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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung zu der Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli 1879, betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen.

(Vom 2. Dezember 1879.)

Tit.

Bekanntlich hat die Naturalisirung von Franzosen in der Schweiz eine ziemlich große Zahl von Doppelbürgern geschaffen, indem die minderjährigen Kinder nach den schweizerischen Gesezen das Bürgerrecht des Vaters erwerben, während nach französischem Rechte der Vater nicht als befugt angesehen wird, über den Civilstand zu verfügen, den das Kind durch die Geburt erworben hat.

Dieses Verhältnis hat namentlich für die Söhne nachtheilige Folgen, indem sowohl die Schweiz als Frankreich die Leistung der Militärpflicht von ihnen beanspruchen.

Wenn der junge Mann der Aufforderung, dieser Pflicht in Frankreich zu genügen, nicht nachkommt, so wird er dort als Refraktär behandelt und ist allen hieraus entspringenden unangenehmen Folgen ausgesezt.

Wir wurden daher schon seit mehr als 20 Jahren in einer großen Zahl derartiger Fälle um unsere Vermittlung angesprochen zur Abwehr oder Milderung dieser Folgen. Unsere Bemühungen

910 waren aber meistens erfolglos. Die französische Regierung verwies die Reklamanten auf das französische Rekrutirungsgesez, wonach derjenige, welcher (an seinem Geburtsorte oder dem Orte des lezten Domizils des Vaters) auf die Rekrutirungsliste getragen worden, und gestüzt auf die Behauptung, daß er Ausländer sei, die Ausstreiehung verlangt, diese nur durch ein gerichtliches Urtheil nach einem kontradiktorischen Verfahren zwischen ihm als Kläger und dem Präfekten des betreffenden Departements als Beklagten erwirken kann. In einzelnen Fällen wurde wirklich dieser Weg eingeschlagen, allein die Gerichte erklärten alle Söhne, die vor der Naturalisirung ihrer Väter in der Schweiz geboren worden, als Franzosen.

Diese Mißverhältnisse"konnten daher nur gehoben werden durch eine Vereinbarung zwischen den beiden Staaten, dahin gehend, daß in solchen Fällen nur ein Staat zur Forderung der Militärpflicht berechtigt sein soll.

Zu diesem Ende stellten wir schon im Jahr 1863 während der Unterhandlungen über die Verträge mit Frankreich vom 30. Juni 1864 den Antrag, daß entweder ein besonderer Vertrag oder doch ein Modus vivendi über diese' Materie vereinbart werden möchte.

Der Inhalt einer solchen Vereinbarung sollte nach unserer Ansicht dahin gehen : Das Recht, den Militärdienst oder dessen Aequivalente von solchen Personen, welche sowohl die schweizerische als auch die französische Nationalität besizen, zu verlangen, soll nur von e i n e m der beiden Staaten aucgeübt werden; im einzelnen Falle erscheint derjenige der beiden Staaten als der berechtigte, in welchem die betreffende Person zur Zeit des Eintrittes der Militärpflichtigkeit ihr gesezliches Domizil hat.

Die französischen Delegirten lehnten es jedoch ab, diese Angelegenheit in einem der Verträge vom 30. Juni 1864 zu reguliren, obschon die französische Regierung die Notwendigkeit einer bezüglichen Vereinbarung auch ihrerseits schon im Jahre 1859 anerkannt und ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen hatte, hierseitigen Vorschlägen diejenige Würdigung angedeihen zu lassen, welche die Wichtigkeit der Sache erfordern möchte. Es wurde daher im Jahre 1864 diese Angelegenheit verschoben und einem besondern Abkommen vorbehalten.

Als im Jahr 1869 über die Revision der Verträge von 1827 und 1828 unterhandelt wurde, versäumten wir nicht, auf unsern Vorschlag von 1863 zurükzukommen. Allein auch dieses Mal mußten wir uns der Verweisung ad separatim unterziehen.

