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85.043

Bericht über das Armeeleitbild

vom 29. Mai 1985

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Mit je einem Postulat haben der Nationalrat und der Ständerat einen Bericht über das Armeeleitbild verlangt. Wir beehren uns, Ihnen diesen Bericht vorzulegen, und beantragen Ihnen, davon Kenntnis zu nehmen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 1983 P 83.310 Armee-Leitbild. Überprüfung (S 16. 3. 83, Belser) 1984 P 83.314 Armee-Leitbild. Überprüfung (N 22. 3. 84, Sozialdemokratische Fraktion) Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 1985

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Purgier Der Bundeskanzler: Buser

Bericht I

Einleitung

II

Inhalt der parlamentarischen Vorstösse

Der von der Sozialdemokratischen Fraktion in beiden Räten eingereichte Text des Vorstosses lautet wie folgt: Das Armeeleitbild wird als langfristiger Bezugsrahmen für den Ausbau der Armee bezeichnet. Schon der erste Ausbauschritt, 1984--1987, lässt nun aber befürchten, dass bestimmte hochtechnisierte und deshalb sehr teure Waffensysteme ständig zunehmendes Gewicht erhalten. In der Folge dürfte es immer schwieriger werden, die Infanterie, unsere zahlenmässig wichtigste Truppengattung, ausreichend zu bewaffnen und zu schützen.

Der Bundesrat wird deshalb beauftragt zu überprüfen, ob unsere Armee nicht,dann bessere Chancen zur Auftragserfüllung hätte, wenn sie sich in grösserem Masse auf den Kampf der Infanterie und damit auch auf die Stärken unseres Geländes ausrichten würde.

Der, Bundesversammlung ist über die Ergebnisse der Abklärung zu berichten.

Am 28. Februar 1983 beschloss der Bundesrat, die Motion der Sozialdemokratischen Fraktion vom 1. Februar 1983 und die gleichlautende Motion von Ständerat Belser vom 24. Januar 1983 als Postulat anzunehmen. Der Ständerat überwies die Motion Belser am 18. März 1983 als Postulat; im Nationalrat wurde die Motion der Sozialdemokratischen Fraktion am 22. März 1984 sinngemäss behandelt.

In seiner mündlichen Antwort vor dem Ständerat hat der Chef des Eidgenössischen Militärdepartements einen Bericht zu der Frage des Armeeleitbildes in Aussicht gestellt. Diesen Bericht hat der Bundesrat im Rahmen seines Berichts über die Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987 erstattet, wobei hiefür zwangsläufig wenig Platz zur Verfügung stand.

In seiner mündlichen Antwort vor dem Nationalrat hat der neue Chef des Eidgenössischen Militärdepartements am 22. März 1984 der Forderung nach einem speziellen und ausführlichen Bericht zu der Frage des Armeeleitbildes zugestimmt, der die in der Motion der Sozialdemokratischen Fraktion und anlässlich der Begründung im National- und Ständerat gestellten Fragen in umfassender Weise abklärt.

Der Beantwortung der Postulate muss folgende Gegebenheit vorangestellt werden: Die Berücksichtigung des Zeitfaktors, gegebener finanzieller Restriktionen und der Wirkung aller Kampfmittel im Verbund gibt der Planung den Charakter eines rollenden Prozesses. Diese Feststellung bezieht sich nicht nur auf die langfristige Planung eines Armeeleitbildes, sondern auch auf die kurzfristige Situation bei dem 1982 vorgestellten und heute in der Verwirklichung stehenden Ausbauschritt 1984-1987. «Auch bei guter Planung können sich kurzfristig zu fällende Entscheide und pragmatisches Vorgehen als notwendig erweisen», steht im Bericht des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD) über das Armeeleitbild und den Ausbauschritt 1984-1987 (S. 22). Die heutige Beantwortung 551

der Postulate muss deshalb die seit dem Zeitpunkt ihrer Überweisung veränderten Planungsgrundlagen mitberücksichtigen.

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Veränderte Grundlagen

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Armeeleitbild und Realisierung des Ausbauschrittes 1984-1987

Am 31. Oktober 1984 hat das EMD über den Stand der Realisierung von Armeeleitbild und Ausbauschritt 1984-1987 wie folgt orientiert: 122

Stand der Realisierung Das Armeeleitbild ist der langfristige, zeitlich nicht limitierte Bezugsrahmen für die künftige, Gestaltung der Armee.

Die Realisierung des Armeeleitbildes erfolgt in Ausbauschritten. Ein Ausbauschritt umfasst die Gesamtheit der für den Ausbau der Armee in einer bestimmten Legislaturperiode vorgesehenen Vorhaben und Massnahmen.

Das Armeeleitbild und der Ausbauschritt 1984-1987 sind am 15./16. November 1982 der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Militärkommissionen beider Räte haben sich im Laufe des Jahres 1983 eingehend mit beiden Dokumenten befasst.

Armeeleitbild und Ausbauschritte müssen in nicht zu weit auseinanderliegenden Intervallen immer wieder nachgeführt werden, wobei den militär-politischen, technischen und finanziellen Gegebenheiten Rechnung zu tragen ist, damit die realistischsten Lösungen gefunden werden können.

Im Hinblick auf die Beantwortung der Motion der Sozialdemokratischen Fraktion zum Armeeleitbild vom I.Februar 1983 haben sich die PlanungsgrUndlagen wie folgt verändert: 123

Die grössten Rüstungsvorhaben des Ausbauschrittes 1984-1987 im Zeitpunkt der Ausarbeitung des Armeeleitbildes

Als wichtigste Rüstungsvorhaben des Ausbauschrittes 1984-1987 wurden ursprünglich bezeichnet: - die Beschaffung einer ersten Serie von neuen Kampfpanzern - die Erneuerung der Panzerabwehr auf Regimentsstufe - Panzerabwehrhelikopter als luftbewegliche Komponente einer zusammen mit mechanisierten Elementen längerfristig aufzubauenden Armeereserve - eine leichte Lenkwaffe zur Verstärkung der Fliegerabwehr.

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Ergebnisse der Überprüfung des Ausbauschrittes 1984^1987

Die Überprüfung von Leitbild und Ausbauschritt 1984-1987 hat zu folgenden Ergebnissen geführt: - Aus militärischen, industriellen und finanziellen Überlegungen wurde die Panzerbeschaffung durch die Beschlüsse des Stände- und Nationalrates derart 552

neu geregelt, dass die gesamte notwendige Anzahl Panzer zur Ausrüstung der drei mechanisierten Divisionen in einem Rüstungsprogramm beschafft werden soll (380 Panzer). Das EMD hatte ursprünglich vorgesehen, dem Parlament die Panzerbeschaffung in zwei Tranchen zu je 210 Panzer, die erste mit dem Rüstungsprogramm 1984, vorzuschlagen.

- Der Beginn der Ablösung des Sturmgewehrs 57 durch eine leichtere und billigere Waffe aus Schweizer Produktion (Sturmgewehr 90) ist aus militärischen, kostenmässigen und rüstungspolitischen Gründen bereits in den Ausbauschritt 1984-1987 vorverschoben worden. Ursprünglich war das neue Sturmgewehr nur als Option vorgesehen.

- Aus militärischen Gründen und wegen der Umstrukturierung des SaurerKonzerns hat das EMD die vorgesehene Lastwagenbeschaffung beschleunigt.

Dies bindet zusätzliche Mittel im Ausbauschritt 1984-1987.

- Im Arbeitsbeschaffungsprogramm 1983 partizipierte das EMD mit einer weiteren Beschaffung von Radargeräten Skyguard für die Fliegerabwehr der Flugplätze. Diese Geräte waren erst für spätere Ausbauschritte vorgesehen.

- Aus konzeptionellen, technischen und finanziellen Gründen wurde die Beschaffung einer Leichten Fliegerabwehr-Lenkwaffe hinausgeschoben. In den Berichten über die Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987 und zum Legislaturfinanzplan für die Jahre 1985-1987 vom 18. Januar 1984 ist dieses Vorhaben nicht mehr unter den kurzfristigen Projekten aufgeführt.

- Ebenfalls aus konzeptionellen, technischen und finanziellen Gründen musste die ursprünglich gegen Ende der laufenden Legislatur in Aussicht genommene Beschaffung von etwa 45 Panzerabwehrhelikoptern hinausgeschoben werden.

Die in den langfristigen Zielsetzungen für den Ausbau der Armee erwähnte organische .Armeereserve kann aus personellen, materiellen und finanziellen Gründen nicht geschaffen werden. In einem Mobilmachungsfall musste der Oberbefehlshaber - wie dies in früheren Fällen geschah - eine Armeereserve von Fall zu Fall formieren.

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Realisierung des Ausbauschrittes 1984-1987

In der Annahme, dass der Investitionsrahmen des EMD gemäss langfristiger Finanzplanung des Bundes gehalten werden kann und dass die eidgenössischen Räte die entsprechenden Rüstungsprogramme genehmigen und die jährlich notwendigen Zahlungskredite zur Verfügung stellen, können im Rahmen des Ausbauschrittes 1984-1987 folgende grosse Vorhaben verwirklicht werden: - Kampfpanzer Leopard 2, in der vom Stände- und Nationalrat beschlossenen Anzahl und Beschaffungsart, - TAFLIR (taktisches Fliegerradar), sofern die technische Beschaffungsreife erreicht wird, mit dem Rüstungsprogramm 1985, - Kampfwertsteigerung Mirage-Kampfflugzeuge, - Lenkwaffen Panzerjäger TOW/Piranha, voraussichtlich in einem der nächsten Rüstungsprogramme, 553

- Sturmgewehr 90, l. Tranche, - verschiedene andere Beschaffungen.

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2

Die Hauptpfeiler für den Ausbau der Armee

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Die sicherheitspolitischen und konzeptionellen Grundlagen

Das Armeeleitbild und der Ausbauschritt 1984-1987 halten bezüglich unserer Sicherheitspolitik folgendes fest: Für die Zielsetzungen der militärischen Landesverteidigung stellt der Bericht des Bundesrates vom 27,. Juni 1973 über die Sicherheitspolitik der Schweiz und seine Bestätigung im Jahre 1979 nach wie vor die Grundlage dar (S. 5).

Der schweizerischen Sicherheitspolitik kommt gegenüber dem Armeeleitbild eine übergeordnete Bedeutung zu.

Sie stellt unsere sicherheitspolitischen Ziele auf und beurteilt die heutige und künftige Bedrohung. Aus ihrer Gegenüberstellung ergeben sich unsere strategischen Zielsetzungen und die Definition der strategischen Hauptaufgaben. Diese legen fest, dass das Schwergewicht unserer Sicherheitspolitik und unserer strategischen Massnahmen bei der Kriegsverhinderung durch Verteidigungsbereitschaft (Dissuasion) liegen muss. Wenn die Dissuasion nicht gelingt und unser Land in Kriegshandlungen einbezogen oder direkt angegriffen wird, ist es das Ziel unserer Strategie, Volk und Staat durch einen militärischen Abwehrkampf za erhalten (Kriegführung in Form des militärischen Abwehrkampfes). Die Konzeption der Gesamtverteidigung macht unmissverständlich klar, dass es sich nicht um symbolische, sondern um tatsächliche Gegenwehr handeln muss: die Benützung unseres Territoriums und unserer Verbindungswege soll jedem Angreifer mit allen Mitteln verwehrt, die Unterwerfung des Volkes unter seinen Willen mit allen Kräften verhindert werden (S. 16). Im Rahmen der strategischen Zielsetzungen und Hauptaufgaben, wird der Armee als einzelnem Teilinstrument der Gesamtverteidigung ein konkreter Auftrag Überbunden. Dieser Auftrag umfasst die Dissuasion, die Kriegführung in der Form des militärischen Abwehrkampfes, den Widerstand im feindbesetzten Gebiet und die Hilfe an die zivilen Behörden.

Das Armeeleitbild richtet sich nach wie vor nach dem strategischen Auftrag der Armee, wie er sich aus dem Bericht des Bundesrates vom 27. Juni 1973 über die Sicherheitspolitik der Schweiz (BEI 1973 II 112) ergibt: Es besteht kein Anlass, diesen Auftrag zu ändern. Für eine Erweiterung des Auftrages wären auch die Mittel kaum zu beschaffen; eine Reduktion wäre mit Bestimmtheit mit einer Verminderung unserer Sicherheit identisch (Armeeleitbild S. 6).

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Kriegsverhinderung durch Verteidigungsbereitschaft (Dissuasion)

Das Schwergewicht unserer Sicherheitspolitik und unserer strategischen Massnahmen muss bei der Kriegsverhinderung liegen. Kriegsverhinderung ist das 554

strategische Verhalten, das einen potentiellen Gegner veranlassen soll, auf die Auslösung einer bewaffneten Auseinandersetzung zii verzichten. Er soll zur Überzeugung gebracht werden, dass ein Missverhältnis besteht zwischen dem von ihm erstrebten Vorteil und dem einzugehenden Risiko.

Das Risiko, das ihm dabei vor Augen geführt werden muss, besteht im Verlust von Prestige, Streitkräften, Kriegspotential und Zeit sowie in der Beeinträchtigung seiner ideologischen, machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen.

Angesichts der Bedrohungen, deren schwerste selbst mit dem grössten materiellen Aufwand nicht völlig abzuwehren sind, ist klar, dass der Kriegsverhinderung im heutigen Sicherheitsdenken aller Staaten höchste Priorität zukommt (vgl. Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz, Ziff. 423).

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Die Konzeption der militärischen Landesverteidigung

Für die Erfüllung der zweiten Aufgabe der Armee, der Kriegführung, sind klare konzeptionelle Grundlagen vorhanden. Sie beruhen auf dem Grundgedanken der dynamischen Raumverteidigung, wie er im Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 6. Juni 1966 über die Konzeption der militärischen Landesverteidigung dargelegt wurde (BB1 1966 I 853), von dem die eidgenössischen Räte 1966 zustimmend Kenntnis genommen und den die Berichte über die Sicherheitspolitik ausdrücklich bestätigt haben. Das Armeeleitbild hält fest, dass grundsätzlich auch an der bestehenden Einsatzkonzeption festgehalten wird (S. 10).

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Akzentverschiebungen?

Während das Armeeleitbild und der Ausbauschritt 1984--1987 in Anspruch nehmen, die sicherheitspolitischen Grundlagen übernommen und an der bestehenden Einsatzkonzeption festgehalten zu haben, glaubt der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion in seiner mündlichen Begründung vom 22. März 1984 im Nationalrat erkennen zu können, dass in den auf die Konzeption der militärischen Landesverteidigung (1966) und der Konzeption der Gesamtverteidigung (1973) folgenden Armeeleitbildern tendenziell Akzentverschiebungen vorgenommen und Forderungen aufgestellt wurden, die eine Armee, deren Gros aus Infanterie besteht, nicht erfüllen kann.

