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85.036

Botschaft betreffend das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial

vom 22. Mai 1985

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial mit dem Antrag auf Genehmigung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung, 22. Mai 1985

1985-442

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Purgier Der Bundeskanzler: Buser

15 Bundesblatt. 137.Jahrgang. Bd.II

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Übersicht Das am 3. März 1980 am Sitz der Internationalen Atomenergieorganisation in Wien und der Vereinigten Nationen in New York zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen über den physischen Schutz1** von KernmateriaW hat zum Zweck, diesen Schutz im Rahmen der friedlichen Nutzung des Kernmaterials bei internationalen Transporten in einem bestimmten Ausmass zu gewährleisten und zwischenstaatlich zu koordinieren. Es verpflichtet die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit bei der Wiederbeschaffung von entwendetem Kernmaterial und zur Schaffung der Rechtsgrundlagen, um Straftaten im Zusammenhang mit Kernmaterial bei internationalen Transporten oder im innerstaatlichen Bereich zu verfolgen und zu ahnden.

') «Physischer Schutz» ist die wörtliche Übersetzung des englischen «Physical Protection», worunter man den Schutz von Kernmaterial gegen Entwendung und rechtswidrige Verwendung sowie den Schutz der Kernanlagen versteht. In der Schweiz wird dafür offiziell der Begriff «Sicherung» verwendet.

2 > In der schweizerischen Gesetzgebung steht für «Kernmaterial» «Radioaktive Kernbrennstoffe», was nicht ganz zutreffend ist. Der schweizerische Ausdruck wird deshalb bei Gelegenheit geändert werden.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Vorgeschichte

Die Wichtigkeit von Schutzmassnahmen gegen Entwendung von Kernmaterial und gegen Sabotage von Kernanlagen hat sich mit zunehmender Nutzung der Kernenergie immer mehr bestätigt. Wenn auch die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Sicherung (siehe Übersicht, Fussnote 1) allein bei den Staaten liegt, auf deren Territorium sich das Kernmaterial und die Kernanlagen befinden, so kann es doch Drittstaaten nicht gleichgültig sein, wie jene ihren Verpflichtungen nachgehen. Die Sicherung ist dadurch ein Bereich von internationalem Interesse und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten geworden. Dies ist besonders offensichtlich bei Transporten von Kernmaterial über nationale Grenzen hinaus.

Diese Erkenntnis hatte sich auch in einer Erklärung der Konferenz vom Mai 1975 zur Überprüfung des Atomsperrvertrags niedergeschlagen. Es wurde darin festgehalten, dass ein wachsendes Bedürfnis für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit zur Gewährleistung einer genügenden Sicherung von potentiell gefährlichem Kernmaterial bestehe, und von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) wurde verlangt, dass sie konkrete Empfehlungen für die Sicherung von Kernmaterial während dessen Nutzung, Lagerung und Beförderung ausarbeite. Ferner wurden alle Staaten mit friedlichen nuklearen Tätigkeiten aufgerufen, internationale Abkommen und Abmachungen in dieser Richtung zu schliessen.

Der Aufruf wurde an der Generalkonferenz der IAEO im September 1975 in einer Resolution den Mitgliedstaaten weitergegeben, in welcher diese aufgefordert wurden, die Sicherung ihrer Kernanlagen und Kernmaterialien wenn nötig zu verstärken und Mittel und Wege zu suchen, um die internationale Zusammenarbeit bei der Lösung der gemeinsamen diesbezüglichen Probleme zu erleichtern. Die auf frühere Arbeiten der IAEO abgestützten, aber revidierten Empfehlungen wurden im Juni 1977 als lAEO-Publikation «INFCIRC/225 (Rev. I)» unter dem Titel «The Physical Protection of Nuclear Material» zuhanden der Mitgliedstaaten veröffentlicht.

Mit der Einberufung einer internationalen Konferenz Ende 1977 am Sitz der IAEO in Wien zur Erarbeitung des vorliegenden Übereinkommens hat der Generaldirektor der Organisation die Resolution von 1975 konkretisiert. Ende 1979 waren die Arbeiten der Konferenz abgeschlossen.

Die Schweiz war an dieser Konferenz
durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, das Bundesamt für Polizeiwesen und das Bundesamt für Energiewirtschaft vertreten.

Bis Mitte April 1985 ist das Übereinkommen von 39 Staaten - darunter alle Nachbarstaaten der Schweiz - und der Euratom unterzeichnet und von elf Staaten ratifiziert worden. Für das Inkrafttreten sind 21 Ratifikationen nötig.

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12

Würdigung

Die Zielsetzung der Sicherung von Transporten von Kernmaterial und jener von Kernanlagen ist dieselbe: Es muss verhindert werden, dass Mensch und Umwelt durch eine Einwirkung Dritter (z.B. Sabotage, Entwendung) insbesondere radiologischen Gefahren ausgesetzt werden könnten und dass Kernmaterial für die Herstellung von Kernsprengkörpern missbraucht wird. Trotzdem hat die Sicherung in diesen zwei Fällen zwei grundlegend verschiedene Aspekte. Im ersten Fall sind nämlich vorwiegend Sicherungsmassnahmen zu treffen, die einer möglichen Entwendung des Materials während des Transportes entgegenwirken, während es im zweiten Fall vor allem um den Schutz der Anlagen gegen Sabotage geht, damit das Abschalten des Reaktors und die anschliessende Kühlung der Brennelemente garantiert werden kann; dieser Schutz ist aber zugleich auch gegen Entwendungen wirksam, da er zum Beispiel Massnahmen umfasst, die den Zugang zu gewissen Gebäuden erschweren, in denen sich auch das Kernmaterial befindet.

Es wäre folgerichtig gewesen, im vorliegenden Übereinkommen beide Aspekte zu erfassen. Die Sicherung bei der nationalen Nutzung der Kernenergie wurde jedoch von verschiedenen Staaten als rein souveräne Angelegenheit betrachtet.

Um einen möglichst grossen Konsens und damit eine möglichst breite Abstützung des Übereinkommens zu erreichen, wurde auf dieses Konzept verzichtet.

So gilt denn der volle Inhalt des Übereinkommens nur dem Kernmaterial, das sich auf Transporten befindet, und auch hier wurde aus denselben Beweggründen eine Einschränkung auf internationale Transporte vorgenommen, auf einen Bereich allerdings, in welchem sich eine internationale Zusammenarbeit geradezu aufdrängt.

Die Vertragsstaaten sind demnach verpflichtet, Kernmaterial auf internationalen Transporten unter ihrer Hoheitsgewalt in einem in Empfehlungen der Internationalen Atomenergieorganisation festgelegten Umfang zu sichern. Für die Schweiz bringt dies keine Änderung der Praxis, da sie als Mitglied dieser Organisation diese Empfehlungen auf alle Transporte bereits anwendet.

Dass nach dem Übereinkommen solche Transporte nur zugelassen werden dürfen, wenn die Sicherung lückenlos bis zum Ende des Transports von allen beteiligten Ländern garantiert wird, ist logisch und sinnvoll, ebenso die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit in bezug auf
die Wirksamkeit und allenfalls die Verbesserung der Sicherung und auf die Wiederbeschaffungsmassnahmen bei Entwendung von Kernmaterial. Mit der Ratifikation des Übereinkommens kann jeder Staat ausdrücken, dass er die Sicherung von Kernmaterial ernst nimmt. Für die Schweiz ergibt sich damit zudem die Möglichkeit, ihre Solidarität mit den ändern Staaten im nuklearen Nonproliferationsbereich unter Beweis zu stellen.

Die Bestimmungen über die Rechtshilfe und die Auslieferung entsprechen denjenigen anderer Übereinkommen, die die Schweiz ratifiziert hat, zum Beispiel des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt.

