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Schweizerisches Bundesblatt

3l. Jahrgang. III.

Nr. 43.

20. September 1879.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei ia der ganzen Schweiz): 4 Franken, Einrükungsgebühr per Zeile 15 Ep. -- Inserate sind franko an die I Spedition einzusenden Druk and Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht der

eidgenössischen Fabrikinspektoren über ihre

gemeinsamen Inspektionsreisen.

(Vom Mai 1879.)

An das eidg. Handels- und Landwirthschaftsdepartement.

Tit.

Die Unterzeichneten haben am 25. April die zu Anfang September vorigen Jahres begonnenen gemeinsamen Inspektionsreisen beendigt und in sämmtlichen Kantonen der Schweiz eine mehr oder minder bedeutende Anzahl von Etablissementen besucht. Wir haben hiefür 127 Reisetage verwendet. Nachstehende Tabelle gibt eine Uebersicht, welchen Kantonen sowohl, als welchen Industriebranchen die besuchten Fabriken angehörten,

Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

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1 2 . Wollspinnerei . . . .

1 3 . Wollweberei . . . .

1 4 . Filztuchfabrik . . . .

15. Kunstwollfabrik . . .

C. 16. Seidenspinnerei . . .

17. Seidenwinderei, Zwirnerei 18, Soidenzettlerei . . . .

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2 1 . Scidcnappretur . . . .

22. Conditioniren . . , .

D. 23. Hanf- und Flachsspinnerei E. 24. Halbleinweberei . . .

25. Cocos-Teppiche . . .

26 Tricoterie 2 7 . Posamenterie . . . .

2 8 . Litzenfabrik . . . .

29. Roßhaarflcchterei, Spinn.

3 0 . Slrohflechtevei . . . .

31. Kautschukgewebe 32. Wachstuchfabrik . . '.

33. Weißzeugfabrik . . .

II. 34. Kleiderkonfektion . . .

3 5 . Hutfabriken . . . .

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Uebertrag 23 5 4 -- -- -- 3 -- 36. Schuhfabriken u. Sattlerei . 2 1 3 8 . Bürstenfabrik . . . .

3 9 . Kammfabriken . . . .

III. 40. Schmelzerei und Abgangbenuzung der Edelmetalle -1 41. Steinbohren und Schleifen 42. Gravüre und Ciselure .

---- 44. Feilen, Uhrm. -Werkzeuge .

-- 1 46. Zeiger und Schlüssel . .

4-7 Qoli-ilon 1 48. Zifferblätter und Gläser .

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58. Mineralwasser und Eis 59. Tabak und Cigarrcn .

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66. Kerzen und Seilen .

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71. Cartonnage und Etuis . -- 1 79 finipllrnvton

73. Schriftguß und Schnitt , 7 4 . Buchdruckerei . . . .

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81. Drechslerei u.Korbwaaren VTTT 82

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85. Feilen und Federn . .

86. Eisenwaaren versch. Art .

87. Kupfer- u. Messingwaaren

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-i -i 6 91. Maschinenbauanstalten . 4 1 -i ^ 8 92. Werkzeugfabriken . . 4 -i -i 4 2 93. Beleuchtungsapparate 1 1 9 4 . Heizapparate . . . .

1 1 1 3 95. Physikal. Instrumente -i 1 9 6 . Schußwaflen . . . .

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296

Wir sind hiebei außerordentlich selten von dem Reiseprogramm abgewichen, das wir im Einverständniß mit Ihnen und gemäß den von Ihnen gebilligten leitenden Gesichtspunkten aufgestellt. Es erklärt sieh daraus auch die kleine Zahl der Besuche, die auf einzelne hoch industrielle Kantone eniifielen, Zahlen, die sonst ganz auffallend erscheinen müßten.

Wir beeilen uns um so mehr, Ihnen möglichst bald den in unserer Spezial-Instruktion vorgesehenen Bericht über die Ergebnisse unserer Inspektionen einzureichen, als derselbe nicht unwesentlich die Entscheide und Maßregeln beeinflussen wird, welche auf die weitere Ausführung des Fabrikgesetzes Bezug haben. Sie haben uns seinerzeit diejenigen Punkte bezeichnet, auf welche wir vorzugsweise unser Augenmerk zu richten haben. Dieselben werden auch für die Anordnung unserer Berichterstattung maßgebend sein, welche nachfolgende Fragen zu beantworten hat.

I. Welche gewerblichen Anstalten sind unter die Fabriken einzureihen?

Die erste Enquête über Zahl und Art der industriellen Anstalten der Schweiz, die nach Annahme des eidg. Fabrikgesetzes mittelst Fragebogen veranstaltet wurde, sollte die Kenntniß a l l e r derjenigen Etablissemente verschaffen, die auch nur m ö g l i c h e r w e i s e unter das Fabrikgesetz hätten fallen können. Aber schon dieses erste Verzeichniß fiel sehr unvollständig aus, so daß seither in einer großen Zahl der Kantone eine Ergänzung nöthig wurde.

Dies rührte zum Theil daher, daß die Kantone sich durchaus nicht an den W o r t l a u t des Gesetzes, sondern entgegen auch den vom schweizerischen Handelsdepartement in seinem Kreisschreiben vom 11. Dezember 1877 geäußerten Wünschen an ihre eigene Interpretation des Ausdrucks ,,Fabrik" hielten und sieh dadurch bei der Versendung der Fragebogen leiten ließen. So kam es, daß je nach der Verschiedenheit der Auffassung in einem Kanton ganze große Kategorien von industriellen Anstalten keine Fragebogen zugesandt bekamen, während im andern eine ganze Reihe selbst kleinerer Anstalten derselben Art auf der Liste figurirte. Diese Ungleichheit trat am meisten in Städten hervor, wo so viele Etablissemente bestehen, bei welchen die Grenze zwischen im Großen und mit Beihülfe von Maschinen betriebenem -Handwerk und dem eigentlichen Fabrikbetrieb sich nur sehr schwer ziehen läßt. Wir sind überzeugt, daß hiebei eine Menge von entschieden fabrikmäßigen, aber ohne Anwendung von Motoren ausgeführten Betrieben ganz unbeachtet blieb und daß eine allgemeine Revision

297der Verzeichnisse Platz greifen muß, wenn nicht eine unbillige Ungleichheit vor dem Gesetz bestehen bleiben soll.

Der hohe Bundesrath hat am 23. Mai 1878 grundsätzliche Entscheidungen aufgestellt, nach welchen die Einreihung der Etablissemente unter die Fabriken geregelt werden soll, aber wie er ausdrücklich beifügt, sind dieselben nur p r o v i s o r i s c h getroffen.

Es springt bei Durchlesung des betreffenden Aktenstückes in die Augen, wie schwierig die Ausscheidung ist, und zugleich, wie zweckmäßig es war, gegenüber einem Fabrikgesetz, d a s so w e n i g A u s n a h meges t a t t u n g e n k e n n t , wie das unserige, keine vollständig bindende Definition aufzustellen, was Fabrik sei, sondern dem Bundesrath in zweifelhaften Fällen die Entscheidung zu überlassen. Derselbe spricht sich des Bestimmtesten dahin aus, daß vor Allem aus die R ü c k s i c h t e n auf L e b e n und G e s u n d h e i t der A r b e i t e r maßgebend sein sollen. Er hat deshalb auch diejenigen Etablissemente, von deren Arbeitern der größte Theil im Freien beschäftigt, ein anderer Theil aber an geachlossene Räume gebunden und gewissen Schädlichkeiten ausgesetzt ist, ebenfalls den Bestimmungen des Fabrikgesetzes unterstellt und selbst d e n Umstand, daß die Arbeiter in einzelnen Arten von Etablissementen im eigenen Hause der Fabrikinhaber, resp. im Etablissement selbst Kost und Wohnung erhalten, nicht als genügend erachtet, um diese Leute, als innerhalb ihrer Wohnung beschäftigt, nicht unter das Fabrikgesetz zu stellen. Wenn er dabei die Entscheidung, ob Mühleu, Bleichereien und Bierbrauereien auch zu den Fabriken gehören, selbst als heikle bezeichnet, so mag es auch uns gestattet sein, an dieser Stelle, gestützt auf unsere Wahrnehmungen und Informationen, die Bedenken zur Sprache zu bringen, welche wir gegen diese Art der Anwendung des Gesetzes hegen.

Es wird Niemand in Abrede stellen, daß auch den Müllern, Bleichern, Brauern, die nach Art der Handwerksgesellen von ihren Prinzipalen verpflegt werden, der Schutz vor übermäßig langer Arbeit, vor den Gefahren durch schlecht eingeschirmte Maschinerie, die Wohlthat des Haftpflichtgesetzes ebensowohl zu gönnen wäre als den Fabrikarbeitern, und die Ansichten dürften nur darüber auseinander gehen, ob Bestimmungen darüber für die angeführten Berufsarten von einem Fabrikgesetz
oder aber von einem alle industriellen Betriebe umfassenden Gewerbegesetz verlangt werden sollen. Es wird auch Niemand bezweifeln, daß da, wo Arbeiter Kost und Bett in kasernenmäßig bewohnten Räumen vom Arbeitgeber erhalten, aber, im charakteristischen Gegensatz zum Verhältniß der Handwerksgesellen, nicht im Mindesten Mitglieder der Familie des Arbeitgebers geworden sind, wo die Hausordnung, die Ein-

298

richtung der Verpflegung ganz des Familiencharakters entbehrt, von keinem Arbeiten innerhalb des eigentlichen Heims die Rede sein kann ; wie denn auch noch keinem Baumwollspinnereibesitzer z. B.

eingefallen ist, seine Kosthausinsaßen als Nichtfabrikarbeiter zu. bezeichnen.

Auch dagegen dürfte kaum ein Widerspruch erfolgen, daß, wenn ein vereinzelter Arbeitgeber . seine fremden Arbeiter als Familienglieder nach Art der Gesellen iti sein Haus aufnehmen und behandeln wollte, aber bei einer Industrie, die sonst allgemein auf eine für die Fabriken charakteristische Weise betrieben wird, wo alle analogen Etablisserhente als Fabriken erklärt sind, dann diese ausnahmsweise Behandlung der Arbeiter nicht auch eine ausnahmsweise Qualifikation seines Geschäftes als Nichtfabrik bedingen würde. Wir könnten z. B, einen ganz zutreffenden Fall von Wattenfabrikation anführen, wo der Bundesrath, die kantonale Regierung und der betheiligte Fabrikbesitzer selbst in dieser Auffassung ganz einig gingen.

Aus unsern Beobachtungen geht nun aber hervor, daß wirklich bei M ü l l e r n , B r a u e r n und Bleichern fast durchweg eine ganz gleiche Behandlung und Verpflegung der Arbeiter vorkommt, wie sie bei Handwerksgesellen überhaupt üblich ist, und daß ferner, wo dies, zutrifft, es absolut unmöglich wäre, einen Unterschied zwischen ihnen und z. B, den Knechten in einem landwirtschaftlichen Betrieb herauszufinden, die vielleicht auch einen großen Theil ihrer Zeit an gefährdenden landwirtschaftlichen Maschinen beschäftigt sind, Gerathen wir dadurch schon in Zweifel, ob § l unseres Fabrikgesetzes hier zutreffe, so kommen noch schwere Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit des Gesetzes bei diesen Leuten hinzu, Einwendungen, welche auch in den Petitionen der Mahlen-, Brauereiund Bleichereibesitzer der Unterstellung ihrer Etablissement unter das Fabrikgesetz entgegengehalten worden sind. D i e ' M ü l l e r führen nätnlich als unterstützende Gründe für ihr Gesuch an : a. Daß für die Mühlen ohnehin konlinuirliche Arbeit gestattet werden müsse, wenn sie nicht alle Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland verlieren sollen.

b. Daß jedenfalls die ganz k l e i n e n Mühlen, die zwar schon mit drei Arbeitern Handelsmühlen sein können, analog frühern Entscheiden n i c h t unter das Fabrikgesetz gestellt werden können, daß aber gerade dadurch das Aufkommen von grüßern Mühlen erschwert würde, in welchen nicht nur die Gesundheit und Sicherheit .der Arbeiter besser gewahrt

299 ist, sondern auch die Nachtarbeit den Einzelnen viel seltener trifft, da nur ein Arbeiter per Nacht an der Arbeit zu bleiben hat, oder je 2, aber Jeder nur die halbe Nacht.

Die B i e r b r a u e r weisen darauf h i n : a. Daß atmosphärische Einflüsse das raschere oder langsamere Keimen der Gerste oder Gähren des Biers bedingen und somit auch die Zeit der Vornahme der dadurch bedingten Manipulationen, daß also das Innehalten einer bestimmten Regel in Bezug auf die Arbeitszeit niemals möglich wäre.

b. Daß auch hier zutrifft, was unter b von den Mühlen gesagt ist, wenigstens in so weit, als die großem Etablissemente viel leichter eine zu anhaltende, übermäßige Beanspruchung des einzelnen Arbeiters vermeiden können.

Aus den Anführungen der B l e i c h e r , wie aus unsern eigenen Wahrnehmungen, geht endlich hervor: a. Daß ihr Betrieb ein sehr unregelmäßiger sein m u ß , da sie für viele Etablissemente, Druckereien etc. Waaren vorzubereiten haben, und oft in. kurzer Zeit große Quantitäten bewältigt werden müssen, wenn nicht alle diese Etablissemente stocken sollen.

b. Daß die Dauer der nothwendig ununterbrochen aufeinander folgenden Prozeduren (für welche l Etablissement ausdrücklich kontinuirliche Arbeitszeit nachgesucht hat), somit die nothwendige Länge der täglichen Arbeitszeit, je nach der Beschaffenheit der zu bleichenden Tücher zwischen 11 und 15 Stunden schwanken kann.

c. Daß die atmosphärischen Einflüsse sowohl das raschere oder langsamere Trocknen bedingen, als auch das Wasser, z. B.

durch Eisgang oder Trübung in Folge von Regengüssen, unbrauchbar machen, die Vornahme verschiedener Prozeduren verzögern, somit Störungen in der regelmäßigen Arbeitszeit sehr häufig verursachen können.

Zu alledem kommt, daß weder in Mühlen, noch in Brauereien, noch in Bleichereien Frauen oder Kinder beschäftigt werden.

In Erwägung aller angeführten Gründe kommen wir zu dem Antrag; ,,Es seien Mehlmühleu, Bierbrauereien und BleicheBreien nicht als Fabriken zu betrachten, insofern und so ,,lange nur erwachsene, männliche Arbeiter beschäftigt ,,und vom Arbeitgeber selbst beköstigt und logirt werden."

300

Etwas anders scheint uns die Frage bezüglich der Z i e g l e r zu liegen, die ebenfalls um Streichung von der Liste der Fabriken petitionirt haben oder vielmehr Petitionen ihrer Arbeiter übermittelten. Diese stützen sich darauf: a. Daß sie ihre Arbeit im Freien und nicht in geschlossenen Räumen verrichten.

b. Daß dieselbe eine nur 5 bis 5 Va Monate im Jahr andauernde, von den Temperaturverhältnissen und der Witterung durchaus abhängige, durch diese Einflüsse vielfach unterbrochene sei.

c. Daß sie aber, weil sie nur zur guten Jahreszeit betrieben werde und insbesondere ivn Winter, d. h. derjenigen Jahreszeit aufhöre, in welcher am wenigsten die Möglichkeit eines anderweitigen passenden Erwerbes für die Arbeiter der Ziegeleien geboten sei, in der eigentlichen Saison so intensiv betrieben werden müsse, daß der Erwerb aus dieser Zeit wenigstens zum größten Theil für die Bestreitung der Lebensbedürfnisse des ga^en Jahres ausreiche.

Dem gegenüber muß aber darauf hingewiesen werden, daß auch weibliche Arbeiter und solche von 14 bis 18 Jahren vielfach beschäftigt werden ; daß deren Verpflegung zwar oft in Kosthaus - Manier erfolgt, daß sie aber selten oder nie in ihrer regelmäßigen Wohnung und am Tisch des Patrons ihre Unterkunft und Beköstigung linden ; daß ein bedeutender Bvuchtheil der Arbeiterschaft in geschlossenem Raum und bei einer in Bezug auf Gefährdung der Gesundheit und des Lebens nichts weniger als gleich. gültigen Beschäftigung seine Verwendung findet.

Es müßten somit alle Grundsätze, welche den hohen Bundesrath bei seinen frühem Entscheiden geleitet, verläugnet werden, wenn man die Ziegeleien von der Liste der Fabriljen streichen wollte. Hingegen wollen wir schon hier die Bemerkung nicht unterdrücken, daß unserer Meinung nach die allgemeine Regel des Fabrikgesetzes bei Industriezweigen, die ihrer Natur nach total vom Wetter abhangen, nicht in ihrem vollen Umfang angewendet werden könne, sondern gewisse Rücksichten, soweit sie den Zwecken des Fabrikgesetzes nicht entgegen sind, genommen werden müssen, Das ,,Wiea wird uns an anderer Stelle beschäftigen.

Eine Frage, die zu lebhaftem Für und Wider Veranlassung gab, ist fernerbin die, ob die Buchdruckereien, Lithographien und ähnliche Anstalten unter die Fabriken gehören oder nicht. Der

301

hohe Bundesrath hat sie am 23. Mai 1878 vorläufig verneinend entschieden und zwar seheint ihn hiex.u am meisten bewogen zu haben : a. Daß die Arbeiter in diesen Gewerben zu den Genossen der freien Kunstgewerbe zählen und zudem in der Regel befähigt seien, sich ihren Prinzipalen gegenüber selbst zu helfen.

b. Daß die großen Geschäfte, die am ehesten in Betracht kämen, gewöhnlich auch Einrichtungen besitzen, die nichts zu wünschen übrigo lassen.

Uns scheint nun die Arbeit in- diesen Anstalten doch zum überwiegend großen Theil eine ganz mechanische, nichts weniger als künstlerische zu sein. Wenn aber ein Bruchtheil der Beschäftigten wirklich als Künstler taxirt werden muß, d. h. als Leute, die nicht Stunde um Stunde wie eine Maschine fortarbeiten können, denen ein gewisser Schwung ihrer Phantasie, eine gewisse Energie ihres Denkens erst die Befähigung gibt, ihre Arbeit auszuführen, daß sie somit nicht an die Uhr gebunden werden können, so erinnern wir daran, daß Gleiches auch bei vielen Mitarbeitern in der Maschinenindustrie etc. der Fall ist, und daß eben hier und dort von selbst die Einrechnung derartiger Arbeiter unter die ,,Fabrikarbeiter11 unterlassen wird. An die Befähigung zur Selbsthülfe möchten wir um so weniger appelliren, als es ja gerade eine der Aufgaben des Fabrikgesetzes ist, die Nothwendigkeit derselben zu beseitigen.

Was den zweiten Grund anbetrifft, begnügen wir uns, ohne uns ins Detail einzulassen, mit der Versicherung, daß die Voraussetzung sich als eine sehr unrichtige herausgestellt hat.

Viel wichtiger, als das soeben Angeführte, erscheint uns aber der Hinweis auf alle die Gefährden für Gesundheit und Leben, welche gerade Buchdruckerei und Lithographie in sich schließen.

Wir haben -- und zwar neben vielfacher Verwendung von Frauen und Kindern -- die Nachtheile der Anhäufung vieler Personen in engem Raum /u fürchten, es besteht Gefährdung durch Motoren und Maschinen, durch das giftige Leiternmetall, das schon zu mehr als einer Bleivergiftung geführt hat, den schädlichen Broncestaub, der iuhalirt ebenfalls die Gesundhuit schädigen kann. Es mag viel Uebertreibung mit unterlaufen sein, wenn man den Buchdruckerund Lithographenberuf als einen der gesundheitsgefährlichsten hinstellte , zur angeblich kurzen Lebensdauer mögen noch andere Faktoren mitwirken, aber unbestreitbar ist,
daß unter der allgemeinen Bezeichnung ,,Buch dru citerei "· Industriezweige m i t i n beg r i f f e n werden, die zu den ungesundesten gehören, wie die Schriftgießerei. Es widerstreitet zudem allem Billigkeitsgefühl,

302

·wenn Etablissemente letztgenannter Art, wenn sie sclbstständige Unternehmungen sind, dem Fabrikgesetz unterstellt werden, während die doppelt so große Schriftgießerei der 7] Buchdruckerei a unbehelligt durchschlüpft -- doch nicht mehr, als wenn die Cartonnagefabrik mit 30 Arbeitern dem Gesetz unterstellt ist, aber eine viermal so viele Leute beschäftigende Buchbinderei abermals als Bestandtheil einer ,,Buchdruckereia leer ausgeht. Uebrigens glauben wir nicht zu irren, wenn wir annehmen, die Buchdruckereibesitzer selbst erachten es nur als eine Frage der Zeit, wann sie dem Fabrikgesetz unterstellt werden.

Wenn gewerbliche Anstalten in Frage kommen, welche bei einer in jeder Hinsicht ungefährlichen, nicht anstrengenden Beschäftigung eine größere Zahl Arbeiter vereinen, so hat der Bundesrath längst entschieden, daß die Beantwortung der Frage, ^ob Fabrik oder nicht", von zwei Rücksichten abhangen soll: 1. Ob Kinder verwendet werden? In diesem Fall ist jede Uebevzeit eine sanitarische Gefährde, und deßhalb strenge Anwendung des Gesetzes geboten.

2. Ob da, wo nur Erwachsene beschäftigt werden, der sanitarische Zustand der Lokale ein richtiger sei ? Bei Industrien, wo Letzteres zutrifft, wird eine sanitarische Gefährde erst durch eine g r o ß e Zahl, eine Anhäufung der Arbeiter hervorgerufen.

