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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Erhaltung und Verbesserung der kleinen Rindviehracen (Vom 18. März 1879.)

Tit.!

Anläßlich der Berathung des Voranschlags für das Jahr 1879 haben Sie auf ein Gesuch der landwirtschaftlichen Gesellschaft der romanischen Schweiz hin eine Summe von Fr. 3000 behufs Verbesserung der kleinen Rindviehrace bewilligt und uns gleichzeitig eingeladen, durch Sachkundige prüfen zu lassen, ob die Erhaltung der kleinen Rindviehracen im Interesse der betreffenden Landesgegenden liege und bejahendenfalls darüber Bericht zu erstatten, welches die geeignetesten Mittel sein dürften, dieselben zu verbessern und zu heben.

Das mit der Behandlung der Angelegenheit betraute Handelsund Landwirthschaftsdepartement hat zur Prüfung der Frage eine Kommission ernannt, welche aus den Herren Nationalrath Arnold in Altdorf, Regierungsrath Baumgartner, Präsident des Schweiz, landwirtschaftlichen Vereins in Solothurn, A. de Haller, Präsident der landwirtschaftlichen Gesellschaft der romanischen Schweiz in Lausanne,

497 R. Schatzmann, Direktor der Milchversuchsstation in Lausanne, Dr. Schindler, Bezirksthierarzt in Mollis (Glarus), bestand.

Dieser Kommission, welche sich unterm 6. März abhin versammelte, wurden folgende Fragen zur Prüfung vorgelegt: 1. Sind die schweizerischen kleinen Rindviehracen von wirklichem Vortheil für die Gegenden, in welchen sie gezogen werden ?

Welches sind ihre Vorzüge und welches ihre Fehler?

2. Liegt es im öffentlichen Interesse, die Verbesserung dieser Racen anzustreben?

3. Nach welcher Richtung hin soll diese Verbesserung angebahnt werden? Kann dies durch Aufzucht mit Beibehaltung der reinen Race geschehen oder ist Kreuzung erforderlich ?

4. Soll eine Verbreitung der verbesserten kleinen Rindviehracen angestrebt werden, und wenn ja, auf welche Art und Weise, resp. durch welche Mittel?

5. Wenn die Verbesserung als nüzfich anerkannt wird, welche Verwendung soll der bezügliche Bundesbeitrag erhalten ? Wie wäre derselbe eintretendenfalls unter die verschiedenen Gegenden der Schweiz zu veiiheileu?

Ad 1. Die Kommission war einstimmig der Ansicht, daß die kleinen Rindvieh s c h l a g e einiger Alpengegenden -- denn von eigenen R a c e n könne nicht die Rede sein -- in Folge planloser Züchtung, ungenügender Ernährung und mangelhafter Pflege nicht den wirtschaftlichen Nuzen bieten, den sie unter anderen Umstanden gewähren könnten.

Die Vorzüge der kleinen Racen bestehen darin, daß auch diejenigen Weiden, deren Zugänge für das Großvieh nicht passirbar sind, von denselben und nicht allein von den Ziegen, dio der Forstkultur schädlich sind, ausgenuzt werden können. In lezterer Beziehung namentlich sind die kleinen Rindviehraceu für die höheren Alpengegenden ein wahres Bedürfniß, indem ohne sie ein großer Thcil der Weiden unbenuzt verloren ginge. Wohl wird eingewendet, daß bei früher und konsequent durchgeführter Angewöhnung auch das schwerere Vieh über steile und schmale Wege zu entlegenen und hohen Weiden geführt werden könne, und es wurden in diesei; Hinsicht namentlich die Erfolge, welche man im Kanton