Das gleiche gilt für die vertragstechnischen Bestimmungen. Die Schweiz hat solche schon verschiedentlich akzeptiert, so im Atomsperrvertrag.

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Die Tatsache, dass eine Mehrheit der Unterzeichnerstaaten einen Vorbehalt zum vorgesehenen Schiedsverfahren oder zu einem Entscheid des Internationalen Gerichtshofes bei Streitfällen angebracht hat, soll die Schweiz nicht daran hindern, ihre bisherige Politik bei internationalen Abkommen durch eine vorbehaltslose Ratifikation weiterzuführen.

Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens in einem Schritt vornimmt.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Zur Präambel Die Präambel enthält in Form programmatischer Erklärungen die Motive des Vertragsabschlusses und andere Feststellungen, welche vor allem Bedeutung als Direktiven bei der Auslegung der materiellen Bestimmungen des Vertrages haben.

Hervorgehoben zu werden verdient hier die im ersten Absatz enthaltene Anerkennung des Rechts aller Staaten zur Entwicklung und Anwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke. Es darf folglich keine Bestimmung des vorliegenden Übereinkommen so interpretiert werden, als schränke sie dieses Recht ein.

Die Bekräftigung dieses auch im Atomsperrvertrag stipulierten Prinzips der Freiheit der friedlichen Nutzung der Kernenergie erhält gerade heute, wo bei einigen wichtigen Lieferstaaten Tendenzen zur Beschneidung dieses grundlegenden und aus der Souveränität der Staaten fliessenden Rechts manifest werden, seine spezielle Bedeutung. Das Übereinkommen hat nach Absatz 2 auch die Erleichterung der friedlichen nuklearen Zusammenarbeit zwischen den Staaten zum Ziel. Davon ausgehend, dass das Übereinkommen eine Harmonisierung des Niveaus der Sicherung von Kernmaterialien bei internationalen 'Transporten zwischen den Vertragsstaaten sowie eine Angleichung der Bestimmungen über Straftatbestände der einzelnen Staaten bringt, trägt sie bestimmt dazu bei.

Der letzte Abschnitt macht deutlich, dass die Vorschriften des Abkommens für Kernmaterial, das für die militärische Verwendung bestimmt ist, nicht gelten.

Diese Einschränkung des Anwendungsbereiches ist aus der Zielsetzung des Übereinkommens heraus (Verhinderung der Abzweigung von Kernmaterial und damit Verhütung eines Missbrauchs desselben) nicht gerechtfertigt, entspricht jedoch offensichtlich dem Bedürfnis nach militärischer Geheimhaltung.

Artikel l Definitionen Die Definition von Kernmaterial (Bst. a und b) weicht insofern von jener in den IAEO-Statuten ab, als sie nicht nur Plutonium 239, sondern alle Isotope des Plutoniums bis zu einem Gehalt von 80 Prozent Plutonium 238 umfasst und indem sie abgereichertes Uran und Thorium sowie Erze und Erzrückstände ausklammert. Dies hat im ersten Fall keine Bedeutung, da Plutonium 239 ohnehin nur zusammen mit den anderen Isotopen auftritt. Im zweiten Fall wären die möglichen Folgen eines Missbrauchs zu gering, als dass sich internationale Sicherungsmassnahmen rechtfertigen Hessen. Dasselbe gilt für Plutonium mit ei365

nem Gehalt von mehr als 80 Prozent Plutonium 238. Die Definition von Kernmaterial weicht auch ab von derjenigen im Kernenergiehaftpflichtgesetz (SR 732.44), die ebenfalls auf internationalen Übereinkommen beruht.

Nach Buchstabe c beginnt ein internationaler Transport dort, wo die Ware die Anlage im Absenderland verlässt, und endet mit der Ankunft in der Anlage des Empfängerlandes.

Artikel 2 Dieser Artikel umschreibt den Geltungsbereich des Übereinkommens: Es regelt die internationalen Transporte des für friedliche Zwecke genutzten Kernmaterials (Ziff. 1) und, mit Ausnahme der auf solche Transporte beschränkten Artikel (Art. 3, 4 und 5, Ziff. 3), dessen innerstaatliche Nutzung, Lagerung und Transporte (Ziff. 2). Ziffer 3 präzisiert das in der Präambel postulierte Recht aller Staaten zur friedlichen Nutzung der Kernenergie: Nichts in diesem Übereinkommen ausser die in Ziffer 2 ausdrücklich übernommenen Verpflichtungen kann dieses souveräne Recht berühren.

Artikel 3 Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, im Rahmen des nationalen und internationalen Rechts nach seinen Möglichkeiten die nötigen Schritte zur Sicherung von Kernmaterial bei internationalen Transporten innerhalb seines Territoriums und an Bord von Schiffen oder Flugzeugen unter seiner Hoheitsgewalt zu unternehmen, soweit diese Schiffe oder Flugzeuge von diesem Staat weg oder zu diesem Staat führen. Die Verpflichtung zur Sicherung betrifft also nur Absender- und Empfängerstaat, nicht aber generell den Staat, in welchem die Transportmittel registriert sind. Der Umfang der Sicherung richtet sich nach dem Anhang I und entspricht den in der Vorgeschichte erwähnten Empfehlungen der IAEO. Als Mitglied dieser Organisation hält sich die Schweiz schon jetzt an diese Richtlinien.

Artikel 4 In diesem Artikel werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen die Vertragsstaaten internationale Transporte von Kernmaterial zulassen dürfen: Ausfuhren (Ziff. 1), Einfuhren aus Nichtvertragsstaaten (Ziff. 2) und Transporte zwischen Nichtvertragsstaaten durch das Territorium eines Vertragsstaates oder durch dessen Flug- oder Seehäfen (Ziff. 3) sollen von diesem nur dann erlaubt werden, wenn er Zusicherungen erhalten hat, dass das betreffende Kernmaterial während des internationalen Transports in dem in Anhang I beschriebenen Umfang gesichert wird. Dieselben
Sicherungsmassnahmen sind bei Transporten zwischen Teilgebieten eines Staates anzuwenden, wenn die Transporte durch internationale Wasserwege oder durch internationalen Luftraum führen (Ziff. 4).

Der Vertragsstaat, der sich diese Zusicherungen beschaffen muss, unterrichtet im voraus die Staaten, die ebenfalls von einem solchen Transport betroffen werden (Ziff. 5).

Die Verantwortung für die Beschaffung der Zusicherungen im Zusammenhang mit Exporten kann in gegenseitigem Einverständnis auf den importierenden Staat übertragen werden (Ziff. 6).

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Dieser Artikel darf indessen nicht so ausgelegt werden, als berühre er in irgendeiner Weise die territoriale Souveränität und die Hoheitsgewalt eines Staates (Ziff. 7).

Artikel 5 Die Vertragsstaaten geben einander direkt oder über die IAEO die für die Sicherung von Kernmaterial und die Koordination der Wiederbeschaffung und der anderen Massnahmen ernannten Behörden bekannt, die bei unbefugten Tätigkeiten mit Kernmaterial oder deren Androhung zuständig sind (Ziff. 1). Dies ist im ersten Fall das Bundesamt für Energiewirtschaft, im zweiten die Bundesanwaltschaft.

Sie gewähren bei Entwendung von Kernmaterial oder deren Androhung jedem Staat auf dessen Ersuchen hin im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts Unterstützung bei der Wiederbeschaffung und beim Schutz des betroffenen Materials (Ziff. 2, Bst. b ii und iii). Dazu gehört die Orientierung der allenfalls betroffenen Staaten und unter Umständen der internationalen Organisationen über ein solches Ereignis (Bst. a), der Informationsaustausch zwecks Schutz beziehungsweise Wiederbeschaffung des entwendeten Kernmaterials oder Verifikation des Ereignisses (Prüfung des Versandbehälters) und die Bestimmung und Koordination der Massnahmen (Bst. b, Bst. b i).