911 Wegen der vielfach gefährdeten Interessen, welche der prekäre Zustand für die Betheiligten nothwendig zur Folge haben mußte, beeilten wir uns, den Abschluß eines modus vivendi schon im Februar 1870 wieder anzuregen. Die vorbereitenden Korrespondenzen zwischen uns und der Gesandtschaft in Paris mit dem Staatsrathe des am meisten betheiligten Kantons Genf behufs Aufstellung eines der franzosischen Regierung zu präsentirenden Entwurfes kamen jedoch vor Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland nicht zum Abschlüsse. Sie wurden aber schon im März 1871 und Mai 1872 wieder aufgenommen, zumal gerade diese kriegerischen Ereignisse einen vermehrten Zuwachs von Leuten brachten, deren Position geregelt werden sollte. Man überzeugte sich jedoch mehr und mehr von der Zwekmäßigkeit der vom Staatsrathe des Kantons Genf gemachten Anregung, die in Frankreich gebomen Söhne von Schweizern außer Betracht zu lassen und sich auf die Ordnung der Lage der minderjährigen Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen zu beschränken, in dem Sinne, daß diese Söhne, obschon mit dem 20. Altersjahre militärpflichtig, nicht vor erreichter Volljährigkeit zum Militärdienst gerufen werden, damit sie gültig für das eine oder andere Land optiren können. Dieser Vorschlag wurde in einer Note vom 6. Juni 1872 an das französische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu einem eventuellen Antrage gemacht. In einigen andern Depeschen wurde jedoch der Nachweis zu leisten versucht, daß auch nach der bestehenden Gesezgebung Frankreichs die minderjährigen Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen ihre französische Nationalität verlieren, zumal der Art. 10 des Code civil vorschreibe, daß sie unter gewissen Formen diese Nationalität w i e d e r e r w e r b e n (recouvrer) können etc.

Der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten nahm hieraus Anlaß, in einer Note vom 1. August 1873 alle solche Einwände zu widerlegen und die französische Gesezgebung und Gerichtspraxis näher darzustellen, aber auch um den neuen Vorschlag zurükzuweisen (Bundesblatt 1873, Bd. III, S. 566).

Die Wichtigkeit dieser Depesche rechtfertigt hier die Wiedergabe des Inhaltes derselben.

Der Herr Minister weist die Ansicht zurük, daß der vorliegende Konflikt aus einer ungenauen Interpretation der Geseze, welche den bürgerlichen
Stand der Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen regeln, entsprungen sei, vielmehr sei er die Folge des Widerstreites der Gesezgebungen beider Staaten.

fl Nach der Auffassung des Bundesrathes verlieren die minderjährigen Kinder eines Franzosen, der sich in der Schweiz hat natura-

912 lisiren lassen, wie ihr Vater, die Eigenschaft als Franzosen, da Art. 10 des Code civil sie ja ermächtigt, diese Eigenschaft w i e d e r zu er wer b e n .

,, Diese Interpretation, welcher wir nicht beipflichten können, beruht auf einer Verwechslung. Um den Art. 10 strikte anzuwenden, muß man zwischen den Kindern, die v o r der Naturalisation des Vaters und zwischen denen, die n a c h derselben geboren sind, unterscheiden.

,, Die erstem sind Kinder eines Franzosen, sie sind selbst auch Franzosen in Gemäßheit des § l vom Art. 10 (Tout enfant ré d'un Français à l'étranger est Français), und sie brauchen nicht erst eine Eigenschaft w i e d e r zu e r w e r b e n , welche ihnen bereits zukommt.

Nach unserm Gesez, welches hierin von der in einigen Kantonen der Schweiz in Kraft bestehenden Gesezgebung abweicht, übt die vom Vater im Auslande erlangte Naturalisation keinen Einfluß auf den Status der ihm bereits gebornen Söhne, da in Frankreich Niemand das Recht hat, einzig von sich aus den Status oder die Rechtsfähigkeit eines Andern abzuändern.

,,Was die n a c h der Nationalitätsveränderung des Vaters irn Auslande gebornen Kinder betrifft, so werden sie Frankreich gegenüber als Ausländer geboren 5 aber das Gesez berechtigt sie durch eine spezielle Vergünstigung, die frühere Nationalität ihres Vaters zu beanspruchen, indem sie die im Art. 9 vorgeschriebenen Formalitäten erfüllen. Nur auf sie bezieht sich der § 2 des Art. 10, der ihnen gestattet, die Eigenschaft als Franzose, w i e d e r a n z u n e h m e n , oder richtiger gesagt, zu e r w e r b e n .

