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Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Solothurn und Genf

vom 8. Mai 1985

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Solothurn und Genf mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. Mai 1985

1985-441

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Purgier Der Bundeskanzler: Buser

21 Bundesblau. 137. Jahrgang. Bd. II

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Übersicht Nach Artikel 6 Absatz l der Bundesverfassung sind die Kantone verpflichtet, für ihre Verfassung die Gewahrleistung des Bundes einzuholen. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels gewährleistet der Bund kantonale Verfassungen, wenn sie weder die Bundesverfassung noch das übrige Bundesrecht verletzen, die Ausübung der politischen Rechte in republikanischen Formen sichern, vom Volk angenommen worden sind und revidiert werden können, sofern die absolute Mehrheit der Bürger es verlangt. Erfüllt eine kantonale Verfassung diese Voraussetzungen, so muss sie gewährleistet werden; erfüllt eine kantonale Verfassungsnorm eine dieser Voraussetzungen nicht, so darf sie nicht gewährleistet werden.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: - Im Kanton Solothurn: die Schaffung verfassungsrechtlicher Grundlagen für den innerkantonalen Finanzausgleich; : - im Kanton Genf: die Verstärkung des Familienschutzes.

Alle Änderungen entsprechen dem Artikel 6 Absatz 2 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

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Botschaft I

Die einzelnen Revisionen

II

Verfassung des Kantons Solothurn

In der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1984 haben die Stimmbürger des Kantons Solothurn der Änderung der Artikel 31 Ziffer 14 Buchstabe a, 62 Absatz l, 68 Absatz 3 und 69 der Kantonsverfassung mit 29295 Ja gegen 20907 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1984 ersucht der Staatsschreiber um die eidgenössische Gewährleistung.

III

Finanzausgleich

Der bisherige und der neue Text lauten: Bisheriger Text: Art. 31 Ziff. 14 Bst. a 14. Der Kantonsrat wählt: a. die Mitglieder und Ersatzrichter des Obergerichtes und des Kassationsgerichtes, die Mitglieder des Verwaltungsgerichtes, den Präsidenten, die Mitglieder und die Ersatzrichter des Versicherungsgerichtes, den Obmann, seinen Stellvertreter und die Mitglieder der Arbeitsgerichte, den Präsidenten, Vizepräsidenten, die übrigen Mitglieder und Ersatzrichter der Kantonalen Rekurskommission, den Präsidenten und die Mitglieder der Kantonalen Schätzungskommissionen, die Mitglieder des Erziehungsrates, den Staatsschreiber und seinen Stellvertreter; Art. 62 Abs. l 1 Bestimmungen über direkte Besteuerung und indirekte Abgaben sind Sache der Gesetzgebung.

Art. 68 Abs. 3 3 Für die Bestreitung der Armenbedürfnisse sind die Erträgnisse des Armengutes, allfällig besonderer Stiftungsgüter im Rahmen ihrer Stiftungsbestimmungen, des allgemeinen Ortsbürgergutes und die Steuerkraft der Ortsbürger und der Einwohner in Anspruch zu nehmen.

Art. 69 Die Gesetzgebung wird bestimmen, inwieweit die Armenunterstützungspflicht der Gemeinden zu beschränken ist und in welcher Weise der Staat neben der freiwilligen Armenpflege sich an der Armenunterstützung zu beteiligen hat, speziell mit Berücksichtigung derjenigen Gemeinden, deren Mittel zur Bestreitung der ihnen obliegenden Armenlasten nicht ausreichen.

Neuer Text: Art. 31 Ziff. 14 Bst. a 14. Der Kantonsrat wählt: a. die Mitglieder und Ersatzrichter des Obergerichtes und des Kassationsgerichtes, die Mitglieder des Verwaltungsgerichtes, den Präsidenten, die Mitglieder 527

und die Ersatzrichter des Versicherungsgerichtes, den Obmann, seinen Stellvertreter und die Mitglieder der Arbeitsgerichte, den Präsidenten, Vizepräsidenten, die übrigen Mitglieder und Ersatzrichter der Kantonalen Rekurskommission, den Präsidenten, Vizepräsidenten, die übrigen Mitglieder und Ersatzmitglieder der Kantonalen Finanzausgleichsrekurskommission, den Präsidenten und die Mitglieder der Kantonalen Schätzungskommissionen, die Mitglieder des Erziehungsrates, den Staatsschreiber und seinen Stellvertreter.

Art. 62 Abs. l 1 Bestimmungen über direkte Besteuerung, indirekte Abgaben und den Finanzausgleich sind Sache der Gesetzgebung.

Art. 68 Abs. 3 3 Für die Bestreitung des Fürsorgebedarfs sind die Erträge des Fürsorgefonds, allfällig besonderer Stiftungsgüter im Rahmen ihrer Stiftungsbestimmungen und des allgemeinen Ortsbürgergutes in Anspruch zu nehmen.