Ziffer 3 verpflichtet die Vertragsstaaten, direkt oder über internationale Organisationen zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu konsultieren, um sich über den Aufbau, den Betrieb und die Verbesserung der Sicherungssysteme zu orientieren. Diese Verpflichtung ist1 im Gegensatz zum übrigen Inhalt des Artikels auf internationale Transporte von Kernmaterial beschränkt worden, um den Bedenken jener Staaten Rechnung zu tragen, die befürchteten, dass sonst die Möglichkeit für eine Einmischung anderer Staaten bei der Lösung ihrer Sicherungsprobleme auf rein nationaler Ebene gegeben wäre.

Artikel 6 Die Vertragsstaaten und die internationalen Organisationen müssen die Vertraulichkeit von Informationen, die sie von einem ändern Vertragsstaat oder durch die Teilnahme an einer Massnahme aufgrund dieses Übereinkommens erhalten, in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht wahren (Ziff. 1).

Informationen müssen nicht preisgegeben werden, wenn das innerstaatliche Recht dem entgegensteht oder die Sicherheit des betreffenden Staates oder die Sicherung von Kernmaterial gefährdet würden (Ziff. 2).

Nach der
Praxis werden bei Transporten von Kernmaterial Informationen über Behälter und allenfalls Spezialfahrzeuge bekannt gegeben. Es wird somit in der Regel nichts gegen eine Bekanntgabe sprechen.

Artikel 7 In diesem Artikel werden die Straftaten umschrieben, die von den Vertragsstaaten entsprechend ihrer Schwere mit Strafe bedroht werden müssen. Sie sind alle durch die bestehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches (SR 311.0) und des Bundesgesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den 367

Strahlenschutz (Atomgesetz; SR 732.0) abgedeckt. So entsprechen den Straftatbeständen, die in Ziffer l Buchstabe a besehrieben sind, die Artikel 29-32 und 35 des Atomgesetzes bzw. die Artikel 111-113, 117, 122, 129 und 145 des Strafgesetzbuches und den in den Ziffern l Buchstaben b-g beschriebenen Straftatbeständen die Artikel 137, 139, 140, 148, 156, 180, 181, 185, 258, 285 sowie 21-26 des Strafgesetzbuches.

Im Rahmen der Revision des Atomgesetzes wird dabei zu beachten sein, dass die von Artikel 7 des Übereinkommens geschaffenen Verpflichtungen weiterhin eingehalten werden.

Artikels Ziffer l verpflichtet einen Vertragsstaat, seine Gerichtsbarkeit zu schaffen, wenn eine der in Artikel 7 umschriebenen Straftaten auf seinem Hoheitsgebiet (Territorialprinzip), auf einem bei ihm registrierten Schiff oder Flugzeug (Flaggenprinzip) oder durch einen seiner Staatsangehörigen (Prinzip der aktiven Personalität) begangen worden ist. Diese Verpflichtung bringt für die Schweiz nichts, was nicht schon bereits aufgrund der Artikel 3 und 6 des Strafgesetzbuches sowie nach Artikel 4 Absatz 4 des Seeschiffahrtgesetzes (SR 747.30) und nach Artikel 97 Absatz l des Luftfahrtgesetzes (SR 748.0) geltendes Recht ist.

Die aus Ziffer 2 folgende Verpflichtung, dass schweizerische Gerichtsbarkeit für den Fall bestehen muss, dass der Täter in der Schweiz ergriffen und nicht ausgeliefert wird, entspricht Artikel 6 Ziffer l des von der Schweiz ratifizierten europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus (SR 0.353.3).

Sie wird durch Artikel 6bis Ziffer l Strafgesetzbuch abgedeckt (vgl. Ziff. 32 der Botschaft vom 24. März 1982 über das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus und eine Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches; BB1 1982 II 1).

Ziffer 3 besagt, dass das Übereinkommen keine nach nationalem Recht bestehende Strafgerichtsbarkeit ausschliesst, und Ziffer 4 gewährt den Vertragsstaaten das Recht, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts in weiteren Fällen ihre Gerichtsbarkeit zu begründen. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass namentlich bei einer während eines internationalen Transports begangenen Straftat sich mehrere Staaten zuständig erklären, ein und dasselbe Delikt zu beurteilen.

Artikel 9 Der Vertragsstaat, in dem sich eine Person befindet, welche einer in
Artikel 7 aufgezählten Straftat beschuldigt wird, muss die notwendigen Massnahmen treffen, um die Anwesenheit dieser Person während des Straf- oder Auslieferungsverfahrens sicherzustellen. Zu diesen Massnahmen kann die Inhaftierung des Verfolgten gehören, wozu nach den Regeln der im Einzelfalle anwendbaren Strafprozessordnung oder des Rechtshilfegesetzes vorzugehen ist. Für die getroffenen Massnahmen besteht eine Mitteilungspflicht.

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Artikel 10 Zur Verpflichtung, die Angelegenheit den zuständigen Behörden zur Strafverfolgung zu überweisen, wenn der Täter nicht ausgeliefert wird, erübrigen sich besondere Bemerkungen.

Artikel H Dieser Artikel entspricht genau dem Artikel 8 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (Abkommen von Montreal; SR 0.748.710.3). Entsprechende Bestimmungen lassen sich in Artikel 8 des Übereinkommens zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (Übereinkommen von Den Haag; SR 0.748.710.2} und in Artikel 10 des Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei (SR 0.311.51) finden.

Das Übereinkommen verpflichtet alle Vertragsstaaten, die in Artikel 7 bezeichneten Delikte als Auslieferungsdelikte zu behandeln. Dies ist durch die Formulierung von Artikel 35 Absatz l Buchstabe a des Rechtshilfegesetzes (SR 351.1} gewährleistet. Die Übereinkommensregelung bringt für die Schweiz aber nur, dass wegen der fraglichen Delikte die Auslieferung zulässig ist, wobei die übrigen Bedingungen eines mit dem ersuchenden Staat geschlossenen Auslieferungsvertrages oder des schweizerischen Rechtshilfegesetzes zu beachten sind (Art. 11 Ziff. l und 2). Insbesondere wird kein Anspruch auf Auslieferung gewährt.

Entsprechend bringt Artikel 11 Ziffer 3 des Übereinkommens keine bindende Lösung für diejenigen Staaten, welche nur ausliefern, wenn mit dem ersuchenden Staat ein Auslieferungsvertrag abgeschlossen worden ist.

Mit Rücksicht auf die angelsächsischen Staaten musste die Ergänzung in Ziffer 4 aufgenommen werden, weil andernfalls diese Staaten die Auslieferung verweigern könnten wegen Handlungen, welche außerhalb des Hoheitsgebietes des ersuchenden Staates begangen worden sind. Das in Artikel 8 Ziffer l Buchstabe b festgehaltene Prinzip der aktiven Personalität findet hier seine notwendige Ergänzung im Auslieferungsrecht.

Artikel 12 Dieser Artikel wiederholt lediglich die für die Schweiz aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (SR 0.101) und der Bundesverfassung geltenden Grundsätze.

Artikel 13 Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich bei Strafverfahren im Zusammenhang mit den in Artikel 7 umschriebenen Straftaten soweit wie möglich Rechtshilfe zu leisten; dabei ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, der angefragt wurde. Art
und Umfang der Rechtshilfeleistung bestimmen sich für die Schweiz nach dem Rechtshilfegesetz.

Die von der Schweiz unter dem Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (SR 0.351.1) und unter den zweiseitigen Rechtshilfe- oder Auslieferungsverträgen eingegangenen Verpflichtungen zur Rechtshilfe bleiben vorbehalten.