Es scheint deshalb angezeigt, die sicherheitspolitischen und konzeptionellen Grundlagen des Armeeleitbildes näher zu untersuchen, um die Beantwortung der gestellten Fragen an ihnen messen zu können.

Es sind dies: - die sicherheitspolitischen Ziele der Schweiz, - die militärische Bedrohung, - Strategie im militärischen Bereich: der sicherheitspolitische Auftrag der Armee, 555

- die Auftragserfüllung der Armee: Kriegsverhinderung und Kriegführung, - die Konzeption der militärischen Landesverteidigung.

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Die sicherheitspolitischen Ziele der Schweiz

Die Sicherheitspolitik ist ein Teil der Gesamtpolitik der Schweiz. Das besondere Merkmal dieses Teilgebietes der Politik besteht darin, dass mit ihr das Entstehen einer Bedrohung unseres Landes verhindert oder eine bevorstehende oder eingetretene Bedrohung zielgerichtet gemeistert werden soll. Das Instrument der Sicherheitspolitik zur Verwirklichung ihrer Ziele ist die Gesamtverteidigung. Die Armee ist dabei das Machtmittel zur Verwirklichung unserer Strategie. Sie allein ist imstande, einem gewaltsamen Angriff wirksam entgegenzutreten. Die vom Bundesrat 1973 im Bericht über die Sicherheitspolitik der Schweiz geäusserte Überzeugung, «dass wir auch in Zukunft nur dann erfolgreich für den Frieden wirken können, wenn wir gleichzeitig unsere eigene Sicherheit glaubwürdig gewährleisten», hat noch heute ihre aktuelle Gültigkeit, gleich wie die Folgerung, dass die Sicherheitspolitik eines Landes dann glaubwürdig ist, «wenn eine realistische Einschätzung der Gefahren und eine nüchterne Beurteilung der eigenen Möglichkeiten zu einer Konzeption und deren Verwirklichung führen, die Vertrauen im Innern und nach aussen Respekt zu erwecken vermag» (Ziff. 12, BB1 1973 II 12). Diese Überlegungen, gleich wie die sicherheitspolitischen Ziele der Schweiz, bildeten Teil des Bezugsrahmens für die künftige Gestaltung der Armee.

Ausbauvorhaben, bzw. der Verzicht auf solche, sind immer auch unter dem Gesichtspunkt der glaubwürdigen Gewährleistung unserer Sicherheit zu werten d. h. es ist mitzuberücksichtigen, ob sie das Vertrauen im Innern in unsere eigene Fähigkeit zur Auftragserfüllung fördern und nach aussen Respekt zu erwecken vermögen.

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Oie militärische Bedrohung

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Die Bedrohungsformen

Die Sicherheitspolitik von 1973 unterscheidet vier militärische Bedrohungsformen, die wir noch heute unseren Überlegungen zugrunde legen können: - die indirekte Kriegführung (psychologische Beeinflussung, Sabotage, Terror), - die Bedrohung auf der konventionellen Ebene (begrenzte Übergriffe, reiner Luftkrieg, kombinierter Land-Luft-Krieg), - Angriff mit Massenvernichtungsmitteln (Vernichtungsschlag, Einsatz von A/C Waffen auf der operativen und/oder taktischen Ebene), - Erpressungen (auf allen Konfliktebenen möglich).

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Mittel und Kampfverfahren eines möglichen Gegners

Seit 1973 hat sich im Bereich der Bedrohung eine enorme Entwicklung vollzogen, die weiterhin im Fluss bleibt.

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Auch mit dem Auftreten grundsätzlich neuer Bedrohungselemente muss stets gerechnet werden. Wir müssen uns laufend bemühen, sie frühzeitig festzustellen, um neue Abwehrmassnahmen treffen zu können. So können wir heute feststellen, dass die laufende und in den letzten Jahren vollzogene technische Entwicklung den Kampfverbänden der Grossmächte gestattet, militärische Ziele rascher zu entdecken, koordinatenmässig zu erfassen und genau zu treffen. Zusätzlich zu ihrer Ausstattung mit sehr differenzierten Massenvernichtungsmitteln verfügen sie über: - starke konventionelle Feuermittel, Flächenwaffen und präzise Abstandswaffen, die ab Boden oder aus Luftfahrzeugen eingesetzt werden, - einen hohen Grad der Mechanisierung und der Nachtkampftauglichkeit, - reiche Ausstattung mit allen notwendigen Unterstützungsmitteln, - starke Luftstreitkräfte, - Luftlandetruppen sowie Mittel für den Lufttransport; - besonders geschulte Einheiten für diversive Aktionen (Diversionstruppen), - Formationen für die Elektronische Kriegführung.

Die Mittel erlauben massive, weiträumige und rasch ablaufende Angriffsoperationen. Mechanisierte Kampfverbände können in günstigem Gelände rücksichtslos in die Tiefe stossen und die Vernichtung verbleibender Widerstandszentren nachfolgenden Verbänden überlassen. Den Luftstreitkräften fällt dabei die Aufgabe zu, Gegenaktionen des Verteidigers am Boden und im Luftraum zu unterbinden und dadurch die eigenen Operationen zu beschleunigen. Ferner können Luftlandeaktionen die Vorstösse der terrestrischen Angriffsverbände erleichtern, indem die eingesetzten Verbände Schlüsselgelände in der Tiefe des Angriffsstreifens frühzeitig in Besitz nehmen und Reserven des Verteidigers binden oder diesen zum Kampf in mehrere Richtungen zwingen. Die Massnahmen der Elektronischen Kriegführung sind stets in die Kampfplanung und Kampfführung integriert.

Auf der Ebene der militärischen Landesverteidigung und der Kampfführung stellt das heutige Armeeleitbild fest, dass Träger der strategischen Offensive zunehmend Machtgebilde totalitärer Ausrichtung sein werden. «Das lässt erwarten, dass die konventionelle Kriegführung durch eine verdeckte Kriegführung eingeleitet, begleitet und auch verlängert wird. Bedeutung und Gefahr von Sabotage, Terror und Kommandoaktionen werden zunehmen und die zu erwartende psychologische Aktion verstärken» (S. 7).

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Die potentielle Bedrohung

Die Bedrohung hängt nicht nur von den uns nicht bekannten Absichten möglicher Gegner ab, sondern ist weit mehr in den grundsätzlichen Spannungen und im Vorhandensein von Truppen und Kampfmitteln, die über die rein defensiven Bedürfnisse hinausgehen, gegeben. Sie könnten sehr rasch und zum Teil mit sehr kurzer Vorwarnzeit eingesetzt werden.

Über die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungen lässt sich streiten, nicht aber über die Möglichkeit der Bedrohung. Massgebend für unsere Vorbereitungen muss angesichts der jederzeit einsetzbaren strategischen Waffen und der na22 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd.II

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mentlich auch im europäischen Raum stationierten Armeen die potentielle, das heisst die durch das vorhandene Potential gegebene Bedrohung sein.

> In den meisten denkbaren Konfliktsituationen stellt unser Land nicht das alleinige Ziel eines Gegners dar, sondern wäre wohl lediglich ein Teilkriegsschäuplatz. Es ist deshalb weder zulässig noch sinnvoll, das volle militärische Potential fremder Mächte mit unseren militärischen Mitteln vergleichen zu wollen.

Die Schweiz kann aber, auch wenn sie kein Hauptziel darstellt, in einen Konflikt verwickelt oder von seinen Auswirkungen betroffen werden.

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Krieg mit Massenvernichtungsmitteln

'Das Vorhandensein einer grossen Zahl von Massenvernichtüngsmitteln bei den beiden Machtblöcken ist Tatsache. Die auf Furcht vor Vergeltung beruhende Scheu vor dem Einsatz dieser Mittel schafft lediglich eine prekäre Sicherheit.

Auch hat sie keineswegs zu einem Verzicht auf Gewalt geführt, sondern begünstigt vielmehr alle jene Konfliktformen, mit denen das atomare Gleichgewicht unterlaufen werden kann. Die Bemühungen verschiedener Mittelmächte, im nuklearen Rüstungssektor den Abstand zu den Supermächten zu verringern, halten an. Zudem bieten gewisse Anzeichen Grund zur Annahme, dass in strategischen Schlüsselregionen, die als traditionelle Spannungsgebiete gelten, die Einführung von Kernwaffen angestrebt wird.

Auch wenn ein direkter Angriff mit Massenvernichtungsmitteln gegen unser Land als wenig wahrscheinlich erachtet wird, bleibt der Krieg mit Massenvernichtungsmitteln (biologische, chemische und Kernwaffen) solange denkbar, als irgendeine Macht über das nötige Arsenal verfügt. Auch wenn seiner Auslösung die Furcht vor Vergeltung entgegensteht, ist er als Folge wechselseitiger Steigerung der eingesetzten Kriegsmittel, irrationaler Handlungen oder kurzsichtiger Erfolgshoffnungen nicht unmöglich. Auch hat die im Zwischenbericht zur Sicherheitspolitik 1979 (BB1 1980 I 355) festgestellte Tendenz zur bedeutsamen Verbesserung der Waffensysteme hinsichtlich der Einsatzbereitschaft der Reichweiten und der Treffgenauigkeit angehalten. Sie verkürzen die Bereitstellungszeit, ermöglichen den punktuellen Einsatz gegen ausgewählte Ziele und erlauben, unerwünschte Begleitschäden zu begrenzen. Dadurch ist das Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten von Nuklearwaffen stetig erweitert und das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen verringert worden. Gleichzeitig ist deshalb auch die politische Bedeutung dieser Waffen erhöht worden.

Falls sie bei einem terrestrischen Angriff gegen die Schweiz zur Anwendung kommen, dürfte der Einsatz von A-Waffen vor allem dazu dienen, Führungseinrichtungen Fliegerstützpunkte, Lenkwaffen- und Artilleriestellungen, mechanisierte Reserven und logistische Einrichtungen auszuschalten. Mit dem Einsatz von C-Waffen ist namentlich zu rechnen, wenn es dem Angreifer darauf ankommt, im Rahmen entscheidender Aktionen möglichst geringe Zerstörungen zu verursachen.

Wo aber Massenvernichtungsmittel
das Wesen des Kampfes bestimmen, kommt es für alle Truppen in erster Linie darauf an, die Wirkung von Nuklearwaffen, chemischen und biologischen Kampfstoffen zu überleben, um kämpfen zu kön558

neu. Mechanisierte Verbände könnten unter Umständen als einzige in der Lage sein, den Kampf in diesem Klima fortzusetzen.

Vielleicht noch wichtiger ist die Überlegung, dass unter allen Umständen verhindert werden muss, dass Drittmächte bei uns atomar eingreifen aus Furcht, über Schweizer Gebiet hinweg selbst angegriffen zu werden. Eine starke Verteidigung, wozu auch eine ausreichende Zahl moderner Panzer gehört, ist das beste Argument gegen solche Befürchtungen.

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Der Zeitfaktor

In seinem Bericht vom 18. Januar 1984 über die Richtlinien der Regierungspolitik 1984-1987 kommt der Bundesrat zu folgender Feststellung hinsichtlich des Zeitfaktors im Bedrohungsbild: Das Bedrohnngsbild wird zunehmend durch ein Anwachsen der Zahl der Akteure und Konfliktquellen sowie durch die gesteigerte räumliche und zeitliche Wirkung der Waffen gekennzeichnet. Die Konflikte können sich schlagartig ausbreiten und auch weit entfernte Räume erfassen. Die militärische Vonvarnzeit wird sich weiter verkürzen. Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung der verdeckten Kriegführung (psychologische Aktionen. Sabotage, Terror und Kommandounternehmen) wächst. Auch für unser Land ist die Möglichkeit eines strategischen Überfalls oder eines sektoriellen Eingriffs nicht auszuschliessen (Ziff. 25).

Im Zwischenbericht zur Sicherheitspolitik von 1979 wurde ausdrücklich auf die knapp bemessenen Warnzeiten hingewiesen, nachdem 1975 im Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Leitbild der militärischen Landesverteidigung in den achtziger Jahren (Armee-Leitbild 80); BB1 1975 II 1706) hieraus konkrete Konsequenzen für unseren Nachrichtendienst, die Verbesserung der Mobilmachungsvorbereitungen, den Ausbau der permanenten Schutzmassnahmen und die Ausbildung zur rechtzeitigen Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Armee gezogen wurden. Insbesondere wurde bereits damals gefordert, dass der Bereitschaftsgrad der Luftverteidigung schon im Krisenfall kurzfristig so erhöht werden muss, dass eine angemessene Luftraumkontrolle und gegebenenfalls die Bekämpfung von Neutralitätsverletzungen und Überraschungsangriffen aus der Luft zeitgerecht gewährleistet werden können.

Die Bedeutung des Zeitfaktors in Kombination mit der Vielfältigkeit der Bedrohungsformen hat die Gefahr weiter erhöht, dass wir unsere militärischen Mittel zu spät mobilisieren. Vorbereitete Dispositive für den Einsatz der Armee oder wesentlicher Teile davon können bei sektorieller Gefährdung unwirksam sein, weil sie zu spät bezogen werden oder weil sie nicht der effektiven Stossrichtung des Gegners entsprechen und Führung und Truppe nicht mehr rechtzeitig reagieren können. Der massive Einsatz von Kommandotruppen, von eihgeschleusten und überraschend aktivierten Sabotage- und Terror-Verbänden, elektronische Störmassnahmen, Desinformation, Tarnungs- und Täuschungsmassnahmen grossen Stils, sowie B- und C-Einsätze an neuralgischen Stellen können eine Lage schaffen, in welcher sich die in der Mobilmachung befindlichen eigenen Truppen sofort ihrer Haut wehren müssen und nicht mehr für die ihnen zugedachten Aufträge zur Verfügung stehen.

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Eine solche Entwicklung ist von den Mitteln und der Doktrin eines potentiellen Gegners her heute vorgezeichnet. Es ist dies keineswegs der Abschluss eines bereits in der Gegenwart da und dort ansatzweise gezeigten Kriegsbildes, sondern ein in voller Entwicklung befindlicher Vorgang.

