00.047 Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 31. Mai 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1999 M

99.3457

Krankenversicherung. Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft über die Freizügigkeit (S 21.9.99, Aussenpolitische Kommission des Ständerates [99.028-4]; N 23.9.99)

1999 P

99.3424

Prämienverbilligung für Versicherte, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnen (N 2.9.99, Spezialkommission Personenverkehr des Nationalrates; S 21.9.99)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. Mai 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11008

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-1198

4083

Übersicht Am 21. Juni 1999 wurden die sieben sektoriellen Abkommen von der Schweiz, der Europäischen Gemeinschaft (EG) und ihren Mitgliedstaaten unterzeichnet. Das Volk hat am 21. Mai 2000 diesen Abkommen zugestimmt. Ziel eines dieser Abkommen, des Abkommens über die Freizügigkeit, ist die stufenweise Einführung der Freizügigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger der Schweiz und der EG-Staaten.

Das Abkommen über die Freizügigkeit sieht unter anderem die Koordination der Sozialen Sicherheit nach dem Muster der in der EG geltenden Regelungen vor, damit der freie Personenverkehr nicht durch einschränkende sozialversicherungsrechtliche Regelungen behindert wird. Für den Bereich der Krankenversicherung ergeben sich dadurch verschiedene Neuerungen, einige davon werden in der vorliegenden Vorlage verankert.

Den ersten Schwerpunkt der Vorlage bilden spezielle Bestimmungen über die Durchführung der Prämienverbilligung an versicherungspflichtige Personen mit Wohnort in einem Mitgliedstaat der EG (Art. 18 Abs. 2quater, Art. 18 Abs. 2quinquies, Art. 18 Abs. 5 bis, Art. 65a, Art. 66 Abs. 3, Art. 66a und Art. 90a).

Die Prämienverbilligung ist ein integrierender Bestandteil des derzeitigen Finanzierungssystems für die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Sie trägt zur Stärkung der Solidarität unter Personen mit unterschiedlichen Einkommen bei und gilt als zentrales soziales Korrektiv im geltenden Kopfprämiensystem. Auf Grund des Abkommens über die Freizügigkeit mit der EG muss die Schweiz Prämienverbilligungen an Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen auch dann gewähren, wenn diese in der Schweiz versichert sind, aber in einem EG-Staat wohnen.

Der Bundesrat hält bei der Erfüllung dieser Verpflichtung an der kantonalen Zuständigkeit für die Durchführung der Prämienverbilligung an versicherungspflichtige Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton (z.B. Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie deren Familienangehörige) fest.

Die Finanzierung soll hier unter Anrechnung der neu versicherten Personen nach dem bestehenden Verteilschlüssel von Artikel 66 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Bund 2/3, Kantone insgesamt 1/3) erfolgen. Die Kantone sollen beim Vollzug dieser Aufgabe von der gemeinsamen Einrichtung KVG unterstützt werden.

Für die versicherungspflichtigen
Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz (Bezügerinnen und Bezüger einer Schweizer Rente sowie deren Familienangehörige) wird ein Bundesverfahren mit reiner Bundesfinanzierung geschaffen. Durchführungsstelle ist die gemeinsame Einrichtung KVG. Die konkrete Umsetzung des Bundesverfahrens wird auf Verordnungsebene erfolgen.

Den zweiten Schwerpunkt der Vorlage bilden Massnahmen, welche sicherstellen, dass die neuen versicherungspflichtigen Personen, die in einem EG-Staat wohnen, bezüglich ihrer Versicherungspflicht in der Schweiz ausreichend informiert, kontrolliert und gegebenenfalls einem Versicherer zugewiesen werden (Art. 6a, Art. 18 Abs. 2bis, Art. 18 Abs. 2 ter und Art. 18 Abs. 5 bis).

4084

Auch bei diesen Massnahmen erfolgt eine Aufgabenteilung zwischen den zuständigen kantonalen Behörden und einer zentralen Bundesstelle: Die Kantone sind neu für die Information und Kontrolle der auf ihrem Gebiet erwerbstätigen, versicherungspflichtigen Grenzgängerinnen und Grenzgänger und deren Familienangehörige sowie für die versicherungspflichtigen Familienangehörigen von in ihrem Gebiet wohnenden Kurz- und Jahresaufenthaltern und -aufenthalterinnen und Niedergelassenen zuständig. Die gemeinsame Einrichtung KVG wird für den Bund die Informations- und Kontrollaufgaben betreffend die Rentnerinnen und Rentner und ihre Familienangehörigen wahrnehmen.

Das Gesetz wird angesichts dessen, dass das Abkommen über die Freizügigkeit bereits auf den 1. Januar 2001 in Kraft treten könnte, als dringlich erklärt und in Abstimmung mit der Geltungsdauer des Abkommens über die Freizügigkeit auf sieben Jahre befristet.

4085

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Anforderungen auf Grund des Abkommens über die Freizügigkeit1

Am 21. Juni 1999 wurden die sieben sektoriellen Abkommen von der Schweiz, der EG und ihren Mitgliedstaaten unterzeichnet. Das Volk hat diesen Abkommen am 21. Mai 2000 zugestimmt. Ziel eines dieser Abkommen, des Abkommens über die Freizügigkeit (Abkommen), ist die stufenweise Einführung der Freizügigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger der Schweiz und der EG-Staaten. Das Abkommen sieht unter anderem die Koordination der Sozialen Sicherheit nach dem Muster der in der EG geltenden Regelungen vor, damit der freie Personenverkehr nicht durch einschränkende sozialversicherungsrechtliche Regelungen behindert wird. Im Bereich Krankenversicherung ergeben sich verschiedene Neuerungen. Wer im Ausland wohnt, aber in der Schweiz arbeitet, muss grundsätzlich sich selbst und seine nichterwerbstätigen Familienangehörigen in der Schweiz versichern. Gleiches gilt auch für Rentnerinnen und Rentner, die in der Schweiz gearbeitet haben und das Alter in einem EG-Staat verbringen. Je nach Wohnland gelten Sonderbestimmungen, wonach die betreffenden Personen im Wohnland krankenversichert bleiben können.

Der Bund wird dafür besorgt sein, dass die betroffenen Kreise rechtzeitig und umfassend über die mit der Durchführung der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen des Abkommens einhergehenden Neuerungen informiert werden.

Die Umsetzung des Abkommens im innerstaatlichen Recht erfolgt auf Gesetzes- und Verordnungsebene. Die Eidgenössischen Räte haben am 8. Oktober 1999 Anpassungen des Bundesgesetzes vom 18. März 19942 über die Krankenversicherung (KVG) verabschiedet: Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f (neu), Artikel 61 Absatz 4 (neu) und Artikel 95a (neu). Der in der Botschaft vom 23. Juni 19993 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vorgeschlagene Artikel 66a (neu) KVG, welcher eine spezifische Regelung der Prämienverbilligung für Versicherte mit Wohnort in einem EG-Staat vorsah und darin die Kantone entgegen ihrem Vernehmlassungsvorschlag verpflichtete, die Prämienverbilligung für alle Versicherten mit Wohnort in einem EG-Staat durchzuführen und gemäss Artikel 66 KVG (Bund 2/3, Kantone insgesamt 1/3) zu finanzieren, wurde hingegen von den Eidgenössischen Räten gestrichen. Stattdessen haben sie eine Motion der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates überwiesen, welche den Bundesrat
beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Kantonen in der Krankenversicherung ein zweckmässiges Verfahren vorzusehen, das sicherstellt, dass die Verpflichtungen wahrgenommen werden, die der Schweiz aus dem Abkommen mit der EG und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit, namentlich im Bereich der Prämienreduktion, erwachsen. Zudem wurde eine Motion der Spezialkommission Personenverkehr des Nationalrates in der Form eines Postulats überwiesen, welches den Bundesrat be1 2 3

BBl 1999 7027 SR 832.10 BBl 1999 6128 (6449)

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auftragt, eine Gesetzesänderung vorzulegen, wonach der Bund den Auftrag erhält, für die neu betroffenen Personen im Ausland und gemäss dem bilateralen Abkommen, die Prämienverbilligung nach einem zweckmässigen und einheitlichen System zu vollziehen.

