bundesgericht zu entscheiden sind.

791

212.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Int Vernehmlassungsverfahren fanden die Anhebung und die Ausdehnung der Streitwertgrenzen bei der zivilrechtlichen Berufung und Klage im allgemeinen positive Aufnahme. Mehrere Vernehmlasser stellten fest, dass die neuen Streitwertgrenzen vor allem bei der Berufung sogar noch etwas höher liegen könnten. Auf der anderen Seite sprach sich eine beträchtliche Anzahl von Teilnehmern für die Durchbrechung der Streitwertgrenzen bei der Berufung aus, damit grundsätzliche Rechtsfragen (beispielsweise im Arbeitsvertrags- und Mietrecht) vom Bundesgericht auch dann entschieden werden können, wenn im Einzelfall der erforderliche Streitwert nicht erreicht wird.

212.4

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat folgt in den Grundzügen den Vorschlägen der Expertenkommission (Art. 41 Abs. l Bst. b und c, 42 Abs. l, 46 OG-Entwurf; Art. 271 Abs. 2 Bundesgesetz-Entwurf über die Bundesstrafrechtspflege, BStP). Dies gilt zunächst für die Erhöhung und Ausdehnung der Streitwertgrenzen. Für die neuen Ansätze bei den Streitwerten lässt sich der Bundesrat von folgenden Kriterien leiten: Einmal ist die Teuerung zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat die Streitwertgrenzen letztmals 1959 neu festgesetzt (BB1 1959 I 17 ff.). Seither ist der Landesindex der Konsumentenpreise um rund 169 Prozent gestiegen (Jahresmittel 1960 1984). Diese Teuerung ist in allen Fällen auszugleichen. Weil die Streitwerte auf längere Sicht kaum mehr erhöht werden dürften, ist dabei ein Stück weit auch bereits die künftige Entwicklung des Landesindexes einzurechnen. In Sonderfällen sodann geht der Bundesrat noch weiter, als dies die Teuerung verlangen würder es sind dies die Fälle, welche das Bundesgericht als einzige Instanz beurteilt (direkte Prozesse in der Zivilrechtspflege). Hier rechtfertigt es sich, die Entlastung des Bundesgerichts stärker zu betonen; in diesem Sinne ist es den Parteien zuzumuten, künftig grundsätzlich den ordentli-

792

chen Weg über die kantonalen Gerichte zu beschreiten statt direkt beim Bundesgericht zu klagen. Der Rechtsschutz des Bürgers wird dadurch nicht geschmälert; statt direkt dem Bundesgericht kann der Streitfall selbstverständlich dem zuständigen kantonalen Gericht vorgelegt und mit Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die kantonalen Gerichte verdienen Vertrauen; es liesse sich sogar überlegen, die Fälle dieser direkten Prozesse ausnahmslos über die kantonalen Gerichte zu leiten, wenn nicht Artikel 110 der Bundesverfassung dem entgegen stünde.

Aufgrund dieser Kriterien Streitwerte wie folgt fest:

legt

Zivilrechtliche Berufung: - Vermögensrechtliche Zivilsachen - Zivilrechtsstreitigkeiten -Bundesgericht als einzige Instanz (direkte Prozesse): - zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bund - Prorogation durch beide Parteien - Streitigkeiten zwischen den Kantonen und Privaten oder Korporationen

der

Bundesrat

die

neuen

bisher (in Fr.)

neu (in Fr.)

8'000

30'000 30'000

8'000 20'000

50'000 200'000

8'000

50'000

Einig mit der Expertenkommission geht der Bundesrat ferner darin, das Erfordernis des Streitwertes für bestimmte Rechtsgebiete nicht zu lockern. Dem Bundesgericht würde dadurch eine schwer abschätzbare Mehrbelastung erwachsen, was schwerer wiegt als der Gewinn, den die Lockerung brächte. Ferner ist zu bedenken, dass die Kantone ihre einfachen Verfahren für niedere Streitwerte ausbauen müssten; die Prozesse würden damit länger und teurer, was dem Rechtsuchenden nicht dient.

Dies gilt namentlich auch für Arbeitsstreitigkeiten, die bis zu einem Streitwert von 5000 Franken in einem einfachen und raschen Verfahren zu erledigen sind (Art. 343 Abs. 2 Obligationenrecht; SR 220).

Wie die Expertenkommission verzichtet auch der Bundesrat darauf, das Erfordernis des Streitwerts auf neue Bereiche (etwa

793

Steuerrecht) auszudehnen. Dazu besteht jedenfalls dann kein Anlass, wenn das Annahmeverfahren eingeführt wird; denn dieses erlaubt es, unerhebliche Streitfälle von den eidgenössischen Gerichten fernzuhalten (vgl. Ziff. 211.6 hiervor).

213

Aenderung des Rechtswegs bei der verwaltungsrechtlichen Klage und bei der staatsrechtlichen Beschwerde

Was den Rechtsweg angeht, so Können zwei Neuerungen insbesondere das Bundesgericht entlasten: einerseits der weitgehende Verzicht auf die verwaltungsrechtliche Klage, anderseits die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges als Regel bei der staatsrechtlichen Beschwerde.

213.1

Beschränkung der verwaltungsrechtlichen Klage

213.11

Geltende Regelung

Die Rechtsverhältnisse zwischen Bürger und Gemeinwesen werden heute in der Regel durch Verfügung geordnet. Dies gilt auch für das Bundesverwaltungsrecht. Wenn .Verwaltungsbehörden kraft solchen Rechtes verfügen, unterliegen ihre Entscheide zunächst der Verwaltungsbeschwerde an eine Beschwerdeinstanz und sodann der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht. Das ist die Regel, die freilich verschiedene Ausnahmen kennt.

Dazu gehört unter anderem die verwaltungsrechtliche Klage.

Der Klageweg bedeutet, dass die Verwaltung nicht verfügt, sondern der Bürger sich direkt an ein eidgenössisches Gericht wendet, um das streitige Rechtsverhältnis klären zu lassen.

Jene Ansprüche, für die der Klageweg zu beschreiten ist, sind in Artikel 116 OG aufgezählt, allerdings nur zum Teil; weitere Fälle sind in den einschlägigen Spezialgesetzen vorgesehen.

794

213.12

Vorentwurf der Expertenkommission und Ergebnis des VernehmlassungsVerfahrens

Es liegt auf der Hand, dass Klagen den Gerichten in der Regel mehr Arbeit verursachen als Beschwerden. Bei den Klagen muss das Gericht den Prozessstoff selber sammeln und ihn als erste und einzige Instanz rechtlich beurteilen. Bei Beschwerden kann es sich demgegenüber auf die Vorarbeiten der Vorinstanzen stützen.

Die Expertenkommission hat daher vorgeschlagen, weitgehend auf die verwaltungsrechtliche Klage zu verzichten (Bericht, S. 22). An deren Stelle hätte die Verfügung zu treten, die von der zuständigen Verwaltungsbehörde zu erlassen wäre und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössieche Versicherungsgericht unterläge. Weiter'hat die Expertenkommission die verwaltungsrechtliche Klage und die staatsrechtliche Klage (Art. 83 OG) vereinigt und neu öffentlichrechtliche Klage genannt (Art.

110 Vorentwurf der Expertenkommission).

Im Vernehmlassungsverfahren stiess die Beschränkung der verwaltungsrechtlichen Klage auf geringen Widerstand.

213.13

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat verzichtet darauf, im Rahmen einer blossen Teilrevision des OG die staatsrechtliche Klage und die verwaltungsrechtliche Klage zu verschmelzen. Was diese angeht, übernimmt er jedoch in der Sache praktisch die Vorschläge der Expertenkommission (Art. 116 OG-Entwurf). Danach soll die verwaltungsrechtliche Klage künftig auf jene Fälle beschränkt werden, die sich für das Verfügungsverfahren nicht eignen.

Das sind vor allem Streitigkeiten aus dem bundesstaatlichen Verhältnis (vgl. Metz Markus, Der direkte Verwaltungsprozess in der Bundesrechtspflege, Basel und Stuttgart 198O, S.

181) .

795

Zu den Streitigkeiten, die vom Klageweg ausgeschlossen werden, gehören insbesondere solche über vermögensrechtliche Leistungen aus dem Dienstverhältnis von Bundespersonal einschliesslich der Personalversicherung. Verfügt wird künftig auch bei Ansprüchen gegen den Bund auf Schadenersatz, ausser bei solchen, die sich aus der Amtstätigkeit von Parlamentariern und Magistratspersonen ergeben. Zu erwähnen sind schliesslich Ansprüche aus öffentlichrechtlichen Verträgen mit dem Bund oder mit Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, die Bundesaufgaben erfüllen (Art. 116 Bst. a, b und c OG) .

Jene Fälle, in denen die verwaltungsrechtliche Klage künftig nicht mehr zulässig ist, sind in erster Instanz von einer Bundesbehörde zu erledigen, die der Bundesrat bezeichnet.

Verfügungen dieser Behörden unterliegen letztinstanzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Ver'sicherungsgericht (Ziff. l Abs. 2 Bst.

b Schlussbestimmungen zum OG-Entwurf).

213.2

Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei der staatsrechtlichen Beschwerde

213.21

Geltende Regelung

Nach Artikel 86 Absatz 2 OG sind Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Verfassungsbeschwerden) erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist; hiervon sind ausgenommen Beschwerden wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit (Art.

45 BV) , des Verbotes der Doppelbesteuerung (Art. 46 Abs. 2 BV), der Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 58 BV), der Garantie des Wohnsitzrichters (Art. 59 BV), des Anspruches der Bürger anderer Kantone auf Gleichstellung mit den Kantonsbürgern in Gesetzgebung und gerichtlichen Verfahren (Art. 60 BV) und des Anspruches der Bürger auf Rechtshilfe (Art. 61 BV) . Nicht erschöpft werden muss der kantonale

796

Instanzenzug sodann bei der Konkordatsbeschwerde, der Staatsvertragsbeschwerde (mit Ausnahmen bei Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention) und bei der Zuständigkeitsbeschwerde .

213.22

Vorentwurf der Expertenkommission und Ergebnis des VernehmlassungsVerfahrens

Die Expertenkommission hat diese Ausnahmen gestrichen, ausser bei Beschwerden auf dem Gebiet der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 134 OG-Vorentwurf). Diese Ausnahmefälle lassen sich heute nicht mehr rechtfertigen. Sie belasten aber das Bundesgericht, weshalb sie zu streichen sind (Bericht der Expertenkommission, S. 78 f.). Im Vernehmlassungsverfahren wurde diesem Vorschlag nur vereinzelt opponiert.

213.23

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat übernimmt in der Sache den Vorschlag der Expertenkommission. Danach ist die staatsrechtliche Beschwerde künftig nur noch zulässig gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide. Ausgenommen sind einzig Beschwerden auf dem Gebiet der interkantonalen Doppelbesteuerung, für die der Beschwerdeführer den kantonalen Instanzenzug nicht erschöpfen muss (Art. 86 OG-Entwurf). Den besonderen Erfordernissen beim Arrest von Vermögenswerten ausländischer Staaten soll in der Teilrevision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs Rechnung getragen werden.

797

214

Erhöhung der Gerichtsgebühren am Bundesgericht und Anpassung der Kostenregelung am Eidgenössischen Versicherungsgericht

214.1

Geltende Regelung

Wer vor Bundesgericht unterliegt, hat in der Regel die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. l OG). Für das Eidgenössische Versicherungsgericht gilt jedoch eine Ausnahmeregelung: Im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen darf dieses Gericht den Parteien in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen (Art. 134 OG).

214.2

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission schlug als erstes vor, die Gerichtsgebühren der Geldentwertung anzupassen," seit sie das letzte Mal im Jahre 1969 erhöht worden sind, ist der Landesindex der Konsumentenpreise um rund 1OO Prozent gestiegen (Jahresmittel 1969-1984).

Um das Kanzleiwesen zu vereinfachen und zu entlasten, empfahl die Expertenkommission zudem, die bisher separat erhobene Kanzleigebühr (Art. 153 Abs. l Est. e OG) in die Gerichtsgebühr einzubeziehen und auch die kleinern Auslagen nicht mehr gesondert zu berechnen (Art. 64 und 65 Vorentwurf).

Schliesslich sollte diese neue Kostenregelung künftig auch für das Eidgenössische Versicherungsgericht gelten.

Streitigkeiten über Versicherungsleistungen wären also für die unterliegende Partei in der Regel nicht mehr kostenfrei (Bericht der Expertenkommission, S. 52 f. und 93 f.).

798

214.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren

stiessen die Erhöhung

der Ge-

richtsgebühren und die Vereinfachung des Gebührenwesens nicht auf starken Widerstand. Deutlich stärker opponierten dagegen die Vernehmlasser dem Vorschlag, die Kostenfreiheit für Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht grundsätzlich abzuschaffen. Es wurde vor allem betont, dass diese Neuerung gerade jene Bürger belaste, die auf die Hilfe der Sozialversicherung angewiesen seien.

214.4

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat folgt über weite Strecken den Vorschlägen der Expertenkommission (Art. 149, ISO Abs. l, 153, 153ji und 156 Abs. 4 OG-Entwurf). Die Gerichtsgebühren sollen demnach erhöht werden; dies gilt auch für den Bundesstrafprozess, der nicht im OG geregelt wird (Art. 245 BStP-Entwurf). Ferner soll die Kostenregelung vereinfacht werden. Und schliesslich soll das Eidgenössische Versicherungsgericht den gleichen Regeln wie das Bundesgericht unterstellt werden (Art. 134 OGEntwurf und Art. 135 OG). Die Verhältnisse in der Sozialversicherung liegen gegenüber ändern Bereichen nicht derart grundlegend anders, dass es sich rechtfertigt, für das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Sonderregelung beizubehalten. Dies um so weniger, als auch das neue Recht erlaubt, den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen: Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr hat das Eidgenössische Versicherungsgericht unter anderem auch die finanzielle Lage der Parteien zu berücksichtigen (Art. 153a^ Abs. l OG-Entwurf).

Eine bedürftige Partei kann ferner die unentgeltliche Rechtspflege verlangen; diese umfasst die Kostenfreiheit im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht und - nötigenfalls - die Beigabe eines Rechtsanwaltes auf Kosten des Bundes (Art. 152 OG).

799

215

Ablehnung weiterer denkbarer Erschwerungen und Beschränkungen des Zugangs zu den eidgenössischen Gerichten

Der Bundesrat hat weitere Mittel und Wege geprüft, die dazu dienen könnten, den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten zu erschweren oder zu beschränken. Es handelt sich um anwaltsrechtliche Schranken, um den Verzicht auf die abstrakte Normenkontrolle bei der staatsrechtlichen Beschwerde und um die Verengung der Sachzuständigkeit der eidgenössischen Gerichte. Aus den nachstehenden Gründen lehnt der Bundesrat indes diese Entlastungsmassnahmen ab.

215.1

Keine weitergehenden anwaltsrechtlichen Schranken

Unter . den anwaltsrechtlichen Schranken ins Auge zu fassen sind der Anwaltszwang und das Anwaltsmonopol (Guldener Max, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 132). Anwaltszwang bedeutet, dass ein Rechtsuchender sämtliche Eingaben beim Gericht von einem patentierten Rechtsanwalt einreichen lassen muss. Dieser Zwang lässt sich dadurch noch verschärfen, dass nicht jeder Anwalt die Parteivertretung vor dem obersten Gericht übernehmen kann, sondern nur ein beschränkter, darauf spezialisierter und dafür anerkannter Kreis von Anwälten. Der Anwaltszwang in dieser oder jener Form ist dem schweizerischen Verfahrensrecht fremd.

Anders verhält es sich dagegen mit dem Anwaltsmonopol. Von Anwaltsmonopol spricht man dann, wenn die gewerbsmässige Parteivertretung vor Gericht den patentierten Anwälten vorbehalten ist. Es kann also jeder Bürger seine Sache vor Gericht grundsätzlich selber führen; wenn er sich aber eines Vertreters bedient, so muss dieser über das Anwaltspatent verfügen.

So können in Zivil- und Strafsachen nur patentierte Anwälte als Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten. Dies ist die Regel, die freilich gewisse Ausnahmen kennt (Art. 29 OG).

800

Die Expertenkommission lehnte den Anwaltszwang ab, weil dieser der herrschenden schweizerischen Auffassung und Ordnung allzu krass widerspricht. Dagegen befürwortete sie mehrheitlich eine Ausdehnung des Anwaltsmonopols auf sämtliche Verfahren vor Bundesgericht. Jeder Bürger soll also auch künftig seine Sache vor dem Bundesgericht oder vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht selber führen können. Wenn er aber einen Vertreter beizieht, so muss dieser in allen Verfahren nicht bloss in Zivil- und Strafsachen - ein patentierter Anwalt sein. Die Expertenkommission vertrat die Meinung, dass das Anwaltsmonopol einerseits dem Rechtsuchenden einen gewissen Schutz gewährleistet, vor allem bei verfahrensrechtlichen Fragen (richtige Wahl und vorschriftsgemässe Begründung des Rechtsmittels). Anderseits darf angenommen werden, dass das Anwaltsmonopol eine "Siebwirkung" ausübt und die von einem Anwalt ausgearbeiteten Rechtsschriften die Arbeit des Gerichts erleichtern (Art. 39 OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 22 ff.).

Im Vernehmlassungsverfahren wurde die Ausdehnung des Anwaltsmonopols stark kritisiert. Dagegen eingewendet wurde insbesondere folgendes: - Nicht alle Kantone kennen für das Verfahren vor Verwaltungsgericht das Anwaltsmonopol, sondern lassen als Parteivertreter auch Nicht-Anwälte zu. Wenn ein Bürger einen solchen Fall an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht weiterziehen will, muss er dafür eigens einen Anwalt beiziehen. Das bedeutet zusätzliche Kosten und Umtriebe für den Bürger.

- Das Anwaltsmonopol lässt sich leicht umgehen. Der Bürger kann die von einem Nicht-Anwalt verfasste Eingabe selber unterzeichnen. Die dem Anwaltsmonopol zugeschriebene "Siebwirkung" wird damit in Frage gestellt.

- Viele Bereiche, die von der Ausdehnung des Anwaltsmonopols betroffen sind, erfordern spezifische Fachkenntnisse, über die nicht alle Anwälte verfügen. Dies gilt zum Beispiel für

32 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd.II

801

die Sozialversicherung, für das Arbeitsrecht, Steuerrecht und Patentrecht. Es wäre unhaltbar, die Fachspezialisten nur deshalb von der Parteivertretung auszuschliessen, weil sie nicht über das Anwaltspatent verfügen. Daher fordern viele Vernehmlasser, es seien diese Fachleute zumindest in solchen Bereichen weiterhin zur Parteivertretung zuzulassen.

- Das Anwaltsmonopol lässt sich unter dem Blickwinkel der Bundesverfassung nur gewerbepolizeilich rechtfertigen, das heisst mit dem Schutz des Publikums, nicht aber mit der Entlastung der Bundesrechtspflege.

- Das Eidgenössische Versicherungsgericht weist darauf hin, dass die Vertretung vieler ausländischer Versicherter nicht mehr gewährleistet wäre, wenn das Anwaltsmonopol auf Streitigkeiten in der Sozialversicherung ausgedehnt würde.

Der Bundesrat hat die Gründe für und gegen eine Ausdehnung des Anwaltsmonopols gegeneinander abgewogen und ist zum Schluss gelangt, dass die Nachteile die Vorzüge einer solchen Neuerung überwiegen. Ob diese wirklich der Entlastung der Bundesrechtspflege dienen darf und kann, erscheint nicht zweifelsfrei gesichert, wenn man die besonderen Umstände berücksichtigt. Daher schlägt der Bundesrat vor, es bei der heutigen Regelung von Artikel 29 OG bewenden zu lassen.

215.2

Kein Verzicht auf die abstrakte Normenkontrolle bei der staatsrechtlichen Beschwerde

Nach dem geltenden Recht steht die staatsrechtliche Beschwerde offen gegen kantonale Erlasse oder Verfügungen (Art. 84 Abs. l OG). Bei der Anfechtung eines Erlasses spricht man von abstrakter Normenkontrolle,. Es wurde gelegentlich schon die Frage aufgeworfen, ob die abstrakte Normenkontrolle nicht entfallen könnte. .Dem Rechtsschutz wird - wie in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes - mit der konkreten (inzidenten, vorfrageweisen) Normenkontrolle weitgehend genügt; wenn der

802

Bürger eine Kantonale Verfügung mit staatsrechtlicher -Beschwerde anficht, kann er nämlich in der Regel vorfrageweise auch die Verfassungsmässigkeit des Erlasses überprüfen lassen, auf den die Verfügung sich stützt.

Der Bundesrat lehnt indes den Verzicht auf die abstrakte Normenkontrolle ab: Wenn sich das Bundesgericht bei der abstrakten Normenkontrolle zur Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses ausspricht, so schafft es damit Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für alle Betroffenen. Wird die abstrakte Normenkontrolle abgeschafft, so entfällt dieser Vorteil. Im schlimmsten Fall kann dies sogar dazu führen, dass bei der Anwendung eines umstrittenen Erlasses mehr Streitfälle entbrennen, und zwar gerade deshalb, weil das Bundesgericht nie Gelegenheit hatte, den Erlass im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle zu überprüfen. Ob der Verzicht auf die abstrakte Normenkontrolle das Bundesgericht wirklich entlasten wird, ist daher höchst zweifelhaft. Weiter ist zu bedenken, dass Erlasse nicht immer in anfechtbare Verfügungen münden.

In solchen Fällen bliebe der Bürger ohne Schutz des Bundesgerichts, wenn er den Erlass nicht im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle anfechten könnte.

215.3

Keine Verengung der Sachzuständigkeit des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde

Von Verengung der Sachzuständigkeit wäre dann zu sprechen, wenn der Bund in der Verwaltungsrechtspflege wieder von der geltenden Generalklausel abkehrte. Die Bereiche, die von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommen sind, würden erheblich erweitert (vgl. Ziff. 111.1 hiervor). Solche Streitfälle würden von unteren Instanzen (Verwaltungsbehörden, Verwaltungsgerichte, Rekurskommissionen) endgültig entschieden; allenfalls wäre der Weg an den Bundesrat zu öffnen.

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass eine solche Massnahme die eidgenössischen Gerichte entlasten könnte. Der

803

Bundesrat leïint sie dennoch ab: Die eidgenössischen Gerichte sind von Verfassungs wegen berufen, über die richtige und einheitliche Anwendung des Bundesverwaltungsrechts zu wachen (Art. 114bis BV) . Dies wäre in Frage gestellt, wenn den Gerichten solche Bereiche gänzlich entzogen würden, wo sich ausschliesslich oder doch vorwiegend Rechtsfragen stellen.

Daher ist es ausgeschlossen, die heutige Ordnung umzukrempeln.

Im übrigen sei hier ein kurzer Seitenblick auf das Annahmeverfahren gestattet, das der Bundesrat zur Entlastung der Bundesrechtspflege vorschlägt (vgl. Ziff. 211.6 hiervor).

Dieses Verfahren soll bloss solche Streitfälle von den Gerichten fernhalten, die nicht erheblich sind. Die Verengung der Sachzuständigkeit dagegen geht viel weiter; sie schliesst ganze Bereiche von den Gerichten aus, und. zwar selbst dann, wenn sich Rechtsfragen stellen, die durchaus der richterlichen Prüfung würdig wären. Damit wäre ein spürbarer Abbau des Rechtsschutzes verbunden, was der Bundesrat ablehnt.

22

Ausbau der richterlichen Vorinstanzen in der Bundesverwaltungsrechtspflege

221

Geltende Regelung

Ein Ausbau der richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte kommt praktisch nur in der Bundesverwaltungsrechtspflege in Frage. In der Zivil- und Strafrechtspflege sind den eidgenössischen Gerichten bereits richterliche Vorinstanzen vorgeschaltet, und in der Staatsrechtspflege über kantonale Erlasse und deren Anwendung fehlt dem Bund die verfassungsrechtliche Grundlage, um die Kantone zur Schaffung richterlicher VorInstanzen zu verpflichten.

Was die Bundesverwaltungsrechtspflege betrifft, so verläuft der Rechtsweg heute grundsätzlich nach folgendem Modell: Zunächst trifft eine Verwaltungsbehörde des Bundes oder des

804

Kantons (zum Beispiel ein Bundesamt oder ein kantonales Amt) eine Verfügung. Diese unterliegt der Beschwerde innerhalb der Bundes- oder kantonalen Verwaltung und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 97 ff. OG).

Dieses Grundmodell ist allerdings nicht überall verwirklicht.

So sind als Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte statt der erwähnten verwaltungsinternen Beschwerdeinstanzen mitunter richterliche Behörden anzutreffen. Im Bund sind dies Spezialrekurskommissionen, beispielsweise für die Militärverwaltung, für den Zivilschutz, für Zoll, Alkohol, Getreide, Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für Personen im Ausland (vgl. Verzeichnis der eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen, SR 173.3) . Sodann sind die Kantone heute von Bundes wegen verpflichtet, in wichtigen Bereichen richterliche Beschwerdeinstanzen für Streitigkeiten aus dem Bundesverwaltungsrecht zur Verfügung zu stellen. Dies gilt zum Beispiel für die Sozialversicherung (Art. 84 f. Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, SR 831. IQ; Art. 69 Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, SR 831.20; Art. 7 Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, SR 831.3O; Art. 73 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, SR 831.4P; Art. 3Obis Bundesgesetz über die Krankenversicherung, SR B32.IQ; Art. 1O6 f. Bundesgesetz über die Unfallversicherung, SR 832.20; Art. 55 Bundesgesetz über die Militärversicherung, SR 833.1; Art. 24 Bundesgesetz über die Erwerbsersatzordnung für Wehr- und Zivilschutzpflichtige, SR 834.1; Art. 22 Bundesgesetz über die Familienzulagen in der Landwirtschaft, SR 836.1; Art. 101 Arbeitslosenversicherungsgesetz, SR 837.0).

Weiter zu erwähnen ist die direkte Bundessteuer, für die jeder Kanton eine Rekurskommission einrichten muss (Art. 69 und 1O6 Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer, SR 642.11. Weitere Beispiele bei Knapp Biaise, Le fédéralisme, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1984 II 356 f.). Abgesehen davon haben verschiedene Kantone von sich aus - also freiwillig - ihre Gerichtsbarkeit auch auf andere Materien des Bundesverwaltungsrechts ausgedehnt. Freilich be-

805

stehen hier immer noch Lücken: Sechs Kantone kennen überhaupt noch kein allgemeines Verwaltungsgericht; von den übrigen Kantonen erklären noch immer neun ihr eigenes Verwaltungsgericht ganz oder teilweise für unzuständig, wenn die kantonale Verfügung in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder der Beschwerde an eine andere Bundesbehörde unterliegt (Saladin Peter, Bund und Kantone, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1984 II 577).

Diese kurze Uebersicht zeigt, dass schon heute in wichtigen Bereichen richterliche Behörden den eidgenössischen Gerichten vorgeschaltet sind. Daneben aber bestehen noch weite Gebiete im1 Bund und in den Kantonen, wo dies nicht zutrifft. Wenn auf beiden Stufen diese Lücken geschlossen und die richterlichen Vorinstanzen ausgebaut werden, so würde dies die Verwaltungsrechtspflege der eidgenössischen Gerichte spürbar entlasten.

Dazu tragen mehrere Faktoren bei; diese spielen allerdings nur dann, wenn die VorInstanzen richterliche Unabhängigkeit geniessen: - Einmal üben solche Vorinstanzen eine gewisse Filterwirkung aus. Sie halten einen Teil der Beschwerdefälle auf,' die sonst von den Verwaltungsbehörden direkt an die eidgenössischen Gerichte gezogen werden. Erfahrungsgemäß s wird ein Beschwerdeführer eher bereit sein, den Entscheid einer richterlichen Behörde anzunehmen und auf einen Weiterzug an ein eidgenössisches Gericht zu verzichten.

- Wenn Rekurskommissionen oder kantonale Gerichte entscheiden, so müssen überdies die eidgenössischen Gerichte den Sachverhalt grundsätzlich nicht mehr überprüfen. Ausgenommen sind einzig Fälle, in denen Vorinstanzen den Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt haben (Art. 105 Abs. 2 OG und Art. 132 OG-Entwurf). Die Gerichte können sich grundsätzlich auf die Rechtskontrolle

806

beschränken, die ja ihre ureigene Aufgabe bildet. Der zeitliche Aufwand für den einzelnen Streitfall vermindert sich somit.

Die

Entlastungswirkung

richterlicher Vorinstanzen

lässt

sich wesentlich steigern durch das Annahmeverfahren (vgl.

Ziff. 211.6 hiervor). Dieses spielt nämlich nur, wenn richterliche Vorinstanzen entschieden haben. Das Annahmeverfahren wird die eidgenössischen Gerichte in der Bundesverwaltungsrechtspflege daher einzig dann wirklich entlasten, wenn die richterlichen Vorinstanzen ausgebaut werden. Andernfalls wäre das Annahmeverfahren in diesem Bereich über weite Strecken wirkungslos.

222

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Filterwirkung und die Beschränkung der Kognition hatten die Expertenkommission bewogen, sich für einen Ausbau der richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte in der Bundesverwaltungsrechtspflege auszusprechen. Sie empfahl, die Kantone von Bundes wegen zu verpflichten, richterliche Vorinstanzen für jene Fälle zu schaffen, in denen der Entscheid der letzten kantonalen Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegt (Art. 129 OG-Vorentwurf). Was die Bundesverwaltung angeht, so hielt die Expertenkommission es für sinnvoll, vermehrt Spezialrekurskommissionen zwischen Verwaltung und Bundesgericht einzuschalten. Rekurskommissionen würden das Bundesgericht vor allem in jenen Bereichen entlasten, in denen verhältnismässig viele oder in tatsächlicher Hinsicht komplizierte Beschwerdefälle zu verzeichnen sind. Solche neuen Mittelinstanzen wären aus der Sicht der Expertenkommission denkbar im Bereich von Kultur und Bildung sowie im Personalwesen.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat mit Einverständnis des Bundesrates zudem im Vernehmlassungsverfahren vorgeschlagen, neue Rekurskommissionen auch für die

807

Wirtschaftsverwaltung und für die indirekten Bundessteuern (Warenumsatzsteuer, Verrechnungssteuer, Stempelsteuer) zu schaffen.

223

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren wurden die Vorschläge gesamthaft gut aufgenommen.

Was insbesondere die Verpflichtung der Kantone angeht, für die Bundesverwaltungsrechtspflege richterliche Vorinstanzen des Bundesgerichts zu schaffen, ist folgendes festzustellen: Von den Kantonen spricht sich rund die Hälfte - wenn auch zum Teil mit gewissen Vorbehalten - für diesen Vorschlag aus. Bei den übrigen Vernehmlassern, soweit sie sich dazu überhaupt äussern, überwiegen die Befürworter einer solchen Neuerung.

Die Kantone, welche diese Lösung ablehnen, weisen vor allem auf die damit verbundene Mehrbelastung hin und bezweifeln die Verfassungsmässigkeit des Vorschlags.

Die Schaffung weiterer verwaltungsunabhängiger Rekurskommissionen im Bund findet mehrheitlich die Zustimmung der Vernehmlasser.

224

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat folgt in den Grundzügen den Vorschlägen der Expertenkommission und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes. Demnach sollen .die verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auf der Stufe des Bundes und der Kantone ausgebaut werden.

224.1

Schaffung neuer Rekurskommissionen durch den Bund

Im Bund wären neben den bestehenden neue verwaltungsunabhängige Rekurskommissionen für jene Bereiche zu schaffen, wo

sich verhältnismässig viele Beschwerdefälle oder aber schwierige Tatfragen ergeben. Das sind folgende Bereiche: - Geistiges Eigentum und Firmenrecht (Rekurskommission für geistiges Eigentum) - Dienstverhältnis des Bundespersonals (Personalrekurskommission) - Indirekte Bundessteuern (Stempelabgaben, Verrechnungssteuer, Warenumsatzsteuer; Steuerrekurskommission) - Wasserkraft (Rekurskommission für Wasserwirtschaft) - Krankenversicherung (Spezialitätenliste; Rekurskommission) - Unfallversicherung (Prämientarife SUVA; Rekurskommission) - Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen (Rekurskommission) - übrige Wirtschaftsverwaltung (Rekurskommission EVD. Vgl.

dazu die Referate von Manfrini und Jost zum Rechtsschutz im Wirtschaftsverwaltungsrecht, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1982 II 311 ff. und 453 ff.).

Das grössere Gewicht, welches den eidgenössischen Rekurskommissionen in der Bundesverwaltungsrechtspflege künftig zukommt, macht es notwendig, Zuständigkeit, Organisation, Verfahren und Stellung dieser Beschwerdeinstanzen einheitlich im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) zu regeln. Vor allem geht es darum, die Unabhängigkeit dieser Instanzen von der Verwaltung und damit ihre richterliche Punktion zu sichern (Art.

71a^ ff. VwVG-Entwurf). In welchen Bereichen neue Rekurskommissionen zu schaffen sind, ist dagegen nicht in diesem Gesetz oder im OG, sondern in den einschlägigen Spezialgesetzen zu regeln (vgl. Aenderung anderer Erlasse, Ziff. II im Anhang zum OG-Entwurf).

Was die Stellung dieser Rekurskommissionen im Instanzenzug betrifft, soll es grundsätzlich beim jetzigen Zustand bleiben. Das heisst: Soweit heute in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an ein eidgenössisches Gericht offen steht, wird dies auch in Zukunft so sein. Die Rekurskommissionen, die neu vorgeschaltet werden, entscheiden in diesen

809

Fällen nicht endgültig. Die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Gerichte wird also nicht verengt (vgl. Ziff. 215.3 hiervor).

Aendern wird sich dagegen zum Teil die Zuständigkeit der Departemente, soweit sie als Beschwerdeinstanzen entscheiden.

An deren Stelle werden nämlich in vielen Bereichen die neuen Rekurskommissionen treten. Die Prüfungsbefugnis dieser Rekurskommissionen wird gleich weit sein wie jene der Departemente; sie werden also insbesondere auch die Angemessenheit der, angefochtenen Verfügungen überprüfen können, immerhin in Materien des sogenannten technischen Ermessens mit der für den Richter gebotenen Zurückhaltung. "Jeder Richter wird sich gegenüber den auf Grund administrativer Erfahrung und persönlicher Fachkenntnis getroffenen Verfügungen eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Er wird dazu neigen, den Befund über den Sachverhalt, das rechtliche Urteil über die festgestellten Tatsachen und die aus ihnen gezogenen Folgerungen nicht "ohne Not" zu verwerfen." (Imboden Max, Grundsätze des administrativen Ermessens, in: Festschrift für Irene Blumenstein, Bern 1966, S. 80. Vgl. auch Grisel André, Traité de droit administratif, Neuchâtel 1984, Band I, S.. 336 f., Gygi Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 304 ff., Rhinow René, Vom Ermessen im Verwaltungsrecht: eine Einladung zum Nach- und Umdenken, in: Recht, Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis, 1983, S. 86 ff.. Ferner BGE 98 Ib 216 E.2, 229 E.3, 108 Ib 30 E.l und 180 E.la). Die Prüfungsbefugnis der Rekurskommissionen folgt aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz, nach welchem die Rekurskommissionen verfahren werden (Art. 49 Bst. c VwVG). Aus der Sicht des Bürgers ist festzustellen, dass Rekurskommissionen den Rechtsschutz verbessern: An Stelle des Departementes tritt künftig eine richterliche Behörde mit vergleichbarer Prüfungsbefugnis .

810

224.2

Ausbau der Verwaltungsrechtspflege durch die Kantone

Die Kantone ihrerseits hätten für die Bundesverwaltungsrechtspflege richterliche Behörden (Gerichte oder Rekurskommissionen) als letzte kantonale Instanzen zu bezeichnen, soweit dagegen unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an ein eidgenössisches Gericht zulässig ist (Art. 98a und 128 OG-Entwurf). Der Bundesrat weiss, dass er damit die Kantone belastet. Wenn er diese Lösung dennoch vorschlägt, so deshalb, weil er die Gründe, die dafür sprechen, stärker gewichtet:

224.21

Gründe für den Ausbau

- Das Annahmeverfahren spielt nur dort, wo vor den eidgenössischen Gerichten richterliche Behörden entscheiden (Art.

36c_ OG-Entwurf). Das erfordert einen Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen, auch und gerade auf der Stufe der Kantone.

- Rechtspflege - Rechtsschutz überhaupt - ist nicht allein Sache des Bundes. Es entspricht durchaus einer richtig verstandenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, diese künftig mehr als heute an der Bundesverwaltungsrechtspflege zu beteiligen.

- Diese Beteiligung entlastet die eidgenössischen Gerichte, wertet aber anderseits die Kantone und deren Rechtspflege auf: Einmal werden unter dem Annahmeverfahren häufiger als heute Streitfälle endgültig auf kantonaler Ebene erledigt, dann nämlich, wenn das angerufene eidgenössische Gericht die Annahme verweigert. Sodann überprüfen die eidgenössischen Gerichte kantonale Entscheide, die von richterlichen Behörden stammen, weniger weit als solche, die von Verwaltungsbehörden ausgehen. Wenn nämlich kantonale Verwaltungsgerichte oder unabhängige Rekurskommissionen entscheiden, so ist das Bundesgericht grundsätzlich an den Sachverhalt

811

gebunden, wie ihn diese kantonalen Vorinstanzen stellt haben (Art. 1O5 Abs. 2 OG-Entwurf).

festge-

Der obligatorische Ausbau der kantonalen verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte ist vor allem aus rechtsstaatlichen Gründen notwendig und daher verfassungsrechtlich zulässig (vgl. Ziff. 225.2 hiernach).

Der Bund geht dabei nicht weiter, als es unbedingt nötig ist. Dies gilt insbesondere für Organisation und Verfahren der richterlichen Behörden, welche die Kantone grundsätzlich selber regeln können.

Kantonale verwaltungsrichterliche Vorinstanzen vereinfachen für den Bürger das Beschwerdeverfahren und den Instanzenzug an die eidgenössischen Gerichte. In manchen Kantonen ist nämlich der Rechtsweg gespalten, je nachdem ob sich die angefochtene Verfügung auf kantonales Verwaltungsrecht oder auf Bundesverwaltungsrecht stützt. Beruht die Verfügung auf kantonalem Recht, so unterliegt sie der Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht. Stützt sich die Verfügung dagegen auf Bundesverwaltungsrecht, so bleibt sie dem Verwaltungsgericht entzogen; der Beschwerdeentscheid der kantonalen Verwaltungsbehörde unterliegt somit direkt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieser Spaltung des Rechtswegs haften unbestreitbare Nachteile a'n, vor allem deshalb, weil der Bürger den Instanzenzug im Einzelfall kaum mehr eindeutig berechnen kann. Kantonales Verwaltungsrecht und Bundesverwaltungsrecht lassen sich nämlich in vielen Bereichen je länger desto weniger sauber trennen und sind eng miteinander verzahnt. Dies gilt etwa für den Gewässerschutz, das Bau- und Planungswesen, die Landwirtschaft oder für das Forstwesen. Es liegt im Interesse des Rechtsuchenden, dass diese Spaltung beseitigt wird, indem künftig alle Bundesverwaltungssachen über kantonale richterliche Behörden laufen, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an ein eidgenössisches Gericht offen steht.

812

224.22

Beschwerderecht der Kantonsregierung'en?

Sozusagen als Gegenstück zum Ausbau der kantonalen Verwaltungsgerichtsbarkeit sollten die Kantonsregierungen nach dem Vorschlag der Expertenkommission die Befugnis erhalten, Entscheide der verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanzen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anzufechten (Art. 116 Bst. c OG-Vorentwurf). Der Bundesrat hält indes eine solche Neuerung nicht für nötig. Jeder Kanton ist nämlich schon heute zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, soweit ein Entscheid ihn gleich oder ähnlich wie eine Privatperson trifft (Art. 103 Bst. a OG). Das gilt insbesondere bei Eingriffen in das Finanz- oder das Verwaltungsvermögen des Kantons ( BGE 108 Ib 206 ff., 105 Ib 359 E.5a).

Wenn andere - nicht fiskalische - öffentliche Interessen auf dem Spiele stehen, kann das in der Sache zuständige Departement des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, das in der Sache zuständige Bundesamt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen (Art. 103 Bst. b OG). Es obliegt diesen Stellen, jene öffentlichen Interessen zu wahren, die allenfalls durch einen kantonalen Entscheid verletzt werden. Abgesehen davon brächte diese Neuerung dem Bundesgericht zusätzliche Arbeit und wäre daher mit dem Hauptziel der Vorlage, nämlich der Entlastung des Gerichts, nicht vereinbar.

224.23

Verbleibende Lücken in der kantonalen Verwaltungsrechtspflege

Mit dem Vorschlag, die kantonalen verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auszubauen, wird in der Bundesverwaltungsrechtspflege eine spürbare Lücke geschlossen. Leider lässt sich nicht Gleiches von der Rechtspflege im kantonalen Verwaltungsrecht sagen. · In diesem Bereich ist die kantonale Verwaltungsgerichtsbarkeit noch nicht überall verwirklicht; das Bundesgericht ist in solchen Fällen jeweils die einzige richterliche Instanz, die - mittels staatsrechtlicher Beschwerde - angerufen werden kann.