O O öS ,, Es ist also nicht genau, wenn man im allgemeinen Sinne sagt, daß die Kinder eines in der Schweiz naturalisirten Franzosen die französische Nationalität verloren haben, indem die Naturalisation des Vaters den Status der ihm schon gebornen Söhne nicht berührt.

Es ist gerade ein Grundprinzip unseres Gesezes, daß die Nationalität des Kindes zur Zeit seiner Geburt durch diejenige, welche damals der Vater besaß, bestimmt wird. Auf der andern Seite ließe es sich nicht erklären, wie das französische Gesez die Kinder eines Franzosen, der sich nach ihrer Geburt im Auslande hat naturalisiren lassen, als Fremde betrachten sollte, während es doch die fremde Nationalität der bereits gebornen Kinder eines Fremden, der sich in Frankreich naturalisiren
läßt, anerkennt.

,,Noch eine andere Bestimmung des Code civil soll nach der schweizerischen Auffassung dagegen sprechen, daß die Söhne eines in der Schweiz naturalisirten Franzosen in Frankreich auf die Rekrutirungslisten eingetragen werden können. Es ergibt sich in

913 der That aus der Note des Hrn. Minister Kern vom 6. Juni 1872, daß die minderjährigen Söhne, um die es sich handelt, in der Schweiz als solche betrachtet werden, welche die schweizerische Nationalität erworben haben, und unter diesem Titel sämmtlich in die eidgenössische Armee eingereiht werden, wodurch sie angeblich ihre Eigenschaft als Franzosen nach dem Wortlaut von Art. 21 des Code civil verlieren sollen. Diesem Einwurf gegenüber ist zu bemerken, daß der Minderjährige, der für Handlungen des bürgerlichen Lebens rechtsunfähig ist, nicht berechtigt ist, auf seine Nationalität zu verzichten. Der Militärdienst, in den er im Auslande tritt, läßt ihn dieselbe ebenfalls nicht verlieren. So wurde durch zwei Sentenzen des Gerichtshofes von Metz vom 25. April und 10. Juli 1849 und durch eine solche des Gerichtshofes von Charnbéry vom 22. Dezember 1862 entschieden. Der Grundsaz, daß der Minderjährige seine ange borne Nationalität nicht ablegen kann, gilt so absolut, daß der Kassationshof bestimmt hat, es könne ein in Frankreich gebornes Kind eines Ausländers selbst unter der Beistandschaft seines Vaters und mit der Zustimmung seines Famihenraths die Eigenschaft als Franzose unter provisorischem Titel nicht verlangen (Erlaß vom 31. Dezember 1860).

,,Endlich hat allerdings das Gesez vom 7. Februar 1851, auf welches sich der Bundesrath stüzt, dem Kinde eines in Frankreich naturalisirten Ausländers die Fakultät eingeräumt, bei Erlangung der Volljährigkeit durch eine einfache Erklärung die Nationalität seines Vaters zu erlangen, aber es hat nie beabsichtigt, eine ähnliche Befugniß dem Sohne eines im Auslande naturalisirten Franzosen zu gewähren.

,,Der Gerichtshof von Chambéry hat zwar, wie Herr Kern in seiner Note vom 6. Juni 1872 bemerkte, durch einen Erlaß vom 5. Juli 1869 dem Sohne eines im Auslande naturalisirten Franzosen ein Optionsrecht zuerkannt; allein diese Sentenz wurde dem Kassationshof zur Prüfung überwiesen und von diesem durch einen Erlaß vom 3. August 1871 unter folgender Begründung kassirt: ,,,,Attendu, que si l'article 9 du Code Napoléon autorise l'enfant ,,,,né en France d'un père étranger à réclamer, dans l'année de sa ,,,,majorité, la qualité de Français, il n'admet pas -- réciproquement ,,,,que l'enfant né d'un Français en pays étranger puisse abdiquer sa ,,,,nationalité pour acquérir
celle du lieu de la naissance; -- attendu ,,,,que peu importe que la législation genevoise contienne des dispo,,,,silions analogues à celles de l'article 9 du Code Napoléon, puisque ,,,,cette législation ne peut produire aucun effet contraire à la loi ,,,,française, chaque pays étant libre et indépendant dans l'exercice -..de sa souveraineté.aa

914 ,,Aus dem Vorstehenden ergibt es sich, daß die jungen Franzosen, deren Vater Schweizer wird, ihre ursprüngliche Nationalität beibehalten, daß die ihnen in der Schweiz während ihrer Minderjährigkeit , sei es direkt oder indirekt, ertheilte Naturalisation in Frankreich keine Wirkung äußern kann. Mit Fug und Recht werdensie also in Gemäßheit der Bestimmungen unseres Militärgesezes in ihrem 20. Altersjahr zur Rekrutirung beigezogen.