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Die getroffene Lösung entspricht weitgehend den Regelungen auf dem Gebiete des internationalen Luftfahrtrechts (Übereinkommen von Tokio SR 0.748.710.1, Den Haag und Montreal). Bei den Beratungen in Wien wurde namentlich das Übereinkommen von Montreal als bewährtes Muster einer internationalen Vereinbarung zur Bekämpfung gewisser Straftaten erwähnt.

Artikel 14 Die in Ziffer l formulierte Pflicht, dass der Generaldirektor der IAEO (als Depositar) über die Gesetze und Vorschriften, die diesem Übereinkommen Wirksamkeit verleihen, informiert werden muss, wird vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten wahrzunehmen sein. Nach den Ziffern 2 und 3 besteht für den Fall, dass in der Schweiz ein Strafverfahren wegen einer Straftat mit Kernmaterial durchgeführt wird, eine Orientierungspflicht, soweit die beurteilte Tat in mehr als einem Staat begangen wurde oder soweit Verdächtige sich aus dem Tatortstaat in ein anderes Land geflüchtet oder das Kernmaterial in einen anderen Staat gebracht haben. Es wird Aufgabe des Bundesamtes für Polizeiwesen sein, die betreffenden Staaten zu orientieren, da es in der Regel im betreffenden Fall ohnehin ein Auslieferungs- oder Rechtshilfebegehren zu behandeln haben wird. Rein innerstaatliche Verfahren (ohne internationale Komponente) sind davon nicht betroffen.

Artikel 15 ' ' Dieser Artikel erklärt die beiden Anhänge als integrale Bestandteile des Abkommens und damit als völkerrechtlich ebenso verbindlich wie die übrigen Vertragsbestimmungen. Anhang I legt das Niveau der Sicherung des Kernmaterials für die Lagerung im Rahmen eines internationalen Transportes und für den Transport selbst fest. Dabei werden drei Kategorien von Material bestimmt, für welche unterschiedliche Schutzmassnahmen ergriffen werden müssen. Anhang II umschreibt diese drei Kategorien,' die entsprechend der Quantität und der Gefährlichkeit des zu transportierenden Kernmäterials abgestuft sind.

Artikel 16 Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages hat der Depositar eine Überprüfungskonferenz einzuberufen. Diese wird zur Aufgabe haben, die Wirkungsweise des Vertrages und die Angemessenheit sämtlicher Vertragsteile unter den dannzumal herrschenden Umständen zu überprüfen (Ziff. 1).

In Abständen von fünf Jahren kann die Mehrheit der Vertragsstaaten die Einberufung weiterer solcher
Überprüfungskonferenzen verlangen (Ziff. 2).

Die Konferenz wird hingegen den Vertrag nicht ändern können, ausser wenn gleichzeitig ein entsprechender Antrag nach Artikel 20 vorliegen würde.

Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in ändern multilateralen Verträgen, z. B. im Atomsperrvertrag und dem Vertrag über das Verbot biologischer Waffen. Angesichts der zu erwartenden Entwicklung im Bereich der Non-proliferation und der Technik und ganz allgemein auf dem Gebiete der friedlichen Nutzung der Kernenergie haben solche Überprüfungskonferenzen sicher ihre Berechtigung.

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Artikeln Dieser Artikel regelt die friedliche Erledigung von Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Anwendung oder der Auslegung des Übereinkommens entstehen können.

Ziffer l erwähnt die Methode der Erledigung durch Interessenausgleich, wie z. B. Verhandlungen oder Vergleich. Die Vertragsparteien müssen im Streitfall eines dieser Verfahren wählen.

Ziffer 2 enthält Bestimmungen über die Erledigung durch autoritäre Entscheidung, welche dann zum Zuge kommen soll, wenn die Methoden gemäss Ziffer l nicht zum Ziele führen. In diesem Fall hat auf Begehren einer der Streitparteien entweder ein Schiedsgericht oder der Internationale Gerichtshof zu entscheiden. Können sich die Streitparteien innerhalb von sechs Monaten nach einem entsprechenden Begehren einer Partei über die Bestellung eines Schiedsgerichtes nicht einigen, so kann eine Partei entweder den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes oder den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit der Ernennung eines oder mehrerer Schiedsrichter beauftragen.

Ziffer 3 bestimmt, dass bei allen Phasen, d. h. sowohl bei der Unterzeichnung als auch bei der Ratifizierung oder beim Beitritt ein Vorbehalt zu Ziffer 2 gemacht werden kann. Selbstverständlich sind Staaten, die keinen Vorbehalt angebracht haben, gegenüber denjenigen Staaten, welche einen solchen gemacht haben, nicht an Ziffer 2 gebunden. Ein solcher Vorbehalt kann, wie Ziffer 4 festhält, jederzeit widerrufen werden.

Es entspricht schweizerischer Praxis, sowohl in bilateralen als auch in multilateralen Verträgen nach Möglichkeit auf die Einfügung solcher autoritärer Entscheidungsmechanismen - die hier den Charakter einer Fakultativklausel besitzen - hinzuwirken. Wenn auch die vorliegende Lösung nicht sehr detailliert ist - so fehlen z.B. Bestimmungen über Organisation und Zusammensetzung des Schiedsgerichts - sollten wir sie dennoch vorbehaltlos akzeptieren.

Artikel 18 Ziffer l : Das Übereinkommen liegt seit dem 3. März 1980 sowohl b.ei der IAEO in Wien als auch beim UNO-Hauptquartier in New York zur Unterzeichnung durch alle Staaten bis zu seinem Inkrafttreten auf. Während die Wahl Wiens als Ort der Unterzeichnung auf der Hand liegt, wurde New York auf Betreiben der Entwicklungsstaaten gewählt, denen offenbar die IAEO nicht genehm ist, da sie heute (noch) unter vorherrschendem Einfluss
der Industrienationen steht.

Ziffer 2 und 3: Das Übereinkommen unterliegt der Ratifikation durch die Signatarstaaten und wird nach Inkrafttreten sämtlichen Staaten zum Beitritt offenstehen.

Ziffer 4 regelt die Beitrittsmöglichkeiten und -bedingungen internationaler und regionaler Organisationen. Im Vordergrund steht die EG, die für gewisse von dem Übereinkommen abgedeckte Bereiche zuständig ist. Wenn eine solche Organisation das Abkommen ratifiziert oder ihm beitritt, hat sie dem Depositar mitzuteilen, welche Staaten ihr angehören und welche Übereinkommensbestimmungen ihr gegenüber keine Anwendung finden, d. h. welche Bestimmungen in 371

den Zuständigkeitsbereich der Mitgliederstaaten fallen. Bei Abstimmungen über in den Kompetenzbereich der internationalen Organisation fallende Fragen entspricht die Stimmkraft der letzteren der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten (für die EG demnach 10), Ziffer 5 : Die Hinterlegung der Ratifikationsinstrumente erfolgt beim Depositar.

Dies ist eine bei multilateralen Verträgen übliche Regelung. Der Depositar ist im vorliegenden Fall der Generaldirektor der IAEO.

Artikel 19 .

Ziffer l : Das Übereinkommen tritt am 30. Tage nach der Hinterlegung des 21. Ratifikationsinstrumentes in Kraft. Bei der Festsetzung der Zahl 21 handelt es sich um eine Kompromisslösung zwischen denjenigen Staaten, die im Interesse der Erreichung einer höchstmöglichen Universalität des Übereinkommens dessen Inkrafttreten von einer wesentlich höheren Anzahl von Ratifikationen abhängig machen wollten und denjenigen, die im Interesse einer möglichst raschen Wirksamkeit des Abkommens eine bedeutend geringere Anzahl vorsahen.

Ziffer 2: Für diejenigen Staaten, die dem Übereinkommen nach Inkrafttreten beitreten, entfaltet es seine Wirksamkeit am 30. Tag nach Hinterlegung der Ratifikationsinstrumente.