In Berücksichtigung des eben Angeführten scheint es uns, daß zwei verschiedene Grenzlinien, zweierlei M i n i m a l z a h l e n , unter welchen von einer Fabrik keine Rede mehr sein kann, aufgestellt werden sollten.

Die Nothwendigkeit einer solchen in Zahlen ausgedrückten Grenze hat sich noch bei jeder Fabrikgesetzgebung herausgestellt.

Auch die voriges Jahr vom Handclsdepartement konsultirte Expertenkommission war von dieser Ueberzeugung durchdrungen. Sie nahm an, daß ein Etablissement', das im Maximum und zu jeder Zeit weniger als 6 Arbeiter beschäftige, nicht als Fabrik gelten solle, auch wenn es die anderweitige Natur desselben zu einer solchen stempelte; denn bei einer noch niedrigem Zahl von Arbeitern kann immer der Einwand kommen, daß ausschließlich Familienglieder die Arbeit besorgen, und es wird selten eine praktische Bedeutung haben, noch weiter herunter zu geben.

Sie wünschte ferner, daß Etablissemente, denen sonst keine der oft erwähnten Schädlichkeiten und Gefahren anhaften, vermöge der Zahl der verwendeten Arbeiter dazu gerechnet werden, sowie diese Zahl auf 25 und darüber ansteigt.

303

Unsere Wahrnehmungen haben uns in der Ueberzeugung bestärkt, daß diese Vorschläge auf richtige Auffassung des praktischen Lebens gegründet sind, und daß gerade die letztere Zahl im Einklang steht mit den Anschauungen des Volkes.

Wenn wir auch in allen übrigen Punkten den vom hohen Bundesrath getroffenen Entscheidungen beipflichten müssen, so bleiben uns doch noch einige Fragen aufzuwerfen übrig, welche durch das vielfach erwähnte bundesräthliche Circular nicht zum Austrag gebracht worden sind, und zwar: 1. Finden die Bestimmungen des Fabrikgesetzes nur da Anwendung, wo e i n Arbeitgeber viele Arbeiter in e i n e m Raum vereinigt, oder gelten sie auch da, wo die Produktion auf Rechnung des einzelnen Arbeiters erfolgt?

Es gibt Fabrikbetriebe, wo Alles auf Akkorden und Unterakkorden beruht, der Fabrikant mit dem Meister, dieser mit dem Arbeiter, selbst dieser wieder mit dem Handlanger seinen Akkord abschließt. Bei dem so allgemein gewordenen Brauch der Akkordarbeit bietet die Auflösung fast des ganzen Arbeitspersonals in lauter Akkordantengruppen gar keine Schwierigkeiten dar. Wenn nun aber der Fabrikant den Unterakkordanten als selbstständigen Unternehmer hinstellt, der seiner Botmäßigkeit entzogen ist, soll in Berücksichtigung dessen eine Anzahl von 20---30 Einzelbetrieben, wovon jeder zu klein ist, um unter das Gesetz zu fallen, oder soll doch eine Fabrik angenommen werden? Wir denken: ja, es ist eine Fabrik, wenn anders nicht das ganze Fabrikgesetz soll umgangen werden können nach Belieben. Denn wenn es auch dieser Kunstgriffe zur vollständigen Schaffung von angeblichen Einzelbetrieben noch bedürfen sollte, was hindert den Fabrikanten, von seinem Arbeiter Platzmiethe, Entschädigung für Heizung und Licht zu nehmen und dieß in anderer Form zurückzuvergüten ?

Auf diese Weise ergibt sich aber auch ganz von selbst die Lösung der Frage betreffend die U h r m a c h e r a t e l i e r s , Die vorjährige Expertenkommission fand schon, daß ,,wenn ,,in diesen Ateliers Motoren nicht angewendet werden, die Frage, ,,ob das Geschäft unter das Fabrikgesetz falle, von der Zahl der ,,in geschlossenen Räumen beschäftigten Arbeiter abhänge, a Wir pflichten ihr bei und fügen nur noch hinzu, daß gerade die Voraussetzung eine ganz falsche ist, als ob die Beschaffenheit dieser Ateliers in der Regel eine ganz vorzügliche
sei. Wir haben gerade in denselben so ungünstige sanitarische Verhältnisse gefunden als möglich: Mangel an Reinlichkeit, an Lüftung, schlechte Beleuchtung und Heizung, Dämpfe von Oel und Metallen, Tabaksqualm, schlechte

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Abtrittverhältnisse, und zu bessern' Lüftung, so lange andere fast bis Mitternacht Wir hätten den ,,freien* Lokale der ,, Sklavena der

alledem wirkliche Unmöglichkeit einer der eine Arbeiter Morgens früh, der arbeitet und gegen Zugluft protestirt.

Arbeitern der Uhrenindustrie oft die Baumwollenindustrie gewünscht.

2. Fallen die Etablissements auch unter das G-esetz, welche Eigenthum der Kantone sind und von ihnen betrieben werden ?

Die Werkstätten des Bundes, Laboratorien, Pulvermühlen' Wagenbauanstalten sind gleich von Anfang an unbeanstandet auf -unsere Fabriklisten aufgetragen worden. Wir vermögen nicht eirr .zusehen, warum ein besonderes Recht von den Kantonen beansprucht werden sollte, um so mehr, als es gerade auch im Interesse dieser liegen muß, daß die Erfahrungen der beaufsichtigenden Beamten, welche diese beim Besuch vieler gleichartiger Etablissemente gewonnen haben, auch für ihre gewerblichen Anstalten und Verbesserungen in deren Einrichtung nutzbar gemacht werden. An Staatsanstalten darf doch zuerst der Anspruch erhoben werden, daß sie -in ihrer Vorsorge für die Arbeiter Mustergültiges aufweisen.

Daß Bahngesellschaften auf gleicher Linie mit andern Privaten stehen sollen, bedarf wohl keiner Erwähnung, trotz gegenteiliger Voraussetzungen einzelner Angestellten und Direktionen.

3. Wie sind die industriellen Armenanstalten zu behandeln?

Findet das Fabrikgesetz auf sie Anwendung?

Unseres Erachtens sollte es sich bei Anstalten dieser Art, die zum Wohl der armen Kinder oder Erwachsenen gegründet sind, auch von selbst verstehen, daß sie denjenigen Schutz und die Schonung den Arbeitern angedeihen lassen, welche das Gesetz fordert, und es kann sie dann die Unterstellung unter dasselbe .nicht im Geringsten hemmen. Es kann sich einzig noch darum handeln, ob das fabrikmäßige Arbeiten von Kindern unter 14 Jahren gestattet sei. Eine bestimmte Regel hiefür aufzustellen, dürfte -ziemlich schwer fallen, da die Kombination von Unterricht und Arbeit, das ganze Verhältniß der Kinder zur Anstalt, die Art der Industrie, die Verbindung der Arbeit der Anstaltszöglinge mit derjenigen einer eigentlichen Fabrikarbeitcrschaft in Berücksichtigung kommen. Wir bringen daher auch keine Anträge, sondern den Wunsch, daß die Entscheidung von Fall zu Fall vorbehalten werde.

Bezüglich einer Anzahl untergeordneter Entscheide über die Einreihung von einzelnen Etablisseinenten unter die Fabriken oder Streichung von der Liste verweisen wir auf die abgegebenen Gutachten.

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3l. Wie sind die Arbeitsräume beschaffen? Welche Vorsichtsmassregeln gegen mechanische Gefährden sind getroffen?

Es gibt kaum einen andern Abschnitt des von uns zu erstattenden Berichtes, von dem anscheinend so viel der Mittheilung Werthes zu erwarten wäre, und bei welchem wir doch mehr geneigt wären, uns möglichster Kürze zu befleißen. Was wir gesehen, sind nur kleine Bruehstüke der einzelnen Industrien, zur allgemeinen Orientirung ausreichend. Aber behufs einer eingehenden Besprechung, einer Verwerthung des Gesehenen, um Lehren und Nuzanwendungen für die Praxis daraus zu ziehen, muß man mehr gesehen, mehr verglichen, mit den verschiedenartigen Verhältnissen sich vertraut gemacht haben. Unsere spätem Jahresberichte werden die geeignete Stelle sein, um unsere Detailerfahrungen und Studien zur Eenntniß aller derjenigen zu bringen, die sich darum interessiren.

Im Allgemeinen müssen die alten Arbeitslokale, entsprechend den kümmerlichen Anfängen unserer meisten Industriezweige, als «ehr mangelhafte bezeichnet werden. Sie sind vielfach so, daß sie kaum mehr einer Verbesserung fähig sind. Die neuern Bauten sind durchgängig geräumiger, besser, solider; in neuester Zeit sind eine Anzahl geradezu musterhafter industrieller Anstalten erstellt worden, vortrefflich nicht nur vom Standpunkt der Technik, sondern auch von dem der Hygieine. Es sind oftmals von den Bauherren große Opfer nicht gescheut worden, um auch diesen letztern Zwecken zu genügen.

Für einzelne Industriezweige sind von Behörden und Unternehmern eigentliche Studien gemacht worden, wie das Zweckentsprechendste erstellt werden könne. So ist namentlich Manches im Kanton Bern mit Rücksicht auf die Zündholzindustrie geschehen, wie wir Ihnen bei anderm Anlaß berichtet. Immerhin bleibt in dieser Richtung noch sehr viel zu thun übrig, und es dürfte besonders wünschbar sein, daß die ausländischen Musteranstalten bei uns genauer bekannt, studirt und, wenn es unsere in der Regel bescheidenem Verhältnisse erlauben, nachgeahmt werden. Wenn der Bund hiefür auch einige Opfer bringt, so geschieht es gewiß sehr zum Nutzen der schweizerischen Fabrikbevölkerung.

Das Fabrikgesetz spricht vor allem aus von der Fürsorge für genügende L u f t und Licht An letzterm fehlt es weniger als ·an ersterer. Mit dem Gas und Petroleum ist auch größere Helligkeit in die
schlechtesten Fabrikräume eingezogen. Wo es am meisten auf gute, die Augen nicht zu sehr angreifende Beleuchtung ankommt, wie z. B. bei der Uhrenindustrie, ist die Sorge für die Beleuchtungsapparate Sache des einzelnen Arbeiters. Die auffallend geringe Zahl Buadesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

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Kurzsichtiger und Augenleidender, die wir gefunden, scheint für die Zweckmäßigkeit dieser Methode zu sprechen, die den Einzelnen ganz ungenirt nach seinem Bedürfniß sich einrichten läßt. Wir sind begierig zu erfahren, wie die in den verschiedenartigsten Etablissementen begonnenen Versuche zur Verwendung des elektrischen Lichtes ausfallen werden.

In Bezug auf die Erhellung der Räume durch das Tageslicht steht es freilich in manchen Arbeitslokalen bedenklich und ist zugleich in Folge der ganzen baulichen Anlage keine Hülfe möglich.

Neubauten berücksichtigen diesen Punkt meist genügend. Auch scheint das vielfache Aufmerksammachen der Augenärzte auf die übeln Folgen zu grellen Lichts die Fabrikanten ziemlich allgemein zur Anbringung von Rouleaux und Vorhängen geführt zu haben.

Die Ventilation ist die schwache Seite der meisten Fabriken, Sie ist selbst da gewöhnlich vernachläßigt, wo schon die übermäßige Stauberzeugung indirekte dazu veranlassen sollte, d. h. die Notwendigkeit, Staubabsaugungsvorrichtungen anzubringen. Glücklicherweise haben wir wenige Industrien, die einen giftigen oder sonst besonders gefährlichen Staub erzeugen. Die Flachs- und Hanfspinnereien, ein Theil der Baumwollbearbeitung und die Papierfabrikation werden die Haupt-Staubproduzenteu sein. Was sie zur Abhülfe gethan, ist erstaunlich wenig, während ungefährlichere, kleine Etablissements oft ganz auffallend Gutes und Zweckmäßiges geleistet. Wir gedenken dessen später einläßlich zu erwähnen and wollen hier nur konstatiren, daß gerade dieser eben besprochene Uebclstand zunächst Anlaß zu einer energischen Anwendung des dritten Alinea von § 3 bieten dürfte.

Für die Ventilation fehlt oft das Verständniß der Arbeitgeber, noch öfter das der Arbeiter. Es ist recht bemühend, die vielen verunglückten, oft kostspieligen Versuche zu sehen, welche hie und da angestellt wurden -- um so erfreulicher aber war uns, wenn einige wenige Auseinandersetzungen genügten, um zum Ziel zu führen.

Für größere Etablissemente dürften die Ventilatoren sehr zu beachten sein, welche die Firma C. Honegger in B,üti sehr gut und billig erstellt und deren Wirksamkeit am besten im dortigen Etablissement zu beobachten ist.

Gewöhnlich wird der Entstehung .von Luftzug zu wenig Rechnung getragen, für den die Arbeiter außerordentlich empfindlich sind, und der sie
veranlaßt, auf alle Arten die Luftströmung /n hindern.

Ueber den Stand der Sichenmgavorkehrungen gegen Verletzungen vermochten wir uns ein ziemlich klares Bild zu machen

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auf Grund unserer direkten Wahrnehmungen und aus den Angaben der -- noch spärlichen -- Unfallsanzeigen.. Sowohl aus dem so erhaltenen Gesammteindruck, als auch aus der Durchsicht der Mahnungen und Vorschriften, zu denen wir auf diesem Gebiete veranlaßt waren, ergibt sich, daß in dieser Hinsicht eine bedeutende Nachläßigkeit herrscht, ja hie und da mehr als Nachläßigkeit. Wir haben mit Bedauern selbst anhören müssen, daß Vorsichtsmaßregeln überflüssig gefunden wurden, nicht weil Unfälle nicht wahrscheinlich, sondern weil die Arbeiter versichert sind, und die Unfälle die Arbeitgeber ,,nichts mehr angehen Andere entheben sich jeden Kopfzerbrechens wegen Verbesserungen durch die wohlfeile Phrase ,,es läßt sich eben nichts machen", und die Arbeiter selbst fördern aus Kräften solch' verkehrte Ansichten. Deren Fatalismus in solchen Dingen zu bekämpfen, belehrend und aufklärend in dieser Richtung zu wirken, das würde mehr als hundert andere philanthropische Bestrebungen Menschenwohl fördern und Menschenleben erhalten, die soust in ungeahnt großer Zahl zu Grunde gehen.

Die häufigsten der uns bekannt gewordenen Verletzungen erfolgten, wie überall, durch Kreissägen, auf Fahrstühlen, durch Erfaßtwerden von Riemen und Transmissionen, besonders mit vorstehenden Keilen,. Schrauben u. dgl. Wir haben uns schon längst Zeichnungen erprobter Sicherheitsvorrichtungen gegen einige der gewöhnlichsten Unfallsursachen verschafft und den Interessenten Kopien davon zur Verfügung gestellt und dafür zürn Theil lebhafte Anerkennung, oft aber auch spöttische Bemerkungen, sowie wir den Rücken kehrten, geerntet Manche Verbesserungen haben wir doch einführen gesehen, und wir gedenken weiterhin in dieser!

Weise fortzufahren, und unser sachkundige Kollege macht sich die Anpassung anderwärts vorhandener Sicherheitsvorrichtungen an.

die bei uns gewöhnlich vorkommenden Verhältnisse zur speziellen.

Aufgabe, So hat er, von der Ansicht ausgehend, daß ein stetiges Verschlossenhalten der .Fahrstühle noch wichtiger sei, als alle die besprochenen Fangvorrichtungen, eine von uns vielfach empfohlene,.

sehr einfache automatische Verschluß Vorrichtung konstruirt.

In höchst verdankenswerther Weise hat die Mülhauser Gesellschaft zur Verhinderung von Maschinenunfällen ein Modell dem Technikum in Winterthur geschenkt, an welchem fast alle von
ihr empfohlenen, im Elsaß vielfach erprobten Schutzvorrichtungen zur Darstellung gebracht sind. Wir hoffen, daß die jungen Techniker bald Propaganda für die Bestrebungen der Donatoren machen werden.

Im Ganzen waren es 114 der von uns besuchten Etablisscmente, welche uns zu ganz bestimmtem Begehren nach Schutzmaßregeln Veranlaßung boten. Diese Weisungen, 227 Punkte be-

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schlagend, haben wir in der Regel nur mündlich erlassen ; nur in wichtigern Fällen oder sonst aus speziellen Gründen schriftlich. Wir haben in der Minderzahl Termine für den Vollzug gestellt und nur sehr ausnahmsweise auf die gesetzlichen Zwangsmittel verwiesen -- selbstverständlich wurden aber alle Anordnungen registrirt, wie auch die weit zahlreichern bloßen Mahnungen zur Einführung dieser oder jener Verbesserung.

Der geringere oder größere Erfolg dieses so schonenden Verfahrens wird uns maßgebend sein für die Art unseres künftigen Vorgehens. Jedenfalls werden wir mit dem Beginn der Einzelinspektionen unsere Postulate nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich den Fabrikbesitzern zur Kenntniß bringen müssen.

III. Welche besondere Vorschriften sind über Bau und Betrieb der Fabriken zu erlassen.

Der § 3 unseres Fabrikgesetzes verpflichtet den Bundesrath, die zur einheitlichen Ausführung des Artikels erforderlichen allgem e i n e n V o r s c h r i f t e n und S p e z i a l r e g l e m e n t e zu erlassen.

Die Vollziehung dieses Auftrages setzt ein sehr genaues Studium der einzelnen Punkte voraus, die hier zur Sprache kommen können, und Sie werden es begreiflich finden, wenn wir uns einstweilen noch zu sehr wenigen Anträgen befähigt und berechtigt fühlen.

Wir beschränken uns auf Zweierlei, den Antrag zum Erlaß von Vorschriften für die F a b r i k a t i o n v o n Z ü n d h ö l z c h e n , wie wir ihn in unserm Spezialgutachten Ihnen bereits vorgelegt, und zu einigen B e s t i m m u n g e n über die Anlage, P r ü f u n g und Beaufsichtigung von Dampfkesseln.

Bezüglich der ersten Frage haben wir uns natürlich mit der Aufstellung einer Anzahl von Sätzen begnügt, uns vorbehaltend, Ihnen speziellere Anträge nach erfolgtem Entscheid der hohen Bundesversammlung über das beantragte Verbot des gelben Phosphors zu hinterbringen. Eine Behandlung dieses Gegenstandes unter Zuziehung von Fachleuten dürfte sich sehr empfehlen.

Was die D a m p f k e s s e l anbetrifft, finden wir es um so dringlicher, auch diesen Punkt beförderlichst in Angriff zu nehmen, als immer mehr Kantone sich zu selbständigem Vorgehen entschlossen haben, nachdem sie längere Zeit vergeblich darauf gewartet, daß der Bund sich der Sache annehme, ja als bereits einzelne, z. B. Zürich und Glarus alle Dampfkessel einer amtlichen Kontrole unterstellt; haben. "Wir sind gewiß, daß das Eingreifen

309 der Bundesbehörden sehr willkommen geheißen würde, nachdem der schweizerische Dampfkesselverein mit seiner von Jahr zu Jahr sich weiter ausbreitenden Wirksamkeit demselben -den Boden geebnet hat. Die Mithülfe der dort betätigten Fachleute wurde es auch als eine leichte Aufgabe erscheinen lassen, eine zweckmäßige Verordnung für die ganze Schweiz zu schaffen. Man mag freilich einwenden, daß gerade die immer wachsende Ausdehnung des Dampfkessclvereins eine Einmischung des Bundes auf Grundlage des Fabrikgesetzes überflüssig mache, aber wir haben darauf zu bemerken, daß eben noch in 22 der von uns besuchten Etablissemente, namentlich der Westschweiz, Kessel zu finden sind, die unter keiner regelmäßigen Aufsicht stehen, und darunter gerade eine Anzahl von sehr bedenklicher Beschaffenheit. Zudem wäre die Mitwirkung der Ingenieure des Yereins bei der Prüfung der Projekte neuer Dampfkesselanlagen von hohem Werth.

Daß bei Erlaß bezüglicher Vorschriften nicht nur die eigentlichen Dampfkessel, sondern auch alle A p p a r a t e , die G a s e u n d F l ü s s i g k e i t e n u n t e r hohem D r u c k e n t h a l t e n , z u berücksichtigen wären, versteht sich, wie wir glauben, von selbst.

Noch mögen uns einige Bemerkungen über die Pia n vorläge n von neu prqjektirten Fabriken gestattet sein, wie sie freilich noch in sehr geringer Zahl an uns gelangt sind. Einzelne derselben konnten ihrer Mangelhaftigkeit wegen durchaus keine sichere Beurtheilung gestatten, und wir möchten darauf aufmerksam machen, daß Baubeschrieb und Zeichnungen durchaus erforderlich sind, aus denen ersichtlich ist: Art und Umfang des prqjektirten Betriebs, Lage der Gebäude zur Umgebung, Größe und Bestimmung jedes von den Arbeitern benutzten Raumes, Zugänglichkeit, Licht- und Luftversorgung desselben, Maximalzahl der darin zu beschäftigenden Arbeiter und der aufzustellenden Maschinen.