Es ist deshalb folgerichtig, dass im Ausbauschritt 1984-1987 die Bestrebungen des Armee-Leitbildes 80 aufgenommen und mit den Forderungen ergänzt werden, im organisatorischen Bereich neben der Beschleunigung der Mobilmachung die weitere Verbesserung des Nachrichtendienstes und die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Führung beim Übergang vom Normal- zum Krisenfall vorzusehen. Eine dauernde, angemessene Einsatzbereitschaft von Teilen einer modernen und wirksamen Luftverteidigung und Mitteln der elektronischen Kriegführung müssen sichergestellt sein. Auch zwei der Schwerpunkte des ursprünglichen Ausbauschrittes 1984--1987 auf dem Rüstungss'ektor, die Beschaffung des neuen Kampfpanzers Leopard 2 und einer luftbeweglichen Armeereserve in Form eines Panzerabwehrhelikopterverbandes, sind im Hinblick auf die steigende Bedeutung des Zeitfaktors zu beurteilen. Bezogen auf die von der Kommission für militärische Landesverteidigung genehmigten, langfristigen Zielsetzungen für den Ausbau der Armee, sollten sie vor allem folgenden Zielsetzungen dienen: '.

- Die Armee muss in die Lage versetzt werden, bei Bedarf mit kampfkräftigen Teilen während des ganzen Jahres eine erste Sicherung gegen den strategischen Überfall aufzuziehen.

- Die Zeit für die Erstellung der ersten Kampf- und Funktionsbereitschaft des Gros der Armee muss wesentlich verkürzt werden. Die Zahl der taktischen Verbände, die in der Lage sind, nach ihrer Mobilmachung ohne längere Vorbereitungen das Gefecht aufzunehmen, ist zu erhöhen.

- Die Luftwaffe ist eines der wichtigsten Mittel im Übergang zwischen Normalfall und Verteidigungsfall. Sie muss mit Teilen auf einem für die Wahrung unserer Hoheit im Luftraum genügenden Stand bleiben und mit dem Gros ihrer Mittel die Luftverteidigungs- und Unterstützungsaufgaben im Verteidigungsfall übernehmen können (Armeeleitbild S. 11 f.).

Bezogen auf die im parlamentarischen Vorstoss konkret gestellten Fragen heisst dies, dass einer unmittelbaren Verfügbarkeit der mechanisierten Verbände bei Kriegsmobilmachung eine
zunehmend entscheidende Bedeutung beizumessen ist.

Demgegenüber kann die Infanterie nicht mehr ohne umfangreichen Stellungsbau eingesetzt werden. Die heute angenommene Vorwarnzeit beträgt im Vergleich zu jener Zeit, welche die Infanterie für die Erstellung der Kampfbereitschaft benötigt, einen Bruchteil. Óbschon Jahr für Jahr an der Erstellung von Geländepanzerhindernissen, festen Waffenstellungen für schwere Waffen und Unterständen für die Truppe gearbeitet wird, werden wir nie in die Lage kommen, dass das Gros unserer Infanterie nach der Mobilmachung fertig ausgebaute Schlüsselräume beziehen kann. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Kampfbereitschaft unter gewissen realistischen Annahmen nicht voll erstellt sein könnte, wenn der Kampf beginnt.

Im neuen Armeeleitbild wird aus dieser - sich in Zukunft noch verschlechternden Situation der Schluss gezogen, dass die Zahl der aus dem Stand kampfbe560

reiten Verbände zu erhöhen sei. Der Oberbefehlshaber muss über die Mittel verfügen, um mit Überfällen fertig zu werden und im Sinne von Sofortmassnahmen Aufmarsch und Erstellen der Kampfbereitschaft der Infanterie decken zu können. Dieser Sachverhalt müsste im Zentrum einer Kritik jeder Alternative stehen, bei welcher der Infanterie noch mehr Gewicht und noch ein höherer Stellenwert zugebilligt würde. Die zeitlichen Zwänge, die heute schon bestehen und die inskünftig noch viel fühlbarer sein werden, sind in einer reinen Infanteriearmee nicht mehr tragbar. Die Lösung der dargelegten Problematik liegt nicht in einem Entscheid im Sinne des Entweder/Oder (Mechanisierung oder Infanterie), sondern in der Ausgewogenheit der bereitgestellten Mittel.

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Flexibilität und Unberechenbarkeit des Angreifers Handlungsfreiheit des Verteidigers

Aus einem reichen Arsenal von Möglichkeiten wird ein potentieller Gegner diejenigen Kampfmittel auswählen, die ihm je nach Zweck und Zeitpunkt seines Angriffs die besten Aussichten bieten, sein operatives Ziel möglichst rasch und mit geringen eigenen Verlusten zu erreichen. Es kann sich nun nicht darum handeln, gegenüber dieser Flexibilität und Unberechenbarkeit eines potentiellen Angreifers, dauernd einen Höchststand der Bereitschaft gegenüber allen möglichen Bedrohungen aufrecht zu erhalten. Vielmehr muss sich die Armee aufgrund dieses Bedrohungsbildes laufend den modernen Gegebenheiten anpassen und dank eines atisgewogenen Ausbaus aller Teile dafür sorgen, dass damit die Handlungsfreiheit des Verteidigers gewahrt bleibt. Entsprechend der Gesamtlage muss auch der obersten politischen Behörde, da sie die Verantwortung für die Selbstbehauptung trägt, beim Entscheid, welche sicherheitspolitischen Ziele in den Vordergrund zu rücken sind, flexibel einsetzbare Mittel zur Verfügung stehen. Die geschilderte Bedrohungsentwicklung und Ungewissheit zwingt die Armee, mehr als dies bis anhin der Fall gewesen ist, auf unterschiedliche Gefährdungen mit der nötigen Flexibilität und Kraft reagieren zu können.

In Berücksichtigung der Bedeutung des Zeitfaktors und der Wahrung der Handlungsfreiheit hat der Bundesrat in den Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987 von der Armee gefordert: Aufgrund dieses Bedrohungsbildes muss sich die Armee laufend den modernen Gegebenheiten anpassen. Sie soll noch besser als bis anhin in die Lage versetzt werden, eine ständige Sicherung gegen den strategischen Überfall und sektorielle Bedrohungen zu gewährleisten. Jene Teile der Armee, die nach einer Mobilmachung ohne längere Vorbereitung das Gefecht aufnehmen können (Flugwaffe, Fliegerabwehr und mechanisierte Truppen), sind entsprechend zu gliedern, auszubilden und auszurüsten» (Ziff. 25).

Gerade diese vom Bundesrat explizit erwähnten Waffengattungen besitzen heute die meisten der hochtechnisierten und teuren Waffensysteme.

Die Wahrung der Handlungsfreiheit ist nicht nur ein erklärtes sicherheitspolitisches Ziel der Landesregierung, sondern auch eine Notwendigkeit für die Armeeleitung, damit der gewählte Oberbefehlshaber Ermessensspielraum für die Lösung der sich stellenden Aufgaben hat. Wohl muss eine Milizarmee versuchen, gewisse Vorbereitungen im Hinblick auf erkennbare strategische Hauptfälle zu 23 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd.Il

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treffen. Es ist dies eine der Lehren aus dem Aktivdienst 1939-1945. Die Entwicklung der Bedrohung, wie sie gezeigt worden ist, setzt solchen Vorbereitungen im strategischen Normalfall aber Grenzen. Um so wichtiger ist es, durch rüstungstechnische, organisatorische und ausbildungstechnische Massnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass möglichst viele Teile der Armee für die geforderte flexible und zugleich kräftige Reaktion auf jene Bedrohungen eingesetzt werden können.

:· Neue konzeptionelle Vorschläge im Rahmen der «Raumverteidigung» müssen deshalb insbesondere unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, ob und in welcher Weise sie zusätzliche oder bessere Optionen anzubieten vermögen oder im Gegenteil die bestehenden Optionen vermindern und damit unsere strategische Beweglichkeit und Handlungsfreiheit einengen.

Bezogen auf die Diskussion neuer Verteidigungsmodelle der «Raumverteidigung» im In- und Ausland (Stutz, Löser, Uhle-Wettler, Brossollet), und der Frage, welche Stufe zur Führung von mechanisierten Gegenschlägen und Gegenangriffen befähigt werden soll, bzw. ob die Panzer nicht besser bei der Infanterie einzugliedern sind, ist Tatsache, dass die Handlungsfähigkeit des Verteidigers insgesamt zunimmt, je mehr Stufen (Infanterieregiment, Division, Feldarmeekorps, Armee) zu mechanisierten Angriffsaktionen befähigt sind und je höher hinauf sich diese Kaskade der Handlungsfreiheit erstreckt. Je tiefer die mechanisierten Gegenschlagskräfte angesiedelt sind, desto frühzeitiger geraten sie in den Kampf: falls auf höherer Stufe keine entsprechenden Mittel vorgesehen sind, wird das Handeln der operativen Führung in Zeit und Raum beschränkt, die Initiative geht verloren, auf Durchbrüche in die Tiefe und Luftlandungen kann nicht zeitgerecht reagiert werden, Umstellungen sind kaum mehr möglich.

Aus diesen Überlegungen sind im Armeeleitbild gezielt Mittel für die Führung von Gegenschlägen auf den Stufen Armee (Armeereserve) und Feldarmeekorps (neue Kampfpanzer in den mechanisierten Divisionen) zur Beschaffung empfohlen worden. Wie diese Mittel in einem Neutralitätsschutz- oder Verteidigungsfall zum Einsatz gelangen würden, ist ein Entschluss des Oberbefehlshabers und damit wesentlicher Bestandteil seiner Handlungsfreiheit.

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Rüstungsplanung und die Bedrohung der Zukunft

Modernisierung und Ausbau der Armee müssen sich dem bestehenden Auftrag der Armee und der im Zeitpunkt der Verfügbarkeit des neuen Materials zu erwartenden Bedrohung unterziehen. Der lange Zeitraum, der zwischen der Einleitung der entsprechenden Planung und der Verfügbarkeit neuer Rüstungsgüter und Bauten verstreicht, schafft für die Planung einer bedrohungsgerechten materiellen Rüstung grosse Probleme und belastet diese auch mit einem gewissen Risiko. Es ist insbesondere auch daran zu denken, dass die Absichten eines potentiellen Gegners kurzfristig ändern können. Solche Absichten, wie auch psychologische, wirtschaftliche und politische Veränderungen können deshalb nur bedingt bei der Rüstungsplanung Berücksichtigung finden. Wichtiger sind jene Elemente im Lagebild, denen eine Langzeitwirkung zukommt oder die den Charakter von Entwicklungs-Trends aufweisen.

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Das in den notwendigerweise frühzeitigen Weichenstellungen für unsere Rüstung liegende Risiko falscher oder unzweckmässiger Entscheide lässt sich in Grenzen halten, wenn diese Entscheide nicht zum vornherein gegen heute allgemein anerkannte und gültige Grundsätze verstossen. Der Bericht des Eidgenössischen Militärdepartements über das Armeeleitbild und den Ausbauschritt 1984--1987 berücksichtigt die im heutigen Zeitpunkt erkennbaren und als wichtig erachteten Erkenntnisse in den Bereichen Nachrichtendienst, Systemwirkung und -Einsatz, taktische und operative Führung, Ausbildung, usw. Wichtig ist vor allem, dass wir anerkennen, dass Ausrüstung und Kampfweise unserer Armee zwar eine gewisse Originalität haben können, dass dies aber nur solange zulässig ist, als dadurch auch eine ausreichende militärische Wirkung gesichert werden kann. In erster Linie ist auf eine genügende Waffenwirkung abzustellen.

Die langen Zeitverhältnisse im Bereich der Rüstungsplanung gelten auch für einen potentiellen Gegner. Selbst technische Durchbrüche benötigen viel Zeit bis zu ihrer militärischen Anwendung. Es ist indessen zu erwarten, dass hier - und teilweise auch in ändern, weniger sensitiven Rüstungsbereichen - die entsprechenden Vorbereitungen möglichst lange geheimgehalten werden. Diese Geheimhaltung ist vor allem bei jenen Mächten gewährleistet, wo Budgetierung und Planung der Rüstung ohne parlamentarische Kontrolle und öffentliche Diskussion geschieht. Auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass unser militärisches Verteidigungsinstrument nicht einfach das Spiegelbild der Armee eines potentiellen Angreifers sein will, sind die bei den Grossmächten erkennbaren Rüstungsmassnahmen und Trends für Modernisierung und Ausbau unserer Rüstung ein wichtiges, mittel- und langfristig gültiges Beurteilungselement.

Es ist deshalb zwingend notwendig, das Waffenspektrum, das in einem panzergängigen Gelände zur Wirkung gebracht wird, um Waffen zu erweitern, die der Hauptwaffe des Angreifers, dem Kampfpanzer der neunziger Jahre noch wirksam beikommen.

Eine günstige Systemwirkung dieser Art auf unserer Seite zusammen mit entsprechenden taktisch-operativen Konzepten und entsprechender Gefechtstechnik ist es denn auch, was einen potentiellen Gegner am meisten zu beeindrukken und die von uns angestrebte Dissuasionswirkung zu
steigern vermag.

Kommt es dennoch zum Kampf, kann sie den Ausschlag zu unsern Gunsten geben. Verzichten wir hingegen auf eine solche Betrachtungsweise und bauen unsere militärische Verteidigung lediglich eindimensional aus, wird weder das eine noch das andere Ergebnis erreichbar sein.

24

Der sicherheitspolitische Auftrag der Armee: Konsequenzen und Lücken

Der strategische Auftrag der Armee, wie er in der Sicherheitspolitik definiert und vom Armeeleitbild übernommen wurde (S. 5), präjudiziert deren Ausbau und bildet mit der Bedrohung Teil der Grundlage zur Beurteilung der Auftragserfüllung. So hat der Bundesrat in seinem Bericht zum Armee-Leitbild 80 vom 29. September 1975 die Konsequenzen bezüglich Einsatzkonzeption, Organisation, Ausrüstung und Ausbildung aufgezeigt, welche sich aus der Forderung er563

geben, dass unsere Armee in den achtziger Jahren die Aufgaben, welche ihr im Rahmen unserer Sicherheitspolitik übertragen sind, erfüllen muss. Entsprechend hat er die sich als notwendig erwiesenen Anpassungen beim Armee-Einsatz und bei der Armeestruktur aufgezeigt. Trotz der eingeleiteten Massnahmen im materiellen, heeresorganisatorischen, baulichen und ausbildungsmässigen Bereich musste der Bundesrat 1979 in seinem Zwischenbericht zur Sicherheitspolitik feststellen: Vergleichen wir aber die Zunahme an Kampfkraft in ausländischen Armeen mit dem Ausbau der eigenen Armee in den letzten Jahren, so kommen wir nicht um die Feststellung herum, dass, was den Stand der Verteidigungsbereitschaft unserer Armee in, einzelnen Bereichen betrifft, ein Nachholbedarf besteht (Ziff. 331 ; BEI 1980 l 355).