Artikel 20 Ziffer l : Jeder Vertragsstaat kann dem Depositar zuhanden der anderen Vertragsstaaten Abänderungsvorschläge unterbreiten. Der Depositar hat, sofern es die Mehrheit der Vertragsparteien verlangt (mindestens die Hälfte +1), eine Konferenz über diese Änderungsvorschläge einzuberufen.

Zur Annahme einer Änderung bedarf es der Zustimmung von zwei Dritteln der Vertragsstaaten.

Ziffer 2 : Eine Änderung tritt erst in Kraft, wenn sie wiederum von zwei Dritteln der Vertragsstaaten ratifiziert worden ist und zwar nur gegenüber den sie ratifizierenden Staaten. Es besteht somit nicht die Gefahr für eine Minderheit von Vertragsstaaten, Pflichten übernehmen zu müssen, die ihr von einer Mehrheit aufgezwungen werden und von denen sie sich nur durch Rücktritt vom Vertrag zu befreien vermöchte. Allerdings könnte das dazu führen, dass nach einer oder mehreren Revisionen die Vertragsparteien in verschiedener Weise verpflichtet sind, was der angestrebten Harmonisierung der Vorschriften abträglich wäre.

Artikel 21-23 Diese Artikel geben zu keinen Bemerkungen Anlass,

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

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Auswirkungen für den Bund

- Gesetzgeberische Aktivitäten werden nicht nötig, da die Schweiz die im Übereinkommen enthaltenen Gesetzgebungsaufträge bereits erfüllt hat.

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- Die Rechtshilfe- und Informationspflichten sowie die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Sicherung können von den bestehenden Stellen im Rahmen ihrer laufenden Aufgaben erledigt werden.

- Es ergibt sich kein zusätzlicher Finanz- oder Personalbedarf.

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Auswirkungen für die Kantone

Für die Kantone ergeben sich aus dem Übereinkommen gegenüber den heutigen Aufgaben im Bereich der Strafverfolgung und des polizeilichen Schutzes von Kernmaterial keine zusätzlichen Auswirkungen.

4

Richtlinien der Regierungspolitik

Die Vorlage ist in den Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987 enthalten (BB1 1984 l 157, Anhang 2). Sie dient der Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen und damit auch der Rüstungskontrolle, die in Ziffer 22 der erwähnten Richtlinien aufgeführt ist.

5

Verfassungsmässigkeit

Artikel 8 der Bundesverfassung ermächtigt den Bund zum Abschluss von Staatsverträgen. Die Genehmigung der Übereinkommen fällt nach Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung in die Zuständigkeit der eidgenössischen Räte.

Das Übereinkommen ist jederzeit auf 180 Tage kündbar (Art. 21). Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Ebensowenig wird eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt, da das Übereinkommen nur Gesetzgebungsaufträge an die Unterzeichnerstaaten, aber keine direkt anwendbaren Rechtsnormen enthält, mit Ausnahme vielleicht von Artikel 12, der aber nicht mehr aussagt, als das innerstaatliche schweizerische Recht und die bereits geltende Europäische Menschenrechtskonvention. Der Genehmigungsbeschluss unterliegt deshalb nicht dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 89 Absatz 3 der Bundesverfassung.

0623

373

Bundesbeschluss Entwurf betreffend das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. Mai 1985 l\ beschliesst:

Art. l 1 Das Übereinkommen vom 3. März 1980 über den physischen Schutz von Kernmaterial wird genehmigt.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, das Übereinkommen zu ratifizieren.

Art. 2 Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

0623

') BEI 1985 II 361

374

Übereinkommen

Übersetzung1^

über den physischen Schutz von Kernmaterial

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, In Anerkennung des Rechts aller Staaten auf Entwicklung und Anwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke und ihres berechtigten Interesses an den möglichen Vorteilen der friedlichen Anwendung der Kernenergie, Überzeugt von der Notwendigkeit, die internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Anwendung der Kernenergie zu erleichtern, In dem Wunsch, die möglichen Gefahren der rechtswidrigen Aneignung und Verwendung von Kernmaterial abzuwenden, Überzeugt, dass Straftaten, die Kernmaterial betreffen, Anlass zu ernster Besorgnis geben und dass es dringend notwendig ist, angemessene und wirksame Massnahmen zur Verhütung, Aufdeckung und Ahndung solcher Straftaten zu ergreifen, Im Bewusstsein der Notwendigkeit einer Internationalen Zusammenarbeit zur Festlegung wirksamer Massnahmen zum physischen Schutz von Kernmaterial im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht eines jeden Vertragsstaats und mit diesem Übereinkommen.

Überzeugt, dass dieses Übereinkommen die sichere Weitergabe von Kernmaterial erleichtern sollte, Unter Hervorhebung auch der Bedeutung des physischen Schutzes von Kernmaterial während der innerstaatlichen Nutzung, Lagerung und Beförderung, In Anerkennung der Bedeutung eines wirksamen physischen Schutzes des für militärische Zwecke genutzten Kernmaterials und davon ausgehend, dass solches Material heute und künftig unter strengen physischen Schutz gestellt wird, Sind wie folgt übereingekommen: Artikel l Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet: a) «Kernmaterial» Plutonium mit Ausnahme von Plutonium mit einer mehr als 80%igen Konzentration des Isotops Plutonium 238; Uran 233; mit den Isotopen 235 oder 233 angereichertes Uran; Uran, das die in der Natur vorkommende Isotopen-Mischung enthält, sofern es sich nicht um Erz oder Erzrückstände handelt; jedes Material, das einen oder mehrere der genannten Stoffe enthält; '' Übersetzung des englischen Originaltextes.

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Physischer Schutz von Kernmaterial b) «mit den Isotopen 235 oder 233 angereichertes Uran» Uran, das die Isotope 235 oder 233 oder beide in einer solchen Menge enthält, dass das Verhältnis der Summe dieser Isotope zum Isotop 238 höher liegt als das in der Natur vorkommende Verhältnis des Isotops 235 zum Isotop 238; c) «internationaler Nukleartransport» die Beförderung einer Sendung von Kernmaterial mit jeder Art von Transportmittel, die über das Hoheitsgebiet des Staates hinausgehen soll, aus dem die Sendung stammt, vom Verlassen einer Anlage des Absenders in dem betreffenden Staat bis zur Ankunft in einer Anlage des Empfängers im Staat der endgültigen Bestimmung.

Artikel 2 1. Dieses Übereinkommen findet auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial während des internationalen Nukleartransports Anwendung.

2. Mit Ausnahme der Artikel 3 und 4 und des Artikels 5 Absatz 3 findet dieses Übereinkommen auch auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial während der innerstaatlichen Nutzung, Lagerung und Beförderung Anwendung.

3. Abgesehen von den nach Massgabe des Absatzes 2 von den Vertragsstaaten ausdrücklich übernommenen Verpflichtungen in bezug auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial während der innerstaatlichen Nutzung, Lagerung und Beförderung ist dieses Übereinkommen nicht so auszulegen, als berühre es die souveränen Rechte eines Staates hinsichtlich der innerstaatlichen Nutzung, Lagerung und Beförderung solchen Kernmaterials.

Artikel 3

Jeder Vertragsstaat unternimmt im Rahmen seines innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Völkerrecht geeignete Schritte, um - soweit praktisch möglich - sicherzustellen, dass Kernmaterial während des internationalen Nukleartransports in seinem Hoheitsgebiet oder an Bord eines seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Wasser- oder Luftfahrzeugs, soweit dieses Fahrzeug für den Transport nach oder von diesem Staat benutzt wird, in dem in Anhang I beschriebenen Umfang geschützt wird.

Artikel 4 1. Jeder Vertragsstaat wird Kernmaterial nur ausführen oder die Ausfuhr von Kernmaterial nur genehmigen, wenn er die Zusicherung erhalten hat, dass dieses Material während des internationalen Nukleartransports in dem in Anhang I beschriebenen Umfang geschützt werden wird.