,,Es erübrigt noch die Prüfung der Frage, ob es möglich sei, die von der eidgen. Regierung uns gemachten Eröffnungen anzunehmen, welche durch ein diplomatisches Ueberemkommen den Reklamationen vorzubeugen suchen, die mitunter bei der Loosziehung erhoben werden und welche, wie wir festgestellt haben, einzig von der Verschiedenheit der in den beiden Staaten herrsehenden gesezlichen Bestimmungen über die Wirkungen der Naturalisation herrühren.

,,Das vorgeschlagene Arrangement besteht darin, den Söhnen von in der Schweiz naturalisirten Franzosen das Recht zu ertheilen, beim Eintritt der Volljährigkeit zwischen den beiden Nationalitäten zu optiren und bis dahin die Diensteinberufung der jungen Leute zu verschieben.

,,Ein Uebereinkommen dieser Art würde die Grundsäze unseres Gesezes modifiziren und müßte demnach der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden, in welcher es ohne Zweifel, keine Aussicht hätte, günstige Aufnahme zu finden. Die Erwägungen, welche die gesezgebende Gewalt in Frankreich bestimmt haben, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, sind mit einem Arrangement unvereinbar, welches einer ziemlich großen Zahl junger Leute es erleichtern würde, durch Wegzug ins Ausland der ihnen vom Gesez auferlegten Wehrpflicht sich zu entziehen. Es liegt hier allermindestens eine Opportunitätsfrage vor, deren Bedeutung die eidgenössische Regierung sicherlich würdigen wird, und welche uns nicht gestattet, zur Zeit uns auf bezügliche Verhandlungen einzulassen. "· Mit diesem Bescheide mußten die Unterhandlungen einstweilen als abgeschlossen angesehen werden. Es folgte von Seite der Bundesversammlung die Ablehnung der projektirten Uebereinkunft betreffend die gegenseitige Mittheilung der Civilstandsakten, wodurch die Wiederaufnahme jener Unterhandlungen erschwert wurde, zumal die Kantone die Gewährung der Naturalisation an Franzosen ungeschmälert fortsezten und dadurch die Zahl der in Frankreich militärpflichtig prätendirten Personen vermehrten. Auch kam hinzu, daß Frankreich inzwischen die allgemeine Wehrpflicht einführte.

915 Hinwieder verbesserte sich die Lage, nachdem im Anfange des Jahres 1876 die Ausführung des Art. 44 der Bundesverfassung durch Erlaß eines Bundesgesezes über die Ertheiluug des Bürgerrechtes durch die Kantone an die Hand genommen wurde Nicht ohne Grund wurde von den französischen Behörden auf die Art und Weise hingewiesen, wie in einigen Kantonen das Bürgerrecht ertheilt werde. Sie hofften in diesem Geseze bessere Garantien gegen die Verlezung der Interessen der benachbarten Staaten zu finden. Nach Einsicht des Bundesgesezes vom 3. Juli 1876 erklärten sie dann auch im Dezember gleichen Jahres sich geneigt, die Unterhandlungen wieder aufzunehmen , und zwar ungefähr auf' dea jezt vereinbarten Grundlagen.

Indeß wurde von vornherein darauf aufmerksam gemacht, daß die französische Regierung wünschen müsse, diese Angelegenheit durch einen förmlichen Staatsvertrag geordnet zu sehen, statt durch einen bloßen modus vivendi, weil ein gevyisser Eingriff in die ungeschmälerte Wirksamkeit des Code civil eintreten müßte, der von den Gerichten nicht respektirt würde, wenn nicht der bezügliche Vertrag von den gesezgebenden Kammern ratiflzirt worden wäre.

Wir erklärten uns im Prinzip hiemit einverstanden ; dagegen mußten wir darauf dringen, daß der Vertrag auch auf die bis anhin naturalisirten Franzosen rükwirkend anwendbar werde und zwar in einer allgemeinen Form , ohne Beschränkung auf Diejenigen, welche reklamirt hatten.