Ein erstes Revisionspaket auf Verordnungsebene, welches insbesondere Fragen der Versicherungspflicht, der Beitrittskontrolle, der Prämienberechnung und der Qualifikation von Leistungserbringern und -erbringerinnen berührt, soll noch im Sommer vom Bundesrat verabschiedet werden.

Mit dieser Vorlage wird vor allem der Bereich der Prämienverbilligung geregelt.

Zusätzlich werden Regelungen in den Bereichen Information und Versicherungskontrolle getroffen, für die eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.

1.1.2

Vorarbeiten zur Durchführung der Prämienverbilligung

Am 4. November 1999 fand im Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) eine Aussprache mit einer Vertretung der Sanitätsdirektorenkonferenz, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie der Eidgenössischen Finanzverwaltung zum Thema Prämienverbilligung statt. Für Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz (vor allem Grenzgänger und Grenzgängerinnen und ihre Familienangehörigen) wurde seitens der Kantonsvertretung eine gewisse Mitwirkung, auch auf der Finanzierungsebene, signalisiert. Hingegen wurde für Personen ohne aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz (Rentner und Rentnerinnen sowie ihre Familienangehörigen) keine Einigung mit den Kantonen gefunden.

Das BSV liess der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz und der Konferenz der Kantonsregierungen am 14. Dezember 1999 ein Arbeitspapier zukommen. Darin wurden die Grundzüge der Prämienverbilligung für Versicherte, die in einem Mitgliedstaat der EG wohnen, aufgeteilt nach Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton und nach Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz, aus der Sicht des BSV aufgeführt. Das Papier war als Diskussionsgrundlage gedacht. Es sollte dazu dienen, zusammen mit den Kantonen eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten. Die Kontakte mit den Kantonen ergaben, dass die Kantone bereit wären, die Verantwortung für den Vollzug der Prämienverbilligung an Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton zu übernehmen und für diese Personen eine Finanzierung gemäss Artikel 66 KVG akzeptieren würden, wenn der Bund im Gegenzug für Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz ein Bundesverfahren und eine Finanzierung durch den Bund vorsehen würde.

Auf Grund der Widerstände der Kantone, die Prämienverbilligung für Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz durchzuführen und zu finanzieren, kommt der Bund nicht umhin, für diese Versichertenkategorie ein Bundesverfahren vorzusehen. Der Bundesrat befürwortet deshalb kantonale Verfahren für Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton und ein Bundesverfahren für Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz.

4087

1.1.3

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zum ersten Revisionspaket auf Verordnungsebene

Aus den Stellungnahmen der Kantone geht hervor, dass sie den neuen Aufgaben in den Bereichen der Information, der Versicherungskontrolle und der Durchführung der Prämienverbilligung ablehnend gegenüberstehen. Einzelne Kantone vertreten die Ansicht, dass dafür eine gesetzliche Grundlage unabdingbar ist. Es gibt Kantone, die eine Kontrolle im Sinne einer Positivkontrolle ablehnen. Ein Teil der Kantone erachtet das skizzierte Verfahren für die Beitrittskontrolle der Familienangehörigen der in der Schweiz erwerbstätigen Personen als zu kompliziert. Einige Kantone sind nicht bereit, Mutationen bei Änderungen in den Familienverhältnissen durchzuführen. Eine Information der Rentner und Rentnerinnen, welche ins Ausland ziehen, erachtet eine Mehrheit der Kantone als nicht durchführbar. Die Kantone haben signalisiert, dass die neuen Aufgaben mit einem grossen administrativen Aufwand verbunden sein werden. Schliesslich erwarten alle Kantone, dass sie bei der Information der betroffenen Personen vom Bund unterstützt werden.

Die gemeinsame Einrichtung KVG (GE), eine von den Krankenversicherern gegründete Stiftung, ist mit der Übertragung der spezifischen Aufgaben betreffend die Rentner und Rentnerinnen und einer Unterstützung der Kantone bei der Durchführung der Prämienverbilligung einverstanden, wenn der Bund für deren Finanzierung aufkommt.

1.1.4

Notwendigkeit der Gewährung von Prämienverbilligungen

Das System der Prämienverbilligung ist ein integrierender Bestandteil des derzeitigen Finanzierungssystems für die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Es stellt für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen das zentrale soziale Korrektiv im Kopfprämiensystem dar und ermöglicht dadurch, eine der vom Gesetzgeber beabsichtigten hauptsächlichen Zielsetzungen, nämlich die Solidarität, zu verwirklichen.

Auf Grund des Abkommens muss die Schweiz Prämienverbilligungen an Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen auch dann gewähren, wenn diese in der Schweiz versichert sind, aber in einem EG-Staat wohnen. Der im Römer Vertrag enthaltene Grundsatz der Freizügigkeit im Personenverkehr wurde in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/714 konkretisiert. Danach richtet sich die Unterstellung unter die Krankenversicherung nach dem Beschäftigungsort und nicht nach dem Wohnland. Arbeitnehmende mit Wohnort im Ausland dürfen dabei nicht anders behandelt werden als Arbeitnehmende mit Wohnort im Inland. Die Art der Finanzierung der Krankenversicherung spielt dabei keine Rolle. Über das Abkommen gilt dies auch für die Schweiz.

4

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl Nr. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2) (kodifiziert durch Verordnung [EG] Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, ABl Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1); zuletzt geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 307/1999 des Rates vom 8. Februar 1999 (ABl Nr. L 38 vom 12. Februar 1999, S. 1)

4088

Die Prämienverbilligung stellt zwar nicht eine Krankenversicherungsleistung im eigentlichen Sinn dar, ermöglicht es den Berechtigten aber, Anspruch auf Krankenpflege zu erwerben, indem ihnen die Prämienzahlung erleichtert wird. Da nach Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/715 die Gesamtheit des Krankenversicherungssystems vom sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung erfasst wird, fällt auch die Gewährung von Prämienverbilligungen an Versicherte mit Wohnsitz im Ausland darunter.

Darüber hinaus ist die Prämienverbilligung eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 9 des Anhangs I6 zum Abkommen, die jeder in der Schweiz beschäftigten Person aus dem EG-Raum und ihrer Familie gewährt werden muss, selbst wenn sie im Ausland wohnen, und zwar unter denselben Voraussetzungen wie für Arbeitnehmende, die mit ihrer Familie in der Schweiz wohnen. Artikel 9 Absatz 2 entspricht Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 7.

Eine Beschränkung der Gewährung von Prämienverbilligungen auf Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz würde dem Vertrag mit der EG widersprechen und die Schweiz nicht von der Verpflichtung befreien, im Ausland wohnhaften Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen zu gewähren.