Der Wunsch, daß jetzt schon Bestimmungen über ein Minimum des Luftraumes per Kopf aufgestellt werden möchten, hat sich uns öfter aufgedrängt. Wir haben bei einzelnen Industriezweige« stellenweise einen Kubikraum von wenig mehr als zwei Metern tiul die Person gefunden. So lange wir aber die Hoffnung hegen können, auf anderm Weg genügendere Räumlichkeiten für die Arbeiter erwirken zu können, verzichten wir auf das Herausgreifen und gesonderte Behandeln eines
solchen vereinzelten Punktes, besonders in Bezug auf schon bestehende Bauten. Vielleicht wäre es zweckmäßig, für Neubauten, deren Pläne zur Vorlage kommen, eine Minimalzahl von Metern Luftraum festzustellen. Wir schlagen einstweilen 6 Kubikmeter vor, immerhin iü dem Sinn, daß dieses sehr bescheidene Maß nur für Bäume gelten soll, wo ,keine besondere Luft-

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Verunreinigung stattfindet. In letzterm Fall ist natürlich mehr, selbst das Vielfache dieses Quantums zu fordern.

IV. Auf welche Industrien oder Etablissemente ist die Haftpflicht wegen Erzeugung gefährlicher Krankheiten auszudehnen? und wie ist bisher die Haftpflichtbestimmung des Fabrikgesetzes zur Anwendung gekommen ?

Die betreffende Stelle des Gesetzes ist sehr vorsichtig gefaßt und verlangt n u r Ausdehnung d e r H a f t p f l i c h t f ü r K r a n k h e i t e n .auf Industrien, welche erwiesenermaßen und ausschließlich bestimmte gefährliche Krankheiten erzeugen.

Wir machen zuvörderst aufmerksam, daß nur g e f ä h r l i c h e Krankheiten bei der Rubrizirung unter diese haftpflichtigen Industrien maßgebend sein sollen, daß also alle diejenigen kleinen Leiden, besonders Haut aufschlage u. dgl., welche so oft die Aufmerksamkeit der Arbeiter , wie des Publikums überhaupt, mehr auf sich lenken, als die schwersten chronischen Erkrankungsformen, ganz; außer Betracht fallen.

Aber auch das Erwiesensein der Thatsache, daß gewisse Krankheiten nur in Folge einer bestimmten, einwirkenden, gewerblichen Schädlichkeit entstanden, wird, gewiß nicht ohne einen ängstlichen Hinblick auf die von der noch jungen Lehre von den Gewerbekrankheiten so vielfach zu Tage geförderten irrthümlichen Behauptungen, mit allem Nachdruck verlangt.

Unzweifelhaft ist in dieser Hinsicht große Vorsicht am Platz.

Jeder praktische Arzt, jeder Gerichtsarzt weiß, wie leicht eine Verwechslung zwischen Vergiftung und sonstigem Erkranken möglich ist, welcher Vorsicht es bedarf, um bei Ermittlung der Ursachen nicht auf falsche Fährte geführt zu werden. Wird die Diagnose nicht schließlich durch den Leichenuntersuch oder vielleicht durch den Nachweis eines Giftes in den Absonderungen festgestellt, so bleibt sie oft für immer unklar. Und was nun vollends die Voraussage anbetrifft, bezüglich Heilbarkeit des entstandenen Leidens sowohl als den Umfang und die Dauer seiner Eolgen, seinen Uebergang in andere, oft noch viel bedenklichere Formen u. dgl., da bleibt ganz besonders Vieles au wünschen übrig. Aus diesem Allem geht nun zur Genüge die Schwierigkeit hervor, gewerbliche Vergiftung mit solcher Sicherheit zu erkennen, daß an eine Haftbarkeit der Industriellen gegenüber dem geschädigten Arbeiter gedacht werden kann.

311 Und doch sind diese Giftwirkungen weit leichter als ausschließlich von dieser oder jener gewerblichen Thätigkeit bedingte nachzuweisen, als die Wirkungen einer Reihe anderer Einflüsse, welche besonders in den letzten Jahrzehnten genauer studirt und zur allgemeinen Kenntniß gebracht worden sind. Es bezieht sich dies vornehmlich auf die Folgen der Haltung, des Drucks, der einseitigen oder allgemeinen Muskelanstrengung, auf die Einwirkung des Gewerbebetriebs auf die Sinnesorgane, auf die Staubinhalation etc.

Aber gerade bei diesem letzten Punkt zeigt sich, daß es an genügenden Anhaltspunkten fehlt, um eine Haftpflicht für das Gewerbe zu statuiren, welches zu den betreffenden Inhalationskrankheiten Veranlassung gibt. Die inhalirten staubförmigen Moleküle rufen bei weitem nicht immer einen ausgesprochenen Krankheitszustand hervor; sie erzeugen gewöhnlich nur eine gewisse Disposition der Athmungsorgane zu Erkrankungen. Eine vorhandene Krankheit derselben als Inhalationskrankheit mit Bestimmtheit zu diagnostiziren ist sehr schwierig, selbst da, wo es gelingt, einen abnormen Gehalt der Auswurfsmassen an Stoffen nachzuweisen, die ohne Zweifel eingeathmet worden sind. Wir wissen ganz wohl, daß die Herstellung von Sammettapeten, von Smirgelpapier eine sehr ungesunde ist, aber im konkreten Fall können wir doch nicht, beweisen, daß hier die bestehende Lungenerkrankung lediglich Folge dieses Gewerbebetriebes sei.

Suchen wir nach Gewerbekrankheiten, die charakteristisch und von allen andern unterscheidbar genug sind, um mit Bestimmtheit als ausschließliche Folge eines gewissen industriellen Betriebs bezeichnet werden zu können so stoßen wir vor Allem aus auf die Folgen der Beschäftigung mit B l e i , Q u e c k s i l b e r , P h o s p h o r und A r s e n i k , Niemand wird in Abrede stellen, daß es eine Reihe von Krankheitsformen gibt, die sich deutlich von allen andern abheben und die der Fachmann sofort mit Sicherheit als Blei-, Quecksilberetc.-Leiden bezeichnen wird. Im Zweifelsfalle wird zudem recht oft die chemische Analyse die nöthigen Aufschlüsse gewähren.

Dies wird zur Beanspruchung der Haftpflicht für diese Erkrankungsformen, d. h. zur Unterstellung derjenigen Gewerbe unter das Haftpflichtgesetz führen, welche diese angeführten Substanzen verarbeiten oder verwenden.

Gewöhnlich reiht man noch andere an, wie Kupfer, Zink.

Allein einestheils haben gerade die neuesten Forschungen so unbestimmte Resultate bezüglich deren krankmachenden Wirkungen.

312 ergeben, theils ist ihr nachgewiesener krankmachender Effekt so unbedeutend, so wenig nachhaltig, daß der Gesetzgeber dieses halb unbekannte Gebiet nicht berücksichtigen darf.

Eine Anzahl von Gasen und Dämpfen bringt ebenfalls unverkennbare spezifische giftige Wirkungen hervor, die sich zu eigentlichen Krankheiten steigern können, so Joddämpfe, Chlor-, Fluorwasserstoff-, Schwefelwasserstoff-, Chlorwasserstoff-, schweflig-saures oder Kohlenoxyd-Gas, dermaßen, daß über die Ausdehnung der Haftpflicht auf ihre Wirkungen kaum ein Zweifel bestehen kann, aber nur in einzelnen Industriezweigen, wo deren Erzeugung in hohem Maß stattfindet, während in andern zwar ein Vorkommen und eventuell nachthciliges Wirken auf den Organismus in geringem Maß vorhanden, aber viel zu wenig ausgesprochen ist, als daß irgend welches Gewicht darauf gelegt werden könnte. Es dürfte nicht schwer fallen, die gewerblichen Anstalten zu bezeichnen, in welchen diese schwerern Beeinträchtigungen der Gesundheit der Arbeiter vorauszusetzen sind.

Wir machen schließlich aufmerksam, daß einige animalische.

Gifte mit ganz charakteristischen Folgeerscheinungen für die Vergifteten bei einigen wenigen Industriezweigen in Betracht kommen können ; es ist dies namentlich das R o t z - und M i l z b r a n d g i f t . Nicht selten könnten sich aber Zweifel erheben, ob der Infektionsanlaß im gewerblichen Betrieb oder Anderm gelegen habe> so daß eine Einreihung dieser Industrien unter die haftpflichtigen sich kaum empfehlen würde.

In Berücksichtigung des Angeführten gelangen wir zur Aufstellung folgender gar nicht sehr umfassenden Liste von Industrien^ auf welche die Haftpflicht unserer Ansicht nach ausgedehnt werden sollte : A. Wegen A n w e n d u n g e i n z e l n e r giftiger Substanzen.

I. B l e i : 1) Bleiweiß- und Mennigfabriken.

2) Töpfereien (Glasiren) und Emailliranstalten.

3) Glashütten (Mischen der Rohmaterialien), insofern sie blei- oder arsenikhaltige Substanzen verwenden.

4) Kammfabriken (Beizen mit Bleisalzen).

5) Schriftgießerei, II. Q u e c k s i l b e r : Hutfabriken, III. P h o s p h o r : Zündholzfabriken.

IV. A r s e n i k : Tapetenfabriken (inkl. bunte Papiere).

313 B. W e g e n G i f t e n v e r s c h i e d e n e r A r t, die zur Verwendung kommen.

1) Chemische Fabriken, inkl. Farben-, Dünger-, Zündstofffabrikea (mit Quecksilbersalzen).

2) Gewinnung der Edelmetalle aus Abgängen.

83 Bleichereien (incl. Seiden- und Strohbleichereien), 4) Färbereien, selbstetändig oder als Theil einer andern Fabrik5) Druckereien, auf die verschiedenen Textilstoffe.

6) Malerwerkstätten und Farbenbereitungsanstalten, selbststäudig: oder als Theile anderer Etablissemente.

Es ist ausdrücklich zu bemerken, daß diese Liste nur diejenigen Industriezweige berücksichtigt, welche auf unserm amtlichen Fabrikverzeichniß vertreten sind. Auf Vollständigkeit macht sie aus dem doppelten Grund keinen Anspruch, weil nicht nur bald neue hieher gehörige Industrien auftauchen , andere verschwinden, sondern auch der Vorbehalt gemacht werden muß, nach Maßgabe künftiger Erfahrungen das Verzeichniß berichtigen, mindern oder mehren zu können.

Die unter lit. B. aufgezählten Gewerbe set/.en die Arbeiter den verschiedenartigsten Gift\virkungen aus, nicht zum Mindesten auch giftigen Gasen. Einer speziellen Aufzählung derselben bedarf es wohl nicht; sie würde oft nur so lange richtig sein, als nach dem gleichen Verfahren fabrizirt wird , und es ist ja genug, wenn die Möglichkeit der Hervorrufung spezifischer ernstlicher Gewerbekrankheiten durch dieselben anerkannt werden muß. Die Frage könnte allerdings aufgeworfen werden, ob denn die Haftpflicht wegen Krankheiten auf a l l e Arbeiter der oben angeführten Industriezweige sich erstrecken soll. Es empfiehlt sich ein solches Vorgehen , da oft innerhalb der Arbeiterschaft eines Etablissements ein starker öfterer Wechsel unter den zu den gefährdenden Arbeiten verwendeten Leuten eintritt und da ja die Haftbarkeit sich eben nur auf die bestimmten gefährlichen Krankheiten ausschließlich erstreckt, deren Entstehung auf den Einfluß bestimmter Stoffe zurückgeführt werden kann.

Wir glauben noch in Kürze die Differenzen zwischen unsern hier niedergelegten Vorschlagen und denen der schweizerischen Aerztekommission in ihrem Gutachten vom 29. November 1877 besprechen zu sollen. Unsere Zahl von Industrien ist eine kleinere, weil wir in der Schweiz mehrere Industriezweige nicht haben, deren Existenz die betreffende Kommission voraussetzte, so die Petroleumreinigung, die Kautschukfabrikation, die Spiegelbelegerei, die fahrik-

314 mäßig betriebene Vergolderei und Versilberung mit Quecksilberverwendung. Die Seidenspinnerei, Wollenreisserei und Kämmerei veranlassen die Staubinhalationskrankheiten, von denen wir schon auseinandergesetzt, warum ihr Vorkommen zu keiner Feststellung der Haftpflicht berechtigen könne. Wir benutzen diesen Anlaß nochmals, um zu zeigen, wie wenig konsequent alsdann eine Beschränkung nur auf diese staubentwickelnden Gewerbe mit Beiseitelassung der Lumpenreißerei in Papierfabriken, der Hechelei in Flachsspinnereien etc. etc. wäre, und um davor zu warnen, .unzählige Prozesse wegen Haftbarkeit des Fabrikanten herbeizuführen, bei welchen durchaus kein strikter Beweis für die wirkliche Schuld des Gewerbebetriebs an der Erkrankung geleistet werden könnte, wo also das ganze Resultat nur in einer Verbitterung zwischen Fabrikant und Arbeiter bestünde. Endlich finden wir, daß für die aus der Fabrikation von Pulver und Sprengmitteln hervorgehenden Gefahren bereits genügend durch lit. a bis c des § 5 des Fabrikgesetzes vorgesorgt ist.

Wir schlagen somit vor, die in lit:, d vorgesehene Haftpflicht einzig auf die von uns benannten Industrien auszudehnen.

Wir halten es für nothwendig, an dieser Stelle auch die Erfahrungen zur Sprache zu bringen, welche wir in Bezug auf die Handhabung der Vorschriften von §§ 4 und 5 des Fabrikgesetzes gemacht.

Zuvörderst konstatiren wir die große U n s i c h e r h e i t , die sieb überall kundgibt, was denn eigentlich als ,, e r h e b l i c h e K ö r p e r v e r l e t z u n g " zu betrachten sei. In Folge dessen ist auch der Maßstab für die Beurtheilung der A n z e i g e p f l i c h t ein sehr ungleicher. Gerade wie die Kriminalgesetzbücher wird auch das Fabrikgesetz genöthigt sein, eine gewisse, wenn auch noch so willkürliche, Grenzbestimmung aufzustellen. Es könnte z. B.

eine Woche voraussichtlicher Arbeitsunfähigkeit als der zu beobachtende Maßstab vorgeschrieben werden. Wo in der Voraussetzung kürzerer Arbeitsunfähigkeit die Unfallsanzeige gleich anfangs unterlassen worden, hätte sie, bei Fortdauer derselben, sofort nach Ablauf von sechs Tagen zu erfolgen.

Festzuhalten iat jedenfalls, daß jede e r h e b l i c h e V e r l e t z u n g , die innerhalb der Fabrik erfolgt, zur Anzeige gebracht werde, denn sonst könnte als nicht unter die Anzeigepflicht fallend eine Verletzung
verschwiegen werden, die zwar nicht nach der Ansicht des Fabrikanten, aber nach derjenigen des Richters die Frage nach der Haftpflichtigkeit des Erstem hervorrufen kann. Es sind uns verschiedene Fälle bekannt, wo schwere Unfälle in der

315 Ueberzeugung, daß sie die Fabrikanten und ihre Haftpflicht nichts angeben, den Behörden nicht mitgetheilt wurden.

Mit allem Nachdruck muß auch die Pflicht und Notwendigkeit betont werden, von einer Verletzung s o f o r t Anzeige zu machen.

Die Nachläßigkeit in dieser Hinsicht; ist so groß, daß eine Verweisung auf die Strafbestimmungen des Gesetzes sehr am Platz wäre. Natürlich gehört hiezu auch s o f o r t i g e a m t l i c h e U n t e r s u c h u n g , unverzügliche B e r i c h t e r s t a t t u n g a n d i e k a n t o n a l e n B e h ö r d e n , und wenn die Mittheilung der Unfallsanzeigen an die Inspektoren wirklich von Nutzen sein soll, ist es ebenso dringend wünschbar, daß dieselbe ohne Verzug erfolge, damit das Inspektorat im Fall des Bedürfnisses sofort sich an Ort und Stelle verfügen, die Ursachen genauer ermitteln und seine Nutzanwendungen für die Vermeidung ähnlicher Unfälle daraus ziehen kann.

Wenn aber die Anzeigen -- wie so oft -- erst nach einem Vierteljahr in unsere Hände gelangen, und überdieß lückenhaft sind, so haben sie für diesen nächstliegenden praktischen Zweck wenig Werth mehr, sie können mehr nur noch statistischen Zwecken dienen.

. Eine Zusammenstellung der bisher bei uns eingegangenen Anzeigen unterlassen wir der geringfügigen Anzahl halber.

§ 5 hat, wie Jedermann weiß, verschiedenartigen Bestrebungen der Arbeitgeber gerufen, sieh gegen die F o l g e n der H a f t p f l i c h t sicher zu stellen. Wie uns mehrfach bedünken wollte, geben sich einige Fabrikbesitzer der irrigen Meinung b i n , als ob sie durch einen Vertrag ihre ganze Haftbarkeit von sich ab- und auf einen Dritten wälzen könnten, ohne zu bedenken, daß sie im Fall der Insolvenz dieses Dritten, .Privaten oder Gesellschaft, doch haften müßten. Sie glauben sich gegen die ihnen zur Last fallenden Folgen jedes Unfalls gesichert, wenn sie ihre Arbeiter bei gewissen französischen Versicherungsgesellschaften gegen j e d e n Unfall versichert haben, aber mit der in den Policen enthaltenen Klausel, daß die Wohlthat der Versicherung für jeden verloren gehe, der klagend gegen seinen Arbeitgeber auftrete, und bedenken nicht, daß in solchen Fällen nur die Haftpflicht des Arbeitgebers selbst an die Stelle derjenigen der Gesellschaft treten würde.

Es ist auch vorgekommen, daß G e m e i n d e n die Haftpflicht über
sich genommen, wenn Fabrikanten geistesschwache oder körperlich übel beschaffene Angehörige derselben, des ihnen dadurch entstehenden großen Risikos wegen, nicht anstellen wollten, oder vielmehr, daß diese Gemeinden im Namen ihrer Angehörigen auf die Wohlthat der Haftbarkeit für Unfälle verzichtet haben. Eä

316 mag uns wohl der Ausdruck eines gelinden Zweifels erlaubt sein,, ob die Gemeinden, zwar nicht zur Uebernahme der Haftbarkeit auf ihre Schultern, wohl aber zu diesem Verzicht berechtigt sind.

Derselbe kann freilich nur Leute betreffen, die nicht eigenen Rechtes sind, aber das Verzichten auf eine Entschädigung an dieselben ist doch nicht Sache einer Gemeindsvorsteherschaft, sondern des Vormundes und der lokalen, eventuell bei einer Frage von so großer Tragweite auch der kantonalen Vormundschaftsbehörde.

Endlich ist versucht worden, die Haftpflicht durch Separatverträge mit den einzelnen Arbeitern abzuwälzen, resp. Verzichtscheine auszuwirken, wie wir nachstehend ein Exemplar zum Abdruck bringen: Copie.

Nr. 3.

'

X. '

Erfüllung der

im eidg. Fabrikgesetz vorgesehenen Haftpflicht. Unfälle durch Verschulden des Betroffenen.

N. N. in X hat u n t e r m . . . . 18.. im D i e n s t e des H e r r n Y. Y. e i n e Verletzung erlitten, nämlich eine Quetschung eines Fingers, welcher nachher amputili werden mußte.

Ich b e z e u g e an mi t, daß die V e r l e t z u n g , w e l c h e i c h e r l i t t e n h a b e , d u r c h mein e i g e n e s V e r s c h u l d e n d a d u r c h v e r a n l a ß t w u r d e , daß ich, trotzdem es mir laut Fabrikordnung strenge verboten war, während dem Gang der Maschinen die Getriebe putzte.

Ich kann deßhalb keinen A n s p r u c h auf Ents c h ä d i g u n g m a c h e n . Herr Y. Y. hat s o m i t b e z ü g l i c h d e r i m eidg. F a b r i k g e s e t z v o r g e s e h e n e n H a f t p f l i c h t gegen m i c h b e z ü g l i c h d e s v o r l i e g e n d e n F a l l e s k e i n e Verbindlichkeiten zu erfüllen, und ich erkläre, w e g e n d e m s e l b e n n i e eine F o r d e r u n g stellen z u w o l l e n ,

X., den 18..

Das Gesperrte ist gedruckt, der Best Handschrift.

Ohne "Unterschrift, da die betroffene Person nicht eigenen Rechtens war

und ihr "Vertreter nicht unterschreiben wollte.

317 Wir signalisiren dieses Verfahren der allgemeinen Aufmerksamkeit. Die Notwendigkeit, daß die Regierungen von den Unfällen Kenntniß erlangen und in die Lage versetzt werden, sich allfällig der Geschädigten annehmen zu können, wird hiedurch in das hellste Licht gesetzt.

Die Zahl der Etablissemente, welche ihre Arbeiter gegen Unfälle versichert haben -- theils nur gegen solche, wo die Haftpflicht zur Anwendung kommt, theils gegen alle -- ist eine ziemlich bedeutende. Trotzdem unter den von uns besuchten Etablissementen eine beträchtliche Zahl so ungefährliche Industrien betreiben, daß sie an keine Versicherung denken, haben doch nach unsern Notizen 78 derselben ihre Arbeiter versichert, in Wirklichkeit gewiß noch weit mehr. Besonders die Ost- und Nordschweiz ist in dieser Richtung eifrig; so notirten wir unter den 61 zürcherischen Etablissementen 28 versicherte, in Schaffhausen unter 21 Fabriken 12.

Auf Gegenseitigkeit beruhende Unfallsversicherungen scheinen noch selten .zu sein. Wir haben nur die der Buntweber -- gegen 20 Finnen umfassend -- kennen gelernt. Sie belaßt sich nur mit den Folgen der Haftpflicht. Die Aktiengesellschaften, welche gegen Unfall versichern, suchen möglichst nicht nur die Versicherung gegen Haftpflicht zu fördern, sondern die allgemeine gegen jeden Unfall. Es ist unverkennbar, daß dadurch eine Menge Streitigkeiten vermieden werden, die sich in Bezug auf das Vorhandensein der Haftpflichtigkeit ergeben, und daß anderseits den Arbeitern eine große Wohlthat zu Theil wird.