Unter Berücksichtigung des sicherheitspolitischen Auftrages, der inzwischen durch das Armee-Leitbild 80 in Verwirklichung befindlichen Teilschritte und in Würdigung der für die nächsten Jahre zu erwartenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Rüstungstechnik und der Bedrohung, hat die Kommission für militärische Landesverteidigung als Grundlage für die mittel- bis langfristige Planung des Ausbaus der Armee eine Anzahl von Mängeln und Lücken definiert, die insgesamt zunehmend fühlbar werden dürften. Sie bildeten die Grundlage für die Prioritätensetzung im Armeeleitbild und des aus ihm abgeleiteten: Ausbauschrittes 1984-1987. Es sind dies: - zu grosser Zeitaufwand für Mobilmachung und Erstellen einer ersten Kampfbereitschaft, - Fehlen einer Armeereserve mit einer luftbeweglichen und einer mechanisierten Komponente zur Sicherstellung der operativen Handlungsfreiheit, - zu geringe Gegenschlagskapazität der Feldarmeekorps, - fehlende Mittel zur Führung eines beweglichen Panzerabwehrkampfes auf der Stufe des Infanterieregiments, .

- ungenügende Mittel zur Abwehr von Kampfhelikoptern und Tieffliegern, - mangelnde Fähigkeit, dem strategischen Überfall, Kommandoaktionen und Terroreinsätzen rasch und kräftig entgegentreten zu können, - Ausrüstungslücken in den Bereichen der elektronischen Kriegführung, terrestrischen Aufklärung und Lufttransport, - Verzögerungen bei der Bereitstellung von Ausbildungsanlagen und bei den Bauten für Führung, Kampf und Versorgung.

25

Die Auftragserfüllung durch die Armee: Kriegsverhinderung und Kriegführung

251

Dissuasion

In den von der Kommission für militärische Landesverteidigung genehmigten langfristigen Zielsetzungen für den Ausbau der Armee steht an erster Stelle, dass dieser «vor allem jene Bereiche berücksichtigen muss, von denen eine hohe dissuasive Wirkung ausgeht» (Armeeleitbild S. 11).

Forderungen nach einem Primat des Infanterieheeres und seines Kampfes nur im Infanteriegelände müssen am Kriterium der politisch-strategischen Dissuasionswirkung nach aussen gemessen werden.

564

In einem infanteristischen Verteidigungsmodell entstehen zwangsläufig im offenen Panzergelände Leerräume, die zur Präventivbesetzung oder vertikalen Umfassungen verlocken, um unser Verteidigungsdispositiv von innen aufzubrechen.

Die Selbstverteidigungspflicht des Neutralen ist nicht erfüllt, wenn in grösseren Räumen Truppendurchmärsche, im Luftraum der Schweiz Überflüge und in gewissen Teilen des Landes Besetzungen möglich sind, ohne vorerst auf massiven militärischen Widerstand zu stossen. Zudem wird bei fehlender Mechanisierung unsere Gegenwehr für den Gegner berechenbarer. Die militärische Handlungsfreiheit mit politischer und strategischer Wirkung auf den potentiellen Gegner entfällt in grossem Masse.

Moderne Waffensysteme sind ein wichtiges Element der Dissuasion. Die Kampfkraft der Heere, auch derjenigen von neutralen Kleinstaaten, wird einmal in Mannschaftszahlen, dann aber hauptsächlich in der Anzahl von Hochleistungswaffen, die sie ins Feld stellen können, gemessen. Panzer, Kampfflugzeuge und Geschütze jeder Armee werden von den militärischen Fachleuten und in den jährlichen strategischen Analysen sorgfältig registriert.

Sie sind für uns so etwas wie die «harte Währung» der Dissuasion, da kein potentieller Angreifer darauf verzichten kann, sie in seinem Kalkül in Rechnung zu setzen. Hier kommt es selbstverständlich sowohl auf Quantität wie auf Qualität an. Gerade ein Gegner, der auf rasche Durchbrüche setzt, muss zum Schluss gelangen, dass unser umfangreiches Verteidigungssystem über jenes Mass an Flexibilität und Kraft verfügt, das jeden Angreifer in einen kostspieligen Abnützungsprozess zu verwickeln und letztlich zu stoppen imstande ist.

Nicht zuletzt unsere Panzerflotte wird ihm vor Augen führen, dass er seine operativen Ziele in der Schweiz nicht oder nur mit übermässig grossem Aufwand erreichen könnte.

252

Konzeption 66 und heutige Kampfführung

Jede Konzeption geht von bestimmten Vorstellungen aus. Diese wandeln sich im Laufe der Zeit. Infolgedessen müssen die Grundsätze unserer Kampfführung immer wieder neu durchdacht und in angemessenen Abständen der veränderten militärpolitischen Lage und dem Fortschritt der Kriegstechnik angepasst werden.

Unsere eigenen Kampfbedingungen sind dadurch charakterisert, dass wir den Abwehrkampf im eigenen Land führen und ihn deshalb unter Ausnützung unserer Geländekenntnisse weitgehend planen und vorbereiten können. Wir sind wenigstens zu Beginn des Krieges - in der Wahl der Kampfräume frei. Wir können diese nach Massgabe ihrer Eignung für den Einsatz unserer Mittel bestimmen und sie schon im Frieden verstärken.

Unsere Festungswerke, zahlreiche permanente Sperren, vorbereitete Zerstörungen, Überflutungen und Verminungen stellen auch im Kampf mit einem modern ausgerüsteten Gegner eine sehr wirksame Stütze unserer Verteidigung dar.

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zur flächenmässigen Ausdehnung des Landes ist unsere Armee zahlenmässig stark. Das gestattet uns, den Kampf in grosser Tiefenstaffelung aufzunehmen.

565

Wir können damit rechnen, dass die überwiegende Mehrheit der Zivilbevölkerung alles in ihren Kräften stehende unternimmt, um die Lebens- und Kampfbedingungen der Armee zu erleichtern, und alles unterlässt, was dem Feind zum Vorteil gereichen könnte. Die Nachteile unserer eigenen Kampfbedingungen sind in der Konzeption 66 erkannt und wie folgt charakterisiert worden: Abgesehen von der Tatsache, dass wir nicht über atomare, biologische und chemische Waffen verfügen, sind wir dem potentiellen Gegner auch an Reichweite, Beweglichkeit und Wirkung der meisten konventionellen Feuermittel unterlegen. Die Zahl,unserer Kampfflugzeuge und unserer Mittel für den mechanisierten Kampf ist verhältnismässig gering. Die Aüsbildungsmöglichkeiten sind wegen Mangels an geeigneten Übungs- und Schiessplätzen eingeschränkt.

.

, .

, Diese Gegebenheiten, aber auch der Milizcharakter unseres Heeres mit seinen kurzen, Ausbildungszeiten legen es uns nahe, .unsern Verhältnissen angemessene Kampfverfahren zu wählen und unter Ausnützung der uns gegebenen Vorteile wenn möglich dort zu kämpfen, wo der Feind überlegene Mittel nicht zur vollen Wirkung zu bringen vermag (BEI 1966 I 853 861).

Nach wie vor hat der Leitgedanke der Konzeption 66 für die heutige Kampfführung auf operativer Ebene zur Abwehr eines modern gerüsteten Angreifers seine grundsätzliche Gültigkeit. Demnach gilt es, für den Einsatz unserer Armee ein optimales Verhältnis zwischen Raum, Zeit und verfügbaren Kräften her-, zustellen, um einerseits kein untragbares Risiko in bezug auf die Gefährdung durch Massenvernichtungsmittel einzugehen und anderseits den :Erfolg unseres mit konventionellen Mitteln geführten Abwehrkampfes nicht in Frage zu stellen. Je nach Bedrohung müssen wir anstreben, unsere Kräfte vor Beginn der Kampfhandlungen so zu dislozieren, dass einerseits keine unzulässigen Massierungen entstehen, anderseits die Zuteilung angemessener Kampfabschnitte und die gegenseitige Unterstützung der Verbände möglich bleiben (BB1 7966 I 853 862).

1966 wie heute sind deshalb verschiedene Kampfformen zum vorneherein auszuschliessen, weil sie diesem Grundprinzip nicht entsprechen oder gegen die Gebote der Ökonpmie der Kräfte, der Handlungsfreiheit oder der Konzentration der Wirkung verstossen.

. ;, . .

.Es sind dies: - ein die operative Entscheidung suchender Bewegungskrieg, - die Verteidigung einer linearen, eng zusammenhängenden und dicht belegten Armeestellung, - ein Kampf ; aus Widerstandszentren, die ohne Zusammenhang über das ganze Land verteilt sind (BB1 7966 I 853 862).

....

Demgegenüber führt unsere Armee, ihrer Aufgabe und Eigenart entsprechend, auf operativer Stufe einen tiefgestaffelten Abwehrkampf.

Die Abwehr, wie sie in der Konzeption der militärischen Landesverteidigung von 1966 als Hauptkampfform festgelegt worden ist, bleibt auch unter dem neuen Armeeleitbild wegleitend für das taktisch-operative Verhalten unserer Verbände. Nach wie vor geht es darum, eher statische mit beweglich fechtenden Truppen zusammenwirken zu lassen. Es gibt keine Alternative zur Abwehr, die auf vielen Stufen, auch auf jener des Armeekorps, möglich sein muss. Dabei ist die Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsmassnahmen auf das umliegende Ausland mitzuberücksichtigen. In Anbetracht der damit verbundenen Verpflich566

tung zur Behauptung grosser und nur lückenhaft verteidigter Räume kommt den beweglichen und feuerkräftigen Verbänden entscheidende Bedeutung zu.

Auch unter dem Gesichtspunkt der hohen dissuasiven Wirkung solcher Kampfmittel muss deren Modernisierung weitergeführt werden.

Neue hochleistungsfähige Waffensysteme sind im Verbund mit Waffen älterer Generationen einzusetzen und übernehmen damit eine eigentliche Rückgratfunktion.

Das Armeeleitbild hält hiezu fest: Wo wir uns aus finanziellen Gründen mit einer beschränkten Zahl moderner Hochleistungssysteme begnügen müssen, geht es darum, diese im Verbund mit ändern, einfacheren und deshalb in grösserer Zahl vorhandenen Systemen und unter optimaler Ausnützung unserer Geländevorteile zum Einsatz zu bringen. Moderne Waffensysteme erhalten damit eine Art von Rückgratfunktion (S. 22).

, .

Diese Rückgratfunktion ist insbesondere im Hinblick auf den hohen Anteil nötig, welcher der Infanterie in unserer Armee zukommt. Infanterie ohne Unterstützung durch feuerkräftige, reaktionsschnelle und dem Gegner ebenbürtige Mittel ist im modernen Gefechtsfeld an der Flanke und im Rücken gefährdet, rasch isoliert und durch Einkesselung bedroht. Die Infanterie muss auf solche Unterstützung zählen können.

Im weitern ist nicht ausser Acht zu lassen, dass sich dem Schwinden der Warnzeiten als Erschwernis noch eine Ausweitung der Einsatzräume beigesellt. Dies ist das Ergebnis einer waffentechnischen Entwicklung, die dem potentiellen Angreifer eine fast unbeschränkte Interventionsfähigkeit durch die Luft und beliebig lange Flügbahnen für seine Waffen zur Verfügung stellt. Die Armee wird zunehmend schwere und schnelle Mittel für den Neutralitätsschutzdienst, für Kampfaufgaben in den Grenzräumen und gegebenenfalls für die Zerschlagung von luftgelandeten Kräften einsetzen müssen, und auch die Luftverteidigung ist schon in der Anlaufphase eines Konflikts so stark zu machen, dass sie in der Lage ist, möglichst verzugslos selbst grössere gegnerische Luftoperationen abzuwehren. , 26

Einschränkende Faktoren eines Kleinstaates

Der vorgesehene Ausbau der militärischen Landesverteidigung hält sich in Anbetracht der einschränkenden Faktoren eines Kleinstaates an die bestehenden Rahmenbedingungen.

Es sind dies die allgemeine Wehrpflicht, das Milizsystem und die finanziellen Möglichkeiten. Durch sie sind dem schweizerischen Wehrpotential Grenzen ge: setzt.

Wie alle anderen Aufgaben des Staates hat auch die Landesverteidigung auf die finanziellen Möglichkeiten des Staates Rücksicht zu nehmen. Die Selbstbehauptung als unabdingbare Voraussetzung unserer Selbstbestimmung wird indessen auch künftig die nötigen finanziellen Mittel beanspruchen. Nach wie vor können wir uns dabei an der Sicherheitspolitik von 1973 ausrichten, die in grundsätzlicher Weise festgehalten hat: 567

Es wäre gefährlich, diese Anstrengungen von augenblicklichen Schwankungen der Weltlage abhängig zu machen. Wenn unsere Strategie der Kriegsverhinderung glaubwürdig sein soll, verlangt sie dauernde Leistungen. Einmalige Kraftanstrengungen sind nur bedingt möglich und im Hinblick auf die rasche Überalterung der Rüstung unrentabel; was im Frieden versäumt wurde, lässt sich im Krieg nicht nachholen. Deshalb sind alle Elemente der Selbstbehauptung auf einen stetigen Ausbau im Rahmen des Tragbaren angewiesen (Ziff. 511; BEI 1973 II 112).

Wegleitend für das Armeeleitbild und den Ausbauschritt 1984-1987 war deshalb der Grundsatz, dass innerhalb unserer begrenzten Möglichkeiten nur durch bewusste Konzentration auf das Wesentliche und entschiedene Setzung von Prioritäten ein Höchstmass an Wirkung erzielt werden.

Auch wenn die allgemeine Wehrpflicht und das Milizsystem weiterhin die Grundlagen unseres Wehrwesens bilden müssen, darf nicht übersehen werden, dass diesem System bei rasch ändernden Bedrohungslagen und der wahrscheinlichen Verkürzung der Vorwarnzeit im Falle eines bewaffneten Konfliktes gewisse Nachteile anhaften. Insbesondere benötigt die Erstellung der Abwehrbereitschaft mehr Zeit, als dies z. B. bei den in unseren Nachbarländern vorhandenen Präsenztruppen der Fall ist. Dieser systembedingte Nachteil verpflichtet uns zu dauernden Anstrengungen in allen für die zeitgerechte Sicherstellung der Kampfbereitschaft entscheidenden Bereichen. Erstrangige Bedeutung wird im gegebenen Fall insbesondere auch der raschen und lageentsprechenden Entschlussfassung auf politischer Ebene zukommen (vgl. Ziff. 221 des Armee-Leitbildes 80; BB1 7975 II 1706).