2. Jeder Vertragsstaat wird Kernmaterial aus einem Nichtvertragsstaat nur einführen oder eine solche Einfuhr nur genehmigen, wenn er die Zusicherung erhalten hat, dass dieses Material während des internationalen Nukleartransports in dem in Anhang I beschriebenen Umfang geschützt werden wird.

376

Physischer Schutz von Kernmaterial

3. Ein Vertragsstaat gestattet die Durchfuhr von Kernmaterial, das zwischen Nichtvertragsstaaten befördert wird, durch sein Hoheitsgebiet zu Lande oder auf Binnenwasserstrassen oder durch seine Flug- oder Seehäfen nur, wenn er soweit praktisch möglich - die Zusicherung erhalten hat, dass dieses Kernmaterial während des internationalen Nukleartransports in dem in Anhang I beschriebenen Umfang geschützt werden wird.

4. Jeder Vertragsstaat wird im Rahmen seines innerstaatlichen Rechts den in Anhang I beschriebenen Umfang des physischen Schutzes für Kernmaterial anwenden, das von einem Teil dieses Staates nach einem anderen Teil desselben Staates durch internationale Gewässer oder durch den internationalen Luftraum befördert wird.

5. Der Vertragsstaat, der die Zusicherung einzuholen hat, dass das Kernmaterial entsprechend den Absätzen 1-3 in dem in Anhang I beschriebenen Umfang geschützt werden wird, ermittelt und unterrichtet im voraus die Staaten, durch die das Kernmaterial zu Lande oder auf Binnenwasserstrassen befördert werden soll oder deren Flug- oder Seehäfen es berühren soll.

6. Die Verantwortung für die Einholung der in Absatz l genannten Zusicherung kann in gegenseitigem Einvernehmen auf den Vertragsstaat übertragen werden, der als Einfuhrstaat an dem Transport beteiligt ist.

7. Dieser Artikel ist nicht so auszulegen, als berühre er in irgendeiner Weise die territoriale Souveränität und Hoheitsgewalt eines Staates einschliesslich derjenigen über seinen Luftraum und seine Hoheitsgewässer.

Artikel 5 1. Die Vertragsstaaten bestimmen ihre zentrale Behörde und Verbindungsstelle, die für den physischen Schutz von Kernmaterial sowie für die Koordinierung von Wiederbeschaffungs- und Gegenmassnahmen bei unbefugter Verbringung, Verwendung oder Veränderung von Kernmaterial oder im Fall der glaubhaften Androhung einer solchen Tat zuständig ist, und geben sie einander unmittelbar oder über die Internationale Atomenergie-Organisation bekannt.

2. Bei Diebstahl, Raub oder sonstigen rechtswidriger Aneignung von Kernmaterial oder im Fall der glaubhaften Androhung einer solchen Tat gewähren die Vertragsstaaten in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht jedem Staat, der darum ersucht, im weitestmöglichen Umfang Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Wiederbeschaffung und beim Schutz dieses Materials.

Insbesondere a) unternimmt jeder Vertragsstaat geeignete Schritte, um andere Staaten, die ihm betroffen erscheinen, so bald wie möglich von dem Diebstahl, dem Raub oder der sonstigen rechtswidrigen Aneignung von Kernmaterial oder der glaubhaften Androhung einer solchen Tat zu unterrichten und gegebenenfalls internationale Organisationen zu unterrichten; 377

Physischer Schutz von Kernmaterial b) tauschen die betroffenen Vertragsstaaten gegebenenfalls untereinander oder mit internationalen Organisationen Informationen aus, um bedrohtes Kernmaterial zu schützen, die Unversehrtheit von Versandbehältern zu prüfen oder rechtswidrig angeeignetes Kernmaterial wiederzubeschaffen, und i) koordinieren ihre Massnahmen auf diplomatischem und anderem vereinbarten Weg; ii) leisten auf Ersuchen Unterstützung; iii) sorgen für die Rückgabe gestohlenen oder als Folge der oben genannten Ereignisse abhanden gekommenen Kernmaterials.

Die Art der Durchführung dieser Zusammenarbeit wird von den betroffenen Verträgsstaaten bestimmt.

3. Die Vertragsstaaten arbeiten zusammen und konsultieren einander gegebenenfalls unmittelbar oder über internationale Organisationen, um Anleitungen für die Ausgestaltung, Aufrechterhaltung und Verbesserung, von Systemen des physischen Schutzes von Kernmaterial während des internationalen Transports zu erhalten.

Artikel 6 1. Die Vertragsstaaten treffen im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht geeignete Massnahmen um die Vertraulichkeit aller Informationen zu schützen, die sie aufgrund dieses Übereinkommens vertraulich von einem anderen Vertragsstaat oder durch die Teilnahme an einer zur Durchführung dieses Übereinkommens vollzogenen Massnahme erhalten. Stellen Vertragsstaaten internationalen Organisationen Informationen vertraulich zur Verfügung, so werden Schritte unternommen, damit die Vertraulichkeit solcher Informationen gewahrt wird.

2. Die Vertragsstaaten sind durch dieses Übereinkommen nicht verpflichtet, Informationen zur Verfügung zu stellen, welche sie aufgrund innerstaatlichen Rechts nicht mitteilen dürfen oder welche die Sicherheit des betreffenden Staates oder den physischen Schutz von Kernmaterial gefährden würden.

Artikel 7 1. Die vorsätzliche Begehung a) einer Handlung ohne rechtmässige Befugnis, die in dem Empfang,: dem Besitz, der Verwendung, der Weitergabe, der Veränderung, der Beseitigung oder der Verbreitung von Kernmaterial besteht und die den Tod oder eine schwere Körperverletzung eines anderen oder bedeutenden Sachschaden verursacht oder geeignet ist, diese Folgen zu verursachen, b) eines Diebstahls oder Raubes von Kernmaterial, c) einer Unterschlagung, einer Veruntreuung oder eines betrügerischen Erlangens von Kernmaterial, 378

Physischer Schutz von Kernmaterial d) einer Handlung, die in einem Fordern von Kernmaterial durch Androhung oder Anwendung von Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung besteht, e) einer Drohung, i) Kernmaterial dazu zu verwenden, den Tod oder eine schwere Körperverletzung eines anderen oder bedeutenden Sachschaden zu verursachen, oder ii) eine unter Buchstabe b beschriebene Straftat zu begehen, um eine natürliche oder juristische Person, eine internationale Organisation oder einen Staat zu einer Handlung oder Unterlassung zu zwingen, f) eines Versuchs einer unter Buchstabe a, b oder c beschriebenen Straftat und g) einer Teilnahmehandlung an einer unter den Buchstaben a-f beschriebenen Straftat wird von jedem Vertragsstaat nach innerstaatlichem Recht mit Strafe bedroht.

2. Jeder Vertragsstaat bedroht die in diesem Artikel beschriebenen Straftaten mit angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen.

Artikel 8

1. Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen Massnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in Artikel 7 genannten Straftaten in folgenden Fällen zu begründen: a) wenn die Straftat im Hoheitsgebiet dieses Staates oder an Bord eines in diesem Staat eingetragenen Schiffes oder Luftfahrzeugs begangen wird; b) wenn der Verdächtige Angehöriger dieses Staates ist.

2. Ebenso trifft jeder Vertragsstaat die notwendigen Massnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über diese Straftaten für den Fall zu begründen, dass der Verdächtige sich in seinem Hoheitsgebiet befindet und er ihn nicht nach Artikel 11 an einen der in Absatz l genannten Staaten ausliefert.