Die Erhöhung der Prämie für diese viel weitergehende Versicherung beläuft sich auf das 1 1/2fache bis doppelte der Prämie für Haftpflichtversicherung allein. Aber es entstellt die Frage : Wer bezahlt dieses Plus der Versicherungskosten? In einzelnen Gegenden kann es als Regel betrachtet werden, daß der Fabrikant sich zu diesem Opfer für seine Arbeiter versteht. An andern Orten trägt die Krankenkasse der Fabrik au die Prämie bei, bezieht aber dafür die Entschädigungen, welche für nicht der Haftpflicht unterstellte Unfälle gezahlt werden. Wieder in andern Etablissementen ist der Arbeiter verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Pro/ente an die Unfalls Versicherung zu bezahlen, resp, sich vom Arbeitgeber vom Lohn abziehen zulassen, in noch andern hat er sogar die Kosten der gesammten Unfall s Versicherung --·
gleichgültig ob die Haftpflicht in Frage komme oder nicht -- zu bezahlen. Doch ist letzteres Vorkommniß, was wir sofort beifügen, ein ziemlich seltenes. Wahrscheinlich werden gegenüber diesen Einrichtungen die gleichen Bedenken und mit noch weit größerer Berechtigung, erhoben werden, wie gegen den

318 Zwang zur Krankenversicherung, und nicht selten dürften auch sehr divergirende Ansichten obwalten, welcher Antheil an der Versicherungsprämie dem Fabrikanten zur Last falle, welcher dem Arbeiter.

"Wir haben uns vorgenommen, diese Verhältnisse ganz besonders eingehend zu berücksichtigen.

Vielleicht hat man von.den verschiedensten Seiten eine Aeußerung der Inspektoren auch darüber erwartet, wie sie sich die Ausgestaltung des in § 5, Alinea l vorgesehenen Haftpflichtgesetzes nach ihren bisherigen Erfahrungen denken. Diese letztern sind aber noch so wenig zahlreich, unsere Bemühungen, Urtheile kantonaler Gerichte in dieser Materie zu sammeln, haben noch eine so kleine Ausbeute gewährt, daß wir, jede verfrühte Aeußerung meidend, hierüber lieber noch schweigen.

V. Wie isi den gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Fabrikordnungen nachgelebt worden?

Die Aufforderung an die Fabrikanten, R é g l e m e n t e gemäß § 6 des schweizerischen Fabrikgesetzes aufzustellen, ist schon im Anfang des Jahres 1878 ergangen; erst gegen Ende 1878 hingegen erfolgte die Mittheilung eines Formulars, nach welchem die A r b e i t e r l i s t e n nach § 5 eingerichtet werden sollten. Es ist somit gar nicht auffallend, wenn wir im verflossenen Jahr noch seifen zweckentsprechende Verzeichnisse gefunden. In den letzten Monaten fanden sich dieselben weitaus in den meisten Etablissementen vor, und es spricht für in der Regel getreue und richtige Angaben in denselben, daß wir oft ihnen die Thatsache der Verwendung allzu junger Arbeiter entnahmen. Anderseits freilich nahmen wir es mit der Prüfung sehr genau und zitirten öfters Kinder vor uns, bei denen die Altersangabe mit dem Aussehen nicht recht zu stimmen schien, verlangten auch hie und da amtliche Ausweise.. Wir erinnern uns aber keiner Eintragung, die als eine w i s s e n t l i c h falsche anzunehmen gewesen wäre.

Der Erlaß von F a b r i k o r d n u u g e n wurde von einzelnen Fabrikanten geradezu v e r w e i g e r t. Es waren dies solche, welche zuversichtlich hofften, von Ihnen in Bälde von der Liste der Fabriken gestrichen zu werden und die zum Theil sogar mit der Aufstellung eines Reglements ein Präjudiz zu schaffen wähnten, das ihre Entlassung gefährden könnte. In solchen Fällen, d. h. wenn wirklich Zweifel bestanden, standen die kantonalen Regierungen gewöhnlich von allen weitern Schritten ab, und auch wir fanden uns, in Vor-

319 aussieht Ihres bald erfolgenden Entscheides, nicht dazu veranlaßt.

In andern Fällen verzögerte sich die Erstellung der Réglemente, weil ganze Gruppen gleichartiger Etablissemente den Wunsch hegten, auch gleiche Fabrikordnungen einzuführen. So zweckmäßig dieß wäre, so selten konnten sich die Betheiligten einigen.

Die Kantonsregierungen entwickelten sehr ungleichen Eifer, das Zustandekommen der Réglemente zu fördern. Eine derselben wartete mit der Aufforderung an ihre Fabrikanten bis in den Januar 1879. Andere wurden erst durch unsere Besuche im abgelaufenen Jahr daran erinnert. So kam es, daß in manchen Gegenden bei unsern Inspektionen nur ganz vereinzelte, zudem oft nicht sanktionirte Réglemente sich vorfanden. Da und dort begnügte man sich mit der Gewißheit, daß erst wenige Jahre alte, durch ein kantonales Fabrikgesetz hervorgerufene Fabrikordnungen bestehen, und unterließ es, sie zu erneuerter Prüfung einzufordern und dem eidgenössischen Gesetz anzupassen. Wo aber die Vorlagen von Reglementen erfolgt waren, erfolgte oft Prüfung und Ratifikation mit sehr geringer Beförderung. Einzelne Regierungen hatten allerdings ein riesiges Material zu bewältigen, was ihre Säumniß wohl entschuldigte. Nicht selten erhoben sich vielfältige Anstände, zum Theil hervorgerufen durch verschiedenartige Gesetzesauslegung.

Zürich und Bern, vielleicht auch andere Kantone, stellten eine Reihe von Sätzen auf, nach denen die Zuläßigkeit und Richtigkeit der Reglementsbestimmung beurtheilt werden sollte; Appenzell und Glarus versuchten es mit N o r m a l r e g l e men t en, resp. Mustern.

Allein nun kamen zu allen andern Schwierigkeiten die, welche aus d e m Maugel einer e i n h e i t l i c h e n H a n d h a b u n g d e s G e s e t z e s stammten, die u n g l e i c h a r t i g e n E n t s c h e i d e d e r v e r s c h i e d e n e n K a n t o n s r e g i e r u n g e D . IndustrielleEtablissementenenten in verschiedeneu Kantonen wollten sich die ungleiche Behandlung auf Grund des gleichen eidgenössischen Gesetzes nicht gefallen lassen. Die ganze Sanktionsangelegenheit k a m s o vielfach in's Stocken u n d e s harren noch eine im Folgenden dDifferenzpunkteunkte in geordneter Reihenfolge herauszuheben.

Wie es mit der Gelegenheit für die Arbeiter, sich vorher über das Reglement auszusprechen, in Wirklichkeit sich verhalten
habe, ist schwer zu sagen. Die Aussagen der Arbeiter hierüber lauteten oft in derselben Fabrik widersprechend oder es wurde wenigstens angedeutet, daß eine freie Meinungsäußerung trotz aller vorschriftgemäßen Anschläge etc. nicht wohl möglich gewesen. Daß dieß sich wirklich so verhalten habe, wird man kaum in Abrede stellen

320

können ; daß sehr selten Reklamationen erhoben wurden, ist gewiß ; wo es aber geschah, wurden sie in der Regel sehr ernstlich geprüft.

Doch kam auch ein Fall zu unserer Kenntniß, wo die Arbeiter auf ihre Reklamationen keine andere Antwort erhielten, als die Anzeige, der Entwurf des Prinzipals sei genehmigt. Wir legen der ganzen Sache keine so große Wichtigkeit bei, als sie zu haben scheint, da gewiß jederzeit die Arbeiter eine in Alinea 4 vorgesehene Revision des Reglements erlangen können, wenn sich wirklich ernstliche Uebelstände herausstellen. Wir unserseits haben auch nie unterlassen, die Réglemente einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.

Die vorhandenen Fabrikordnungen sollen, mit der obrigkeitlichen Sanktion versehen, in den Fabriklokalen angeschlagen und auch jedem Arbeiter mitgetheilt werden. Wir haben oft genug solche ohne Sanktion gefunden. Unterlassung des Anschlags fand selten statt, wenn überhaupt ein Reglement existirte, aber oft nur in Form eines h a n d s c h r i f t l i c h e n Exemplars. In ganz kleinen Etablissementen von bloß einem Dutzend Arbeiter trugen wir wirklich Bedenken, gedruckte und mehrfache Exemplare zu verlangen.

Die Arbeiter betrachten in so kleinen Geschäften ihr Verhältniß oft als ganz analog mit dem der Dienstboten gegenüber ihrem Prinzipal, und die Verabreichung gedruckter Verhaltungsbefehle würde ihnen den Eindruck einer zum Spott herausfordernden leereu .Formalität machen. In allen großem Etablissementen verlangten wir Uebermittluug eines Exemplars der Fabrikordnung an den Inspektor des betreffenden Kreises.

Die Forderung einer V e r g ü t u n g für das Reglement, übrigens sehr ausnahmsweise vorkommend, wurde natürlich als unberechtigt zurückgewiesen.

Was nun den I n h a l t der Réglemente anbetrifft, spielen meist die Angaben über die A r b e i t s z e i t eine sehr untergeordnete Rolle. Nur eine kleine Zahl derselben setzt ganz, genau Beginn und Schluß der Arbeit für das ganze Jahr fest. Sehr begreiflich, denn je nach der Jahreszeit, auch aus allerlei andern Gründen, können öftere Veränderungen in der Zeileintheilung wünschbar werden. Diese Aenderungen im Stundenplan aber müssen ja doch, nach gesetzlicher Vorschrift, d e n O v t s b c h örde u a n g e z e i g t werden. Was wir weit mehr vermissen, sind oft die genauem An.gaben über die kleinen Z w i s c h e n p a u s e n , die ganz gut für's ganzeJahrvvorausbestimmt1 und in's Reglement aufgenommen werden .könnten.

321

Sehr viele Fabrikordnungen bringen Bestimmungen betreffend U e b e r z e i t - , N a c h t s - u n d S o n n t a g s a r b e i t in dem Sinn, daß sie eine V e r p f l i c h t u n g h i e z u statuiren.

Wir werden noch später darauf zurückkommen. Ebenso stellen manche die Bedingung auf, daß jeder Arbeiter zu Notharbeiten verpflichtet sei. Zwang wird wohl in beiden Richtungen vom Gesetz deutlich genug ausgeschlossen, bei wirklich vorhandener ,, Noth"· auch nicht von Nöthen sein.

Die Fabrikpolizeivorschriften sind meist ziemlich strenge darin, daß keine Unberechtigten die Fabrik betreten. Wir bedauern, daß hiebei so sehr selten ausdrücklich der K i n d e r gedacht wird.

Die Vorschriften über das B e n e h m e n kommen für uns nur in Betracht, soweit Bußbestimmungen daran geknüpft werden. Im Uebrigen hängt ihr Werth oder ihre Nutzlosigkeit ganz vom Charakter des Aufsichtspersonals ab ; jedenfalls gehören Verbote z. B. der ,, Raufereien bei den Maschinena mehr zu den Curiositäten als zu den nützlichen Dingen. Ueber die strengen Verbote des Redens und Aehnliches mehr kann man sehr ungleicher Meinung sein und jedenfalls muß die Entscheidung darüber ganz der Würdigung der kantonalen Behörden überlassen werden.

Sehr erfreulich ist es, durch das Haftpflichtgesetz eine Menge Betriebsreglemente oder besser gesagt S i c h e r h e i t s v o r s c h r i f t e n provozirt zu sehen, Anschläge neben gefährdenden Maschinen und Apparaten zu finden, welche auf die drohenden Gefahren aufmerksam machen, zweckmäßige Verbote aussprechen. Es ist selbstverständlich, daß auch Bußandrohungen damit verbunden werden können, und wir haben nur Beifall zu zollen, wenn diese Spezialreglemente als ebenso v e r b i n d l i c h erklärt werden, wie die Hauptreglemente. Aber ebenso selbstverständlich scheint uns, daß jede derartige Weisung, die mehr sein will als ein wohlgemeinter Rath, die insbesondere Strafen festsetzt, der obrigkeitlichen Sanktion bedarf. Könnte doch auch auf diese Weise ,, als Spezialbestimmung" alles Mögliche in die Réglemente eingeschmuggelt werden.

Die Strenge der feuerpolizeilichen Vorschriften, d a s Verbot d e s Rauchens insbesondere, wird v o n d e n Pflicht des Arbeitgebers, bei gewissen Industrien ausdrücklich auf d i e . s c h w e r e V e r l e t z u n g d e r F a b r i k o r d n u n g durch An sanitarischen V o r s c h r i f t e n ist großer Mangel, auch wo sie dringend wünschbar wären, Reinlichkeitsmaßregeln, das Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd, III,

25

322 Trafen von Ueberkleidern, von Respiratoren etc. vorzuschreiben,, wäre oft in hohem Maß Bedürfniß, aber die Arbeitgeber scheinen sich vor der Abneigung der Arbeiter gegen derlei Dinge zu scheuen, Fast ins Gebiet der Kriminalprozeßordnung streift das Recht der Fabrikanten, das von einigen Reglementen beansprucht wird, die A r b e i t e r beim Verlassen der Fabrik einer persönl i c h e n U n t e r s u c h u n g u n t e r z i e h e n zu d ü r f e n , wenn Veruntreuungen und Diebstähle stattgefunden haben. Wir könnten dieß in einer Dynamitfabrik z. B. begreifen, wo es bei muthwilligen, unbedachten Leuten im Interesse der allgemeinen Sicherheit zur Verhinderung des Mitnehmens von Dynamit geschieht; worauf sonst gestützt aber ein Fabrikant diese Rechte des Untersuchungsrichters beanspruchen will, sehen wir nicht ein.

Es hat sich auch darüber Streit erhoben, ob ein Arbeiter zur A n z e i g e Von V e r u n t r e u u n g e n , Diebstählen, sowie allem, was dem Geschäft Schaden bringt, verpflichtet werden kann, bei Strafe sofortiger Entlassung.

Gestützt auf die Paragraphen des Gesetzes über Rechtspflege hat eine Kantonsregierung diese Bestimmungen gestrichen, insofern sie jeden Arbeiter, nicht nur die Aufseher angehen sollen.

Nach unserer Ansicht liegt nun in dieser Verheimlichung von eigentlichen Vergehen gegen die Geschäfte eine solche Immoralität und zugleich eine solche Gefährde für den Arbeitgeber, daß die sofortige Entlassung ,des Begünstigers d u r c h a u s n o t h w e n d i g erscheint -- nicht im mindesten aber, wenn die Anzeigepflicht sich auch auf bloße Nachläßigkeiten im Betrieb, überhaupt andere als verbrecherische Handlungen erstrecken soll und der Arbeiter sich hiezu nicht hergeben will.

Viele Etablissemente haben B u ß e n auf die Nichtbeachtung der Fabrikordnung oder einzelner Theile derselben gesetzt, doch nicht alle, oder wenn sie im Reglement vorgesehen sind, werden sie doch nicht ausgesprochen. Das Verhältniß der erstem zu den letztern gestaltet sich etwa wie 2 : 3 . In der französischen Schweiz scheint man noch weit eher ohne Bußen auszukommen, als in der deutschen; in der Waadt kennen nur 1/6 der besuchten Etablissemente Bußen, in Genf1/5. Wir haben dort selbsteinen Fabrikantenn zur Streichung alleBußbestimmungenen veranlaßgefunden,n, weil er und seiue Arbeiter meintendas?s
eidgen. Gesetz lasse keine mehr zu.

Der vom Gesetz auf höchstens 1/2 Taglohn fixirte B e t r a g einer B u ß e wird sehr selten überschritten und auch dann, wie uns schien, aus bloßem Versehen, indem z. B. für eine Uebertretung

323 Buße bis zu 1/2Taglohnm festgesetzt, gleich darauf aber eine andere Uebertretung -- meist das Blaumachen -- mit gedoppelter Strafe bedroht wurde.

Die meisten Bußen scheinen ganz minim zu sein, und wir fanden nirgends Grund, an der Berechtigung zu den verhängten Bußen zu zweifeln, außer in einem Etablissement, wo unter dem Titel Lohnabzug der ,,Unfleiß" gebüßt werden wollte. Immerhin wäre es aber sehr wünschbar, wenn überall über die ausgesprochenen Bußen ein eigenes Register geführt würde, wie dieß in mehreren industriellen Kantonen längst amtlich vorgeschrieben war. Es wird dieß um so wünschbarer, als die Bußenverwend u n g auch kontrolirt werden soll.

In Bezug auf diese ist es allgemein üblich, daß die Bußen in eine Krankenkasse fallen. Als unzuläßig mußten wir es bezeichnen, wenn sie für Fleiß-Prämien und Aehnliches bestimmt wurden.

Sehr scrupulös wurde in einem Kanton verfahren, wo die Verwendung der Bußen nur für einen Zweck gestattet werden wollte, an dem alle Arbeiter des Etablissements participiren, während dieß bei der Ortskrankenkasse nicht der Fall sei, welcher der Betrag zugewendet werden wollte.

Hie und da geschieht es, daß auch eine andere Strafe noch zur Anwendung kommt, der A u s s c h l u ß von der A r b e i t für kürzere Zeit. Sie mag wirksamer sein als die bloße Buße, da eine gewisse Beschämung damit verbunden ist. Aber wir denken nicht, daß sie als bloße V e r s c h ä r f u n g der Buße betrachtet werden darf, sondern daß die G e l d s t r a f e , die im Entzug der Arbeit für einige Zeit liegt, bei der Berechnung der zulässigen Buße mit in Betracht gezogen werden muß, daß z. B. Wegschicken für 1/2 Tag schon das Maximum der Strafe bedeutet, daß es weder auf längere Zeit ausgedehnt, noch auch durch Zufügung einer Geldbuße verschärft werden kann.

Ein Ersatzmittel für Strafen ist, dem Arbeiter durch besondern Vertrag Gratifikationen (Prämien) für Vermeidung jedes unentschuldigten Wegbleibens zuzusichern, aber mit dem Beding, daß sie hei jeder unentschuldigten Absenz für eine gewisse Zeit in .Wegfall kommen. Da dieß nicht ein Abzug vom Lohn ist, werden die Bestimmungen des Fabrikgesetzes dadurch nicht berührt.

Der E i n t r i t t in die F a b r i k wird stellenweise mit allerlei Cautelen umgeben. Namentlich wird sehr oft Déposition der Ausweisschriften in der Fabrik gefordert, während dieß natürlich Sache der Polizei ist. Es kann höchstens von den Leuten ein Alters-

324 auaweis verlangt werden, bei denen es zweifelhaft sein kann, ob sie das 14., resp. 18. Altersjahr bereits überschritten, mithin bei Arbeitern von höchstens 20 Jahren.. Dieser Ausweis würde sehr zweckmäßig jedem Arbeiterverzeichniß beigefügt.

Eine P r o b e z e i t muß nicht selten dem definitiven Eintritt vorangehen.

Ueber A u s t r i t t und K ü n d i g u n g bestehen sehr verschiedenartige Bestimmungen. Es ist aus der Tabelle II ersichtlich, daß .zwar die meisten Fabrikordnungen sich genau an die 14-tägige Kündigung halten, wenigstens soweit sie die gewöhnlichen Arbeiter betrifft. Für Aufseher u. dgl. wird hingegen oft eine längere Frist vorgesehen ; aber es muß hier unzweifelhaft eine besondere schriftliche Uebereinkunft nach Maßgabe von § 9 getroffen werden, gerade wie bei manchen schwer ersetzbaren Arbeitern, die besondere Spezialitäten zu besorgen haben. Nur eine Aufnahme dieser Bestimmung ins Reglement kann nicht genügen.

Es ist übrigens schon mehrfach die Frage aufgeworfen worden, was denn eigentlich alles durch dieses schriftliche Uebereinkommen abgeändert werden könne, ob nur der T e r m i n , nach welchem die Lösung des Verhältnisses erfolgen kann, oder aber ob auch allerlei Bedingungen hineingebracht werden können, welche den einen oder andern Kontrahenten zur Aufhebung des Vertrags berechtigen.

Ist Letzteres möglich, so wird überhaupt der ganze § 9 werthlos sein, da der Anstellung Suchende in der Regel jede Bedingung eingehen wird.

Durch V e r z i c h t der einen oder andern Partei kann zweifelsohne die Frist a b g e k ü r z t werden, innerhalb der sie regelmäßige Kündigung verlangen darf; aber nie darf aus dem Verzicht der «inen Partei darauf geschlossen werden, daß auch der andern keine längere Frist mehr zukomme, dagegen erfordert die bloße Billigkeit schon, daß eine V e r l ä n g e r u n g der Kündigungsfrist nicht nur zu Gunsten der einen Partei soll ausgesprochen werden können, sondern für beide gelten muß.

Als T a g , an welchem die K ü n d i g u n g zu erfolgen habe, bezeichnet das Gesetz den Zahltag oder ·-- wenn es einem Kontrahenten nicht recht ist. so lange zu warten -- den Samstag. Meistens findet man letzteres nicht beachtet, und es durfte wohl jedem Reglement, das nur den Zahltag als Kündigung kennt, dieß beigefügt werden.