3

Armeeleitbild und Ausbauschritt: Ausgewogen oder mit Gewichtsverschiebungen?

31

Der Waffeneinsatz im Verbund

Die letzten Kriegserfahrungen bestätigen die Wichtigkeit der engen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Truppengattungen. Eine sehr grosse Begünstigung einzelner Komponenten auf Kosten anderer verspricht offensichtlich keinen Erfolg.

Die Abwehr ist die ausgeprägteste Form des Kampfes der verbundenen Waffen.

Sie verlangt das reibungslose Zusammenspiel ihrer einzelnen Elemente, welche ihre ganz bestimmten Aufgaben zu erfüllen haben. Wenn dies fehlt oder nicht auf dem notwendigen Ausbaustand ist, kann die Abwehr nicht oder nur mit mangelhafter Wirkung geführt werden. Damit ist dargelegt, dass es beim Ausbau der Armee z.B. keine Alternative Panzerabwehrmittel der Infanterie orfer Kampfpanzer geben kann, weil die Abwehr beide Elemente verlangt. Die Zielsetzungen des Armeeleitbildes tragen diesem Grundsatz Rechnung.

Da der Kampf der verbundenen Waffen zweifellos auch für das Gefechtsfeld der Zukunft charakteristisch sein wird, strebt das Armeeleitbild und der Ausbauschritt 1984--1987 trotz des Zwangs zur Konzentration auf das Wesentliche einen ausgewogenen und evolutionären Ausbau der Armee an. Aufgrund einer realistischen Beurteilung der Möglichkeiten muss sowohl auf Idealforderungen als auch auf Extremlösungen, die alles auf eine Karte setzen, verzichtet werden.

568

32

Infanterie und mechanisierte Truppen: Konkurrenten oder «verbundene Kampftruppen»?

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Die operativen Ziele des Gegners

Im Bericht vom 27. Juni 1973 über die Sicherheitspolitik der Schweiz wurde der Auftrag der Armee für den Fall eines militärischen Konfliktes wie folgt umschrieben: Im Verteidigungsfall · - verteidigt die Armee das schweizerische Staatsgebiet von der Grenze weg; - verwehrt sie dem Gegner das Erreichen seiner operativen Ziele; - bewahrt sie mindestens einen Teil unseres Landes unter schweizerischer Hoheit (Ziff. 544).

Da das Parlament seinerzeit vom Bericht über die Sicherheitspolitik in zustimmendem Sinne Kenntnis nahm, ist davon auszugehen, dass die Armee heute und in Zukunft fähig sein muss, den erwähnten Anforderungen zu genügen. Im Mittelpunkt steht dabei die Aufgabe, dem Gegner das Erreichen seiner operativen Ziele zu verwehren.

Die operativen Ziele des Gegners können darin bestehen, den Durchmarsch durch unser Territorium zu erzwingen oder dieses zu besetzen. Um das zu verhindern, geht es in erster Linie darum, dem Angreifer den Zugang zu den grossen Verkehrsknotenpunkten und zu den für die Entfaltung seiner erd- und luftbeweglichen Kampfmittel besonders geeigneten offenen Räumen zu verwehren.

Das erfordert zweierlei: - die Behauptung von Schlüsselräumen, d. h. von Geländeteilen, die der Angreifer für die Entwicklung seiner Operationen zwingend in Besitz nehmen muss, - den Einsatz beweglicher und feuerkräftiger Mittel in dem für Aktionen gepanzerter Verbände geeigneten Gelände.

Wir müssen folglich in der Lage sein, Angriffe aus irgendwelcher Richtung durch das Zusammenwirken statisch eingesetzter und beweglich kämpfender Kräfte abzuwehren. Eine angemessene Ausstattung mit mechanisierten Mitteln ist dabei unerlässüch. (Vgl. den Bericht des Bundesrates vom 3. Dezember 1979 über den Einsatz der mechanisierten Verbände, Ziff. 2; BB1 1980 I 426.)

322

Die «verbundenen Kampftruppen»: Infanterie und mechanisierte Truppen

Damit ist die im Titel von Ziffer 32 gestellte Frage auch weitgehend beantwortet: Der strategische Auftrag der Armee und seine Konsequenzen für die Kampfführung verlangen zwingend das Zusammenwirken stabiler (infanteristischer) und beweglicher (mechanisierter) Kräfte, um dem Gegner die Freiheit des Handelns zu nehmen, seine Angriffsverbände abzunützen und aufzusplittern und Teilkräfte unter Schaffung von Situationen lokal und zeitlich begrenzter Überlegenheit zu vernichten. In unseren Kampfverhältnissen verspricht dabei der Gegenschlag der Panzerverbände innerhalb eines infanteristischen Dispositivs vielfach die beste Wirkung. Dieses Vorgehen erlaubt der Infanterie den 569

besten Schutz des Gegenschlagsverbandes während der Aktion und bildet zugleich die wirksamste Unterstützung ihres Kampfes.

Die Infanterie hat hier nicht nur «Zuträger- und Vorbereitungsaufgaben» zu erfüllen, sondern einen sehr wesentlichen Teil am Gefechtserfolg zu erbringen.

Die Infanterie ist aber darauf angewiesen, im Vorfeld, an ihren Flanken und auch in der Tiefe entlastet und unterstützt zu werden. Das ist eine der Aufgaben gepanzerter Truppen, die besonders geeignet sind, in den Lücken zu fechten, die durch die Verteidigungsdispositive der Infanterie nicht geschlossen werden können. Die Infanterie wird auf diese Weise auch vor Umzingelung bewahrt.

Auch wenn die Möglichkeiten einer modernen Infanterie, die von ändern Waffengattungen unterstützt wird, bei uns sehr hoch eingeschätzt werden, ist es doch eine Tatsache, dass sie sich auf offenem Feld kaum bewegen kann. Dieses wird von mechanisierten Truppen - fremden oder eigenen - beherrscht. Auch die tapferste Infanterie, die Abwehrerfolge erficht, gerät unter übermenschlichen Druck, wenn der Gegner sie umfährt oder überspringt oder wenn sie Schritt für Schritt zurückgedrängt wird, ohne selbst massive Schläge austeilen zu können. Ihre Moral bleibt nur intakt, wenn sie weiss, dass auch die eigene Armee fähig ist, unter günstigen Umständen harte Schläge auszuteilen und den durchgebrochenen oder luftgelandeten Gegner zu vernichten sowie verlorengegangenes Terrain zurückzunehmen. Der Panzer ist somit für die Infanterie ein Rückhalt von kampfentscheidender Bedeutung.

i 323 Hat der Panzer noch Zukunft?

Obschon die Wirkung der Panzerabwehr bezüglich Dichte, Reichweite und Treffsicherheit stark gesteigert werden konnte, dürfte der Kampfpanzer über das Jahr 2000 hinaus die Hauptwaffe ausländischer Streitkräfte bleiben.

Die Schwerpunkte seiner technischen Weiterentwicklung (grössere Feuerkraft, erhöhte Beweglichkeit, Eignung für den Nachtkampf, besserer Schutzgrad) und die Bereitstellung zusätzlicher Geniemittel lassen erwarten, dass die mechanisierten Kampfverbände einen noch- höheren Grad an Kampfautonomie gewinnen und zu noch tieferem Eindringen in feindliches Territorium und rascherer Überwindung von Geländehindernissen befähigt werden. Gesamthaft zeichnet sich, die Tendenz ab, mechanisierte Kampfverbände vermehrt auch in begrenzt panzergängigen
Geländeteilen einzusetzen. Dabei wird die Dynamik des mechanisierten Kampfes eine zunehmende Steigerung erfahren durch das direkte Zusammenwirken von erdgebundenen Streitkräften, Kampfhelikoptern und dem flexibel angewendeten Lufttransport von Verbänden auf operativer und taktischer Stufe.

: , Allen bisherigen Gegenmitteln zum Trotz hat sich der Panzer als unentbehrliches Kampfgerät behauptet, und keine nennenswerte Armee der Welt will auf ihn verzichten. Das unerbittliche Duell zwischen Panzer und Panzerabwehr ist heute in vollem Gange. Hatten die seit Anfang der siebziger Jahre aufkömmenden sogenannten Précision Guided Munitions (PGM, lenkbare und selbstzielsuchende Munition) den Durchbruch zum sicheren Sieg der Abwehr über den Angriff mit Panzern nicht im erhofften Masse geschafft, ruht die Hoffnung zur Zeit auf den sogenannten Emerging Technologies (ET), einer revolutionär 570

neuen Waffengeneration, die, gestützt auf hochentwickelte Elektronik, ganze Panzerverbände zum Stehen bringen soll. Diese Systeme befinden sich grösstenteils noch im Entwicklungsstadium, und bereits werden jene Gegenmassnahmen und Waffen entwickelt, die dem Panzer im Gefecht der verbundenen Waffen wieder seine angestammte Bewegungsfreiheit, selbst im ET-Klima, verschaffen sollen. Der Panzer wird deshalb über das Jahr 2000 hinaus ein Waffensystem sein, das relativ geschützt und hoch beweglich mit entscheidender Feuerkraft in das terrestrische Gefecht eingreifen kann.

33 331

Umwelt und Kampfraum: Die Verteidigung des Mittellandes Die Analyse des Geländes

Das schweizerische Territorium ist in die drei operativen Zonen Grenzraum, Mittelland und Zentralraum unterteilt. Ein Angriff gegen unser Territorium kann wie erwähnt einen Durchmarsch oder die Besetzung des Landes zum Ziel haben. Im Fall eines Durchmarschversuchs dürfte die gegnerische Operation mit Schwergewicht im Mitteiland geführt werden.

Eine Analyse des Geländes im Räume Schweiz zeigt, dass mit dem fortschreitenden Ausbau des Strassennetzes, insbesondere der Autobahnen, weiträumige und rasch ablaufende Bewegungen mechanisierter Verbände zunehmend begünstigt werden. Trotzdem können die darauf ausgerichteten Kampfgrundsätze moderner Armeen im schweizerischen Gelände nur mit Einschränkungen angewendet werden. Nicht nur der Alpenraum und der Jura, sondern auch das Mittelland ist hindernisreich und unübersichtlich. Zahlreiche Flussläufe, viele Wälder und eine immer dichtere Überbauung hemmen die Beweglichkeit mechanisierter Verbände und unterteilen den Raum in eine Vielzahl von Geländekammern.

' ' Immerhin sind in manchen, Abschnitten Aktionen geschlossener Panzerformationen, von Bataillons- bis Regimentsstärke wie auch Luftlandeaktionen grösseren Umfanges möglich.

Die künftige Entwicklung scheint am stärksten geprägt zu sein durch die Ausdehnung der überbauten Gebiete. Der Bevölkerungsanteil, der in Ballungszentren angesiedelt ist, wird noch zunehmen. Die Ausdehnung der Agglomerationen zu Siedlungsketten schafft Ansätze zu einer neuen Kammerung des Geländes. Gleichzeitig nimmt im Operationsraum Schweiz die Bedeutung der luftmobilen Kampfführung weiter zu.

Im offenen, mehrheitlich panzergängigen Gelände befinden sich alle grösseren schweizerischen Städte und die grossen Transversalen .Ost-West; die durch die Schweiz führen. Auch münden hier .einige Nord-Süd-Verbindungen von europäischer Bedeutung.

Im Mittelland liegen zudem wichtige Flugplätze: Kloten-Dübendorf, Emmen, Belpmoos, Payerne, Genf. Sie sind potentielle Luftlandeköpfe und erlauben es, mit heutigen und noch zu erwartenden Flugzeugtypen auch schweres Material, z. B. Panzer, zu landen.

Die militärische Geländeanalyse zeigt weiter, wo die Infanterie nach wie vor günstige Voraussetzungen für ihre Kampfführung vorfindet (vgl. Beilage 1).

571

Der auf dieser Skizze weiss bezeichnete Raum des Mittellandes kann in einzelnen Abschnitten nur durch mechanisierte Verbände, in ändern nur im engen Zusammenwirken von mechanisierten mit infanteristischen Verbänden verteidigt werden.

332

Der Kampf im Infanteriegelände Hat unsere Armee nicht bessere Chancen zur Auftragerfüllung, wenn sie sich in grösserem Masse auf den Kampf der Infanterie und damit auch auf die Stärken unseres Geländes ausrichten würde?

Der Wert unseres starken Geländes für die Verteidigung kann tatsächlich kaum hoch genug eingeschätzt werden. Deshalb setzen wir alles daran, unsere natürlichen Geländehindernisse, die einem zügigen und grossräumigen feindlichen Panzereinsatz entgegenstehen, voll auszunützen und ihre Wirkung mittels Sprengobjekten, Panzersperren und Hindernissen zu verstärken und zu ergänzen.

Die Vorstellungen, auf welche die Motion der Sozialdemokratischen Fraktion anspielt, laufen aber auf ein Modell nur im «Infanteriegelände» hinaus.

Bezogen auf den Kampf im Mittelland, könnte man dieses mit einem Nebelmeer vergleichen. Aus dem durch den Feind weitgehend ohne Kampf besetzten, räumlich relativ grossen und wirtschaftlich wie bevölkerungsmässig wichtigen Gebiet würde gewissermassen das von uns belegte Infanteriegelände herausragen.

Die besonders bezeichneten, als «Infanteriegelände» angesprochenen Inseln im Mittelland liegen aber meist abseits der Hauptverkehrsachsen. Auch wenn sich die Infanterie in diesen Schlüsselzonen hartnäckig verteidigt, könnten damit diese wichtigen Verkehrsträger nicht entscheidend blockiert werden. Verkehrsträger von der Qualität unserer Nationalstrassen können dort, wo das Gelände keine nachhaltigen Zerstörungen zulässt, ohne Panzereinsatz kaum gesperrt werden.