1.1.5

Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage

Anders als im Gesetzesentwurf, welcher im Rahmen der Botschaft vom 23. Juni 19998 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG dem Parlament unterbreitet wurde, sieht die vorliegende Gesetzesrevision vor, dass der Bund die Gewährung von Prämienverbilligungen an Versicherte, die im Gebiete eines Mitgliedstaates der EG wohnen und keinen Anknüpfungspunkt an die Schweiz haben, übernimmt. Diese Kostenübernahme weicht vom geltenden Recht ab, welches insbesondere eine Kompetenz der Kantone bei der Gewährung von Prämienverbilligungen und bei der Kontrolle über die Einhaltung der Versicherungspflicht vorsieht.

Gemäss Artikel 164 der neuen Bundesverfassung sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Dazu gehören insbesondere die grundlegenden Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Personen (Abs. 1 Bst. c), die Aufgaben und die Leistungen des Bundes (Abs. 1 Bst. e), die Verpflichtungen der Kantone bei der Umsetzung und beim Vollzug des Bundesrechts (Abs. 1 Bst. f) sowie die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden (Abs. 1 Bst. g). In Anbetracht dieser Vorgaben bedarf es für die Übernahme der vollen Finanzierung der Prämienverbilligung durch den Bund für Versicherte, die in 5

6 7

8

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl Nr. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2) (kodifiziert durch Verordnung [EG] Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, ABl Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1); zuletzt geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 307/1999 des Rates vom 8. Februar 1999 (ABl Nr. L 38 vom 12. Februar 1999, S. 1) BBl 1999 7040 ff.

Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl Nr. L 257 vom 19. Oktober 1968, S.

2; zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl Nr. L 245 vom 26. August 1992, S. 1) BBl 1999 6128 (6449)

4089

einem Mitgliedstaat der EG wohnen und keinen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz haben, einer formellgesetzlichen Grundlage.

Ausserdem erfordern die neuen Aufgaben der GE, welche insbesondere verpflichtet wird, die Einhaltung der Versicherungspflicht bei Personen zu kontrollieren, die in einem Mitgliedstaat der EG wohnen und keinen Anknüpfungspunkt an die Schweiz haben, eine Änderung des KVG. Dasselbe gilt für die Gewährung von Prämienverbilligungen an einzelne dieser Personen. Ebenfalls muss das Gesetz ein Verfahren sowie eine Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheide der GE vorsehen. Die Einführung eines solchen Rechtsweges setzt eine formellgesetzliche Grundlage voraus.

Die Kantone werden den im Ausland wohnhaften Versicherten mit einem Anknüpfungspunkt an die Schweiz (z.B. Grenzgänger und Grenzgängerinnen) Prämienverbilligungen gewähren müssen. Der Bundesrat beantragt eine Änderung von Artikel 66 Absatz 3 KVG, welche eine Berücksichtigung dieser Personen bei der Berechnung der Prämienverbilligungsbeiträge, die der Bund an die Kantone ausrichtet, ermöglicht.

Der Bundesrat beabsichtigt, eine Änderung der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV)9 zu verabschieden, welche Einzelheiten des Abkommens umsetzt.

Gewisse Bestimmungen, welche die Einschränkung des freien Wahlrechts des Versicherers oder die Informationspflicht der Kantone betreffen, sind gegenwärtig in diesem Verordnungsentwurf aufgeführt, obwohl keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage dafür besteht. Der Bundesrat passt somit die Rechtslage an, wenn er den Eidgenössischen Räten beantragt, die obgenannten Bestimmungen des Verordnungsentwurfs in die neuen Artikel 4a und 6a des KVG zu integrieren.

Einzelne Bestimmungen der Vorlage (Art. 4a, Art. 6a, Art. 18 Abs. 2bis und Abs. 2ter und Art. 61a) sind also bereits mit dem gleichen Wortlaut im ersten Revisionspaket (Änderung der KVV, Vorlage für das Vernehmlassungsverfahren: Art. 6a, Art. 10 Abs. 1bis, Abs. 1ter und Abs. 2, Art. 19 Abs. 2 Bst. b und Bst. c und Art. 90 Abs. 3) enthalten. Da vorgesehen ist, dass der Bundesrat das erste Revisionspaket mit den oben genannten Verordnungsänderungen noch im Sommer verabschiedet, werden sie vorerst im Revisionspaket belassen. Die parlamentarischen Kommissionen und die Eidgenössischen Räte werden erst nach der Sommerpause die Gesetzesvorlage
beraten. Das Inkrafttreten der Verordnungsbestimmungen wird von der Bedingung abhängig gemacht, dass die gesetzliche Grundlage nicht oder nicht rechtzeitig verabschiedet wird.

1.2

Grundzüge der Vorlage

1.2.1

Prämienverbilligung für Personen mit Wohnort in einem EG-Staat

1.2.1.1

Prämienberechnung

Den Krankenversicherern wird vorgeschrieben, die Prämien für die in einem Mitgliedstaat der EG wohnhaften Versicherten je Wohnland zu berechnen. Es ist den Versicherern freigestellt, eine oder zwei Prämien pro Mitgliedstaat je nach Art der Leistungsvergütung festzulegen. Für die Berechnung der Prämien für die in einem 9

SR 832.102

4090

Mitgliedstaat der EG wohnhaften Versicherten gelten versicherungstechnische Kriterien wie sie für die Prämien der Versicherten in der Schweiz zur Anwendung kommen. Die Prämien haben in erster Linie die effektiven Leistungen, die Pauschalen, die Reservenbildung, die Rückstellungen, allfällige Risikoabgaben und die Verwaltungskosten zu decken. Über die Höhe der Prämien können noch keine konkreten Angaben gemacht werden, da die Krankenversicherer die Berechnungen noch nicht vorgenommen haben. Es kann lediglich gesagt werden, dass gemäss Hochrechnungen des BSV die Prämien für die französischen und die deutschen Grenzgängerinnen und Grenzgänger ungefähr denjenigen Prämien entsprechen werden, die heute in den Kantonen Genf und Basel-Stadt erhoben werden.

1.2.1.2

Kantonales Verfahren für Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton

1.2.1.2.1

Personenkreis und zuständiger Kanton

Zu den Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton gehören die Grenzgänger und Grenzgängerinnen sowie deren versicherungspflichtige Familienangehörige, die versicherungspflichtigen Familienangehörigen von Kurz- und Jahresaufenthaltern und -aufenthalterinnen und von Niedergelassenen wie auch Bezüger und Bezügerinnen einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung sowie deren versicherungspflichtige Familienangehörige.

Die letztgenannte Versichertenkategorie soll ebenfalls über das kantonale Verfahren geregelt werden, weil die Versicherungspflicht in der Schweiz während maximal drei Monaten bei Wohnsitz und Arbeitssuche in einem EG-Staat weiterbesteht, sodass ein Umschwenken auf ein Bundesverfahren für diese kurze Dauer nicht sinnvoll wäre.

Derjenige Kanton, in dem die erwerbstätige Person ihren Wohnort hat oder, wenn sie in einem EG-Staat wohnt, ihren Arbeitsort hat, ist sowohl für die erwerbstätige Person als auch für deren Familienangehörige zuständig. Bei den Bezügern und Bezügerinnen einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung sowie deren Familienangehörige ist der Kanton am letzten Wohn- oder Arbeitsort der arbeitslosen Person zuständig.