Die politischen Konstellationen in Frankreich und die verschiedenen Ministerwechsel im Laufe des Jahres 1878 machten jedoch eine raschere Behandlung dieser Angelegenheit unmöglich.

Im Dezember 1878 trat noch der Gedanke auf, daß die Schweiz sich verpflichten sollte, in Anwendung von Ziffer 2 von Art. 2 und Art. 3 des Bundesgesezes vom 3. Juli 1876 überhaupt keine minderjährigen Franzosen mehr zu naturalisiren ; allein diese Kombination mußte zurükgewiesen werden als eine Beschränkung der Souveränität der Schweiz im Rechte der innern Gesezgebuno;.

'aEndlich trat eine Wendung ein, die eine Lösung der obwaltenden Schwierigkeiten möglich zu machen schien. Am 5. Juli 1879 wurde nämlich eine Uebereinkunft zwischen Frankreich und Belgien unterzeichnet behufs Hebung der Schwierigkeiten, welche aus der Anwendung der Militärgeseze dieser beiden Länder entsprungen sind. Hier anerkennen beide Staaten
die Suspension der Militärpflicht von Personen, welche vermöge ihrer Abstammung und Geburt dem einen oder andern der beiden Staaten angehören können, bis zum Eintritt ihrer Majorennität und räumen diesen

916 Personen das Recht ein, während dem Laufe des 22. Altersjahres nach ihrer Wahl zu optiren.

Diese Form ist allerdings den genannten beiden Staaten erleichtert durch die Uebereinstimmung der hier maßgebenden Vorschriften ihrer Civilgesezbücher.

Allein nachdem die französische Regierung, die noch in der oben zitirten Note vom 1. August 1873 die Gestattung der Option und die Verschiebung der Einberufung in den Militärdienst der in Frage stehenden jungen Leute als eine unzuläßige Modifikation der französischen Gesezgebung bezeichnet hatte, die in der Nationalvertretung keine günstige Aufnahme finden würde, von dieser Ansicht zurükgekommen war und unserem früheren Vorschlage sich genähert hatte, so beeilten wir uns, den leztern wiederaufzunehmen.

Die vorliegende Uebereinkunft ist sodann nach kurzen Verhandlungen zu Stande gekommen.

Dieselbe zerfällt in zwei Theile: D e r e r s t e T h e i l (Art. l bis 4) ordnet die Stellung der minderjährigen Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen f ü r d i e Z u k u n f t , u n d enthält am Schlüsse von Art. l die wesentliche Vorschrift: ,,Bis zu dem Zeitpunkte, in welchem sie für die schweizerische Nationalität optirt haben, werden sie als Franzosen betrachtet." Sie bestimmen also künftig nach eigener Wahl über ihre Nationalität. Da aber dieser Akt den Besiz der vollen Handlungsfähigkeit voraussczt, so können sie ihn erst dann vollziehen, wenn sie nach französischem Rechte majorenn und somit handlungsfähig geworden sind, d. h.

nach zurükgelegtem 21. Altersjahre. Sie können aber von dem Rechte, die schweizerische Nationalität, und somit auch das Bürgerrecht im Kanton und in der Gemeinde des Vaters anzunehmen, nur während eines Jahres Gebrauch machen, und zwar müssen sie «s thun im Laufe des ersten Jahres, das dem Eintritte ihrer Majorennität unmittelbar folgt, d. h. während des 22. Altersjahres.

Unterlassen sie, diese Option in der durch Art. 2 bestimmten Form zu machen, so bleiben sie gemäß Lemma 2 des gleichen Artikels definitiv Franzosen. Diejenigen Kinder dagegen werden Schweizer, welche n a c h d e r N a t u r a l i s a t i o n d e s V a t e r s geboren werden.

Die erwähnten Grundsäze beziehen sich auf a l l e zur Zeit der Naturalisation des Vaters lebenden minderjährigen Kinder, also auch auf die Mädchen, während Art. 3 selbstverständlich
nur auf die m i n d e r j ä h r i g e n S ö h n e Anwendung findet. Diese dürfen künftig nicht zu der französischen Armee gerufen werden, bis sie ihr .22. Altersjahr zurükgelegt und es unterlassen haben, im Laufe dieses

917 leztern Jahres für die Schweiz zu optiren. Da sie aber bis zur Option als Franzosen betrachtet werden, so folgt daraus nothwendig, daß sie, bis dieselbe erfolgt ist, auch nicht zu dem schweizerischen Militärdienst und somit auch nicht zur Ersazsteuer zugezogen werden dürfen.