Die Forderung, unsere Infanteriearmee könne eine Entscheidung gegen einen mechanisierten Gegner nur in «Infanteriegelände» suchen, käme dem Verzicht auf eine nachhaltige Verteidigung des Mittellandes gleich. Dieses in grossen Teilen dem Gegner zu überlassen, weil die Infanterie ihm dort nicht standhalten kann, würde weder dem Auftrag der Armee noch dem Interesse der Zivilbevölkerung entsprechen. Zudem steht keineswegs fest, dass ein Angreifer die Entscheidung im Infanteriegelände suchen wird. Die wichtigsten Wirtschaftsund Ressourcenräume würden mit den Hauptkommunikationsachsen der feindlichen Besetzung und Blockierung preisgeben. Die Bewertung eines solchen Modells ist eindeutig negativ. Es kommt einem Bruch mit der heute geltenden Konzeption gleich und würde weder die Dissuasion erhöhen noch in der Bevölkerung oder der Armee auf Verständnis stossen.

Nach wie vor ist Tatsache, dass sich ohne Einsatz des grösseren Teils unserer rund 800 Kampfpanzer weder heute noch in der Zukunft ein gegnerischer Stoss durch das schweizerische Mittelland verhindern lässt.

572

Im Rahmen unserer Kampfführung im Mittelland bilden die mechanisierten Verbände das dynamische Element der Abwehr. Sie sind ferner unsere einzigen Kampfmittel, die sich für einen raschen Einsatz gegen Luftlandetruppen ausserhalb der von Infanterie besetzten Räumen eignen.

333

Das Mittelland im strategischen Gesichtswinkel

Ein Blick auf die Topographie des mitteleuropäischen Raums (vgl. Beilage 2) zeigt, dass eine Operation durch die Schweiz in erster Linie durch das Mittelland geführt werden müsste, das sich von Osten nach Westen verengend als Trichter zwischen den Alpen einerseits und dem Jura und seiner Verlängerung im Schwäbischen und Fränkischen1 Jura andererseits präsentiert.

Die Karte zeigt auch, dass ein Stoss vor allem in Ost-West-Richtung interessant ist, weil sich hier ein ausgedehnter Bereitstellungsraum und eine bedeutende operative Zielsetzung - die südliche Umgehung von Schwarzwald und Vogesen zum einen, das Rhonetal mit der Drehscheibe Lyon zum ändern - anbieten. In umgekehrter Richtung müsste auf die Vorteile einer eigentlichen Bereitstellung verzichtet werden, und es bestünde die Gefahr, dass eine Operation nach Osten bereits im Engnis zwischen Jura und Alpen, d. h. im Raum Genf empfindlich behindert werden könnte. Aus diesen Gegebenheiten heraus muss das schweizerische Mittelland in erster Linie unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Offensive Richtung Westen beurteilt werden. Damit in Zusammenhang stehen die Luftlandemöglichkeiten, in erster Linie jene auf den bereits früher genannten Flugplätzen.

Aber auch aus dieser Sicht präsentiert sich die «Achse Schweiz» als Nebenoperation. Das lässt erwarten, dass hier nur limitierte Kräfte zum Einsatz gebracht würden.

Die Beurteilung der topographischen Gegebenheiten im mitteleuropäischen Raum macht aber auch deutlich, dass die Verteidigung des schweizerischen Mittellandes nicht von rein schweizerischem Interesse ist. Für das Ausland, u. a.

die Bundesrepublik und für Frankreich ist die Nachhaltigkeit, mit der wir das Mittelland verteidigen, eine Frage von strategischem Gewicht Diese Situation ist nicht neu. Wir sind in diesem Jahrhundert mehrfach mit einer möglichen militärischen Intervention im schweizerischen Mittelland konfrontiert worden.

Neu und verschärfend ist aber, dass diese Intervention in einem nuklearen Szenario nun auch mit Atomwaffen erfolgen könnte. Die Art und Weise, wie wir unser Mittelland mit dem sich dort befindlichen Strang von Hochleistungsstrassen verteidigen, hat deshalb direkte Auswirkungen auf die Frage nach unserer Gefährdung durch Atomwaffen. Je wirksamer diese Verteidigung in den Augen unserer Nachbarn ist, desto geringer
ist die Gefahr fremder Intervention auf unserem Gebiet. Kleiner wird dadurch auch die Versuchung von Drittmächten, unseren Verteidigungsbemühungen mit einer Präventivaktion zuvorzukommen, sei es durch eine terrestrische Aktion im Stil Operativer Manöver-Gruppen, sei es durch massive Luftlandungen oder durch beides zusammen.

Die Sperrung des Mittellandes, insbesondere aber die Sicherung der hier liegenden Luftlanderäume, kann eine Aufgabe sein, die über Nacht an uns herantre573

ten könnte. Der Zeitbedarf für Massnahmen, die in einem ersten Anlauf bereits eine bestimmte Wirksamkeit ergeben müssen, darf nicht zu lang sein. Mit Infanterieverbänden allein ist innerhalb so kurzer Zeit keine ausreichende Verteidigung möglich. Die Infanterie ist aber auch von der Geländebeschaffenheit in den mutmasslichen Angriffsräumen nur bedingt für einen solchen Auftrag geeignet. Ohne modern ausgerüstete Panzerverbände ist die Aufgabe nicht lösbar.

Das ist schliesslich auch der entscheidene Punkt bei der Diskussion der durch den Vorstoss der Sozialdemokratischen Fraktion aufgeworfenen Frage: Reale Chancen zur allseitigen Erfüllung unseres Auftrages bestehen nur dann, wenn wir Bedrohung und Gelände nüchtern analysieren und eine massgeschneiderte Kampfkraft aufbauen, die sowohl unsere Infanterie wie auch die übrigen Truppengattungen den Bedürfnissen entsprechend optimal zur Wirkung bringt.

34

Die Notwendigkeit der Modernisierung unserer Panzerwaffe

341

Die Forderung nach verbesserter Gegenschlagskapazität der Feldarmeekorps

Die Feststellungen über die Kammerung unseres Kampfraumes im Mittelland führen zum Schluss, dass wir im taktischen Bereich mechanisierter Mittel bedürfen, die fähig sind, in den erwähnten Räumen feindlichen Kräften iri der Stärke von mehreren Dutzend Kampfpanzern aufs Mal erfolgreich entgegenzutreten (vgl. den Bericht vom 3. Dezember 1979 über den Einsatz der mechanisierten Verbände, Ziff. 33; BB1 1980 l 426). Der Umfang der Mittel, die wir im Einzelfall einsetzen müssen, hängt davon ab, welche Verluste dem Angreifer in den vorausgehenden Kämpfen durch die Panzerabwehr der Infanterie beigebracht wurden. Auf jeden Fall aber kommen Einsätze von Kräften in weniger als Bataillonsstärke nicht in Frage. In der Mehrzahl der Fälle dürften Regimenter erforderlich sein. Das wichtigste Kampfmittel der mechanisierten Verbände sind die Kampfpanzer. Ihre hauptsächlichen Eigenschaften sind die Feuerkraft, der Panzerschutz, die Beweglichkeit und die Manövrierfähigkeit. Diese Eigenschaften werden am besten ausgenützt, wenn die Kampfpanzer für Angriffsaktionen im Rahmen mechanisierter Kampfgruppen eingesetzt werden. Im Sinne unserer Konzeption sind dies Gegenschläge und Gegenangriffe. Um solche Aktionen mit Aussicht auf Erfolg durchführen zu können, müssen die eingesetzten Kampfpanzer denen des Gegners in den wesentlichen Belangen ebenbürtig sein, durch Panzergrenadiere, Artillerie und Genie unterstützt und gegen Einwirkungen aus der Luft geschützt werden.

Angesichts der Bedrohung, der Besonderheiten des Kampfraumes und der geschilderten Anforderungen stellen sich zwei wesentliche Fragen: ; - Verfügen unsere mechanisierten Verbände über die notwendige Beweglichkeit um rechtzeitig am richtigen Ort eingreifen zu können?

- Sind sie genügend leistungsfähig, um Kämpfe mit modern ausgerüsteten Feindkräften erfolgreich zu bestehen?

Die Antwort auf diese Fragen, wie sie im Rahmen der Vorarbeiten zum Armeeleitbild erarbeitet wurden lautet, dass unsere vorhandenen Panzer in qualitativer und quantitativer Hinsicht nicht ausreichen, um alle ihnen im Rahmen unserer 574

,

·

Einsatzkonzeption zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Vordringlich sind die bei unseren mechanisierten Divisionen eingesetzten Panzer 61, später 68, durch Panzer der neuesten Generation abzulösen. Die mechanisierten Divisionen sind die operative Reserve der Feldarmeekorps. Sie müssen in der Lage sein, im offensiven Kampf gegen feindliche moderne Panzerverbände erfolgreich bestehen zu können. Dafür ist ein Kampfpanzer notwendig, der über mehr Feuerkraft, einen besseren Schutz und grössere .Beweglichkeit verfügt, als dies bei unseren eingeführten Panzern der Fall ist. Entsprechend wurde im Armeeleitbild das Bedürfnis nach verbesserter Gegenschlagskapazität der Feldarmeekorps gestellt.

342

Beschaffungsumfang

Während im Armee-Leitbild 80 die Zahl der mechanisierten Bataillone unverändert blieb, strebte das heutige Armeeleitbild ursprünglich an, mit der Zuführung neuer Kampfpanzer die Zahl der vorhandenen mechanisierten Verbände zu steigern. Da wir aus finanziellen Gründen bereits endgültig auf einen Retrofit unserer rund 300 Centurion verzichten mussten und sich auch die Aufstellung neuer mechanisierter Formationen als zu teuer erweist, handelt es sich unter den gegenwärtigen Umständen höchstens noch darum, die Anzahl der Kampfpänzer leicht anzuheben. Das müsste durch eine Kampfwerterhaltung :und durch gezielte Verbesserungen bei einem Teil der Flotte geschehen. Diese Massnähmen bilden gegenwärtig noch Gegenstand vertiefter Abklärungen.

Mit dem neuen Kampfpanzer sollen die Mechanisierten Divisionen l, 4 und 11 ausgerüstet werden.

Jede dieser Divisionen besteht aus zwei Panzerregimentern zu zwei Panzerbataillonen.

Mit der Einführung eines neuen Kampfpanzers wird die Gliederung des Panzerbataillons geändert. Es wird neu über drei Panzerkompanien (gegenüber bisher zwei) verfügen.

, .

Die Zahl der in der Panzerkompanie eingeteilten Panzer wird dagegen von dreizehn auf zehn gesenkt, da der Panzerzug inskünftig nicht mehr vier Panzer sondern nur noch drei Panzer aufweisen wird. Wie bis anhin wird der Kommandant der Panzerkompanie mit einem eigenen Panzer ausgerüstet bleiben, da eine effiziente Führung der Panzerzüge nur dann gewährleistet ist, wenn der Kompaniekommandant über dieselben Übermittlungs-, Beobachtungs- und Feuermittel verfügt wie seine Zugführer.

Die Reduktion des Zugsbestandes von vier auf drei Panzer soll dem Zugführer die Führung dieser komplexen Waffensysteme erleichtern: Zwei direkt unterstellte Systeme sind einfacher zu kontrollieren als deren drei. Mit dieser Massnahme wird auch die Kaderung der Panzerverbände und damit das allgemeine Ausbildungsniveau angehoben. Sie ist gerechtfertigt, weil die Anforderungen an die Zugführer mit diesem Waffensystem wachsen. Auf der ändern Seite besteht bei der Panzertruppe kaum Mangel an Zugführernachwuchs.

Die Verminderung der Zahl der Panzergrenadierkompanien in den Panzerbataillonen von zwei auf eine ergibt sich aus den gefechtsspezifischen Eigenschaften des neuen Kampfpanzers.

575

Die Panzergrenadiere werden inskünftig vermehrt periphere Aufgaben zugunsten der Panzer übernehmen müssen: Schutz von Rücken und Flanke, Begleitung in unwegsamem Gelände, u. dgl.

Eine Koppelung von Panzergrenadieren und Panzern im Gefecht ist angesichts der hohen Marsch- und Feuergeschwindigkeit des neuen Kampfpanzers nicht mehr angezeigt. Die Bestände der aufzulösenden Panzergrenadierkompanien werden zur Bildung der zusätzlichen Panzerbesatzungen herangezogen. Die personellen Anpassungen sind innerhalb des Kontingentes der Mechanisierten und Leichten Truppen möglich. Heeresorganisatorische Änderungen werden zu gegebener Zeit vorgelegt werden.

343

Eingliederung

Ältere Panzer werden entsprechend dem «Dreigenerationenprinzip» nach Massgabe ihrer abnehmenden Gegenschlagsfähigkeit einer Zweit- und Drittverwendung zugeführt (Stufe l : Neue Kampfpanzer der Mechanisierten Divisionen, operative Stufe; Stufe 2: Panzer-Bataillone der Feld-Divisionen, obere taktische Stufe; Stufe 3: Bewegliche Panzerabwehr in den Infanterie-Regimentern, taktische Stufe). Auch in ihrer Drittverwendung bewahren Kampfpanzer, welche die Anforderungen als Gegenschlagspanzer nicht mehr erfüllen, weiterhin einen hohen Kampfwert als Mittel der beweglichen Panzerabwehr. Zu diesem Zweck werden sie innerhalb der Abwehrdispositive von Infanterieregimentern und Füsilierbataillonen zur Schwergewichtsbildung im Panzerabwehrkampf eingesetzt. Sie arbeiten dabei eng mit der Infanterie zusammen und entlasten sie in nachhaltiger Weise. Allerdings drängen sich bei den heute vorhandenen Panzern 61/68 Kampfwerterhaltungs- und Steigerungsmassnahmen auf, damit sie künftig mit Aussicht auf Erfolg für räumlich begrenzte Einsätze auf den Stufen der Felddivisionen und Infanterieregimentern weiterverwendet werden können.

Im Vordergrund stehen dabei Massnahmen zur Verbesserung der Feuerleitung.

344

Zukünftige Einsatzkonzeption und Hauptaufgabe der mechanisierten Truppen

Einem mechanisierten, auf tiefe Durchbrüche und weiten Raumgewinn abzielenden Angreifer gegenüber vermag nur eine zu schneller Aktion und Reaktion befähigte Truppe zu wiederstehen. Die dauernd vorhandene Fähigkeit zur Schwergewichtsbildung und -Verlagerung sowie zu mechanisierten Gegenschlägen im Rahmen der Abwehr ist nach wie vor eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Initiative auch einem mit Anfangsvorteilen ausgestatteten Angreifer gegenüber zurückgewonnen werden kann.

Mit diesem knappen Hinweis soll festgehalten werden, dass aus heutiger Sicht mit einem Zielhorizont bis 1990 keine Veranlassung besteht, am gültigen Einsatzkonzept für mechanisierte Verbände grundlegende Änderungen vorzunehmen.