1.2.1.2.2

Verfahren

Die Durchführung der Prämienverbilligung liegt in der Kompetenz der Kantone. Für den neuen Personenkreis gelten die kantonalen Ausführungsbestimmungen zur Prämienverbilligung. Es ist den Kantonen freigestellt, für den neuen Personenkreis Änderungen der Ausführungsbestimmungen vorzunehmen, soweit sie nicht das Prinzip des Diskriminierungsverbotes von Artikel 2 des Abkommens verletzen (z.B. Antragssystem, Auszahlung der Prämienverbilligung an die für die ganze Familie zuständige Krankenkasse). Die Kantonsregierungen sollen die Möglichkeit erhalten, provisorische Regelungen auf Verordnungsebene zu erlassen, wenn das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nicht fristgerecht abgeschlossen werden kann.

Die GE wird die Kantone bei der Durchführung der Prämienverbilligung unterstützen. Da sie nach dem Abkommen für die Bereiche Krankheit und Mutterschaft aus4091

helfender Träger und Verbindungsstelle ist, verfügt sie über die notwendigen Kontakte zu den EG-Staaten. Die GE wird namentlich Berechnungsunterlagen für die Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten beziehungsweise der Kaufkraft in den EG-Staaten zuhanden der Kantone bereitstellen.

1.2.1.2.3

Finanzierung

Die Finanzierung der Prämienverbilligung an Versicherte mit Wohnort in einem EG-Staat und einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen Kanton wird gestützt auf Artikel 66 KVG über Beiträge des Bundes (2/3) und Beiträge der Kantone (insgesamt 1/3) erfolgen. Ein Festhalten an diesem Finanzierungsmodell ist für Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton umso mehr gerechtfertigt, als die Kantone wirtschaftlich gesehen in nicht unerheblichem Ausmass von EG-Bürgerinnen und -Bürgern und deren Aufenthalt in der Schweiz profitieren (Arbeitskraft, Steuern und Konsum) werden.

Gestützt auf Artikel 66 Absatz 3 KVG setzt der Bundesrat die Anteile der einzelnen Kantone am Bundesbeitrag nach deren «Wohnbevölkerung» und «Finanzkraft» fest.

Da zu den Personen mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton vor allem die Grenzgängerinnen und Grenzgänger und deren Familienangehörige gehören, rechtfertigt es sich, diese Versichertenkategorie in Artikel 66 Absatz 3 KVG als zusätzliches Kriterium für den Verteilungsschlüssel zu nennen. Dies bedingt eine Ergänzung des ersten Satzes von Absatz 3.

Die Berücksichtigung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger und deren Familienangehörige kommt vor allem den Grenzkantonen zugute. Ohne deren Einbezug würden sich für diejenigen Kantone, die bereits heute die gesamten zur Verfügung stehenden Bundesbeiträge beanspruchen, und die auf Grund ihrer Situation (Grenzkanton, überdurchschnittliche Anzahl von Saisonangestellten usw.) mit einem erheblich grösseren Kreis von Anspruchsberechtigten rechnen müssten, finanzielle Probleme ergeben, da dieselbe Prämienverbilligungssumme auf eine grössere Anzahl anspruchsberechtigter Personen aufgeteilt werden müsste. Betroffen wären vor allem die Kantone Basel-Stadt, Genf und Tessin, die als Hochprämienkantone in den nächsten Jahren ohnehin real mit weniger finanziellen Mitteln auskommen werden müssen: Zum einen liegt die jährliche prozentuale Zuwachsrate (1,5%) der Prämienverbilligungsgelder mit grosser Wahrscheinlichkeit unter der prozentualen Prämienentwicklung dieser Kantone, zum anderen fällt ab dem 1. Januar 2002 die Prämienhöhe als Kriterium für die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Prämienverbilligungssumme weg (Art. 106 Abs. 3 KVG).

Da den Kantonen zur Zeit bekannt ist, wie viele Grenzgängerinnen
und Grenzgänger bei ihnen erwerbstätig sind, bieten sich keine statistischen Vollzugsprobleme. Noch nicht bekannt ist jedoch, wie viele Grenzgängerinnen und Grenzgänger sich mit ihren Familienangehörigen in der Schweiz versichern werden, da viele von ihnen ein Optionsrecht haben werden. In einer Übergangsphase ist deshalb zu prüfen, wie die Anzahl grundversicherter Grenzgänger und Grenzgängerinnen sowie ihre Familienangehörigen mit einer Schätzung in die Berechnung einbezogen werden kann.

Da sich die Familienangehörigen von Kurz- und Jahresaufenthaltern und -aufenthalterinnen und von Niedergelassenen sowie die Bezüger und Bezügerinnen einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung sowie deren Familienangehörige gleichmässig auf alle Kantone verteilen dürften, ist eine spezielle Berücksichtigung 4092

dieser Personengruppen für den Verteilungsschlüssel in Artikel 66 Absatz 3 KVG nicht notwendig.

1.2.1.2.4

Vollzugsschwierigkeiten

Das BSV veröffentlicht in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung jeweils im April die Höchst- bzw. die Mindestbeträge der Bundes- bzw. der Kantonsbeiträge für das folgende Jahr. Da gegenwärtig noch keine definitiven Regelungen über die Prämienverbilligung an Versicherte mit Wohnort in einem EGStaat vorliegen, können den Kantonen noch keine Zahlen über die gestützt auf das Abkommen neu versicherungspflichtigen Personen abgegeben werden. Das BSV hat den Kantonen aber bereits mitgeteilt, dass die im April publizierten Zahlen auf Grund des Abkommens Änderungen erfahren werden, die erst nach Verabschiedung der vorliegenden Gesetzesänderung bekannt gegeben werden können. Dies hat zur Folge, dass die Kantone unter Berücksichtigung der neu zu versichernden Personen ihre Kosten für die Prämienverbilligung vorsichtig budgetieren müssen.

1.2.1.3

Bundesverfahren für Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz

1.2.1.3.1

Personenkreis

Als Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz gelten Bezüger und Bezügerinnen einer schweizerischen Rente und ihre nicht erwerbstätigen Familienangehörigen mit Wohnort in einem EG-Staat.

1.2.1.3.2

Verfahren

Das Bundesverfahren wird, soweit es nicht im vorliegenden Gesetz geregelt ist, auf Verordnungsstufe nach folgenden Kriterien ausgestaltet werden: ­

Reines Antragssystem;

­

Anspruch (bescheidene wirtschaftliche Verhältnisse): ­ Einkommen (auf der Basis der schweizerischen und/oder ausländischen Steuerveranlagung; zurzeit laufen entsprechende Abklärungen über die Steuer-/Fiskalsysteme in den 15 EG-Staaten); ­ Vermögen (auf der Basis der schweizerischen und/oder ausländischen Steuerveranlagung; zurzeit laufen entsprechende Abklärungen über die Steuer-/Fiskalsysteme in den 15 EG-Staaten); ­ Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten im Wohnland, Durchführung von Kaufkraftvergleichen gemäss Statistiken von internationalen Organisationen;

­

Mitwirkungspflicht der Versicherten (Angaben über die aktuellen Familienverhältnisse, Beibringen von Unterlagen zum Nachweis der bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse (Steuerveranlagung resp. Angaben zur Einkommens- und Vermögenssituation);

4093

­

Ausrichten der Prämienverbilligung an die Versicherer;

­

Vollzug (vgl. Ziff. 1.2.1.3.3 hiernach);

­

Finanzierung durch den Bund (vgl. Ziff. 1.2.1.3.4 hiernach);

­

Rechtspflege (vgl. Ziff. 1.2.1.3.5 hiernach).

1.2.1.3.3

Vollzug

Es stellt sich die Frage, welche Stelle die Prämienverbilligung für den Bund zu vollziehen hat. Der Bundesrat ist nach Prüfung verschiedener Varianten durch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) aus den nachfolgend aufgeführten Gründen zum Schluss gekommen, dass die GE die geeignete Vollzugsstelle ist.