Nun belasten aber gerade die staatsrechtlichen Beschwerden das

813

Bundesgericht am meisten. Dem Bund ist es von Verfassungs wegen verwehrt, die Kantone zum Ausbau der kantonalen Verwaltungsgerichtsbarkeit anzuhalten. Es wäre .daher sehr zu begrüssen, wenn die Kantone diesen Schritt von sich aus tun würden. Sie würden damit beitragen, das Bundesgericht bei der staatsrechtlichen Beschwerde zu entlasten, doch nicht nur dies: Auch der Rechtsschutz des Bürgers würde merklich verbessert. Und schliesslich würden die Kantone ihr Gewicht stärken, indem sie selber in der eigenen Verfassungsgerichtsbarkeit Lücken schliessen, die andernfalls vom Bundesgericht gefüllt werden müssen (vgl. Auer Andreas, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Basel und Frankfurt am Main 1983, S. 282 f., und Saladin Peter, Bund und Kantone, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1984 II 431 ff.).

225

Verfassungsmässigkeit

Aus dem Blickwinkel der Bundesverfassung ist der Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte wie folgt zu beurteilen (vgl. Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 7. Sept. 1984 zur Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege,Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, Heft 49.36).

225.1

Neue Rekurskommissionen auf Bundesebene

Die neuen Rekurskommissionen, die der Bundesrat auf Bundesebene für die Bundesverwaltungsrechtspflege vorschlägt, sind mit der Bundesverfassung vereinbar. Die Bundesverfassung legt zwar gewisse Fixpunkte für die obersten Gewalten des Bundes fest, zum Beispiel hinsichtlich des Bundesgerichts (Art. 1O6 ff.). Sie schafft aber kein geschlossenes System von Behörden und Zuständigkeiten. Der Gesetzgeber kann daher die Behördenorganisation ergänzen. Aus der Tatsache, dass in der Bundesverfassung untere Bundesgerichtsbehörden, wie etwa Rekurskommissionen, nicht erwähnt sind, kann nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber solche nicht schaffen dürfte. Die Bun-

814

desverfassung verwehrt es dem Gesetzgeber inbesondere nicht, im Verwaltungsrecht gerichtliche Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auf Bundesebene zu schaffen. Selbstverständlich hat der Gesetzgeber dabei zu prüfen, ob die Schaffung von gerichtlichen Vorinstanzen angemessen ist. Das ist für die vorliegende Vorlage zu bejahen: Rekurskommissionen sind ohne Zweifel dort gerechtfertigt, wo sich verhältnismässig zahlreiche oder in tatsächlicher Hinsicht "komplexe Beschwerdefälle ergeben. Dem Gesetzgeber steht es auch frei, für diese Rekurskommissionen die Zuständigkeits-, die Organisationsund die Verfahrensbestimmungen zu vereinheitlichen. Zulässig sind auch die Personalunion zwischen Richtern verschiedener solcher Rekurskommissionen, gemeinsame Sekretariate für diese Kommissionen oder gemeinsame Kommissionen für mehrere Sachbereiche .

225.2

Ausbau der Verwaltungsrechtspflege in gen Kantonen

Was die Verpflichtung der Kantone angeht, verwaltungsrichterliche Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte zu schaffen (Art. 98a^ OG-Entwurf), ist folgendes zu erwägen: Die Bundesverfassung enthält keine Aussagen zur kantonalen Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Anwendung von Bundesrecht.

Es fehlt auch eine dem Zivilrecht (Art. 64 Abs. 3 BV) und dem Strafrecht (Art. 64bis Abs. 2 BV) entsprechende Bestimmung, welche die Regelung der Gerichtsorganisation und des gerichtlichen Verfahrens den Kantonen zuweist. Die einzige Bestimmung, die Administrativstreitigkeiten auf Kantonsebene betrifft, ist Artikel 114bis Absatz 4 BV. Sie ist für den vorliegenden Zusammenhang indessen bedeutungslos.

Es fragt sich, ob daraus abzuleiten ist, der Bund könne den Kantonen vorschreiben, sie hätten die Rechtspflege hinsichtlich des ihnen zum Vollzug übertragenen Bundesverwaltungsrechts richterlichen Behörden zuzuweisen.

815

In der Rechtslehre ist diese Schlussfolgerung umstritten. Ein Teil der Rechtslehre hält dafür, dass die Kantone in der Bestimmung von Organisation und Verfahren grundsätzlich autonom seien (vgl. Hangartner Yvo, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, Bern/Frankfurt am Main 1974, S. 126 und 154; Saladin Peter, Zur Organisations- und Verfahrenshoheit der schweizerischen Kantone, in: Festschrift fUr Adolf Gasser, Berlin 1983, S. 341, der diese Autonomie durch ein ungeschriebenes Verfahrensprinzip gewährleistet sieht; ders. , Bund und Kantone, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1984 II 495 ff.; grundsätzlich wohl auch Knapp Biaise, Le fédéralisme, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1984 II 352 ff., der sich freilich sehr allgemein äussert). Diese Autonomie gelte nicht nur, wo der Kanton im eigenen Wirkungsbereich (Art. 3 BV) tätig werde, sondern auch dort, wo er sich im übertragenen Wirkungsbereich betätige (vgl. Hangartner, a.a.O., S. 126 und 158; auch Saladin, Bund und Kantone, a.a.O., S. 5O4 f.).

Indessen anerkennen diese Autoren, dass der Bund befugt ist, Verfahrens- und Organisationsbestimmungen für die Kantone zu erlassen, soweit solche Vorschriften erforderlich sind, um das jeweilige Bundesrecht sachgerecht zu vollziehen (vgl.

Saladin, Organisations- und Verfahrenshoheit, a.a.O., S. 341 ff., besonders S. 349 f.; ders., Bund und Kantone, a.a.O., S.

5O4; auch Hangartner, a.a.O., S. 156 ff., dort freilich im Zusammenhang mit der Zuständigkeit zum Erlass kantonaler Bestimmungen aufgrund bundesrechtlicher Delegationen).

Immerhin gibt es heute bundesrechtliche, insbesondere bundesverfassungsrechtliche Anforderungen, welche die Kantone nicht unter Hinweis auf ihre Organisations- und Verfahrensautonomie zurückweisen können. Es handelt sich namentlich um eine Reihe verfahrensrechtlicher Anforderungen, die das Bundesgericht unter Berufung auf Artikel 4 BV formuliert hat, wie den Anspruch auf rechtliches Gehör, auf Akteneinsicht, die Ausstandspflicht befangener Richter (siehe im einzelnen Saladin, Bund und Kantone, a.a.O., S. 497 ff.). -

816

Die These . von der Organisationsautonomie als verfassungsrechtliche Garantie schliesst also ein, dass bundesrechtliche Organisations- und Verfahrensvorschriften, welche die Kantone beim Vollzug von Bundesrecht zu beachten haben, soweit zulässig sind, als sie für die Verwirklichung des Bundesrechts erforderlich sind. In aller Regel stellt sich die Frage der Erforderlichkeit bereichsspezifisch, etwa für die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Landwirtschaft, die Arbeitsvermittlung. Organisations- und Verfahrensvorschriften sollen spezifisch für die Durchführung dieser Bundesregelungen erforderlich sein.

Im vorliegenden Falle wäre eine bereichsspezifische Prüfung der Erforderlichkeit indessen nicht angebracht. Es wäre dies eine zu formalistische Betrachtungsweise, vor allem wenn man berücksichtigt, dass auch das Bundesgericht Verfahrensanforderungen generell und nicht bereichsspezifisch formuliert hat. So gilt etwa das Erfordernis des rechtlichen Gehörs generell für alle Verfahren. Dies kann gar nicht anders sein, weil dem rechtlichen Gehör grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es an einem Ort zu gewähren, am ändern nicht, wäre nicht sachgerecht, widerspräche fundamentalen rechtsstaatlichen Ueberlegungen.

Ist Artikel 98a. OG-Entwurf nun aber generell erforderlich?

Dies ist dann zu bejahen, wenn die Einrichtung kantonaler verwaltungsunabhängiger Rechtspflegeinstanzen aus rechtsstaatlich evidenten Gründen geboten ist. Die Entlastung des Bundesgerichts könnte erwünschter Nebenzweck, dürfte aber nicht Hauptzweck sein. Artikel 98ji OG-Entwurf erfüllt dieses Erfordernis: Wenn der Bundesgesetzgeber das Recht vereinheitlicht, dann ist es auch wichtig, dass jeder einzelne in gleicher Weise tatsächlich "zu seinem Recht kommt". Der Bundesgesetzgeber muss deshalb für gewisse Minimalgarantien im Rechtsschutz sorgen. Es ist stossend, wenn im einen Kanton zur Durchsetzung des Bundesrechts ein ausgebautes Rechtsmittelsystem mit verwaltungsunabhängigen Beschwerdeinstanzen zur Verfügung gestellt wird, und in einem ändern Kanton nur rudimentäre Rechtsmittel in einem verwaltungsinternen Verfahren

817

bestehen. Das Bundesgericht kann seine Aufgabe zur Verwirklichung der Rechtseinheit nur erfüllen, wenn die kantonalen Instanzen sowohl die rechtlichen wie die tatsächlichen Fragen umfassend prüfen. Diese Aufgabe wird von Gerichten in der Regel besser erfüllt als von Verwaltungsinstanzen. (Das gilt insbesondere bei der Sachverhaltsfeststellung, wo das Bundesgericht nach Art. 1O5 Abs. 2 OG nur an die Sachverhaltsfeststellungen richterlicher Behörden gebunden ist.) Unbefriedigend ist deshalb, dass verschiedene Kantone ihre Verwaltungsgerichte gerade dann nicht zur Verfügung stellen, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig ist.

Aus dieser Sicht ist im übrigen anzustreben, dass auch der Bund durchgehend richterliche Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte schafft (vgl. Ziff. 224.1 hiervor).

In der Rechtslehre finden sich aber auch Stimmen, die eine kantonale Organisations- und Verfahrensautonomie grundsätzlich verneinen, soweit der Kanton Bundesrecht vollzieht (vgl.

Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 126; Gygi Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.

Auflage, Bern 1983, S. 25 f.). Diese These wird unter anderem damit begründet, dass es für diesen Bereich keine Artikel 64 Absatz 3 und Artikel 64bis Absatz 2 BV vergleichbare Garantie zugunsten der kantonalen Gerichts- und Verfahrensautonomie gebe.

Folgt man dieser These, so steht nichts entgegen, dass der Bund den Kantonen die Einrichtung von verwaltungsunabhängigen Organen für die Rechtsprechung in Streitigkeiten aus Bundesverwaltungsrecht vorschreibt. Die Kompetenz zur Regelung eines bestimmten Sachgebietes deckt dann ohne weiteres auch Vorschriften wie Artikel 98a_ OG-Entwurf ab.

Was die Praxis des Bundesgesetzgebers angeht, ist festzustellen, dass die Reihe der Erlasse des Bundesverwaltungsrechts, die Organisations- und Verfahrensvorschriften für den kantonalen Vollzug enthalten, sehr beachtlich ist. Erwähnt seien hier lediglich die folgenden (für weitere Beispiele siehe Knapp, a.a.O., S. 356 f. und 362 ff.):

818

- Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10): Es ordnet in Artikel 84 die Beschwerdebefugnis, und in Artikel 85 schreibt es vor, dass die Kantone eine verwaltungsunabhängige Rekursbehörde einzurichten haben, wobei für das Rekursverfahren bestimmte Anforderungen formuliert werden.

- Arbeitslosenversicherungsgesetz (SR 837.0): Dieses Gesetz verlangt in Artikel 101 ebenfalls eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission als letzte kantonale Instanz für Verfügungen der kantonalen Amtsstellen und Kassen und regelt in Artikel 1O2 die Beschwerdebefugnis.

- Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (SR 211.412.41): Dessen Artikel 15 gebietet den Kantonen eine Beschwerdebehörde, und die Artikel 20 und 21 ordnen die Beschwerdebefugnis.

- Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021): Artikel l Absatz 3 erklärt Bestimmungen über die Eröffnung von Verfügungen und über den Entzug der aufschiebenden Wirkung für anwendbar auf das Verfahren letzter kantonaler Instanzen, die gestützt auf öffentliches Recht des Bundes nicht endgültig verfügen.

Schliesslich sei erwähnt, dass der Entwurf zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (BEI 1983 III 316 ff.) weitgehende Vorschriften für die kantonale Organisation und das kantonale Verfahren enthält (Art. 1O9 ff.).

Diese Bestimmungen sind Beleg dafür, dass sich der Bundesgesetzgeber schon bisher in recht weitgehendem Masse für zuständig hielt, den Kantonen Vorschriften hinsichtlich Organisation und Verfahren für den Vollzug von Bundesverwaltungsrecht zu machen.

819

Zusammenfassend ergibt sich daraus folgendes: Misst man Artikel 98a_ OG-Entwurf an der bisherigen Praxis des Bundesgesetzgebers hinsichtlich organisatorischer und verfahrensrechtlicher Vorschriften für den kantonalen Vollzug von Bundesrecht, eingeschlossen Bundeszivilrecht, so darf er als zulässig erachtet werden.

Dies gilt ohne weiteres auch dann, wenn man der Lehrmeinung folgt, wonach den Kantonen eine eigene Organisations- und Verfahrensautonomie nicht zusteht, soweit sie Bundesrecht vollziehen.

Zum gleichen Ergebnis gelangt aber auch, wer den Kantonen eine eigene Organisations- und Verfahrensautonomie zubilligt und mithin dem Bund bei der Regelung der kantonalen Organisation und Verfahren keine freie Hand geben will. Denn auch nach dieser Lehrmeinung sind Bundesvorschriften zulässig, wenn sie erforderlich sind, um den sachgerechten Vollzug zu gewährleisten, ferner und vor allem auch, um rechtsstaatlichen oder auch bundesstaatlichen Erfordernissen zu genügen.

Artikel 98a OG-Entwurf lässt sich vor allem mit rechtsstaatlichen Erwägungen rechtfertigen; er sichert die notwendige Minimalgarantie für einen angemessenen und gleichmässigen Rechtsschutz in allen Kantonen (Anderer Ansicht Pfleghard Heinz, Regierung als Rechtsmittelinstanz,/Diss. Zürich 1984, S. 26 ff.).

23

Vereinfachung des Entscheidverfahrens

Die eidgenössischen Gerichte lassen sich in einem gewissen Umfang dadurch entlasten, dass das Entscheidverfahren gestrafft und vereinfacht wird. Freilich darf darunter die Qualität der Rechtsprechung nicht leiden. Der Spielraum für Neuerungen ist daher recht eng bemessen.

820

231

Verallgemeinerung der Dreierbesetzung des Gerichts (Quorum)

231.1

Geltende Regelung

Nach dem geltenden Recht haben bei Beratungen und Abstimmungen in den Abteilungen des Bundesgerichts in der Regel fünf Richter mitzuwirken. Dies gilt allerdings nicht für jene Abteilungen, die lediglich drei Mitglieder umfassen (Art. 12 Abs. l OG). Davon ausgenommen sind ferner Beschwerden gegen kantonale Erlasse und gegen den Entscheid oder die Weigerung, ein Geschäft den Stimmbürgern eines Kantons zur Abstimmung vorzulegen; solche Fälle sind von sieben Richtern zu beurteilen. Die öffentlichrechtlichen Abteilungen - aber bisher nur diese - entscheiden in der Besetzung mit drei Richtern, soweit es sich um Streitsachen ohne grundsätzliche Bedeutung handelt (Art. 15 OG). In solchen Fällen urteilt auch das Eidgenössische Versicherungsgericht in der Besetzung mit drei Richtern (Art. 125 OG).

231.2

Vorschlag der Expertenkommission und Ergebnis des VernehmlassungsVerfahrens

Die Expertenkommission schlug vor, den Grundsatz der Fünferbesetzung aufzugeben und statt dessen die Dreierbesetzung für alle Abteilungen des Bundesgerichts und für das Eidgenössische Versicherungsgericht als Regel vorzusehen. Fünf Richter sollten nur noch über Streitsachen von grundsätzlicher Bedeutung richten. Sieben Richter schliesslich hätten mitzuwirken bei Beschwerden, die einen politischen Einschlag aufweisen, was in groben Zügen der heutigen Regelung entspricht (Art. 25 OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 37).

Von der Dreierbesetzung ist bei strikter Anwendung eine fühlbare Entlastung zu erwarten, ohne dass die Qualität der Rechtsprechung gefährdet oder der Zugang zum Gericht eingeschränkt wird. Die Kommission liess sich bei diesem Vorschlag

821

von der Ueberlegung leiten, dass drei Richter, denen für die Vorbereitung und die Beratung die erforderliche Zeit zur Verfügung steht, bessere Gewähr für eine ausgewogene, sorgfältige Beurteilung bieten als ein unter Zeitdruck arbeitendes Fünfer- (oder Siebner-) Kollegium.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde der Vorschlag der Expertenkommission, die Dreierbesetzung des Gerichts zu verallgemeinern, mehrheitlich begrüsst, soweit sich die Teilnehmer dazu überhaupt äusserten.

231.3

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat übernimmt in der Sache den Vorschlag der Expertenkommission (Art. 15 OG-Entwurf).

232

Ausdehnung des vereinfachten Verfahrens

232.1

Geltende Regelung

Vereinfachte Verfahren bestehen schon nach dem geltenden Recht, allerdings nur bei einzelnen Rechtsmitteln (vgl. namentlich Art. 6O, 92, 1O9 und 132 OG) . Allen Formen ist gemeinsam, dass das Gericht entscheidet, ohne dass eine öffentliche Beratung des Streitfalles stattfinden muss. Abgesehen davon sind die vereinfachten Verfahren teilweise unterschiedlich geordnet und heissen auch nicht gleich: Bei der zivilrechtlichen Berufung erscheint das Verfahren unter "Erledigung im Vorprüfungsverfahren", bei der staatsrechtlichen Beschwerde und bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen unter "summarisches Verfahren".

822

232.2

Vorschlag der Expertenkommission und Ergebnis des VernehmlassungsVerfahrens

Die Expertenkommission schlug vor, diese verschiedenen Formen künftig unter dem Namen "vereinfachtes Verfahren"

zu verein-

heitlichen und dieses auf alle Abteilungen des Bundesgerichts auszudehnen, soweit diese in Dreierbesetzung entscheiden können.

Durch

den Verzicht

auf

die

öffentliche

Beratung

und

durch eine knappe Begründung sollten liquide Fälle mit einem Minimum

an Arbeitsaufwand befriedigend

nen. Die Expertenkommission

erledigt werden kön-

fügte zudem eine neue

über rechtsmissbräuchliche Prozessführung ein. Damit

Bestimmung

in den Vorentwurf

sollte das Gericht die Mittel erhalten,

um der

starken und nutzlosen Belastung durch querulatorische Eingaben wenigstens in Extremfällen entgegenzutreten (vgl. Art. 53 f. OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 38 f.

und 51; Ziff. 122 hiervor).

Im Vernehmlassungsverfahren stiessen die Vorschläge der Expertenkommission auf wenig Ablehnung.

232.3

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat folgt in der Sache über weite Strecken der Expertenkommission und schlägt vor, das vereinfachte Verfahren zu verallgemeinern. Dies gilt in zweifacher

Hinsicht

(Art.

36a OG-Entwurf):.

Zum einen entscheiden künftig alle Abteilungen des Bundesgerichts bestimmte Fälle im vereinfachten Verfahren, soweit dafür die Dreierbesetzung in Frage kommt. Bisher traf dies nur auf die beiden öffentlichrechtlichen Abteilungen und auf das Eidgenössische Versicherungsgericht zu (Art. 92, 109 und 132 OG) .

Zum ändern werden die Anwendungsfälle des vereinfachten Verfahrens erweitert. Sie umfassen nunmehr:

823

- Gutheissung offensichtlich begründeter oder Abweisung offensichtlich unbegründeter Rechtsmittel (wie bisher); - Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel und Klagen (bisher nur Rechtsmittel); - Nichteintreten auf Rechtsmittel und Klagen wegen querulatorischer oder anderer rechtsmissbräuchlicher Prozessführung (neu); - Nichteintreten auf Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache (neu, auch gegenüber dem Vorschlag der Expertenkommission) . Es handelt sich hier um das Annahmeverfahren (vgl. Ziff. 211.6 hiervor). Dieses bildet demnach einen Anwendungsfall des vereinfachten Verfahrens.

Was das vereinfachte Verfahren gegenüber dem ordentlichen Verfahren unterscheidet, ändert gegenüber dem geltenden Recht dagegen nicht: Die Vereinfachung besteht nach wie vor darin, dass die zuständigen Abteilungen ohne öffentliche Beratung und mit summarischer Begründung entscheiden, allerdings nur dann, wenn unter den mitwirkenden Richtern Einstimmigkeit herrscht. Ferner kann der Schriftenwechsel unterbleiben, ausser bei Gutheissung eines Rechtsmittels oder einer Klage.

Die Ausnahme erklärt sich damit, dass in diesem Fall die Gegenpartei anzuhören ist, bevor das Gericht entscheidet.

Gleich wie im heutigen Recht bei der staatsrechtlichen Beschwerde und bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 92 und 1O9 OG) bleibt auch die Besetzung der zuständigen Gerichtsabteilung: Das vereinfachte Verfahren spielt nur bei der Dreierbesetzung; die Dreierbesetzung ihrerseits beschränkt sich allerdings nicht auf das vereinfachte Verfahren, sondern kommt auch im ordentlichen Verfahren (mit öffentlicher Beratung) zum Zug. Zu unterscheiden sind somit folgende Fälle der Dreierbesetzung: - Die Fälle, die unter Artikel 36a OG-Entwurf fallen, entscheidet das Gericht im vereinfachten Verfahren mit Dreierbesetzung. Beispiel: Verweigerung der Annahme mangels Erheblichkeit der Sache. Dies gilt aber nur bei Einstimmigkeit.

824

Herrscht unter den drei Richtern "keine Einstimmigkeit, so kommt das ordentliche Verfahren mit öffentlicher Beratung zum Zug, und zwar in Dreierbesetzung (Art. 15 Abs. l OGEntwurf).

Ebenfalls im ordentlichen Verfahren sind die übrigen Fälle zu entscheiden, die nicht unter Artikel 36a OG-Entwurf fallen. Dabei entscheidet das Gericht in der Regel in Dreierbesetzung.

232.4

Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Zu prüfen bleibt, ob das vereinfachte Verfahren mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; SR O.1O1) vereinbar ist (vgl. Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 12.

Juli 1984 über die Vereinbarkeit des Annahmeverfahrens mit der EMRK und die dort zitierte Judikatur und Literatur; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, Heft 49.36). Nach Artikel 6 Ziffer l der Konvention hat jedermann unter anderem Anspruch darauf, dass seine Sache publikumsSffentlich gehört wird, und zwar von einem Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Demgegenüber bestimmt Artikel 36a Absatz l OG-Entwurf, dass im vereinfachten Verfahren keine öffentliche Beratung stattfindet. Es fragt sich, ob dies mit dem Erfordernis der Oeffentlichkeit im Sinne von Artikel 6 Ziffer l der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist.

Die Frage stellt sich allerdings dort nicht, wo die Schweiz seinerzeit einen Vorbehalt angebracht hat; es betrifft dies Verfahren vor kantonalen Behörden, die Verwaltungsfunktionen ausüben (BGE 109 la 228 E.4). In den übrigen Fällen ist das Erfordernis der Oeffentlichkeit dagegen zu beachten, namentlich bei Entscheiden, die von eidgenössischen Rekurskommissionen oder von Departementen des Bundes stammen und in einem nicht publikumsöffentlichen Verfahren ergehen.

Oeffentlich-

825

keit gilt jedoch auch in solchen Fällen nur dann, wenn sich der Streit um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen dreht. In Betracht fällt zum Beispiel der Entscheid der eidgenössischen Schätzungskommission über die Höhe der Enteignungsentschädigung; er unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 77 Enteignungsgesetz; SR 711). Wenn die Schätzungskommission ohne öffentliche Beratung entscheidet und das Bundesgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diesen Entscheid im vereinfachten Verfahren also ebenfalls ohne öffentliche Beratung - beurteilt, so wäre wohl Artikel 6 Ziffer l EMRK verletzt. Dies lässt sich jedoch verhindern, indem das Gericht in solchen Fällen die Erheblichkeit der Sache bejaht, den Fall annimmt und im ordentlichen Verfahren mit öffentlicher Beratung entscheidet. Als erheblich lässt sich ein solcher Streitfall deshalb bezeichnen, weil mit der Europäischen Menschenrechtskonvention die Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen in Frage steht (Art. 36b Bst. c OG-Entwurf ) . Es wird den Parteien und dem Bundesgericht obliegen, diesen Punkt im einzelnen Streitfall im Auge zu behalten.

233

Beschränkung der Parteiverhandlung bei der zivilrechtlichen Berufung

233.1

Geltende Regelung

Nach dem geltenden Recht findet in Zivilrechtsstreitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Natur und in Zivilrechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Natur mit einem Streitwert von wenigstens 15'OOD Franken von Gesetzes wegen eine mündliche Parteiverhandlung statt,,wenn die Berufung sich nicht bloss gegen einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit richtet.

In den übrigen Fällen kann das Bundesgericht eine Parteiverhandlung anordnen (Art. 62 Abs. l und 2 OG).

826

233.2

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission schlug mehrheitlich vor, dass künftig eine Parteiverhandlung nur noch dann stattfinden soll, wenn das Bundesgericht sie von Amtes wegen oder auf Parteiantrag anordnet. Die Parteiverhandlung würde somit nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme bilden.

Folgende Ueberlegungen waren dafür massgeblich: Das Plädoyer der Parteianwälte vor Gericht war ohne Zweifel unter der Herrschaft des alten Rechtes (1893/1911) gerechtfertigt, als die Berufung nicht begründet wurde und der Berufungsbeklagte keine Antwort einreichte. Heute jedoch herrscht das schriftliche Verfahren vor. Das Plädoyer, das erst vor der Urteilsberatung stattfindet, wenn der Instruktionsrichter sein Referat bereits vorgelegt hat und die Richter sich ihre Meinung weitgehend gebildet haben, ist daher meistens überflüssig.

Die Parteiverhandlung verteuert nur den Prozess, wenn man etwa an den Zeitaufwand der Anwälte denkt; sie verlängert die Sitzungen des Gerichts und schliesslich auch die Verfahren selber, weil das Gericht bei der Ansetzung der Parteiverhandlungen auf die Termine der Anwälte Rücksicht nehmen muss.

Das System der schriftlichen Prozessinstruktion funktioniert einwandfrei im Bereich des Staatsrechtes, des Verwaltungsrechtes und des Strafrechtes. Es besteht kein Anlass, bei der Berufung anders zu verfahren. Dies um so weniger, als eine Partei (oder ihr Anwalt) immer noch eine Parteiverhandlung beantragen kann; das Gericht wird sie bei begründetem Anlass ohne Zweifel anordnen. Zudem kann der Instruktionsrichter bei Bedarf eine Instruktionsverhandlung ansetzen und die Parteien damit in einer frühen Phase des Verfahrens zu Wort kommen lassen, was mehr bringt als eine Schlussverhandlung (Art. 90 OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 39 und 61 f. ) .

827

233.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren stiess der Vorschlag der Expertenkommission auf wenig Widerstand. Gegen den Vorschlag wenden sich insbesondere der Schweizerische Anwaltsverband und die Berufsverbände der Patentanwälte. Ihnen geht der Vorschlag der Expertenkommission zu weit; sie fordern, dass das Bundesgericht eine Parteiverhandlung stets anordnet, wenn eine Partei es beantragt.

233.4

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat übernimmt in der Sache den Vorschlag der Expertenkommission (Art. 62 Abs. l und 2 OG-Entwurf ) . Er sieht keinen Grund, die Berufung gegenüber ändern Rechtsmitteln, wie zum Beispiel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, zu privilegieren und damit das Bundesgericht weiterhin zu belasten.

234

Beschränkung der Angemessenheitskontrolle bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde

234.1

Geltende Regelung

Nach dem geltenden Recht (Art. 1O4 OG) kann der Beschwerdeführer mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht neben der Verletzung von Bundesrecht und der fehlerhaften Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts auch die Unangemessenheit rügen, und zwar in folgenden Fällen: 1. erstinstanzliche Verfügungen einschliesslich Einspracheentscheide über die Festsetzung von Abgaben oder öffentlichrechtlichen Entschädigungen; 2. Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal; 3. andere Verfügungen, soweit das Bundesrecht die Rüge der Unangemessenheit vorsieht.

828

234.2

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission schlug vor, die Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal künftig von der Angemessenheitskontrolle auszunehmen. Es handelt sich hier um eine Sonderregelung für Beamtensachen, und zwar in doppelter Hinsicht: Einmal bildet die Ueberprüfung der Angemessenheit ganz allgemein die Ausnahme; in der Regel wird die Angemessenheit vom Bundesgericht nicht überprüft. Sodann geniessen die Bundesbeamten eine Vorzugsbehandlung insbesondere gegenüber ändern öffentlichen Arbeitnehmern, die gegen Disziplinarstrafen die Rüge der Unangemessenheit nicht erheben können. Die Expertenkommission hielt eine solche Vorzugsbehandlung der Bundesbeamten nicht für gerechtfertigt (Art. 117 Bst. c OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 72).

234.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren wurde der Vorschlag der Expertenkommission zur Hauptsache von Verbänden der Arbeitnehmer abgelehnt. Die Gegner dieses Vorschlags betonen, dass eine Disziplinarstrafe einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsstellung des Beamten bedeute; daher sei es erforderlich, dass das Bundesgericht solche Strafen auch auf Angemessenheit überprüfen könne.

234.4

Vorschlag des Bundesrates

Trotz dieser Kritik schlägt der Bundesrat vor, das Bundesgericht künftig grundsätzlich von der Angemessenheitskontrolle zu befreien. Dies rechtfertigt sich überall dort, wo Vorinstanzen des Bundesgerichts den angefochtenen Entscheid bereits auf Angemessenheit überprüfen. In solchen Fällen besteht kein Grund, das Bundesgericht auch noch damit zu belasten. Demgemäss ist Artikel 104 Buchstabe c Ziffer 2 OG auf jene Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal zu beschränken, die der Bundesrat als erste Instanz verfügt und die unmittel-

829

bar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Ueber andere Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal wird künftig die eidgenössische Personalrekurskommission auf Beschwerde hin entscheiden und dabei die Angemessenheit überprüfen, soweit es um Streitfälle geht, die in letzter Instanz an das Bundesgericht weitergezogen werden können.

Zu streichen ist weiter Artikel 104 Buchstabe c Ziffer 3 OG, der andere Fälle vorbehält, für die das Bundesrecht die1 Rüge der Unangemessenheit vorsieht. Hier geht es um zwei Gesetze, nämlich um das Gewässerschutzgesetz (Art. 10; SR 814.20) und um das Filmgesetz (Art. 17; SR 443.1). Es betrifft dies Verfügungen, die aufgrund des Gewässerschutzgesetzes ergehen, sowie Verfügungen des Eidgenössischen Departementes des Innern über Kontingente und Einfuhrbewilligungen für Filme. Der Bundesrat sieht keinen Grund, in diesen Bereichen die Angemessenheitskontrolle weiterhin dem Bundesgericht aufzubürden.

Von der Angemessenheitskontrolle zu befreien ist ferner auch das Eidgenössische Versicherungsgericht (vgl. Ziff. 236.4 hiernach).

Ausnahmsweise wird das Bundesgericht künftig noch in jenen Fällen die Angemessenheit überprüfen, in denen keine Vorinstanz dies bereits getan hat (Art. 104 Bst. c OG-Entwurf).

Darnach wird das Bundesgericht auch künftig die Angemessenheit von Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal prüfen, soweit der Bundesrat als erste Instanz verfügt. Ferner wird das Bundesgericht weiterhin die Angemessenheit erstinstanzlicher Verfügungen anderer Behörden über die Festsetzung von Abgaben oder öffentlichrechtlichen Entschädigungen kontrollieren.

Praktisch wird diese Bestimmung allerdings nicht mehr von grosser Bedeutung sein; denn für den Hauptbereich, der heute darunter fällt, nämlich die indirekten Bundessteuern, Wird eine eidgenössische Rekurskommission geschaffen. Diese wird die Angemessenheit von Verfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung überprüfen und das Bundesgericht davon entla-

830

sten. Der Angemessenheitskontrolle des Bundesgerichts verbleiben dagegen beispielsweise erstinstanzliche Verfügungen von Departementen des Bundes über Gebühren, die unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Zu nennen sind ferner die Entscheide der eidgenössischen Schätzungskommissionen über Enteignungsentschädigungen, die ebenfalls der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen, ohne dass eine Mittelinstanz die Angemessenheit dieser Entscheide überprüft (Art. 77 Enteignungsgesetz; SR 711) .

235

Beschränkung der Schlussverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde

235.1

Geltende Regelung

Nach dem geltenden Recht ordnet der Präsident der urteilenden Abteilung im Falle von Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen die über Bundespersonal verhängten Disziplinarstrafen der Entlassung und der Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis stets eine mündliche Schlussverhandlung mit Parteivorträgen an. Bei Beschwerden gegen andere Verfügungen "kann der Präsident der urteilenden Abteilung eine Schlussverhandlung mit Parteivorträgen anordnen (Art. 112 OG).

235.2

Vorentwurf der Expertenkommission und Ergebnis des VernehmlassungsVerfahrens

Die Expertenkommission hielt diese Sonderregel zugunsten des Bundespersonals nicht für gerechtfertigt. Sie stellte daher das Bundespersonal in dieser Hinsicht den ändern Beschwerdeführern gleich und übernahm die obligatorische Schlussverhandlung in Beamtensachen nicht (Art. 124 OG-Vorentwurf und Bericht der Expertenkommission, S. 75).

831

Im Vernehmlassungsverfahren lehnten vor allem Verbände der Arbeitnehmer den Vorschlag der Expertenkommission ab.

235.3

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat hält am Vorschlag der Expertenkommission fest (Art. 112 OG-Entwurf). Auch er sieht keinen zwingenden Grund, das Bundesgericht weiterhin mit der Schlussverhandlung in Beamtensachen zu belasten. Dies um so weniger, als künftig eine Personalrekurskommission solche Streitfälle mit voller Kognition prüfen wird; das Bundesgericht wird sich demgegenüber grundsätzlich auf Rechtsfragen beschränken (Art. 1O5 Abs. 2 OG-Entwurf).

,236

Angleichung des Eigenössischen Versicherungsgerichts an das Bundesgericht

236.1

Geltende Regelung

Nach dem geltenden Recht verfährt das Eidgenössische Versicherungsgericht bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden grundsätzlich gleich wie das Bundesgericht. Wenn jedoch Versicherungsleistungen streitig sind, bestehen folgende Sonderregeln (Art. 132 und 134 OG): - der Beschwerdeführer kann auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung rügen; - die Feststellung des Sachverhaltes bindet das Eidgenössische Versicherungsgericht in keinem Falle; - das Eidgenössische Versicherungsgericht kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen; - das Gericht darf den Parteien in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen.

832

236.2

Vorentwurf der Expertenkommission

Die Expertenkommission schlug vor, in den vorgenannten Punkten das Eidgenössische Versicherungsgericht künftig dem Bundesgericht gleichzustellen (Art. 62, 117 Bst. c, 118, 127 Abs. l OG-Vorentwurf und Bericht, S. 72 f., 76 f., 93 f.).

Was die Angemessenheitskontrolle betrifft, sah die Expertenkommission keinen Anlass, das Eidgenössische Versicherungsgericht anders zu behandeln als das Bundesgericht. Dieses muss die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung künftig nur noch ausnahmsweise überprüfen (Art. 1O4 Bst. c OG-Entwurf; vgl. Ziff. 234.4 hiervor). Der Verzicht auf die Angemessenheitskontrolle, die das Eidgenössische Versicherungsgericht belastet, drängt sich daher bei Streitigkeiten um Versicherungsleistungen auf.

Dass sodann das Eidgenössische Versicherungsgericht an den Sachverhalt nicht gebunden ist, und zwar auch dann nicht, wenn ihn unabhängige Vorinstanzen festgestellt haben, weicht ebenfalls von der Regelung ab, die für das Bundesgericht gilt (Art. 105 Abs. 2 OG-Entwurf). Darin kommt ein Misstrauen gegenüber den unabhängigen Vorinstanzen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum Ausdruck, was jedoch nach Ansicht der Expertenkommission nicht begründet ist. Die unabhängigen Vorinstanzen dieses Gerichts sind so gut wie jene des Bundesgerichts in der Lage, den Sachverhalt richtig festzustellen; daher drängt es sich auf, die beiden Gerichte auch in dieser Hinsicht einander gleichzustellen und das Eidgenössische Versicherungsgericht von der Pflicht zu entbinden, den Sachverhalt in jedem Fall nachzuprüfen. Sollte der Sachverhalt im Einzelfall fehlerhaft ermittelt worden sein, so besteht auch unter dem neuen Recht durchaus die Möglichkeit, dies in klaren Fällen zu korrigieren (Art. 1O5 Abs. 2 OG-Entwurf).

Ferner sollte nach dem Vorschlag der Expertenkommission das Eidgenössische Versicherungsgericht künftig gleich wie das Bundesgericht an die Parteianträge gebunden werden. Diese Re^ gel ist im geltenden Recht bereits verankert; doch gilt sie

33 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd. II

833

praktisch nur für das Bundesgericht, und auch hier nicht ohne Ausnahme (Art. 114 Abs. l OG: Abgabestreitigkeiten). Für das Eidgenössische Versicherungsgericht verhält es sich bei Streitigkeiten um Versicherungsleistungen - die den grössten Teil der Beschwerdefälle ausmachen - gerade umgekehrt; hier ist der Richter in keinem Fall an die Parteianträge gebunden (Art. 132 Bst. c OG). Die Expertenkommission hielt die Freistellung des Richters von den Parteianträgen für sachlich nicht gerechtfertigt und übernahm sie deshalb nicht in den Vorentwurf; denn es bestehe kein triftiger Grund, in dieser Hinsicht die steuerrechtlichen und die versicherungsrechtlichen Verfügungen von den ändern Verfügungen zu unterscheiden (vgl. Böckli Peter, RAfQrma.tÌO_JJl_PSÌUS - oder der Schlag auf die hilfesuchende Hand, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 198O, S. 97 ff.).

Schliesslich schlug die Expertenkommission vor, die Kostenfreiheit für Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht grundsätzlich abzuschaffen. Dieser Vorschlag wird an anderer Stelle behandelt und daher im folgenden nicht weiter erörtert (vgl. Ziff. 214 hiervor).

236.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Vernehmlassungsverfahren wurden die Vorschläge der Expertenkommission von verschiedenen Seiten bekämpft. Die Gegner wenden ein, dass die vorgeschlagenen Neuerungen den Eigenheiten der Sozialversicherung nicht Rechnung tragen. Entscheide in diesem Bereich sind für die Betroffenen häufig von existenzieller Tragweite. Daher kommt es darauf an, dass der Bürger solche Entscheide mit einem wirksamen Rechtsmittel beim Eidgenössischen Versicherungsgericht anfechten kann.

Wirksam ist ein Rechtsmittel nur dann, wenn dieses Gericht den Sachverhalt und die Angemessenheit überprüfen kann. Dies deshalb, weil in der Sozialversicherung sich vorwiegend Tatund Ermessensfragen stellen; Rechtsfragen treten demgegenüber in den Hintergrund. Auch das Gebot der Rechtsgleichheit verlangt nach Kontrolle der Angemessenheit; denn die kantonalen

834

Vorinstanzen handhaben das Ermessen sehr verschieden, weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht eingreifen können soll. Gegen die Bindung des Richters an die Parteianträge wird zudem angeführt, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht künftig Fehlentscheide nicht mehr von Amtes wegen korrigieren kann; es kann nicht mehr von sich aus eingreifen, wenn zum Beispiel Leistungen der Sozialversicherung von der Vorinstanz z'u hoch oder zu tief festgesetzt wurden.

236.4

Vorschlag des Bundesrates

Trotz dieser Kritik übernimmt der Bundesrat in der Sache den Vorschlag der Expertenkommission (Art. 132 OG-Entwurf). Folgende Gründe veranlassen ihn dazu: Einmal werden diese Neuerungen ohne Zweifel zur Entlastung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts beitragen. Sodann bestehen keine derart grossen Unterschiede zwischen der Sozialversicherung und dem übrigen Bundesverwaltungsrecht; es rechtfertigt sich deshalb nicht, das Eidgenössische Versicherungsgericht anders zu behandeln als das Bundesgericht, was die Bindung an Sachverhalt und Parteianträge sowie die Angemessenheitskontrolle betrifft. Was im Vernehmlassungsverfahren dagegen eingewendet wird, vermag daran nichts zu ändern, sicher trifft es zu, dass Entscheide aus der Sozialversicherung für den Bürger oft von existenzieller Tragweite sind. Das gilt aber auch für andere Zweige des Bundesverwaltungsrechts.

24

Personelle Massnahmen

Die vorgeschlagenen Neuerungen (Erschwerungen und Beschränkungen des Zugangs zu den eidgenössischen Gerichten, Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte und Vereinfachung des Entscheidverfahrens) werden die eidgenössischen Gerichte ohne Zweifel spürbar entlasten.

Sie genügen .aber nicht. Vielmehr müssen auch personelle Massnahmen hinzutreten, die das Entlastungskonzept abrunden.