Das Gesetz sieht auch E n t l a s s
u n g oder A u s t r i t t ohne K ü n d i g u n g vor. Die große Mehrzahl der Réglemente müht sich ·mit einer weitläufigen Kasuistik ab, in welchen Fällen eine zu sofortiger Entlassung berechtigende ,,schwere Verletzung der Fabrik-

325 Ordnung" vorliege. Man hört nicht selten, diese Aufzählung von schweren Vergehen wider die Fabrikordnung sei ein sehr zweckmäßiges Aufmerksammachen, eine Art Verwarnung. Andere glauben, wenn etwas als schwere Verletzung im sanktionirten Fabrikreglement qualifizirt sei, so habe der Richter im Streitfall nur noch zu fragen, ob der Arbeiter sich wirklich diese vorgesehene Verletzung habe zu Schulden kommen lassen ; sei dieß erwiesen, stehe die Berechtigung des Fabrikanten zur Entlassung von selbst fest.

Wir bezweifeln die N ü t z l i c h k e i t dieser Aufzählungen sehr, denn ,,Streitigkeiten entscheidet der Richter" und zwar nicht auf Grund des Reglements, in das aus Versehen selbst eine ganz gesetzwidrige, somit hinfällige Bestimmung kann aufgenommen worden sein, sondern auf Grund des eidgenössischen Fabrikgesetzes.

Eine Anzahl von Reglementen verweisen denn auch, dieses einsehend, einfach auf den Richter, wenn ein Arbeiter die Kündigung nicht annehmen will. Uebrigens sind die Ausdrücke in zahlreichen Reglementen so dehnungsfiihig, oder vielmehr nichtssagend, daß der Richter keine sonderlich festen Anhaltspunkte hätte, wenn er die ,,Rohheit", die ,,conduite inconvenante" als JVIaßstab für die Entlassungsberechtigung gelten lassen wollte, während ,,Diebstahl, Unzucht, Mißhandlung der Vorgesetzten" auch ohne ausdrückliche Anführung, Grund genug für sofortige Entlassung darböten.

Man hat auch versucht, wegen der temporären Entlassung, d. h. v o r ü b e r g e h e n d e r A r b e i t s e i n s t e l l u n g von Seite der Fabrikanten Bestimmungen aufzustellen. Es wird bald ,,höhere Gewalt" vorbehalten, die den Fabrikanten zum Aussetzen zwingt, bald ,,unverschuldete Einstellungsgründe", bald wird ausdrücklich Arbeitseinstellung von Arbeitern, ohne deren Mitwirkung der Betrieb des ganzen Etablissements gehemmt ist, als Grund berechtigter Entlassung angeführt, bald auch ganz einfach: ,,Mangel an genügender Arbeit".

Es gibt nun allerdings Industriezweige, wie etwa eine Seidenfärberei, wo heute sehr viel, morgen gar keine Arbeit vorhanden ist. Diese Schwankungen werden vielleicht für die Arbeiter durch entsprechend höhere Löhne für die wirkliche Arbeitszeit oder dadurch ausgeglichen, daß der Arbeiter einen Nebenverdienst hat.

Hier wird es leicht nachweislich sein, daß der Arbeiter bei seinem Eintritt
dieß Verhältniß gekannt, daß er dasselbe willig acceptirt hat. Es gibt andere, deren Betrieb regelmäßig jeden Winter eine Zeit lang des Wassermangels halber muß eingestellt werden.

Wir sind nun der Meinung, wenn das seltene Ereigniß eintritt, daß ein Arbeiter Entschädigung für die arbeitslose Zeit verlangt, sei in solchen Fällen die Gefahr nicht zu befürchten, daß der

326 Fabrikant dazu verurtheilt werde. Hingegen sind uns aodere Fälle bekannt, wo es der Fabrikant bequem findet, den Arbeiter bei schlechtem Geschäftsgang jeden Tag um seine Arbeit anfragen zu lassen, ihn heute gar nicht, morgen den halben Tag beschäftigt nach Konvenienz, wo er ihm aber seinen Décompte zurückbehalten würde, wenn er des schlechten Verdienstes müde rasch die Gelegenheit zu anderer Fabrikarbeit ergreifen wollte. Hier liegt die Unbill auf der Hand, Aber es gibt eine so unendliche Menge möglicher Kombinationen, daß es sicher am geratensten sein wird, nicht durch sehr verschiedener Auslegung fällige und überdieß i m G e s e t z n i r g e n d s v o r g e s e h e n e Aufstellung derartiger Entlassungsgründe dem Entscheid des Richters vorzugreifen. Wir fürchten nicht, daß derselbe allzuoft wird angerufen werden.

Sehr kurz; behandeln die meisten Réglemente die A u s t r i t t s b e r e c h t i g u n g der A r b e i t e r ; meist wiederholen sie nur die bezüglichen Stellen des Fabrikgesetzes, Die appenzellische Regierung verlangte den Zusatz, daß auch Lohnreduktion das Recht zum Austritt gewähre. Aus manchen Fabrikordnungen ließe sich herauslesen, daß bei nicht regelrecht erfolgter Kündigung trotz genügender Gründe zu unverweiltem Austritt der ganze ausstehende Lohn des Arbeiters verfalle. Dieß wäre natürlich doppelt unzulässig, da einestheils nur der Décompte als Sicherung von Seite des Arbeiters zurückbehalten werden kann, anderseits aber die Bestimmung des Schadenersatzes, den der Arbeiter dem Arbeitgeber für unberechtigten Austritt zu leisten hat, Sache des Richters ist, falls keine gütliche Vereinbarung zu Stande kommt.

VI. Wie ist die Auszahlung der Löhne geregelt?

Die Auszahlung der Löhne soll dem Gesetz entsprechend spätestens alle 14 Tage erfolgen. Wie aus der beigefügten Tabelle II ersichtlich, wird dieser Termin auch wirklich in drei Fünfteln aller Etablisscmente innegehalten, ein Achtel derselben hat noch kürzere Fristen, fast ein Fünftel aber hat die vierwöchentliche Zahlung adoptirt. In den Fabrikordnungen finden oder fanden sich ursprünglich vielfach unbestimmte Ausdrücke über die Zeit der Auszahlung. Einzelne Regierungen haben strenge auf bindendere Bestimmungen gehalten und Ausdrücke wie ,,in der Regel" zurückgewiesen. Aber es sind immer noch 14 Etablissemente unter den
von uns besuchten übrig geblieben, welche ,,unbestimmte" Zahlungsfristen haben. ,,Wenn es uns möglich", war sogar einmal die" Antwort auf unsere Nachfrage nach dem Zahltag. Die meisten Unregelmäßigkeiten fanden wir allerdings in Etablissementen, die keine Fabriken zu sein glaubten.

327 In der Westschweiz, wo überhaupt am öftesten eine ungeregelte Zahlung der Arbeiter vorkommt, trifft man hie und da auf eine jährlich nur ein-, vier-, sechsmal erfolgende Ausrechnung.

Zwischen hinein werden a conto-Zahlungen gemacht. Es kommen auch Fabrikarbeiter vor, die im Jahrlohn arbeiten und in Folge dessen nur einmal im Jahr bezahlt werden.

Wir haben das Möglichste gethan, einen dem Gesetz entsprechenden Zahlungsmodus herbeizuführen. Gerade die Erfahrungen des letzten Jahres haben leider mehrfach bewiesen, welche Schädigungen für die Arbeiter entstehen können, wenn die Auszahlung nicht regelmäßig erfolgt, und wir glauben darin einen Fingerzeig zu erblicken, daß init aller Strenge auf die Innehaltung der Fristen zu dringen sei, Dies wird aber sehr schwierig, wo Stückarbeit, insonderheit solche mit komplizirter Ausrechnung, in Frage kommt. Wir haben freilich mehrfach beobachtet, daß in ganz gleichartigen Etablissementen raschere Berechnung möglich war, als in andern, und wir glauben, daß auch bei Stückarbeit der Arbeitgeber innert den gesetzlichen Fristen auszuzahlen verpflichtet sei, so wie es sich nur um Zählen, Wägen etc. der gelieferten Stücke Arbeit handelt, nicht aber um Anzahlungen an den Lohn für ein noch in der Anfertigung befindliches.

Von Auszahlung der Löhne in Waaren und außer der Fabrik, z. B. in einem Lebensmittelverkaufslokal des Arbeitgebers, vernahmen wir äußerst selten. Solche Vorkommnisse werden wohl innert Jahresfrist verschwunden sein.

Zu vielfachen Beschwerden, Streitigkeiten und verschiedenen Auslegungen gab die Bestimmung des D é c o m p t e Anlaß, die Vorschrift also , daß nur der letzte Wochenlohn am Zahltag ausstehen dürfe.

Wie aus der auf S e i t e 40 v e r z e i c h n e t e n T a b e l l e ersichtlich, haben zwar weit mehr als die Hälfte aller besuchten Fabriken keinen Décompte nöthig erachtet; von den andern haben sich die meisten innerhalb oder unter den gesetzlichen Grenzen gehalten, fünf einzige dieselben überschritten, darunter drei Eisenwerke, welche behaupten, zur Berechnung des Lohnes oder vielmehr zu der ihr vorangehenden Abwägung etc. so viel Zeit zu bedürfen, daß sie nur bis zu 14 Tagen ungefähr v o r dem Zahltag ihre Zahlliste bereinigen können. Die fixen Summen , welche in einigen Fällen als Betrag des Décompte festgestellt sind , betragen meist so wenig, daß sie den durchschnittlichen Betrag eines Wochenlohues nicht erreichen und also auch nicht beanstandet werden können.

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329 Selbst zwei Fälle, wo hohe Beträge, aber in Folge speziellen Vertrages zurückbehalten worden, müssen jedenfalls in Berücksichtigung des letzten Alinea von § 10 gebilligt werden, weniger aber ein anderer, wo 10 % des Lohnes aufgesammelt und am Jahresschluß ausbezahlt worden.

Während aber von den Einen der Ausdruck ,, der letzte Wochenlohn tt als der in der letzten Woche verdiente Lohn gedeutet wird, gleichviel ob in dieser Woche viel oder wenig gearbeitet worden sei, ob sechs Taglöhne ausstehen oder nur ein Viertel eines solchen, behaupten die Andern, daß darunter der Lohn einer Arbeitswoche, d. h. von sechs Tagen zu verstehen sei. Wie wir Ihnen bei andern» Anlaß bereits bemerkten, schließen wir uns ganz der letztern Anschauung au. Der Lohn einer Woche ist das Maximum einer Garantiesumme, welche der Arbeitgeber zur Sicherstellung der Erfüllung der vom Arbeitnehmer eingegangenen Vertragspflichten zurückbehalten darf. Geht nun aber ein Arbeiter, der nur einen halben Tag in der letzten Woche gearbeitet hat, aus einem Geschäft ohne Aufkünduug und gesetzlichen Grund weg, so wäre die Garantieleistung nach der ersten Auslegung eine ganz illusorische.

Manche Réglemente behandeln den Décompte aber nicht sowohl als Garantiesumme, sondern als ein zum Voraus deponirtes Bußengeld für den Fall eines unreglementarischen Austrittes, während doch der imreglementarische ein berechtigter sein kann, und der Arbeitgeber dann zur Verabfolgung des Décompte verpflichtet ist.

Hie und da versucht man diese vermeintliche Buße sogar dadurch zu verschärfen, daß auch der rückständige sonstige Lohn verfallen soll. Dazu kann es nun freilich nur durch Einwilligung der ungesetzlich Ausgetretenen oder durch einen richterlichen Entscheid kommen, nie durch bloße Aufnahme solcher Bestimmungen in die Fabrikordnung.

Sehr nahe verwandt mit dem Décompte sind die K a u t i o n e n , welche einzelne Arbeitgeber sich leisten lassen zum Schutz vor Schädigung durch verdorbene Waaren, Veruntreuung etc. Diese Einrichtung kann vom Fabrikgesetz, das nicht darüber spricht, nicht berührt werden, wenn die Kautionsleistung dem Eintritt vorangeht ; wird aber, wie es mehrfach vorkommt, aus Lohnabzügen an jedem Zahltag eine solche Kautionssumme angesammelt, so ist selbstverständlich § 10, letztes Alinea zu beachten, udfi die Arbeiter können nur
durch speziellen Vertrag gebunden sein, sich diesen Abzug gefallen zu lassen.

Eine andere Art von S p e z i a l a b z ü g e n ist nicht selten eine Quelle von Verlegeiihe.ten für Arbeitgeber und Behörden;

330 wir meinen d i e f ü r W o h l f a h r t s e i n r i c h t u n g e n , besonders K r a n k e n k a s s e n u n d U n f a l l s v e r s i c h e r u n g e n . Zürich, ·das grundsätzlich keine obligatorischen Spezialabzüge zugesteht, hat «inen Paragraphen seines kantonalen Fabrikgesetzes zur Aufrechthaltung des Obligatoriums für Krankenkassen benutzt, nach welchem der Fabrikbesitzer Kranken- und Voreorgekassen für seine Arbeiter obligatorisch erklären kann. Das Einverständniß der Arbeiter wird .angenommen, wenn sie gegen die Genehmigung der Fabrikordnung keine Einsprache erheben. In den meisten Kantonen wurden die Abzüge für Krankenkassen ohne weitere Hotivirung genehmigt, ebenso die für Unfallversicherungen und selbst obligatorische Sparkassen. Dem gegenüber fanden es einzelne Fabrikanten und ganze Arbeiterschaften unzuläßig, den Zwang auszusprechen, und es kam in Folge dessen sogar zur Aufhebung bestehender Kassen. Wir halten dafür, daß die ganze Angelegenheit in den nächsten Jahren bestimmter geregelt werden müsse. Bei der außerordentlichen Schwierigkeit und Komplizirtheit der Frage dürfte dieß so viel Zeit erfordern, daß bald das Studium derselben in Angriff genommen werden sollte. Was uns betrifft, beschränken wir uns heute auf diese Anregung.

. Wir schließen hiemit unsere Besprechung der Réglemente, Es geht daraus hervor, daß sich eine Menge unzuläßiger Bestimmungen in denselben vorfinden. Doch ist die Dringlichkeit der Revision derselben nicht so groß, wenn nur das Departement in Kürze seine Entscheidungen und einige Erläuterungen zur allgemeinen Kenntniß bringt, ungefähr so, wie es mehrere Regierungen für ihre Kantone gethan. Daß ungesetzliche Vorschriften der Fabrikordnungen keine Rechtskraft besitzen, braucht nicht erst gesagt zu werden.

VII. Werden die Arbeitsstunden vorschriftsgemäss angezeigt?

Trotzdem § 11, Absatz 2 ausdrücklich vorschreibt, daß die Arbeitsstunden den Ortsbehörden anzuzeigen s e i e n , fanden wir dies beinahe nirgends ausgeführt. Manche Fabrikanten glaubten mehr als genug gethan zu haben, wenn sie in ihr Reglement einige vage Bestimmungen über Beginn und Schluß der Arbeit aufgenommen hatten ; sehr viele wußten gar nicht, w o die Anzeige zu machen wäre, und wirklich, wenn wir ein Verzeichniß über*" die angezeigten Arbeitsstunden hätten suchen oder verlangen wollen,
so wäre es sehr oft unmöglich gewesen, auch nur zu ermitteln, wo dasselbe sich hätte befinden sollen. Ist doch in Kantonen, wo die G-emeinderäthe als Lokalbehördeu für die Handhabung des Fabrikgesetzes bezeichnet wurden, noch heute

331

weder Person noch Lokal bezeichnet, wo dasselbe deponirt sein sollte. Es wird dringend nothwendig sein, die Kantone zu genauem Vorschriften in dieser Richtung und vor allem zu raschem Handeln aufzufordern, da ohne diese amtlichen Zeitangaben auch jede sichere Beurtheilung, ob eine Kontravention stattgefunden habe, unmöglich ist.

VIII. Wo ist eine Verkürzung der Arbeitszeit unter 11 Stunden erforderlich ?

Die achte Frage unserer Instruktion : auf welche Industrien oder Etablissemente der Passus des Gesetzes anzuwenden wäre, der im Interesse des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter die tägliche Arbeitszeit auf die Dauer von weniger als 11 Stunden zu setzen erlaubt, veranlaßt uns zu wenigen Worten.

Die V e r k ü r z u n g der A r b e i t s z e i t soll entweder vor Ueberanstrengung schützen bei Arbeiten, welche die Kräfte der Arbeiter übermäßig beanspruchen, oder aber sie soll die Dauer der Einwirkung von chemischen oder physikalischen Schädlichkeiten, welche irn Fabrikraum auf die Arbeiter wirken, abkürzen und durch längere Pausen die Erholung und möglichste Reparation der erlittenen Nachtheile fördern. In diesem zweiten Fall ist die Verkürzung der Arbeitszeit nur ein P a l l i a t i v m i t t e l , dem eine Verbesserung der gesundheitlichen Bedingungen der Fabrikarbeit unendlich vorzuziehen ist, ein Mittel, dasüberdießß die Fabrikanten schädigt und sie weniger willig und zugleich, in finanzieller Beziehung, weniger fähig macht, die erforderlichen Verbesserungen einzuführen.

Nach unsero bisherigen Erfahrungen nun ist bei allzu anstrengenden Beschäftigungen schon bisher die Zahl der Arbeitsstunden u n t e r die Normalzahl 11 gesetzt worden, und da, wo dies allenfalls erst wünschbar wäre, sind wir noch nicht vertraut genug mit den speziellen Industriezweigen, um beurtheilen zu können, o b es ausführbar sei, nicht vertraut genug mit Personen und Verhältnissen, um sagen zu können, ob das Nämliche nicht ohne gesetzlichen Zwang erzielt werden könnte. In Bezug auf den zweiten Fall werden wir natürlich das Möglichste thun, um mittelst des radikalern und doch minder anstößigen Mittels zum Ziele zu gelangen, müssen aber selbstverständlich genügende Zeit für die Verbesserungen einräumen und können schon deßhalb heute keine Anträge stellen.

332 Wir betrachten überhaupt § 11, Absatz 3 als eines der wirksamsten, aber auf den Nothfall zu versparenden Zwangsmittel, um die Fabrikbesitzer zu vorgeschriebenen sanitarisehen Verbesserungen, anzuhalten.

Einzig die Zündholzfabrikation, über welche wir Ihnen bereits, früher Bericht und Antrag hinterbrachten, veranlaßt uns, für einzelne Operationen dieses Industriezweiges verkürzte Arbeitszeit für» den Fall der Beibehaltung des gelben Phosphors zu beantragen.

IX. Findet eine Verlängerung der Arbeitszeit nur mit amtlicher Bewilligung statt und werden die Bestimmungen bezuglich der Mittagspause innegehalten?

Inwiefern den Vorschriften von § 11, Absatz 4 und 5 nachgelebt wird, darüber gibt nachstehende Tabelle Auskunft.

Zürich . .

Bern . . .

Luzerii . .

Uri Seh \v_yz . .

Unlenvitlden Glarus . .

Zutf Frei bürg . .

Solothurn .

Basel Schaffhausen Appenzell .

St. Gailen .

(r raub und un .

Aarürau . .

O Thurgau . .

Tessin .

.

Wuadt . .

Waliis . .

NiHiunburg .

Genf

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·.

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61 30 9 2 2 2 (Î 2 2 14 7 21 13 19 2 19 3 6 20 3 6 19 268

unter 11 Stunden.

Etablissemente.

Kantone.

Arbeitszeit '

23 9 2 1 2

s 03 Td F3 1 j-4 iH

37 19 6 2 1 1 4

id

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Mittagspause tö

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42 2 25 2 1 8 2 2 l3 2 2* 6 2 2 l1

2 3 11 n 4 3 3 1 18 2 5 15 2 9 2 12 3 15 16 2 2 5 12 2 16 3 2 1 5 5 9 6 18 1 2 3 1 4 1 5 1 12 4 G 70 lt>7 31 197

Ueberzeit

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11 2

2 5 1 1 1

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T-l

8 34 3 20 1 6 1 2 1 5 1 1 2 10 6 2 1 16 1 11 3 16 1 2 14 · 2 2 6 2 12 1 2 8 lo 4ü 172

Bemerkungen.

mit ohue mit ohne Erlai bniß. Erlaiibniß.

5 2 1 1

1

22 8 1 1 14 1 1

1 ä

3 4

Ziegelhütte.

An einem Ort >/ä Std.

Beliebig,Papiermühle.

Bleichereien.

4 1 1

2 1

3

6

Mühlen.

3 1 1

1 1

4

3 4

14

4 1 4 7 2 3 8 Plia 3 Stünden.

74

co co co

334

Wir brauchen zwar nicht erst ausdrücklich zu bemerken, daß diese Zusammenstellung eine höchst wenig beweisende ist. Fürs erste gelten die von uns notirten Angaben eben nur für den Zeitpunkt unsers Besuchs, und wir zählen darauf, daß eine Menge von Ungesetzlichkeiten in Folge unserer Mahnungen verschwunden seien.

Fürs zweite ist es klar, daß ein großer Theil unserer Zahlen auf den Angaben von Fabrikanten oder Angestellten basirt, oder auch von solchen Arbeitern, die stets nach dem Wunsch der Prinzipale reden zu sollen vermeinen ; daß mithin besonders die Angaben betreffend Ueberzeit, und vor allem ohne Erlaubniß gemachter Ueberzeit keine sonderliche Glaubwürdigkeit beanspruchen.

Erfreulich ist es, zu sehen, wie häufig sich die Zahl der Arbeitsstunden unter 11 bewegt. Die Tabelle zeigt, daß dies bei 26 °/o der besuchten Etablissemente zutrifft. Die dritte Kolonne hingegen, so wenig auf diese Angaben zu bauen, beweist zum mindesten, daß zwei Dritteln der Kantone noch zu thun bleibt, den Normalarbeitstag wirklich durchzuführen. 96 Etablissemente geben zu -- auch bei dem gegenwärtigen schlechten Geschäftsgang -- den Normalarbeitstag zeitweise überschritten zu haben. Eine Menge derselben gestehen, daß es ,,sehr oft", ,,in der Regel" etc. geschehen.