498 Glarus erzielt hatte, angeführt; aber von einer allgemeinen Durchführung der Bestoßung aller Alpgegenden mit Großvieh, (war die Ansicht der Kommission) könne keine Rode sein, auch schon deßhalb nicht, weil die ärmeren Gebirgsbewohner nicht die Mittel besizen, sich Individuen der größeren Race anzuschaffen, und wenn sie es auch könnten, doch das Risiko, das mit der Bestoßung der Alpen durch Großvieh verbunden wäre, nicht so leicht zu ertragen vermöchten. Die Erhaltung der kleineren Racen ist für gewisse Gebirgsgegenden deßhalb von höchster Wichtigkeit, von vitalem Interesse für die ärmere Bevölkerung. Was die Ergiebigkeit an Milch, was den Flcischwerth anbetrifft, so wird allgemein anerkannt, daß bei sorgfältiger Pflege und reichlicherer Ernährung die kleine Race der großen verhältnismäßig nichts nachgibt. Nachtheile hat die kleine Race keine. Die Ansicht, daß sie keinen Gegenstand des Handels bilde, beruht auf Irrthum, indem die Thiere dieser Raee namentlich bei den italienischen Händlern sehr gesucht sind.

Ad 2. Daß die kleinen Rindviehschläge einer Verbesserung fähig seien, wurde von keiner Seite bestritten. Die Erfahrungen, welche diesfalls im Kanton Waadt, im Berner Jura, in Fruligon, ferner in den Kantonen Glarus, St. Gallen, Graubünden und theilweise Appenzell gemacht worden sind, beweisen dies aufs Beste.

Es liegt deßhalb allerdings im Interesse der schweizerischen Volkswirthschaft, wenn die Verbesserung der Viehzucht nach dieser Richtung angestrebt wird. Daß diese Verbesserung der großen Race schaden kann, daran denkt wohl Niemand ernstlich. Das Gesuch der Société d'agriculture de la Suisse romande ist von der Erwägung ausgegangen, daß nachdem die bisherigen eidgenössischen Subventionen von landwirtschaftlichen Ausstellungen im Betrage von Fr. 40,000 und 50,000 allein den Züchtern der großen Raee zu gut gekommen seien, es auch einmal am Plaze wäre, wenn die kleineren Racen mit einer Subsidie bedacht würden.

Ad 3. Die Verbesserung soll durch rationelle Reinzucht, verbunden mit umsichtiger Auswahl der Zuchtthiere und der Aufzucht, durch reichlichere Ernährung und sorgfältige Pflege der Thiere und des Gesammtviehstandes der betreffenden Gegenden überhaupt zu erreichen gesucht werden. Verbesserung durch Kreuzung ist nicht zu empfehlen ; dieselbe würde wahrscheinlich auch nicht mit
Konsequenz durchgeführt werden.

Ad 4. Eine Verbreitung der verbesserten kleinen Racen außerhalb der Gegenden, in 'denen dieselben bereits vorkommen, wurde von der Kommission nicht als thunlich erachtet, wohl aber eine Verbreitung innerhalb dieser Gegenden in dem Sinne, daß von da, wo durch rationelle Pflege günstige Erfolge erzielt worden sind,

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eine Ueberfuhr in diejenigen Alpengegenden, in welchen dies noch nicht der Fall sein würde, begünstigt werde.

Da selbst in ebenen und futterreichen Gegenden der Schweiz eine nur zu große Zahl von Thieren der beiden Schweiz. Ilauptracen wegen mangelhafter Ernährung und Pflege in ihrem Wachsthum so zurükbleiben, daß dieselben zu den kleinen Schlägen gezählt werden müssen, so könnte eine Verbreitung der lezteren für die betreffenden Landesgegenden nur schädlich sein.

Ad 5. Ueber die Verwendung des Bundesbeitrages an die Erhaltung und Verbesserung der kleinen Rindviehracen machten sich verschiedene Anschauungen geltend.

In erster Linie wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß bei den allgemeinen schweizerischen landwirtschaftlichen Ausstellungen eine besondere Klassifikation für die kleinem Racen eingerichtet werde, damit die leztern nicht gezwungen werden, mit den großen Racen zu konkurriren, sondern unter sich Konkurriren können.

Ferner wurde vorgeschlagen, daß eine eingehende Untersuchung o O , O O der kleinen Rindviehschläge an Ort und Stelle, deren Lebensbedingungen und speziellen Mittel ihrer Hebung veranstaltet werde.

