99.086 Botschaft betreffend das Übereinkommen zum Schutz des Rheins vom 3. November 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das Übereinkommen vom 12. April 1999 zum Schutz des Rheins mit dem Antrag auf Genehmigung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. November 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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1999-5742

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Im Jahre 1950 hat die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins ihre Tätigkeit aufgenommen. Die formelle Institutionalisierung dieser Kommission erfolgte am 29. April 1963 durch den Abschluss der ,,Vereinbarung über die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung,,. Der Kommission gehören an Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz und seit 1976 auch die Europäische Gemeinschaft.

An der Konferenz vom 8. Dezember 1994 in Bern haben die für den Schutz des Rheins zuständigen Ministerinnen und Minister beschlossen, die Vereinbarung vom 29. April 1963 über die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung (SR 0.814.284) durch ein neues Übereinkommen zu ersetzen. Die Kommission ist beauftragt worden, auf der Grundlage der von der Ministerkonferenz 1994 festgelegten Leitlinien einen Entwurf für das neue Übereinkommen auszuarbeiten.

1.2

Verhandlungen

An der Rhein-Ministerkonferenz vom 22. Januar 1998 in Rotterdam ist das neue Übereinkommen abschliessend beraten und genehmigt worden. Im Hinblick darauf, dass die von der Europäischen Gemeinschaft erarbeitete, aber damals noch nicht verabschiedete Wasser-Rahmenrichtlinie eine Anpassung des Rheinschutz-Übereinkommens erforderlich machen könnte, wurde dieses an der Konferenz in Rotterdam noch nicht unterzeichnet. Auf Grund der in der Zwischenzeit erfolgten Weiterentwicklung der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie stellte sich heraus, dass eine Anpassung des Rheinschutz-Übereinkommens nicht erforderlich ist. Dieses ist am 12. April 1999 in Bern unterzeichnet worden.

1.3

Ergebnis

In Erweiterung der Bestimmungen der bestehenden Vereinbarung, die im Wesentlichen nur die Ermittlung und Verringerung der Rheinverschmutzung zum Ziel hat, erfolgt mit dem neuen Übereinkommen eine ökologisch ganzheitliche Betrachtung des Rheins. Insbesondere sollen die natürlichen Fliessgewässerfunktionen einschliesslich der freien Fischwanderung gewährleistet werden. Bei technischen Ausbaumassnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes, der Schifffahrt und der Wasserkraftnutzung müssen die ökologischen Erfordernisse berücksichtigt werden.

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1.4

Konsultation der Kantone und der interessierten Kreise

Die Kantone und die betroffenen Wirtschafts- und Umweltschutzorganisationen sind im Verlauf der Verhandlungen konsultiert worden; ihre Anträge und Meinungen wurden bei den Beratungen berücksichtigt.

2

Besonderer Teil

2.1

Kommentar zu den einzelnen Artikeln des Übereinkommens

Das Übereinkommen legt die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit der Vertragsparteien, Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung des Ökosystems Rhein und Grundsätze, insbesondere zur Vorsorge und Vorbeugung, fest.

In den Artikeln 1 - 4 werden Begriffe definiert, der Geltungsbereich des Übereinkommens festgelegt sowie die Zielsetzungen und die Grundsätze umschrieben. Während der Rhein im Sinne des Übereinkommens weiterhin am Ausfluss des Untersees beginnt, ergeben sich für die Niederlande im Mündungsgebiet einige Veränderungen. In Anlehnung an die Bestimmungen der EU-Wasser-Rahmenrichtlinie umfasst der Geltungsbereich neu auch das Grundwasser, das in Wechselwirkung mit dem Rhein steht.

Artikel 5 umschreibt die Verpflichtungen der Vertragsparteien. Diese umfassen die Zusammenarbeit, die Informationspflicht und die Durchführung von Untersuchungen. Die Vertragsparteien haben sicherzustellen, dass die erforderlichen Massnahmen zum Schutz des Rheins auf ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet getroffen werden.

Bei Stör- oder Unfällen sind die Oberlieger verpflichtet, die Unterlieger zu informieren.

In den Artikeln 6 - 9 werden die Organisation der Kommission sowie deren Aufgaben und die Modalitäten der Beschlussfassung geregelt. Die Organisation erfährt gegenüber der bisherigen Vereinbarung keine wesentlichen Änderungen. Hingegen erhält die Kommission neu Rechts- und Geschäftsfähigkeit.

Ebenfalls beibehalten wurden in Artikel 10 die Modalitäten der Beschlussfassung der Kommission (Grundsatz der Einstimmigkeit). Dagegen wurde die Durchführung der Beschlüsse über Massnahmen zur Verwirklichung der Zielsetzungen des Übereinkommens in Artikel 11 neu ausführlicher geregelt: Zwar richtet die Kommission solche Beschlüsse an die Vertragsparteien nach wie vor (lediglich) als Empfehlungen (Abs. 1). Die Kommission kann aber diesbezüglich Zeitpläne und eine koordinierte Durchführung beschliessen (Abs. 2), und es wird eine Berichtspflicht der Vertragsparteien eingeführt (Abs. 3). Diese besteht insbesondere dann, wenn eine Vertragspartei solche Beschlüsse nicht oder nur teilweise durchführen kann. Jede Delegation kann in solchen Fällen Konsultationen beantragen. Auf Grund der Berichte oder der Konsultationen kann die Kommission sodann Massnahmen beschliessen, um die Durchführung der Beschlüsse zu fördern (Abs. 4). Auch
derartige Beschlüsse über Massnahmen können indessen über reine Empfehlungen nicht hinausgehen (Abs. 1); d.h. sie haben in den Vertragsstaaten keine direkte Rechtswirkung, sondern müssen von diesen gegebenenfalls ins innerstaatliche Recht umgesetzt werden, in der Schweiz zum Beispiel durch eine Verordnung des Bundesrates oder des UVEK nach Artikel 51 der Gewässerschutzverordnung.