Die GE ist eine von den Krankenversicherern gegründete Stiftung. Nach geltendem Recht sind ihr drei Aufgabenbereiche übertragen: Sie übernimmt die Kosten für die gesetzlichen Leistungen anstelle von zahlungsunfähigen Versicherern, sie führt den Risikoausgleich zwischen den Versicherern und die Leistungsaushilfe nach dem geltenden deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen durch. Der Bundesrat kann ihr ausserdem weitere Aufgaben zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen übertragen (Art. 18 Abs. 3 KVG). Nach dem Abkommen ist die GE für die Bereiche Krankheit und Mutterschaft überdies aushelfender Träger und Verbindungsstelle. Der GE werden zudem gestützt auf die vorliegende Gesetzesrevision Entscheidkompetenzen über die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Zuweisung von Rentnern und Rentnerinnen sowie deren Familienangehörige übertragen und die GE wird verpflichtet, die Kantone bei der Durchführung der Prämienverbilligung an Versicherte mit Wohnort in einem EG-Staat zu unterstützen. Es ist deshalb nahe liegend, dass sie für den Bund die Prämienverbilligung für Personen ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz durchführt. Für diese neuen Aufgaben ist bei der GE eine Personalaufstockung vorgesehen (vgl. Ziff. 3.1.3 hiernach).

1.2.1.3.4

Finanzierung

Der Bund übernimmt die Kosten für die Prämienverbilligung an Rentner und Rentnerinnen und ihre Familienangehörigen, die in einem EG-Staat wohnen (vgl.

Ziff. 3.1.1 hiernach). Der Bund erstattet der GE auch die Verwaltungskosten, die ihr bei der Durchführung der Prämienverbilligung entstehen, zurück (vgl. Ziff. 3.1.3 hiernach).

1.2.1.3.5

Rechtspflege

Gestützt auf Artikel 22 Absatz 1 der KVV sind bei Streitigkeiten zwischen der GE und einem Versicherten oder einer Person mit Ansprüchen nach internationalem Recht sowie zwischen der GE und einem Versicherer oder einem Leistungserbringer die Artikel 79 bis 91 KVG sinngemäss anwendbar. Danach sieht der Rechtsweg folgendermassen aus: Erlass einer Verfügung, Einspracheverfahren bei der GE, Beschwerdeverfahren an das kantonale Versicherungsgericht (in casu: Versicherungs4094

gericht des Kantons Solothurn), Beschwerdeverfahren an das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG). Bei der Erfüllung von Aufgaben als aushelfender Träger gemäss geltendem deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen und gemäss dem neuen Abkommen handelt die GE anstelle eines Krankenversicherers.

Dies rechtfertigt den in der KVV vorgesehenen Rechtsweg in einem Streitfall mit einem ausländischen Versicherten. Wenn die GE aber im Bereich Prämienverbilligung Entscheidkompetenzen erhält, handelt sie nicht mehr anstelle eines Krankenversicherers, sondern anstelle einer Bundesbehörde. In diesem Fall ist nicht einzusehen, weshalb das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zweitinstanzlich über sämtliche Prämienverbilligungsentscheide betreffend Rentnerinnen und Rentner sowie deren Familienangehörige, die in einem EG-Staat wohnen, entscheiden sollte.

Es ist sinnvoll, gegen solche Verfügungen der GE eine Beschwerdemöglichkeit an die bereits bestehende Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen, welche Beschwerden der im Ausland wohnenden AHV- und IV-Rentnerinnen und Rentner überprüft, vorzusehen. Die Entscheide dieser Eidgenössischen Rekurskommission können anschliessend mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim EVG angefochten werden.

1.2.2

Beitrittskontrolle und deren Finanzierung durch die Kantone

Aus den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens zum ersten Revisionspaket auf Verordnungsebene geht hervor, dass die Kantone der Übertragung der Beitrittskontrolle ablehnend gegenüber stehen (Ziff. 1.1.3 hiervor).

Die Beitrittskontrolle und deren Finanzierung muss aber gemäss geltendem Recht im Prinzip den Kantonen überbunden bleiben, mit Ausnahme einzelner Aufgaben, die der GE übertragen werden, weil diese nicht von den Kantonen wahrgenommen werden können. Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Beitrittskontrolle gehören zu den angestammten Aufgaben der Kantone. Eine Übertragung dieser Aufgaben an eine Bundesstelle ist wegen der besonderen Nähe der Kantone zu den Versicherten (Wohn- oder Arbeitsort in einem Kanton) abzulehnen. Zudem sind die Bestimmungen über die Befreiung von der Versicherungspflicht, die Zuweisung an einen Versicherer sowie die Orientierung der Rentner und Rentnerinnen vor deren Ausreise aus der Schweiz so formuliert, dass der Vollzug in den Kantonen unbürokratisch ablaufen kann. Überdies wird der Bund die Kantone rechtzeitig und umfassend informieren, damit sie ihre neuen Aufgaben besser bewältigen können.

1.2.3

Kontroll- und Zuweisungsaufgaben der gemeinsamen Einrichtung

Da die Rentner und Rentnerinnen sowie ihre Familienangehörigen, die in einem EGStaat wohnen, keinen aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton mehr haben, müssen in diesen Fällen die Kompetenzen, über Befreiungsanträge von der Versicherungspflicht zu entscheiden und Zuweisungen an einen Versicherer vorzunehmen, von den Kantonen auf die GE übertragen werden.

4095

2

Artikel 4a

Besonderer Teil: Erläuterung der einzelnen Bestimmungen Wahl des Versicherers für Versicherte mit Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft

Um einerseits das Verfahren der Beitrittskontrolle und weitere Bereiche der Versicherung (z.B. Prämieninkasso, Kostenübernahme für Leistungen) zu vereinfachen und andererseits um den Versicherungsschutz für die Personen, die neu dem Schweizer System unterstellt sind, zu verbessern, ist in Abweichung von den Artikeln 4 und 7 KVG vorgesehen, die nichterwerbstätigen Familienangehörigen, die auf Grund des Abkommens der schweizerischen Versicherung unterstellt sind (und weder eine Rente, noch eine Leistung der Arbeitslosenversicherung beziehen), beim selben Versicherer wie die erwerbstätige Person zu versichern. Das Recht, gestützt auf Artikel 4 KVG den Versicherer zu wählen, und das Recht, gestützt auf Artikel 7 KVG den Versicherer zu wechseln, steht gemäss dieser Vorlage derjenigen Person zu, die in der Schweiz erwerbstätig ist beziehungsweise die Bezüger oder Bezügerin einer schweizerischen Rente oder einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung ist. Die übrigen versicherungspflichtigen Familienangehörigen haben sich demselben Versicherer anzuschliessen, bei dem die Person versichert ist, von der sich ihre Versicherungspflicht ableitet. Dies soll einen besseren Versicherungsschutz der Familienangehörigen garantieren und stellt deshalb keine Diskriminierung dieser Personen dar. Eine solche Einschränkung der Wahlfreiheit des Versicherers entspricht im Übrigen auch dem Grundgedanken des Abkommens, wonach sich die Versicherungspflicht der Familienangehörigen von der Versicherungspflicht der erwerbstätigen oder rentenbeziehenden Person ableitet. Ein System, in welchem jeder Familienangehörige die freie Wahl des Versicherers hätte, würde überdies nicht mit den in den Mitgliedstaaten der EG geltenden Grundsätzen übereinstimmen.