Dagegen ist ihnen gestattet, vor erreichter Volljährigkeit freiwillig in die französische Armee einzutreten, wenn sie mit Zustimmung derjenigen Personen, denen jeweilen die väterliche Gewalt zusteht, in der in Art. 2 für die Option vorgeschriebenen Form auf das gemäß dieses Vertrages ihnen zustehende Optionsrecht verzichten.

Die Schweizer in Frankreich sind darum außer Betracht geblieben, weil bezüglich derjenigen, die sich in Frankreich naturalisiren lassen oder in Folge der franzosischen Gesezgebung Franzosen geworden sind, ohne daß weder die erstem, noch die leztern in gehöriger Form auf die schweizerische Nationalität verzichtet haben, durch Art. 5 des Bundesgesezes über den Erwerb des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe, vom 3. Juli 1876 (Amtl. Samml. n. F., Bd. II, S. 510), das Nöthige vorgesorgt ist. Zur nähern Erklärung fügen wir bei, daß die in Frankreich gebornen Kinder eines in der Schweiz oder anderswo außer Frankreich gebornen Schweizers Schweizer werden, aber nach Art. 9 des Code civil français im Laufe des 22. Altersjahres für Frankreich optiren können. Was dagegen die in Frankreich gebornen Kinder eines Schweizers, der selbst auch in Frankreich geboren ist, betrifft, so sind diese gemäß Art. l des französischen Gesezes vom 16, Dezember 1874 Franzosen, wenn sie nicht in dem Jahre nach Eintritt ihrer Majorennität nach französischem Gesez, also ebenfalls während des 22. Altersjahres, ihre Eigenschaft als Schweizer reklamiren und zugleich nachweisen, daß sie die schweizerische Nationalität beibehalten haben und als Schweizer anerkannt seien.

^Kreisschreiben des Bundesrathes vom 8. Januar 1875, Bundesblatt 1875, Bd. I, S. 40 bis 44.)

Der z w e i t e T h e i l der vorliegenden Uebereinkunft, mit dem Titel ,,Uebergangsbestimmung,a hat den Zwek, die V e r g a n g e n h e i t zu liquidiren. Die v o r dieser Uebereinkunft gebornen Kinder von naturalisirten Franzosen sind bekanntlich von Frankreich fortwährend noch als Franzosen betrachtet worden, so daß sie thatsächlich Schweizer in der Schweiz
und Franzosen in Frankreich gewesen sind.

Um diesen Konflikt zu lösen, wird nun in Art. 5 gegenseitig anerkannt, daß solche Personen auch das Recht haben zu optiren und zwar diejenigen, welche bei Inkrafttreten dieser Uebereinkunft noch minderjährig sind, ebenfalls im Laufe des Jahres, welches dem Eintritte ihrer Majorennität folgt, und diejenigen, welche bereits majorenn sind, im Laufe des nächsten Jahres von dem Momente hinweg, da vorliegende Uebereinkunft in Kraft tritt.

Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

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918 Diese Frist beträgt zwei Jahre für diejenigen, welche beim Inkrafttreten dieser Uebereinkimft weder in der Schweiz noch in Frankreich wohnen.

Im Uebrigen ist auch den vor Inkrafttreten dieses Vertrages gebornen Söhnen die Wohlthat der in Art. 3 aufgestellten Regel gewährt, d. h. sie dürfen nicht vor zurükgelegtem 22. Altersjahre zu den Waffen gerufen werden, wenn sie nicht freiwillig eintreten wollen und in gehöriger Form auf ihr Optionsrecht verzichten.

Nach näherer Prüfung der Grundgedanken des Projektes glaubten wir auf dieselben eingehen zu sollen, zumal die Verhandlungen auf der frühern Basis geringe Hoffnungen auf eine baldige Lösung boten und die Durchführung einer Uebereinkunft, die mit der francobelgischen vom 5. Juli d. J. analog ist, leichter schien. Auch sprach sich die Regierung des am meisten betheiligten Kantons (Genf) durchaus zustimmend aus.