835

Diese Massnahmen setzen an bei den ausscheidenden Bundesrichtern, bei den Urteilsredaktoren sowie beim Dokumentationsdienst und beim Kanzleidienst der eidgenössischen Gerichte.

Die Zahl der ordentlichen Bundesrichter soll dagegen nicht weiter erhöht werden, falls die vorgenannten Massnahmen verwirklicht werden und die erwartete Entlastung bringen. Ferner ist hiefür vorauszusetzen, dass die Aufgaben der eidgenössischen Gerichte künftig nicht mehr erweitert werden und die Geschäftszahlen dieser Gerichte nicht unaufhaltsam weiter steigen.

Die Expertenkommission hat diesen Fragenkreis von einer Subkommission für Organisationsfragen abklären lassen. Der Bericht dieser Subkommission kam zum Schluss, dass ein angemessener personeller Ausbau vor allem des Bundesgerichts dringend notwendig ist. Im Vordergrund steht dabei nicht eine weitere Erhöhung der Zahl der Richter. Das Augenmerk ist vielmehr auf einen vermehrten Einsatz juristischer Mitarbeiter und auf den Ausbau des Kanzleidienstes zu richten. Diese Massnahmen sind nötig, um die Geschäftsabläufe an den beiden eidgenössischen Gerichten weiter zu rationalisieren (Bericht der Expertenkommission, S. 40 f.).

Im Vernehmlassungsverfahren fanden diese Anregungen der Expertenkommission überwiegend Zustimmung.

Im folgenden gehen wir kurz auf die in Frage kommenden Massnahmen ein.

241

Ausscheidende Bundesrichter

Mit Bundesbeschluss vom 23. März 1984 hat die Bundesversammlung die Zahl der Ersatzrichter des Bundesgerichts für die Zeit bis Ende 1988 auf 3O erhöht. Im gleichen Zug hat sie zudem beschlossen, ausscheidende Mitglieder des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht an die Höchstzahl der Ersatzrichter dieser Gerichte anzurechnen.

836

wenn sie als Ersatzrichter gewählt werden (Art. l und 2 des vorgenannten Bundesbeschlusses; SR 173 .110.l). Die Regelung steht seit dem 15. Juli 1984 in Kraft.

Der Bundesrat schlägt vor, diese Regelung über 1988 hinaus fortzuführen und sie deshalb in das OG aufzunehmen (Art. l Abs. 3 und 123 Abs. 2 OG-Entwurf) . Dass eine solche Lösung praktische Vorteile aufweist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Es ist denkbar, dass ein Richter nach seinem Ausscheiden aus dem Gericht bereit ist, noch eine zeitlich begrenzte Mitarbeit zu übernehmen; es erscheint sogar möglich, dass ein Richter seine hauptamtliche Tätigkeit früher aufgibt, um in der Folge noch während einer begrenzten Arbeitszeit für das Gericht tätig zu sein. Einem solchen Ersatzrichter, der den grossen Vorteil der gerichtlichen Erfahrung und der Kenntnis der Materie mit sich bringt, könnte es beispielsweise überlassen werden, seine ihm früher zugewiesenen eigenen Fälle abzuschliessen, die Rückstände auf einem bestimmten Rechtsgebiet aufzuarbeiten oder gewisse aufgrund neuer Gesetze sich abzeichnende Spezialfragen zu überprüfen.

Damit die Bundesversammlung auch dann ohne Verzug dende Bundesrichter als Ersatzrichter wählen kann, Höchstzahl der Ersatzrichter erreicht ist, sollen dende Bundesrichter an diese Zahl nicht angerechnet

242

ausscheiwenn die ausscheiwerden.

Urteilsredaktoren

Das Bundesgericht benötigt sowohl für eine speditive Erledigung im Annahmeverfahren als auch für die Beurteilung der anhand zu nehmenden Fälle eine ausreichende Zahl qualifizierter Gerichtsschreiber; diese sollen nicht nur "Urteilsredaktoren" sein, sondern auch die Bundesrichter nachhaltig in ihrer Arbeit unterstützen. Nur so wird sich eine Erhöhung der Zahl der Richter vermeiden lassen. Selbst wenn das Annahmeverfahren eingeführt und die verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen

837

ausgebaut werden, benötigt das Bundesgericht sechs neue Urteilsredaktoren (vgl. Ziff. 262.4 hiernach).

Der Bundesrat behält sich vor, zu gegebener Zeit dem Parlament auf dem Budgetweg die erforderlichen Stellen zu beantra-

gen.

243

Dokumentationsdienst und Kanzleidienst

Der Bestand des übrigen Personals beim Bundesgericht und beim Eidgenössischen Versicherungsgericht muss, insbesondere im Bereiche der Dokumentation und der elektronischen Datenverarbeitung, so erweitert werden, dass die Rechtsfindung möglichst erleichtert wird. Die dazu benötigten Stellen wird der Bundesrat ebenfalls zu gegebener Zeit mit dem Budget beantragen.

25

Zusammenfassung der vorgeschlagenen Neuerungen

251

Organisatorische und prozessuale Massnahmen

Die Neuerungen, die der Bundesrat vorschlägt, lassen sich stichwortartig wie folgt umreissen: - Ausdehnung der Dreierbesetzung des Gerichts (Art. 15 und 125 OG-Entwurf); - Ausdehnung des vereinfachten Verfahrens (Art. 36^ OG-Entwurf und Art. 135 OG); - Einführung des Annahmeverfahrens für das Bundesgericht und für das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 36b-36d^ OG-Entwurf und Art. 135 OG); - Erhöhung der Streitwertgrenzen für die zivilrechtliche Berufung und Klage sowie Ausdehnung auf vermögensrechtliche Zivilsachen (Art. 41, 42 Abs. l und 46 OG-Entwurf); - Beschränkung der mündlichen Parteiverhandlung bei der Berufung (Art. 62 OG-Entwurf);

838

- Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 86 OG-Entwurf ) ; - Ausbau der richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsgerichte (Art.

98a und 128 OG-Entwurf sowie Aenderung anderer Bundesgesetze} ; - Beschränkung der Angemessenheitskontrolle bei der Verwaltungsgerichtbeschwerde (Art. 1O4 Bst. c und 132 OG-Entwurf) ; - Beschränkung der mündlichen Schlussverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 112 und 132 OG-Entwurf); - Weitgehender Verzicht auf die verwaltungsrechtliche Klage zugunsten der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 116 und 117 Bst. c, 118 und 130 OG-Entwurf ),- Angleichung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an das Bundesgericht, was Kognition, Bindung an die Parteianträge und Kostenpflicht betrifft (Art. 132 und 134 OG-Entwurf) ; - Erhöhung der Gerichtsgebühren (Art. 149 ff. und 134 OGEntwurf; Art. 245 f. BStP-Entwurf).

252

Personelle Massnahmen

Die vorgenannten Neuerungen bilden Gegenstand dieser Botschaft. Hinzu kommen personelle Massnahmen, die der Bundesrat auf Vorschlag der eidgenössischen Gerichte dem Parlament zu gegebener Zeit mit dem Budget beantragen wird (Erhöhung der Zahl der Urteilsredaktoren, Ausbau des Dokumentationsdienstes und des Kanzleidienstes an den beiden eidgenössischen Gerichten) .

253

Annahmeverfahren als wichtigste Neuerung

Dem Konzept,

das der Bundesrat präsentiert, liegt die Er-

kenntnis zugrunde, dass es kein Allheilmittel zur Entlastung der Bundesrechtspflege gibt. Der Bundesrat hat daher Organi-

839

sation und Verfahren der Bundesrechtspflege Punkt für Punkt vorgenommen und unter dem Blickwinkel der Entlastung geprüft.

Dies ergab eine breite Palette von Einzelmassnahmen - ein Massnahmenbündel. Besonderes Gewicht kommt dabei dem Annahmeverfahren zu.

Dem Annahmeverfahren ist im Vernehmlassungsverfahren allerdings starker Widerstand erwachsen (vgl. Ziff. 211.4 hiervor). Dass diese Massnahme den Zugang zu den eidgenössischen Gerichten beschränkt, schmälert nach Ansicht vieler Vernehmlasser den Rechtsschutz des Bürgers über Gebühr. Der Bundesrat teilt diesen Standpunkt nicht. Doch kann man sich immerhin fragen, ob sich diese zusätzliche Beschränkung nicht zumindest in der Bundesverwaltung ein Stück weit ausgleichen liesse, indem die aussergerichtliche Erledigung von Streitigkeiten zwischen Bürger und Verwaltung erleichtert wird. Dazu könnte die Einführung des Ombudsmannes beitragen. Der Ombudsmann ist ein unabhängiges staatliches Organ, das dem Bürger im Verkehr mit der Verwaltung hilft und auf Korrektheit staatlichen Handelns hinwirkt. Gerade bei Fällen, in denen der Weg an die Gerichte nicht gangbar ist oder keine sachgerechte Lösung verspricht, könnte der leicht ansprechbare Ombudsmann in die Lücke springen. Bekanntlich hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement im April 1979 eine Vorlage zum Ombudsmann vorbereitet. Doch hat der Bundesrat in der Folge das Geschäft zurückgestellt, weil er es als nicht dringlich beurteilte. Daher sieht er davon ab, im Rahmen der OG-Revision Anträge zur Ombudsmann-Vorlage zu stellen. Er möchte jedoch nicht verfehlen, die Vorlage in diesem Zusammenhang in Erinnerung zu rufen.

;· Wegen des starken Widerstandes gegen das Annahmeverfahren scheint es dem Bundesrat ferner angezeigt, im Parlament auch andere - alternative - Entlastungskonzepte zur.Diskussion zu stellen, die auf das Annahmeverfahren verzichten.

840

26

Alternativen zum Konzept des Bundesrates

261

Mögliche Varianten

Das Konzept des Bundesrates (im folgenden Variante I) zeichnet sich vor allem durch das Annahmeverfahren aus. Alternative Lösungen verzichten demgegenüber auf eine solche Neuerung. Drei Varianten bieten sich an: Variante II: Kein Annahmeverfahren, aber trotzdem Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte. Ein solcher Ausbau brächte auch ohne Annahmeverfahren den eidgenössischen Gerichten eine gewisse Entlastung, wenngleich sie natürlich weniger weit geht als bei der Variante I mit Annahmeverfahren.

Variante III: Kein Annahmeverfahren und auch kein Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte. Im Bund und in den Kantonen würden bei dieser Variante keine richterlichen Behörden (Rekurskommissionen, Verwaltungsgerichte) geschaffen. Es würden somit einzig jene Entlastungsmassnahmen verwirklicht, die neben dem Annahmeverfahren und neben dem Ausbau der richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte vorgeschlagen werden und die den Varianten I, II und III gemeinsam sind. Es handelt sich sozusagen um den Grundstock der OG-Revision, der folgende Entlastungsmassnahmen umfasst (vgl. Ziff. 251 hiervor): - Ausdehnung der Dreierbesetzung des Gerichts, - Ausdehnung des vereinfachten Verfahrens, - Erhöhung und Ausdehnung der Streitwertgrenzen für die Zivilrechtspflege, - Beschränkung der mündlichen Parteiverhandlung bei der Berufung, - Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei der staatsrechtlichen Beschwerde, - Beschränkung der Angemessenheitskontrolle bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ,

841

- Beschränkung der mündlichen Schlussverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde , - Weitgehender Verzicht auf die verwaltungsrechtliche Klage, - Angleichung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an das Bundesgericht (Kognition, Bindung an die Parteianträge, Kostenpflicht), - Erhöhung der Gerichtsgebühren.

Schliesslich ist die Variante IV zu erwähnen: Darunter verstehen wir jene Lösung, die auf jegliche organisatorische und prozessuale Entlastungsmassnahmen der vorgenannten Art verzichtet und sich mit einem personellen Ausbau der eidgenössischen Gerichte begnügt.

262

Bewertung der Varianten

Im folgenden werden die vorgenannten Varianten verglichen, was die Entlastungswirkung sowie die finanziellen und personellen Folgen betrifft.

262.1

Variante IV

Das Bundesgericht geht von der Faustregel aus, dass es für 10O Streitfälle einen Bundesrichter braucht. Die 3O Richter, die das Gericht heute zählt, können also im Jahr rund 3OOO Fälle erledigen. Die Zahl der Eingänge erreichte 1984 rund 4OOO. Das heisst, dass das Gericht 10 neue Richter braucht, falls nicht andere Entlastungsmassnahmen ergriffen werden.

Die 15 ausserordentlichen Ersatzrichter, die bis Ende 1988 gewählt sind, vermögen daran nichts zu ändern; denn sie werden für den Abbau der Rückstände benötigt. Mit diesen neuen Bundesrichtern wird es nicht sein Bewenden haben. Vielmehr wird man auch die Zahl der Urteilsredaktoren erhöhen müssen.

Man rechnet auf 2 Bundesrichter mit 3 Urteilsredaktoren. Für 10 neue Richter werden also 15 neue Urteilsredaktoren benötigt. Ferner ist natürlich auch das Kanzleipersonal angemessen zu verstärken. Richter und Gerichtspersonal finden im

842

heutigen Gebäude des Bundesgerichts keinen

Platz mehr. Der

Bund wird daher einen Neubau erstellen müssen.

Die Kosten

eines solchen personellen Ausbaus

lassen sich -

ganz grob geschätzt - etwa wie folgt angeben: Pro Richter rechnet man mit einem Betriebsaufwand

von rund

SOO'OOO Franken im Jahr (1OO Fälle = SOO'OOO Franken); darin sind die Kosten für das Gerichtspersonal zehn

neuen

Richtern

ergibt

dies

eingeschlossen. Bei

Personalkosten

von

rund

5'000'000 Franken im Jahr. Hinzu kommen die einmaligen Kosten für den Neubau.

Beim Eidgenössischen Versicherungsgericht kann man grundsätzlich mit den gleichen Erfahrungszahlen rechnen wie beim Bundesgericht. Allerdings

liegt die

Zahl

der

Streitfälle

pro

Richter etwas höher als beim Bundesgericht, weil sich - zumindest bisher

- mehr

Routinefälle

ergaben. Bei rund

125O

Eingängen im Jahr wird dieses Gericht drei bis vier neue Bundesrichter benötigen. Dies einmal deshalb, weil die Prozessdauer am Eidgenössischen Versicherungsgericht immer noch zu lang ist und unbedingt verkürzt werden muss. Zudem kommen in den

nächsten

Jahren

ganz

neue

Fragen

von

grundsätzlicher

Tragweite auf das Gericht zu (Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, berufliche Vorsorge). Diese Fragen zu klären erfordert einen bedeutend grössern Aufwand. Pro Richter rechnet man am Eidgenössischen Versicherungsgericht mit zwei Urteilsredaktoren, was sechs bis acht zusätzliche Urteilsredaktoren und natürlich auch zusätzliches Kanzleipersonal bedeutet. Auch müsste der Bund umbauen oder neu bauen, weil das Gebäude des Gerichts keine Platzreserven mehr aufweist.

Die Kosten eines solchen personellen Ausbaus des Eidgenössischen Versicherungsgerichts lassen sich grob wie folgt schätzen: Die drei bis vier neuen Richter werden - mit dem übrigen Personal - gesamthaft 2'000'000 Franken kosten. Hinzu kommen die einmaligen Kosten für den Umbau oder Neubau.

843

Für beide Gerichte zusammen belaufen sich somit allein schon die wiederkehrenden Personalkosten, die aus dem unvermeidlichen Ausbau entstehen, auf rund 7'000'000 Franken im Jahr.

Die vorstehenden Berechnungen gründen auf der Annahme, dass die eidgenössischen Gerichte ausschliesslich durch personelle Massnahmen entlastet werden (Variante IV) . Im folgenden ist zu prüfen, wieweit die Varianten I, II und III den personellen Ausbau zu bremsen vermögen.

262.2

Variante III

Bei der Variante III (kein Annahmeverfahren und auch kein Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte) würden die eidgenössischen Gerichte ausschliesslich durch Massnahmen entlastet, die als Grundstock bei allen Varianten vorgesehen sind (etwa Ausdehnung des vereinfachten Verfahrens). Das Ausmass der Entlastung wird nach den bisherigen Erfahrungen als eher gering veranschlagt; denn diese Massnahmen sind nicht geeignet, die Zahl der Streitfälle spürbar zu vermindern, die an die Gerichte gelangen. Immerhin dürfte sich für das Eidgenössische Versicherungsgericht das Bild etwas aufhellen, falls die vorgeschlagenen Kognitionsbeschränkungen verwirklicht werden (Art. 104 Bst.

c, 105 Abs. 2 und 132 OG-Entwurf). Darnach müsste das Eidgenössische Versicherungsgericht künftig in Streitigkeiten über Versicherungsleistungen die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung grundsätzlich nicht mehr überprüfen. Gleiches gälte auch für den Sachverhalt, wenn richterliche Behörden als Vorinstanzen entschieden haben. Weil schon heute dem Eidgenössischen Versicherungsgericht über weite Strecken richterliche Behörden vorgeschaltet sind, würden die erwähnten Kognitionsbeschränkungen dieses Gericht ohne Zweifel entlasten. Anders verhält es sich dagegen bei der Verwaltungsrechtspflege des Bundesgerichts: Hier werden diese Kognitionsbeschränkungen sich nur dann spürbar auswirken, wenn die richterlichen Vorinstanzeni des Bundesgerichts ausgebaut werden. In diese Richtung zielt die Variante II (Ziff. 262.3 hiernach).



844

Unter diesen Umständen wird man bei jedem Gericht ungefähr auf einen der zusätzlich benötigten Richter verzichten können. Das bedeutet für das Bundesgericht neun neue Richter (statt der an und für sich zehn benötigten) und für das Eidgenössische Versicherungsgericht zwei bis drei neue Richter (statt der drei bis vier benötigten). Hinzu käme zusätzliches Gerichtspersonal (Urteilsredaktoren, Kanzleidienste). Die wiederkehrenden Kosten .dafür belaufen sich auf 6'000'000 Franken. An beiden Gerichten wären zudem Um- oder Neubauten erforderlich.

262.3

Variante II

Die Variante II (kein Annahmeverfahren, aber Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte sowie weitere Entlastungsmassnahmen) wird vor allem das Bundesgericht entlasten, und zwar aus zwei Gründen: - Zum einen entbinden richterliche Vorinstanzen das Bundesgericht grundsätzlich von der Pflicht, im einzelnen Streitfall den Sachverhalt nachzuprüfen (Art. 1O5 Abs. 2 OG-Entwurf; Kognitionsbeschränkung). Je mehr solche Vorinstanzen geschaffen werden, desto stärker wird das Bundesgericht sich auf die Prüfung der Rechtsfragen beschränken können.

- Zum ändern ist erfahrungsgemäss damit zu rechnen, dass richterliche Vorinstanzen eine Filterwirkung ausüben und daher einen Teil der Streitfälle auffangen, die sonst an das Bundesgericht gelangen. Dies kann dazu beitragen, die Zahl der Eingänge zu vermindern.

1984 sind beim Bundesgericht 716 Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Entscheide kantonaler und eidgenössischer Vorinstanzen eingegangen. Man darf vermuten, dass es dank der Filterwirkung neuer richterlicher Vorinstanzen vielleicht 150 Beschwerden weniger gewesen wären und zudem das Gericht die übrigen,Beschwerden dank der Beschränkung auf die Rechtskontrolle mit spürbar geringerem Zeitaufwand hätte erledigen

845

können. Unter diesen Voraussetzungen Hessen sich am Bundesgericht vermutlich drei weitere Richter einsparen; dieses würde somit noch mindestens sechs neue Richter benötigen.

Damit Könnte eine dritte öffentlichrechtliche Abteilung gebildet werden. Am Eidgenössischen Versicherungsgericht liesse sich ein weiterer Richter einsparen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht würde somit noch einen bis zwei neue Richter benötigen.

Die wiederkehrenden Kosten belaufen sich bei dieser Variante für beide eidgenössischen Gerichte zusammen auf 4"000'000 Franken. Auch in diesem Fall wäre an beiden Gerichten zusätzliches Personal (Urteilsredaktoren, Kanzleipersonal) einzustellen; zudem wären bauliche Massnahmen nötig.

Bei dieser Variante sind überdies die Kosten für die vorgeschlagenen neuen Rekurskommissionen in Rechnung zu stellen.

Dabei sind vorab die Personalkosten ins Auge zu fassen. Um diese zu ermitteln, empfiehlt es sich, die Kosten bestehender Rekurskommissionen heranzuziehen. Aufgrund dieser Zahlen ist damit zu rechnen, dass die Erledigung eines Beschwerdefalles im Durchschnitt mindestens 150O Franken kosten wird. Dieser Betrag ist mit der erwarteten Zahl von Beschwerdefällen zu multiplizieren. In jenen Materien, die den neuen Rekurskommissionen zugewiesen werden sollen, hatten die eidgenössischen Gerichte 1984 rund 130 Neueingänge zu verzeichnen, die aus der Bundesverwaltung stammen. Immerhin liegt die Annahme nahe, dass sie in diesen Materien häufiger angerufen würden als die eidgenössischen Gerichte und anstatt 13O Geschäfte vielleicht deren 3OO zu erledigen hätten. Dies hätte, bei den besagten 1500 Franken je Erledigung, Personalkosten von schätzungsweise mindestens 450'OOO Franken zur Folge.

Ausserdem bedürfte rund ein Dutzend bestehender eidgenössischer Rekurskommissionen einer Reorganisation, um dem geplanten gesetzlichen Standard zu entsprechen. Die daraus erwachsenden Personalmehrkosten lassen sich zurzeit nur approximativ schätzen. Würden sie ebenfalls mit 450'OOO Franken jährlich in Anschlag gebracht, so käme man für den Komplex der

846

eidgenössischen Rekurskommissionen auf revisionsbedingte Personalmehrkosten von rund l'000'000 Franken. Hinzu kämen Sachkosten (etwa für Miete von Büroräumen).

Die gesamten Personalkosten (Wahl neuer Richter, Bildung neuer Rekurskommissionen) würden sich somit auf rund S'OOO'OOO Franken belaufen.

262.4

Variante I

Die Variante I (Einführung des Annahmeverfahrens und Ausbau dei- verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte sowie weitere Entlastungsmassnahmen) wird die beiden eidgenössischen Gerichte am meisten entlasten. Dies einmal wegen des Ausbaues der richterlichen Vorinstanzen, von dessen Auswirkungen bereits die Rede war (Beschränkung der gerichtlichen Prüfung in letzter Instanz auf Rechtsfragen, Filterwirkung der Vorinstanzen; vgl. Ziff. 262.3 hiervor). Hinzu tritt die spezifische Entlastungswirkung des Annahmeverfahrens. Sie besteht darin, dass das Gericht nur noch Streitfälle von erheblicher Bedeutung materiell entscheiden und auf andere Sachen nicht mehr eintreten muss. Diese Entscheide werden nur summarisch begründet (Art. 36a. Abs. 3 OG-Entwurf).

Es ist anzustreben, bei der Einführung des Annahmeverfahrens die Zahl der Richter beider eidgenössischer Gerichte nicht weiter zu erhöhen. Bei den Urteilsredaktoren hält das Bundesgericht es dagegen für ausgeschlossen, auf die Dauer jene sechs Urteilsredaktoren abzubauen, die vorderhand bis Ende 1988 bewilligt worden sind. Dieses Ziel - keine weitere Erhöhung der Richterzahlen - lässt sich aber nur erreichen, wenn das Parlament den heutigen Aufgabenbereich beider Gerichte nicht weiter ausdehnt, die Geschäftszahlen an den Gerichten nicht unentwegt weiter steigen und die eidgenössischen Gerichte die Erheblichkeit der Streitfälle in einer der summarischen Natur des Annahmeverfahrens angemessenen Form prüfen

847

werden. Zudem ist hiefür weiter erforderlich, dass die in Ziffer 25 hiervor genannten Massnahmen verwirklicht werden und die erwartete Entlastung bringen.

Die Kosten der Variante I sind demgemäss - grob geschätzt wie folgt anzusetzen: Der Ausbau der Rekurskommissionen im Bund wird jährlich mindestens l'000'000 Franken kosten (vgl.

Ziff. 262.3 hiervor). Dazu kommen die Kosten für die sechs Urteilsredaktoren des Bundesgerichts (6 x 90'OOO Franken Jahresbrutto = rund 600'000 Franken). Gesamthaft ergibt dies somit Personalkosten von l'600'000 Franken. Kosten für bauliche Massnahmen an den eidgenössischen Gerichten dürften keine anfallen, weil die zusätzlichen Urteilsredaktoren des Bundesgerichts in jenem Pavillon untergebracht werden können, der zurzeit im Innenhof des Bundesgerichts errichtet wird. Dagegen ist mit zusätzlichen Sachkosten für die Rekurskommissionen zu rechnen.

263

Ergebnis

263.1

Kosten der vier Varianten

Die Kosten der verschiedenen Varianten für den Bund lassen sich provisorisch und vorsichtig wie folgt schätzen: '(Annahmeverfahren und Ausbau der richterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte sowie weitere Entlastungsmassnahmen) : Personalkosten; mindestens l'600'000 Franken jährlich.

Sachkosten: - für die Rekurskommissionen.

- keine Baukosten in Lausanne und Luzern (Bundesgericht und Eidgenössisches Versicherungsgericht) .

- Variante I

848

- Variante II

(kein

Annahmeverfahren,

verwaltungsrichterlichen

Ausbau

der

Vorinstanzen

aber

der

eidgenössischen Gerichte sowie weitere Entlastungsmassnahmen): Personalkosten: rund 5'000'000 Franken Sachkosten:

jährlich.

- für die Rekurskommissionen.

- Baukosten

in Lausanne

und

Luzern.

Un-

ter der Voraussetzung, dass der Gerichtsbetrieb wie bis

anhin unter

einem

Dach

bleibt, kosten am Bundesgericht 18 bis 2O neue Arbeitsplätze schätzungsweise mehrere Millionen Franken, am Eidgenössischen Versicherungsgericht

etwa

acht

Arbeits-

plätze mehrere Hunderttausend Franken.

- Variante III

(kein Annahmeverfahren und kein Ausbau der richterlichen

Vorinstanzen,

aber

andere

Entlastungsmassnahmen): Personalkosten : 6'OOO'ODO Franken jährlich.

Sachkosten: Baukosten in Lausanne (schätzungsweise mehrere Millionen Franken) und Luzern zungsweise

mehrere

Hunderttausend

(schätFran-

ken) .

Variante IV

Personalkosten Sachkosten:

(nur personeller Ausbau der eidgenössischen Gerichte, keine anderen Entlastungsmassnahmen) : 7'OQO'OOO Franken jährlich.

Baukosten in Lausanne (schätzungsweise mehrere Millionen Franken) und Luzern (schätzungsweise mehrere Hunderttausend Franken) .

849

263.2

Personeller Ausbau der eidgenössischen Gerichte

Je weniger organisatorische und prozessuale Entlastungsmassnahmen die OG-Revision bringt, desto stärker beiden

eidgenössischen

Gerichte

personell

wird man die

ausbauen

müssen.

Desto höher werden auch die Personalkosten und Baukosten anzusetzen sein. Zudem ist zu beachten, dass diesem personellen Ausbau nach oben keine Grenzen gesetzt werden können: Wenn in Zukunft die Geschäftszahlen

an den eidgenössischen Gerichten

weiter steigen, was zu erwarten ist, so wird das Parlament laufend die Zahl der Richter und des Personals erhöhen müssen. Dies wird zu neuen Personalkosten und Baukosten führen, die sich heute noch nicht abschätzen lassen.

263.3

Qualität der Rechtsprechung

Je mehr Richter die eidgenössischen

Gerichte zählen,

desto

schwieriger wird es sein, eine einheitliche und widerspruchsfreie Gerichtspraxis durchzuhalten. Um die Rechtsprechung zu koordinieren, werden die Gerichte einen Arbeitsaufwand

be-

treiben müssen, der erfahrungsgemäss stärker steigen wird als die Zahl der Richter. Dies bedeutet, dass die Gerichte einen stets wachsenden Anteil ihrer Kräfte auf die Koordination der Rechtsprechung verwenden müssen, ohne Zersplitterung

der

Rechtsprechung

dass die Gefahr

wirklich

gebannt

der

werden

kann. Dass darunter Rechtseinheit und Rechtssicherheit leiden werden, ist nicht leichthin von der Hand zu weisen.

263.4

Gesamtwürdigung

Die Varianten II, III und IV führen zu einem erheblichen personellen Ausbau und zu beträchtlichen Mehrkosten. Sie gefährden zudem - zumindest auf längere Sicht - die Qualität der Rechtsprechung. Daher spricht sich der Bundesrat für die Variante I aus, also für die Einführung des Annahmeverfahrens

850

und für den Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte auf der Stufe des Bundes und der Kantone.

3

Abschreibung parlamentarischer Vorstösse

Die Revision des OG erlaubt es, parlamentarische Vorstösse als gegenstandslos abzuschreiben (vgl. Ziff. 132 und Einleitung) . Diese lassen sich vom Gegenstand her in folgende Gruppen gliedern:

31

Staatsrechtliche Beschwerde

Die erste und grösste Gruppe beschlägt die staatsrechtliche Beschwerde (Motion Cadruvi, Postulate Bachmann, Caroni, Grobet und Bratschi). Die Gruppe lässt sich wiederum in zwei Untergruppen gliedern, was die Stossrichtung betrifft.

311

Abbau prozessualer Schranken

Die eine Untergruppe zielt darauf ab, für den Bürger die staatsrechtliche Beschwerde zu erleichtern (Motion Cadruvi, Postulate Bachmann und Caroni). Die Beschwerdelegitimation des Bürgers und die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts sollen erweitert und die formellen Schranken abgebaut werden.

Den Anliegen dieser Vorstösse hat das Bundesgericht in seiner Praxis Rechnung getragen (vgl. Ziff. 122 hiervor). Es besteht daher für den Gesetzgeber heute Kein Anlass, darüber hinauszugehen, zumal dem Bundesgericht daraus eine zusätzliche Belastung erwüchse.

312

Schutz tatsächlicher oder öffentlicher Interessen

Die andere Untergruppe will die staatsrechtliche Beschwerde auch für Beschwerdeführer öffnen, die tatsächliche oder öf-

851

fentliche Interessen wahren (Postulate Grobet und Bratschi).

So soll beispielsweise die kantonale Regierung einen Entscheid des Verwaltungsgerichts anfechten können, der - zumindest aus der Sicht der Regierung - dem öffentlichen Interesse (etwa der Volksgesundheit) widerspricht. Für die Wahrung solcher Interessen wären auch private Verbände zur staatsrechtlichen Beschwerde zuzulassen.

Die staatsrechtliche Beschwerde ist von der Verfassung her dem Bürger vorbehalten, der eine Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte rügen will (Art. 113 Abs. l Ziff. 3 BV) .

Es geht also um den Schutz verfassungsmässiger Rechte, die dem Bürger gegenüber dem Staat zustehen. Die staatsrechtliche Beschwerde kann daher nicht dem Schutz tatsächlicher oder öffentlicher Interessen dienen, auch wenn diese im Einzelfall noch so bedeutungsvoll erscheinen mögen.

Insbesondere kann die staatsrechliche Beschwerde nicht dazu herhalten, eine kantonale Regierung vor Willkür einer kantonalen Justizbehörde zu schützen (BGE 99 la 110 E.l). Das Bundesgericht mischt sich daher in der Regel nicht in innerkantonale Organstreite ein, die dem kantonalen Recht entspringen; ausgenommen sind einzig Fälle, da der Beschwerdeführer ein Privater - im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren behauptet, die kantonalen Zuständigkeitsvorschriften seien willkürlich angewendet worden (BGE 95 I 239 E.5). Ein eigentlicher Organstreit liegt aber vor, wenn eine Kantonsregierung den Entscheid ihres obersten Rechtspflegeorgans anficht. Das Bundesgericht würde im Grund zum kantonalen Staatsgerichtshof, wenn es sich damit befassen müsste. Damit würde ihm eine Aufgabe Überbunden, welche die Kantone ohne Zweifel selber lösen können und müssen.

Der Bundesrat lehnt .es aus diesen Gründen ab, die staatsrechtliche Beschwerde zur Wahrung tatsächlicher oder öffentlicher Interessen zu öffnen (in diesem Sinne auch Auer Andreas, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Basel und Frankfurt am Main 1983, S. 283 f., und Kölz Alfred, Die Vertretung des öffentlichen Interesses in der Verwaltungs-

852

rechtspflege. Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 1985, S. 59). Dazu besteht um so weniger Anlass, als eine solche Neuerung zu einer schwer abschätzbaren Mehrbelastung des Bundesgerichts führen würde.

32

Ueberprüfung des Sachverhalts bei der zivilrechtlichen Berufung

Der zivilrechtlichen Berufung gilt das Postulat Aider (Punkt 1). Dieses will - soweit es das OG betrifft - das Bundesgericht dazu verpflichten, in kartellrechtlichen Zivilverfahren auch die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz zu überprüfen und zu diesem Zweck die erforderlichen Beweismassnahmen zu treffen. Ferner sollen die Parteien vor Bundesgericht neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen können, wenn sie dieselben im kantonalen Verfahren nicht geltendmachen konnten oder dazu kein Anlass bestand. Damit soll vermieden werden, dass das Bundesgericht Kartellsachen zur Ergänzung des Sachverhalts an die kantonale Vorinstanz zurückweisen muss, was die Verfahren verlängert.

Dieser Vorschlag deckt sich im wesentlichen mit der besonderen Ordnung, die beim Patentprozess herrscht (Art. 67 OG). Er weicht jedoch von der allgemeinen Regelung ab, die für die zivilrechtliche Berufung gilt. Danach ist das Bundesgericht an den Sachverhalt gebunden, den die kantonale Vorinstanz festgestellt hat, und überprüft daher grundsätzlich nur die richtige Anwendung des Bundesrechts (Art. 43 und 63 Abs. 2 OG) . Der Bundesrat sieht keinen Anlass, in Kartellsachen von dieser Regel abzuweichen. Die Verhältnisse beim Patentprozess liegen anders als beim Kartellprozess, weshalb sich daraus für dieses Verfahren nichts ableiten lässt. Es ist zwar richtig, dass Zeit verloren geht, wenn das Bundesgericht einen Kartellfall zur Ergänzung des Sachverhalts an die kantonale Vorinstanz zurückweisen muss. Das trifft jedoch nicht bloss hier, sondern auch für andere Zivilstreitigkeiten zu, wenn das Bundesgericht den Sachverhalt nicht selber ergänzen kann.

Falls dies den Ausschlag gäbe, müsste folgerichtig nicht

853

bloss in Kartellsachen, sondern in vielen ändern Bereichen der Zivilrechtspflege das Bundesgericht verpflichtet werden, den Sachverhalt zu überprüfen. Zu denken ist namentlich an jene Bereiche, wo - wie in Kartellsachen - eine rasche Streiterledigung geboten ist. Für eine solche Neuerung besteht kein Grund, auch nicht in Kartellsachen; denn gerade hier wird dem Bedürfnis nach rascher Streiterledigung schon heute Rechnung getragen. Nach dem geltenden Recht entscheidet nämlich in zivilen Kartellstreitigkeiten eine einzige kantonale Instanz - dies im Gegensatz zu ändern Zivilstreitigkeiten, wo zwei kantonale Instanzen die Regel bilden (vgl. Art.

7 Abs. l Kartellgesetz, SR 251) .

33

Beschränkung der Oeffentlichkeit

Das Postulat Ueltschi (Bst. c) will - soweit es das OG betrifft - dem Richter die Möglichkeit geben, das Publikum vom Verfahren (zumindest bis zum Urteil) auszuschliessen, wenn die Publikumsöffentlichkeit zu einer Publizität führt oder führen könnte, die nur einer Partei dient oder einer Partei ohne Rücksicht auf die Rechtslage schadet.

Nach dem geltenden Recht sind die Parteiverhandlungen, Beratungen und Abstimmungen der eidgenössischen Gerichte öffentlich, ausgenommen die Beratungen und Abstimmungen der strafrechtlichen Abteilungen, der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer und, wenn es sich um Disziplinarsachen handelt, der öffentlichrechtlichen Abteilungen sowie des Eidgenössischen Versicherungsgerichts. In Steuersachen dürfen nur die Parteien und ihre Vertreter den Verhandlungen, Beratungen und Abstimmungen beiwohnen. Wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten ist oder das Interesse eines Beteiligten es erfordert, kann die Oeffentlichkeit durch Gerichtsbeschluss ganz oder teilweise ausgeschlossen werden (Art. 17 OG).

Daraus erhellt, dass das Anliegen des Postulates Ueltschi (Bst. c) bereits im geltenden Recht erfüllt ist; wenn das In--

854

teresse eines Beteiligten es erfordert, kann die Oeffentlichkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Daher besteht kein Grund, hier etwas zu ändern.

34

Landesinterner Vollzug der Urteile von Organen der Europäischen Menschenrechtskonvention

Auf dieses Problem, mit dem sich das Postulat Reiniger befasst, gehen wir später ein (vgl. Ziff. 41 hiernach).

35

Beschränkung des Zugangs zu den eidgenössischen Gerichten

Die Motion des Nationalrates (Petitions- und Gewährleistungskommission) lädt den Bundesrat ein, die nötigen Gesetzesänderungen vorzulegen, um den Weiterzug an die eidgenössischen Gerichte einzuschränken und damit diese Gerichte wirksam und dauernd zu entlasten und aufzuwerten; berechtigte Rechtsschutzinteressen des Bürgers dürfen jedoch nicht beeinträchtigt werden. Dieser Motion entspricht der Bundesrat insbesondere mit dem Vorschlag, für beide eidgenössischen Gerichte das Annahmeverfahren einzuführen (vgl. Ziff. 211.6 hiervor).

36

Verwaltungsverfahren

Drei weitere Vorstösse betreffen das Verwaltungsverfahren.

361

Entlastung des Bundesrates als Beschwerdeinstanz

Das Postulat Schürmann geht von der Feststellung aus, dass der Bundesrat nach wie vor in beträchtlichem Ausmass mit Beschwerdesachen belastet ist. Der Bundesrat wird ersucht, diesen Zustand zu überprüfen und eine Vorlage mit folgenden Aenderungen einzubringen:

855

a. Aufhebung der Zuständigkeit der Departemente als Beschwerdeinstanz in jenen Fällen, in denen die Beschwerde an den Bundesrat zulässig ist; b. Schaffung einer zentralen Rekursbehörde - allenfalls mit einem vollamtlichen Vorsitzenden - die anstelle des Bundesrates entscheidet.

Der Bundesrat lehnt diese Vorschläge ab, und zwar aus folgenden Gründen: - Bei jenen Sachen, die heute in letzter Instanz vom Bundesrat auf Beschwerde hin zu überprüfen sind, handelt es sich weitgehend um sogenannte Regierungs- und andere typische Ermessensakte. Streitigkeiten in diesen Materien eignen sich nicht für die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts, die in erster Linie der Rechtskontrolle dient; dieses würde zudem dadurch stärker belastet.

- Die neue Beschwerdeinstanz, die dem Postulat vorschwebt, wäre im Grunde eine Rekurskommission, die endgültig entscheidet. Das aber ist nicht unbedenklich, soweit es um sogenannte Regierungsakte geht. Es würde nämlich - auf den einfachsten Nenner gebracht - die Gefahr einer Nebenregierung in sich bergen. Der Bundesrat kann daher nicht Hand dazu bieten, sich selber als Beschwerdeinstanz restlos auszuschalten.

- Soweit es jedoch nicht um Regierungsakte geht, wird die OG-Revision den Bundesrat als Beschwerdeinstanz ein Stück weit entlasten und damit das Postulat immerhin teilweise erfüllen. Dies überall dort, wo neu eidgenössische Rekurskommissionen über Beschwerden entscheiden werden, die bisher in letzter Instanz der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat unterlagen. Dieser Weg wird künftig verschlossen sein; denn gegen Entscheide eidgenössischer Rekurskommissionen steht die Beschwerde an den Bundesrat nicht offen (Art. 74 Est. c Verwaltungsverfahrensgesetz; VwVG). Eine gewisse Entlastung des Bundesrates ist vor allem bei Be-

856

schwerden aus dem Aufgabenbereich des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes zu erwarten (Aenderung anderer Erlasse, Ziff. 111/34 ff. im Anhang zum OG-Entwurf).

362

Verschärfung der Ausstandsregeln

Dem Ausstand des Vorstehers des beschwerdebeklagten Departementes im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesrat gilt eine Motion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates aus dem Jahre 1977. Die Motion lautet wie folgt: "Der Bundesrat wird eingeladen, eine Revision des 4.

Abschnittes des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren einzuleiten mit dem Ziel, im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesrat eine Gleichstellung des Beschwerdeführers mit der Vorinstanz sicherzustellen. Dabei wird nötigenfalls in Artikel 76 VwVG vorzusehen sein, dass der Vorsteher des beschwerdebeklagten Departements bei der Beratung und Entscheidung der Beschwerde ohne beratende Stimme in Ausstand zu treten hat; die Rechte der Vorinstanz sind dabei ausschliesslich nach Artikel 57 VwVG zu bestimmen. " Die Expertenkommission trug dieser Motion in Artikel 76 VwVG ihres Vorentwurfs Rechnung. Sie schlug vor, das Mitglied des Bundesrates, gegen dessen Departement sich die Beschwerde an den Bundesrat richtet, zum Ausstand zu verpflichten; das betreffende Departement kann sich am Verfahren nur im Rahmen des Sch'riftenwechsels beteiligen, wird also vom verwaltungsinternen Mitberichtsverfahren ausgeschlossen, das dem Entscheid des Bundesrates vorausgeht.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde dieser Neuerung nicht opponiert.