Als weiterer Modus der Verwendung wurde angegeben die Verabreichung von Prämien für bezirksweise, kantonale und interkantonale Ausstellungen der kleinen Rindviehracen. Diese Ausstellungen , welche von landwirthschaftlichen Vereinen organisirt würden, sollten nach einem bestimmten Turnus in den betreffenden Landesgegenden abwechseln. Das Programm wäre jedesmal dem Departement zur Genehmigung einzusenden.

Von einer andern Seite wurde die Anregung gemacht, daß zuvörderst ermittelt werden sollte, welche Betrüge von Behörden, Vereinen oder Privaten für die Verbesserung der kleinen Rindviehracen geleistet werden, worauf die Fr. 3000 nach dem Verhältniss dieser Leistungen an die betreffenden Kantone vertheilt werden sollten.

Auf die Mittheilung hin, daß noch im Laufe dieses Jahres in Sitten eine interkantonale Ausstellung von den kleinen Rindviehschlägen angehörenden Thieren stattfinden werde, welcher vom Großen Rathe des Kantons Wallis ein Beitrag von Fr. 2000 bewilligt worden sei, wurde der Wunsch geäußert, es sollten Fr. 1500 von den von Ihnen bewilligten Fr. 3000 dieser Ausstellung zugewendet werden.

Wenn interkantonale Ausstellungen stattfinden , so sollte bei der Genehmigung des Programms durch das Departement darauf

500 Rüksicht genommen werden, daß die Vertheilung der vom Bunde bewilligten Subvention in der Form von Prämien unter die Züchter des besten Rindviehs der braunen und der geflekten Race gleichmäßig stattfinde.

Aus einem Theile der Summe sollten sodann die Kosten für die Belehrung der Viehzüchter in den betreffenden Alpengegenden vermittelst Verbreitung einer sachbezüglichen Broschüre bestritten werden.

Nach eingehender Besprechung aller dieser Vorschläge kam die Kommission zu folgender Resolution : Ueber die Verwendung der Fr. 3000 seien definitive Entscheide nicht zu fassen. Die Untersuchungen über den gegenwärtigen Zustand der kleinen Rindviehracen sollten aus andern Mitteln bestritten werden. Was die Belehrung der Viehzüchter anbetreffe, so sei dies Sache der landwirthschaftliehen Vereine, die bereits zu diesem Zweke vom Bunde subventionné werden. Schließlich könnten bestimmte Anhaltspunkte nicht gegeben werden, bis das Resultat der Erkundigungen über die Leistungen in den Kantonen vorliege.

Nur hinsichtlich des Kreises, über den sich die Unterstüzungen zur Erhaltung und Verbesserung der kleinen Rindviehraceu ausdehnen sollten, wurde festgesezt, daß die Thiere der kleinen Racen aus den Tiefgegenden unberüksichtigt bleiben sollten und einzig diejenigen aus den um den Gotthard sich lagernden Kantonen Uri, Tessin, Wallis und ein Theil von Graubünden in Betracht kommen können.

Soweit also die Ansichten der Kommission, welche wir kurz dahin resümiren können, daß die Erhaltung der kleinen Rindviehracen für die betreffenden Landesgegenden nicht nur ein Interesse, sondern gewissermaßen ein Bedürfniß, daß diese Racen der Verbesserung fähig und werth seien, und daß die geeignetesten Mittel der Verbesserung und Erhaltung in der reichlicheren Ernährung, sorgfältigeren Pflege der Thiere und der umsichtigen Auswahl der Zuchtthiere bestehen.

Eine bis ins Einzelne gehende Untersuchung über die verschiedenen Unterarten des Rindviehs der sogenannten kleinen Racen, über deren Lebensbedingungen, das numerische Verhältniß zum Viehstand der Schweiz überhaupt u. A. war natürlich in so kurzer Zeit nicht möglich. Eine derartige einläßliche Prüfung der Angelegenheit würde Jahre Zeit und bedeutende Auslagen erfordern, um so mehr, als ein auch nur einigermaßen vollständiges Material zur Zeit noch gar nicht vorhanden
ist und über sehr viele und wesentliche Punkte eine große Meinungsverschiedenheit herrscht, über die vorerst zu einem sichern und objektiven Resultate zu gelangen wäre.