576

Die Hauptaufgabe der mechanisierten Truppen kann deshalb für die Zukunft wie folgt definiert werden: Sie besteht in der Durchführung von Angriffsaktionen gegen Ein- und Durchbrüche gegnerischer mechanisierter Kräfte und gegen Luftlandetruppen. Unsere Kampfpanzer müssen dabei auch das Begegnungsgefecht führen können, sofern das Gefechtsverhalten ihren technischen Gegebenheiten angepasst ist.

Zu diesem Zweck müssen sie in der Lage sein: - feindliche mechanisierte Kräfte in Durchbruchsaktionen oder nach dem Durchbruch auf den Einfallsachsen, im offenen Gelände oder an Hindernissen zu vernichten, - überraschend auftretende Luftlandetruppen und lufttransportierte Mittel der operativen oder taktischen Stufe zu vernichten, - die Wiederbesetzung zurückerkämpfter Geländeteile zu erleichtern mit dem Ziel: - Entscheidungen in begrenzten Räumen herbeizuführen oder den Zusammenhang der Dispositive auf operativer oder taktischer Stufe wieder herzustellen, - die bewegliche Panzerabwehr in den Abwehrdispositiven der Infanterieregimenter/Füsilierbataillone zur Schwergewichtsbildung im Panzerabwehrkampf zu führen, - praktisch aus dem Stand (kurze Vorwarnzeiten, gestörte Kriegsmobilmachung), den Aufmarsch und den Bezug des Grundkampfdispositivs der Infanterie selbständig zu decken.

345

Ausgewogenheit der mechanisierten Mittel

Die Frage nach einer einseitigen Gewichtung der mechanisierten Verbände im Armeeleitbild kann dahingehend beantwortet werden, dass nach wie vor die Ausgewogenheit der Mittel .gewährleistet bleibt. Der Sollbestand der Armee auf 1. Januar 1984 ergibt für die Infanterie 37,2 Prozent, für die Mechanisierten und Leichten Truppen 5,4 Prozent, wobei in der zweiten Zahl auch die Radfahrerverbände miteingeschlossen sind. Damit beträgt das Verhältnis MLT: Infanterie 1:7. Nach Eingliederung des neuen Kampfpanzers stehen in den drei Feldarmeekorps des Mittellandes den 24 Panzerbataillonen 75 Füsilierbataillone gegenüber, d. h. also im Durchschnitt ein Panzerbataillon pro Infanterie-Regiment. Zählt man die Füsilierbataillone der acht Grenzbrigaden hinzu, ist das Verhältnis ein Panzerbataillon pro fünf Füsilierbataillone. Gesamtschweizerisch entfallen auf einen Panzer 819 Soldaten, in der BRD bloss deren 125. Der Prozentsatz der Infanterie gemessen am Anteil der kämpfenden Truppe (Inf, MLT, Art, FFTrp) beträgt 58,2 Prozent (MLT = 9,6%). Damit bleibt die Infanterie nicht nur unsere Hauptwaffe, sondern auch die zahlenmässig weitaus stärkste Kampftruppe der Armee. Sie bedarf aber im Kampf der verbundenen Waffen der wirkungsvollen Unterstützung durch die anderen Truppengattungen.

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Miliztauglichkeit neuer Waffensysteme und gesicherte Ausbildung

Es wird die Frage nach den Konsequenzen des technologischen Fortschrittes undider Anzahl der zu beschaffenden Waffen im Ausbauschritt 1984-1987 auf die Ausbildung in unserer Milizarmee gestellt.

Im Rahmen der Beschaffungsvorbereitungen wird immer auch geprüft, ob ein Waffen- oder Gerätesystem miliztauglich ist, das heisst, ob ein System durch unsere Miliztruppe unter den voraussichtlichen Einsatzbedingungen gehandhabt werden kann.

Wird dies bejaht, so sind ausbildungsseitig alle Massnahmen zu ergreifen, um eine kriegsgenügende Ausbildung sicherzustellen. Für die im Ausbäuschritt 1984-1987 aufgeführten Vorhaben ist die Miliztauglichkeit gegeben.

Moderne Waffensysteme schiessen schneller und bewegen sich rascher, treffen auf grössere Distanz und mit grösserer Präzision auch unter schlechten GefeChtsbedingungen. Für die Ausbildung erfreulich an der technologischen Entwicklung ist, dass die Bedienung gegenüber bisherigen Waffensystemen nicht schwieriger, sondern in der Regel vereinfacht wird.

Die moderne Technologie kommt der Ausbildung entgegen, indem gewisse Abläufe, die bisher manuell durchzuführen waren, automatisiert ablaufen und damit den Wehrmann entlasten. Beispielsweise steuern Panzerabwehrlenkwaffen ihr Ziel selber an, wenn der Schütze das Ziel im Visier behält, Kampfpanzer messen die Schussdistanz auf Meter genau automatisch, und Systeme zeigen an, welche Komponente einen allfälligen Defekt aufweist. Dazu sind moderne Systeme bedienungsfreundlich konstruiert. Dies alles entlastet den Wehrmann und erlaubt ihm, sich auf die entscheidenden Tätigkeiten zu konzentrieren. Der Schluss, man könne die Ausbildungszeit verkürzen, ist allerdings nicht zulässig; moderne Technologie hat auch in der Ausbildung ihre Kehrseite. Die grössere technische Leistungsfähigkeit von Waffensystemen hat ja nur dann einen Sinn, wenn sie in eine gefechtstechnische und taktische Leistung umgesetzt werden kann. Das bedeutet, dass man selbst unter der permanenten Bedrohung und in den rasch wechselnden Lagen des Gefechtsfeldes rascher und auf grössere Distanz treffen und sich rascher verschieben muss.

Diese gegenläufigen Auswirkungen moderner Waffen auf die Bedienung und auf den Einsatz unter Gefechtsbedingungen werden künftig dazu führen, dass in Ausbildungsprogrammen die Schwergewichte noch mehr zugunsten der
Gefechtsausbildung verschoben werden müssen.

Nicht übersehen werden dürfen analoge Veränderungen auf der Seite des Unterhalts. Raffinierte Testgeräte erlauben, Fehler rasch und zuverlässig zu finden.

Diese können zum Teil durch den Austausch defekter Komponenten behoben werden.

,. , Die Reparatur dieser Komponenten erfordert dann allerdings Spezialisten. Unser Milizsystem kommt jedoch der Lösung dieser Probleme entgegen, da die Entwicklung beim Kriegsmaterial nicht wesentlich von jener im zivilen Bereich abweicht. Hier gilt es, in Zukunft vermehrt den zivilen Spezialisten in der militärischen Verwendung richtig einzusetzen.

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Eine weitere Rahmenbedingung besteht in der Begrenztheit der verfügbaren Ausbildungsplätze. Es ist seit längerer Zeit bekannt, dass für die mechanisierten Truppen ein weiterer Platz für die Gefechtsausbildung mehr als nur wünschenswert wäre. Da es indessen illusorisch ist anzunehmen, dass ein solcher Platz innert nützlicher Frist in unserem Land realisiert werden kann, muss die Ausbildung dieser Truppe durch die optimale Ausnutzung der bestehenden Plätze und Anlagen und durch einen vermehrten Einsatz von Simulatoren sichergestellt werden.

4

Der Stellenwert der Infanterie

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Aufgaben und Zukunft der Infanterie im Kampf der verbundenen Waffen

Die Infanterie führt den Kampf primär in zerschnittenem, bewaldetem und überbautem Gelände. Im Mischgelände nützt sie die aus Wäldern und Überbauungen bestehenden «Infanteriebrücken» sowohl zum defensiven Kampf als auch zu iOffensiven Aktionen.

Im defensiven Kampf hält die Infanterie das entscheidende Gelände und sperrt «passages obligés». Sie kanalisiert dadurch den feindlichen Vorstoss und schafft die Voraussetzungen für den Einsatz der Gegenschlagskräfte des übergeordneten Verbandes.

Durch offensive Kampfführung soll der Gegner bei jeder erfolgversprechenden, Gelegenheit abgenützt werden. Dabei sollen: - in der Tiefe des gegnerischen Raumes Feuerbasen, Führungsmittel und logistische Einrichtungen sowie Teile der nachfolgenden Staffeln bekämpft werden, - auf Stützpunkte und Sperren aufgelaufene oder in der Bewegungsfreiheit ein: geschränkte gegnerische Kräfte überfallen und abgenützt werden, - innerhalb des Abwehrraumes luftgelandete gegnerische Kräfte rasch, insbesondere durch Feuer, aber auch durch offensive Aktionen von Teilkräften, zerschlagen werden.

Dieser Kampf der Infanterie wird unterstützt durch: - unterstellte Panzereinheiten, welche die Panzerabwehr verstärken und ihr ein höheres Mass an Beweglichkeit verleihen, - Gegenschlagsverbände der vorgesetzten Kommandostelle, welche in die Abwehrräume eingedrungenen Gegner vernichten aber auch luftgelandete Kräfte in der Tiefe des Raumes zerschlagen, - zur Zusammenarbeit zugewiesene Ariilleriekräfte, deren Feuer insbesondere dort zur Wirkung kommen muss, wo die Entscheidung gesucht wird, aber auch dort, wo die Infanterie mit eigenen Mitteln nicht wirken kann, - die Genietruppen, welche durch Zerstörungen die gegnerische Bewegungsfreiheit auf den Vorstossachsen nachhaltig einschränken, - Flabtruppen, welche sowohl beschränkte Räume und wichtige Objekte gegen Tieffliegerangriffe schützen, Kampfhelikopter und gegnerische Luftlandungen bekämpfen und dadurch den infanteristischen Kampf indirekt unterstützten, .

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: ' 579

- Festungstruppen, welche mit dem Feuer der Artilleriewerke die Kampftruppen der Infanterie unterstützen und mit ihren verbunkerten Infanteriewaffen das Feuer der im gleichen Abschnitt eingesetzten Infanterieverbände verstärken, - Fliegertruppen, deren Hauptaufgabe nach Ausbruch von Kampfhandlungen die Unterstützung der Erdtruppen bildet.

Die Infanterie erzielt einen Abwehrerfolg nur im eng koordinierten Kampf der verbundenen Waffen.

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Bedrohung und Verwundbarkeit der Infanterie

Gewisse «Infanterie-Armeemodelle» übersehen die vielfältige und wachsende Bedrohung und Verwundbarkeit der Infanterie auf dem modernen Gefechtsfeld, die nur zum Teil durch das «starke Gelände» gemildert wird. Insbesondere hochmechanisierte Armeen haben in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen, neue Mittel und Verfahren zur Unterdrückung der Infanterie als der gefürchteten Trägerin des Panzerabwehrkampfes zu finden und zu entwikkeln. Das taktisch/technische Bedrohungsbild präsentiert sich für die Infanterie heute und in den kommenden Jahren wie folgt: Vor Gefechtsbeginn Für eine rasche und frontnahe taktische Aufklärung am Boden und in der Luft stehen dem Gegner zahlreiche technische Mittel und spezielle Aufklärungsverbände zur Verfügung. Die taktische Aufklärung ermöglicht dem Gegner, Stellungen, Standorte von Führungseinrichtungen, Hindernisse und schwache Stellen in unserem Abwehrdispositiv rasch und zeitgerecht zu erkennen. Es ist damit zu rechnen, dass ihm bei Angriffsbeginn zumindest ein Teil der Hauptwaffenstellungen (Panzerabwehrlenkwaffen und Minenwerfer) und Geländeverstärkungen (Minenfelder und Hindernisse) bekannt sind. Die Aufklärungsergebnisse ermöglichen den gegnerischen Unterstützungswaffen (Jagdbomber, Kampfhelikopter, Artillerie und Minenwerfer) eine genaue und rasche Zielbekämpfung.

Einleitung des Gefechtes Die Unterstützungswaffen des Gegners (Minenwerfer/Artillerie) gehen vor Angriffsbeginn in Stellung und eröffnen das Vorbereitungsfeuer. Die gegnerische Aufklärung liefert exakte Zieldaten, so dass das Vorbereitungsfeuer nicht mehr als Feuerwalze geschossen wird. In Schlüsselräumen kann die Artillerievorbereitung durch das Feuer von Jagdbombern und Kampfhelikoptern ergänzt werden. Durch dieses massive Vorbereitungsfeuer aller Unterstützungswaffen soll bei den verteidigenden Kräften ein Ausfall von etwa 30 Prozent erreicht werden. Vor allem das Gros der Panzerabwehrwaffen soll ausgeschaltet werden.

Die Stellungen der eigenen Unterstützungswaffen können durch den Gegner eingemessen, zerschlagen oder niedergehalten werden.

Zur Unterstützung seiner Angriffsaktionen kann der Gegner überraschend CKampfstoffe flüchtig einsetzen und gleichzeitig mit sesshaften Kampfstoffen die 580

zurückgestaffelt oder flankierend eingesetzten Unterstützungswaffen niederhalten.

Der Gegner wird alles daran setzen, mit seinen Mitteln der elektronischen Kriegführung unsere Führungsmittel zu beeinträchtigen sowie den Nachrichtenfluss und die Feuerleitung zu erschweren.

Im Gefecht Hauptkampfform ist der Angriff aus der unmittelbaren Berührung. Im Kampf gegen infanteristische Stützpunkte und Sperren öffnen gepanzerte Spezialfahrzeuge die Hindernisse. Das Vorbereitungsfeuer der Artillerie wird zum Unterstützungsfeuer oder in die Tiefe unseres Raumes verlegt. Die nachfolgenden Kampfpanzer treiben den Angriff nach vorne und bekämpfen gepanzerte Ziele und Panzerabwehrwaffen. Die Panzergrenadiere sitzen vor den gegnerischen Verteidigungsstellungen ab und rücken hinter den Kampfpanzern vor. Die Schützen- und Kampfschützenpanzer folgen den abgesessenen Panzergrenadieren. Der Angriff der Panzergrenadiere wird von Minenwerfern, Granatwerfern, Bordwaffen der gepanzerten Fahrzeuge und Kampfhelikoptern unterstützt.

Kampfhelikopter können zur Bekämpfung weitreichender Panzerabwehrwaffen oder Infanteriestellungen aus der Luft vor oder während der ganzen Dauer des Angriffes eingesetzt werden.

Die terrestrischen Angriffe der gegnerischen mechanisierten Verbände können durch das Absetzen helitransportierter Truppen eingeleitet oder verstärkt werden.