Artikel 6a

Kontrolle des Beitritts und Zuweisung an einen Versicherer für Versicherte mit Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft

Absatz 1: Die in der Schweiz erwerbstätigen Bürger und Bürgerinnen eines EGMitgliedstaates mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung unterliegen wie bis anhin der kantonalen Kontrolle. Neu müssen die Kantone den Beitritt zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung der in der Schweiz erwerbstätigen Grenzgänger und Grenzgängerinnen (Schweizer Staatsangehörige sowie Bürger und Bürgerinnen eines EG-Staates) kontrollieren. Da die Kantone den ausländischen Grenzgängern und Grenzgängerinnen zur Zeit eine entsprechende Bewilligung ausstellen, sind sie auch in der Lage, die Einhaltung der Versicherungspflicht bei dieser Gruppe zu überprüfen. Das Gleiche gilt für Personen, die eine Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung beziehen (Information und Kontrolle über Arbeitslosenversicherungskassen oder regionale Arbeitsvermittlungsstellen). Die Kantone sind ausserdem verpflichtet, Rentner und Rentnerinnen, die ihren Wohnsitz von der Schweiz in einen Mitgliedstaat der EG verlegen, über die Versicherungspflicht zu informieren.

Absatz 2: Es wäre für die Kantone schwierig, alle Personen, die neu dem schweizerischen Recht unterstellt sind, zu kennen und zu informieren, vor allem, wenn sie in einem Mitgliedstaat der EG wohnen. Sie sind deshalb nur verpflichtet, die in der

4096

Schweiz erwerbstätige Person, die Person, die eine Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung bezieht und die Rentner und Rentnerinnen zu informieren.

Diese Information gilt automatisch für die in einem Mitgliedstaat der EG wohnhaften Familienangehörigen.

Die Kantone erhalten über die ihnen bekannten, in der Schweiz erwerbstätigen Personen Angaben über deren Familienangehörige, die in einem Mitgliedstaat der EG leben und nicht erwerbstätig sind, und überprüfen somit auch die Einhaltung der Versicherungspflicht der Familienangehörigen. Für die Ausübung der Versicherungskontrolle ist folgendes Formularverfahren vorgesehen, welches noch mit den Mitgliedstaaten der EG abgesprochen werden muss: Die Kantone händigen jeder Person, die in der Schweiz erwerbstätig ist und deren Familienangehörige in einem Mitgliedstaat der EG leben, ein spezielles Formular aus. Diese Person wählt einen Krankenversicherer aus und lässt sich bei ihm versichern. Sie schickt das Formular mit Angabe sämtlicher in der Schweiz versicherungspflichtiger Familienangehöriger an den aushelfenden Träger am Wohnort der Familienangehörigen. Der aushelfende Träger bestätigt die Richtigkeit der Angaben und schickt das Formular an die erwerbstätige Person zurück. Der bereits gewählte Schweizer Versicherer versichert die versicherungspflichtigen Familienangehörigen auf Grund des ausgefüllten Formulars. Um den Kantonen die Beitrittskontrolle zu erleichtern, melden die Versicherer der zuständigen kantonalen Behörde die bei ihnen versicherten Familienangehörigen. Die kantonale Behörde ist dafür besorgt, dass die erwerbstätige Person die nötigen Informationen über ihre Versicherung und diejenige der Familienangehörigen beibringt, ansonsten weist sie gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 KVG die erwerbstätige Person und/oder ihre Familienangehörigen einem Versicherer zu.

Die in der Schweiz erwerbstätige Person ist zudem verpflichtet, Änderungen in den Familienverhältnissen, die für die Versicherungspflicht von Bedeutung sind (zum Beispiel Geburt eines Kindes, Tod eines Familienangehörigen, Aufnahme der Erwerbstätigkeit eines Familienangehörigen), ihrem Versicherer umgehend zu melden.

Der Versicherer informiert den zuständigen Kanton.

Absatz 3: Da die Kantone für die Beitrittskontrolle zuständig sind, haben sie auch die Pflicht,
versicherungspflichtige Personen einem Versicherer zuzuweisen, sobald sie feststellen, dass sich diese nicht rechtzeitig versichert haben. Ausserdem müssen die Kantone auch über Anträge um Befreiung von der Versicherungspflicht entscheiden. Bei Rentnern und Rentnerinnen sowie ihren Familienangehörigen ist die GE für diese Aufgaben zuständig (Art. 18 Abs. 2bis und Abs. 2ter).

Absatz 4: Wie bereits zu den Absätzen 1 und 2 ausgeführt wurde, sollen die Versicherer mit Angaben über die bei ihnen versicherten Personen, die in einem EG-Staat wohnen, die Beitrittskontrolle der Kantone erleichtern. Absatz 4 erlaubt deshalb den Versicherern, die für die Beitrittskontrolle nötigen Daten an die zuständige kantonale Behörde weiterzugeben. Die Botschaft über die Anpassung und Harmonisierung der gesetzlichen Grundlagen für die Bearbeitung von Personendaten in den Sozialversicherungen10 sieht eine Änderung des KVG vor, indem die Bekanntgabe von Daten durch die Versicherer an die kantonalen Behörden im Falle eines Zahlungsverzugs beschränkt wird (vgl. Art. 84 des Entwurfs und die Bestimmungen über die

10

BBl 2000 255 (290-291)

4097

Schweigepflicht in Art. 83). Der in Absatz 4 vorgesehene Sachverhalt wird damit jedoch nicht abgedeckt.

Artikel 18 Absätze 2bis, 2ter, 2quater, 2quinquies und 5 bis Absatz 2bis: Mit dieser Bestimmung erhält die GE die Kompetenz, über Befreiungsanträge der Rentner und Rentnerinnen und ihren Familienangehörigen zu entscheiden. Diese Aufgabe kann mangels aktuellem Anknüpfungspunkt an einen Kanton nicht von einer kantonalen Stelle wahrgenommen werden.

Absatz 2ter: Der GE wird hiermit eine Zuweisungsaufgabe in denjenigen Fällen überbunden, in denen eine Zuweisung nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 6a Absatz 3 KVG durch eine kantonale Behörde mangels aktuellem Anknüpfungspunkt an einen Kanton nicht möglich ist.

In Absatz 2quater wird die GE beauftragt, die Kantone bei der Durchführung der Prämienverbilligung zu unterstützen. Da sie nach dem Abkommen für die Bereiche Krankheit und Mutterschaft aushelfender Träger und Verbindungsstelle ist, verfügt sie über die notwendigen Kontakte zu den EG-Staaten. Die GE wird namentlich Berechnungsunterlagen für die Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten beziehungsweise der Kaufkraft in den EG-Staaten zuhanden der Kantone bereitstellen.

Absatz 2quinquies: Der GE wird hiermit die Pflicht auferlegt, die Prämienverbilligung für Versicherte mit Wohnort in einem EG-Staat, welche keinen aktuellen Anknüpfungspunkt an einen Kanton mehr haben, durchzuführen.

Absatz 5bis: Die GE erfüllt die Aufgaben, die ihr in Artikel 18 Absatz 2bis bis Absatz 2quinquies übertragen werden, anstelle einer Bundesbehörde. Aus diesem Grunde sind die Kosten nicht wie bei den anderen Aufgaben der GE von allen Versicherern entsprechend ihrer Grösse zu tragen. Es rechtfertigt sich, dass der Bund die Finanzierung dieser Aufgaben übernimmt (vgl. Ziff. 3.1.3 hiernach).