Der Bundesrat übernimmt den Vorschlag der Expertenkommission, allerdings nicht in allen Teilen. Wie die Expertenkommission hält der Bundesrat es für richtig, dass jenes Mitglied des Bundesrates, gegen dessen Departement sich die Beschwerde an

857

den Bundesrat richtet, in der Beschlussfassung über den Antrag des instruierenden Departementes in den Ausstand tritt.

Dagegen geht der Bundesrat nicht so weit wie die Expertenkommission, was die Teilnahme des beschwerdebeklagten Departementes am verwaltungsinternen Mitberichtsverfahren betrifft.

Das Anliegen der Motion lässt sich nämlich verwirklichen, ohne das beschwerdebeklagte Departement vom Mitberichtsverfahren auszuschliessen: Wenn das beschwerdebeklagte Departement in diesem Verfahrensabschnitt neue tatsächliche oder rechtliche Vorbringen anführt, setzt der Bundesrat den Entscheid aus; der Beschwerdeführer, allfällige Gegenparteien oder andere Beteiligte sind diesfalls zu den neuen Vorbringen anzuhören (Art. 76 VwVG-Entwurf).

363

Fristenstillstand im Verwaltungsverfahren

Das Postulat Meier' Josi befasst sich mit dem Fristenstillstand im Verwaltungsverfahren. Es verlangt, zum Schütze der Rechtsuchenden sei in bundesrechtlich geregelten Verwaltungsverfahren für die Fristen ein Stillstand (Gerichtsferien) vorzusehen, der zeitlich an die Bestimmungen des OG anknüpft.

Die Expertenkommission schlug vor, einen neuen Artikel 22bis in das Verwaltungsverfahrensgesetz einzufügen, der dem Postulat entspricht.

Im Vernehmlassungsverfahren fand dieser Vorschlag überwiegend Zustimmung, soweit sich die Teilnehmer dazu überhaupt äusserten.

Der Bundesrat beantragt, in diesem Sinne das Verwaltungsverfahrensgesetz zu ergänzen (Art. 22a VwVG-Entwurf).

858

37

Sonderregeln für Massenverfahren

Schliesslich benutzt der Bundesrat die Gelegenheit der OG-Revision, um Sonderregeln für Massenverfahren vorzuschlagen.

Unter Massenverfahren sind Verwaltungsverfahren zu verstehen, die sich durch eine grosse Anzahl von Parteien kennzeichnen.

Dieser Vorschlag geht allerdings nicht auf einen eigentlichen parlamentarischen Vorstoss (Motion, Postulat) zurück. Immerhin hat aber die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates dem Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement am 6. Juli 1984 geschrieben und angeregt, Möglichkeiten zur Konzentration von Verwaltungsverfahren, insbesondere der Massenverfahren, zu prüfen.

371

Mängel der geltenden Regelung

Schon das geltende Verwaltungsverfahrensgesetz kennt eine Sonderregel für Massenverfahren. Sie sieht vor, dass die Behörde ihre Verfügungen durch Veröffentlichung in einem amtlichen Blatt eröffnen kann, wenn es um eine Sache mit einer grossen Anzahl von Parteien geht, die sich ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht vollzählig bestimmen lassen (Art. 36 Bst. c VwVG) . In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass diese Bestimmung nicht genügt. Sie befasst sich allein mit der Eröffnung von Verfügungen, nicht jedoch mit dem Verfahren, das der Eröffnung vorangeht. Auch für diesen Verfahrensabschnitt sind jedoch Sonderregeln für Massenverfahren nötig.

Zu denken ist zum Beispiel an Bewilligungen im Zusammenhang mit Kernkraftwerken, Nationalstrassenbau, Lagerung radioaktiver Abfälle oder Bau von Eisenbahnlinien.

372

Vorschlag des Bundesrates

Es wäre nicht zweckmässig, Sonderregeln überall dort in Spezialgesetze einzubauen, wo es zu Massenverfahren kommen kann.

Daher schlägt der Bundesrat Vor, gemeinsame Regeln für Massenverfahren in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmen.

859

Die Neuerungen zielen darauf ab, bei Massenverfaiiren den Verkehr zwischen Behörden und Parteien zu vereinfachen und damit den Zeit- und Arbeitsaufwand zu senken. Dies lässt sich erreichen, indem namentlich der Vertretungszwang eingeführt und die amtliche Publikation zur vorgängigen Anhörung der Parteien sowie zur Eröffnung von Verfügungen erleichtert werden (Art. Ila, 30a, 36 Bst. c und d sowie 46 Est. f und g VwVGEntwurf ) .,

4

Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK; SR O.101)

41

Landesinterner Vollzug der Urteile von Organen der Europäischen Menschenrechtskonvention

Diesem Problem gilt das Postulat Reiniger (198O Amtl. Bull. N 1980 1O9 f.; vgl. Einleitung).

411

P 79.497,

Geltende Regelung

Nach Bundesrecht ist es nicht möglich, die Revision bundesgerichtlicher urteile zu verlangen, die auf IndividualbeschwerL de hin von den Organen der Europäischen Menschenrechtskonvention als konventionswidrig bezeichnet werden. Das Postulat lädt den Bundesrat ein zu prüfen, ob die eidgenössischen Verfahrensgesetze (namentlich das OG) in diesem Sinne ergänzt werden könnten. Der Nationalrat hat das Postulat am 6. März 198O angenommen, nachdem sich der Bundesrat in der schriftlichen Antwort bereit erklärt hatte, die laufende Revision der Bundesrechtspflege zu benutzen, um die Zweckmässigkeit einer solchen Neuerung zu prüfen.

860

412

Vorarbeiten der Verwaltung und Ergebnis des Vernehmlas sungsVerfahrens

In der Folge hat das , Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine Arbeitsgruppe zur Prüfung des Postulats eingesetzt. Die Arbeitsgruppe schlug vor, in den Bundesgesetzen über die Organisation des Bundesrechtspflege (OG), über das Verwaltungsverfahren (VwVG), über die Bundesstrafrechtspflege (BStP) und über den Militärstrafprozess (MStP) einen neuen Revisionsgrund einzuführen. Danach hätte die zuständige Spruchbehörde des Bundes ihr Urteil in Revision zu ziehen, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und deren Protokolle gutheisst.

Im Vernehmlassungsverfahren fand der Vorschlag der Arbeitsgruppe, den das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Genehmigung des Bundesrates zur Diskussion gestellt hatte, bei jenen Teilnehmern, die sich dazu äusserten, mehrheitlich Zustimmung.

413

Vorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat folgt im Grundsatz den Ueberlegungen, welche die erwähnte Arbeitsgruppe angestellt hat.

Mit der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention am 28. November 1974 ist die Schweiz einem durch dieses Instrument errichteten System des kollektiven Schutzes der Menschenrechte beigetreten. Dieser internationalen Garantie, deren Originalität im Individualbeschwerdeverfahren liegt, kommt allerdings nur subsidiärer Charakter zu. Demzufolge haben die Entscheide der Strassburger Organe (Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Entscheide des Ministerkomitees des Europarats) weder suspensive noch kassatorische Wirkung auf endgültige innerstaatliche Entscheide (siehe dazu den Bericht des Bundesrates vom 2. Juni 1982 über

861

die schweizerische Menschenrechtspolitik; BB1 1982 II 747 ff.)- Mit der Ratifikation der Konvention ist die Schweiz jedoch die Verpflichtung eingegangen, diese Urteile und Entscheide als bindend anzusehen (Art. 32 Ziff. 4 und 53 EMRK) und, falls eine Konventionsverletzung festgestellt wird, Wiedergutmachung zu leisten. Es stellt sich die Frage, wie dieser Verpflichtung nachzukommen ist.

In Betracht fällt in erster Linie die Leistung einer Geldsumme als Schadenersatz oder Genugtuung an den Geschädigten. ..

Nun kann bei der Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung eine geldwerte Entschädigung wirkungslos, möglicherweise sogar unangebracht sein. Dies wäre hauptsächlich der Fall, wenn ein kantonales Strafurteil, das rechtskräftig geworden ist und dessen Begründetheit nicht angezweifelt wird, mit einem Verfahrensfehler behaftet ist (so wenn beispielsweise das Gericht nicht gesetzmässig besetzt war). Verschiedene Unterzeichnerstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention haben die Erfahrung gemacht, dass in solchen Fällen intern ein einziges befriedigendes Mittel zur Wiedergutmachung einer Konventionsverletzung gegeben ist, nämlich die Wiederaufnahme des Verfahrens.

In diesem Sinne schlägt der Bundesrat vor, die Verfahrensgesetze des Bundes so zu ändern, dass in solchen Fällen ein abgeschlossenes Verfahren wieder aufgenommen werden kann (Art.

139a. und 141 Abs. l Est. e OG-Entwurf; Art. 66 Abs. l VwVGEntwurf; Art. 229 Ziff. 4 BStP-Entwurf; Art. 2OO Abs. l Bst.

f MStP-Entwurf). Mit diesen punktuellen Aenderungen lässt sich das Anliegen des Postulates in befriedigender Weise verwirklichen. Der Bundesrat hält es daher nicht für angezeigt, weiter zu gehen und beispielsweise die Kantone über eine Aenderung der Bundesverfassung zu verpflichten, diesen neuen Revisionsgrund in ihr eigenes Recht zu übernehmen.

862

42

Aenderung von Strafverfahren des Bundes

Sodann bedarf das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP), das bereits aufgrund des Postulats Reiniger zu ergänzen ist, in drei weiteren Punkten dringend der Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention; es geht um das Haftrecht, die amtliche Ueberwachung und , um die Einziehung.

Gleich verhält es sich auch mit dem Bundesgesetz über den Militärstrafprozess (MStP), soweit es um die amtliche Ueberwachung geht.

421

Bundesstrafprozess

421.1

Haftrecht

Vor Einleitung der Voruntersuchung ist nach Bundesrecht der Bundesanwalt zum Erlass des Haftbefehls berechtigt (Art. 45 Ziff. l BStP). Der verhaftete Beschuldigte ist spätestens am ersten Werktag nach der Zuführung über den Grund der Verhaftung einzuvernehmen (Art. 47 Abs. l BStP). Die erste Einvernahme wird in der Praxis regelmässig von einem Vertreter der Bundesanwaltschaft oder einem kantonalen Staatsanwalt durchgeführt, wie dies Artikel 16 Absatz l Bundesstrafprozess / ausdrücklich vorsieht.

Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt, dass jede wegen Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommene oder in Haft gehaltene Person unverzüglich einem Richter oder einem ändern, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt wird (Art. 5 Ziff. 3 EMRK).

Die in Frage stehende Bestimmung will in erster Linie verhindern, dass die Anhörung in den Händen untergeordneter, weisungsabhängiger Beamter, insbesondere der gerichtlichen Polizei, liegt. Dies trifft im Bundesstrafverfahren in der Praxis sicher nicht zu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch als erste Voraussetzung des "gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen

ermächtigten Beamten" die

863

Unabhängigkeit von der Exekutive und den Parteien betont (Urteil vom 4. Dez. 1979 in Sachen Schiesser, Serie A, Nr. 34, § 26 - 31, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 47.96, und neuerdings Urteil vom 22. Mai 1984 in Sachen de Jong, Baijet und van den Brink, Serie A, Nr. 77, § 47 - 49). Dem widerspricht jedenfalls theoretisch die Konzeption des Bundesstrafprozesses, wonach der Bundesanwalt unter der Aufsicht und Leitung des Bundesrates steht, abgesehen von den Anträgen vor Gericht, die der Bundesanwalt nach freier Ueberzeugung stellt (Art. 14 BStP); in der Praxis beschränkt sich der Bundesrat auf die Dienstaufsicht (vgl. BB1 1976 II 1569 ff.).

Ausserdem ist der Bundesanwalt im Bundesstrafverfahren von der eidgenössischen Voruntersuchung an Partei (Art. 34 und 1O8 ff. BStP). Die praktische Bedeutung ist für das Haftrecht gering, da nur Fälle von besonderer rechtlicher oder politischer Bedeutung vor Bundesstrafgericht kommen. Die gesetzliche Regelung gestattet jedoch, die richterähnliche Unabhängigkeit des Bundesanwaltes grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, weil seine Doppelfunktion Artikel 5 Ziffer 3 EMRK widerspricht.

Unter diesen Umständen drängt sich die Einschaltung des eidgenössischen Untersuchungsrichters für die Haftprüfung auf.

Das Bundesgericht wählt für das deutsche, französische und italienische Sprachgebiet je einen Untersuchungsrichter und je zwei Ersatzmänner (Art. 13 Abs. l BStP). Aufsichtsbehörde ist die Anklagekammer des Bundesgerichts (Art. 11 BStP). Die richterliche Unabhängigkeit des Untersuchungsrichters ist damit gewährleistet.

Die Expertenkommission schlug deshalb vor, die erste Einvernahme im Sinne von Artikel 5 Ziffer 3 EMRK auch dann durch den eidgenössischen Untersuchungsrichter durchzuführen, wenn der Bundesanwalt den Haftbefehl erliess.

Diese Anpassung des Bundesstrafprozesses an die EMRK wurde im Vernehmlassungsverfahren allgemein begrüsst. Ablehnende Stellungnahmen fehlten.

864

Der Bundesrat übernimmt in der Sache den Vorschlag der Expertenkommission. Die Aenderungen sind jedoch gestrafft worden, um dem Charakter der Teilrevision besser gerecht zu werden.

421.2

Amtliche Ueberwachung

Die amtliche Ueberwachung ist durch das Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre vom 23. März 1979 neu geregelt worden. Zuständig zur Anordnung der Massnahme sind im Bundesstrafverfahren vorerst der Bundesanwalt und, in der eidgenössischen Voruntersuchung, der Untersuchungsrichter (Art. 72 und 66 BStP) . Zum Schütze der überwachten Personen wurde die Kontrolle durch den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts eingeführt (Art. 66bis-66quater BStP).

Deshalb wurde auch davon abgesehen, die Strafverfolgungsbehörden zu verpflichten, den Betroffenen im Falle der Einstellung des Verfahrens die erfolgte Ueberwachung nachträglich mitzuteilen. Gerade in Staatsschutzstrafsachen ständen einer solchen Verpflichtung häufig überwiegende öffentliche Interessen entgegen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert die Achtung des Privat- und des Familienlebens, der Wohnung und des BriefVerkehrs; gesetzlich vorgesehene Eingriffe einer öffentlichen Behörde sind unter gewissen Voraussetzungen zulässig (Art. 8 EMRK). Wer in seinen Rechten und Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben (Art. 13 EMRK).

Das Bundesgericht hat in zwei im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheiden vom 9. November 1983 und 9. Mai 1984 bezüglich der Strafprozessordnungen der Kantone Basel-Stadt und Zürich unter anderem festgehalten, ein genereller Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung von Betroffenen verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und

34 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd. II

865

verstosse gegen Artikel 13 EMRK; ausnahmsweise könne die Benachrichtigung unterbleiben, wenn eine solche den Zweck, der Ueberwachung gefährde (vgl. BGE 109 la 273 ff.).

Die Bundesanwaltschaft entscheidet, seit ihr diese Urteile bekannt sind, jeweils im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts, ob der von der Abhörung Betroffene, gegen den das Verfahren eingestellt wurde, nachträglich zu benachrichtigen sei. Nach geltendem Recht prüft der Präsident der Anklagekammer des Bundesgerichts bereits, ob die Anhebung einer amtlichen Ueberwachung gerechtfertigt sei; er entscheidet über eine allfällige Verlängerung und achtet darauf, dass die Ueberwachung nach Ablauf der Frist eingestellt wird. Lehnt es der Bundesanwalt hingegen ab, den von einer amtlichen Ueberwachung Betroffenen nachträglich zu benachrichtigen, so kann dieser dagegen nur mit Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat gelangen (Art. 14 und 1.7 Abs. l BStP). Im Hinblick auf Artikel 13 EMRK und die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 6. September 1978 und vom 2. August 1984 in den Fällen Klass und Malone (Serie A, Nrn. 28 und 82) sollte die Kontrolle des Präsidenten der Anklagekammer ausgedehnt werden auf die Frage der nachträglichen Benachrichtigung überwachter Personen.

Das Problem ist erst durch die erwähnten Urteile des Bundesgerichts vom 9. November 1983 und 9. Mai 1984 aktuell geworden. Die Expertenkommission konnte sich deshalb damit nicht befassen.

Der Bundesrat ist mit dem Bundesgericht am 2. Juli 1984 in einen Meinungsaustausch getreten, um bis zum Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die richterliche Kontrolle durch Vereinbarung zu gewährleisten. Das Bundesgericht hat sich mit Schreiben vom 28. November 1984 damit einverstanden erklärt. Angesichts der ausschliesslichen Kompetenz der Bundesbehörden und der Zielrichtung der Gesetzesänderung konnte auf die Durchführung eines zusätzlichen sungsverfahrens verzichtet werden.

866

Vernehmlas-

421.3

Einziehung

Bei Einstellung der Ermittlungen ist im Bundesstrafverfahren der Bundesanwalt zur Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten zuständig (Art. 73 BStP) . Die materiellen Voraussetzungen der Einziehung sind im Strafgesetzbuch geregelt (Art. 58-60 StGB). Gegen den Entscheid des Bundesanwaltes steht die Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat offen (Art.

14 und 17 Abs. l BStP).

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 3. Dezember 1982 festgehalten, Entscheide gemäss Artikel 58, 58bis und 59 StGB seien von einer richterlichen Instanz zu fällen; der Generalprokurator des Kantons Genf sei keine richterliche Instanz. Zur Begründung wurde auf den Wortlaut von Artikel 58 StGB hingewiesen, wonach der Richter verfügt, der im Sinne der EMRK unabhängig sein muss (BGE 1O8 IV 154).

Es trifft zu, dass auch im Bundesstrafverfahren kein unabhängiges Gericht im Sinne von Artikel 6 Ziffer l EMRK über die Einziehung entscheidet, wenn der Bundesanwalt die Ermittlungen einstellt. Sachrichter sind je nach Art des untersuchten Deliktes die Bundesassisen oder das Bundesstrafgericht (vgl. Art. 341 und 342 StGB). Es wäre jedoch unökonomisch, für solche Entscheide, die in der Regel keine grosse Bedeutung haben, diese Gerichte einzusetzen. Es erscheint angebracht, auf Beschwerde hin die Anklagekammer des Bundesgerichts entscheiden zu lassen.

Auch dieses Problem hat sich nachträglich gestellt, weshalb die Expertenkommission keinen Anlass hatte, sich damit zu befassen.

Die Gesetzesänderung entspricht der Praxis des Bundesgerichts und liegt im Interesse des von der Einziehung Betroffenen.

Auf die Durchführung eines zusätzlichen Vernehmlassungsverfahrens wurde deshalb verzichtet.

867

422

Militärstrafprozess

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesgerichts in bezug auf die amtliche Ueberwachung ruft einer Anpassung auch des Militärstrafprozesses. Die Vorschriften des Militärstrafprozesses bezüglich Verhaftung und Beschlagnahme scheinen den Forderungen der Menschenrechtskonvention zu entsprechen, ist doch zur Anordnung dieser Massnahmen ein Richter - Untersuchungsrichter oder Gerichtspräsident - zuständig.

Die Ueberwachung des Post-, des Telefon- und des Telegrafenverkehrs und der Einsatz technischer Ueberwachungsgeräte können vom Untersuchungsrichter und in bestimmten Fällen vom Oberauditor angeordnet werden.

Die Ueberwachungsverfügungen und die entsprechenden Verlängerungsverfügungen sind dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts zur Genehmigung vorzulegen (Art. 7O-73 MStP).

Die nachträgliche Orientierung der überwachten Person ist im Militärstrafprozess nicht vorgesehen. Die für den Bundesstrafprozess angestellten Ueberlegungen gelten ebenso für den Militärstrafprozess. Die Weigerung des Untersuchungsrichters, den Betroffenen zu orientieren, soll künftig mit Beschwerde angefochten werden können. Der Entscheid darüber soll in der Zuständigkeit der gleichen richterlichen Instanz liegen, welche die Ueberwachungsmassnahme genehmigt hat, nämlich beim Präsidenten des Militärkassationsgerichts.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

51

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Ziff. I)

511

Materielle Bestimmungen

511.1

Vorbemerkungen

In den Bestimmungen, die im folgenden erläutert werden, ist häufig nur vom Bundesgericht die Rede. Eine Vielzahl dieser Vorschriften gilt jedoch aufgrund des Artikels 135 OG sowie der Artikel 123 Absatz 2, 125, 128, 130 und 132 OG-Entwurf auch

für

das

Eidgenössische Versicherungsgericht.

Es

sind

dies namentlich die folgenden Bestimmungen des OG-Entwurfs: - Artikel l Absatz 3 (Beizug ausscheidender Bundesrichter als Ersatzrichter) - Artikel 15 (Quorum) - Artikel 36^ (Vereinfachtes Verfahren) - Artikel 36b, 36£ und 36d (Annahmeverfahren) - Artikel

98a

(Letzte

kantonale

Instanzen

bei der Verwal-

tungsgerichtsbeschwerde) - Artikel 104 Buchstabe c (Angemessenheitskontrolle bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) - Artikel 105 Absatz 2 (Bindung an den Sachverhalt) - Artikel 108 Absatz 2 (Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) - Artikel HO

Absatz l (Schriftenwechsel bei der Verwaltungs-

gerichtsbeschwerde) - Artikel 112 (Parteiverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde) - Artikel 116 und 117 Buchstabe c (Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage) - Artikel 139a_ und 141 Absatz l Buchstabe c (Revision von Gerichtsurteilen bei

Verletzung der Europäischen

Menschen-

rechtskonvention) - Artikel 150 Absatz l, 153, 153a^ (Gerichtskosten und Parteientschädigung) .

869

511.2

Organisation des Bundesgerichts

Artikel l Absätze l und 3

Mitglieder, Ersatzrichter

Absatz l Die untere Grenze für die Zahl der Richter und der Ersatzrichter des Bundesgerichts, die im heutigen Recht 26 und zwölf beträgt, wird gestrichen. Der zentrale Gedanke der OGRevision geht dahin, die Zahl der Richter und Ersatzrichter des Bundesgerichts nicht weiter zu erhöhen; sie soll in Zukunft feststehen wie die Zahl der Bundesräte und der Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung. Dieser Gedanke kommt zum Ausdruck, indem für die Richter und Ersatzrichter des Bundesgerichts eine feste Zahl eingeführt wird.

Schwankungen, wie sie bei den Geschäftszahlen auch künftig auftreten werden, lassen sich auf zwei Wegen ausgleichen.

Zum einen dadurch, dass das Bundesgericht die 15 Ersatzrichter mehr oder weniger stark - je nach Arbeitsanfall - beansprucht. Zum anderen dadurch, dass die Bundesversammlung beim nichtrichterlichen Personal des Bundesgerichts ansetzt, und zwar auf dem Weg des Voranschlags. Damit hat die Bundesversammlung es in der Hand, den Personalbestand des Bundesgerichts sozusagen laufend der Geschäftslast anzupassen. Diese Beweglichkeit gebietet es, den geltenden Bundesbeschluss über die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtssekretäre des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aufzuheben und künftig den Bestand an Urteilsredaktoren nur noch über das Budget festzulegen (vgl. Aenderung anderer Erlasse, Ziff. II/5 im Anhang zum OG-Entwurf).

Absatz 3 Absatz 3 sieht vor, dass ausscheidende Mitglieder des Bundesgerichts als Ersatzrichter gewählt werden können, ohne dass sie an die Zahl der Ersatzrichter angerechnet werden müssen.

870

Schon das geltende Recht ermöglicht diese Lösung; allerdings ist sie nicht im OG verankert, sondern im Bundesbeschluss über eine vorübergehende Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts, der Ende 1988 dahinfällt (Art. 2; SR 173.110.1). Der Beizug ausscheidender Bundesrichter weist indes gewichtige Vorteile auf, weshalb es sich aufdrängt, diese Möglichkeit über 1988 hinaus beizubehalten (vgl. Ziff. 241 hiervor).

Artikel 15

Quorum

Absätze l und 2 Für jene Abteilungen des Bundesgerichts, die nach dem geltenden Recht grundsätzlich in Fünferbesetzung entscheiden, soll neu die Dreierbesetzung zur Regel werden (vgl. Ziff. 231 hiervor).

Absatz 3 Absatz 3 ist anders formuliert als der entsprechende Absatz 2 des geltenden Artikels 15. In der Sache weicht der neue Absatz jedoch nur in einem Punkt vom geltenden Recht ab: Sieben Richter entscheiden künftig nur noch dann über staatsrechtliche Beschwerden gegen kantonale Erlasse, wenn diese dem Referendum unterstehen; in den übrigen Fällen sitzen drei oder fünf Richter. Gemeindeerlasse fallen nicht unter die kantonalen Erlasse, was der heutigen Praxis des Bundesgerichts entspricht (BGE 1O5 la 278 E.lb).

871

511.3

Gemeinsame VerfahrensvorSchriften

Artikel 36a

Vereinfachtes Verfahren Im allgemeinen

Absatz l Unter dem vereinfachten Verfahren werden zum ersten jene Vereinfachungen zusammengefasst und einheitlich geregelt, die schon heute bei einzelnen Rechtsmitteln bestehen (Art. 6O, 92 und 109 OG, Art. 275bis BStP) . Zum zweiten wird das vereinfachte Verfahren verallgemeinert; es gilt also künftig für alle Abteilungen des Bundesgerichts, soweit die Dreierbesetzung zum Zuge kommt (vgl. Ziff. 232 hiervor). Zum dritten wird in dieser Bestimmung das Annahmeverfahren verankert wohl die wichtigste Neuerung, die der Bundesrat zur Entlastung der Bundesrechtspflege vorschlägt (vgl. Ziff. 211.6 hiervor).

Was die Anwendungsfälle des vereinfachten trifft, ist folgendes zu bemerken:

Verfahrens

be-

Buchstabe a Die Gutheissung offensichtlich begründeter oder die Abweisung offensichtlich unbegründeter Rechtsmittel ist schon nach dem geltenden Recht für einzelne Rechtsmittel im vereinfachten Verfahren möglich und wird nun auf alle Rechtsmittel ausgedehnt, soweit das Gericht in Dreierbesetzung entscheiden kann (vgl. Art. 92 und 1O9 OG).

Buchstabe b Auch die Befugnis des Bundesgerichts, auf offensichtlich unzulässige Rechsmittel im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten, wird erweitert. Neu hinzu tritt die Befugnis, auch offensichtlich unzulässige Klagen im vereinfachten Verfahren von der Hand zu weisen. Der Begriff "offensichtlich unzulässig" deckt sich mit jenem in Artikel 92 und 1O9 OG und um-

872

fasst nach der Praxis des Bundesgerichts auch mangelhaft begründete Eingaben (BGE 107 V 244 f., 1O1 V 18 E. l, 96 I 96 E.2, 516 E.2).

Buchstabe c Die Vorschrift ist neu. Sie soll dem Bundesgericht erlauben, im vereinfachten Verfahren auf rechtsmissbräuchliche Klagen und Rechtsmittel nicht einzutreten. Solche Eingaben belasten das Bundesgericht heute in erheblichem Ausmass (vgl. Ziff.

122 hiervor).

Buchstabe d Mit dieser Bestimmung wird das Annahmeverfahren in das OG eingeführt (vgl. Ziff. 211.6 hiervor). Das Annahmeverfahren soll das Bundesgericht in die Lage versetzen, unerhebliche Rechtsmittel ohne materielle Prüfung von der Hand zu weisen.

Wann ein Fall als erheblich zu betrachten und daher vom Bundesgericht anzunehmen ist, wird in Artikel 36b näher ausgeführt. Hier ist einzig darauf hinzuweisen, dass das Annahmeverfahren einerseits einen Anwendungsfall des vereinfachten Verfahrens bildet. Dies heisst: Dass auf ein Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache nicht einzutreten ist, entscheidet das Bundesgericht in der Besetzung mit drei Richtern ohne öffentliche Beratung und mit summarischer Begründung, sofern unter den mitwirkenden Richtern Einstimmigkeit herrscht. Anderseits bildet das Annahmeverfahren nicht den einzigen Anwendungsfall des vereinfachten Verfahrens. In den vorgenannten Buchstaben von Absatz l sind noch verschiedene andere Wege vorgezeichnet, die das Gericht im vereinfachten Verfahren beschreiten kann. Das Bundesgericht bleibt frei, wie es vorgehen will, falls sich verschiedene Wege anbieten.

Wenn zum Beispiel ein Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache wie auch wegen offensichtlicher Verspätung unzulässig ist, ist es dem Bundesgericht unbenommen, darauf allein wegen Verspätung nicht einzutreten und sich zur Erheblichkeit der Sache nicht zu äussern.

873

Absatz 2 Die Vorschrift findet sich bereits im geltenden Recht, allerdings nur für einzelne' Rechtsmittel (Art. 92 Abs. 2 und 109 Abs. 2 OG).

Absatz 3 Auch die summarische Begründung der Entscheide des Bundesgerichts, die im vereinfachten Verfahren ergehen, ist im geltenden Recht verankert (vgl. etwa Art. 92 Abs. 3 und 109 Abs.

3 OG). Doch wird hier präzisiert, worauf sich eine solche Begründung beschränken kann, nämlich auf die Begründung des angefochtenen Entscheides oder auf die Vernehmlassung einer Behörde zu verweisen. Das heisst aber nicht, dass eine summarische Begründung nur dort zulässig ist, wo eine solche Verweisung auf Akten in Frage kommt. Das Gericht wird auch in ändern Fällen den Entscheid nur summarisch begründen> beispielsweise dann, wenn es auf ein Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache nicht eintritt (Art. 36a Abs. l Est. d OG-Entwurf) .

Artikel 36b

Erheblichkeit der Sache

Die Bestimmung nennt die Kriterien, nach denen eine Streitsache erheblich ist. Erheblichkeit bedeutet, dass das Bundesgericht den Fall annimmt und in der Sache prüft, sofern die übrigen Rechtsmittelvoraussetzungen (wie etwa Einhaltung der Beschwerdefrist) erfüllt sind. Wenn keines dieser Kriterien erfüllt ist, tritt das Gericht auf das Rechtsmittel nicht ein. Dieser Entscheid kann im-vereinfachten Verfahren - also ohne öffentliche Beratung und mit summarischer Begründung ergehen (Art. 36a, Abs. l Est. d OG-Entwurf).

Den Annahmekriterien liegen zwei Gedanken zugrunde: Einerseits sollen sie dem Bundesgericht erlauben, jene Fälle an sich zu ziehen, in denen die Fortbildung des Rechts oder die Rechtseinheit auf dem Spiele steht (objektive Erheblichkeit).

Dem dienen der Buchstabe a (neue oder neu zu beurteilende

874

Rechtsfrage) und der Buchstabe b (Abweichung der Vorinstanz von der Rechtsprechung des Bundesgerichts}. In diesen Fällen steht somit ein objektives Interesse - nämlich an der Kontrolle der richtigen Rechtsanwendung - im Vordergrund. Dies gilt auch noch für den Buchstaben c, der den Weg an das Bundesgericht öffnet, wenn der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen rügt. Diese Bestimmung schlägt aber anderseits die Brücke zum zweiten Gedanken, der den Annahmekriterien zugrunde liegt und der vor allem im Buchstaben d zum Ausdruck kommt. Es ist das subjektive Interesse des Bürgers an der Rechtskontrolle durch das Bundesgericht, also das Rechtsschutzinteresse (subjektive Erheblichkeit). In diesem Sinne soll insbesondere Buchstabe d das Bundesgericht in die Lage versetzen, solche Fälle an sich zu ziehen, in denen das Rechtsschutzinteresse unter allen Umständen vorgeht. Wenn für Parteien oder Beteiligte ein schwerwiegender Nachteil zu erwarten ist, wird das Bundesgericht eine Streitsache somit stets annehmen, ganz gleich, wie der Fall sonst liegt. Erforderlich ist dabei allerdings, dass die übrigen Rechtsmittelvoraussetzungen erfüllt sind und der Rechtsmittelkläger zum Beispiel die Beschwerdefrist eingehalten hat.

Zu den einzelnen Annahmekriterien ist folgendes zu bemerken: Buchstabe a Hier ist hervorzuheben, dass sich das Bundesgericht nicht auf die Prüfung grundsätzlicher Rechtsfragen beschränken wird.

Einmal hält es schwer und würde dem Bundesgericht nur zusätzlichen Aufwand verursachen, die grundsätzlichen von den ändern Rechtsfragen zu scheiden. Aus der Aufgabe des Bundesgerichts, das Recht fortzubilden und für dessen einheitliche Anwendung zu sorgen, folgt sodann, dass es sich zu allen neuen, nicht bloss zu den grundsätzlichen neuen Rechtsfragen soll äussern können. Dass das Bundesgericht ferner auch Streitfälle annimmt, die erneuter Prüfung bedürfen, hält den Weg offen für Aenderungen der Gerichtspraxis.

875

Buchstabe b Zu unterscheiden sind hier zwei Fälle: Im einen Fall weicht die Vorinstanz aus bestimmten Gründen bewusst von der Rechtsprechung des Bundesgerichts ab. Im ändern Fall entfernt sie sich

ungewollt und unbewusst

von der Praxis des Bundesge-

richts .

Buchstabe c Unter wesentlichen Verfahrensbestimmungen

sind vor allem jene

Garantien zu verstehen, die das Bundesgericht aus Artikel 4 der Bundesverfassung ableitet und die auch in seiner Praxis zu Artikel 1O5 Absatz 2 OG zu Tage treten (vgl. BGE 1O6 Ib 79 ff.). Hinzu kommen jene Verfahrensgarantien, welche die Europäische Menschenrechtskonvention dem Bürger gewährt.

Dass der angefochtene Entscheid unter Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustandegekommen

ist, kann der

Rechtsmittelkläger

nur soweit rügen, als das Bundesrecht

allerdings

diese Rüge überhaupt

zulässt. Das ist insbesondere bei der zivilrechtlichen

Beru-

fung und bei der strafrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde

zu

beachten. Mit beiden Rechtsmitteln kann der Kläger grundsätzlich nur die Verletzung einfachen Bundesrechts rügen; wenn er dagegen die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen will, muss er die staatsrechtliche Beschwerde ergreifen

(Art.

43

Abs. l OG und Art. 269 Bundesstrafprozess ) . Dabei wird es auch nach Einführung des Annahmeverfahrens bleiben.

Ferner kann der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen vor Bundesgericht nur rügen, wenn er diese Rüge im Verfahren der Vorinstanz nicht vorbringen konnte

oder die Vorinstanz

sie

nicht geprüft hat. Der Beschwerdeführer muss somit den Instanzenzug vor dem Bundesgericht nicht bloss formell durchlaufen, sondern überdies auch materiell ausschöpfen, indem er die zulässigen Rügen bereits bei der Vorinstanz anbringt.

876

Buchstabe d Der Begriff des schwerwiegenden Nachteils lässt sich nicht allgemein definieren oder rechtlich näher normieren. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Bundesgericht verfassungskonform auszulegen ist.

Wann ein schwerwiegender Nachteil anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei wird das Gericht insbesondere die persönlichen Verhältnisse der Parteien und Beteiligten berücksichtigen. Es liegt auf der Hand, dass aus dieser Sicht der schwerwiegende Nachteil sich für einen Bürger anders darstellt als etwa für den Bund, der sich an einem Verfahren beteiligt. Wer sich auf diesen Annahmegrund beruft, muss den Nachteil und dessen Schwere (subjektive Erheblichkeit) dartun. Er muss also im Rechtsmittel begründen, dass er seine Lage erheblich verbessern kann, wenn das Gericht auf die Sache eintritt und zu seinen Gunsten entscheidet. Diese Voraussetzung dürfte etwa bei geringfügigen Verkehrsbussen nicht erfüllt sein.

Artikel 36c

Nichteintreten mangels Erheblichkeit der Sache

Dem Annahmeverfahren unterstehen nur Rechtsmittel, die in dieser Bestimmung aufgezählt werden und die sich gegen Entscheide richterlicher Behörden richten. Ausgenommen sind der Rekurs in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen sowie Revision und Erläuterung. Nicht unterstellt sind ferner die direkten Prozesse (zivilrechtliche Klage, staatsrechtliche und verwaltungsrechtliche Klage). Warum dies so ist, haben wir an anderer Stelle begründet (vgl. Ziff. 211.6 hiervor).

Artikel 36d

Begründungspflicht der Parteien

Die Bestimmung erweitert die Begründungspflicht der Parteien für jene Rechtsmittel, die dem Annahmeverfahren unterstehen.

In solchen Fällen hat der Rechtsmittelkläger neben den schon heute geforderten Angaben ausserdem die Erheblichkeit der Sache darzutun. Weil dieses Erfordernis neu ist, empfiehlt es

877

sich,

äass

künftig

die

in

Vorinstanzen

einer

der

allfälligen

eidgenössischen

Gerichte

Rechtsmittelbelehrung

darauf

hinweisen.

Artikel 40

Verhältnis zum Bundeszivilprozess

Hier ändert einzig die Bezeichnung des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess, die damit dem geltenden Recht angepasst wird.

511.4

Zivilrechtspflege durch das Bundesgericht

Artikel 41, 42 Absatz l, 45 Buchstaben a und b, 46 und 51 Absatz l Buchstabe a, 55 Absatz l Buchstaben a und c In den vorgenannten Bestimmungen geht es einmal um die Erhöhung oder Ausdehnung der Streitwertgrenzen bei der Berufung und um deren Folgen auf das Verfahren (vgl. Ziff. 212.4 hier-

vor) .

Sodann wird die Möglichkeit der Klage gemäss Absatz

l von

Buchstabe c des geltenden Artikels 41 OG gestrichen. Die Bestimmung ist heute praktisch toter

Buchstabe.

Ursprünglich

wollte der Gesetzgeber damit die Möglichkeit schaffen, Klagen von Bürgern gegen einen Kanton dem Bundesgericht zuzuweisen.

Gedacht war etwa an Schadenersatzansprüche von Bürgern gegen höchste kantonale Beamte. Solche kantonale

verwaltungsrecht-

liche Streitigkeiten fallen jedoch unter Artikel

121 OG und

können dem Bundesgericht auf diesem Wege unterbreitet werden.

Es gibt denn auch heute keinen Kanton mehr, der sich für die Kompetenzzuweisung an das Bundesgericht auf Absatz l von Artikel 41 Buchstabe c OG stützt.

Weiter wird

in Artikel 41 neu ein Absatz

2 eingefügt. Er

tritt an die Stelle des Bundesgesetzes vom 20. November 185O betreffend

den Gerichtsstand für Zivilklagen, welche von dem

Bunde oder gegen denselben angehoben werden (SR 273.1). Das Gesetz

878

ist heute

praktisch

überholt

und

daher

aufzuheben

(vgl. Aenderung anderer Erlasse, Ziff. 11/11 im Anhang zum OG-Entwurf). Soweit es noch von Bedeutung ist, wird es durch Absatz 2 ersetzt.

Die Aufzählung in Artikel 45 Buchstabe a des geltenden OG ist unvollständig, weil der Sortenschutz und die Kartelle fehlen.

Die Bestimmung ist in diesem Sinne zu ergänzen. In den Fällen von Buchstabe b wird neu eine Berufungssumme eingeführt, weshalb diese Fälle als Absatz 2 in den Artikel 46 zu übernehmen sind.

Nach Artikel 55 Absatz l Buchstabe c muss der Berufungskläger in der Berufungsschrift neu auch die Erheblichkeit der Sache dartun, weil die Berufung dem Annahmeverfahren unterstellt wird (Art. 36£ und 36d OG-Entwurf).

Artikel 59

Antwort, Anschlussberufung

Die Bestimmung fasst die Regeln über die Berufungsantwort und über die Anschlussberufung in einem einzigen Artikel zusammen. Heute finden sich diese Vorschriften in Artikel 59 und 61 OG. Gegenüber dem geltenden Recht ändert folgendes: Eine besondere "Anmeldung" der Anschlussberufung (Art. 59 Abs. l OG) enfällt künftig. Der Berufungsbeklagte kann in der Antwort Anschlussberufung erheben (Abs. 2). Dies jedoch nur dann, wenn die Berufung nicht ohne Einholung einer Antwort im vereinfachten Verfahren erledigt wird (Abs. 1).

Diese Neuerung stellt eine prozessuale Vereinfachung dar, bringt aber eine gewisse Einschränkung der Möglichkeit zur Anschlussberufung: Während das Gericht nach dem geltenden Recht eine Anschlussberufung auch dann materiell beurteilt, wenn die Berufung im sogenannten Vorprüfungsverfahren abgewiesen wird (Art. 60 Abs. 2 OG) , fällt künftig eine Anschlussberufung ausser Betracht, wenn die Berufung im vereinfachten Verfahren ohne Einholung einer Antwort abgewiesen wird. Diese geringfügige Einschränkung der Möglichkeit zur

879

Anschlussberufung ist gerechtfertigt; denn es besteht kein Grund, dem Berufungsbeklagten, der ja auf den Weiterzug innerhalb der ordentlichen Rechtsmittelfrist verzichtet hat, die nachträgliche Anfechtung des Urteils durch Anschlussberufung auch dann zu gestatten, wenn die Berufung ohne Einholung einer Antwort im vereinfachten Verfahren abgewiesen werden kann.