3. Dieses Übereinkommen schliesst eine Strafgerichtsbarkeit, die nach innerstaatlichem Recht ausgeübt wird, nicht aus.

4. Ausser den in den Absätzen l und 2 genannten Vertragsstaaten kann jeder Vertragsstaat im Einklang mit dem Völkerrecht seine Gerichtsbarkeit über die in Artikel 7 genannten Straftaten begründen, wenn er als Ausfuhr- oder Einfuhrstaat am internationalen Nukleartransport beteiligt ist.

Artikel 9 Hält der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Verdächtige befindet, es in Anbetracht der Umstände für gerechtfertigt, so trifft er nach seinem innerstaatlichen Recht geeignete Massnahmen einschliesslich der Verhaftung, um die Anwesenheit des Verdächtigen zum Zweck der, Strafverfolgung oder der Auslieferung sicherzustellen.

379

Physischer Schutz von Keramaterial

Die nach diesem Artikel getroffenen Massnahmen werden den Staaten, die verpflichtet sind, ihre Gerichtsbarkeit nach Artikel 8 zu begründen, und soweit angebracht allen anderen betroffenen Staaten unverzüglich notifiziert.

Artikel 10 Der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Verdächtige befindet, hat, wenn er ihn nicht ausliefert, den Fall ohne irgendeine Ausnahme und ohne unangemessene Verzögerung seinen zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung in einem Verfahren nach seinem Recht zu unterbreiten.

Artikel 11 1. Die in Artikel 7 genannten Straftaten gelten als in jeden zwischen Vertragsstaaten bestehenden Auslieferungsvertrag aufgenommene, der Auslieferung unterliegende Straftaten. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diese Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten in jeden künftig zwischen ihnen zu schliessenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen.

2. Erhält ein Vertragsstaat, der die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einem anderen Vertragsstaat, mit dem er keinen Auslieferungsvertrag hat, so steht es ihm frei, dieses Übereinkommen in bezug auf diese Straftaten als Rechtsgrundlage für die Auslieferung anzusehen. Die Auslieferung unterliegt den übrigen im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Bedingungen.

3. Vertragsstaaten, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, erkennen unter sich diese Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten vorbehaltlich der im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Bedingungen an.

4. Diese Straftaten werden für die Zwecke der Auslieferung zwischen Vertragsstaaten so behandelt, als seien sie nicht nur an dem Ort, an dem sie sich ereignet haben, sondern auch in den Hoheitsgebieten der Vertragsstaaten begangen worden, die verpflichtet sind, ihre Gerichtsbarkeit nach Artikel 8 Absatz l zu begründen.

Artikel 12 Jedem, gegen den ein Verfahren wegen einer der in Artikel 7 genannten Straftaten durchgeführt wird, ist während des gesamten Verfahrens eine gerechte Behandlung zu gewährleisten.

Artikel 13 1. Die Vertragsstaaten gewähren einander die weitestgehende Hilfe im Zusammenhang mit Verfahren, die in bezug auf die in Artikel 7 genannten Straftaten eingeleitet werden, einschliesslich der Überlassung der ihnen zur Verfügung ste-

380

Physischer Schutz von Kernmaterial henden und für das Verfahren erforderlichen Beweismittel. In allen Fällen ist das Recht des ersuchten Staates anzuwenden.

2. Absatz l lässt Verpflichtungen aufgrund eines anderen zwei- oder mehrseitigen Vertrags unberührt, der ganz oder teilweise die Rechtshilfe in Strafsachen regelt oder regeln wird.

Artikel 14 1. Jeder Vertragsstaat unterrichtet den Depositar von seinen Gesetzen und sonstigen Vorschriften, die diesem Übereinkommen Wirksamkeit verleihen. Der Depositar übermittelt diese Informationen in regelmässigen Zeitabständen allen Vertragsstaaten.

2. Der Vertragsstaat, in dem ein Verdächtiger strafrechtlich verfolgt wird, teilt nach Möglichkeit den Ausgang des Verfahrens zunächst den unmittelbar betroffenen Staaten mit. Der Vertragsstaat teilt den Ausgang des Verfahrens auch dem Depositar mit, und dieser unterrichtet alle Staaten.

3. Bezieht sich eine Straftat auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial während der innerstaatlichen Nutzung, Lagerung oder Beförderung und bleiben sowohl der Verdächtige als auch das Kernmaterial im Hoheitsgebiet des Vertragsstaats, in dem die Straftat begangen wurde, so ist dieses Übereinkommen nicht so auszulegen, als sei dieser Vertragsstaat genötigt, Informationen über das sich aus einer solchen Straftat ergebende Strafverfahren zur Verfügung zu stellen.

Artikel 15 Die Anhänge sind Bestandteil dieses Übereinkommens.

Artikel 16 1. Der Depositar beruft fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens eine Konferenz der Vertragsstaaten zur Überprüfung der Durchführung des Übereinkommens und seiner Zweckdienlichkeit im Hinblick auf die Präambel, den gesamten operativen Teil und die Anhänge im Licht der dann herrschenden Umstände ein.

2. In der Folge kann die Mehrheit der Vertragsstaaten in Zeitabständen von mindestens fünf Jahren die Einberufung weiterer Konferenzen zu demselben Zweck durch Vorlage eines entsprechenden Vorschlags beim Depositar erwirken.

Artikel 17 1. Im Fall einer Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens konsultieren diese Vertragsstaaten einander mit dem Ziel, die Streitigkeit durch Verhandlungen oder 381

Physischer Schutz von Kernmaterial

durch andere für alle Streitparteien annehmbare friedliche Mittel der Beilegung von Streitigkeiten beizulegen.

2. Jede Streitigkeit dieser Art, die nicht in der in Absatz l beschriebenen Weise beigelegt werden kann, wird auf Antrag einer Streitpartei einem Schiedsverfahren unterworfen oder dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreitet. Wird die Streitigkeit einem Schiedsverfahren unterworfen und können sich die Streitparteien binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Beantragung über die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens nicht einigen, so kann eine Partei den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs oder den Generalsekretär der Vereinten Nationen ersuchen, einen oder mehrere Schiedsrichter zu bestellen. Stellen die Streitparteien Anträge an beide, so hat der an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Antrag Vorrang.

3. Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung dieses Übereinkommens oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch eines oder durch beide der in Absatz 2 vorgesehenen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen Vorbehalt zu einem in Absatz 2 vorgesehenen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten gemacht hat, durch das Verfahren nicht gebunden.

4. Ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 gemacht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Depositar gerichtete Notifikation zurückziehen.

Artikel 18 1. Dieses Übereinkommen liegt vom 3. März 1980 bis zu seinem Inkrafttreten am Sitz der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien und am Sitz der Vereinten Nationen in New York für alle Staaten zur Unterzeichnung auf.

2. Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung durch die Unterzeichnerstaaten.

3. Nach seinem Inkrafttreten liegt dieses Übereinkommen für alle Staaten zum Beitritt auf.

4. a) Dieses Übereinkommen liegt für internationale Organisationen und regionale Organisationen mit Intégrations- und anderem Charakter zur Unterzeichnung oder zum Beitritt auf, sofern diese Organisationen von souveränen Staaten gebildet werden und für das Aushandeln, den Abschluss und die Anwendung internationaler Übereinkünfte über von
diesem Übereinkommen erfasste Fragen zuständig sind.

b) Bei Fragen aus ihrem Zuständigkeitsbereich werden diese Organisationen im eigenen Namen die Rechte ausüben und die Pflichten erfüllen, welche diese Übereinkommen den Vertragsstaaten zuweist.

c) Wird eine solche Organisation Vertragspartei dieses Übereinkommens, so teilt sie dem Depositar in einer Erklärung mit, welche Staaten Mitglieder

382

Physischer Schutz von Kernmaterial

der Organisation sind und welche Artikel des Übereinkommens auf die Organisation keine Anwendung finden.

d) Eine solche Organisation besitzt keine eigene Stimme neben den Stimmen ihrer Mitgliedstaaten.