Der übrige Inhalt dieses Vertrages ist an sich einfacher Natur und gibt uns nur noch zu wenigen Bemerkungen Anlaß.

Was die Form der Option betrifft, so ist das gleiche Verfahren anerkannt, welches Frankreich in dem oben erwähnten Geseze vom 16. Dezember 1874 für die in Frankreich gebornen Söhne von Fremden, die ihrerseits auch in Frankreich geboren sind, aufgestellt hat. Da diese Formen auch häufig von Söhnen von Schweizern in Frankreich angewendet werden müssen, so kann es nur erwünscht sein, daß das gleiche Verfahren besteht.

Bezüglich der Suspension der Militärpflicht der in der Schweiz gebornen Söhne naturalisirter Franzosen machen wir darauf aufmerksam, daß das gleiche Verhältniß mit Italien durch Art. 4 des NiederlassungsVertrages vom 22. Juli 1868 und die dazu gehörige Erklärung vom gleichen Tage (Amtl. Samml. Bd. IX, S. 706 u. 729) in ähnlicher Weise geordnet ist.

Wenn auch diese Uebereinkunft eine zeitweilige Suspension der vollen Wirkung der Naturalisation eines Franzosen (Art. 3 des Bundesgesezes vom 3. Juli 1876) zur Folge hat, so ist nicht zu übersehen, daß auch Frankreich während eines gewissen Zeitraumes die volle Anwendung seiner Gesezgebung auf die in Frage liegenden Personen verschieben muß. Es war diese gegenseitige Konzession unerläßlich, wenn man diese unerquikliche Angelegenheit endlich zu einem gedeihlichen Abschlüsse bringen wollte. Darüber, daß ein solcher Abschluß für eine große Zahl von Personen von höchster Wichtigkeit ist, kann indeß kein Zweifel walten, sowie auch beide Staaten ein hohes Interesse daran haben, daß eine Situation, aus

919 welcher so viele Konflikte und Verhandlungen entsprungen sind, endlich ihre Lösung finde.

Wir schließen daher mit dem Antrage, Sie möchten der vorliegenden Uebereinkunft durch die Annahme des folgenden Beschlußentwurfes Ihre vorbehaltene Ratifikation ertheilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 2. Dezember 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli 1879.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 2. Christmonat 1879, zu der zwischen der Schweiz und Frankreich unterm 23. Juli 1879 in Paris abgeschlossenen Uebereinkunft, betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen, beschließt: 1. Der erwähnten Uebereinkunft wird hiemit die vorbehaltene Ratifikation ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Uebereinkunft zwischen

der Schweiz und Frankreich, betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen.

(Vom 23. Juli 1879.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Präsident der französischen Republik, überzeugt von der Notwendigkeit, über die Nationalität und den Militärdienst der Kinder von in der Schweiz naturalisirten Franzosen eine Vereinbarung abzuschließen, haben als ihre Bevollmächtigten ernannt :

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn J o h a n n K o n r a d K e r n , außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft bei der französischen Republik ;

Der Präsident der französischen Republik: Herrn W a d d i n g t o n , Senator, Präsident des Ministerraths, Minister der auswärtigen Angelegenheiten; welche, nach Austausch ihrer in gehöriger Form befundenen Vollmachten, über folgende Bestimmungen sich vereinbart haben:

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Art. 1.

Die zur Zeit der Naturalisation französischer Eltern noch minderjährigen Kinder derselben haben während ihres zweiundzwanzigsten Altersjahres das Recht der Option zwischen der schweizerischen und der französischen Nationalität. Bit zu dem Zeitpunkte, in welchem sie für die schweizerische Nationalität optirt haben, werden sie als Franzosen betrachtet.

Art. 2.

Die Option für die schweizerische Nationalität wird durch eine Erklärung konstatirt, die der Betreffende bei der schweizerischen oder französischen Gemeindebehörde seines Wohnortes zu machen hat. Wohnt derselbe weder auf schweizerischem, noch auf französischem Gebiete, so kann er diese Erklärung vor den diplomatischen oder Konsularagenten des einen oder des andern Staates abgeben. Er kann sich hiezu durch einen mit legalisirter Spezialvollmacht versehenen Beauftragten vertreten lassen.