Vermuthlich kommt dies weit öfter in r e g e l m ä ß i g e n Z w i s c h e n r ä u m e n vor, als man uns sagte. Wir wünschen dies, da solche Ueberschreitungen sich oft sehr leicht regeln lassen, ohne den Gesetzesvorschriften irgendwie Zwang 'anzuthun. Unsere Liste freilich thnt dar, daß ganz unregelmäßige Uebersehreitungeu das weitaus größte Kontingent bilden und daß für e i n e n k l e i n e n Bruchtheil derselben die amtliche Bewilligung nachg e s u c h t wurde.

Wir haben vielfach den Gründen nachgefragt, warum die Einholung der Bewilligung unterblieben, und es wurden uns oft die allernichtigsten angeführt: Unbequemlichkeit, wo oft kaum 5 Minuten Weg zu machen war -- schlechtes Verhältniß zum gestattenden Beamten u. dgl. Sehr oft wurde die Schuld auf den Arbeiter geschoben und dessen Widerwillen gegen jede Beschränkung, seine Unabhängigkeit vom Arbeitgeber, der ihm nur den Arbeitsplatz vermi e t he t, oder der ihn per Stück bezahle und deßhalb seine Arbeitszeit nicht kontrolire u. dgl. mehr vorgeschoben. Triftige Gründe konnten um so seltener angeführt
werden, als die meisten Orts- und kantonalen Behörden in Bezug auf Ueberzeitgestattung einer sehr milden Praxis huldigen, so mild, daß nach und nach krasser Mißbrauch eintreten wird, der zu strengerem Vorgehen nöthigen dürfte, wenn nicht das ganze Gesetz illusorisch gemacht werden soll.

33S

An manchen Orten artete diese Nachsicht wirklich in eigentliche Nichtachtung des Gesetzes aus. Nicht nur, daß allbekannte, vielfach besprochene Uebertretungen zu keinem Einschreiten veranlaßten, glauben wir mit allem Grund Verdacht hegen zu dürfen, daß einzelne Persönlichkeiten gerne bereit sind, erst dann nachträgliche Bewilligungen zu ertheilen, wenn eine Klageeinleitung wegen Ueberschreitung der Arbeitszeit in Sicht ist. Noch bedenklicher aber sind die vielfach auftauchenden Klagen, daß am gleichen Ort nicht Jeder mit gleicher Leichtigkeit, auch bei gleichen Gründen,, zu einer Ausnahmegestattung gelange.

Wir kennen nur Einen Weg, der einigermaßen derartigen Mißständen vorbeugen dürfte; das Verlangen, daß jode Bewilligung schriftlich ertheilt werden, stets auf dem Bureau der Fabrik zur Einsicht offen liegen und im Doppel ausgefertigt bei dem die Erlaubniß ertheilenden Beamten vorhanden sein müsse. Auf den Bewilligungen sollte in möglichster Kurze der G-r und für dieselben angegeben sein.

Einzelne Kantonsregierungen, z. B. die von Zürich, haben längst diesen Modus für i h r e Bewilligungen beobachtet, und schicken ihre betreffenden Verfügungen in Copie dem Fabrikinspektor ihresKreises. Damit werden höchst unangenehme Schreibereien und Erkundigungen vermieden.

Die Angaben der Gründe auf allen von Orts- und Kantonsbehörden ausgehenden Bewilligungen würden den großen Vortheil gewähren, daß jeweilen die Oberbehörden sich über die dabei l e i t e n d e n G r u n d s ä t z e Kenntniß verschaffen und durch ihre Intervention die so nöthige gleichmäßige Behandlung dieser Materie veranlassen könnten.

Hie und da ergeben sich Ungleichheiten in der Auffassung, wo die s o g e n a n n t e ,, U e b e r z e i t a r b e i t ^ b e g i n n e , und innerhalb welcher Stunden sie gestattet werden dürfe. Es gibt nämlich Betriebe, wo dem Arbeiter gestattet ist, Zwischenmahlzeiten bei der Arbeit zu sich zu nehmen, sich einige Bequemlichkeiten hiebei zu gönnen, wobei aber doch die zu bedienenden, nicht außer Gang gesetzten Maschinen zu verlassen nicht erlaubt ist.

Einige Fabrikanten rechnen nun diese kleinern, unvollständigen Buhepausen von der Arbeitszeit
336

Nur selten erhebt sich die Frage, ob ausnahmsweise die Grenze, die nicht sowohl für die Dauer der Arbeit gezogen ist, als für den f r ü h e s t e n B e g i n n oder s p ä t e s t e n S c h l u ß , überschritten werden darf. Es ist nämlich bei der Leim- und G-elatinefabrikation oft an den wärmsten Tagen fast oder ganz unmöglich, während der heißesten Tagesstunden zu arbeiten, da der zu verarbeitende Stoff weich und halbflüssig wird. Die Gestattung einer solchen durch die Natur des Betriebs gebieterisch geforderten Ausnahme kann um so weniger beanstandet werden, als sie nie eine andauernde, dem Wohlbefinden der Arbeiter, Kindern wie Erwachsenen, eher zuträgliche ist, und die Arbeit nie in die eigentliche Nachtzeit, sondern nur in die frühesten Morgenstunden fällt. Hingegen müssen wir tadelnd auf den Mißbrauch bei den Strohhutfabrikanten hinweisen, die gestatteten Ueberzeitstunden so zu verlegen, daß die Arbeit bis um 10 Uhr Nachts sich ausdehnt.

Zu lebhaften Erörterungen führte schon die Frage, ob der Arbeiter z u r L e i s t u n g v o n U e b e r z e i t a r b e i t v e r p f l i c h t e t werden könne. Einzelne wenige Réglemente setzen dies ausdrücklich fest während dagegen von kantonalen Regierungen ausdrücklich die Berechtigung hiezu in' Abrede gestellt wurde. In Wirklichkeit wird der Streit darüber ein sehr müßiger sein, da in der Regel die Arbeit der Ueberstunden etwas besser bezahlt und daher gern geleistet wird, wer aber gezwungen werden muß, ohnehin nicht viel leisten dürfte. Es sollte aber unseres Erachtens der Konsens der Arbeiter vorausgesetzt werden dürfen , w e n n sie n i c h t d a s Gegentheil auf dem Bureau melden.

Das letzte Alinea des § 11, die M i t t a g s p a u s e und Eßl o k a l e betreffend, veranlaßt uns zu mehrfachen Bemerkungen. Vor .allem aus haben wir darauf aufmerksam zu machen, wie wenig bestimmt der erste Satz lautet. Er sagt nicht, daß die Arbeit mindestens l Stunde lang unterbrochen werden m ü s s e , sondern nur, daß die E r l a u b ni B" zu einer mindestens so langen Unterbrechung gegeben werden müsse, und wir haben wirklich wenigstens einen Fall kennen gelernt, wo nur eine halbstündige Mittagspause gewährt wurde. Uebrigens läßt sich in der Regel aus den reglementarisch oder amtlich angegebenen Eßstunden herausrechnen, daß ein Fortarbeiten in der freigegebenen
Eßpause eine Ueberschreitung der Normalarbeitszeit in sich schließen würde.

In Genf scheint eine längere, als die vorgeschriebene Pause, nämlich l Va Stunden, die gewöhnliche /u sein. In der übrigen Schweiz haben ali aller Fabriken die 1-stündige adoptirt, etwa lk .schwankt zwischen 70 und 120 Minuten.

337

Die Zeit des Beginnens der Pause schwankt je nach Landesbrauch zwischen 11 und l Uhr, fällt also immer so ziemlich in die Mitte der Arbeitszeit.

Das Gesetz verlangt, daß ein angemessenes, im Winter geheiztes Eßlokal den Arbeitern zur Verfügung gestellt werden müsse, die in der Fabrik ihr Mittagsmahl einnehmen. Es wird weder die Benutzung dieses Lokals obligatorisch gemacht, noch auch das Verlassen des gewöhnlichen Arbeitslokales während der Eßpause gefordert. Das englische Fabrikgesetz hingegen schreibt vor, daß ,,geschützte Personen" während der Essenszeit nicht im Arbeitsraum bleiben, wenn dannzumal irgend welche Arbeit darin verrichtet wird. Im bundesräthlichen Fabrikgesetzesentwurf vom 2. November 1875 hieß es auch ausdrücklich: "wenn es aus sani,,tarischen Rücksichten unzweckmäßig erscheint, daß die Arbeiter ,,über Mittagszeit im Arbeitslokale bleiben, so haben sie dasselbe ,,zu verlassen und es ist dasselbe geschlossen zu halten". Aus uns unbekannten Gründen wurde später dieser Passus fallen gelassen.

Aus diesen beiden Anführungen geht hervor, daß sowohl fabrikpolizeiliche als sanitarische Gründe für die Nöthigung zum Verlassen der Arbeitsräume -- in vielen Fällen wenigstens -- bestehen.

Es ist klar, daß es bei manchen Industriozweigen ungemein schwierig ist, dem Arbeiten auch während der Eßpause auf die Spur zu kommen, wenn nicht ausdrücklich das Verlassen, allfällig auch Schließen des Arbeitslokals verlangt wird. Und der Wunsch, während der Eßpause fortzuarbeiten oder arbeiten zu lassen, taucht nicht so selten auf. So hatten die Glarner Drucker oft ihre große Noth, namentlich die Druckerinnen von einem unsinnigen, erschöpfenden und zugleich zu flüchtigem Arbeiten führenden ununterbrochenen Darauflosarbeiten abzuhalten -- und umgekehrt haben wir in einem Règlement ganz naiv den Wunsch ausgedrückt gesehen, die Arbeiter möchten von der mittäglichen Freistunde keinen Gebrauch inachen und hübsch bei den Maschinen bleiben.

Unendlich viel mehr Gewicht als auf die angedeutete Ermöglichung einer Ueberschreitung dei- gesetzlichen Arbeitszeit legen wir auf die s a n i t a r i s c h e B e d e u t u n g der Frage.

· Daß eine große Zahl von Industrien Arbeilslokalc hat;, deren Verlassen zur Essenszeit dringend gewünscht werden muß, bezweifelt wohl Niemand. Ist doch selbst in den Räumen, wo keine
besondern Schädlichkeiten für die Gesundheit zu Tage treten, zum Mindesten die Lüftung erschwert, wenn die Arbeiter auch über Mittag darin bleiben und natürlich beim Essen durch keinen kalten Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

26

338

Luftzug gestört sein wollen. Wo aber Staub in größerer Menge und von offensiver Natur, wo schädliche Gase etc. vorhanden, wo Gefahr besteht, daß giftige Substanzen die Nahrungsmittel verunreinigen, da versteht sich wohl von selbst, daß eine ernstliche samtarische Gefährde besteht.

In Ermanglung bestimmter gesetzlicher Vorschriften werden wir natürlich vorerst anstreben, daß die Fabrikordnungen, wo dieß nöthig sein sollte, dahin ergänzt werden, daß die A r b e i t s s ä l e w ä h r e n d der E ß p a u s e g e r ä u m t w e r d e n . Sollten wir aber auf diese Weise nicht zum Ziele gelangen, glauben wir am letzten Alinea des § 2 eine genügende Handhabe zu besitzen, um deu.

Ansprüchen, welche die Gesundheitspflege stellt, gerecht werden zu können, Uebrigens konstatiren wir mit Freuden, daß viele: Fabrikanten aus freien Stücken von ihren Arbeitern das Verlassen.,, von den Aufsehern das Schließen der Arbeitsräume verlangt habenBegreiflich werden solche Maßregeln um so leichter ausführbar sein, je besser es mit der Einrichtung passender Eßlokale steht.

Wir können hierüber ziemlich Günstiges berichten. In 58 der von, uns besuchten Fabriken haben wir solche getroffen, in mehreren hat man uns sofortige Erstellung versprochen; mehrfach sahen wir uns freilich auch veranlaßt, ernstlich daran zu mahnen. Die große Mehrzahl der Etablissemente b e d a r f keine besoudern Eßlokale,.

da die Arbeiter über Mittag heimgehen. Wir geben nachstehend bezügliche Zahlen aus einigen der größten Kantona» In Zürich mit 61 Bern mit 30 Waadt mit 20 besuchten Fabriken.

bed urften keine Eßlokale 44 19 17 es fehlten solche und war deren Erstellung nicht beabsichtigt , . 3 3 l es waren vorhanden 13 7 2 ·n -n projektirt l l -- Hie und da trafen wir allerdings Eßlokale, welche mehr einer schlechten Rumpelkammer glichen und deren Heizeinrichtungen jedenfalls zu allem andern besser passen würden, als zur Erwärmung eines behaglichen Rastlokals, dafür fanden sich aber, namentlich in manchen stark bevölkerten Etablissement«!! der Ostschweiz,, wo sich das Bedürfniß hiefür am meisten geltend macht, gauss, vortreffliche Lokale. Wir heben namentlich das öftere Vorkommen von Speisewärmern rühmend hervor, die überall, wo Dampfbetrieb vorhanden, so leicht anzubringen sind. Nicht selten würden wir mehr Werth auf solche Einrichtungen legen als auf die Eßlokale

339

selbst, denn diese werden nicht selten gar nicht benutzt, wo doch anscheinend ein lebhaftes Bedürfniß hiefür vorhanden. Der Arbeiter zieht sich oft lieber in einen Winkel des Kesselhauses, der Schreinerei etc. einsam zurück, als daß er dem Nebenarbeiter einen Einblick in seine Ernährungsweise, gleichsam ein Stück seines Haushaltes, gestattet.

X. Wie werden die Ausnahmebestimmungen bezuglich der Hülfsarbeiten angewendet? und welche Erläuterungen hierüber sind erforderlich ?

Wo noch in Fabrikgesetzen Ausnahmen zu Gunsten von Hülfsarbeiten gestattet wurden, gaben auch sofort Umgehungen des Gesetzes, die unter diesem Titel versucht wurden, zu Klagen Anlaß.

Eine genaue, alles Nöthige umfassende Definition dieses Ausdrucks ist eben so schwierig als die Definition von ,,Fabrik". Es liegt auch nicht im Interesse der Vollziehung des Gesetzes, sich durch eine solche die Hände zu binden, ehe man genau kennen gelernt hat, was man sich bei den verschiedenen Industrien und in den verschiedenen Gegenden unter Hülfsarbeit vorstellt.

Wir haben bei unsern Besuchen sehr fleißig Nachfrage gehalten, welche Leute als Hülfsarbeiter die Ausnahmen des § 12 beanspruchen, und wir entnehmen unsern daherigen Notizen, was uns als Hülfsarbeit aufgezählt wurde, indem wir versuchen wollen, diese Angaben nach gewissen Gesichtspunkten zu ordnen.

1. A l l g e m e i n , d. h. m ö g l i c h e r w e i s e i n j e d e r Industriebranche vorhandene Arbeiter: 1) Wächter. 2) Heizer. 3) Gaser. 4) Oeler. 5) Mechaniker (Réparateurs) inclusive Riemensattler u. dergl. 6) Turbinenwärter.

7) Bedienstete an der Wasserleitung. 8) Ausläufer. 9) Fuhrleute.

10) Kistenmacher. 11) Packer. 12) Handlanger, d. h. Arbeiter, die bald diese, bald jene Arbeiten verrichten, welche auf die Fabrikation selbst keinen direkten Bezug haben (Holzspalter, Putzerinnen).

II. Speziell bei e i n z e l n e n I n d u s t r i e z w e i g e n : a. Stickerei, Appretur, Weißwaarenfabrikation : Appretkocher, Eindrücker, Fiatscher, Tupfer, Glätterinnen, Ausrüster insgesammt, ,, b. Baumwolldruckerei und Färberei : Arbeiter im Tröcknethurm, auf der Bleiche, bei den Vorwerken (Wäscherei, Secheur, Calandre etc.), Zusammenleger.

340

c.

d.

e.

f.

g.

Kammwollspinnerei: Waschmeister.

Seidenspinnerei: Fäuler.

Bandfabrikation : Liseurs.

Fabrikation kondensirter Milch : · Milchwäger.

Dampfsägen und Parqueterie : Alle Arbeiter, die zeitweise im Freien arbeiten.

h. Drabtzug : Beizer, Glüher.

i. Maschinenfabrik : Lokomotivreparaturen und Reparaturen überhaupt.

k. Töpfereien: Brenner.

1. Backstein- und Ziegelfabrik : Lehmavbeiter und Arbeiter auf den Schlagplätzen, Durchgehen wir diese Liste, so finden wir unter I. eine Menge Leute, welche nicht an der Ueberführung des Rohstoffs in die Fabrikation direkte sich betheiligeu, sondern nur gewisse Vorbedingungen zur Fortführung der eigentlichen Fabrikation erfüllen, indem sie z. B. den Kessel heizen, der die Maschinerie treibt, oder den Wasserzufluß im Gang erhalten, der die Getriebe in Bewegung bringt; welche die Maschinen ölen, welche in Gang gesetzt werden sollen oder außer Gang gesetzt worden sind ; welche das Ofenfeuer nähren, das einen chemischen Prozeß ermöglichen soll, oder das Material herbei- und wegschaffen, mit dem sich die Fabrikation beschäftigen soll oder bereits beschäftigt hat. Die Zeit der Bethätigung dieser Arbeiter kann durchaus nicht immer mit derjenigen der Großzahl der übrigen Arbeiter zusammenfallen, sie muß naturgemäß derselben bald voran, bald nachgehen, sie kann sich theilwei.se ihrem Wesen nach nicht an bestimmte Stunden binden. Mit einziger Ausnahme vielleicht des Kistenmachers, der allerdings in Vorràth arbeiten, für die Befriedigung der meisten Bedürfnisse wenigstens zum Voraus sich einrichten kann, wird Jedermann alle aufgezählten Arten von Arbeitern zu den Hülfsarbeitern zählen. Enter der zweiten Abtheilung finden wir vorerst Leute, welche zeitweise im Freien und von jeglichem direkten Zusammenhang ihrer Arbeit mit der innerhalb der Fabrik verrichteten losgelöst arbeiten -- wie z. ß. die Zimmerleute, die bald bei der Dampfsäge verwendet werden, bald auf dem Zimmerplatz ·wie andere Bauhandwerker arbeiten und wie diese von Wind und Wetter in ihrer Arbeit gutentheils abhängen. -- Es läßt sich kaum die Möglichkeit denken, wie di* Bestimmungen des Fabrikgesetzes punkto Novmalarbeits/eir für diese sollten festgehalten werden. Man wird sie den. Hilfsarbeitern einreihen müssen, sowie und so lange sie außer dem eigentlichen Etablissement, ihre Arbeit verrichten.

341 Weit unmöglicher noch, sie eine gewisse Zeit einhalten zu lassen, wäre dies bei den Arbeitern, die einen gewissen chemischen oder physikalischen Prozeß /u überwachen oder zu unterhalten haben, dessen Dauer der Willkür des Fabrikanten entzogen, in der Regel zwar nicht, aber doch in öftern Ausnahmefällen einedie normale Arbeitszeit überschreitende ist. Hieher gehören die Brenner der Töpfereien und Ziegeleien, die Fäuler in der Seidenspinnerei, die Arbeiter auf der Bleicherei und in der Lufthänge der Druckfabriken.

Freilich kann hier kaum mehr gesagt werden, daß es nur accessorische Arbeiten seien, welche diese Leute verrichten. Ihre Funktion ist oft ein Mittelglied in der ganzen Reihe von Prozeduren, das nicht weniger Hände beansprucht, als andere Manipulationen, die unbedenklich zu den eigentlichen Fabrikationsarbeiten gerechnet werden. Wir gestehen für diese Leute vielmehr dcßhalb die Anwendung des § 12 zu, weil wir nicht anders können, und nicht sowohl weil sie eigentliche Hülfsarbeiter sind.

Dasselbe trifft zu bei einer Reihe von Arbeiten, die von atmosphärischen Einflüssen bedingt sind, deren Einfluß sie durchaus nicht entzogen werden können. Hier muß eine Compensation stattfinden können, indem für den verspäteten Beginn, den verzögerten Verlauf einer Arbeit der Schluß der Arbeit weiter hinausgerückt wird.

Wir denken hier vorzugsweise an die Lehmgraber und Ziegler auf den Schlagplätzen, die gänzlich in ihrer Arbeit von Wind und Wetter abhängen ; an diejenigen Bleicher, welche nicht schon vermöge ihrer handwerksgesellenmäßigen Verpflegung außer das Gesetz fallen, die in gleichem Fall befindlichen Bierbrauer.

Wo nur ein etwas früherer Beginn der Arbeit einzelner Weniger in Frage kommt, damit der Arbeitsanfang für das Gros der Arbeiter rechtzeitig oder in vollem Umfang ermöglicht sei, oder wenn ein etwas späterer Schluß durchaus erforderlich ist, weil das Material, das die große Mehrheit der Arbeiter geliefert, durchaus noch am nämlichen Tage einer gewissen, nur durch einzelne Wenige vorzunehmenden Prozedur unter worfen werdenmuß, kann man sich zwar oft durch etwelche Verschiebung der Arbeitsstunden in der Art helfen, daß der frühere Beginn z. B. durch frühem Feierabend oder mehr oder längere Pausen ausgeglichen wird. Ist dies absolut unmöglich, so wird auch hier die Ausnahme von § 12
gestattet werden m ü s s e n . In allen Kantonen, die bisher Fabrikgesetze besessen, wurde ein solches, nur durch wenige Personen ausgeführtes Theilstück der Fabrikarbeit als H ü l f s a r bei t bezeichnet und als solche ausnahmsweise behandelt, selbst wenn es nicht im strengen Sinn genommen das seinem Namen entsprechende auch wirklich war.