Artikel 6O

Erledigung im

Vorprüfungsverfahren

Die Bestimmung entfällt, weil an die Stelle der Erledigung im Vorprüfungsverfahren das vereinfachte Verfahren tritt. Dieses wird in den allgemeinen Verfahrensvorschriften geregelt und gilt auch für die Berufung (Art. 36^ OG-Entwurf ) . Das Bundesgericht erhält damit neu die Möglichkeit, eine Berufung allenfalls auch ohne öffentliche Beratung im vereinfachten Verfahren materiell gutzuheissen, was es nach dem geltenden Recht - also im Vorprüfungsverfahren - nicht kann.

Artikel 61

Berufungsantwort

Die Bestimmung ist zu streichen, weil die neu in Artikel 59 geregelt wird.

Artikel 62 Absätze l und 2

Berufungsantwort

Parteiverhandlung

Künftig wird eine Parteiverhandlung in keinem Fall mehr obligatorisch stattfinden, sondern nur noch dann, wenn das .Gericht sie anordnet. Dies kann auf Parteiantrag oder von Amtes wegen geschehen (Ziff. 233 hiervor).

Artikel 71 Buchstabe d

Erheblichkeit der Sache

Die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde untersteht dem Annahmeverfahren. Der Beschwerdeführer muss daher in der Beschwerdeschrift künftig die Erheblichkeit der Sache dartun (Art. 36c und 36d OG-Entwurf,).

Artikel 72 Absätze 2 und 3

Verfahren der zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde

Absatz 2 ist zu streichen, weil an dessen Stelle das vereinfachte Verfahren tritt (Art. 36a OG-Entwurf). Bei diesem Verfahren muss das Gericht nicht in allen Fällen einen Schriftenwechsel anordnen, was im neuen Wortlaut von Absatz 3 zum Ausdruck kommt.

511.5

Staatsrechtspflege durch das Bundesgericht

Artikel 86

Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei der staatsrechtlichen Beschwerde

Den kantonalen Instanzenzug nicht erschöpfen muss künftig nur noch, wer Entscheide betreffend die interkantonale Doppelbesteuerung

anficht. Es steht dem Beschwerdeführer

aber frei,

auch diesfalls den Instanzenzug in den beteiligten Kantonen zu durchlaufen, bevor er sich

an das Bundesgericht

wendet

(vgl. Ziff. 213.2 hiervor).

Artikel 90 Absatz l Buchstabe c Die staatsrechtliche

Beschwerdeschrift

Beschwerde untersteht dem Annahmeverfah-

ren. Der Beschwerdeführer muss daher künftig in der Beschwerdeschrift neu auch die Erheblichkeit der Sache dartun (Art.

36£ und 36(3 OG-Entwurf) .

Artikel 92

Summarisches

Verfahren

Die Bestimmung entfällt, weil an die Stelle des summarischen Verfahrens das vereinfachte Verfahren tritt.

Dieses wird in

den allgemeinen Bestimmungen geregelt und gilt auch für die staatsrechtliche Beschwerde

(Art. 36a OG-Entwurf}.

881

Artikel 93 Absatz l

Schriftenwechsel

Materiell ändert die Bestimmung gegenüber dem geltenden Recht nicht. Doch kommt im Wortlaut klarer zum Ausdruck, dass im vereinfachten Verfahren unter Umständen kein Schriftenwechsel durchgeführt werden muss (Art. 36a Abs. 2 OG-Entwurf).

511.6

Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht.

Artikel 98 Buchstabe e

Vorinstanzen

Die Bestimmung ist dem Artikel 116 OG-Entwurf anzupassen; daher wird die Verweisung auf Buchstabe b der geltenden Vorschrift gestrichen.

Artikel 98a

Letzte kantonale Instanzen

Absatz l Die Bestimmung verpflichtet die Kantone, für alle Streitigkeiten aus dem Bundesverwaltungsrecht als letzte kantonale Instanzen richterliche Behörden zu schaffen, soweit gegen deren Entscheide unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist. Eine solche Pflicht besteht nach dem geltenden Recht erst für einzelne Sachbereiche (vgl. Ziff. 221 hiervor).

Die Kantone sind frei, ob sie dafür Gerichte oder,Rekurskommissionen einsetzen wollen. Von Bundes wegen sind sie einzig verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Behörden über richterliche Unabhängigkeit verfügen. Dies trifft dann zu, wenn eine Behörde keiner Weisungsgewalt unterworfen ist. Dass die Mitglieder einer solchen Behörde von der kantonalen Regierung gewählt werden, ist dagegen ohne Belang (BGE 108 la 185 E.4; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, 47.81 und 151). Die kantonale Regierung selber oder auch eine Behörde, die von einem Mitglied der kantonalen Regierung präsidiert wird, könnte demgegenüber nicht als richterliche Behörde betrachtet

882

werden (BGE 103 Ib 372 f., 1O6 Ib 201 E. l und 289 E.l. Zum Begriff des unabhängigen und unparteiischen Gerichts vgl.

auch Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Okt. 1984 in Sachen Sramek, Serie A, Nr. 84, § 3642).

Absätze 2 und 3 Die Kantone sind ferner grundsätzlich auch frei, wie sie diese richterlichen Behörden organisieren und deren Verfahren regeln wollen. Auch die Zuständigkeit dieser Behörden können die Kantone selber ordnen. Sie können zum Beispiel ihr allgemeines Verwaltungsgericht für das ganze Bundesverwaltungsrecht einsetzen oder aber diesen Bereich aufteilen und Spezialverwaltungsgerichten in Form verschiedener Rekurskommissionen zuweisen.

Immerhin haben sie in jedem Fall eine wichtige Schranke zu beachten, die sich aus Absatz 3 ergibt. Danach sind Beschwerderecht und Beschwerdegründe mindestens im gleichen Umfang zu gewährleisten, wie sie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gelten. Dies ist von allen, nicht bloss von den letzten kantonalen Instanzen zu beachten.

Damit soll verhindert werden, dass die kantonalen richterlichen Behörden in Fällen, die der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen, gar nicht zum Zuge kommen. Sei dies deshalb, weil der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren nicht zur Beschwerde legitimiert ist oder keinen zulässigen Beschwerdegrund vorbringen kann. Solche kantonalen Regelungen würden Artikel 98a^ OG-Entwurf praktisch seiner Wirksamkeit berauben. Was die Beschwerdelegitimation angeht, hat das Bundesgericht in seiner Praxis dem bereits Rechnung getragen und damit den Absatz 3 im Grunde vorweggenommen: Kommt einem Beschwerdeführer auf Grund von Artikel 1O3 Buchstabe a OG in Verbindung mit Artikel 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Parteistellung zu, so ist diese auch für das kantonale Rechtsmittelverfahren massgebend und darf durch das kantonale Recht nicht eingeschränkt werden (BGE 1O8 Ib 92 ff. , 103 Ib 147 ff. , 101 V 122 f f. , 98 V 54 ff. ) .

883

Artikel 99 Buchstaben e und ebis Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, bei technischen Anlagen In den Erläuterungen zu Artikel 42 Absatz Ibis des Verwaltungsorganisationsgesetzes wird darauf hingewiesen, dass die OG-Revision Gelegenheit bietet, den Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wieder zu vervollständigen.

Dies gilt insbesondere auch für die verschiedenen Formen von Bewilligungen von Kernanlagen und vorbereitenden Handlungen.

Der Gesetzgeber hat diese Bewilligungen bewusst dem Bundesrat vorbehalten und damit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht entzogen. Sie sind daher in den Katalog der Ausnahmen aufzunehmen (vgl. Art. 4 Abs. l Bundesgesetz vom 23. Dez. 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz, SR 732.0; Art. 8, 10 Abs. 2 und 4 Bundesbeschluss vom 6. Okt. 1978 zum Atomgesetz, SR 732.01; Art. 6 Atomverordnung vom 18. Jan. 1984, SR 732.11).

Was insbesondere die Uebertragung des Enteignungsrechtes an Dritte für vorbereitende Handlungen zur Erstellung eines Lagers für radioaktive Abfälle (Art. 10 Abs. 4 des vorgenannten Bundesbeschlusses zum Atomgesetz) betrifft, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ferner wohl auch wegen Artikel 102 Buchstabe d OG ausgeschlossen. Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist nämlich der Entscheid, mit dem das Enteignungsrecht einem Dritten erteilt wird, insoweit nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, als die erhobenen Rügen im Einspracheverfahren aufgrund des Enteignungsgesetzes vorgebracht werden können (BGE 108 Ib 376) . Ein solches Einspracheverfahren steht den Betroffenen auch im vorliegenden Fall offen.

884

Artikel 100

Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde

Buchstabe a

Auswärtige Angelegenheiten

Zu den auswärtigen Angelegenheiten, die von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen sind, gehören auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe. Dieser Bereich hat an Bedeutung gewonnen; es rechtfertigt sich daher, ihn ausdrücklich zu erwähnen.

Buchstabe b Ziffer 5

Fremdenpolizei

Nach dem geltenden Recht können Internierungsverfügungen des Bundesamtes für Polizeiwesen letztinstanzlich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 20 Abs. 3 Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (SR 142.20) in Verbindung mit Artikel 97 OG) . Dies rechtfertigt sich bei denjenigen Vollzugsarten der Internierung, die eigentliche freiheitsentziehende Massnahmen darstellen. Es handelt sich dabei um die Einweisung in eine geschlossene oder offene Anstalt oder in ein geeignetes Heim und die Zuweisung eines Zwangsaufenthaltsortes (Art. 4 Abs. l Bst. a und b Verordnung vom 14. Aug. 1968 über die Internierung von Ausländern; SR 142.281).

Wenn die Internierungsverfügung nur den Zweck hat, das Anwesenheitsverhältnis eines Ausländers zu regeln, der keine ordentliche kantonale Bewilligung erhalten hat, aber auch nicht ausgeschafft werden kann, so wird die freie Unterbringung angeordnet (Art. 4 Abs. l Bst. c der vorgenannten Verordnung).

In diesen Fällen rechtfertigt sich der Weiterzug ans Bundesgericht nicht, belastet dieses aber anderseits. Daher ist die Internierung durch freie Unterbringung von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auszuschliessen.

885

Buchstabe e Ziffer 5

Dienstverhältnis von Bundespersonal

Die Vorschrift ist dem neuen Artikel 61 des Beamtengesetzes anzupassen. Weil die eidgenössischen Gerichte in allen Angelegenheiten ihres Personals als erste und einzige Instanzen verfügen, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen solche Entscheide vollumfänglich auszuschliessen (vgl.

Ziff. II/4 im Anhang zum OG-Entwurf).

Buchstabe f

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Die Bestimmung ist der Gesetzgebung über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen anzupassen (vgl. Art. 26 Rechtshilf egesetz vom 20. März 1981 und Art. 18 Bundesgesetz vom 3.

Okt. 1975 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen; SR 351.1 und 351.93).

Buchstabe k Ziffern l und 2

Schule

Das Bundesrecht über die Schweizerschulen im Ausland geht davon aus, dass die Anerkennung, die Verweigerung oder der Entzug der Anerkennung solcher Schulen dem Bundesrat vorbehalten und daher von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht auszuschliessen sind (vgl. Art. l Abs. 3 Verordnung vom 2. Sept. 1981 über die Unterstützung von Schweizerschulen im Ausland; SR 418.01). Dies rechtfertigt sich insbesondere auch für den Entzug der Anerkennung,, den der Bundesrat in seiner Praxis zurückhaltend handhabt. Im Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind diese Fälle jedoch nicht aufgeführt. Das ist im Zuge dieser OG-Revision nachzuholen (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 Abs. Ibis Verwaltungsorganisationsgesetz).

Buchstabe r

Forschung

Beim Forschungsgesetz vom 7. Oktober 1983 (SR 420.1) hat der Gesetzgeber bestimmte Entscheide, die sich zur gerichtlichen Ueberprüfung nicht eignen, dem Bundesrat zugewiesen und damit

der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht entzogen (Art. 5 Est. a Ziff. 3, 6 Abs. 2, 16 Abs. 2 und 3, 19, 22 Abs. 2, 30 Abs. 1). Diese Entscheide sind im Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht genannt.

Das ist im Zuge dieser OG-Revision in Ordnung zu bringen (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 Abs. Ibis Verwaltungsorganisationsgesetz).

Buchstabe s

Umweltschutz

Im Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (AS 1984 1122) hat der Gesetzgeber Entscheide mit politischem Einschlag dem Bundesrat vorbehalten und damit von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen. Diese Entscheide fehlen im Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, was im Zuge dieser OG-Revision richtig zu stellen ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 42 Abs. Ibis Verwaltungsorganisationsgesetz).

Artikel 101 Buchstabe d

Widerruf begünstigender Verfügungen

Der Widerruf begünstigender Verfügungen nach Artikel 99 Buchstabe e und Artikel 100 Buchstabe k Ziffer 2 OG-Entwurf ist von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen. Artikel 101 Buchstabe d ist in diesem Sinne anzupassen.

Artikel 1Q4 Buchstabe c

Kontrolle der Angemessenheit

Künftig wird das Bundesgericht die Angemessenheit des angefochtenen Entscheides nur noch in zwei Fällen überprüfen: Einerseits dann, wenn der Bundesrat als erste Instanz Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal verfügt. Anderseits dann, wenn andere Behörden als einzige Vorinstanz Abgaben oder,öffentlichrechtliche Entschädigungen festsetzen (Ziff. 234 hiervor).

887

Artikel 105 Absatz 2

Feststellung des Sachverhaltes

Die Wendung "Rekurskommissionen oder kantonale Gerichte" in der geltenden Bestimmung wird ersetzt durch "richterliche Behörden" und damit der neuen Ausdrucksweise angepasst (Art.

36£ und 98a_ OG-Entwurf ) .

Artikel 108 Absatz 2

Beschwerdeschrift

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde untersteht dem Annahmeverfahren. Der Beschwerdeführer muss daher künftig in der Beschwerdeschrift neu auch die Erheblichkeit der Sache dartun (Art. 36c und 36ä_ OG-Entwurf).

Artikel 1O9

Summarisches Verfahren

Die Bestimmung entfällt, weil an die Stelle des summarischen Verfahrens das vereinfachte Verfahren tritt. Dieses wird in den allgemeinen Bestimmungen geregelt und gilt auch für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 36jì OG-Entwurf).

Artikel HO Absatz l

Schriftenwechsel

Materiell ändert die Bestimmung gegenüber dem geltenden Recht nicht. Doch kommt im Wortlaut klarer zum Ausdruck, das s im vereinfachten Verfahren unter Umständen kein Schriftenwechsel durchgeführt werden muss (Art. 36ai Abs. 2 OG-Entwurf).

Artikel 112

Parteiverhandlung

Die Bestimmung ab:

weicht in zwei Punkten vom geltenden

Recht

- Eine Schlussverhandlung mit Parteivorträgen findet künftig in keinem Fall mehr von Gesetzes wegen statt, sondern nur noch dann, wenn der Präsident der urteilenden Abteilung sie anordnet (vgl. Ziff. 235 hiervor).

- Absatz 3 des geltenden Artikels 112 OG wird gestrichen, weil die Bestimmung überflüssig ist; denn es versteht sich von selbst, dass das Bundesgericht im Fall einer mündlichen Verhandlung die Parteien auf die Akteneinsicht und auf die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens hinweisen wird.

Artikel 116

Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen

Klage

Gegenüber dem geltenden Recht wird die verwaltungsrechtliche Klage stark eingeschränkt, weshalb die Bestimmung geändert werden muss (vgl. Ziff. 213.1 hiervor).

Artikel 117 Buchstabe c

Unzulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage

In der Sache ändert die Bestimmung gegenüber dem geltenden Recht nicht, wenngleich deren Anwendungsbereich wegen der Einschränkung der verwaltungsrechtlichen Klage enger wird.

Auch künftig steht demnach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen von Behörden im Sinne von Artikel 98 Buchstaben b - h offen, aber - wie der neue Wortlaut präzisiert erst in letzter Instanz. Dies bedeutet, dass unter Umständen eine Mittelinstanz (zum Beispiel eine Rekurskommission) anzurufen ist, bevor der Beschwerdeführer an das Bundesgericht gelangen kann.

Artikel 118

Prorogation

Um das Bundesgericht zu entlasten, drängt es sich auf, auch bei jenen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten anzusetzen, die dem Bundesgericht durch Parteiabrede (Prorogation) zugewiesen werden. In diesem Sinne ist die Prorogation abzuschaffen, da sie sich durch keine zwingenden Gründe rechtfertigen lässt.

Artikel 12O

Ergänzende Verfahrensbestimmungen

Hier entfällt die Verweisung auf Artikel 109 OG, weil diese Bestimmung aufgehoben wird.

511.7

Eidgenössisches Versicherungsgericht

Artikel 123 Absätze l und 2

Zusammensetzung und Wahl

Absatz l Absatz l weicht vom heutigen Recht insoweit ab, als die untere Grenze für die Zahl der Richter und Ersatzricher gestrichen wird. Wie das Bundesgericht soll auch das Eidgenössische Versicherungsgericht künftig eine feste Zahl von Richtern und Ersatzrichtern zählen. Die Gründe, die für diese Lösung sprechen, finden sich unter den Erläuterungen zu Artikel l Absatz l OG-Entwurf hiervor (Zahl der Richter und Ersatzrichter des Bundesgerichts).

Absatz 2 Die Verweisungen werden hier dem neuen Recht angepasst. Aufgrund dieser Bestimmung können auch am Eidgenössischen Versicherungsgericht ausscheidende Bundesrichter als Ersatzrichter dieses Gerichts gewählt werden, ohne dass sie auf die Zahl der Ersatzrichter angerechnet werden (Art. l Abs. 3 OG-Entwurf) .

Artikel 125

Anwendbarkeit dieses Gesetzes

Hier wird die Verweisqng auf Artikel 15 OG dem neuen Recht angepasst.

Artikel 128

Zuständigkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichts als Beschwerdeinstanz

Die Bestimmung stellt klar, dass Artikel 98a OG-Entwurf (kantonale richterliche Behörden) auch für jene Verfahren gilt, die an das Eidgenössische Versicherungsgericht führen. Im übrigen ist diese Regelung aufgrund der Gesetze aus der Sozialversicherung praktisch bereits durchgehend verwirklicht (vgl.

Ziff. 221 hiervor).

890

Artikel 13O

Zuständigkeit als einzige Instanz

Hier wird die Verweisung dem neuen Artikel 116 OG angepasst.

Demgemäss wird die verwaltungsrechtliche Klage auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung künftig eingeschränkt.

Artikel 132

Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde

Das Sonderrecht für das Verfahren der Verwaltungsgerichtstaeschwerde auf dem Gebiete des Sozialversicherungsrechts wird aufgehoben und das Eidgenössische Versicherungsgericht in dieser Hinsicht dem Bundesgericht gleichgestellt. Das bedeu-

tet: -

Angemessenheitskontrolle nur noch bei erstinstanzlichen Verfügungen über die Festsetzung von Abgaben und von öffentlichrechtlichen Entschädigungen (Art. 104 Bst. c OGEntwurf}.

- Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die Feststellung des Sachverhalts, wenn richterliche Behörden als Vorinstanzen entscheiden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt haben (Art. 105 Abs. 2 OG-Entwurf).

- Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die Parteianträge (Art. 114 Abs. l OG).

Aufgrund der Verweisung in Artikel 132 OG-Entwurf werden überdies folgende Neuerungen auch für das Eidgenössische Versicherungsgericht wirksam: - Schriftenwechsel bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 110 Abs. l OG-Entwurf); Parteiverhandlung bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 112 OG-Entwurf).

891

Der Vollständigkeit halber ist beizufügen, dass nach Artikel 135 OG, der nicht geändert wird und deshalb im OG-Entwurf nicht figuriert, folgende weitere Neuerungen am Eidgenössischen Versicherungsgericht eingeführt werden: - Vereinfachtes Verfahren statt des summarischen Verfahrens (Art. 36a_ OG-Entwurf; Art. 1O9 OG) ; - Annahmeverfahren (Art. 36b, 36c und 36d OG-Entwurf); - Revision von Gerichtsurteilen bei Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 139a OG-Entwurf); - Kostenregelung im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 149 ff. OG und OG-Entwurf).

Artikel 134

Kosten

Wer vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht unterliegt, soll künftig grundsätzlich wie ein Beschwerdeführer vor dem Bundesgericht die Gerichtskbsten tragen müssen (vgl. Ziff.

214.4 hiervor) . Artikel 134 OG, der bei Streitigkeiten um Versicherungsleistungen die Kostenfreiheit vorsieht, ist daher aufzuheben. Ob ein Beschwerdeführer Gerichtskosten bezahlen muss, bestimmt sich künftig nach den Artikeln 150 ff. OG und OG-Entwurf. Das Gericht wird dabei insbesondere auch die finanzielle Lage der Partei berücksichtigen (Art. 153a Abs. l OG-Entwurf) und einer bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege gewähren (Art. 152 OG).

511.8

Revision

Artikel 139

Vorbehalt zugunsten des Bundesstrafprozesses

Der Vorbehalt zugunsten des Bundeszivilprozesses im geltenden Gesetz ist zu streichen. Die Revision von Zivilurteilen des Bundesgerichts als einziger Instanz richtet sich nämlich nach dem OG (Art. 86 Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess; SR 273) . Damit bleibt nur der Vorbehalt strafprozesses bestehen.

892

zugunsten des Bundes-

Artikel 139a

Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention

Absatz l Die Bestimmung ist neu. Sie erlaubt es künftig, einen Entscheid des Bundesgerichts oder einer Vorinstanz unter bestimmten Voraussetzungen in Revision zu ziehen, wenn er gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst (vgl.

Ziff. 413 hiervor). Zu diesen Voraussetzungen gehört namentlich der Umstand, dass die Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist. Dass eine Individualbeschwerde in Strassburg gutgeheissen wird, hat also für sich allein noch nicht zur Folge, dass das schweizerische Urteil revidiert werden muss; in manchen Fällen wird das Urteil der europäischen Behörden, allenfalls zusammen mit der Leistung einer Geldsumme als Schadenersatz oder Genugtuung, genügen. Nur wenn dies nicht zutrifft, soll das schweizerische Verfahren wieder aufgerollt werden.

Die Wiederaufnahme erfolgt nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Gesuch hin. Dieses ist beim Bundesgericht oder beim Eidgenössischen Versicherungsgericht einzureichen (Art. 141 Abs.

l Bst. c OG-Entwurf).

Absätze 2 und 3 Der Weg nach Strassburg führt über das Bundesgericht oder über das Eidgenössische Versicherungsgericht, soweit es um Fälle geht, die in letzter nationaler Instanz von diesen Gerichten zu entscheiden sind. Es ist daher in der Regel Sache des jeweiligen Gerichts, seinen Entscheid in Revision zu ziehen, wenn die europäischen Behörden eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention feststellen, gleichgültig, ob der Fehler der letzten eidgenössischen Instanz selbst oder einer Vorinstanz unterlaufen ist; denn diese obersten Instanzen hätten ihn korrigieren müssen und haben insofern selbst konventionswidrig

gehandelt. Mit der Revision des Entscheides

893

der obersten eidgenössischen Instanz wird dann gegebenenfalls der Entscheid der unteren Instanz nachträglich aufgehoben, gleich wie wenn die oberste Instanz sofort den Entscheid wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention aufgehoben hätte.

Häufig wird dies genügen, um dem Entscheid der europäischen Behörden Rechnung zu tragen, aber nicht immer. Es kann durchaus vorkommen, dass dazu auch das Verfahren vor einer Vorinstanz des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts wieder aufgenommen werden muss. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine kantonale Strafbehörde mit einem befangenen Richter besetzt war. Das hat zur Folge, dass die Revision des Strafurteils nach den Vorschriften des kantonalen Verfahrens durchzuführen ist (vgl. BGE 107 la 187 ff.). In diesem Sinne werden die eidgenössischen Gerichte solche Fälle der Vorinstanz zur Durchführung des Revisionsverfahrens überweisen. Handelt es sich dabei um eine kantonale Vorinstanz, so muss sie auch dann auf das Revisionsgesuch eintreten, wenn das kantonale Recht die Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Revisionsgrund nicht anerkennt.

Artikel 141 Absatz l Buchstabe c

Frist für das Revisionsgesuch

Die Bestimmung ist neu. Sie schreibt vor, dass - gleich wie für die ändern Revisionsfälle - auch bei Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention das Revisionsgesuch binnen bestimmter Frist einzureichen ist. Die 9O-tägige Frist beginnt zu laufen, sobald das Bundesamt für Justiz den 'Entscheid des Strassburger Organs den Parteien zugestellt hat.

894

511.9

Vergütungen und Prozesskosten

Artikel 149

Gerichtskosten und Parteientschädigungen im allgemeinen

Die Vorschrift ist nicht mehr nötig und daher aufzuheben.

Dies gilt insbesondere für den Vorbehalt der Bundesstrafrechtspflege; denn dort wird für die Gerichtskosten und Parteientschädigungen auf die allgemeine Regelung des OG verwiesen (Art. 245 BStP-Entwurf).

Artikel ISO Absatz l

Sicherstellung für Gerichtskosten und Parteientschädigung

Absatz l weicht insofern vom geltenden Recht ab, als die Kostenregelung vereinheitlicht wird: Künftig kann in allen Verfahren jene Partei, die das Bundesgericht anruft, grundsätzlich zur Sicherstellung für die Gerichtskosten angehalten werden. Heute besteht diese Möglichkeit nur in der Zivilrechtspflege sowie - mit bestimmten Schranken - in der Staats- und Verwaltungsrechtspflege.

Artikel 153

Gerichtskosten im allgemeinen

Absatz l Die Bestimmung weicht in folgenden Recht ab (vgl. Ziff. 214.4 hiervor):

Punkten

vom

geltenden

- Um das Kostenwesen für Gericht und Bürger zu vereinfachen, werden künftig keine Kanzleigebühren mehr erhoben. Ferner werden nur noch die Auslagen des Gerichts für Gutachten, Zeugenentschädigungen und Untersuchungshaft gesondert berechnet, nicht mehr dagegen die anderen Auslagen, die erfahrungsgemäss keine hohen Beträge erreichen. Diese Vereinfachung lässt sich auch deshalb rechtfertigen, weil die Gerichtsgebühren allgemein erhöht werden (Art. 153jì Abs. 2 OG-Entwurf). Was die Kosten der Untersuchungshaft betrifft, so werden diese heute in Artikel 245 Absatz l Ziffer l Bun-

895

desstrafprozess erfasst. Das wird künftig nicht mehr der Fall sein, weshalb die Kosten der Untersuchungshaft in Artikel 153 Absatz l OG aufzuführen sind.

- Die Kriterien, nach denen die Gerichtsgebühren zu bemessen sind, werden neu formuliert und in einer eigenen Bestimmung (Art. 153a Abs. l OG-Entwurf) verankert.

Absatz 2 Mit dem Vorschlag, dass das Gericht bei einer Abstandserklärung oder bei einem Vergleich auch ganz auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichten kann, geht der Bundesrat über das geltende Recht hinaus (Art. 153 Abs. 2 OG).

Artikel 153a

Gerichtsgebühr

Absatz l Der Absatz hält die Kriterien fest, nach denen die Gerichtsgebühren zu bemessen sind und die sich heute in Artikel 153 Absatz l Buchstabe b finden.

Absätze 2 und 3 Die neue Gebührenordnung weicht in drei Punkten vom geltenden Recht ab : - Einmal werden die Gerichtsgebühren allgemein erhöht (vgl.

Ziff. 214.4 hiervor).

- Sodann werden Höchstbeträge für die Gebühren festgelegt, die das Gericht auch in Sonderfällen nicht überschreiten darf. Im geltenden Recht fehlen solche Schranken (Art. 153 Abs. l Est. b OG).

- Anderseits darf das Gericht künftig auch die Gebührenminima nicht mehr unterschreiten; heute kann es dies ausnahmsweise tun. Vorbehalten bleiben immerhin jene Fälle, in denen das

896

Gericht ganz oder teilweise auf Gerichtskosten verzichten kann (unentgeltliche Rechtspflege, Art. 152 OG; Abstandserklärung und Vergleich, Art. 153 Abs. 2 OG-Entwurf; staatsrechtliche Streitigkeiten, Art. 154 OG).

Artikel 156 Absatz 4

Kostenpflicht

Weil Artikel 60 OG aufgehoben wird, ist auch die Verweisung darauf zu streichen.

511.91

Aenderung von Bezeichnungen

Die Ausdrücke "Ersatzmann" und "Ersatzmänner" werden im Hinblick auf die Wählbarkeit von Frauen durch "Ersatzrichter" ersetzt. Es handelt sich dabei um eine rein redaktionelle Aenderung, welche die Stellung der Ersatzrichter der beiden eidgenössischen Gerichte nicht berührt.

512 Ziffer l

Schlussbestimmungen (Ziff. III) Ausführungsbestimmungen

Aus der Bestimmung erhellt, dass die Reorganisation der Bundesrechtspflege gestaffelt in Kraft treten wird. Zu unterscheiden sind folgende Phasen: Zu Beginn der ersten Phase wird der Bundesrat das revidierte OG in Kraft setzen, wenn das Parlament die Vorlage verabschiedet hat und die Referendumsfrist unbenutzt abgelaufen ist (Ziff. 5 Abs. 2 Schlussbestimmungen). Viele Entlastungsmassnahmen werden damit bereits für die eidgenössischen Gerichte wirksam, so zum Beispiel die Ausdehnung der Dreierbesetzung und des vereinfachten Verfahrens. Ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes können die Gerichte auch das Annahmeverfahren anwenden; doch wird es sich vorderhand nur in jenen Bereichen auswirken, wo schon heute richterliche Vorinstanzen

35 Bundesblatt. 137. Jahrsang. Bd. II

897

der eidgenössischen Gerichte entscheiden. Beim Bundesgericht sind dies vor allem die Zivilrechtspflege und die Strafrechtspflege, beim Eidgenössischen Versicherungsgericht jene Verwaltungsgerichtsbeschwerden,die gegen kantonale Versicherungsgerichte erhoben werden. Die Verwaltungsrechtspflege des Bundesgerichts wird dagegen vom Annahmeverfahren vorderhand eher wenig profitieren; denn hier müssen zunächst die richterlichen Vorinstanz,en des Bundesgerichts ausgebaut werden.

In der zweiten Phase wird es daher darum gehen, diesen Ausbau durchzuführen. Der Bundesrat wird innert zwei Jahren seit Inkrafttreten des revidierten OG die Verordnungen zu den vorgeschlagenen neuen Rekurskommissionen erlassen und dort namentlich deren Organisation und Verfahren regeln (Abs. 2 Bst. a).

Die Kantone ihrerseits haben drei Jahre Zeit, um die Ausführungsbestimmungen zu den kantonalen Beschwerdeinstanzen für das Bundesverwaltungsrecht zu erlassen (Abs. 1).

Innert zwei Jahren wird der Bundesrat ferner die Bundesbehörden bestimmen, die anstelle des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in den Fällen entscheiden, in denen bisher die verwaltungsrechtliche Klage zulässig war und nach den Artikeln 116 und 130 OG-Entwurf nicht mehr zulässig ist (Abs. 2 Bst. b) . Der Entscheid ist einer in der Sache zuständigen Bundesbehörde zu übertragen, gegen die letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht. Dabei sind die in der Sache zuständigen Rekurs- oder Schiedskommissionen als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zu bezeichnen. Bewusst offen bleibt, ob diese Kommissionen dabei als Beschwerdeinstanzen oder als erste Instanzen verfügen.

Das wird der Bundesrat festlegen. Er hat somit zwei Möglichkeiten: Er kann entweder als erste Instanzen Bundesverwaltungsbehörden bezeichnen; Rekurs- und Schiedskommissionen amten in diesem Fall als Beschwerdeinstanzen. Oder aber er bestimmt Rekurs- und Schiedskommissionen als erste Instanzen, so zum Beispiel für die Beurteilung von Streitigkeiten aus öffentlichrechtlichen Verträgen; die Rekurskommissionen ent-

898

scheiden in dieser Funktion 71a Abs. l VwVG-Entwurf).

Ziffer 2

als

Schiedskommissionen

(Art.

Aufhebung widersprechender Bestimmungen

Absätze l und 2 Zu den Bestimmungen des Bundesrechts, die dem neuen OG widersprechen, aber erst mit dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen aufgehoben werden, gehören namentlich Vorschriften, nach denen die verwaltungsrechtliche Klage beim Bundesgericht weitergehend zulässig ist als nach Artikel 116 OGEntwurf (vgl. Ziff. l Abs. 2 Bst. b Schlussbestimmungen).

Das Bundesgericht wird also weiterhin auch solche Fälle verwaltungsrechtlicher Klagen beurteilen, die nach dem neuen Recht nicht mehr zulässig sind, und zwar solange, bis der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen erlässt und darin jene Bundesbehörden bestimmt, die anstelle des Bundesgerichts künftig entscheiden werden. Diese Regelung soll gewährleisten, dass sich der Uebergang vom alten zum neuen Recht nahtlos vollzieht. Folgerichtig wird der Bundesrat für solange auch das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen über die Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage, die sich im Anhang zum revidierten OG finden, aufschieben (Ziff. 5 Abs. 3 Schlussbestimmungen).

Absatz 3 In vielen Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen finden sich Bestimmungen, die dem neuen OG widersprechen. Sie sehen beispielsweise die verwaltungsrechtliche Klage in Fällen vor, in denen diese künftig nach Artikel 116 und 130 OG-Entwurf nicht mehr zulässig ist. Wenn man den Wortlaut dieser Bestimmungen im Zuge der OG-Revision dem neuen Recht anpassen wollte, so müssten sie alle ausnahmslos in den Anhang zum revidierten OG (Ziff. II) aufgenommen werden. Die Unzahl rein redaktioneller Anpassungen würde die Vorlage jedoch unnötig belasten. Daher überträgt Absatz 3 diese Anpassungen dem Bundesrat.

899

Gelegenheit dazu bietet sich zum Beispiel dann, wenn der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen zu den neuen Rekurskommissionen erlässt (Ziff. l Abs. 2 Schlussbestimmungen).

Ziffer 3

Uebergangsbestimmungen

Diese Vorschriften regeln die Frage, wieweit die revidierten Bestimmungen des OG mit dessen Inkrafttreten auf die in diesem Zeitpunkt hängigen und später eingeleiteten Verfahren der eidgenössischen Geridhte anwendbar sind.

Ziffer 4

Amtsdauer der Ersatzrichter

Nach Artikel 2 des Bundesbeschlusses vom 23. März 1984 über eine vorübergehende Erhöhung der Zahl der Ersatzrichter und der Urteilsredaktoren des Bundesgerichts (SR 173.110.1) werden ausscheidende Mitglieder dieses Gerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, die als Ersatzrichter gewählt werden, an die Höchstzahl der Ersatzrichter dieser Gerichte nicht angerechnet. Ersatzrichter, die aufgrund dieser Regelung ihr Amt versehen, sind nur bis Ende 1988 gewählt, weil der Bundesbeschluss dann dahinfällt. Solche Ersatzrichter werden somit zu diesem Zeitpunkt aus dem Gericht ausscheiden müssen. Dies auch dann, falls das revidierte OG wie vorgeschlagen wird - die Regelung des Bundesbeschlusses weiterführen und ebenfalls erlauben wird, ausscheidende Bundesrichter als Ersatzrichter zu wählen, ohne sie an die HBchstzahl der Ersatzrichter des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts anzurechnen (Art. l Abs. 3 i und Art. 123 Abs. 2 OG-Entwurf). Um zu vermeiden, dass solche Ersatzrichter Ende 1988 sozusagen vorzeitig ausscheiden müssen, ist deren Amtsdauer über diesen Zeitpunkt hinaus zu verlängern. Sie soll so lange gelten, bis das Parlament das nächstemal nach 1988 die eidgenössischen Gerichte ordentlicherweise neu bestellt.

900

Ziffer 5

Referendum und Inkrafttreten

Nach Absatz 3 wird der Bundesrat den Anhang zum revidierten OG gestaffelt in Kraft setzen. Er wird das Inkrafttreten jener Bestimmungen aufschieben, deren Anwendung vom Erlass entsprechender Ausführungsbestimmungen abhängt (Ziff. l Abs. 2 und Ziff. 2 Abs. 2 Schlussbestimmungen).

513 1.

Aenderung anderer Erlasse (Ziff. II) Verantwortlichkeitsgesetz (Art. 10, 19 Abs. 3 und 20 Abs. 3)

Wegen der Beschränkung der verwaltungsrechtlichen Klage sind die vorgenannten Bestimmungen des Verantwortlichkeitsgesetzes zu ändern (Art. 116 Bst. c OG-Entwurf).

2.

Verwaltungsorganisationsgesetz

Artikel 42 Absatz Ibis

(VwOG)

Delegation von Verfügungskompetenzen

Grundsätzlich sind alle Verfügungskompetenzen des Bundesrates in jenen Bereichen, die der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterstehen, von Rechts wegen an die Fachdepartemente (Mittelinstanzen) delegiert. Auf diese Weise lässt sich gegen solche Verfügungen der Weg an das Bündesgericht öffnen; denn Verfügungen des Bundesrates unterliegen nur ausnahmsweise der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und sind daher in der Regel nicht anfechtbar (Art. 98 Bst. a OG) . Die Delegation von Rechts wegen kommt aber im geltenden Recht nicht zum Ausdruck. Artikel 23 Absatz 2 des alten VwOG (vgi. Ziff. U/3 der OG-Revision vom '20.

Dez. 1968, AS 1969 767), der diesen Grundsatz enthielt, fehlt nämlich im neuen VwOG. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Grundsatz der Delegation von Rechts wegen im neuen VwOG wieder Ibis.

zu verankern.

Das

geschieht

in Artikel

42

Absatz

901

Der Grundsatz erleidet indes Ausnahmen; es handelt sich um Verfügungen, die der Gesetzgeber bewusst dem Bundesrat vorbehält und damit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht entzieht. Diese Fälle sind in den Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzunehmen (Art. 99 ff. OG). Das ist in der Vergangenheit nicht konsequent erfolgt und soll daher im Rahmen der OG-Revision nachgeholt werden (vgl. Art. 99 und 100 OG-Entwurf).

3.

Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG)

Artikel Ila

Obligatorische Vertretung

Die Bestimmung ist neu und gehört zu den Sonderregeln, die der Bundesrat für Massenverfahren vorschlägt (vgl. Ziff. 37 hiervor).

Absatz l Nach dieser Vorschrift werden die Parteien bei Massenverfahren künftig einen gemeinsamen Vertreter bestellen müssen, sofern sie die gleichen Interessen wahrnehmen (Vertretungszwang). Eine ähnliche Regelung besteht schon heute im deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz (§§ 17 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz). Wenn ein Vertreter nicht besteht, so muss die Behörde in einem Verwaltungsverfahren stets mit jeder einzelnen Partei verkehren, und zwar auch dann, wenn diese Parteien nach Hunderten oder gar Tausenden zählen und alle die gleichen Interessen wahrnehmen. Zu denken ist zum Beispiel an den Fall, da die Parteien vorformulierte Eingaben individuell oder kollektiv einreichen; dem ist gleichzustellen der Fall, da die Parteien ihre Eingaben selber niederschreiben, sich dabei aber mehr oder weniger wörtlich an eine gemeinsame Vorlage halten. Für die Behörde führt der Verkehr mit jeder einzelnen Partei zu einem spürbaren Mehraufwand und verlängert das Verfahren. Dies lässt sich ohne Nachteil für die Parteien vermeiden, wenn diese einen gemeinsamen Vertreter bezeichnen.

Falls es unter den Parteien Gruppen mit verschiedenen Inter-

902

essen gibt, so wird jede Interessengruppe einen eigenen Vertreter bezeichnen müssen. Die Behörde muss alsdann ihre Mitteilungen nur noch an den oder die Vertreter richten (Art.

11 Abs. 3 VwVG).

Absatz 2 Wenn die Parteien von sich aus keinen gemeinsamen Vertreter bezeichnen, so hat die Behörde dies sozusagen ersatzweise zu tun. Gleich zu verfahren ist auch dann, wenn jene Parteien, die gleiche Interessen wahrnehmen, mehr als einen Vertreter bezeichnen. Falls die Parteien verschiedene Interessen vertreten, so wird die Behörde Gruppen mit gleichen Interessen bilden und pro Interessengruppe einen gemeinsamen Vertreter bezeichnen.

Die Ansetzung einer Frist zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und die Bezeichnung eines gemeinsamen Vertreters durch die zuständige Behörde sind nicht selbständig, sondern erst mit Beschwerde gegen die Endverfügung anfechtbar (Art.