Artikel 61a

Prämienerhebung für Versicherte mit Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft

Zur Sicherung des Inkassos wird in dieser Bestimmung festgehalten, dass die Prämien für die ganze Familie bei derjenigen Person, die in der Schweiz erwerbstätig ist oder die Bezüger oder Bezügerin einer schweizerischen Rente oder einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung ist, erhoben werden. Diese Bestimmung stützt sich auf den Grundsatz der Schweizer Rechtsprechung, wonach Versicherungsprämien und Kostenbeteiligungen der Familienangehörigen während des Zusammenlebens der Ehepartner unter den laufenden Bedürfnissen der Familie im Sinne von Artikel 166 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches11 (ZGB) zu subsumieren sind. Jeder Ehegatte kann im Rahmen der laufenden Bedürfnisse der Familie die eheliche Gemeinschaft vertreten und dafür haftbar gemacht werden.

Artikel 65a

Prämienverbilligung durch die Kantone für Versicherte, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wohnen

Für Versicherte mit einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton sollen die Kantone für die Durchführung und Finanzierung der Prämienverbilli11

SR 210

4098

gung gemäss dem heutigen System zuständig sein. Es handelt sich um die Grenzgänger und Grenzgängerinnen sowie deren versicherungspflichtige Familienangehörige, die versicherungspflichtigen Familienangehörigen von Kurz- und Jahresaufenthaltern und -aufenthalterinnen und von Niedergelassenen wie auch Bezüger und Bezügerinnen einer Leistung der schweizerischen Arbeitslosenversicherung sowie deren versicherungspflichtige Familienangehörige. Die Finanzierung erfolgt nach Artikel 66 KVG über Beiträge des Bundes (2/3) und Beiträge der Kantone (insgesamt 1/3). Die administrativen Mehraufwände, die sich bei den Kantonen ergeben werden, sind von den einzelnen Kantonen selbst zu tragen. Da der Bund entgegen dem heutigen System der Prämienverbilligung für eine bestimmte Versichertenkategorie ein Bundesverfahren durchführen wird, ist er nicht bereit, die zusätzlichen Verwaltungskosten der Kantone abzugelten.

Artikel 66 Absatz 3 Es wird vorgeschlagen, die zahlenmässig ins Gewicht fallende Versichertenkategorie der Grenzgänger und Grenzgängerinnen sowie ihre versicherungspflichtigen Familienangehörigen als zusätzliches Kriterium in den Verteilungsschlüssel von Artikel 66 Absatz 3 KVG, der die Anteile der einzelnen Kantone am Bundesbeitrag festsetzt, aufzunehmen. Dies wird zu einer Entlastung der insbesondere betroffenen Grenzkantone beitragen.

Artikel 66a

Prämienverbilligung durch den Bund für Versicherte, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wohnen

Für Versicherte ohne einen aktuellen Anknüpfungspunkt an die Schweiz soll der Bund für die Durchführung und Finanzierung der Prämienverbilligung zuständig sein. Wie unter Artikel 18 Absatz 2quinquies geregelt wird, überträgt der Bund diese Aufgabe der GE. Der Bund übernimmt auch die Verwaltungskosten, die der GE in diesem Zusammenhang erwachsen. Der Bundesrat wird das Bundesverfahren auf Verordnungsstufe näher regeln und dabei den Besonderheiten der betroffenen Versichertenkategorie (Wohnsitz in einem EG-Staat, kein Anknüpfungspunkt an die Schweiz) Rechnung tragen, indem er unter anderem ein reines Antragssystem und die Ausrichtung der Prämienverbilligung an die Versicherer vorsehen wird.

Artikel 90a

Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen

In denjenigen Fällen, in denen die GE anstelle einer Bundesbehörde Verfügungen erlässt und Entscheidkompetenzen gegenüber Rentnern und Rentnerinnen sowie ihren Familienangehörigen in den Bereichen Befreiung von der Versicherungspflicht, Zuweisung an einen Versicherer und Prämienverbilligung (Art. 18 Abs. 2bis, Abs. 2ter und Abs. 2quinquies) erhält, ist eine Beschwerdemöglichkeit an die bereits bestehende Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen vorzusehen. Die Entscheide dieser Eidgenössischen Rekurskommission können anschliessend mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim EVG angefochten werden.

Übergangsbestimmung Der vorgeschlagene neue Artikel 65a wird Anpassungen der kantonalen Ausführungsbestimmungen zur Folge haben. Deshalb sollen die Kantonsregierungen die 4099

Möglichkeit haben, provisorische Regelungen auf Verordnungsebene zu erlassen, wenn das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann.

Schlussbestimmung Der erste Absatz enthält die üblichen Schlussbestimmungen zu einem dringlich erklärten Bundesgesetz. Im zweiten Absatz wird geregelt, dass das dringlich erklärte Bundesgesetz gleichzeitig mit dem Abkommen in Kraft tritt. Es gilt längstens während sieben Jahren. Diese Befristung stimmt mit der Geltungsdauer des Abkommens überein (vgl. Ziff. 6.4 hiernach).

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1

Auswirkungen für den Bund

3.1.1

Kosten der Prämienverbilligung durch den Bund

Gestützt auf Modellrechnungen des BSV ist gegenwärtig von einer sehr geringen Anzahl von versicherungspflichtigen Rentnern und Rentnerinnen und ihren Familienangehörigen (ca. 24 000 Personen) auszugehen. Rechnet man bei dieser geschätzten Anzahl Personen mit einer Bezugsquote von 20 bis 31 Prozent (31 Prozent = Schweizer Mittel) und einer Prämienverbilligung von ca. 1000 Schweizer Franken pro Person und pro Jahr, ergibt dies einen jährlichen finanziellen Aufwand von 5 bis 8 Millionen Franken, den der Bund zu tragen hat. Zu berücksichtigen ist, dass die in der Regel hohe Kaufkraft einer Schweizer Rente im benachbarten Ausland eher tiefe Bezugsquoten erwarten lässt. Im Verhältnis zu den Prämienverbilligungsbeträgen des Bundes für das Jahr 2001, welche gemäss Bundesbeschluss vom 31. Mai 199912 über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung auf 2246 Millionen Franken festgesetzt wurden, stellt dies einen verschwindend kleinen Betrag dar.

3.1.2

Kosten für den Bund der Prämienverbilligung durch die Kantone

Im unter Ziffer 3.1.1 erwähnten Bundesbeschluss13 wurden die Bundesbeiträge für das Jahr 2001 zur Verbilligung der Prämien durch die Kantone für alle Versicherten, d.h. inklusive die neuen Versicherten mit Wohnort in einem EG-Staat und einem aktuellen Anknüpfungspunkt an einen Kanton, auf maximal 2246 Millionen Franken festgelegt. Da die versicherten Grenzgänger und Grenzgängerinnen und ihre Familienangehörigen als zusätzliches Kriterium für den Verteilungsschlüssel nach Artikel 66 Absatz 3 KVG aufgenommen werden, wird dies eine geringfügige Umverteilung der Bundesbeiträge auf die Kantone zur Folge haben. Es ist davon auszugehen, dass die Kantone etwas mehr Bundesbeiträge beanspruchen werden, da sie insgesamt für eine grössere Anzahl von Versicherten Prämienverbilligungen auszurichten haben werden. Dies wird auch zu einer entsprechenden Mehrbelastung der Kantone im Rahmen der unter Ziffer 3.2 erwähnten Kostenschätzungen führen.