Der Gegner trachtet danach, den Kampf bei Nacht gleich wie am Tag fortzuführen. Dazu stehen ihm eine Reihe von elektronischen Nachtsichtgeräten für die wichtigsten Waffensysteme und Weisslichtmittel zur Verfügung.

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Beschaffungsvorhaben für die Infanterie: Angemessene Berücksichtigung oder einseitige Bevorteilung?

Wenn die zahlreichen Infanterieverbände in der Lage sind, die Vorteile des hindernisreichen Geländes voll auszunützen, so verfügen sie doch nur über eine beschränkte Beweglichkeit und erreichen ihre volle Kampfkraft erst, wenn sie während Tagen genügend Zeit haben, um in ihren Einsatzräumen die für den Kampf und das Überleben notwendigen Geländeverstärkungen auszuführen und die Kampfhandlungen einzuüben. Stellungsbau, Verminung und Einexerzieren der Verteidigung und der dazu gehörigen beweglichen Aktionen sowie die Erstellung der Feuerpläne können nicht improvisiert werden. Infanterieverbände, die sich nicht entsprechend einrichten können, werden durch gegnerische mechanisierte Verbände dezimiert und niedergewalzt.

Es ist deshalb vorgesehen, die Infanterie inskünftig durch die Einführung vorfabrizierter Feldunterstände bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Aber der Wirksamkeit solcher Systeme sind Grenzen gesetzt, und es ist auch nicht zu übersehen, dass die Gefahr besteht, die Infanterie statisch festzulegen und sie schliesslich in Räumen zu haben, wo sie wohl die Verteidigung führen könnte, die der Gegner aber zunächst umgeht, um sie später mit geeigneten Mitteln zu neutralisieren.

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Die Infanterie1 wird gegenwärtig und in absehbarer Zukunft im Rüstungsbereich wie folgt verstärkt: Erhöhung der Panzerabwehrfähigkeit durch: - Einführung einer gefechtsfeldbeweglichen Panzerabwehr für das Regiment, - Einführung der Panzerabwehrlenkwaffe Dragon in den Landwehrbataillonen durch Bildung von 48 neuen Panzerabwehrkompanien, - Waffen- und munitionstechnische Verbesserungen des Systems Dragon, - Leistungssteigerung des Raketenrohres durch Verbesserung von Waffe und Munition.

Verbesserung der Ausrüstung und des Schutzes des Wehrmannes durch: - Sturmgewehr 90, · : · : ! , .

- Verbesserte AC-Schutzausrüstung, - Neue Handgranate, - Einführung vorfabrizierter Feldunterstände.

Da die Infanterie einen Abwehrerfolg nur im eng koordinierten Kampf der verbundenen Waffen erzielen kann, wäre es falsch, diese Truppengattung einseitig und auf Kosten anderer Truppengattungen auszubauen, abgesehen von den der Infanterie wesensmässig auferlegten Beschränkungen im Bereich schwerer Waffensysteme. Die Befürchtung, es sei langfristig die «Mechanisierung der Infanterie» vorgesehen, ist unbegründet.

Ohne die Infanterie zu vernachlässigen, die zahlenmässig unsere Hauptwaffe bleiben wird, sollen auch die Unterstützungswaffen der Infanterie, die Artillerie, die Fliegerabwehr und die gepanzerten Truppen modernisiert und zu höherer Wirksamkeit gebracht werden.

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Die Forderung einer Rüstungsbeschaffung von relativ einfachen und wenig teuren Waffensystemen in grosser Stückzahl

In der Sicherheitspolitik 1973 wurde klar festgestellt, dass dem schweizerischen Wehrpotential, Grenzen gesetzt sind und dass es Waffensysteme gibt, die aus verschiedenen Gründen (Produktion, Prüfung, Ausbildung, Einsatz) den Rahmen eines kleinstaatlichen Verteidigungsapparates sprengen (Ziff. 5,11, BB1 1973 II 112).

Demgegenüber erlauben die allgemeine Wehrpflicht und das Milizsystem, im Rahmen einer zumutbaren Belastung des Bürgers und des Staatshaushaltes eine Armee von bedeutender zahlenmässiger Stärke zu unterhalten. So beruht die Stärke unserer Armee wesentlich, auf der, grossen Zahl der -Wehrpflichtigen. Innerhalb einer freiheitlichen, Staatsordnung, in der das Bedürfnis nach; Sicherheit nur eines von vielen Anliegen ist, ist es aber undenkbar, ein annähernd 10 Prozent der Bevölkerung umfassendes Heer durchwegs mit modernstem .Kriegsmaterial auszurüsten.

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Auch wird der Spielraum der Planung und damit des Weiterausbaues unserer Armee in sehr erheblichem Masse durch das Bestehende eingeengt: die vorhan582

dene Ausrüstung, permanente militärische Anlagen, erhebliche Reserven an Munition und Kriegsmaterial aller Art. Nach wie vor wird auf das Vorhandene und die Möglichkeit seiner weiteren Verwendung sorgsam Bedacht genommen.

- So entspricht die Beschaffung der Panzerabwehrlenkwaffe DRAGON dem Prinzip, dass unser Kleinstaat Waffen in grosser Zahl beschaffen soll, die unseren finanziellen Möglichkeiten entsprechen und von einfacher Handhabung sind.

- Im «Drei-Generationen-Prinzip» der Kampfpanzeryerwendung kommt zum Ausdruck, wie die Einsatzdauer kostspieliger Systeme durch die Übernahme einer Zweit- und Drittverwendung gestreckt und ihre Leistung durch periodisch durchzuführende Verbesserungen erhalten oder modernisiert werden.

Man sollte sich auch vor der Meinung hüten, die Infanterie sei weiterhin eine «billige» Waffengattung. Wie letzte Kriegserfahrungen zeigen, benötigt auch sie technisch hochwertiges Material.

Ihre Ausrüstung mit Panzer- und Fliegerabwehrlenkwaffen zweiter und eventuell einmal dritter Generation (selbstzielsuchend) ist finanziell aufwendig.

Trotzdem kommt der Kleinstaat nicht darum herum, sich gewisse moderne und entsprechend aufwendige Waffensysteme zuzulegen. Eine in allen Bereichen «einfache und billige Armee» kommt gegen einen modernen Aggressor nicht auf und entspricht nicht den erklärten Zielsetzungen unserer Sicherheitspolitik.

5

Finanzen

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Fragestellung

Im Postulat wird befürchtet, dass hochtechnisierte und sehr teure Waffensysteme ständig zunehmendes Gewicht erhalten und es deshalb aus finanziellen Gründen schwieriger werde, die Infanterie zu bewaffnen und zu schützen. Bei der Begründung des parlamentarischen Vorstosses wurden zwei konkrete Fragen gestellt: - Können die für die nächste Zeit zur Beschaffung vorgesehenen Waffensysteme mitsamt ihren Folgekosten noch bezahlt werden?

- Inwieweit besteht die Möglichkeit, die Infanterie ausreichend zu bewaffnen und zu schützen trotz Forcierung der sehr teuren Ausrüstung der mechanisierten Verbände?

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Armeeleitbild und Ausbauschritt

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Armeeleitbild

Wie festgestellt, hat das Armeeleitbild die Funktion des langfristigen Bezugsrahmens. Abgeleitet von der zu erwartenden Bedrohung und den mutmasslich langfristig zur Verfügung stehenden Finanzmitteln werden die Ausbau- und Erneuerungsvorhaben festgestellt. In diesem Sinne ist das Armeeleitbild eine Richtschnur, dessen; Verwirklichungshorizont offen, respektive bewusst nicht exakt definiert wird. Inhaltlich bestimmt es jene prioritären Vorhaben, die im 583

Rahmen des Armeeauftrages den grösstmöglichen Dissuasionsbeitrag und eine Kampfkraftsteigerung erbringen.

Wieweit das Armeeleitbild als Ganzes verwirklicht werden kann, hängt von den in der Legislaturperiode tatsächlich zur Verfügung gestellten Mitteln sowie letztlich von der Zustimmung des Parlamentes zu den einzelnen Beschaffungsvorhaben ab.

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Ausbauschritt

Das Armeeleitbild wird in Ausbauschritten verwirklicht, die sich mit den Legislaturperioden decken. Massgebend für den Umfang der neuen Bau- und Rüstungsvorhaben, die in einen Ausbauschritt aufgenommen werden können, sind die künftig verfügbaren Finanzmittel. Diese sind bestimmt durch die Höhe des Betrages, der im Legislaturfinanzplan für die militärischen Investitionen eingestellt ist und den davon abzuziehenden Zahlungsverpflichtungen aus bereits bewilligten Beschaffungen. Entscheidend für die Aufnahme eines bestimmten Vorhabens ist die Priorität, die ihm im Rahmen der Zielsetzungen des Armeeleitbildes zukommt. Bezüglich der Berücksichtigung von Beschaffungsvorhaben für die Infanterie wird insbesondere an die Ausführungen in Ziffer 43 erinnert.

6

Folgerungen

Zusammenfassend kann festgehalten werden: - Das Armeeleitbild richtet sich nach wie vor nach dem strategischen Auftrag, wie er im Bericht des Bundesrates vom 27. Juni 1973 über die Sicherheitspolitik formuliert ist. Für die Erfüllung der zweiten Aufgabe der Armee, der Kriegführung, wird grundsätzlich an der bestehenden Konzeption der militärischen Landesverteidigung festgehalten. Die Abwehr, wie sie in der Konzeption der militärischen Landesverteidigung vom 6. Juni 1966 als Hauptkampfform festgelegt worden ist, bleibt auch unter dem neuen Armeeleitbild wegleitend für das taktisch-operative Verhalten unserer Verbände.

- Die militärischen BedrohungsfoTmen, Mittel und Kampfverfahren ; eines möglichen Gegners und insbesondere der Zeitfaktor verlangen, dass die Zeit für die Erstellung der ersten Kampf- und Funktionsbereitschaft des Gros der Armee wesentlich verkürzt werden. Die heute angenommene Vorwarnzeit beträgt im Vergleich zu jener Zeit, welche die Infanterie für die Erstellung der Kampfbereitschaft benötigt, einen Bruchteil. Dies heisst, dass einer unmittelbaren Verfügbarkeit der mechanisierten Verbände bei Kriegsmobilmachung eine zunehmend entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Die Lösung dieser Problematik liegt nicht in einem Entscheid im Sinne des Entweder/Oder (Mechanisierung oder Infanterie), sondern in der Ausgewogenheit der bereitgestellten Mittel.

Gegenüber der Flexibilität und Unberechenbarkeit des Angreifers muss, dank eines ausgewogenen Ausbaus aller Teile der Armee dafür gesorgt werden, dass die Handlungsfreiheit des Verteidigers gewahrt bleibt. Zudem übersehen gewisse 584

«Infanterie-Armeemodelle» die vielfältige und wachsende Bedrohung und Verwundbarkeit der Infanterie auf dem modernen Gefechtsfeld, die nur zum Teil durch das «starke Gelände» gemildert wird. Die Infanterie kann deshalb einen Abwehrerfolg nur im eng koordinierten Kampf der verbundenen Waffen erzielen.

- Forderungen nach einem Primat des Infanterieheeres und seines Kampfes nur im Infanteriegelände müssen am Kriterium der politisch-strategischen Dissuasionswirkung nach aussen gemessen werden. Bei fehlender Mechanisierung wird unsere Gegenwehr für den Gegner berechenbarer. Die militärische Handlungsfreiheit mit politischer und strategischer Wirkung auf den potentiellen Gegner entfällt in grossem Masse. Moderne Waffensysteme sind deshalb ein wichtiges Element der Dissuasion. Neue, hochleistungsfähige Waffensysteme sind im Verbund mit Waffen älterer Generationen einzusetzen.

Sie übernehmen damit eine eigentliche Rückgratfunktion. Diese ist insbesondere im Hinblick auf den hohen Infanterieanteil unserer Armee wichtig.

- Der vorgesehene Ausbau der militärischen Landesverteidigung hält sich in Anbetracht der einschränkenden Faktoren eines Kleinstaates an die bestehenden Rahmenbedingungen. Wegleitend für das Armeeleitbild und den Ausbauschritt 1984-1987 war deshalb der Grundsatz, dass innerhalb unseren begrenzten Möglichkeiten nur durch bewusste Konzentration auf das Wesentliche und entschiedene Setzung von Prioritäten ein Höchstmass an Wirkung erzielt werden. Da der Kampf der verbundenen Waffen auch für das Gefechtsfeld der Zukunft charakteristisch sein wird, strebt das Armeeleitbild und der Ausbauschritt trotz des Zwanges zur Konzentration auf das Wesentliche einen ausgewogenen und evolutionären Ausbau der Armee an. Aufgrund einer realistischen Beurteilung der Möglichkeiten muss sowohl auf Idealforderungen als auch auf Extremlösungen, die alles auf eine Karte setzen, verzichtet werden.

- Die Forderung, unsere Infanteriearmee könne eine Entscheidung gegen einen mechanisierten Gegner nur im «Infanteriegelände» suchen, käme dem Verzicht auf eine nachhaltige Verteidigung des Mittellandes gleich. Die wichtigsten Wirtschafts- und Ressourcenräume würden mit den Hauptkommunikationsachsen der feindlichen Besetzung und Blockierung preisgegeben. Die Bewertung eines solchen Modells ist eindeutig negativ. Es kommt
einem Bruch mit der heute geltenden Konzeption gleich und würde weder die Dissuasion erhöhen noch in der Bevölkerung oder der Armee auf Verständnis stossen.

- Im Rahmen der militärischen Gesamtplanung wird weder die eine noch die andere Waffengattung finanziell bevorzugt oder benachteiligt. Massstab für die ausgewogene Verteilung der Investitionsmittel ist die daraus resultierende Kampfkraft. Dabei soll die Wirkung im Verbund eine besondere Beachtung finden. Die für die Infanterie im Rahmen des gültigen Armeeleitbildes vorgesehenen Mittel werden jene der vergangenen Jahre übersteigen.

- Es werden nur soweit neue Waffensysteme dem Parlament zur Beschaffung vorgeschlagen, als deren finanzielle Verkraftbarkeit im Rahmen der vorgegebenen Zahlungsmittel gewährleistet ist.

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Analyse des Gelandesl Alpen Infanteriegelande' Offenes Gelande (tnehrheitlich panzergängig

Beilage 1

Topographie des mitteleuropaischen Raumes Beilage 2

586

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht über das Armeeleitbild vom 29. Mai 1985

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1985

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

28

Cahier Numero Geschäftsnummer

85.043

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.07.1985

Date Data Seite

550-586

Page Pagina Ref. No

10 049 733

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