46 Bst. f und g VwVG-Entwurf).

Absatz 3 Wer die Kosten der Parteivertretung zu tragen hat, bestimmt die Behörde in der Verfügung, die das Verfahren abschliesst (EndverfUgung). Sie regelt dies sinngemäss nach den Vorschriften, die für die Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren gelten (Art. 64 VwVG und Art. 8 der einschlägigen Kostenverordnung; SR 172.041.0). In diesen Vorschriften nicht beantwortet wird allerdings die Frage, wer die Kosten des amtlich bezeichneten gemeinsamen Vertreters vorzuschiessen hat. Diese Frage wird in Absatz 3 entschieden. Darnach muss auf Anordnung der zuständigen Behörde jene Partei den Vorschuss leisten, gegen deren Vorhaben sich die Eingaben richten. Falls diese Partei obsiegt und die Behörde in der Endverfügung die Kosten des gemeinsamen Vertreters den unterlie-

903

genden Gegenparteien auferlegt, so kann die Partei die vorgeschossenen Kosten bei diesen Gegenparteien eintreiben.

Den Kostenvorschuss der Partei aufzuerlegen, gegen deren Vorhaben sich die Eingaben der Gegenparteien richten, rechtfertigt sich deshalb, weil diese Partei mit ihrem Vorhaben das Massenverfahren ausgelöst hat. Zudem liegt die Beschleunigung des Verfahrens, die von der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gegenparteien zu erwarten ist, vor allem auch im Interesse dieser Partei. Deswegen verdient diese Regelung auch den Vorzug vor ändern möglichen Lösungen, nämlich, dass der Bund selber die Kosten vorschiesst oder den Vorschuss von den Gegenparteien eintreibt; die zweite Lösung wäre überdies für den Bund wegen der zahlreichen Gegenparteien mit unverhältnismässig hohem Aufwand verbunden.

Artikel 22a

Stillstand der Fristen

Die Bestimmung ist neu und sieht für das Verwaltungsverfahren während bestimmter Zeiten einen Fristenstillstand vor. Die Aenderung geht auf einen parlamentarischen Vorstoss, nämlich auf das Postulat Meier Josi zurück (vgl. Ziff. 363 hiervor).

Artikel 30a

Vorgängige Anhörung durch amtliche Veröffentlichung

Diese Neuerung gehört zu den Sonderregeln, die der Bundesrat für Massenverfahren vorschlägt (vgl. Ziff. 37 hiervor). Danach wird die vorgängige Anhörung in den Fällen vereinfacht, da eine Verfügung zahlreiche Personen berühren kann. Statt dass die Behörde diese Personen einzeln begrüsst, kann sie in solchen Fällen das fragliche Gesuch oder die beabsichtigte Verfügung ohne Begründung in einem amtlichen Blatte veröffentlichen, mit Begründung (samt allfälligen Beilagen) gleichzeitig öffentlich auflegen, den Ort der Auflage bekanntmachen und Frist für Einwendungen setzen. Bei dieser Gelegenheit macht die Behörde zudem auf die Verpflichtung der Parteien aufmerksam, gegebenenfalls einen gemeinsamen Vertre-

904

ter zu bestellen und Verfahrenskosten sowie Parteientschädigung zu bezahlen (Art. lla^ VwVG-Entwurf).

Artikel 36 Buchstaben c und d

Amtliche Veröffentlichung

Diese Bestimmungen sind neu und gehören zu den Sonderregeln, die der Bundesrat für Massenverfahren vorschlägt (vgl. Ziff.

37 hiervor). Danach wird es künftig leichter sein, Verfügungen durch Veröffentlichung in einem amtlichen Blatte zu eröffnen, wenn zahlreiche Parteien berührt sind. Neu kann die Veröffentlichung erfolgen, wenn eine Sache zahlreiche Parteien zählt oder wenn sich die Parteien ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht vollzählig bestimmen lassen. Die Voraussetzungen zur Veröffentlichung müssen somit nur noch alternativ erfüllt sein, nicht mehr kumulativ wie im geltenden Recht (Art. 36 Bst. c VwVG).

Artikel 46 Buchstaben f und g

Unzulässigkeit der Beschwerde

Die Neuerungen gehören zu den Sonderregeln, die der Bundesrat für Massenverfahren vorschlägt (vgl. Ziff. 37 hiervor). Darnach sind bestimmte Anordnungen der zuständigen Behörde in Massenverfahren nicht selbständig, sondern erst mit der Beschwerde gegen die Endverfügung anfechtbar. Es geht dabei um die Ansetzung einer Frist zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und um die Bezeichnung eines gemeinsamen Vertreters durch die zuständige Behörde (Art. Ila VwVG-Entwurf).

Die Regelung drängt sich deshalb auf, weil die selbständige Anfechtung solcher Anordnungen jedes Massenverfahren spürbar verlängern wird, ohne dass dafür triftige Gründe sprechen; denn den Parteien erwächst kein nicht wieder gutzumachender Nachteil, wenn sie solche Anordnungen erst mit Beschwerde gegen die Endverfügung anfechten können (Art. 45 Abs. l VwVG).

905

Artikel 66 Absatz l

Revisionsgründe

Buchstabe b dieses Absatzes ist neu und dient der Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention (Postulat Re.iniger; vgl. Ziff. 41 hiervor). Die Bestimmung erlaubt künftig, Verwaltungsentscheide unter bestimmten Voraussetzungen in Revision zu ziehen, wenn sie die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen. Die gleiche Bestimmung findet sich auch im OG (Art. 139a OG-Entwurf).

Eidgenössische Rekurs- und Schiedskommissionen Zur Entlastung der eidgenössischen Gerichte sollen auf der Stufe des Bundes neue Rekurskommissionen geschaffen werden (vgl. Ziff. 224 hiervor). Die Bedeutung solcher Rechtspflegeinstanzen wird somit in Zukunft steigen. Daher drängt es sich auf, einige allgemeine Regeln aufzustellen. Es versteht sich, dass diese Regeln nicht nur für die neuen, sondern auch für die bestehenden Rekurs- und Schiedskommissionen gelten. Dabei geht es vor allem darum, die Unabhängigkeit dieser Instanzen von der Verwaltung und damit ihre richterliche Funktion zu sichern.

Artikel 71a

Zuständigkeit und Verfahren

Absatz l In der Sache bringt die Bestimmung nichts Neues; doch klärt sie den Unterschied zwischen Rekurskommissionen und Schiedskommissionen.

Absatz 2 Hier ist der Grundsatz verankert, dass die Rekurs- und Schiedskommissionen über richterliche Unabhängigkeit verfügen. Dies bedeutet, dass sie keiner Weisungsgewalt unterworfen sind, was natürlich insbesondere im Verhältnis zum Bundesrat und zur Bundesversammlung gilt. Die Kommissionen sind in dieser Hinsicht den unabhängigen Beschwerdeinstanzen

906

gleichgestellt, welche die Kantone für die Bundesverwaltungsrechtspflege einrichten müssen (Art. 98a^ Abs. l OG-Entwurf).

Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit wird im übrigen in Artikel 7l£ VwVG-Entwurf in verschiedener Hinsicht präzisiert.

Absatz 3 Das Verfahren der Rekurs- und Schiedskommissionen richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Der Bundesrat kann mittels Verordnungen das Verfahren eingehender regeln .(Ziff. l Abs. 2 Schlussbestimmungen); doch dürfen solche Vorschriften dem Verwaltungsverfahrensgesetz nicht widersprechen (Art. 4 VwVG). Dies gilt nicht für Schiedskommissionen, für die der Bundesrat nötigenfalls abweichende Bestimmungen erlassen kann.

Artikel 71b

Organisation

Absatz l Die Rekurs- und Schiedskommissionen zählen - das soll die Regel bilden - sieben Richter. Der Bundesrat hält dafür, dass die Kommissionen nicht zu gross sein dürfen. Bei kleinen Kommissionen ist es einfacher, die Einheit der Rechtsprechung zu wahren. Zudem kommen die Richter häufiger zum Zuge, was mehr Erfahrung und Routine bringt.

Absatz 2 Die Fünferbesetzung für Grundsatzfragen und die Dreierbesetzung für die übrigen Fälle entsprechen in den Grundzügen der Regel, wie sie für die eidgenössischen Gerichte gilt (Art. 15 OG-Entwurf). Anders als bei den eidgenössischen Gerichten kann das Bundesrecht jedoch für die Rekurskommissionen den Einzelrichter vorsehen. Einzelrichter amten heute bereits in verschiedenen Bereichen: In der Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung entscheidet der Einzelrichter über Fälle, in welchen der noch streitige Betrag 1OOO Franken

907

nicht erreicht (Art. 12 der entsprechenden Verordnung vom 26.

Jan. 1972; SR 510.45). In der Eidgenössischen Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen entscheidet in der Regel der Einzelrichter, ausser über Beschwerden, die schwierige Tat- oder Ermessensfragen oder ungeklärte Rechtsfragen aufwerfen (Art. 22 der entsprechenden Verordnung vom 3. Sept.

1975; SR 831.161). In der Eidgenössischen Alkoholrekurskommission, der Eidgenössischen Getreiderekurskommission'und in der Eidgenössischen Zollrekurskommission kann der Einzelrichter unzulässige sowie offensichtlich begründete oder unbegründete Beschwerden erledigen (vgl. Art. 27 der entsprechenden Verordnung; SR 831.161).

Absatz 3 Dass der Bundesrat die Präsidenten, Vizepräsidenten und übrigen Richter der Kommissionen wählt, entspricht schon heute der allgemeinen Regel und ist mit der richterlichen Unabhängigkeit dieser Behörden vereinbar (vgl. Bemerkungen zu Art. 9Sa Abs. l OG-Entwurf).

Absatz 4 Schon heute kennt die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen einen vollamtlichen Präsidenten und vollamtliche Richter (Art. 21 der entsprechenden Verordnung; SR 831.161). Diese Möglichkeit will Absatz 4 auch anderen Rekurskommissionen eröffnen, sofern sich dies von der Geschäftslast her rechtfertigt. Ferner kann der Bundesrat für mehrere Kommissionen einen gemeinsamen Präsidenten wählen.

Auch dafür, bietet die bereits erwähnte Rekurskommission ein gutes Beispiel, steht doch an der Spitze dieser Kommission ein Präsident, der in Personalunion auch die Alkohol-, Getreide- und Zollrekurskommission präsidiert (Art. l der entsprechenden Verordnung; SR 831.161).

908

Absatz 5 Für das Sekretariat gilt, was hinsichtlich Vollamtlichkeit für die Richter der Kommissionen gesagt wurde: Sofern die Geschäftslast dies gebietet, soll auch das Sekretariat der Kommissionen (Gerichtsschreiber, Kanzleipersonal) vollamtlich sein. 'Ferner kann der Bundesrat für mehrere Kommissionen ein gemeinsames Sekretariat bestellen. Das ist im übrigen ebenfalls nicht neu. Die vorgenannten Rekurskommissionen verfügen schon heute über ein vollamtliches und gemeinsames Sekretariat (Art. l Abs. 3 der entsprechenden Verordnung; SR 831.161) .

Artikel 71c

Unabhängigkeit

Absatz l Die Bestimmung sichert die Unabhängigkeit der Richter der Rekurs- und Schiedskommissionen gegenüber der .Bundesverwaltung.

Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein nebenamtlicher Richter zum Beispiel eine Teilzeitstelle in einem Departement des Bundes versähe. Was unter "Bundesverwaltung" zu verstehen ist, wird in Artikel l Absatz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (SR 172.021) umschrieben.

Absätze 2 und 3 Für das Rechtsverhältnis zwischen den Richtern der Kommissionen und dem Bund ist zu unterscheiden: Das Rechtsverhältnis der nebenamtlichen Richter bestimmt sich nach den Vorschriften über die Mitglieder ausserparlamentarischer Kommissionen (Verordnung vom 2. März 1977 über ausserparlamentarische Kommissionen, Behörden und Vertretungen des Bundes, SR 172.31, und Verordnung vom 1. Okt. 1973 über die Entschädigungen für Kommissionsmitglieder, Experten und Beauftragte, SR 172.32).

909

Das Rechtsverhältnis der vollamtlichen Richter bestimmt sich sinngemäss nach dem Bundesrecht über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten. Allerdings darf die Anwendung dieser Regeln die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen. In diesem Sinne stehen die vollamtlichen Richter im Dienste des Bundes, nicht aber der Bundesverwaltung.

:

Absatz 4

Die Bestimmung dient dazu, die Unabhängigkeit des Personals der Kommissionssekretariate zu sichern.

Absatz 5 Dass der Bundesrat oder in dessen Auftrag ein Departement die administrative Aufsicht über die Rekurskommissionen ausübt, entspricht der Regel, die schon heute gilt.

.Artikel 71d

Schätzungskommissionen

Die eidgenössischen Schätzungskommissionen unterstehen nicht dem Verwaltungsverfahrensgesetz, ausser was die Regeln über die Fristen betrifft (Art. 2O-24 VwVG). Organisation und Verfahren dieser Kommissionen richten sich nach dem Bundesrecht über die Enteignung (SR 711).

Bun_desra_t Artikel 76

Ausstand

Nach dem geltenden Recht hat das Mitglied des Bundesrates, gegen dessen Departement sich die Beschwerde richtet, in der Beschlussfassung über den Antrag des instruierenden Departementes beratende Stimme. Neu wird der Vorsteher des beschwerdebeklagten Departementes für diesen Entscheid in den Ausstand treten. Diese Aenderung geht auf eine Motion der Geschäftsprüfungskommission Ziff. 362 hiervor).

910

des

Nationalrates

zurück

(vgl.

4.

Bundesgesetz über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten (Beamtengesetz)

Wegen der Einführung einer eidgenössischen Personalrekurskommission sind verschiedene Bestimmungen des Beamtengesetzes anzupassen oder aufzuheben (vgl. Ziff. 224.1 hiervor).

Artikel 33

Disziplinarbehörden

Die Absätze 2, 3 und 4 des geltenden Artikels 33 entfallen.

Absatz 2 deshalb, weil die Befugnis des Bundesrates, Beschwerdeentscheide nachgeordneter Amtsstellen über Disziplinarstrafen endgültig zu erklären, im neuen Artikel 59 verankert wird. Die Disziplinarkommissionen (Abs. 3 und 4) werden neu dort geregelt, wo sie sachlich hingehören, nämlich beim Beschwerdeverfahren (vgl. Art. 60 hiernach). In den neuen Artikel 33 übernommen wird dagegen Absatz l des geltenden Artikels 33. Die Aenderungen, die der Bundesrat bei dieser Gelegenheit vorschlägt, sind rein redaktioneller Natur: Zum einen werden die Buchstaben a und b des heutigen Absatzes l umgestellt. Zum ändern wird in Buchstabe c das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz nicht mehr erwähnt; statt dessen verweist diese Bestimmung auf den neuen Artikel 58 des Beamtengesetzes, der die Beschwerdeinstanzen aufzählt.

Artikel 58

Beschwerdeinstanzen

Artikel 58 nennt die Beschwerdeinstanzen, die in Personalsachen entscheiden. Im Unterschied zur heutigen Bestimmung werden dabei alle Teilbereiche aus dem Dienstverhältnis von Bundespersonal an einem einzigen Ort zusammengefasst, also sowohl die Disziplinarstrafen wie die Verfügungen über vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche. Diese Aenderung ist indessen rein redaktioneller Natur.

Sachlich neu ist dagegen die Personalrekurskommission, die Buchstabe d einführt (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Die Zuständigkeit dieser neuen Rekurskommission bestimmt sich nach der

911

Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das heisst: Die Rekurskommission wird als Mittelinstanz in jenen Fällen zum Zuge kommen, in denen die Verwaltung heute eine Verfügung trifft, gegen die der Weg an das Bundesgericht nach dem geltenden Recht offen steht (Art. 97 ff. OG).

Mit der Personalrekurskommission verlängert sich der Beschwerdeweg gegenüber der heutigen Ordnung um eine Instanz.

Dies gilt freilich nicht für alle Beschwerdefälle, sondern nur dann, wenn das Bundesgericht den Streitfall wegen der Erheblichkeit der Sache annimmt (Art. 36b OG-Entwurf). Aber so oder anders besteht die Gefahr, dass sich die Beschwerdeverfahren wegen des langen Instanzenzuges hinziehen. Daher rechtfertigt es sich, im Grundsatz die Zweistufigkeit des Beschwerdeverfahrens vorzusehen, die für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht als Leitsatz gilt (BB1 1965 II 1304 f.). Das heisst: Die erstinstanzliche Verfügung wird zunächst von einer übergeordneten Verwaltungsbehörde (Departemente, Bundeskanzlei, Oberzolldirektion, letzte Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe) auf Verwaltungsbeschwerde hin überprüft. Sodann kommt in zweiter und grundsätzlich letzter Beschwerdeinstanz die Personalrekurskommission als verwaltungsunabhängige - also richterliche - Behörde zum Zug. Dieser Grundsatz wird in Buchstabe a verankert. Er erleidet allerdings eine Ausnahme, nämlich dann, wenn der Streitfall mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen wird und dieses den Fall annimmt (Art. 36b und 36c_ OG-Entwurf). Im übrigen gilt der Grundsatz auch für jene Streitfälle, die von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen sind und der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat unterliegen (vgl. Art.

59 hiernach).

Die Personalrekurskommission entscheidet als Vorinstanz des Bundesgerichts im Streite über Verfügungen, welche die Bundesverwaltung als Arbeitgeber trifft. Je mehr sie Gewähr für ihre Unabhängigkeit gegenüber widerstreitenden Arbeitgeberund Arbeitnehmerinteressen bietet, desto mehr wird auch das

912

Bundespersonal ihre Entscheide anerkennen; und desto mehr wird sie ihren Zweck erfüllen, das Bundesgericht zu entlasten. Der Bundesrat beabsichtigt, die Einzelheiten von Organisation und Verfahren der PersonalreXurskoitunission in diesem Sinn und Geist zu regeln. Was die Organisation der Personalrekurskommission anbelangt, so wäre in diesem Lichte auch der Anspruch mehrerer Personalgewerkschaften zu würdigen, mit Richtern ihres Vertrauens in der Personalrekurskommission vertreten zu sein. Es liegt auf der Hand, dass dies die Gefahr mit sich brächte, die Unabhängigkeit der Richter zu beeinträchtigen. Je nach Ausgestaltung des Vorschlagsrechts hätte es auch zur Folge, die Wahlkompetenzen des Bundesrates illusorisch zu machen. Das direkte oder indirekte Wahlrecht, wie es für die Personalvertretung in der beratenden Paritätischen Kommission und in den beratenden Disziplinarkommissionen (Art. 65 Abs. 3 Beamtengesetz, SR 172.221.10, und Art. 3 Abs. 2 Verordnung vom 8. Jan. 1971 über die Disziplinarkommissionen, SR 172.221.141) gilt, lässt sich nicht auf eine höhere richterliche Behörde wie die Personalrekurskommission übertragen.

Artikel 59

Zweistufigkeit des Beschwerdeverfahrens

Was der heutige Artikel 59 regelt, versteht sich im Grunde von selbst und kann daher ohne Nachteil entfallen. An dessen Stelle tritt eine Bestimmung, die es dem Bundesrat erlaubt, erstinstanzliche Verfügungen oder Beschwerdeentscheide nachgeordneter Behörden in jenen Bereichen als endgültig zu erklären, in denen letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen ist.

Insbesondere für Bereiche, in denen der Rechtsweg bis zum Bundesrat heute über mehr als zwei Beschwerdeinstanzen führt, erscheint dies gerechtfertigt (Grundsatz der Zweistufigkeit des Beschwerdeverfahrens) .

Art. 60

Disziplinarkommissionen

Der heutige Artikel 60 bestimmt, dass das Bundesgericht verwaltungsrechtliche Klagen aus dem Dienstverhältnis von Bun-

913

despersonal beurteilt. Weil für solche Ansprüche die verwaltungsrechtliche Klage aufgehoben wird (Art. 116 OG-Entwurf) , kann diese Bestimmung ohne weiteres gestrichen werden. An deren Stelle tritt eine Bestimmung über die Disziplinarkommissionen. Diese findet sich heute in Artikel 33 des Beamtengesetzes; sie gehört aber richtigerweise hierher, weil die Disziplinarkommissionen im Beschwerdeverfahren zum Zuge kommen.

Artikel 61

Zuständigkeit der eidgenössischen Gerichte

Der geltende Artikel 61 kann aus dem gleichen Grund wie der heutige Artikel 60 entfallen. An dessen Stelle tritt eine neue Bestimmung, welche die ausschliessliche Zuständigkeit der eidgenössischen Gerichte in Personalsachen ihrer eigenen Beamten regelt.

5.

Bundesbeschluss über die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtssekretäre des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Bundesrat schlägt vor, diesen Beschluss als überflüssig aufzuheben. Die eidgenössischen Räte haben es in der Hand, die Zahl der Urteilsredaktoren der eidgenössischen Gerichte jährlich auf dem Budgetweg neu festzulegen, wenn sie im Bundesbeschluss über den Voranschlag die Durchschnittsbestände der eidgenössischen Gerichte bestimmen (Art. 2 Abs. 2 Bundesgesetz vom 4. Okt. 1974 über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes; SR 611.01). Dieser Weg erlaubt es somit, den Bestand an Urteilsredaktoren laufend und ohne grossen Aufwand der Geschäftslast anzupassen. Damit lässt sich auch vermeiden, dass der Bundesrat jede Aenderung im Bestand der Urteilsredaktoren dem Parlament durch eine Botschaft unterbreiten muss, was schwerfällig und aufwendig ist. Daher kann dieser Bundesbeschluss ohne Nachteil entfallen; das Parlament verliert damit nichts, was ihm nicht auch kraft des Budgetrechtes zusteht.

914

6.

Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnungen von Waren und der gewerblichen Auszeichnungen

7.

(Art. 16bis Abs. 2 und 3)

Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster und Modelle (Art. 17bis)

8.

Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente

(Art. 59c, 87 Abs. 5, 88 Abs. 2, 89 Abs. 3, 90 Abs. 4, 91, 92, 93, 94, 106, 106a Abs. 1) 9.

Sortenschutzgesetz (Art. 25)

Kommentar _zu__den_ Z_if f ern _§_ -__9_hi_erypr_:_ Die vorgenannten Gesetze sind anzupassen wegen der Rekurskointnission, die für diese Materien des geistigen Eigentums geschaffen wird

(vgl. Ziff.

224.1

hiervor). In den

des Markenschutzes, der gewerblichen

Bereichen

Muster und Modelle und

des Sortenschutzes handelt es sich dabei um eine völlig neue Beschwerdeinstanz

zwischen

Bundesverwaltung

und

Bundesge-

richt. Dies gilt auch für Verfügungen des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister über die Eintragung von Firmen und Namen von Vereinen und Stiftungen; der Bundesrat kann Beschwerden gegen solche Verfügungen ebenfalls dieser Rekurskornmission zuweisen

(Art. 16bis Abs. 3 Markenschutzgesetz).

Bei den Erfindungspatenten dagegen verhält es sich teilweise anders: Hier bestehen bereits heute unabhängige Beschwerdekairanern des Bundesamtes für geistiges Eigentum; diese beurteilen endgültig Beschwerden gegen Verfügungen der Prüfungsstellen und der Einspruchsabteilungen dieses Amtes im Rahmen der

amtlichen Vorprüfung

Vorprüfung beschränkt

von

Patentgesuchen.

Die

amtliche

sich heute auf Patentgesuche auf dem

Gebiet der Textilveredlung und der Zeitmessungstechnik

(Art.

87 ff. Bundesgesetz über die Erfindungspatente). An die Stelle der Beschwerdekammern für geistiges

Eigentum

wird künftig treten.

Diese

die Rekurskommission Rekurskommission wird

zudem - und dies geht über das geltende Recht hinaus - gene-

915

rell Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesamtes für geistiges Eigentum in Patentsachen beurteilen; sie wird also nicht bloss Verfügungen überprüfen, die im Rahmen der amtlichen Vorprüfung ergehen. Diese Beschwerdeentscheide der Rekurskommission unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, soweit diese nach dem geltenden Recht zulässig ist (Art. 1OO Bst. i OG; Art. 1O6 Patentgesetz-Entwurf) .

IQ. Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess Artikel 69 Absatz l

Prozesskosten

Die Bestimmung ist den neuen Vorschriften des OG über die Gerichtskosten anzupassen (Art. ISO ff.).

11. Bundesgesetz betreffend den Gerichtsstand für Zivilklagen/ welche von dem Bunde oder gegen denselben angehoben werden Das Gesetz ist aufzuheben. An dessen Stelle tritt Artikel 41 Absatz 2 OG-Entwurf.

12. Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP) Artikel 16 Absatz l

Bundesanwalt

Amtshandlungen nach den Artikeln 47 und 62 Absatz 2 BStP entsprechen Artikel 5 Ziffer 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention' (EMRK) und sollen künftig vom eidgenössischen Untersuchungsrichter vorgenommen werden. Die Vertretung des Bundesanwaltes in diesem Bereich durch die Staatsanwälte der Kantone ist deshalb zu streichen (vgl. Ziff. 421 hiervor).

916

Artikel 47 Absatz l

Haftrecht

Die Bestimmung schreibt neu bereits im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren die Zuführung an den ter vor.

Artikel 66quinquies

Untersuchungsrich-

Amtliche Ueberwachung

Die neue Bestimmung enthält den Grundsatz der nachträglichen Mitteilung der erfolgten Ueberwachung, die Ausnahmen davon, welche richterlich geprüft werden, und räumt die. Beschwerde an den Präsidenten der Anklagekammer ein.

Artikel 72 Absatz 3

Regelung vor der Einleitung der Voruntersuchung

Die für den Untersuchungsrichter erlassenen Vorschriften gelten sinngemäss auch für den Bundesanwalt.

Artikel 73 Absatz 2

Einziehung

Die übliche Beschwerdefrist von 3O Tagen ist hier gerechtfertigt. Im übrigen finden die Artikel 214 ff. BStP Anwendung.

Artikel 219 Absatz 3

Kosten des Beschwerdeverfahrens

Die Kostenordnung richtet sich künftig ausschliesslich nach dem OG (Art. 245 BStP-Entwurf). Absatz 3 von Artikel 219 BStP ist daher aufzuheben.

Artikel 229 Ziffer 4

Revision

Die neue Bestimmung dient der Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention (Postulat Reiniger; vgl. Ziff. 41 hiervor). Die gleiche Bestimmung findet sich auch im OG (Art.

13 9 a OG-Entwurf}.

917

Artikel 245 und 246

Prozesskosten

Die Kostenordnung richtet sich künftig ausschliesslich nach dem OG (Art. 150 ff. OG). Dies gilt insbesondere für die Kosten der Untersuchungshaft und der öffentlichen Verteidigung, die künftig unter Artikel 153 Absatz l OG gemäss Revisionsvorlage und unter Artikel 152 Absatz 2 OG fallen. In diesem Sinne sind Artikel 245 anzupassen und Artikel 246 zu streichen.

Artikel 271 Absätze 2 und 4

Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof

Absatz 2 ist zu ändern, weil die Streitwertgrenzen für die zivilrechtliche Berufung angehoben werden (Art. 46 Abs. l OG-Entwurf). In Absatz 4 entfällt der zweite Satz, weil die Revision von Urteilen des Kassationshofes des Bundesgerichts neu in Artikel 278bis BStP geregelt wird, und zwar allgemein, nicht bloss hinsichtlich des Zivilpunktes.

Artikel 273 Absatz l Buchstabe c

Beschwerdeschrift

Die strafrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof untersteht dem Annahmeverfahren. Der Beschwerdeführer muss daher in der Beschwerdeschrift künftig auch die Erheblichkeit der Sache dartun (Art. 36£ und 36ä OG-Entwurf}.

Artikel 275bis

Vereinfachtes

i Verfahren

Für das vereinfachte Verfahren bei der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gilt künftig ausschliesslich das OG (Art. 36a-36d^ OG-Entwurf). In diesem Sinne ist Artikel 275bis BStP anzupassen.

Artikel 276 Absatz i

Schriftenwechsel

Hier handelt es sich um eine rein redaktionelle Aenderung.

Sie bringt zum Ausdruck, dass in bestimmten Fällen des ver-

918

einfachten Verfahrens kein Schriftenwechsel stattfinden muss (Art. 36ji Abs. 2 OG-Entwurf ) .

Artikel 278bis

Revision und Erläuterung

Die Bestimmung regelt ausdrücklich, was bisher in dieser allgemeinen Form fehlte, nämlich nach welchen Vorschriften Urteile des Kassationshofes des Bundesgerichts über Nichtigkeitsbeschwerden in Revision zu ziehen und zu erläutern sind (BGE 107 la 189 E.la).

13. Militärstrafprozess Artikel 72a

(MStP)

Amtliche Ueberwachung

Die Bestimmung ist neu. Sie dient dazu, die Regelung der amtlichen Ueberwachung an die Europäische Menschenrechtskonvention anzupassen (vgl. Ziff. 422 hiervor). Der Artikel enthält die grundsätzliche Orientierungspflicht über durchgeführte Ueberwachungsmassnahmen, die Ausnahmen davon, die von einer höheren gerichtlichen Instanz bewilligt sein müssen, die Bezeichnung dieser richterlichen Behörde und die Bezeichnung der zuständigen Instanz, die über Beschwerden wegen Nichtorientierung zu entscheiden hat (Präsident des Militärkassationsgerichts) .

Artikel 73 Absatz 2

Geltung für den Oberauditor

Artikel 72ji hat auch Geltung, wenn der Oberauditor die Ueberwachung angeordnet hat.

Artikel 200 Absatz l Buchstabe f

Revisionsgründe

Die neue Bestimmung dient der Anpassung an die Europäische Menschenrechtskonvention (Postulat Reiniger; vgl. Ziff. 41 hiervor). Die gleiche Bestimmung findet sich auch im OG (Art.

139a OG-Entwurf).

919

14. Bundesgesetz über die Berufsbildung Artikel 68 Buchstaben c, d und e

Beschwerdebehörden

Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit aus dem Bereich der Berufsbildung unterliegen künftig der Beschwerde an die Rekurskommission EVD statt an das Departement (vgl. Ziff. 224.1 hiervor).

Was die Anfechtung der Beschwerdeentscheide der Rekurskommission angeht, sind zwei Fälle zu unterscheiden: Einerseits gibt es jene Fälle, die heute über das Departement mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können. Für diese Fälle bleibt der Weg an das Bundesgericht offen (Art. 97 ff. OG). Anderseits können heute Fälle vom Bundesamt über das Departement an den Bundesrat weitergezogen werden. Solche Fälle wird die Rekurskommission - die an die Stelle des Departements tritt - endgültig entscheiden; denn gegen Entscheide von eidgenössischen Rekurskommisionen ist die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen (Art. 72 und 74 Bst. c Verwaltungsverfahrensgesetz).

Die Rekurskommission entscheidet ferner über Beschwerden gegen erstinstanzliche Verfügungen des Departementes, soweit sie in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Ferner beurteilt sie kantonale Beschwerdeentscheide über die Zulassung zu Kursen und über Prüfungen.

15., Filmgesetz Artikel 17 Absatz 2

Verwaltungsgerichtsbeschwerde

Dass Verfügungen im Bereich des Filmwesens auch auf Angemessenheit zu überprüfen sind, widerspricht der allgemeinen Regel; danach ist die Angemessenheitskontrolle bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich ausgeschlossen (Art.

104 Bst. c OG-Entwurf). Für diese Sonderregel im Filmwesen

920

sprechen keine zwingenden Gründe; sie ist daher zu streichen (vgl. Ziff. 234.4 hiervor).

16. T-ierschutzgesetz Artikel 26 Absatz l

Rechtsschutz

Verfügungen des Bundesamtes für Veterinärwesen unterliegen künftig der Beschwerde an die Rekurskommission EVD statt an das Departement (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Die Rekurskommission entscheidet endgültig, soweit nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist (Art. 97 ff. OG).

17. Militärorganisation (Art. 28) und

18. Bundesbeschluss über die Verwaltung der Armee (Art. 105, 106, 123 Abs. 2, 125 Abs. 2) Ueber streitige Ansprüche von Zivilpersonen gegen den Bund aus Personenschäden infolge militärischer Uebungen oder dienstlicher Verrichtungen entscheidet heute das Bundesgericht auf verwaltungsrechtliche Klage hin als einzige Instanz (Art. 28 Abs. l Militärorganisation und Art. 116 Bst. c OG).

Gleiches gilt auch für den Rückgriff auf die Urheber von Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen (Art. 123 Abs. 2 Bundesbeschluss über die Verwaltung der Armee, BVA). Artikel 116 OG-Entwurf lässt jedoch für solche Ansprüche die verwaltungsrechtliche Klage nicht mehr zu (vgl. Ziff. 213.1 hiervor).

Die Ansprüche aus Personenschäden und die Rückgriffsansprüche sind künftig - gleich wie schon heute bei Sachschäden - durch Verfügung zu erledigen; zuständig dafür ist die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung (Art. ,1O6 und 123 Abs. 2 BVA-Entwurf). Die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung bleibt dabei namentlich auch zuständig für Regressansprüche des Bundes gegen Angehörige der Armee aufgrund einer Leistung der Militärversicherung (vgl. BGE 108 Ib 220).

921

Auch der Rechtsweg bei Ansprüchen aus Personenschäden soll künftig gleich verlaufen wie bei Sachschäden: Die Verfügungen der Direktion des vorgenannten Amtes unterliegen in diesem Sinne zunächst der Beschwerde an die bestehende Rekurskommission der Eidgenössischen Militärverwaltung und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 128 Abs. l und 131 BVA). Damit wird auch in diesem Bereich eine richterliche Behörde vor dem Bundesgericht eingeschaltet, was dieses entlastet (vgl. Ziff. 221 hiervor).

19. Zivilschutzgesetz Artikel 83

Vermögensrechtliche Ansprüche

Die Bestimmung wird sprachlich den Artikeln 14 und 15 des Schutzbautengesetzes angepasst.

20. Schutzbautengesetz Artikel 14 Absatz 3 und Artikel 15

Beschwerden

Nach dem geltenden Recht verläuft der Rechtsweg bei Verfügungen kantonaler Behörden anders, je nachdem, ob es um vermögensrechtliche oder nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten im Bereich der Schutzbauten geht. Nicht restlos klar ist, wie es sich dann verhält, wenn die Streitsache gemischter Art ist, also dann, wenn Hauseigentümer ihre Baupflicht und, im gleichen Vefahren, ihre Verpflichtung bestreiten, Ersatzbeiträge zu leisten. Diese Frage wird in den neuen Artikeln 14 und 15 des Schutzbautengesetzes geregelt. Darnach unterliegen solche Verfügungen der zuständigen kantonalen Behörden der Beschwerde an die bestehende Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Die Einschaltung der Rekurskommission dient der Entlastung des Bundesgerichts, was dem Ziel der OG-Revision entspricht vor) .

922

(vgl. Ziff. 221 hier-

21. Landesversorgungsgesetz Artikel 38 Buchstaben b, c und d

Beschwerde gegen Verfügungen

Verfügungen

und

Beschwerdeentscheide

des

Bundesamtes

für

wirtschaftliche Landesversorgung unterliegen künftig der Beschwerde an die Rekurskommission EVD statt an das Departement (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Auch letztinstanzliche kantonale Entscheide sind mit Beschwerde bei der Rekurskommission EVD anfechtbar.

Gegen Beschwerdeentscheide

der Rekurskommission

EVD bleibt

der Weg an das Bundesgericht im heutigen Umfang offen, abgesehen von ausserordentlichen wirtschaftlichen Lagen (Art. 23 -28 Landesversorgungsgesetz).

Artikel 39

Pflichtlagerstreitigkeiten

Die Pflichtlagerkommission soll in die Rekurskommission EVD integriert werden. Diese wird demnach künftig als Schiedskommission Streitigkeiten im Zusammenhang mit Pflichtlagern entscheiden. In diesem Sinne ist Artikel 39 zu ändern.

22. Zollgesetz Artikel 109 Absatz l Buchstabe c Ziffer 4

Instanzen

Zur Entlastung des Bundesgerichts schlägt der Bundesrat vor, erstinstanzliche Verfügungen und Beschwerdeentscheide der Oberzolldirektion über die Schwerverkehrs- und die Nationalstrassenabgabe der Beschwerde an die bestehende Zollrekurskommission

zu unterstellen

(vgl. Ziff. 221 hiervor). Gegen

solche Entscheide der Rekurskommission steht der Weg an das Bundesgericht offen (Art. 97 ff. OG).

923

23. Bundesgesetz über die Stempelabgaben (Art. 39jì, 4O) 24. BundesratsbeschlusB über die Warenumsatzsteuer (Art. 6 Abs. 3, 4 und 5) 25. Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Art. 42a und 43) Kommen_tar_zu__den__Ziffern 2_3_ - 25 hiervor: Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung auf dem Gebiet der Stempelabgaben, der Warenumsatzsteuer und der Verrechnungssteuer unterliegen nach dem geltenden Recht direkt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

Künftig sollen -solche Entscheide zur Entlastung des Bundesgerichts zunächst durch die neue Eidgenössische Steuerrekurskommission beurteilt werden; gegen deren Beschwerdeentscheide steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen (Art. 97 ff. OG). In diesem Sinn sind die vorgenannten Bundesgesetze zu ändern und zu ergänzen (vgl. Ziff. 224.1) hiervor).

Der Beschwerde an die Rekurskommission entzogen sind die Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung über Stundung und Erlass von Abgaben, soweit diese Institute in den einzelnen Gesetzen überhaupt vorgesehen sind. Jedes der vorgenannten Gesetze kennt hier eine andere Regelung, was sich im unterschiedlichen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen niederschlägt.

26. Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Wasserrechtsgesetz; Art. 8 Abs. 3, 13 Abs. 4, 14 Abs. 4, 15 Abs. 4, 25 Abs. 5, 26 Abs. 2, 28 Abs. 2, 44 Abs. 3, 71 A b s . 2 , 7 2 Abs. 3) ; Das Wasserrechtsgesetz kennt eine Reihe von Streitfällen, die das Bundesgericht heute auf verwaltungsrechtliche Klage hin zu entscheiden hat, aber künftig nicht mehr auf diesem Weg zu erledigen sind. Die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes

924

sind datier aufzuheben. Nach dem neuen Recht haben in diesen Fällen die zuständigen Behörden (namentlich Bundesamt für Wasserwirtschaft oder Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement) Verfügungen zu treffen (Art. 116 OGEntwurf; Ziff. l Abs. 2 Schlussbestimmungen zum OG-Entwurf).

Um das Bundesgericht zu entlasten, wird eine Rekurskommission für Wasserwirtschaft geschaffen, die Beschwerden gegen Verfügungen der vorgenannten Behörden beurteilt (Art. 72 Abs. 3 Wasserrechtsgesetz-Entwurf; :Vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Die Beschwerdeentscheide der Rekurskommission unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, soweit diese zulässig ist (Art. 97 ff. OG).

Zur Entlastung des Bundesgerichts wird die Rekurskommission ferner in einem bestimmten Streitfall als Schiedskommission das heisst als erstinstanzliche Spruchbehörde - entscheiden, dann nämlich, wenn Streit zwischen dem Beliehenen und der Verleihungsbehörde entsteht und mehrere Kantone oder der Bundesrat die streitigen Wasserrechte verliehen haben (Art. 71 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz-Entwurf; anderes Beispiel einer Schiedskommission vgl. Ziff. 34 ff. hiernach).

27. PTT-Organisationsgesetz Artikel 3 Absatz 3

Streitwertgrenzen

Hier sind die Streitwertgrenzen anzuheben, um den Einklang mit Artikel 41 Absatz l Buchstabe b OG-Entwurf zu erreichen.

28. Gewässerschutzgesetz Artikel 10

Rechtsmittel

Dass Verfügungen aufgrund des Gewässerschutzgesetzes auch auf Angemessenheit zu überprüfen sind, widerspricht der allgemeinen Regel für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde; danach ist die Angemessenheitskontrolle grundsätzlich ausgeschlossen (Art. 104 Est. e OG-Entwurf). Für diese Sonderregel beim Ge-

925

Wässerschutz sprechen keine zwingenden Gründe; sie ist daher zu streichen (vgl. Ziff. 234.4 hiervor).

29. Arbeitsgesetz Artikel 55 und 57

Verwaltungsrechtspflege

Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, die sich auf das Arbeitsgesetz stützen, unterliegen künftig der Beschwerde an die Rekurskommission EVD (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). In diesem Sinn ist Artikel 55 des Arbeitsgesetzes zu ändern. Artikel 57 weicht nicht vom geltenden Recht ab, wird aber sprachlich gestrafft.

30. Heimarbeitsgesetz Artikel 16

Rechtsschutz

Die neu geschaffene Rekurskommission EVD (vgl. Ziff. 224.1 hiervor) beurteilt unter anderem auch Entscheide der letzten kantonalen Instanzen sowie der Bundesbehörden über die Anwendbarkeit dieses Gesetzes. Die Rekurskommission entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist. In diesem Sinn wird Artikel 16 des Gesetzes geändert.

31. Bundesgesetz über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft Artikel 12

Beschwerde

Hier tritt die neue Rekurskommission EVD an die Stelle der Rekurskommission, die schon heute besteht und Beschwerden gegen Verfügungen beurteilt, die aufgrund dieses Gesetzes ergehen. Artikel 12 des Gesetzes ist in diesem Sinne anzupassen.

Weil Bestand, Organisation und Verfahren der Rekurskommission in Artikel 7 la ff. VwVG-Entwurf geregelt werden, können die Absätze 2 und 3 des geltenden Artikels 12 entfallen.