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Artikel 12 befindet über das ständige Sekretariat der Kommission und die Modalitäten für die Festlegung des Sitzes. Nach dem Unterzeichnungsprotokoll bleibt Koblenz (Deutschland) Sitz der Kommission.

Artikel 13 enthält die Grundsätze für die Kostenaufteilung des jährlichen Haushaltes. Während die prozentuale Verteilung der Kosten in der bisherigen Vereinbarung festgelegt war, wird die Kostenaufteilung neu in der Geschäfts- und Finanzordnung der Kommission bestimmt. Danach soll der schweizerische Anteil an den Kosten weiterhin 12 Prozent betragen.

In Artikel 14 werden die Einzelheiten über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und anderen Stellen geregelt. Insbesondere wird festgelegt, dass die Kommission neu mit nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeitet, wobei die Kommission diese Organisationen als Beobachter anerkennen kann. In erster Linie soll die Zusammenarbeit mit den interessierten Umweltschutz- und den betroffenen Industrieverbänden gefördert und intensiviert werden.

Die Artikel 15 - 18 legen die Arbeitssprachen, die Streitbeilegung, das Inkrafttreten des Übereinkommens und die Kündigung fest. Neu wird Niederländisch als Arbeitssprache eingeführt.

Artikel 19 regelt die Aufhebung und die Fortgeltung des bisherigen Rechts. Mit dem neuen Übereinkommen wird das 1976 abgeschlossene Übereinkommen zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung (Chemieübereinkommen SR 0.814.284.5) aufgehoben. Es wird jedoch sichergestellt, dass die auf der Grundlage des Chemieübereinkommens gefassten Beschlüsse und Empfehlungen weiterhin Gültigkeit haben. Ausserdem wird festgelegt, dass der Kostenverteiler der bisherigen Vereinbarung so lange bestehen bleibt, bis die Kommission eine andere Aufteilung in der Geschäfts- und Finanzordnung beschlossen hat.

Nach Artikel 20 behält die Schweizerische Eidgenossenschaft ihre Funktion als Depositarstaat.

Im Anhang ist das Schiedsverfahren (vgl. Art. 16 Abs. 2) festgelegt. Das Schiedsgericht entscheidet nach den Regeln des Völkerrechts und nach den Vorschriften des Übereinkommens.

2.2

Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht

Die Schweiz hat keine besonderen Schwierigkeiten damit, die grundlegenden Verpflichtungen des neuen Übereinkommens zu erfüllen. Die Rahmenbedingungen des Übereinkommens gehen nicht über die bisher in internationalen Gewässerschutzübereinkommen eingegangenen Verpflichtungen hinaus. Es ist nicht erforderlich, das nationale Gewässerschutzrecht zu erweitern oder zu verschärfen.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1

Bund und Kantone

Damit auf Bundesebene die aktive Mitarbeit in der Rheinschutzkommission sichergestellt werden kann, sind keine zusätzlichen Arbeitskräfte erforderlich.

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Als Vertragspartei hat die Schweiz wie bisher für den Haushalt der Kommission und Rhein-Untersuchungen mit jährlichen Kosten von rund 250 000 Franken zu rechnen.

Durch die Einhaltung der Verpflichtungen nach dem neuen Übereinkommen entstehen den betroffenen Rheinanliegerkantonen keine Mehrkosten und es sind keine zusätzlichen personellen Mittel erforderlich.

3.2

Wirtschaft

Aus der Umsetzung des Übereinkommens ergeben sich keine zusätzlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft.

4

Legislaturplanung

Das Übereinkommen zum Schutz des Rheins ist im Bericht vom 18. März 1996 über die Legislaturplanung 1995 - 1999 (BBl 1996 II 357) unter den ,,Weiteren Geschäften,, der Aussenbeziehungen aufgeführt.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Europäische Gemeinschaft ist Vertragspartei des Übereinkommens zum Schutz des Rheins. Das neue Übereinkommen ist mit dem europäischen Recht, insbesondere mit der künftigen EU-Wasser-Rahmenrichtlinie (vgl. Ziff. 1.2) kompatibel.

6

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlage für den Abschluss des Übereinkommens ist Artikel 54 der neuen Bundesverfassung (nBV), nach welchem der Bund das Recht hat, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung, das Übereinkommen zu genehmigen, beruht auf Artikel 166 Absatz 2 nBV.

Das Übereinkommen kann frühestens 3 Jahre nach dem Inkrafttreten jederzeit auf das Ende des auf die Kündigung folgenden Jahres gekündigt werden und sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss über seine Genehmigung unterliegt deshalb nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d nBV.

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