342

Zu diesen sogenannten Hülfsarbeitern gehören nach unsern Kenntnissen der betreffenden Industrien ganz zweifellos : die Apprethocher, ,,Eindrucker, Fiatscher und Tupfer" (beim Auftragen der Appretur auf die Tucher beschäftigt) der Appreturen; die Arbeiter an den Vorwerken der Baumwolldruckereien und Färbereien ; die Waschmeister der Kammwollspinnereien; die Liseurs der Baudfabriken ; die Milchwäger der Fabriken für kondensirte Milch; die Beizer und Glüher in den Drahtzügen.

Hingegen würden wir Bedenken tragen, die Glätterinnen der Weißwaarenfabriken, die Ausrüster sammt und sonders der Stickereien, die Zusammenleger (auch ,,Staber") der Druckfabriken hieher zu rechnen.

Betreffs der erstgenannten bedarf es wohl keiner weitern Explikation. Eine Nothwendigkeit liegt nicht vor, diese Arbeit innerhalb bestimmter Stunden zu absolviren, oder kommt sie ausnahmsweise vor, so tritt auch ausnahmsweise Gestattung ein.

In den Ausrüstereien, in Appenzell wohl auch euphemistisch ,,Handelsgeschäfte" benannt, finden sich große Zahlen von Arbeitern, viele unter 14 Jahren. Hier werden alle die Prozeduren vorgenommen, die zwischen dem eigentlichen Verfertigen der Waare und der Aushingabe an die Käufer, dem Aufstapeln im Magazin, gelegen sind: das Zerschneiden, das Etiquettiren, das Einwickeln in Papierumschläge und was dieser unzähligen Kleinigkeiten mehr sind. Dieses Ausrüsten gehört unserer Meinung nach gerade so gut zum Fertigmachen der Waare, wie die letzte Politur, welche das Stahlwerkzeug erhält, oder die Bemalung mit Firma und Zubehör, welche in der Maschinenfabrik die lange Reihe der Arbeiten schließt. Zudem ist die Anhäufung von Arbeitern zuweilen so groß, die Luft durch Glättedämpfe u. dergl. eine so verdorbene, daß die sanitarischen Rücksichten gar wohl ins Gewicht fallen dürften.

Die Zusammenlegerinnen in der ,,Stabstube" besorgen ähnliche Geschäfte, nur einfachere. Sie zerschneiden die bedruckten Tücher, sie falten sie zusammen, wickeln sie in Papier, bringen sie in Schachteln, welche nun zur Verpackung aufgespeichert werden.

Wir kommen zum Schluß auf das Verlangen einzelner Maschinenfabriken , daß ,,für Lokomotivreparaturen und Reparaturen überhaupt" volle Freiheit in Bezug auf Zeit gewährt, also § 12 in Anwendung gebracht werde. Wir verweisen auf die schöne Zahl von ,,Reparaturwerkstätten" der
schweizerischen Bahnen. Auf diese Weise würden dieselben mit ihrer gesammten Arbeiterzahl jeder gesetzlichen Beschränkung entbunden, und gewiß ohne Noth.

Für dringende Reparaturen, wie sie an Lokomotiven oft plötzlich.

343

vorgenommen werden müssen , hat das Gesetz schon Vorsorge getroffen; wir halten es deßhalb für ganz unnöthig, hier eine gezwungene Anwendung des § 12 zu machen.

Wir haben damit die Rundschau unter den uns von den Fabrikanten namhaft gemachten ,,Hülfsarbeiten" vollendet. Eine "Veranlassung, auch unsererseits noch Kategorien von Arbeiten zur Auftragung auf diese Liste vorzuschlagen, haben wir nirgends gefunden.

XI. Hai sich die bisherige Praxis bezüglich der Gestattung ununterbrochenen Betriebes und der Sonntagsarbeit bewährt oder ist sie abzuändern ?

Von denjenigen Etablissementen, denen der Bundesrath vorläufig u n u n t e r b r o c h e n e n B e t r i e b gestattet hat, haben wir, mit Ausnahme der Gasfabriken und Papiermühlen, die große Mehrzahl besucht, um uns möglichst genau über die Beschaffenheit der dortigen Verhältnisse und die Notwendigkeit der Gestattung AU informiren. Ehe wir aber zur Berichterstattung übergehen, sei eine kurze Rekapitulation der ertheilten Bewilligungen vorausgeschickt. Dieselben wurden ertheilt und zwar mit der allgemeinen Bedingung, daß sie sämmtlich p r o v i s o r i s c h seien, und unter der Voraussetzung, daß je der zweite S o n n t a g f r e i bleibe, an folgende Etablissemente: 1) Ununterbrochener Betrieb für Mannspersonen von mehr als 18 Jahren (nie längere Arbeitsdauer als 11 Stunden) : 27 Papier- und Holzstofffabriken, 5 Thonwaarenfabriken, 16 verschiedene Fabriken, sämmtliche Gasfabriken.

2) Dasselbe, aber mit der Erlaubniß , auch junge Leute über 16 Jahren während höchstens 10 Stunden zu beschäftigen : 5 Glasfabriken, 9 Eisenwerke.

Alle diese Etablissemente haben nur N a c h t a r b e i t für einen kleinen Theil ihres Personals. Bei den Papierfabriken, wo es das größte Kontingent ausmacht, gilt sie für die Arbeiter an den Holländern und Papiermaschinen, bei den Thonwaarenfabriken für die Brenner und ihre Gehülfen, soweit deren Arbeit nicht als bloße Hülfsarbeit (als Heizer) unter § 12 fällt. Alle fünf Fabriken der

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letztern Kategorie haben zusammen nur acht Nachtarbeiter. In den Gasfabriken werden natürlich schon aus ökonomischen Gründen so wenig Leute als möglich Nachts beschäftigt. Von den 16 ,,verschiedenen" Fabriken sind 9, die nur 4 und noch weniger Nachtarbeiter bedürfen, eine einzige bis 50. Die Maximalzahl aller in.

diesen 16 Etablissementen Nachts verwendeten Arbeiter beläuft sich auf höchstens 142, in der Regel nur auf 100--120.

In den Glasfabriken und Eisenwerken werden im Verhältniß vielleicht mehr Arbeiter beschäftigt. Genauere Zahlen stehen uns nicht zu Gebote.

Wenn wir alle diese Etablissemente genaue Musterung passiren lassen, so finden sich sehr wenige, bei welchen irgendwie Zweifel an der Not h w e n d i g k e i t des k o n t i n u i r l i c h e n B e t r i e b e s erhoben werden können. Bei einem bedeutenden Theil derselben wäre der Betrieb ohne Nachtarbeit geradezu technisch unmöglich, bei andern ist es zum Mindesten aus ökonomischen Gründen eine Existenzfrage und wurde auch überall im Ausland die nämliche Arbeitsweise für nöthig und zulässig erachtet. Bloß sehr wenige darunter haben bei uns Bedenken erweckt, ob ein wirkliches Bedürfniß existire, ob nicht durch die Anschaffung einiger weiterer Maschinen und Apparate die ganze Gestattung überflussig würde, oder ob sonst Hülfsmittel vorhanden seien, ohne allzu schwere Opfer die Nachtarbeit zu vermeiden. Da wir natürlich unsere Gründe für und wider hauptsächlich aus der Vergleichung analoger Betriebe im In- und Ausland schöpfen müssen , behalten wir uns vor, erst später auf diese Angelegenheit zurückzukommen und Anträge zu stellen. Wir schlagen aus dem gleichen Grund vor, alle diese Bewilligungen auch w e i t e r h i n n o c h als p r o v i s o r i s c h e zu betrachten.

Daß sich leicht Mißbräuche bei diesen Ausnahmen einschleichen können, bestreiten wir nicht; im Gegentheil, wir halten es für erforderlich, dadurch eine genauere Aufsicht zu ermöglichen, daß von allen Etablissementen mit kontinuirlichem Betrieb nicht nur ein genauer S t u n d e n p l a n f ü r d i e N a c h t a r b e i t e n , d e n Wechsel etc. verlangt (wie die Papierfabriken aufzustellen verpflichtet sind), sondern daß auch die L i s t e d e r b e s c h ä f t i g t e n A r b e i t e r mit bestimmter Angabe ihrer Arbeitszeit nach Beginn, Pausen und Schluß angefertigt
werde. Es versteht sich wohl von selbst, daß dabei der üblichen Beschäftigung des nämlichen Brenners während 26--30 Stunden -- wie man uns sagte, damit er allein die Verantwortlichkeit für das Mißlingen eines in dieser Zeit beendigten Brandes tragen könne -- Wandel geschafft werde. Ueber die a u s n a h m s w e i s e vorkommenden Nacht-

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arbeiten wissen wir einstweilen nur, daß sie in den Réglemente» vorgesehen, in Wirklichkeit äußerst selten vorgekommen sind.

Was die Sonntagsarbeit anbelangt, ist die Bewilligung dazu fast ausschließlich als für einen Bestandteil der kontinuirlichen Arbeit ertheilt worden, wie selbstverständlich stets mit dem Beding, daß der zweite Sonntag frei bleibe. In einzelnen wenigen Fällen wurde kurze Sonntagsarbeit separat gestattet und zwar aus dem einzigen Grunde, weil ein Verderben des zu verarbeitenden Materials ohne eine kurze Besorgung desselben nachgewiesen wurde; so z. B. für das Absieden von Sonntags eingelieferter Milch (die des Feiertag» halber nicht kondensirt werden kann) in zwei Fabriken für kondensirte Milch, für das Wenden der eingelegten, leicht faulenden Häute in einer Gerberei eine halbe Stunde u. s. f.

Vermuthlich kommt um so öfter Sountagsarbeit o h n e B e w i l l i g u n g vor. Nach den uns gemachten Mittheilungen soll es in manchen Genfer Fabriken Regel sein, den durch Blaumachen entstandenen. Zeitverlust durch Sonntagsarbeiten einzubringen ; in andern Etablissementen ebendaselbst werde regelmäßig Sonntags früh bis etwa um 10 Uhr gearbeitet. In einein Churer Reglement lasen wir sogar, daß die Arbeiter in pressanten Fällen z u r S o n n t a g s a r b e i t v e r p f l i c h t e t seien. Anderseitsfreilich gibt es Etablissemente, welche trotz des Rechtes , das sie vermöge ihrer kontinuirlichen Arbeit hiezu besäßen, keine Sonntagsarbeit verlangen, wie z. B. verschiedene Eisenwerke, Papierfabriken, selbst Glashütten. Wir sahen auch in der Bestimmung einzelner Maschinenfabriken, die wegen Reparaturen nöthig werdende Sonntagsarbeit 50 0/0 höher bezahlen, eine sichere Garantie, daß hier die Verwendung der Arbeiter am Sonntag möglichst vermieden wird.

Wo die Sonntagsarbeit regelmäßig und in erlaubter Weise vorkommt, da besteht auch eine E i n t h e i l u n g der A r b e i t e r in S c h i c h t e n , selten drei, gewöhnlich zwei an der Zahl. Dar wo eine genügende Zahl von Leuten vorhanden ist, welche mau zu dieser Schichtenarbeit brauchen kann, oder wo die Zahl der wirklich verwendeten Schichtenarbeiter eine sehr schwankende ist, ·wo sehr häufig eine oder mehrere Gruppen dieser Schichtenarbeiter feiern, ist es nun leicht möglich, daß am Sonntag eine Schicht ganz, durch eine Reserveschicht
abgelöst werde. Dies geschieht wirklich oft. Aber hie und da sind im ganzen Etablissement und auch weit und breit in der Runde keine Leute zu finden, welche zu der auszuführenden Arbeit befähigt sind , als gerade die Arbeiter der zwei regelmäßig wechselnden Schichten. Ersatzleute nur um des.

Sonntags willen zu halten, dürfte sehr gewöhnlich au finanziellen,

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Schwierigkeiten scheitern. Man hilft sich hier nun regelmäßig so, daß am Schluß der Woche, wo ohnehin der Wechsel in der Tagoder Nachtarbeit oder in der Arbeit Vor- oder Nachmittags stattfindet, ein Arbeiter 18 Stunden nacheinander ausharrt, der nächstfolgende ebenfalls wieder. Mit dieser ISstündigen Arbeit kommt man nun allerdings mit dem Gesetz in einen Konflikt, der oft wohl vermieden werden könnte, wenn man statt einer ISstündigen eine nur 6stündige Arbeitsperiode zwischen hinein schalten würde.

Es erhebt sich aber die weitere Frage: Muß der ganze Sonntag frei sein oder genügt es, jeden Sonntag die Hälfte freizugeben ?

Der Gesetzgeber hat schwerlich die kirchlichen Bedürfnisse der Arbeiter allein in Betracht gezogen , als er mindestens jeden zweiten Sonntag gefeiert wissen wollte; ihm lag daran, eine periodische Unterbrechung in die monotone tägliche Arbeit zu bringen, während der Körper und Geist sich erholen, neue Elastizität gewinnen und namentlich Geist und Gemüth angeregt, ausgebildet, erhoben werden können. Ob aber zur Erreichung dieses Zweckes eine kurze halbtägige Pause ausreichend sei, ob diese mehr als gerade die Zeit gewähre, einmal recht gründlich auszuruhen, möchten wir bezweifeln- Wir betrachten die allwöchentliche Sonntagspause als ein Surrogat, mit dem man sich begnügen soll, wenn keine Möglichkeit vorhanden ist, den ganzen zweiten Sonntag freizumachen.

Es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, daß der für die Nachtarbeit verlangte Stundenplan mit Angabc der Namen der Arbeiter auch auf die Sonntagaarbeit sich erstrecken muß.

In Bezug auf die obligatorischen F e s t t a g e haben wir wohl viele mißmuthige Bemerkungen gehört.

förmliche Beschwerden O ~ 3 * wurden nie vorgebracht. Jedenfalls scheinen die Fabrikanten nicht so strenge an dein gesetzlich festgestellten Maximum festzuhalten.

O O ü Wir haben in Luzerner Fabriken z. B. 12, in tessinischen 25 Feiertage beobachtet gefunden.

XII. Wie wird der Gesetzesartikel betreffend Kinderarbeit vollzogen?

Bei welchen industriellen Betrieben ist dieselbe gar nicht zu gestatten ?

Der Ausschluß der Kinder unter 14 Jahren von der Fabrikarbeit fand eine so außerordentlich verschiedene Aufnahme in unsern verschiedenen Landesgegenden, wie kaum eine andere Bestimmung des Fabrikgesetzes. Hier als eine große Errungenschaft gepriesen, wurde Art. 16 dort als zum Ruin der Industrie führend verwünscht.

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Während in einzelnen Kantonen das Schulgesetz die Kinder bisher schon bis zu erfülltem 14. Jahre vom Fabrikbesuch fern gehalten hatte, fragte man anderwärts, was denn vom 12. bis 14. Jahr mit der müßigen Jugend geschehen solle, Die Beui'theilung des sogenannten Kinderartikels war namentlich auch eine sehr verschiedene, je nachdem dieser oder jener Industriezweig in einer Gegend kultivirt wurde. Während die Baumwollspinnerei ihren Bedarf an Kinderarbeit durch Verbesserungen im Betrieb immer mehr verkleinert, ist derselbe immer noch ein großer bei der Coconsspinnerei, Stickerei, Appretur (hier zwar weit weniger als früher}, bei der Weißwaarenfabrikation, Posamenterie, Strohfabrikation , bei der Tabakindustrie und Zündholzfabrikation. Für alle diese Industriezweige ist die Versuchung eine sehr große, sich, auch dem Gesetz zum Trotz,, der wohlfeilen Kinderarbeit zu bedienen, und sie haben auch in der That fast alle Fälle von Uebertretung des Kinderarbeitsverbotes geliefert, welche wir konstatirt haben, Wir haben Ihnen bereits früher einläßlichen Bericht erstattet, in welcher Ausdehnung die Verwendung ganz junger Kinder im Tessin stattfindet, wo ein großer Prozentsatz der Arbeiterzahl aus 7 bis 14jährigen Kindern besteht. Aehnlichcs scheint auch im St. Gallischen Rheinthal vorzukommen, wenn auch innerhalb bescheidenerer Grenzen mit Bezug auf das Alter. Von beiden Seiten her hatten Sie sich mit ausdrücklichen, dringenden Gesuchen um Zulassung dieser Fabrikarbeit vor erfülltem 14. Jahr zu befassen.

Bei der Zündholz-, Tabak- und Stickindustrie scheint mehr die Beschäftigung der Kinder nach Schluß der Schulzeit im Schwung zu sein. Wir haben noch Abends 9 Uhr Kinder in einer Zündholzfabrik beschäftigt gefunden, von der sie in winterlichem Unwetter Va Stunde weit nach Hause zu gehen hatten; wir haben 7--9jährige Kinder gesehen, die nach vollendeter Schulzeit noch stundenlaug ,,als Aushülfe"1 über den Fädlertisch gebückt arbeiteten. Einzelne Tabakfabrikanten gaben zu, daß Schaaren von Kindern in alltagsschulpflichtigem AÌter jeden Tag nach der Schule bis 7 Uhr Abends bei ihnen arbeiten, Ziemlich selten fanden wir ungesetzliche Verwendung von Kindern bei andern als den bereits aufgezählten Industrien, so z. B.

in einer Ziegelei, wo Knaben als Ziegelträger funktionirten, in einer Holzbuchstabenfabrik und in
einer Schnitzlerwerkstätte, wo sich nur vereinzelte Fälle fanden, in einem Eisenwerk, wo in den Ferien Knaben das Abraspeln des Sandes von den Gußstücken besorgten, eine nichts weniger als zuträgliche Arbeit, von der aber der Fabrikbesitzer fortan alle Kinder fern zu halten versprach.

348 Im Ganzen müssen wir gestehen, wurde dem Gesetz weit besser nachgelebt, als wir zu erwarten gewagt. Der schlechte Gang der Industrie mag freilich gutentheils daran Schuld gewesen seinr wie denn auch der etwelche Aufschwung, den die Stickerei genommen, bereits in Bezug auf Uebertretung von § 16 sich geltend zu machen scheint. "Wir geben übrigens in nachstehender Tabelle eine Uebersicht der von uns ermittelten Zahlen der Fabrikarbeiter unter 14 Jahren.

Kanton.

Zürich Bern Luzern Uri .

Schwyz ünterwalden Glarus Zug .

Freiburg , Solothurn .

Basel Schaffhausen Appenzell St. Galleu Granbünden Aargau Thurgau .

Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

Zahl der von nns Fabriken mit besuchten Fabriken. Kindern.

61 30 9 2 2 2 6 2 2 14 7

20 11 15 2 18 3 6 20 3 fi

19

10 4 l 0 0 0 0 0 0

l

0 0 3 l 0

l

0 5 3 0 0 2

Zahl der verwendeten Kinder.

22 42 l 0 0 0 0 0 0 2 0 0 13 4 0 l 0 sehr viele 9 0 0 2

Es wird ziemlich schwer halten, in jedem speziellen Fall zu ermitteln, ob man es wirklich mit ungesetzlicher Verwendung der Kinder zu Fabrikarbeit zu thun hat oder nicht. Bald werden die vorgefundenen als vorübergehende Aushelfer präsentirt, bald als Ausläufer, als Boten, die das Essen bringen, als Besucher. Und es gibt in der That Fabriken, die Jedermann offen zu stehen scheinen, namentlich der Kinderwelt. Wir können nicht umhin, bei diesem Anlaß ernstlich auf diesen Uebelstand aufmerksam zu machen.

Fanden wir doch kleine Kinder zwischen der im Gang befindlichen Maschinerie herumspazieren, wieder andere im phosphordampferfüllten

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Raum einer Zündholzfabrik, im staubigen Raum einer Tabakfabrik, und selbst vor den Schmelzofen einer Glashütte, ,,damit sie sich früh an Glas und Feuer gewöhnen".

Sowohl die Sorge für Verhinderung unbefugter Kinderverwendung, als die Rücksicht auf die Gesundheit dieser Kleinen führt uns zu dem Wunsch, den auch die englischen Fabrikinspektoren schon längst geäußert, es möge die bloße Anwesenheit von Kindern in den Arbeitsräumen als Beweis für deren Beschäftigung gelten.

Ist ein Fall von imzuläßig früher Fabrikarbeit wirklich konstalirt, so fehlt es begreiflich nie an Gründen zur Rechtfertigung.

Armuth der Eltern, gesunde Beschäftigung scheinen selbst in den Augen von Beamten die Gestattung von Ausnahmen zu begründen, so sehr, daß uns offizielle Arbeiterlisten vorgekommen sind, die uugescheut eine Reihe viel zu junger Arbeiter aufführen, ja, daß selbst Etablissements nicht auf die Liste der Fabriken gebracht wurden, in der offenbaren Absicht, die Fortdauer der Beschäftigung junger Arbeiter zu ermöglichen. Wir haben uns bisher mit bloßem nachdrücklichem Hinweis auf die Gesetzesbestimmungen begnügt, indem wir der Thatsache Rechnung trugen, daß es wirklich bald den Fabrikanten, bald den Eltern schwer fallen muß, plötzlich auf die Kinderarbeit zu verzichten. Unsere durchschnittlich günstigen Erfahrungen berechtigen uns zur Hoffnung, daß dieselbe auch ohne viele Klageeinleitungen und andere strenge Maßregeln zu beseitigen möglich sein werde.

Am verwunderlichsten war uns, wie es in mehrern Kantonen möglich geworden sei, bei den dort bestehenden Schuleinrichtungen doch die Kinder ungehemmt in die Fabrik zu schicken. Es dürfte wohl arn Platze sein, daß sich das Inspektorat in Verbindung mit den Schulbehörden setzte, am derartigen Uebelständen um so wirksamer entgegentreten zu können.