926

32. Bundesgesetz über die Krankenversicherung ArtiXel 12 Absatz 7

Krankenpflege

Nach dem geltenden Recht bezeichnet das Bundesamt für Sozialversicherung nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission die Arzneimittel und Analysen, die von den Krankenkassen als Pflichtleistung zu übernehmen sind. Das Bundesamt bezeichnet ferner nach Anhören dieser Kommission Arzneimittel, deren Uebernahme den Kassen empfohlen wird (Art. 12 Abs. 6 Bundesgesetz über die Krankenversicherung). Das Verzeichnis der zur Uebernahme empfohlenen Arzneimittel heisst Spezialitätenliste.

Die Verfügungen des Bundesamtes über die Spezialitätenliste unterliegen zunächst der Beschwerde an das Eidgenössische Departement des Innern und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 128 OG-Entwurf).

Solche Beschwerden belasten das Gericht stark, weil sich oft Tatfragen stellen, deren Beurteilung besondere Pachkenntnisse voraussetzt. Der Bundesrat schlägt daher vor, zur Entlastung eine Rekurskommission zu schaffen, die zwischen Verwaltung und Versicherungsgericht eingeschaltet wird und Beschwerden auf dem Gebiet der Spezialitätenliste zu beurteilen hat (vgl.

Ziff. 224.1 hiervor). Diese Rekurskommission wird im neuen Absatz 7 von Artikel 12 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung begründet.

33. Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) Artikel 105

Einsprachen

Beschwerden gegen Einspracheentscheide, welche die Zuständigkeit eines Versicherers oder Anordnungen zur Verhütung von Unfällen oder Berufskrankheiten betreffen, sind nach geltendem Recht vom Bundesamt für Sozialversicherung zu beurteilen; dessen Entscheid kann an das Eidgenössische Versicherungsge-

927

rieht weitergezogen werden (Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 110 Abs. l erster Satz UVG). Derartige Beschwerdefälle waren zwar bisher äusserst selten, weshalb deren erstinstanzliche Beurteilung durch eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission anstatt durch das Bundesamt für Sozialversicherung für das Eidgenössische Versicherungsgericht kaum eine erhebliche Arbeitsersparnis bedeuten würde. Weil jedoch Artikel 109 UVG ohnehin geändert wird, bietet sich Gelegenheit, im gleichen Zug auch diese Streitigkeiten der Rekurskommission für Prämientarife zuzuweisen und damit für das Eidgenössische Versicherungsgericht eine durchgehend konsequente Ordnung zu schaffen. Daher ist Absatz 2 von Artikel 105 UVG zu streichen, womit die Beschwerde an das Bundesamt für,Sozialversicherung entfällt. Neu wird statt dessen der Weg an die Rekurskommission für Prämientarife geöffnet, was in Absatz 3 zweiter Satz von Artikel 105 UVG-Entwurf und in Artikel 109 UVG-Entwurf zum Ausdruck kommt.

Artikel 109

Rekurskommission

Der Bundesrat schlägt vor, die Rekurskommission des Verwaltungsrates SUVA, heute nach Artikel 109 UVG erste Beschwerdeinstanz für Einspracheentscheide der SUVA über die Zuteilung der Betriebe und der Versicherten zu den Klassen und Stufen der Prämientarife, durch eine von der SUVA unabhängige Rekurskommission zu ersetzen (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Als Ersatz dafür bietet sich die unabhängige Rekurskommission für die entsprechenden Einspracheentscheide der anderen Versicherer an; sie soll an die Stelle der Rekurskommission des Verwaltungsrates SUVA treten und deren Aufgabe als Beschwerdeinstanz übernehmen.

Diese Reorganisation soll gewährleisten, dass auch in dieser Materie die neue Zulassungsbeschränkung (Annahmeverfahren) nach den Artikeln 36z Absatz l Buchstabe d und 36b-36d OGEntwurf für das Eidgenössische Versicherungsgericht zum Tragen kommt. Das wird zur Entlastung dieses Gerichts beitragen und entspricht auch besser rechtsstaatlichen Erfordernissen.

928

Die Rekurskommission des Verwaltungsrates SUVA ist nämlich keine richterliche Behörde. Sie erfüllt daher auch die Voraussetzung nicht, von der gemäss Artikel 36£ OG-Entwurf das Annahmeverfahren abhängt.

Die Rekurskoramission für Prämientarife wird zudem künftig auch Beschwerden gegen Einspracheentscheide beurteilen, welche die Zuständigkeit eines Versicherers oder Anordnungen zur Verhütung von Unfällen oder Berufskrankheiten betreffen (Art.

105 Abs. l UVG).

Artikel 110 Absatz l

Eidgenössisches Versicherungsgericht

Im ersten Satz ist die Verweisung auf Artikel 105 Absatz 2 UVG zu streichen, weil die in dieser Bestimmung erwähnten Streitigkeiten neu der Beschwerde an die Rekurskommission für Prämientarife statt an das Bundesamt für Sozialversicherung unterliegen; deren Entscheide können an das Eidgenössische Versicherungsgericht weitergezogen werden (Art. 105 und 109 UVG-Entwurf).

Zu streichen ist ferner der zweite Satz von Absatz 1. Dieser beschränkt die Prüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes, wenn es Beschwerdeentscheide der Rekurskommission des Verwaltungsrates der SUVA über die Zuteilung in die Prämientarife beurteilt. Neu unterliegen solche Entscheide der SUVA zunächst der Beschwerde an eine unabhängige Rekurskommission (Art. 109 UVG-Entwurf) und hernach der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsger.icht. Gegenüber dieser richterlichen Vorinstanz ist die Prüfungsbefugnis des Gerichtes ebenfalls beschränkt. Doch ergibt sich diese Beschränkung bereits aus Artikel 105 Absatz 2 OG-Entwurf und muss daher im UVG nicht eigens verankert werden. Der zweite Satz von Absatz l kann daher ohne Nachteil entfallen.

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929

Kpmment_ar_zu__den Ziffern_34 - 60 des _ Anhangs z_um CG-Entwurf (Ziff. II) Die vorgenannten Gesetze sind zu ändern, weil die Rekurskommission EVD geschaffen wird (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Die Neuerungen gleichen sich in den Grundzügen mehr oder weniger stark und werden daher im folgenden für alle Erlasse gemeinsam erläutert: Zunächst ist festzuhalten, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden, erstinstanzliche Verfügungen zu treffen, gegenüber dem heutigen Recht nicht ändert. Die verfügenden Behörden bleiben also dieselben.

Dies gilt auch für die Zuständigkeit des obersten Gerichtes: Der Weg an das Bundesgericht bleibt - unter Vorbehalt des Annahmeverfahrens (Art. 36b_ OG-Entwurf) - im heutigen Umfang offen (Art. 97 ff. OG).

Was ändert, ist dagegen der Weg zwischen den erstverfügenden Behörden und dem Bundesgericht. Hier tritt in vielen Fällen die Rekurskommission EVD an die Stelle des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, soweit dieses als Beschwerdeinstanz entscheidet. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob in letzter Instanz der Weg an das Bundesgericht oder aber an den Bundesrat offenstünde; die Rekurskommission ist so oder anders zuständig.

Wo das Departement dagegen als erste Instanz verfügt, unterliegen dessen Verfügungen in der Regel nur der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (vgl. zum Beispiel Art. 1O7 Abs. 2 LandwirtschaftsgesetzEntwurf) .

Dass die Rekurskommission EVD als Beschwerdeinstanz das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in den vorgenannten Bereichen ablöst, wird in erster Linie das Bundesgericht ent-

930

lasten, aber nicht nur dieses: Auch der Bundesrat wird in diesen Bereichen als Beschwerdeinstanz künftig weniger Beschwerden entscheiden müssen. Es geht dabei um jene Fälle, die heute an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement weitergezogen werden können, aber von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen sind und bisher in letzter Instanz der Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat unterlagen (Art. 72 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz). Dass solche Fälle künftig an die Rekurskommission EVD statt an das Departement weitergezogen werden können, hat zur Folge, dass die Beschwerde an den Bundesrat entfällt (Art. 72 und 74 Est. e Verwaltungsverfahrensgesetz). Die Rekurskommission EVD entscheidet somit endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

Um das Bild abzurunden, ist zu erwähnen, dass die Rekurskommission EVD als Beschwerdeinstanz überdies einzelne Rekurskommissionen ablöst, die schon heute bestehen, wie die folgenden Beispiele zeigen: - Getreiderekurskommission (Art. 59 Abs. 3 GetreidegesetzEntwurf) ; - Oberrekurskommission für die Milchkontingentierung (Art.

27 Abs. l Milchwirtschaftsbeschluss-Entwurf. 1977) ,- Rekurskommission für die Qualitätskontrolle in der Uhrenindustrie (Art. 17 Abs. l Bundesbeschluss-Entwurf).

Die vorgenannten Erlasse ordnen heute teilweise Organisation, Verfahren und Unabhängigkeit dieser Rekurskommissionen. Diese Fragen werden künftig allgemein im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt (Art. 71a_ ff. VwVG-Entwurf); daher können solche Bestimmungen in den Spezialerlassen gestrichen werden (Art. 59 Abs. 5 Getreidegesetz; Art. 27 Absatz 3 Milchwirtschaf tsbeschluss 1977).

Die Rekurskommission EVD ist aber nicht allein Beschwerdeinstanz, sondern hat noch eine andere Funktion zu erfüllen: Sie amtet als Schiedskommission bei der Förderung des Wohnungsbaus und beurteilt in dieser Funktion vermögensrechtli-

931

che Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund, sofern der^Kanton dafür nicht eine besondere Behörde bezeichnet hat (Art.

20 Abs. 4 Bundesgesetz-Entwurf zur Förderung des Wohnungsbaus). Hier tritt die Rekurskommission EVD als Schiedskommission an die Stelle des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, das solche Streitigkeiten bisher entschied (anderes Beispiel einer Schiedskommission vgl. Ziff. 11/26 hier.vor) .

61. VersicherungsaufSichtsgesetz (Art. 45a und 46) und

62. Sicherstellungsgesetz für die Privatversicherung (Art. 40) Für die Versicherungsaufsicht wird eine neue Rekurskommission geschaffen (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Diese entscheidet an Stelle des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements als Beschwerdeinstanz über Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesamtes für Privatversicherungswesen. Auch die Verfügungen des Departements unterliegen der Beschwerde an diese Rekurskommission. In Artikel 45a^ des Versicherungsaufsichtsgesetzes werden diese Neuerungen verankert. Die neue Bestimmung ersetzt die Absätze l und 2 von Artikel 46 dieses Gesetzes, die zu streichen sind. Aufzuheben ist ferner auch Artikel 4O des Sicherstellungsgesetzes, der durch Artikel 45ci des Versicherungsauf Sichtsgesetzes abgelöst wird.

63. Bundesgesetz über die Investitionsrisikogarantie Artikel 24

Rechtspflege

Die Bestimmung ist anzupassen, weil bestimmte Verfügungen der Kommission für die Investitionsrisikogarantie künftig der Beschwerde an die Rekurskommission EVD unterliegen (vgl. Ziff.

224.1 hiervor).

932

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen der OG-Revision

61

Finanzielle Auswirkungen für Bund, Kantone und Gemeinden

611

Bund

Wie sich die OG-Revision für den Bund finanziell auswirken wird, ist bereits bei den Alternativen zum Entlastungskonzept des Bundesrates einlässlich geprüft worden. Wir verweisen auf die Ergebnisse dieser Untersuchung und halten hier einzig fest, dass die Höhe der Kosten davon abhängt, welche Entlastungsvariante verwirklicht wird (vgl. Ziff. 263.1 hiervor).

612

Kantone und Gemeinden

Nach dem neuen Recht müssen die Kantone Gerichte oder Rekurskommissionen als letzte kantonale Instanzen bezeichnen, soweit deren Entscheide unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht oder an das Eidgenössische Versicherungsgericht unterliegen (Art. 98a und 128 OG-Entwurf).

Der Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird den Kantonen Kosten verursachen. Wie hoch diese Kosten liegen werden, lässt sich nicht angeben, weder" ziffernmässig noch auch nur schätzungsweise. Dies deshalb, weil der Aufwand in den einzelnen Kantonen ganz unterschiedlich ausfallen wird, je nachdem, wieweit die Verwaltungsgerichtsbarkeit bereits heute ausgebaut und wie die Rechtspflege organisiert ist (vgl.

Ziff. 221 hiervor).

62

Personelle Auswirkungen

Wie sich die OG-Revision für den Bund personell auswirken wird, ist bereits bei den Alternativen zum Entlastungskonzept

933

des Bundesrates untersucht worden (vgl. Ziff. 262 hiervor).

Daher werden hier nur noch die Ergebnisse dieser Untersuchung wiedergegeben. Darnach sind die personellen Auswirkungen der OG-Revision ungefähr wie folgt zu veranschlagen:

621

Variante I

Zunächst zur Variante I, die der Bundesrat vorschlägt. Diese bringt zur Hauptsache das Annahmeverfahren und den Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte.

Für beide eidgenössischen Gerichte ist einmal damit zu rechnen, dass der eine oder andere ausscheidende Bundesrichter als Ersatzrichter gewählt wird, ohne dass dieser an die gesetzliche Höchstzahl angerechnet wird (Art. l Abs. 3 und 123 Abs. 2 OG-Entwurf).

Sodann benötigt das Bundesgericht sechs Urteilsredaktoren.

Es handelt sich dabei um jene Stellen, die das Parlament bereits bis Ende 1988 bewilligt hat und die verlängert werden sollen. Der Bundesrat wird diese Stellen auf dem Budgetweg beantragen (vgl. Ziff. 242 hiervor). Dies gilt auch für den Dokumentationsdienst und den Kanzleidienst beider eidgenössischer Gerichte, die ebenfalls" zusätzliches Personal benötigen werden.

Schliesslich sind auch die neuen Rekurskommissionen personell zu dotieren (vgl. Ziff. 224.1 hiervor). Diese bestehen aus sieben Richtern (als Regelfall) und dem Sekretariatspersonal (Gerichtsschreiber und'1 Kanzleipersonal; Art. 71b VwVG-Entwurf). Ob und wieweit die Richter und das Sekretariatspersonal vollamtlich oder nebenamtlich für "ihre" Rekurskommissionen arbeiten werden, hängt vom Geschäftsanfall ab. Es ist damit zu rechnen, dass die Rekurskommissionen für Bundespersonal, für indirekte Bundessteuern und für Wirtschaftsverwaltung früher oder später vollamtliche Richter und Sekretariatspersonal benötigen werden. Das würde - pro Rekurskommis-

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sion - in der Regel einen vollamtlichen Richter, einen Gerichtsschreiber und mindestens eine Kanzleikraft ergeben. Der Bundesrat wird dem Parlament auf dem Budgetweg zu gegebener Zeit die erforderlichen Anträge stellen.

Die Alternativen dazu, die der Bundesrat ebenfalls geprüft hat, aber ablehnt, sind personell wie folgt zu beurteilen:

622

Variante II

Bei der Variante II (kein Annahmeverfahren, aber Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte sowie weitere Entlastungsmassnahmen) ist zunächst der gleiche personelle Ausbau erforderlich wie bei der Variante I, was die neuen Rekurskommissionen betrifft. Hinzu kämen am Bundesgericht sechs neue Richter, für die ihrerseits neun Urteilsredaktoren und zusätzliches Kanzleipersonal benötigt würden. Am Eidgenössischen Versicherungsgericht wären ein bis zwei neue Richter zu wählen, die zwei bis vier zusätzliche Urteilsredaktoren und ebenfalls neues Kanzleipersonal benötigen.

623

Variante III

Bei der Variante III (kein Annahmeverfahren und auch kein Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Gerichte, aber andere Entlastungsmassnahmen) würde das Bundesgericht neun neue Richter, 14 Urteilsredaktoren und zusätzliches Kanzleipersonal benötigen. Am Eidgenössischen Versicherungsgericht wären zwei bis drei neue Richter, vier bis sechs neue Urteilsredaktoren und zusätzliches Kanzleipersonal zu wählen.

935

624

Variante IV

Bei der Variante IV (nur personeller Ausbau der eidgenössischen Gerichte, keine weiteren Entlastungsmassnahmen) wäre ' das Bundesgericht mit zehn Richtern, 15 Urteilsredaktoren und mit dem angemessenen Kanzleipersonal zu verstärken.

Das Eidgenössische Versicherungsgericht würde drei bis vier neue Richter, sechs bis acht zusätzliche Urteilsredaktoren und ebenfalls mehr Kanzleipersonal benötigen.

63

Belastung der Kantone und Gemeinden durch den Vollzug

Die Kantone werden durch den Vollzug der OG-Revision insofern belastet, als sie die Verwaltungsrechtspflege ausbauen müssen (vgl. Ziff. 612 hiervor; Art. 98a und 128 OG-Entwurf).

7

Verhältnis zu den Regierungsrichtlinien und zum Finanzplan

71

Richtlinien der

Regierungspolitik

Die OG-Revision ist in den Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987' enthalten (BEI 1984 I 157 und 212, Ziff. 37).

Im Bericht vom 29. August 1984 über die Prioritäten der Legislaturperiode 1983-1987 (BEI 1984 II 1332) hat der Bundesrat die Richtlinien-Geschäfte neu in drei Prioritätsstufen eingeteilt. Dabei hat er die OG-Revision der zweiten Priorität zugewiesen. Das bedeutet, dass dieses Vorhaben bis zum Ende der Legislatur im Parlament anhängig gemacht, aber nicht verabschiedet werden muss.

Der Bundesrat hat sich allerdings im vorgenannten Bericht vorbehalten, bei wesentlich veränderten Umständen von dieser

936

Prioritätenordnung abzuweichen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die Ueberlastung der eidgenössischen Gerichte, vor allem des Bundesgerichts, steigt weiter an und lässt sich mit den heute verfügbaren Mitteln auf die Dauer nicht beheben (vgl. Ziff. 112 hiervor). Die Entlastungsmassnahmen, welche die OG-Revision bringt, sind daher nötig und ohne Aufschub.zu verwirklichen. Die Zeit drängt um so mehr, als die 15 ausserordentlichen Ersatzrichter, die zum Abbau der Rückstände eingesetzt werden, nur bis Ende 1988 amten werden. Es handelt sich dabei um eine Ueberbrückungsmassnahme, die durch die OG-Revision abgelöst werden soll. Daraus folgt, dass die OG-Revision bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden sollte.

72

Finanzplan

Auf den Finanzplan der laufenden Legislaturperiode wird sich die Revision des OG noch nicht spürbar auswirken, wenn - wie zu erwarten ist - diese frühestens im Laufe des Jahres 1987 in Kraft tritt.

8

Verfassungsmässigkeit

81

Massnahmen zur Entlastung der Bundesrechtspflege

Die Entlastung der Bundesrechtspflege, um die es bei dieser Vorlage zur Hauptsache geht, ist auf dem Wege der Revision des OG und zahlreicher anderer Bundesgesetze zu verwirklichen. Für diese Aenderungen kann sich der Bund auf die verfassungsmässige Kompetenz zur Regelung der Bundesrechtspflege stützen (Art. 103 und 106-114bis BV) . Wo dies geboten war,, ist zudem die Verfassungsmässigkeit einzelner Neuerungen an einschlägiger Stelle einlässlich geprüft worden; es handelt sich dabei um das Annahmeverfahren und um den Ausbau der verwaltungsrichterlichen Vorinstanzen der eidgenössischen Ge-

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richte auf der Stufe des Bundes und der Kantone (vgl. Ziff.

211.7 und 211.8, 225 und 232.4 hiervor).

82

Uebrige Neuerungen

Die übrigen Aenderungen, die der Bundesrat in erster Linie aufgrund parlamentarischer Vorstösse vorschlägt, betreffen ausnahmslos auch die Bundesrechtspflege und verfügen daher über die vorgenannte verfassungsmässige Grundlage. Dies gilt insbesondere auch für die Aenderungen, welche Verfahrensgesetze des Bundes aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention erfahren; die Revision des Militärstrafprozesses stützt sich überdies auf Artikel 20 der Bundesverfassung.

938

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege

Entwurf

Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. Mai 1985 '), beschliesst: I

Das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege 2 ) wird wie folgt geändert: Titel Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) Art. l Abs. l sowie 3 (neu) 1 Das Bundesgericht besteht aus 30 Mitgliedern und 15 Ersatzrichtern.

3 Werden ausscheidende Mitglieder des Bundesgerichts als Ersatzrichter gewählt, so sind sie auf die Zahl der Ersatzrichter nicht anzurechnen.

Quorum

Art. 15 Die Abteilungen entscheiden in der Besetzung mit drei Richtern, soweit das Gesetz nicht fünf oder sieben Richter vorschreibt.

2 Die öffentlichrechtlichen Abteilungen, die Zivilabteilungen und der Kassationshof in Strafsachen entscheiden in der Besetzung mit fünf Richtern über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.

3 Sie entscheiden in der Besetzung mit sieben Richtern über staatsrechtliche Beschwerden gegen referendumspflichtige kantonale Erlasse und gegen Entscheide über die Zulässigkeit einer Initiative oder das Erfordernis eines Referendums, ausser über Beschwerden in Gemeindeangelegenheiten.

l

') BEI 1985 II 737 ' SR 173.HO; AS ...

2

zu 1985-509

939

Organisation der Bundesrechtspflege

Vereinfachtes ÏÏm'aiîgemeinen

Art. 36a (neu) ' Die Abteilungen entscheiden in der Besetzung mit drei Richtern bei Einstimmigkeit ohne öffentliche Beratung und mit summarischer Begründung über: a. Gutheissung offensichtlich begründeter oder Abweisung offensichtlich unbegründeter Rechtsmittel, soweit darauf einzutreten ist; b. Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel und Klagen; ' c. Nichteintreten auf Rechtsmittel und Klagen wegen querulatorischer oder anderer rechtsmissbräuchlicher Prozessführung; d. Nichteintreten auf Rechtsmittel mangels Erheblichkeit der Sache.

2 Bevor die Abteilungen ein Rechtsmittel oder eine Klage gutheissen, ordnen sie einen Schriftenwechsel an; in den übrigen Fällen kann er unterbleiben.

3 Die summarische Begründung kann sich darauf beschränken, auf die Begründung des angefochtenen Entscheids oder die Vernehmlassung einer Behörde zu verweisen.

Art. 36b (neu) b. Erheblichkeit Eine Sache ist erheblich, wenn: der Sache ^ ^e g j ne Rechtsfrage aufwirft, die das Bundesgericht noch nicht beurteilt hat oder die erneuter Prüfung bedarf; b. der angefochtene Entscheid von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht; c. in einer Verwaltungsgerichts- oder staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder wesentlicher Verfahrensbestimmungen gerügt · wird, soweit der Beschwerdeführer diese Rüge im Verfahren der Vorinstanz nicht vorbringen konnte oder die Vorinstanz sie nicht geprüft hat; d. für Parteien und Beteiligte ein schwerwiegender Nachteil zu erwarten ist, falls das Bundesgericht nicht in der Sache entscheidet.

c. NichteinErheblichkeit'8 der Saehe

940

Art. 36c (neu) Das Gericht kann mangels Erheblichkeit der Sache nur dann Nichteintreten beschliessen, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat und ihr Entscheid im Verfahren der zivilrechtlichen Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde, der Nichtig-

Organisation der Bundesrechtspflege keitsbeschwerde in Strafsachen, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten wird.

Art. 36d (neu) d. Begründungs- Die Parteien haben in der Begründung des Rechtsmittels zusätzn cn die der C parteien ' Erheblichkeit der Sache darzutun.

Verhältnis zum Bundeszum Bundeszivilprozess

Art. 40 Wo dieses Gesetz keine besondere Bestimmungen über das Verfahren enthält, finden die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess') Anwendung.

Art. 41 Direkter Prozess ' Das Bundesgericht beurteilt als einzige Instanz: a.

a. im im all aiigea zjvilrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Bund und einem meinen Kanton oder Kantonen unter sich; b. zivilrechtliche Ansprüche von Privaten oder Korporationen gegen den Bund, wenn der Streitwert mindestens 50 000 Franken beträgt; hiervon sind ausgenommen Klagen aus dem Bundesgesetz vom 28. März 1905 2> betreffend, die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen und der Post, aus dem Bundesgesetz über den Strassenverkehr3) und aus dem Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 19834) sowie sämtliche Klagen gegen die Schweizerischen Bundesbahnen; c. andere zivilrechtliche Streitigkeiten, wenn das Bundesgericht von beiden Parteien anstelle der kantonalen Gerichte angerufen wird und der Streitwert mindestens 200 000 Franken beträgt.

2 Wenn das Bundesgericht nicht zuständig ist, sind zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bund, abweichende Vereinbarung oder bundesrechtliche Bestimmung vorbehalten, vor den kantonalen Gerichten in der Stadt Bern oder am Hauptort des Kantons, in dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, einzuklagen.

Art. 42 Abs. l «Streitwertgrenze» 1 ... der Streitwert mindestens 50 000 Franken beträgt, ...

D 2 > > » 3

SR 273 SR 221.112.742 SR 741.01 SR 732.44

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 45 Bst. a und b In vermögensrechtlichen Zivilsachen ist ohne Rücksicht auf den Streitwert die Berufung zulässig: a. in Streitigkeiten über den Gebrauch einer Geschäftsfirma, über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnung von Waren, der gewerblichen Auszeichnungen und der gewerblichen Muster und Modelle, über die Erfindungspatente, den Sortenschutz, das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst und über Kartelle; b. Aufgehoben

b. mit Berufungssumme

Art. 46 ' In Zivilrechtsstreitigkeiten über andere vermögensrechtliche AnSpr0cne js( jjg Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, mindestens 30 000 Franken beträgt.

2 Der gleiche Streitwert gilt im Verfahren zur Kraftloserklärung von Pfandtiteln oder Zinscoupons (Art. 870 und 871 ZGB1)), von Wertpapieren (Art. 971 und 972 OR2)), insbesondere Namenpapieren (Art. 977 OR 2 > und Art. 9 UeB), Inhaberpapieren (Art. 981-989 OR2)), Wechseln (Art. 1072-1080 und 1098 OR2>), Checks (Art. 1143 Ziff. 19 OR2)), wechselähnlichen und ändern Ordrepapieren (Art. 1147, 1151 und 1152 OR2)), sowie von Versicherungspolicen (Art. 13 des BG über den Versicherungsvertrag3)).

Art. 51 Abs. l Bst. a 1 Das Verfahren vor den kantonalen Behörden und die Abfassung der Entscheide richtet sich nach den Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung; jedoch sind folgende Bestimmungen zu beobachten: a. Bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur ist, wenn nicht eine bestimmt bezifferte Geldsumme gefordert wird, in der Klage anzugeben und, soweit es ohne erhebliche Weiterung möglich ist, im Entscheid festzustellen, ob der Streitwert mindestens 30000 Franken erreiche;

» SR 210 SR 220 > SR 221.229.1

2 > 3

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 55 Abs. l Bst. a und c 1 Die Berufungsschrift muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides und der Partei, gegen welche die Berufung gerichtet wird, enthalten: a. bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, deren Streitgegenstand nicht in einer bestimmt bezifferten Geldsumme besteht, die Angabe, ob der Streitwert mindestens 30 000 Franken erreiche, sowie die Gründe, aus denen der Berufungskläger eine allfällige gegenteilige Feststellung der Vorinstanz bestreitet; c. die Begründung der Anträge. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richten, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen oder ausländischen Rechts sind unzulässig. Die Erheblichkeit der Sache ist darzutun (Art. 36c/); Art. 59 Antwort, An- ' Dem Berufungsbeklagten wird eine Frist von 30 Tagen angesetzt, Schlussberufung um ^^ zur g eru f un g zu äussern, es sei denn, diese werde im vereinfachten Verfahren durch Nichteintreten oder Abweisung erledigt.

- Der Berufungsbeklagte kann in der Antwort Anschlussberufung erheben, indem er eigene Abänderungsanträge gegen den Berufungskläger stellt.

3 Auf die Antwort und die Anschlussberufung sind die Formvorschriften, die für die Berufungsschrift gelten, sinngemäss anwendbar.

4 Den Gegenparteien wird Frist zur Beantwortung der Anschlussberufung angesetzt. Ein weiterer Schriftenwechsel findet in der Regel nicht statt.

5 Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn die Berufung zurückgezogen wird oder das Gericht auf sie nicht eintritt.

Art. 60 und 61 Aufgehoben Art. 62 Abs. l und 2 ' 1 Der Präsident kann eine mündliche Parteiverhandlung anordnen.

- Aufgehoben 943

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 71 Bst. d (neu) Die Beschwerdeschrift muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides enthalten: d. die Begründung für die Erheblichkeit der Sache (Art. 36rf).

Art. 72 Abs. 2 und 3 2 Aufgehoben ì Ordnet das Gericht einen Schriftenwechsel an, so teilt es die Beschwerde sowohl der Behörde, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat, als auch dem Beschwerdegegner zur Vernehmlassung mit. Es setzt ihnen dafür eine angemessene Frist.

Erschöpfung fnesstaknazn6nznuges

Art. 86 ' Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide.

2 Bei Beschwerden auf dem Gebiet der interkantonalen Doppelbesteuerung muss der kantonale Instanzenzug nicht ausgeschöpft werden.

Art. 90 Abs. l Bst. c (neu) 1 Die Beschwerdeschrift muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Erlasses oder Entscheides enthalten: c. die Begründung für die Erheblichkeit der Sache (Art. 36rf).

Art. 92 Aufgehoben Art. 93 Abs. l 1 Ordnet das Gericht einen Schriftenwechsel an, so teilt es die Beschwerde der Behörde, von welcher der angefochtene Entscheid oder Erlass ausgegangen ist, sowie der Gegenpartei und allfälligen weiteren Beteiligten zur Vernehmlassung mit und fordert sie zur Einsendung der Akten auf. Es setzt ihnen dafür eine angemessene Frist.

Art. 98 Bst. e Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist, unter Vorbehalt von Artikel 47 Absätze 2-4 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968') über das Verwaltungsverfahren, zulässig gegen Verfügungen:

'> SR 172.021 944

Organisation der Bundesrechtspflege

e. eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen einschliesslich Schiedsgerichte aufgrund öffentlichrechtlicher Verträge;

ila. Letzte taanzen

Art. 98a (neu) ' Die Kantone bestellen richterliche Behörden als letzte kantonale Instanzen, soweit gegen deren Entscheide unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist.

2 Sie regeln deren Zuständigkeit, Organisation und Verfahren im Rahmen der Bestimmungen, die das Bundesrecht darüber aufstellt.

3 Beschwerderecht und Beschwerdegründe sind mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten.

Art. 99 Est. e und ebis Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig gegen: e. Verfügungen über Bewilligungen von Kernanlagen und vorbereitenden Handlungen ; ebis. die Erteilung oder Verweigerung von Bau- oder Betriebsbewilligungen für andere technische Anlagen oder für Fahrzeuge; Art. 100 Bst. a, b Ziff. 5 (neu), Bst. e Ziff. 5, Bst.f, k sowie Bst. r und s (neu) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausserdem unzulässig gegen: a. Verfügungen auf dem Gebiete der inneren oder äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes, der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe sowie der übrigen auswärtigen Angelegenheiten; b. auf dem Gebiete der Fremdenpolizei: 5. die Internierung durch freie Unterbringung; e. auf dem Gebiete des Dienstverhältnisses von Bundespersonal: 5. Verfügungen in allen Angelegenheiten von Personal des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ; f. Verfügungen auf dem Gebiete der Strafverfolgung, ausser der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Bundespersonal und,

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Organisation der Bundesrechtspflege soweit die entsprechenden Bundesgesetze nichts anderes bestimmen, der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen; k. auf dem Gebiete der Schule: 1. die Anerkennung oder die Verweigerung der Anerkennung schweizerischer Maturitätsausweise ; 2. die Anerkennung, die Verweigerung oder den Entzug der Anerkennung von Schweizerschulen im Ausland; r. Verfügungen auf dem Gebiete der Forschungsförderung, soweit das Bundesrecht vorsieht, dass der Bundesrat als einzige Instanz verfügt; s. auf dem Gebiete des Umweltschutzes: 1. Verfügungen über die Verpflichtung der Kantone, geeignete Anlagen zur Verwertung, Unschädlichmachung oder Beseitigung der Abfälle anderen Kantonen zur Verfügung zu stellen, sowie, im Zusammenhang damit, über die Kostenverteilung; 2. Verfügungen über die Standorte für Deponien und anderen Entsorgungsanlagen für gefährliche Abfälle; 3. die Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Umweltschutzorganisationen.

Art. 101 Est. d Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auch unzulässig gegen: d. Verfügungen über den ganzen und teilweisen Widerruf von Verfügungen, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist, ausser gegen Verfügungen über den Widerruf begünstigender Verfügungen im Sinne von Artikel 99 Buchstaben c, d, ebis, f und h und von Artikel 100 Buchstabe b Ziffer 3, Buchstabe c, Buchstabe e Ziffer l, Buchstabe k Ziffer l und Buchstabe l.

Art. 104 Bst. c Ziff. 1-3 Der Beschwerdeführer kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügen: c. Unangemessenheit: 1. von erstinstanzlichen Verfügungen über die Festsetzung von Abgaben und öffentlichrechtlichen Entschädigungen; 2. von Disziplinarstrafen gegen Bundespersonal, die der Bundesrat als erste Instanz verfügt.

3. Aufgehoben 946

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 105 Abs. 2 2 Die Feststellung des Sachverhaltes bindet das Bundesgericht, wenn richterliche Behörden als Vorinstanzen entscheiden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt haben.

Art. 108 Abs. 2 erster Halbsatz - Sie hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel, die Begründung für die Erheblichkeit der Sache (Art. 36d) und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; ...

An. 109 Aufgehoben Art. 110 Abs. l erster Halbsatz 1 Ordnet das Gericht einen Schriftenwechsel an, so teilt es die Beschwerde der Vorinstanz und allfälligen anderen Parteien oder Beteiligten mit; ...

9. Partei-

Verhandlung

Art. 112 Der Präsident kann eine mündliche Parteiverhandlung anordnen.

Art. 116 i. Zulässigkeit Das Bundesgericht beurteilt als einzige Instanz, unter Vorbehalt rechtlichenTM65" von Artikel 117, Klagen in Streitigkeiten aus BundesverwaltungsKla e s recht über: a. das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen, ausser über die Genehmigung von Erlassen; b. das Verhältnis zwischen Kantonen, zwischen Kantonen und Gemeinden anderer Kantone oder zwischen Gemeinden verschiedener Kantone; c. Ansprüche auf Schadenersatz aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel l Absatz l Buchstaben a-c, des Verantwortlichkeitsgesetzes1).

Art. 117 Est. e Die verwaltungsrechtliche Klage ist unzulässig, wenn: » SR 170.32 947

Organisation der Bundesrechtspflege

c. die Erledigung des Streites nach anderen Bundesgesetzen einer Behörde im Sinne von Artikel 98 Buchstaben b-h zusteht; gegen deren Verfügungen ist letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig.

Art. 118 Aufgehoben

Art. 120 2. Ergänzende VerfahrensVerfahrensbestimmungen

Im übrigen finden der Artikel 105 Absatz l dieses Gesetzes und ^ Artikel 3-85 des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess ^ sinngemäss Anwendung.

Art. 123 Abs. l und 2 1

Das Eidgenössische Versicherungsgericht besteht aus je neun Mitgliedern und Ersatzrichtern.

2

Auf die Wahl der Mitglieder und Ersatzrichter finden die Artikel 1-5, auf die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten Artikel 6 sinngemäss Anwendung.

Art. 125 erster Satz Im übrigen organisiert sich das Eidgenössische Versicherungsgericht in sinngemässer Anwendung der Artikel 8, 9 Absätze 1-3 und 7, Artikel 10, 11, 13 Absätze 1-3 und 5, Artikel 14, 15 Absätze l und 2, Artikel 16-18, 19 Absatz 2, Artikel 20-26 und 28. ...

Art. 128 n. ZuständigDas Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt letztinstanzlich ie'ais BeVerwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne der schwerdeinstanz Artikel 97, 98 Buchstaben b-h und 98 a auf dem Gebiete der Soa. Grundsatz zialversicherung.

Art. 130 2. als einzige a^cfamdsatz

D SR 273 948

Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt als einzige Instanz verwaltungsrechtliche Klagen im Sinne von Artikel 116 auf dem Gebiete der Sozialversicherung.

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 132 I I I . Verfahren I. Verwallungsgerichtsbeschwerde

Fur das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gelten die Artikel 103-114.

Art. 134

Aufgehoben Art. 139 Vorbehalt zuaunsten des BStP

Das Bundesgesetz iiber die Bundesstrafrechtspflege 1) gilt fur die Revision von Urteilen der Strafgerichtsbehorden des Bundes im Strafpunkt.

Art. 139a (neu)

Verletzung der Europaischen Menschenrechtskonvenlion

1

Die Revision eines Entscheides des Bundesgerichts oder einer Vorinstanz ist zulassig, wenn der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950 2) zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutgeheissen hat und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision moglich ist.

2

Stellt das Bundesgericht fest, dass die Revision geboten, aber eine Vorinstanz zustandig ist, so iiberweist es ihr die Sache zur Durchftihrung des Revisionsverfahrens.

3 Die kantonale Vorinstanz hat auch dann auf das Revisionsgesuch einzutreten, wenn das kantonale Recht diesen Revisionsgrund nicht vorsieht.

Art. 141 Abs. 1 Bst. c (neu) 1

Das Revisionsgesuch muss bei Folge der Verwirkung beim Bundesgericht anhangig gemacht werden: c. in den Fallen des Artikels 139 a binnen 90 Tagen, nachdem das Bundesamt fur Justiz den Entscheid der europaischen Behorden den Parteien zugestellt hat.

Art. 149

Aufgehoben

l

> SR 312.0 > SR 0.101

2

949

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 150 Abs. l 'Wer das Bundesgericht anruft, hat nach Anordnung des Präsidenten die mutmassliehen Gerichtskosten (Art. 153 und 153 a) sicherzustellen; ausnahmsweise kann aus besondern Gründen diese Sicherstellung teilweise oder ganz erlassen werden.

Gerichtskosten a. im allgememen

b. Gerichtsge u r

Art. 153 ' Die Gerichtskosten, die von den Parteien zu bezahlen sind, bestehen in der Gerichtsgebühr sowie in den Auslagen für Gutachten, Zeugenentschädigüngen und Untersuchungshaft.

2 Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann das Gericht auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichten.

Art. 153a (neu) ' Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache,, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.

2 Sie beträgt: a. in Streitigkeiten, in denen das Gericht als einzige Instanz entscheidet, 1000-100 000 Franken; b. bei staatsrechtlichen und Verwaltungsgerichtsbeschwerden ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken; c. in den übrigen Streitigkeiten 200-50 000 Franken.

3 Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Gericht über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag.

Art. 156 Abs. 4 Aufgehoben

Änderung von Bezeichnungen Die Ausdrücke «Ersatzmann» und «Ersatzmänner» werden in den Artikeln l Randtitel und Absatz 2, 4 Absatz l, 5 Absatz l, 9 Absatz 2, 22, 23, 26 Absatz 3, 126 und 146 durch «Ersatzrichter» ersetzt.

II

Die Änderungen anderer Erlasse finden sich im Anhang, der Bestandteil dieses Gesetzes ist.

950

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III Schlussbestimmungen 1.

Ausführungsbestimmungen

1

Die Kantone erlassen innert dreier Jahre seit Inkrafttreten dieses Gesetzes ihre Ausführungsbestimmungen über Zuständigkeit, Organisation und Verfahren letzter kantonaler Instanzen im Sinne des Artikels 98a. Sie können diese Bestimmungen nötigenfalls und vorläufig in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse kleiden.

2 Der Bundesrat erlässt innert zweier Jahre seit Inkrafttreten dieses Gesetzes seine Ausführungsbestimmungen über: a. die Organisation und das Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen im Sinne der Artikel 71a-71c des Verwaltungsverfahrensgesetzes1'; b. die Zuständigkeit für den Entscheid in den Fällen, in denen bisher das Bundesgericht oder das Eidgenössische Versicherungsgericht als einzige Instanz auf verwaltungsrechtliche Klage zu entscheiden hatte und diese Klage nach den Artikeln 116 und 130 nicht mehr zulässig ist. Der Entscheid ist einer Bundesbehörde zu übertragen, die nach ihrem übrigen Geschäftsbereich in der Sache zuständig und unmittelbar oder mittelbar Vorinstanz des Bundesgerichts oder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ist; als unmittelbare Vorinstanzen sind in der Sache zuständige eidgenössische Rekurs- oder Schiedskommissionen zu bezeichnen.

2. Aufhebung widersprechender Bestimmungen J

Bestimmungen des kantonalen und Bundesrechts, die diesem Gesetz widersprechen, sind mit dessen Inkrafttreten aufgehoben.

1 Ausgenommen sind widersprechende Bestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren letzter kantonaler Instanzen, sowie über die Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage; sie bleiben bis zum Erlass der diesem Gesetz entsprechenden Ausführungsbestimmungen der Kantone und des Bundesrates in Kraft.

3 Der Bundesrat kann diesem Gesetz widersprechende, aber formell nicht geänderte Bestimmungen in Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen redaktionell anpassen.

3. Übergangsbestimmungen 1

Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts anwendbar, auf » SR 172.021 951

Organisation der Bundesrechtspflege ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist.