12 13

BBl 1999 5179 BBl 1999 5179

4100

3.1.3

Verwaltungskosten der Gemeinsamen Einrichtung

Für die Durchführung der Prämienverbilligung für Rentner und Rentnerinnen und deren Familienangehörige rechnet die GE mit mindestens fünf Stellen. Je nach Ausgestaltung des Prämienverbilligungssystems und der Fiskalsysteme der EG-Staaten wird der Arbeitsaufwand grösser oder kleiner sein. Die von der GE geschätzten jährlichen Verwaltungskosten, die der Bund übernehmen muss, belaufen sich also auf 600 000 bis 700 000 Franken.

Für die ebenfalls der GE zugewiesenen Aufgaben gestützt auf Artikel 18 Absätze 2bis - 2quater (Entscheide über Befreiungsanträge, Zuweisung an einen Versicherer, Unterstützung der Kantone bei der Durchführung der Prämienverbilligung) benötigt die GE schätzungsweise 2,5 weitere Stellen. Das führt zu jährlichen Verwaltungskosten von ca. 310 000 Franken. Diese Kosten werden ebenfalls dem Bund belastet.

3.1.4

Verwaltungskosten der Rekursbehörde

Für die Rechtspflege gemäss Artikel 90a ist mit einem Mehrbedarf von ca. zwei Personen zu rechnen. Auch diese Kosten sind vom Bund zu übernehmen.

3.2

Auswirkungen für die Kantone

Es ist nicht möglich, für die einzelnen Kantone Angaben über das Ausmass der finanziellen und personellen Auswirkungen der vorliegenden Gesetzesrevision zu machen. Der von den Kantonen geltend gemachte zusätzliche Aufwand in den Bereichen Information, Beitrittskontrolle und Prämienverbilligung wird davon abhängen, wie viele Personen sich in der Schweiz versichern werden. Die Anzahl ist schwer abschätzbar, da sich Personen mit Wohnort in Deutschland, Italien, Finnland, Österreich und Portugal wahlweise im Wohnland oder in der Schweiz werden versichern können (Opting-out-System). Zudem sind die zusätzlichen Kosten der einzelnen Kantone davon abhängig, wie sich die neuen Versicherten auf die Kantone verteilen werden, und wie die kantonalen Systeme bezüglich Information, Kontrolle und Prämienverbilligung ausgestaltet sind beziehungsweise werden. In der Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG wird für die Prämienverbilligung an Personen mit Wohnort in einem EG-Staat (Durchführung und Finanzierung durch die Kantone für alle Versicherten gemäss bestehendem System) von Mehrkosten von 21 Millionen Franken für die Kantone ausgegangen. Betragen nun die Leistungen des Bundes für die Rentner und Rentnerinnen und ihre Familienangehörigen 5 bis 8 Millionen Franken, werden die Kantone noch mit Mehrkosten im Bereich der Prämienverbilligung von insgesamt rund 19 bis 20 Millionen Franken pro Jahr (21 Mio. Fr. abzüglich 1/3 von 5 bis 8 Mio. Fr.) zu rechnen haben. Wie sich diese auf die einzelnen Kantone verteilen werden, ist noch offen.

4101

3.3

Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Subventionsbestimmungen in Gesetzen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als zwei Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen. Die folgende Gesetzesbestimmung untersteht demzufolge der Ausgabenbremse: Artikel 66a.

3.4

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Umsetzung der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen des Abkommens für die Unternehmen zu keinen Änderungen im Vergleich zur geltenden Rechtslage führen wird.

3.5

Auswirkungen auf die Informatik

Die vorgesehenen Massnahmen in den Bereichen Information und Kontrolle der Versicherungspflicht und Prämienverbilligung sowohl auf kantonaler Ebene als auch auf Bundesebene können nur mit Hilfe der Informatik bewältigt werden. Die betroffenen Stellen werden frühzeitig dafür besorgt sein müssen, ihre Systeme den neuen Anforderungen anzupassen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1999­2003 nicht angekündigt. Sie ist jedoch vordringlich (vgl. Ziff. 6.3 hiernach) und wird daher schon im jetzigen Zeitpunkt vorgelegt.

5

Verhältnis zum europäischen Recht und WTO-Recht

Das Abkommen richtet sich nach dem EG-Recht und steht im Einklang mit den Regeln der WTO.

6

Rechtliche Grundlagen

6.1

Verfassungsmässigkeit

Das dringlich erklärte Bundesgesetz stützt sich auf die Artikel 117, 141 und 165 der Bundesverfassung.

Bei den vorliegenden Änderungen des KVG geht es darum, die notwendigen Anpassungen an das Abkommen vorzunehmen. Artikel 117 der Bundesverfassung gibt dem Bund eine umfassende Kompetenz zur Einrichtung der Krankenversicherung.

4102

6.2

Rechtsform

Die vorgeschlagenen Bestimmungen sollen in Form eines dringlich erklärten Bundesgesetzes erlassen werden. Gestützt auf Artikel 165 Absatz 1 der Bundesverfassung kann ein Bundesgesetz, dessen Inkrafttreten keinen Aufschub duldet, von der Mehrheit der Mitglieder jedes Rates dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt werden. Es ist zu befristen.

6.3

Dringlichkeit

Die zeitliche Dringlichkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass diese Gesetzesrevision gleichzeitig mit dem Abkommen in Kraft treten muss. Die Schweiz hofft auf ein Inkrafttreten auf den 1. Januar 2001, was unter der Voraussetzung möglich ist, dass die Ratifizierungsverfahren von den EG-Staaten zügig abgewickelt werden können.

Die Abkommen treten erst am ersten Tag des zweiten Monats nach der letzten abschliessenden Bekanntgabe der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden oder Genehmigungsbeschlüsse für alle sieben sektoriellen Abkommen in Kraft. Wie unter Ziffer 1.1.4 ausgeführt wird, wird die Schweiz gestützt auf das Abkommen verpflichtet, den in einem EG-Staat wohnhaften Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen zu gewähren. Die vorgeschlagenen Bestimmungen müssen also gleichzeitig mit dem Abkommen in Kraft treten.

Die Eidgenössischen Räte haben am 8. Oktober 1999 entschieden, den in der bundesrätlichen Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen vorgeschlagenen Artikel 66a (neu) KVG, welcher eine spezifische Regelung der Prämienverbilligung für Versicherte mit Wohnort in einem EG-Staat vorsah, zu streichen (vgl. Ziff. 1.1.1 hiervor). Danach führten die zwischen den Kantonen und dem BSV stattgefundenen Kontakte zu den vorliegenden Lösungen, die, wie unter Ziffer 1.1.5 ausgeführt wird, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Aus diesen Gründen können die vorgeschlagenen Bestimmungen erst jetzt vorgelegt werden.

6.4

Befristung

Das dringlich erklärte Bundesgesetz sollte längstens während sieben Jahren ab dem Inkrafttreten des Abkommens gelten. Diese Befristung stimmt mit der Geltungsdauer des Abkommens überein. Gestützt auf Artikel 25 Absatz 2 des Abkommens wird es für eine anfängliche Dauer von sieben Jahren geschlossen. Gemäss Artikel 2 Buchstabe a des Bundesbeschlusses über die Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz, der EG und ihren Mitgliedstaaten vom 8. Oktober 199914 entscheidet die Bundesversammlung mit einem referendumsfähigen Bundesbeschluss über die Weiterführung des Abkommens.

Zudem kann mit der Befristung auf sieben Jahre die Situation im Bereich der Durchführung der Prämienverbilligung für Personen mit Wohnort in einem EGStaat hinreichend analysiert und beurteilt werden.

14

BBl 1999 8764

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