5. Die Ratifikation-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Depositar hinterlegt.

Artikel 19 1. Dieses Übereinkommen tritt am dreissigsten Tag nach Hinterlegung der einundzwanzigsten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde beim Depositar in Kraft.

2. Für jeden Staat, der das Übereinkommen nach Hinterlegung der einundzwanzigsten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt es am dreissigsten Tag nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch diesen Staat in Kraft.

Artikel 20 1. Unbeschadet des Artikels 16 kann ein Vertragsstaat Änderungen dieses Übereinkommens vorschlagen. Der Änderungsvorschlag wird dem Depositar vorgelegt, der ihn unverzüglich an alle Vertragsstaaten verteilt. Beantragt eine Mehrheit der Vertragsstaaten beim Depositar die Einberufung einer Konferenz zur Prüfung der Änderungsvorschläge, so lädt der Depositar alle Vertragsstaaten zur Teilnahme an der Konferenz ein, die frühestens dreissig Tage nach dem Versand der Einladungen beginnt. Eine auf der Konferenz von einer Zweidrittelmehrheit aller Vertragsstaaten angenommene Änderung wird vom Depositar umgehend allen Vertragsstaaten mitgeteilt.

2. Die Änderung tritt für jeden Vertragsstaat, der seine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Änderung hinterlegt, am dreissigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem zwei Drittel der Vertragsstaaten ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden beim Depositar hinterlegt haben. Danach tritt die Änderung für jeden anderen Vertragsstaat an dem Tag in Kraft, an dem er seine Ratifikations-. Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Änderung hinterlegt.

Artikel 21 1. Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine an den Depositar gerichtete schriftliche Notifikation kündigen.

2. Die Kündigung wird einhundertachtzig Tage nach Eingang der Notifikation beim Depositar wirksam.

383

Physischer Schutz von Kernmaterial

Artikel 22 Der Depositar notifiziert allen Staaten umgehend a) jede Unterzeichnung dieses Übereinkommens; b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde ; c) jeden Vorbehalt oder dessen Zurückziehung nach Artikel 17; d) jede Mitteilung einer Organisation nach Artikel 18 Absatz 4 Buchstabe c; e) das Inkrafttreten dieses Übereinkommens; f) das Inkrafttreten einer Änderung dieses Übereinkommens ; g) jede nach Artikel 21 vorgenommene Kündigung.

Artikel 23 Die Urschrift dieses Übereinkommens, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, wird beim Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation hinterlegt; dieser übermittelt allen Staaten beglaubigte Abschriften.

Zu Urkund dessen haben die gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen, das am 3. März 1980 in Wien und in New York zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, unterschrieben.

(Es folgen die Unterschriften)

0623

384

Physischer Schutz von Kernmaterial Anhang I

Umfang des physischen Schutzes beim internationalen Transport von Kernmaterial der Kategorien des Anhangs II 1. Der Umfang des physischen Schutzes für Kernmaterial während der mit dem internationalen Nukleartransport zusammenhängenden Lagerung umfasst a) für Material der Kategorie III: Lagerung innerhalb eines Bereichs, zu dem der Zugang kontrolliert wird; b) für Material der Kategorie II : Lagerung innerhalb eines Bereichs unter ständiger Überwachung durch Wachen oder elektronische Einrichtungen, umgeben von einer materiellen Schranke mit einer begrenzten Anzahl ausreichend kontrollierter Eingänge, oder innerhalb eines Bereichs mit einem gleichwertigen Umfang des physischen Schutzes; c) für Material der Kategorie I : Lagerung innerhalb eines geschützten Bereichs der für die Kategorie II definierten Art, bei dem zusätzlich der Zugang auf Personen beschränkt ist, deren Vertrauenswürdigkeit festgestellt worden ist, und der unter Überwachung durch Wachen steht, die in enger Verbindung zu angemessenen Interventionskräften stehen. Ziel der in diesem Zusammenhang getroffenen Einzelmassnahmen muss die Aufdeckung und Verhinderung von Anschlägen, unbefugtem Zugang oder unbefugter Verbringung von Material sein.

2. Der Umfang des physischen Schutzes für Kernmaterial während des internationalen Transports umfasst folgendes: a) Bei Material der Kategorien II und III findet der Transport unter besonderen Vorsichtsmassnahmen statt, einschliesslich vorheriger Absprachen zwischen Absender, Empfänger und Beförderer sowie vorheriger Vereinbarung zwischen den der Hoheitsgewalt und Regelungsbefugnis der Ausfuhrund Einfuhrländer unterstehenden natürlichen oder juristischen Personen hinsichtlich Zeitpunkt, Ort und Verfahren des Übergangs der Verantwortung für den Transport.

b) Bei Material der Kategorie I findet der Transport unter den besonderen Vorsichtsmassnahmen der für den Transport von Material der Kategorien II und III beschriebenen Art sowie zusätzlich unter ständiger Überwachung durch Begleitpersonal und unter Bedingungen statt, die eine enge Verbindung zu angemessenen Interventionskräften gewährleisten.

c) Bei Natururan, sofern es sich nicht um Erz oder Erzrückstände handelt, umfasst der Transportschutz für Mengen über 500kg Uran die vorherige Ankündigung der Sendung, unter Angabe des Transportmittels und der voraussichtlichen Ankunftszeit, sowie die Bestätigung des Empfangs der Sendung.

0623

385

Physischer Schutz von Kernmaterial Anhang II

Tabelle : Kategorisierung von Kernmaterial Material

Form

1. Plutonium")

Unbestrahlt b >

2. Uran 235

Unbestrahlt b ) - Uran angereichert auf 20% 235 U und mehr - Uran angereichert auf 10 % 2 3 5 U und mehr, jedoch weniger als 20% - Uran angereichert auf mehr als den natürlichen Gehalt, jedoch weniger als 10% Z35 U ·

3. Uran 233

4. Bestrahlter Brennstoff

Unbestrahlt b >

Kategorie

I

II

III c>

2kg und mehr

Weniger als 2 kg jedoch mehr als 500 g

500 g und weniger, jedoch mehr als 15g

5 kg und mehr -

Weniger als 5 kg jedoch mehr als 1 kg 10 kg und mehr

1 kg und weniger, jedoch mehr als 15g weniger als 10 kg, jedoch mehr als 1 kg

-

-

10 kg und mehr

2kg und mehr

weniger als 2 kg jedoch mehr als 500 g

500 g und weniger , jedoch mehr als 15g

Abgereichertes Uran oder Natururan, Thorium oder schwach angereicherter Brennstoff (weniger als 10% spaltbarer Anteil) d) e)

a

> Plutonium mit Ausnahme von Plutonium mit einer mehr als SOprozentigen Konzentration des Isotops Plutonium 238.

> Material, das nicht in einem Reaktor bestrahlt wurde, oder in einem Reaktor bestrahltes Material, dessen Strahlung unabgeschirmt in einem Meter Abstand 100 rad/h oder weniger beträgt.

c > Mengen, die nicht in die Kategorie III fallen, und Natururan sollen entsprechend den Grundsätzen einer umsichtigen Betriebsführung geschützt werden.

d) Ungeachtet dieser Empfehlung zum Umfang des Schutzes steht es den Staaten frei, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände eine andere Kategorie des physischen Schutzes anzuwenden.

e ) Sonstiger Brennstoff, der aufgrund seines ursprünglichen Gehalts an spaltbaren Material unbestrahlt in Kategorie I oder II eingestuft wurde, kann um eine Kategorie heruntergestuft werden, wenn die Strahlung des Brennstoffs unabgeschirmt in einem Meter Abstand mehr als 100 rad/h beträgt.

b

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0623

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft betreffend das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial vom 22. Mai 1985

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1985

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

85.036

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.07.1985

Date Data Seite

361-386

Page Pagina Ref. No

10 049 724

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