2 Die Artikel 15, 36a-36J, 150, 153 und 153a dieses Gesetzes sind ausserdem auf alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängigen Verfahren des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts anwendbar.

3 Kantone und Bundesrat erlassen entsprechende Übergangsbestimmungen zu ihren Ausführungsbestimmungen.

4. Amtsdauer der Ersatzrichter

Die Amtsdauer von Ersatzrichtern des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, die vor ihrer Wahl einem der beiden Gerichte als Mitglieder angehört haben und am 31. Dezember 1988 noch im Amte stehen, wird bis zum Zeitpunkt verlängert, in dem sie das 70. Altersjahr zurücklegen, längstens jedoch bis zum 3I.Dezember 1990 für Ersatzrichter des Bundesgerichts und bis zum 31. Dezember 1989 für Ersatzrichter des Eidgenössischen Versicherungsgerichts.

5. Referendum und Inkrafttreten 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

3 Er schiebt das Inkrafttreten der Bestimmungen im Anhang dieses Gesetzes über die Organisation und das Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen sowie über die Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage auf, bis er darüber entsprechende Ausführungsbestimmungen erlässt.

2

0619

952

Organisation der Bundesrechtspflege Anhang (Ziff. II)

Änderung anderer Erlasse 1.

Verantwortlichkeitsgesetz1'

Art. 10 1 Über streitige Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund erlässt die zuständige Behörde eine Verfügung. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

2 Über streitige Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel l Absatz l Buchstaben a-c urteilt das Bundesgericht als einzige Instanz im Sinne der Artikel 116 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege2'. Die Klage gegen den Bund kann beim Bundesgericht erhoben werden, wenn die zuständige Behörde zum Anspruch innert dreier Monate seit seiner Geltendmachung nicht oder ablehnend Stellung genommen hat.

Art. 19 Abs. 3 (neu) 3 Über streitige Ansprüche von Dritten und des Bundes gegen die Organisation sowie der Organisation gegen fehlbare Organe oder Angestellte erlässt die Organisation eine Verfügung. Diese unterliegt letztinstanzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege2).

Art. 20 Abs. 3 3 Bestreitet in den Fällen nach Artikel 10 Absatz 2 der Bund den Anspruch oder erhält der Geschädigte innert dreier Monate keine Stellungnahme, so hat dieser innert weiterer sechs Monate bei Folge der Verwirkung Klage einzureichen (Art. 10 Abs. 2).

2.

Verwaltungsorganisationsgesetz3'

Art. 42 Abs. lbis (neu) lbls Sie gehen von Rechts wegen auf das in der Sache zuständige Departement über, soweit es sich um Verfügungen handelt, die nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege2' der Verwaltungsgerichtsbeschwerde " SR 170.32

2 3

> SR 173.110: AS ...

> SR 172.010

953

Organisation der Bundesrechtspflege

an das Bundesgericht unterliegen; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen des Bundesrates nach Artikel 98 Buchstabe a jenes Gesetzes bleibt vorbehalten.

3.

Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren1)

Art. 11 Randtitel C. Vertrelung und Verbeisländung I. Im allgemeinen

n. obiiVertretung

Art. Ila (neu) ' Treten in einer Sache mehr als 20 Parteien mit kollektiven oder individuellen Eingaben auf, um gleiche Interessen wahrzunehmen, so haben sie für das Verfahren einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.

2 Bestellen sie von sich aus keinen gemeinsamen Vertreter, so setzt ihnen die Behörde dafür eine angemessene Frist an. Im Versäumnisfall bezeichnet die Behörde einen gemeinsamen Vertreter, wenn möglich aus dem Kreis der von den Parteien bestellten Vertreter.

3 Die Bestimmungen über die Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren sind auf die Kosten der Vertretung sinngemäss anwendbar. Die Partei, gegen deren Vorhaben sich die Eingaben richten, hat auf Anordnung der Behörde die Kosten des amtlich bezeichneten gemeinsamen Vertreters vorzuschiessen.

nia. stillstand

Art. 22a (neu) Gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen bestimmt

der Fristen

smd,

stehen Still:

a. vom nach b. vom c. vom

siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag Ostern; 15. Juli bis und mit dem 15. August; 18. Dezember bis und mit dem I.Januar.

Art. 30 Randtitel II. Vorgängige Anhörung 1. Im allgemeinen

» SR 172.021

954

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 30a (neu) 2. Durch öffe'müchung

' Sind von einer Verfügung wahrscheinlich zahlreiche Personen berührt, so kann die Behörde vor ihrer Verfügung die Parteien anhören, indem sie: a. das Gesuch oder die beabsichtigte Verfügung ohne Begründung in einem amtlichen Blatte veröffentlicht; b. gleichzeitig das Gesuch oder die beabsichtigte Verfügung mit Begründung öffentlich auflegt und den Ort der Auflage bekanntmacht; c. eine angemessene Frist für Einwendungen setzt.

2

Die Behörde macht in ihrer Veröffentlichung auf die Verpflichtung der Parteien aufmerksam, gegebenenfalls einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen und Verfahrenskosten sowie Parteientschädigung zu zahlen.

Art. 36 Bst. c sowie d (neu) Die Behörde kann ihre Verfügungen durch Veröffentlichung in einem amtlichen Blatte eröffnen: c. in einer Sache mit zahlreichen Parteien; d. in einer Sache, in der sich die Parteien ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht vollzählig bestimmen lassen.

Art. 46 Bst. f und g (neu) Die Beschwerde ist unzulässig gegen: f. die Ansetzung einer Frist zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ; g. die Bezeichnung eines gemeinsamen Vertreters.

Art. 66 Abs. l 1

Die Beschwerdeinstanz zieht ihren Beschwerdeentscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision: a. wenn ihn ein Verbrechen oder ein Vergehen beeinflusst hat; b. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950!) zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutheisst und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist.

') SR O.tOl

955

Organisation der Bundesrechtspflege

Vierter Abschnitt: Besondere Behörden

A. Eidgenösund Schfed"-5 kommissionen I. Zuständigkeit und Verfahren

Art. 71a (neu) ' Eidgenössische Rekurskommissionen entscheiden als Beschwerdeinstanzèn, Schiedskommissionen als erste Instanzen, soweit an(Jere Bundesgesetze es vorsehen; diese regeln die Zuständigkeit ~ ° ° der Kommissionen.

2 Bei Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit sind die Kommissionen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

3 Das Verfahren der Kommissionen bestimmt sich nach diesem Gesetz. Der Bundesrat kann nötigenfalls abweichende Bestimmungen erlassen, soweit die Kommissionen als Schiedskommissionen entscheiden.

Art. 71b (neu) ii. Organisation ' Die Kommissionen bestehen aus sieben Richtern, wenn das Bundesrecht nicht einen höheren Bestand vorsieht.

2 Sie entscheiden in der Besetzung mit fünf Richtern über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und im übrigen in der Besetzung mit drei Richtern; das Bundesrecht kann den Einzelrichter vorsehen, insbesondere für offensichtlich unzulässige, unbegründete oder begründete Beschwerden oder für Beschwerden gegen Verfügungen über vermögensrechtliche Ansprüche mit geringfügigem Streitwert.

3 Der Bundesrat wählt die Präsidenten, Vizepräsidenten und übrigen Richter der Kommissionen.

4 Er kann für mehrere Kommissionen einen gemeinsamen Präsidenten bezeichnen und, wenn es die Geschäftlast erfordert, vollamtliche Richter wählen.

5 Für jede Kommission oder gemeinsam für mehrere Kommissionen wird im Einvernehmen mit deren Präsidenten ein Sekretariat bestellt.

in. ynab-

hängigkeit

956

Art. 71c (neu) ' Die Richter dürfen nicht der Bundesverwaltung angehören.

2 Im übrigen bestimmt sich die Rechtsstellung der nebenamtlichen Richter nach dem Bundesrecht über die Mitglieder ausserparlamentarischer Kommissionen.

3 Das Dienstverhältnis der vollamtlichen Richter bestimmt sich sinngemäss nach dem Bundesrecht über das Dienstverhältnis der

Organisation der Bundesrechtspflege Bundesbeamten, soweit dessen Anwendung die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen kann; der Bundesrat erlässt die nötigen Bestimmungen. Er kann ausserdem die Amtszeit und die Altersgrenze für die vollamtlichen und nebenamtlichen Richter vereinheitlichen..

4 Das Personal der Kommissionssekretariate ist für diese Tätigkeit den Kommissionspräsidenten unterstellt.

5 Der Bundesrat übt die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung der Kommissionen aus; diese erstatten ihm über ihre Geschäftsführung alljährlich Bericht zuhanden der Bundesversammlung.

Art. 71d (neu) iv. Schatzungs- Organisation und Verfahren der Schätzungskommissionen bestimkommissionen mgn sich umer Vorbehalt von Artikel 2 Absatz 3 dieses Gesetzes nach dem Bundesrecht über die Enteignung.

Art. 72 Randtitel B. Bundesrat I. Als Beschwerdeinstanz I . Zulässigkeit der Beschwerde a. Im allgemeinen

Art. 73 Randtitel b. Kantonale Verfügungen und Erlasse

Art. 74 Randtitel 2. Unzulässigkeit der Beschwerde

Art. 75 Randtitel 3. Instruktion der Beschwerde

4. Ausstand

Art. 76 ' Das Mitglied des Bundesrates, gegen dessen Departement sich die Beschwerde richtet, tritt für den Entscheid des Bundesrates in den Ausstand.

38 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd. II

957

Organisation der Bundesrechtspflege 2

Sein Departement kann sich am Verfahren des Bundesrates wie ein Beschwerdeführer und ausserdem im Rahmen des Mitberichtsverfahrens nach Artikel 54 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung1) beteiligen.

3

Führt es im Mitberichtsverfahren neue tatsächliche oder rechtliche Vorbringen an, so sind der Beschwerdeführer, allfällige Gegenparteien oder andere Beteiligte zu diesen Vorbringen anzuhö-

Art. 77 Randtitel 5. Ergänzende Verfahrensbestimmungen

Art. 78 Randtitel II. J Als einzige oder erste Instanz

Art. 79 Randtitel C. Bundesversammlung

4.

Bundesgesetz vom 30. Juni 192721 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten

Art. 33 Disziplinarbehörden sind : a. der Bundesrat und die von ihm bestimmten nachgeordneten Behörden für ihre Beamten; b. das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht für ihre Beamten; c. die Beschwerdeinstanzen nach Artikel 58 dieses Gesetzes.

VII. Abschnitt: Beschwerden

Art. 58 Beschwerdeinstanzen für Disziplinarstrafen und Verfügungen über vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche sind:

') SR 172.010

2

> SR 172.221.10

958

Organisation der Bundesrechtspflege a. die Departemente, die Bundeskanzlei, die Oberzolldirektion und letzte Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe für erstinstanzliche Verfügungen nachgeordneter Behörden; b. das zuständige Departement ausserdem für Beschwerdeentscheide und erstinstanzliche Verfügungen der Oberzolldirektion und letzter Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe, soweit letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist; c. der Bundesrat für Beschwerdeentscheide und erstinstanzliche Verfügungen der Departemente, der Bundeskanzlei und letzter Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe, soweit letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist; d. die Personalrekurskommission für Beschwerdeentscheide und erstinstanzliche Verfügungen der Departemente, der Bundeskanzlei, der Oberzolldirektion und letzter Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe, soweit letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist; e. das Bundesgericht für erstinstanzliche Verfügungen des Bundesrates, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bündesgericht zulässig ist, und für Entscheide der Personalrekurskommission.

Art. 59

Ist letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig, so kann der Bundesrat in den Beamtenordnungen 1 ) und in der Angestelltenordnung2' bestimmen, dass erstinstanzliche Verfügungen oder Beschwerdeentscheide der Departemente und letzter Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe endgültig sind; der Beschwerdeweg darf in keinem Fall mehr als zwei Beschwerdeinstanzen umfassen.

Art. 60 1 Disziplinarkommissionen begutachten, auf Antrag des Beschwerdeführers, Beschwerden gegen Disziplinarstrafen, die nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen, ausser denen des Verweises und der Busse unter 20 Franken.

2 Der Bundesrat regelt Organisation und Verfahren der Disziplinarkommissionen.

Art. 61 Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht verfügen als erste und einzige Instanzen über Disziplinarstrafen gegen ihre Beamten und ') SR 172.221.101/.102/.103 « SR 172.221.104

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Organisation der Bundesrechtspflege

über vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche aus deren Dienstverhältnis.

Bundesbeschluss vom 19. Dezember 1969]) über die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtssekretäre des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

5.

Aufgehoben Bundesgesetz vom 26. September 18902) betreffend den Schutz der Fabrikund Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnungen von Waren und der gewerblichen Auszeichnungen

6.

Art. 16bls Abs. 2 sowie 3 (neu) 2

Verfügungen des Bundesamtes für geistiges Eigentum in Markensachen sowie Verfügungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die Löschung einer Marke von Amtes wegen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

3

Der Bundesrat kann diese Rekurskommission auch für Beschwerden gegen Verfügungen des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister über die Eintragung von Firmen und Namen von Vereinen und Stiftungen zuständig erklären.

Bundesgesetz vom 30. März 1900 3 > betreffend die gewerblichen Muster und Modelle

7.

Art. 17bis Verfügungen des Bundesamtes für geistiges Eigentum in Muster- und Modellsachen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

Bundesgesetz vom 25. Juni 19544' betreffend die Erfindungspatente

8.

Art. 59c D. Rechtsmittel Verfügungen des Bundesamtes für geistiges Eigentum in Patentsachen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

" > 3 > 4 > 2

AS 1970 133, 1980 274, 1981 226 SR 232.11 SR 232.12 SR 232.14

960

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 87 Abs. 5 5

Gegen die Verfügung der Prüfungsstelle, dass ein Patentgesuch der Vorprüfung unterstellt oder nicht unterstellt ist, kann der Patentbewerber bei der Prüfungsstelle Einsprache erheben; der Einspracheentscheid unterliegt der Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum.

Art. 88 Abs. 2, 89 Abs. 3, 90 Abs. 4 und 91-94 ···

Aufgehoben

·' '

Art. 106 !

F. Rechtsmittel Gegen Verfügungen der Prüfungsstellen und EinspruchsabteilunÎManzhwerdc 8en ist die Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum zulässig.

2

Die Entscheide der Rekurskommission für geistiges Eigentum im Rahmen der amtlichen Vorprüfung sind endgültig.

Art. 106a Abs. l Einleitung 1

Zur Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum ist berechtigt:

9.

Sortenschutzgesetz vom 20. März 1975 O

Art. 25

Beschwerdeinstanz

1

Gegen Verfügungen des Büros für Sortenschutz ist die Beschwerde an die Rekurskommission für geistiges Eigentum zulässig. Diese entscheidet endgültig über die Schutzfähigkeit einer Sorte nach Artikel 5.

2

Andere Entscheide der Rekurskommission für geistiges Eigentum unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

10. Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess2' Art. 69 Abs. l 1

Über die Prozesskosten entscheidet das Gericht von Amtes wegen nach Massgabe der Artikel 153, 153a, 156 und 159 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege3'.

') SR 232.16

2 3

> SR 273

> SR 173.110; AS ...

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Organisation der Bundesrechtspflege

11. Bundesgesetz vom 20. November 1850 ') betreffend den Gerichtsstand für Zivilklagen, welche von dem Bunde oder gegen denselben angehoben werden Aufgehoben 12. Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege2)

Art. 16 Abs. l 1

Der Bundesanwalt kann sich durch seine ordentlichen Stellvertreter und seine Adjunkte vertreten lassen. Im Verfahren vor den eidgenössischen und kantonalen Gerichten gemäss Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht3) kann er die Vertretung besonderen Bevollmächtigten übertragen.

Art. 47 Abs. l 1

Der verhaftete Beschuldigte ist ohne Verzug der Behörde, die den Haftbefehl erlassen hat, im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren dem Untersuchungsrichter zuzuführen und spätestens am ersten Werktag nach der Zuführung über den Grund der Verhaftung einzuvernehmen. Wird er weiterhin in Haft gehalten, so sind ihm die Gründe dafür mitzuteilen.

Art. 66<>uin
Der Untersuchungsrichter teilt dem Betroffenen innert 30 Tagen nach Abschluss des Verfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung mit.

2

Er darf von dieser Mitteilung nur absehen, wenn wesentliche öffentliche Interessen, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern. Er holt dafür die Genehmigung des Präsidenten der Anklagekammer ein.

3

Verweigert der Untersuchungsrichter auf Anfrage die Auskunft, ob eine Überwachung erfolgt sei, so kann der Betroffene innert 30 Tagen beim Präsidenten der Anklagekammer Beschwerde erheben.

Art. 72 Abs. 3 3

Die Artikel 66-66')uiniuies gelten sinngemäss.

Art. 73 Abs. 2 (neu) 2

Gegen die Einziehungsverfügung kann innert 30 Tagen bei der Anklagekammer Beschwerde erhoben werden.

D BS 3 649 2 > SR 312.0 > SR 3T3.0

3

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 219 Abs. 3

Aufgehoben Art. 229 Ziff. 4 (neu) Die Revision eines rechtskräftigen Urteils der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts kann nachgesucht werden: 4. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950 '' zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutheisst und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist; in diesem Fall muss das Revisionsgesuch, nach Zustellung des Entscheides der europäischen Behörden durch das Bundesamt für Justiz, innert 90 Tagen eingereicht werden.

Art. 245 Die Kosten bestimmen sich nach den Artikeln 146-161 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege2'.

Art. 246 Aufgehoben

Art. 271 Abs. 2 «Streitwertgrenze» und Abs. 4 1

... weniger als 30 000 Franken und ...

4

Die Bestimmungen über die Anschlussberufung sind sinngemäss anwendbar.

Art. 273 Abs. l Bst. c (neu) 1

Die Beschwerdeschrift muss mit Unterschrift versehen in genügender Anzahl für das Gericht und für jede Gegenpartei, mindestens im Doppel, eingereicht werden und ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides enthalten: c. die Begründung für die Erheblichkeit der Sache (Art. 36d OG2>).

Art. 275bis Vorbehalten bleibt das vereinfachte Verfahren nach den Artikeln 36o-36rf des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege2).

D SR 0.101 > SR 173.110; AS ...

2

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 276 Abs. l 1 Ordnet der Kassationshof einen Schriftenwechsel an, so teilt er die Beschwerdeschrift den Beteiligten mit und setzt ihnen Frist zur Einreichung schriftlicher Gegenbemerkungen.

Art. 278bis (neu)

Die Revision und die Erläuterung von Urteilen des Kassationshofes bestimmen sich nach den Artikeln 136-145 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege ').

13. Militärstrafprozess2)

Art. 72a (neu) Mitteilung der Überwachung 1 Der Untersuchungsrichter teilt dem Betroffenen innert 30 Tagen nach Abschluss des Verfahrens Grund, Art und Dauer der erfolgten Überwachung mit.

2 Die Mitteilung der Überwachung darf nur mit Genehmigung des Präsidenten des Militärkassationsgerichts unterbleiben, wenn wesentliche öffentliche Interessen, insbesondere die Sicherheit der Eidgenossenschaft oder der Armee die Geheimhaltung erfordern.

3 Verweigert der Untersuchungsrichter auf Anfrage die Mitteilung der Überwachung, kann innert 30 Tagen beim Präsidenten des Militärkassationsgerichts Beschwerde geführt werden.

Art. 73 Abs. 2 2 Die Artikel 70-72a gelten sinngemäss.

Art. 200 Abs. l Est:f (neu) 1 Die Revision eines rechtskräftigen Strafmandats oder Urteils kann verlangt werden, wenn f. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 19503) zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutheisst und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist; in diesem Fall muss das Revisionsgesuch, nach Zustellung des Entscheides der europäischen Behörden durch das Bundesamt für Justiz, innert 90 Tagen eingereicht werden.

') SR 173.110; AS > SR 322.1 } 1 SR 0.101 2

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Organisation der Bundesrechtspflege

14. Bundesgesetz vom 19. April 1978 0 über die Berufsbildung

Art. 68 Est. e, d und e Beschwerdebehörden sind : c. die Rekurskommission EVD für: - erstinstanzliche Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes; - erstinstanzliche Verfügungen des Departements, soweit sie in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen; - kantonale Beschwerdeentscheide über die Zulassung zu Kursen und über Prüfungen; d. der Bundesrat für andere kantonale Beschwerdeentscheide und für erstinstanzliche Verfügungen des Departements, soweit sie nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen; e. das Bundesgericht für Entscheide der Rekurskommission EVD und für kantonale Beschwerdeentscheide, soweit sie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen, ausser denen über die Zulassung zu Kursen und über Prüfungen; ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der Rekurskommission EVD unzulässig, so entscheidet diese endgültig.

15. Filmgesetz vom 28. September 19622)

Art. 17 Abs. 2 2 Für das Verfahren gelten die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Berufsverbände des Filmwesens sind jedoch auch zur Beschwerde berechtigt.

16. Tierschutzgesetz vom 9. März 19783)

Art. 26 Abs. l 1 Verfügungen des Bundesamtes für Veterinärwesen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD.

17. Militärorganisation4)

Art. 28 Die Bundesversammlung ordnet die Zuständigkeit und das Verfahren für Streitigkeiten über Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund.

>) SR 412.10 SR 443.1 > SR 455 4 2 ) 3

> SR 510.10

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Organisation der Bundesrechtspflege

18. Beschluss der Bundesversammlung vom 30. März 1949 ') über die Verwaltung der schweizerischen Armee

Art. 105 Aufgehoben Art. 106 Über Ansprüche aus einem Unfallereignis entscheidet in erster Instanz die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung.

Art. 123 Abs. 2 2 Die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung entscheidet in erster Instanz über den Rückgriff auf die Urheber von Personen- oder Sachschäden von Drittpersonen.

Art. 125 Abs. 2 2 Ausgenommen hiervon sind die Streitigkeiten, deren Beurteilung gemäss Gesetzesvorschrift nach einem ändern Verfahren zu erfolgen hat. Vorbehalten bleiben insbesondere die Bestimmungen über die Zuständigkeit für die Beurteilung von Ansprüchen aus der Militärversicherung und von Haftpflichtansprüchen aus Spezialgesetzen.

19.

Zivilschutzgesetz vom 23. März 1962 2>

Art. 83 1 Über Ansprüche vermögensrechtlicher Natur des Bundes oder gegen den Bund, die sich auf das Zivilschutzrecht stützen, jedoch nicht die Schadenhaftung betreffen, entscheidet das Bundesamt für Zivilschutz.

2 Entscheide des Bundesamtes für Zivilschutz unterliegen der Beschwerde an die Eidgenössische Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

» SR 510.30 > SR 520.1

2

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Organisation der Bundesrechtspflege 20. Schutzbautengesetz vom 4. Oktober 1963') Art. 14 Randtitel sowie Abs. 3 (neu) 9. Beschwerden Die Weiterziehung bestimmt sich nach Artikel 15, wenn Hauseivermögensgentümer ihre Baupflicht und, im gleichen Verfahren, ihre Verrechtlichen pflichtung r B bestreiten, Ersatzbeiträge zu leisten.

Angelegenheiten o 3

Art. 15 !

10. Beschwerden Über Ansprüche vermögensrechtlicher Natur von oder gegen vermö«ensKanton oder Gemeinde, die sich auf dieses Gesetz stützen, entrechtiiche scheidet die nach kantonalem Recht zuständige Behörde.

Ansprüche 2 Über Ansprüche vermögensrechtlicher Natur des Bundes oder gegen den Bund entscheidet das Bundesamt für Zivilschutz.

3 Entscheide der zuständigen kantonalen Behörde und des Bundesamtes für Zivilschutz unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

21. Landesversorgungsgesetz vom 8. Oktober 19822' Art. 38 Bst. b, c und d

Beschwerdeinstanzen sind: b. die Rekurskommission EVD für erstinstanzliche Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes sowie für letztinstanzliche kantonale Entscheide; c. das Bundesgericht für Entscheide der Rekurskommission EVD, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist; in den Fällen der Artikel 23-28 entscheidet die Rekurskommission EVD endgültig.

d. Aufgehoben Art. 39 Pflichtlagerstreitigkeiten Die Rekurskommission EVD entscheidet als Schiedskommission in Streitigkeiten zwischen: a. Parteien von Pflichtlagerverträgen; b. Eigentümern von Pflichtlagern und ihren Organisationen.

'> SR 520.2 » SR 531

967

Organisation der Bundesrechtspflege 22. Zollgesetz 0 Art. 109 Abs. l Bst. c Ziff. 4 (neu) 1 Beschwerdeinstanzen sind: c. die Zollrekurskommission für erstinstanzliche Verfügungen oder Beschwerdeentscheide der Oberzolldirektion über: 4. die .Schwerverkehrs- und die Nationalstrassenabgabe; 23. Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 2> über die Stempelabgaben Art. 39a (neu) Beschwerde an die Rekurskommission Die Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung können innert 30 Tagen nach der Eröffnung durch Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission angefochten werden. Ausgenommen sind die Einspracheentscheide über Stundung und Erlass von Stempelabgaben.

Art. 40 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht 1 Die Beschwerdeentscheide der Rekurskommission können nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege3) (Art. 97 ff.) innert 30 Tagen nach der Eröffnung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.

2 Zur Beschwerde ist auch die Eidgenössische Steuerverwaltung berechtigt.

24. Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 19414) über die Warenumsatzsteuer Art. 6 Abs. 3 sowie Abs. 4 und 5 (neu) 3 Die Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung können innert 30 Tagen nach der Eröffnung durch Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission angefochten werden.

4 Die Beschwerdeentscheide der Rekurskommission können nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege 3> (Art. 97ff.) innert 30 Tagen nach der Eröffnung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.

5 Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ist auch die Eidgenössische Steuerverwaltung berechtigt.

D « 3 > 4 >

SR 631.0 SR 641.10 SR 173.110; AS .

SR 641.20

968

Organisation der Bundesrechtspflege

25.

Bundesgesetz vom 13. Oktober 19651) iiber die Verrechnungssteuer

a bis . Beschwerde an die Rekurskommission

b. Verwaltungsgenchtsbeschwerde an das Bundesgericht

26.

Art. 42a (neu) Die Einspracheentscheide der Eidgenossischen Steuerverwaltung konnen innert 30 Tagen nach der Eroffnung durch Beschwerde bei der Eidgenossischen Steuerrekurskommission angefochten werden. Ausgenommen sind die Einspracheentscheide tiber den Erlass einer Steuerforderung.

Art. 43 1 Die Beschwerdeentscheide der Rekurskommission konnen nach Massgabe des Bundesgesetzes tiber die Organisation der Bundesrechtspflege2' (Art. 97 ff.) innert 30 Tagen nach der Eroffnung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.

2 Zur Beschwerde ist auch die Eidgenossische Steuerverwaltung berechtigt.

Bundesgesetz vom 22. Dezember 19163) iibet die Nutzbarmachung der Wasserkrafte

Art. 8 Abs. 3 zweiter Satz '... Die Entschadigung ist nach Massgabe der Bewilligung oder, falls diese nichts darilber enthalt. nach billigem Ermessen zu bestimmen.

Art. 13 Abs. 4, 14 Abs. 4, 15 Abs. 4 zweiter Satz, 25 Abs. 5, 26 Abs. 2, 28 Abs. 2 zweiter Satz und 44 Abs. 3 Aufgehoben

Art. 71 Abs. 2 2 Ist die Verleihung von mehreren Kantonen oder vom Bundesrat erteilt worden, so entscheidet die Rekurskommission fur Wasserwirtschaft als Schiedskommission. Gegen ihren Entscheid kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben werden.

') SR 642.21 « SR 173.110; AS ...

3 > SR 721.80

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 72 Abs. 3 3 Gegen Verfügungen, die ein eidgenössisches Departement oder ein Bundesamt in Anwendung dieses Gesetzes erlassen hat und die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden können, kann bei der Rekurskommission für Wasserwirtschaft Beschwerde geführt werden.

27. PTT-Organisationsgesetz vom 6. Oktober I9601'

Art. 3 Abs. 3 3 Andere zivilrechtliche Klagen sowie die aus dem Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 19242>), dem Telephon- und Telegraphenverkehrsgesetz vom 14. Oktober 19223) oder den internationalen Übereinkommen über den Post-, Telephon- und Telegraphenverkehr abgeleiteten Haftpflichtklagen gegen die Post-, Telephonund Telegraphenbetriebe sind anzubringen: a. wenn der Streitwert mindestens 50 000 Franken beträgt, beim Bundesgericht; b. wenn der Streitwert 50 000 Franken nicht erreicht, am Sitz der Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe oder am Hauptort des Kantons, in dem der Kläger seinen Wohnsitz hat.

28. Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 ^ Art. 10 zweiter Satz Aufgehoben 29. Arbeitsgesetz5' Art. 55

Verfügungen Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes unterenidscheide7esde~ liegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entBundesamtes scheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

'> SR 781.0 SR 783.0 > SR 784.10 »5 SR 814.20 > SR 822.11 2 > 3

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Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 57 Weiierzug Entscheide der letzten kantonalen Instanz unterliegen der Bede" leSen'e'den schwerde an den Bundesrat, soweit die Verwaltungsgerichtsbekantonaien schwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

Instanz

°

30. Heimarbeitsgesetz vom 20. März 1981'>

Art. 16 Rechtsschutz Entscheide der letzten kantonalen Instanzen sowie der Bundesbehörden über die Anwendbarkeit des Gesetzes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

31. Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 ^ über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft

Art. 12 Beschwerde Gegen alle Entscheide der vom Bundesrat mit dem Vollzug dieses Bundesgesetzes beauftragten Behörden, mit Ausnahme der Verfügungen nach Artikel 6 Absatz 2, kann innert 30 Tagen bei der Rekurskommission EVD Beschwerde erhoben werden; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

32. Bundesgesetz über die Krankenversicherung3)

Art. 12 Abs. 7 (neu) 1 Der Bundesrat kann die Aufgaben nach den Absätzen 5 und 6 dem Eidgenössischen Departement des Innern oder, soweit sie die Festsetzung von einzelnen Leistungen betreffen, dem Bundesamt für Sozialversicherung übertragen. Verfügungen nach Absatz 6 unterliegen der Beschwerde an eine Rekurskommission und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht.

» SR 822.31 > SR 823.32 > SR 832.10

2 3

971

Organisation der Bundesrechtspflege 33.

Bundesgesetz über die Unfallversicherung i)

Art. 105 Sachüberschrift, Abs. 2 und 3 zweiter Satz Einsprachen 2 Aufgehoben ì ... Die Beschwerde nach Artikel 109 bleibt vorbehalten.

Art. 109 Rekurskommission Eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission entscheidet als erste Instanz über Beschwerden gegen Einspracheentscheide der Versicherer nach Artikel 68 und der SUVA über die Zuteilung der Betriebe und der Versicherten zu den Klassen und Stufen der Prämientarife sowie gegen Einspracheentscheide betreffend die Zuständigkeit eines Versicherers oder Anordnungen zur Verhütung von Unfällen oder Berufskrankheiten.

Art. 110 Abs. l 1 Gegen Entscheide nach den Artikeln 57, 106 und 109 kann innert 30 Tagen beim Eidgenössischen Versicherungsgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden.

34.

Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 2>

Art. 101 Est. e und d Beschwerdeinstanzen sind: c. die Rekurskommission EVD für Verfügungen und Beschwerdeentscheide des BIGA und für Verfügungen der Ausgleichsstelle; d. das Eidgenössische Versicherungsgericht für Beschwerdeentscheide letzter kantonaler Instanzen und der Rekurskommission EVD.

35.

Bundesgesetz vom 19. März 19653) über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues

An. 20 Abs. 3 und 4 3 Die Kantone können vorsehen, dass die für den Entscheid über vermögensrechtliche Ansprüche des Kantons oder gegen den Kanton zuständige Behörde auch über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund entscheidet; insoweit unterliegt dieser Entscheid zunächst der Beschwerde an die Rekurskommis'> SR 832.20 > SR 837.0 > SR 842

2 3

972

Organisation der Bundesrechtspflege sion EVD und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.'

4 Macht der Kanton von der Ermächtigung nach Absatz 3 keinen Gebrauch, so entscheidet über vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund die Rekurskommission EVD als Schiedskommission; ihr Entscheid unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

36. Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 ')

Art. 59 Rechtsschutz Verfügungen des Bundesamtes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

37.

Bundesgesetz vom 20. März 19702) über die Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten

Gliederungstitel vor Artikel 17 IV. Auskunftspflicht, Sanktionen, Strafbestimmungen und Rechtsschutz

Rechtsschulz

Art. 18a (neu) Verfügungen des Bundesamtes für Wohnungswesen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

38. Bundesgesetz vom 28. Juni 19743) über Investitionshilfe für Berggebiete

An. 28 1 Verfügungen der Zentralstelle unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

2 Erstinstanzliche Verfügungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist.

" SR 843 SR 844 > SR 901.1

2 > 3

973

Organisation der Bundesrechtspflege

39.

Bundesgesetz vom 25. Juni 1976 ') über die Bürgschaftsgewährung gebieten

in Berg-

!

Art. U · Verfügungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

Landwirtschaftsgesetz2*

40.

Art. 107 A. Rechtsschulz ' Erstinstanzliche Verfügungen und Beschwerdeentscheide der Bundesämter in Anwendung dieses Gesetzes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

2 Erstinstanzliche Verfügungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes in Anwendung dieses Gesetzes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist.

41. Bundesgesetz vom 14. Dezember 1979 ^ über Bewirtschaftungsbeiträge an die Landwirtschaft mit erschwerten Produktionsbedingungen

Art. 10 Rechtsschutz Letztinstanzliche kantonale Entscheide unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

42.

Bundesgesetz yom 23. März 19624) über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft

Art. 49 Abs. 5 (neu) 5 Entscheide des Bundes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die, Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

» « 3 > 4 >

SR SR SR SR

974

901.2 910.1 910.2 914.1

Organisation der Bundesrechtspflege 43.

Getreidegesetz vom 20. März 1959 ')

Art. 59 Abs. 3, 4 und 5 3

Verfügungen und Beschwerdeentscheide der Verwaltung unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, ausgenommen Verfügungen in Verwaltungsstrafverfahren.

4 Aufgehoben 5 Die Rekurskommission EVD entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

44.

Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1984 2> über die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel

Art. 20 Abs. l 1

Verfügungen der Genossenschaft unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

45. Bundesbeschluss vom 23. März 19793) über die inländische Zuckerwirtschaft

Art. 18 Rechtsschutz Verfügungen des Bundesamtes für Landwirtschaft unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD ; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

46. Bundesbeschluss vom 22. Juni 19794) über Massnahmen zugunsten des Rebbaues

Gliederungstitel vor Artikel 14a (neu) 5. Abschnitt : Rechtsschutz, Strafbestimmungen Art. 14a (neu) Rechtsschutz Entscheide des Bundesamtes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

" SR 916.111.0 SR 916.112.218 >4 SR 916.114.1 2 > 3

> SR 916.140.1

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Organisation der Bundesrechtspflege

Gliederungstitel vor Art. 15 Aufgehoben 47. Viehabsatzgesetz vom 15. Juni 1962 ')

Rechtsschutz

Art. 13a (neu) Beschwerdebehörden sind: a. das Bundesamt für Landwirtschaft für Verfügungen der beim Vollzug dieses Gesetzes mitwirkenden Organisationen; b. eine vom Kanton bezeichnete Beschwerdeinstanz für Beitragsverfügungen des Kantons; c. die Rekurskommission EVD für Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Landwirtschaft sowie für letztinstanzliche kantonale Entscheide; sie entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

48. Bundesgesetz vom 28. Juni 19742) über Kostenbeiträge an Viehhalter im Berggebiet und in der voralpinen Hügelzone Art. 2bis (neu) Rechtsschutz Verfügungen des Bundesamtes für Landwirtschaft sowie letztinstanzliche kantonale Entscheide unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

49. Milchbeschluss vom 29. September 19533> Art. 17 Abs. 3 zweiter Satz 3

... Anstelle der bei Genossenschaften des Obligationenrechtes4' vorgesehenen Anrufung des Richters tritt bei der BUTYRA die Beschwerde an die Rekurskommission EVD und in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

" SR 916.301 > SR 916.313 3 > SR 916.350 2

4

> SR 220

976

Organisation der Bundesrechtspflege

Art. 37 Abs. l 1 Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Landwirtschaft unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

50. Milchwirtschaftsbeschluss 1977')

Art. 24 Abs. l 1 Das Bundesamt für Landwirtschaft fordert unrechtmässig erworbene Vermögensvorteile zurück. Seine Verfügung unterliegt der Beschwerde an die Rekurskommission EVD und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

Art. 26

Allgemeines

Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Landwirtschaft sowie letztinstanzliche kantonale Entscheide unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

Art. 27 Abs. l, 3 und 4 1 Verfügungen über die Milchkontingentierung unterliegen der Beschwerde an eine besondere Rekurskommission und deren Entscheide der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig.

3 und 4 Aufgehoben

51.

Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966 2>

Art. 46 Abs. l 1 Verfügungen des Bundesamtes für Veterinärwesen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

') SR 916.350.1 2 > SR 916.40

977

Organisation der Bundesrechtspflege

52.

Bundesbeschluss vom 18. März 1971 ') über die offizielle Qualitätskontrolle in der schweizerischen Uhrenindustrie

Art. 17 Abs. l 1 Einspracheentscheide des Trägers unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD.

53.

Bundesgesetz vom 18. März 19712> über die Organisation der StickereiTreuhand-Genossenschaft

Art. 10 Beschwerdeverfahren 1 Vermögensrechtliche Zuwendungen der Genossenschaft aufgrund von Artikel 2 dieses Gesetzes bilden Gegenstand von Verfügungen der Genossenschaft, die der Beschwerde an die Rekurskommission EVD unterliegen; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

2 Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

3 Die Genossenschaft ist ebenfalls zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht berechtigt.

54. Bundesbeschluss vom 23. Juni 19483) über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei

Art. 7 Abs. 2-4 2 Gegen Entscheide der Verwaltung des Solidaritätsfonds im Sinne von Artikel 7 Absatz l kann binnen 30 Tagen bei der Rekurskommission EVD Beschwerde geführt werden; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

3 und 4 Aufgehoben

0 SR 934.11 2) SR 934.22 ) SR 934.23

3

978

Organisation der Bundesrechtspflege

55.

Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 ') über die Förderung des Hotel- und Kurortskredites

Art. 14 Rechtsschutz 1 Verfügungen der Gesellschaft nach diesem Gesetz unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD ; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

2 Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

56.

Sprengstoffgesetz vom 25. März 19772)

Art. 36 Abs. l 1 Verfügungen über Spreng- und andere Verwendungsausweise unterliegen der Beschwerde an das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit und in letzter Instanz an die Rekurskommission EVD.

57. Bundesbeschluss vom S.Oktober 19843) über die Innovationsrisikogarantie zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen

Art. 15 Rechtsschutz 1 Erstinstanzliche Verfügungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an .das Bundesgericht zulässig ist.

2 Bei den Steuererleichterungen richtet sich der Rechtsschutz nach den Bestimmungen der Steuergesetzgebung.

58.

Bundesgesetz vom 26. September 19584* über die Exportrisikogarantie

Art. 15a (neu) 1 Bei Verfügungen über die Gewährung oder die Verweigerung der Garantie richtet sich das Beschwerdeverfahren nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

2 Die übrigen erstinstanzlichen Verfügungen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

D SR 935.12 2) SR 941.41 3

> AS ...

i) SR 946.11 979

Organisation der Bundesrechtspflege

59. Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 ') über aussenwirtschaftliche Massnahmen Art. 6 Abs. 2 sowie 3 und 4 (neu) 2

Verfügungen der mit der Durchführung dieses Gesetzes betrauten Organisationen und Institutionen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit das Bundesrecht nichts anderes bestimmt.

3

Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes für Aussenwirtschaft unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD.

4

Die Rekurskommission EVD entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

60. Bundesbeschluss vom 6. Oktober 19782-* über Finanzierungsbeihilfen zugunsten wirtschaftlich bedrohter Regionen

Art. 12 Erstinstanzliche Verfügungen des Departementes unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD, soweit in letzter Instanz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist.

61. Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 19783) Art. 45a (neu) Rekurskommission 1

Eine Rekurskommission entscheidet als erste Beschwerdeinstanz über Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesamtes und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes in Anwendung dieses Gesetzes und der anderen Erlasse über die Versicherungsaufsicht.

2

Ihre Entscheide unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.

Art. 46 Sachüberschrift, Abs. l und 2 Verfahren 1

und

2

Aufgehoben

O SR 946.201 2) SR 951.93 3 > SR 961.01

980

Organisation der Bundesrechtspflege

62.

Bundesgesetz vom 25. Juni 1930 ^ über die Sicherstellung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen inländischer Lebensversicherungsgesellschaften

Art. 40 Aufgehoben 63.

Bundesgesetz vom 20. März 19702) über die Investitionsrisikogarantie

Rechtspflege

Art. 24 ' Bei Verfügungen über die Gewährung oder die Verweigerung der Garantie richtet sich das Beschwerdeverfahren nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

2 Die übrigen erstinstanzlichen Verfügungen unterliegen der Beschwerde an die Rekurskommission EVD; diese entscheidet endgültig, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist.

0619

D SR 961.03 > SR 977.0

2

981

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft betreffend die Aenderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 29. Mai 1985

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1985

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33

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.08.1985

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737-981

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