Art. 69 Die Gesetzgebung wird bestimmen, inwieweit die Armenunterstützungspflicht der Gemeinden zu beschränken ist und in welcher Weise der Staat neben der freiwilligen Armenpflege sich an der Armenunterstützung zu beteiligen hat, speziell mit Berücksichtigung derjenigen Gemeinden, deren Mittel zur Bestreitung der ihnen obliegenden Armenlasten nicht ausreichen. In welchem Masse Beiträge aus dem Finanzausgleich an die Fürsorgeaufwendungen zu leisten sind, ist Sache der Gesetzgebung.

Mit der Änderung soll die Verfassungsgrundlage für den innerkantonalen Finanzausgleich zwischen Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinden geschaffen werden. Entsprechende Verfügungen sollen bei einer neu in der Verfassung verankerten Finanzausgleichs-Rekurskommission angefochten werden können.

Das auf die neuen Verfassungsbestimmungen abgestützte Finanzausgleichsgesetz wurde anlässlich der gleichen Abstimmung mit einer separaten Vorlage angenommen.

112

Bundesrechtmässigkeit

Materiell liegt die Änderung vollständig im Bereich der kantonalen Organisationskompetenz und Finanzhoheit; eine Koppelung der Abstimmungen über Verfassung und Gesetz wurde nicht vorgenommen. Da die Änderung weder die Bundesverfassung noch sonstiges Bundesrecht verletzt, ist ihr die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

12

Verfassung des Kantons Genf

In der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1984 haben die Stimmbürger des Kantons Genf der Aufnahme eines neuen Artikels 2A in der Kantonsverfassung mit 26 106 Ja gegen 18 866 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 20. Februar 1985' ersucht der Staatsrat um die eidgenössische Gewährleistung.

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121

Förderung der Familie

Der neue Text lautet: Neuer Text Familie

Art. 2A Die Familie ist die Grundzelle der Gesellschaft. Ihre Rolle in der Gemeinschaft soll verstärkt werden.

Die neue Verfassungsbestimmung unterstreicht die Wichtigkeit der Familie, und der Staat erhält den Auftrag, diese zu fördern. Ähnliche Bestimmungen enthalten die Verfassungen des Kantons Aargau (§ 38) und des Kantons Jura (Art. 17).

122

Bundesrechtmässigkeit

Die Förderung der Familie ist grundsätzlich Sache der Kantone. Der Bund hat aber neben der Pflicht, die Familie in der Ausübung der ihm zustehenden Befugnisse zu berücksichtigen, auch weitere Kompetenzen in diesem Bereich.

Nach Artikel 34quinquies ^er Bundesverfassung ist er zur Gesetzgebung auf dem Gebiete der Familienausgleichskassen befugt, und er hat den Auftrag, die Mutterschaftsversicherung einzurichten. Die herrschende Lehre betrachtet diese Ermächtigungen als konkurrierende Bundeskompetenzen mit nachträglich derogatorischer Wirkung (J.-F. Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel 1967, Bd. I, Nr. 702). Da der Bund diese Kompetenzen nicht voll ausgeschöpft hat, steht es den Kantonen frei, Massnahmen zur Förderung der Familie zu treffen. Dies wäre erst recht der Fall, wenn man davon ausginge, die Schaffung einer zentralen Familienausgleichskasse und einer Mutterschaftsyersicherung durch den Bund schliesse kantonale Sozialversicherungen nicht aus, es würden auf diesem Gebiet also Parallelkompetenzen von Bund und Kantonen bestehen (J.-F. Aubert, a. a. O., Nr. 703); allerdings sollten sich die Massnahmen von Bund und Kantonen nicht gegenseitig hemmen oder durchkreuzen.

Die neue Verfassungsbestimmung des Kantons Genf widerspricht somit nicht dem Bundesrecht, und die Gewährleistung kann erteilt werden.

2

Verfassungsmässigkeit

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 6 und 85 Ziffer 7 der Bundesverfassung zuständig, die Kantonsverfassungen zu gewährleisten.

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Bundesbeschluss Entwurf über die Gewährleistung geänderter Kantonsverfassungen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. Mai 19851', beschliesst:

Art. l

Gewährleistet werden: 1. Solothurn die in der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1984 beschlossenen Artikel 31 Ziffer 14 Buchstabe a, 62 Absatz l, 68 Absatz 3 und 69 der Kantonsverfassung; 2. Genf der in der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1984 beschlossene Artikel 2A der Kantonsverfassng.

Art. 2

Dieser Beschluss ist nicht allgemeinverbindlich; er untersteht nicht dem Referendum.

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Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Solothurn und Genf vom 8. Mai 1985

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23.07.1985

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