501 Für den Augenblik aber dürfte das Gesagte genügen. Der Bundesrath wird übrigens, wofern man überhaupt in der Angelegenheit Förderndes schaffen will, dieselbe nicht aus den Augen verlieren.

Je länger und ernstlicher der angestrebte Zwek zu erreichen gesucht wird, desto besser wird in einer spätem Zeit über die Mittel und den wirthschaftlichen Werth dessen, was in der Sache zu thun ist, Rechenschaft gegeben werden können. Die Untersuchung, die Gegenstand dieses Berichtes bildet, sollte, wenn in der Angelegenheit ein Weiteres gethan werden will, für spätere umfassendere Untersuchungen die Grundlage bilden und den Kreis des Arbeitsfeldes beschreiben.

Was die Verwendung der Summe anbetrifft, so glauben wir hier nicht nöthig zu haben, uns darüber auszusprechen, indem Ihr Auftrag sich nicht so weit erstrekte. Wir werden allerdings nicht ermangeln, die Gesichtspunkte, welche die Kommission aufgestellt hat, so viel als thunlich zur Richtschnur zu nehmen und im Uebrigen die Subvention in einer alle berechtigten Interessen gleichmäßig berüksichtigenden Weise zu verwenden.

Wir haben es für nöthig erachtet, Ihnen diesen vorläufigen Bericht noch in Ihrer gegenwärtigen Session zu erstatten, indem wir darauf hielten, von dem bewilligten Kredite erst, nachdem wir Ihnen das Resultat der ersten Expertenenquete vorgelegt haben würden, einen Gebrauch zu machen. Ein fernerer Grund für die Vorlage in der Märzsession war der Umstand, daß, wenn die 3000 Franken dieses Jahr zur Verwendung kommen sollen, ein Entscheid in kürzester Zeit gefaßt werden muß, da die projektirte Ausstellung zu Sitten im Monat Juni nächsthin stattfinden soll.

Schließlich erlauben wir uns, Ihnen zu beantragen, Sie möchten das bezügliche Postulat durch diesen vorläufigen Bericht als erledigt betrachten.

Wir benuzen diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. März 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bu n d e sp r ä si d e n t:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

502

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Brünigbahn.

(Vom 18. März 1879.)

Tit. !

Am 31. Januar 1874 haben Sie dem betreffenden Gründungskomite die Konzession für den Bau und Betrieb einer Brünigbahn ertheilt, unter Ansezung einer Frist von 20 Monaten für die Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Statuten der Gesellschaft, und von weiteren 3 Monaten, von der Genehmigung der genannten Ausweise an, für den Anfang mit den inner weiteren 30 Monaten zu vollendenden Erdarbeiten. Diese Fristen sind am 17. September 1875 und 27. März 1877, unterm lezteren Tag in der Art erstrekt worden, daß die technischen und finanziellen Vorlagen bis zum 31. Mai 1879 einzureichen und wiederum die weiteren 3 Monate für den Baubeginn von der Genehmigung dieser Vorlagen an zu rechnen seien u. s. w.

Das Komite der Brünigbahn hat mit Eingabe vom 21. v. Mts.

neuerdings um Verlängerung der Konzession, und zwar bis zum 18. Februar 1881 nachgesucht. Bei der gegenwärtigen allgemeinen Geschäfts- und Finanzlage sei es zwar keineswegs gewiß, daß das Unternehmen wirklich finanziell gesichert werde; indessen können die Zeiten sich auch bessern, namentlich wenn die Gotthardbahn sich rekonstituire und finanziell konsolidire Auch habe sich der

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Erhaltung und Verbesserung der kleinen Rindviehracen (Vom 18. März 1879.)

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1879

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13

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22.03.1879

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496-502

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