Diejenigen, welche diese Erklärung nicht während ihres zweiundzwanzigsten Altersjahres abgegeben haben, werden definitiv als Franzosen angesehen.

Art. 3.

Vor zurükgelegtem zweiundzwanzigstem Altersjahr werden die optionsberechtigten jungen Leute nicht zum Militärdienste in Frankreich angehalten. Sie können jedoch auf ihr Gesuch hin vor erreichter Volljährigkeit ihre Militärpflicht in der französischen Armee erfüllen oder in diese Armee eintreten, insofern sie auf ihr Optionsrecht für die schweizerische Nationalität verzichten. Dieser Verzicht muß von den Betheiligten mit Zustimmung ihrer gesezlichen Vertreter in der gleichen Form und vor den nämlichen Behörden erklärt werden, wie die Optionserkläruugen.

Art. 4.

Jede Options- oder Verzichtserklärung ist von der sie empfangenden Regierung der andern Regierung mitzutheilen.

Art. 5.

Uebergangsbestimmung.

Die minderjährigen Kinder der vor Inkrafttreten dieses Vertrages in der Schweiz naturalisirten Franzosen, die in Folge der

923 Verschiedenheit der Gesezgebungen beider Länder von beiden Theilen als Schweizer und als Franzosen betrachtet werden, genießen die Wohlthat der im Art. 3 aufgestellten Regel.

Wenn sie irn Laufe des zweiundzwanzigsten Altersjahres und gemäß den Vorschriften des Art. 2 ihre Absicht, Schweizer zu sein, erklärt haben, so werden sie in Frankreich nicht mehr als Franzosen betrachtet.

Diejenigen unter ihnen, welche vor dem Inkrafttreten der gegenwärtigen Uebereinkunft ihr einundzwanzigstes Altersjahr zurükgelegt haben, können die gleiche Erklärung während der Frist eines Jahres nach dem Inkrafttreten derselben abgeben. Diese Frist beti'ägt zwei Jahre für diejenigen, welche zur Zeit, in der gegenwärtige Uebereinkunft in Kraft tritt, weder in der Schweiz noch in Frankreich wohnen.

Art. 6.

Die gegenwärtige Uebereinkunft bleibt während fünf Jahren, vom Tage der Auswechslung der Ratifikationen an gerechnet, in Kraft.

Im Falle keine der hohen Vertragsparteien ein Jahr vor dem Ablaufe dieses Termins ihre Absicht, davon zurükzutreten, kund gegeben hat, bleibt die Uebereinkunft noch ein Jahr lang in Kraft und so weiter von Jahr zu Jahr, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie von einer Partei gekündigt worden ist.

Art. 7.

Die gegenwärtige Uebereinkunft wird der Genehmigung der gesezgebenden Behörden unterstellt.

Die bezüglichen Ratifikationen werden in Paris ausgewechselt, und die Uebereinkunft soll so bald als möglich in Kraft treten.

Zur Urkunde dessen haben die beidseitigen Bevollmächtigten sie unterzeichnet und ihre Wappensiegel beigesezt.

Geschehen zu Paris, den 23. Juli 1879.

(L. S.) Gez. Kern.

(L. S.)

Gez. Waddington.

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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die wider das Bundesgesez betreffend Erhöhung des Eingangszolls von verschiedenen Waarengattungen angestrengte Volksabstimmung.

(Vom 22. November 1879.)

Tit.

Bekanntlich hat die Bundesversammlung am 20. Juni 1879 ein Gesez erlassen, wonach der Eingangszoll von einzelnen Waarengattungen theilweise erhöht werden sollte, und es ist dieses Gesez in vorschriftsmäßiger Weise im Bundesblatte (Jahrg. 1879, Bd. III, 1) zur allgemeinen Kenntniß gebracht worden, um dem Bürger die Möglichkeit zu verschaffen, die nach Art. 89 der Bundesverfassung zuläßige Volkseinsprache zur Geltung zu bringen. Es sind denn auch wirklich 19,273 bezw. 19,315 Unterschriften in der nüzlichen Frist eingegangen, mit dem Begehren, das fragliche Gesez der Volksabstimmung zu unterstellen. Diese Unterschriften vertheilen sich folgendermaßen auf die Kantone:

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung zu der Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli 1879, betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisirten Franzosen. (...

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06.12.1879

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909-924

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10 010 511

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