Das zweite Alinea des § 1(3 setzt 11 Stunden als das Maximum der Zeit fest, während welcher Personen von 14 bis 16 Jahren in der Fabrik und beim öffentlichen Unterricht zusammengenommen beschäftigt werden dürfen. Nach unserer Auffassung darf dasselbe nie überschritten werden, da die Ausnahmebestimmungen von § 11 oder 13 nirgends vorbehalten sind.

Trotzdem ist es nichts weniger als selten, daß auch Leute unter IG Jahren an der Ueberzeitarbeit der Erwachsenen Theil nehmen.

Während einzelne Kantone, wie Zürich, auf den erwähnten Punkt bei jeder Ueberzeitbewilligung ausdrücklich Bedacht nehmen, wird es nöthig sein, andere ganz speziell auf dieses Alinea 2 aufmerksam zu machen.

350 Einen ganz besondern Fall haben wir hier wenigstens in Erinnerung zu rufen. Wir haben bei anderai Anlaß des frühen Arbeitbeginnes in den Leim- und Gelatinefabriken erwähnt. Nach buchstäblicher Auffassung des Gesetzes wäre jede Arbeit vor 5 Uhr als Nachtarbeit für junge Leute unzulässig, da aber fragliche Arbeit wirklich nur bei Tageshelle ausgeführt wird, die Ausnahme nur sehr kurze Zeit gemacht werden muß und zudem im Interesse der Gesundheit der Arbeiter liegt, sollten wohl keine Schwierigkeiten daraus erwachsen.

Eigentliche Nacht- oder auch Sonntagsarbeit von jungen Leuten, die Sie nicht ausdrücklich gestattet haben, ist uns nicht bekannt geworden. Wir haben in den Glashütten und Eisenwerken, welche einzig diese Erlaubniß erlangt haben, genaue Nachfrage nach Zeit und Art der Verwendung der jugendlichen Arbeiter gehalten. Selbstverständlich fällt in den Glashütten die Arbeitsdauer nicht immer ganz genau gleich lang aus. In der Regel durfte sie, Pausen abgerechnet, 9 Stunden betragen. Es gibt auch Glasfabriken, wo überhaupt für die jungen Leute, die gamins der Glasbläser, keine Nachtarbeit, sondern nur Sonntagsarbeit vorkommt. In den Eisenwerken können noch weniger genaue Zeitbestimmungen aufgestellt werden, da man sich nach dem Gang der Schmelzung etc. richten muß.

Aus Allem scheint aber hervorzugehen, daß eine wirkliche Arbeit von mehr als 6 Stunden kaum angenommen werden kann. Die Arbeiter müssen allerdings weit länger des Rufs zur Arbeit gewärtig, nicht aber stets präsent sein, so daß sie diese Pausen zu Ruhe und Schlaf verwenden können. Der Sonntag ist in einzelnen Eisenwerken ganz frei, in andern nur je der zweite.

Was uns am meisten auffiel, ist die Verschiedenheit in den Aeußerungen über die Notwendigkeit der Nachtarbeit junger Leute, Einzelne Eisenwerke bedürfen und verlangen sie nicht oder lassen durchblicken, daß es nur bequemer, nicht aber absolutes Erforderniß sei, junge Leute auch bei Nacht zu beschäftigen. In jedem Falle erheischt dieser Punkt genauere Untersuchung, Ausscheidung des wirklich durchaus Nöthigen. Es dürfte wohl auch die Frage erörtert werden, ob die Gestattung, an dieser anstrengenden kontinuirlichen Arbeit Theil zu nehmen, nicht von einer vorgängigen ärztlichen Untersuchung über genügende Kräftigkeit und Gesundheit abhängig zu machen sei. Wir sind mit den
Verhältnissen all' dieser Etablissements mit kontinuirlichein Betrieb noch zu wenig vertraut, um bestimmte Anträge stellen zu können.

§ 16 ermächtigt den Bundesrath zur Bezeichnung von Fabrikationszweigen, in welchen Kinder nicht beschäftigt werden dürfen.

Wir können bei unserer hierauf bezüglichen Berichterstattung zum

351 Theil auf das verweisen, was wir bei Besprechung der Ausdehnung der Haftpflicht und des Ausschlusses der Schwangern bereits bemerkt oder noch anführen werden. Zu den dort angeführten Gesichtspunkten kommt aber hier noch die Rücksicht auf die Unvorsichtigkeit und Unbesonnenheit der Kinder. Diese dürfte wohl zum Verbot der Beschäftigung an besonders gefährlichen Maschinen und Apparaten führen, besonders wenn man sich an Fälle erinnert, wie den, wo wir einen 14jährigen Knabeu fanden, welcher schon seit drei Jahren eine Zirkularsäge bedient hatte. Wir hoffen aber, daß das Aufmerksammachen durch die Inspektoren, verbunden mit der Haftpflicht, genügend sein werde, ähnliche unvorsichtige Anstellungen von Kindern zu verhüten. Vielleicht finden sich auch die UnfallVersicherungsgesellschaften veranlaßt, irgendwie in dem von uns.

gewünschten Sinn die Arbeitgeber zu beeinflussen.

Daß Kinder von aller Beschäftigung fern gehalten werden sollten, bei der sie Vergiftungen irgend welcher Art ausgesetzt sind, ist wohl klar. Die größere Empfänglichkeit, die der Unerwachsene in der Regel für solche Einwirkungen hat, sowie seine größere Sorglosigkeit sprechen gleich sehr dafür. Durchgehen wir unsere schweizerischen Industriezweige, so möchte etwa folgende Liste derjenigen aufzustellen sein, welchen die Verwendung von Leuten unter 18 Jahren nicht gestattet werden sollte: 1) Chemische Fabriken mit Einschluß derjenigen, wo Farben, Drogueriewaaren, Zündwaaren und Sprengstoffe dargestellt werden, sofern nicht die Giftfreiheit und Ungefährlichkeit der verwendeten Stoffe nachgewiesen werden kann.

2) Zündholzfabriken und zwar bei Anwendung des gelben Phosphors beim Bereiten der Zündmasse, sowie bei allen nachfolgenden Operationen bis und mit dem Verpacken, bei der Fabrikation mit rothem oder ohne Phosphor beim Ausnehmen und Einfüllen, 3) Hutfabrikation : beim Beizen, Fachen und beim Schleifen der Filzhüte, sowie beim Schwefeln der Strohhüte.

4) Tapeten- und Buntpapierfabrikation: bei Verwendung arsenikhaltiger Farben.

5) Glasfabrikation : beim Mischen blei- oder arsenikhaltiger Stoffe^ Herstellung von Mousselinglas und Email und beim Trockenschleifen.

Eine Anzahl anderer Industriezweige, die a priori hieher zu gehören scheinen, verwenden entweder keine Arbeiter unter 16 Jahren oder nur zu Arbeiten, bei denen sie keine Gefahr laufen. Wir nehmen utn so mehr von ihrer Einreibung Umgang, als dieselbe später immer noch möglich sein wird.

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XIII. Wie werden die Bestimmungen bezüglich der Schwangern und Wöchnerinnen beobachtet? Von welchen industriellen Betrieben sind Erstere auszuschliessen?

Zur Zeit der Ausarbeitung des Fabrikgeseteea hatte man noch keine genauere Kenntniß, welche Industriezweige, aus denen ganz besondere Gefahren für die Schwangern oder d.eren Früchte hervorgehen könnten, in der Schweiz betrieben werden. Ob man bestimmte Industrien im Auge hatte, als Alinea '6 aufgenommen wurde, oder ob man sich nur die Möglichkeit offen behalten wollte, einen Ausschluß der Schwangern eventuell vorzuschreiben, wissen wir nicht. In jedem Fall läßt der zitirte Artikel dem Bundesrath vollständig freie Hand, ob und welche Ausschluß Verfügungen er treffen wolle.

Er hat schon im Herbst 1877 ein Gutachten der schweizerischen .Aerztekoinmission darüber eingeholt, dem freilich die Grundlage einer genauem Kenntniß unserer Industriebetriebe nothwendig mangeln mußte. Es haben sich in den letzten Jahren auch die bedeutendsten Autoritäten im Gebiet der Gewerbehygiene und Gewerbepathologie, -so namentlich Hirt, darüber ausgesprochen. Doch läßt sich selbstverständlich auch dessen Aufzählung nicht ohne Weiteres für unsere Verhältnisse verwerthen. Nach den Aeußerungeu unserer Aerztekommission sowohl als nach Hirt wären von folgenden Industriebetrieben Schwangere ferne zu halten: 1) Zündholzfabriken; 2) Töpferei (.resp. Glasiren und Malen); 3) Fabrikation gifthaltiger Tapeten; 4) Zeugdruckerei ; 5) Ziegelei; 6) Maschinennähen ; 7) Maschincnsticken und Fädlen; S) Appretur über Kohlen- oder Gasfeuer ; 9) Coconspinnerei; 10) Wollenkarderei und Reißerei (Shoddywolle) ; 11) Lumpenreißerei; 12) Flachshechelei; 13) Smirgelpapierfabriken, Eine Reihe anderer von ihnen aufgeführter Industriezweige -wird entweder bei uns in keinen dem Gesetz unterstellten Etablissements betrieben oder aber es werden keine Frauen /AI den beanstandeten Arbeiten verwendet. Da die Listen überhaupt, je nach .-der wechselnden Gestaltung der Industrie, von Zeit /.u Zeit ergänzt .oder korrigirt werden müssen, beschränken wir nus auf eine ge.Mauere Prüfung der obigen zu untersagenden Beschäftigungen und

353

behalten uns dabei ausdrücklich vor, nicht nur die Wünschbarkeit oder Notwendigkeit der Ausschließung vom sanitarischen Standpunkt aus zu erörtern, sondern auch über die Opportunität dieses Schrittes im einzelnen Fall uns auszusprechen.

Zuerst aber schicken wir die Bemerkung voraus, daß bei manchen der aufgezählten Industrien nur eine sehr minime Zahl von Frauen, mithin auch, von Schwangern, beschäftigt ist, so z. B.

in den zwei oder .drei Töpfereien, in den wenigen Tapetenfabriken, in den Appreturen, wo vielleicht bei den beanstandeten Operationen gar keine weiblichen Arbeiter verwendet werden ; bei der Schmirgelpapierfabrikation, die ohnehin eine winzige Zahl Arbeiter, meist ganz jugendliche, aufweist, in den Ziegeleien, -die in der Regel keine weiblichen Arbeiter beschäftigen. Wir haben ferner in unserem Bericht über die Tessiner Filanden erwähnt, daß wenigstens dort verheirathete Arbeiterinnen zu den Ausnahmen gehören. So bleiben denn nur die Zündholzfabriken., mehrere Operationen bei der Wollfabrikation, Flachshecheleien, Lumpenreißereien, Maschinenstickereien und Maschinennähereien mit erheblichem Zahlen übrig, obwohl auch hiebei zu bemerken ist, daß an den Nähmaschinen vorzüglich Mädchen, nicht Frauen, beschäftigt sind, und ebenso in den Stickereien, wo gewöhnlich Männer an den Maschinen sticken und Kinder oder erwachsene Mädchen fädeln, die Frauen jedenfalls in gerioger Proportion unter der ganzen Arbeiterschaft vertreten sind.

Was nun die Nothwendigkeit des Ausschlusses der Schwangern anbetrifft, stimmen wir bei all' den Industrien den vorerwähnten Vorschlägen zu, wo die Gefahr einer Schädigung von Mutter oder Frucht durch Phosphor, Blei, Quecksilber, Arsenik nahe liegt, also bei Nr. l bis 3 und theilweise bei Nr. 4, das wir später noch einläßlicher besprechen. Ebenso geben wir zu, daß eine so viel Anstrengung erfordernde Beschäftigung, wie in Ziegeleien, daß die Arbeit an der Nähmaschine, wenn solche durch die Füße in Bewegung gesetzt werden muß, als entschieden nachtheilig untersagt werden sollte.

Weniger geboten erscheint uns der Ausschluß von Beschäftigungen, die unter der Entwicklung eines sehr starken, reizenden, aber nicht giftigen Staubes zu leiden haben. Mag auch die Schwangere etwas mehr unter den Folgen der Staubeinwirkung leiden, als andere Frauen, so ist denn doch keine
so hochgradige Differenz nachgewiesen, daß sie den vorgeschlagenen Eingriff rechtfertigte. Weit mehr aber kommt noch in Betracht, daß das Gesetz kaum eine rationelle Grenze ziehen könnte, w o der Ausschluß beginnen soll.

Wo Flachs verarbeitet wird, kann enormer Staub nicht nur in der Hechelei, sondern auch im Cardensaal, bei den Streckmasehinen Bujidesblatt 31. Jahrg. Bd. III.

27

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vorkommen. Aehnlich verhält es sich in den Wollspinnereien, wo oft eine Reihe von Operationen mit excessiver Staubentwicklung verbunden ist. Je nach dem zu verarbeitenden Rohstoff und den verwendeten Maschinen und vor allem je nach der Anbringung von zweckmäßigen staubentfernenden Apparaten können einzelne oder alle diese Operationen in dei- einen Fabrik sehr lästig, sehr gesundheitsgefährdend durch ihre Stauberzeugung sein oder auch ganz unschädlich. Soll nun der Inspektor vielleicht in die fatale Lage kommen, nach Maßgabe der Einrichtungen hier den Ausschluß zu handhaben, dort bestehen zu lassen, oder will man jedes Etablissement der gleichen Branche gleich behandeln, gleichviel ob Nachtheil zu befürchten sei oder nicht?

Wir.scheuen uns ferner, den Ausschluß der Schwangern zu befürworten, wo die Arbeit einfach aus der Fabrik in die Wohnstube verlegt werden kann, wie dieß beim Fädeln so leicht der Fall ist, theilweise selbst bei dem Arbeiten an der Näh- oder einzelnen Arten von Stickmaschinen.

Wir glauben endlich, daß auch beim Ausschluß der Schwangern vom Zeugdruck eine vorsichtige Beschränkung Platz grellen müsse, wie schon das Gutachten der schweizerischen Aerztekommission andeutet, indem es ihn nur theilweise verlangt.

Die Frauenarbeit in den Drückfabriken beschränkt sich fast gänzlich auf das eigentliche Drucken, auf einige Arbeiten bei der Appretur, auf das Zusammenlegen und Ettiquettiren der bedruckten Waaren. Hiebei kann nicht wohl von Gefährdung die Rede sein, außer beim Drucken selbst, wenn dabei stark giftige Farben verwendet werden. Allein für's Erste sind doch die Mehrzahl der Farben, diezurr Verwendung kommen, sehr ungefährlich, so z. B.

in der Regel beimTürkischrothartikell ; für's Zweite ist das verwendete Quantum, die Form und Mischung, in der sich ihr Giftgehalt vorfindet, sehr oft derart, daß auch bei gifthaltigen Farben eine schädliche Einwirkung kaum gedenkbar ist. Und wenn die im Kanton Glarus gemachten Erfahrungen zu Rathe gezogen werden, welche sich über mehr als 5000 Arbeiter in Druckereien, also mehr als ein Fünftel der Druckereiarbeiterzahl sämmtlicher englischer Fabriken (25--26,000) und Über 12 Jahre regelmäßiger Aufsicht erstreben, so linden sich nur selten Fälle, wo krank machende Wirkungen der giftigenFarbingredienzenn zu Tage getreten , und auch diese beziehen
sich nur auf Erzeugung von Hautkrankheiten, fast nie aber aufAllgemeinerkrankungenu oder Leiden innerer Organe.

in Berücksichtigung dieser Erfahrungen hoffen wir, daß es unter allen Umständen genügend sein sollte, die Schwangern von

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derjenigen Arbeit auszuschließen, wo sie mit intensiven Giften in flüssiger oder Gasform in Berührung kommen, resp. vom Drucken derartiger Farben.

Nachdem wir hiemit alle Industrien besprochen, bei welchen ein Ausschluß der Schwängern in Frage kommen kann, mag wohl noch die Frage aufgeworfen werden, ob die wirkliche Durchführung eines solchen Ausschlusses gelingen werde. Wir haben uns bisher zur Genüge von der Schwierigkeit überzeugt, die Bestimmungen bezüglich der Wöchnerinnen zu handhaben. So lange allgemein die Meinung herrschte, § 15 verlange Austritt der Schwängern eine bestimmte Zeit vor der Niederkunft, würde überall über die zweifellose ' Erfolglosigkeit aller darauf abzielenden Maßregeln gespottet und gelacht, und wir mußten uns gesteheu, daß eine Frau, welche ihre Schwangerschaft verheimlichen w i l l , weitaus in den meisten Fällen dies auch k a n n . Wird sie dieß aber nicht weit öfter versuchen und wird es ihr nicht weit leichter gelingen, wenn ihr ein Ausschluß während der halben Schwangerschaftsdauer plus sechs Wochen bevorstehen sollte?

Wenn wir somit die theoretische Berechtigung dieses Ausschlusses in manchen Fällen anerkennen müssen, denken wir doch sehr gering von der praktischen Bedeutung desselben. Wir fü echten, daß er weiter zu nichts führen würde, als den Schutz der Wöchnerinnen , der jetzt noch so viel Widerstand findet und in seiner Bedeutung für die Neugeboruen besonders zu sehr verkannt wird, noch mißbeliebiger und schwieriger durchführbar zu machen. Es dürfte weit zweckmäßiger sein, einstweilen mit allei) weitergehenden Maßregeln zuzuwarten.

Unsere sehr nüchterne, in Obigem ausgesprochene Anschauung wird durch die Erfahrungen gestützt, welche wir bisher bezüglich der Realisirung des vom § lo Verlangten gemacht haben.

Wir haben schon vor mehreren Monaten uns veranlaßt gesehen, mittelst eines von Ihnen genehmigten Zirkulars an die Kantone zu gelangen mit der Bitte, ein von uns entworfenes F o r m u l a r für die K o n tr ol e des W ö c h n e r in n c n a u s s c hl uss es sammt den notwendigen Erläuterungen den Industriellen zukommen zu lassen. Fast alle Kantone haben unsern Wunsch bereitwillig erfüllt, aber noch machen sich allerlei irrige Auffassungen gellend, zum Theil in Folge der nicht sehr klaren Fassung des betreffenden Gesetzesparagraphen. Wir hauen namentlich
viele Mühe mit der Auseinandersetzung, daß das Gesetz den Frauen durchaus nicht das Verlassen der Arbeit eine bestimmte Zeit vor der Niederkunft vorschreibt, sondern nur sagt, daß trotz noch so langen Weg-

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bleibens vorher doch nachher immer noch ein sechswöchentliches Wegbleiben von der Fabrikarbeit verlaugt werde.

Wo dem Gesetz nicht nachgelebt wurde, fehlte es nicht an vielfachen Ausflüchten. Bald sollte der Ausschluß nicht möglich sein, weil das Reglement noch nicht genehmigt, also nicht in Kraft getreten sei; bald wurde die Armuth der Wöchnerin in den grellsten Farben ausgemalt und vorgeschoben , bald wurde sogar auf die Unfähigkeit der aus der Fabrik herkommenden Mutter hingewiesen, ihre Kinder an die mit nachtheiligem Staub bepuderte Brust zu legen, und auf die Notwendigkeit des Fabrikerwerbs, um eine Amme ('- 0 bezahlen zu können.

Eine Hauptursache des unstreitig vielfach vorhandenen Widerwillens gegen das Gesetz scheint uns in der Unbequemlichkeit für den Arbeitgeber zu liegen, eine Arbeiterin für zwei Monate ersetzen zu müssen. Wir haben sehr schroffe, wenig humane Aeußerungen in diesem Sinne gehört. Die Armuth der Frauen trägt ebenfalls viel dazu bei, um so mehr, als die Mittel, welche z. B.

in Glarus diesen längst gewöhnten Ausschluß der Wöchnerinnen so sehr erleichtern, Mitgliedschaft von, resp. Unterstützung durch Frauenkrankenkassen im Wochenbett, sowie regelmäßige freiwillige Gaben der Fabrikanten an die Wöchnerinnen, an den meisten Orten fehlen, und selbst die Betheiligung der Frauen an Kassen, die solche Hülfe gewähren, auf allerlei Widerstand stößt. So haben wir da und dort die lebhafteste Protestation der Männer gegen kleine Wochenbettsubventionen aus der Fabrikkrankenkasse getroffen, empfehlen aber nichts destoweniger den Leitern derselben eindringlieh, auf dieser Bahn fortzuschreiten.

Das beste Auskunftsmittel kennen manche Gegenden mit wenig Industrie und viel Landbau: die Mutter von kleinen Kindern bleiben einfach der Fabrik ganz fern.

Fragen wir, ob denn das Gesetz, bisher auch wirklich durchgeführt worden sei, so müssen wir gestehen, daß wir in Summa nur 22 Fabriken mit gehöriger Wöchnerinuenkontrole gefunden.

Einige führten dieselbe musterhaft mit beigefügten Belegen (Geburtsscheinen oder Hebammen/eugnissen). Ungemein oft erklärte man uns, daß keine Kontrolliste nöthig, da nur ^Eine" verheirathete Frau im ganzen Etablissement beschäftigt sei -- eine Angabe, die mit: jedem neuen Dutzend von Wiederholungen an Glaubwürdigkeit verlor. Es wird zweckmäßig sein, gelegentlich
hie und da detaillirte Nachschau bei den Civilstandsätntem zu halten.

Am schwierigsten mag wohl die Handhabung da sein, wo die Schwangern einige Zeit vor der Niederkunft ihr bisheriges Geschäft

357 verlassen, um sofort nach derselben in ein anderes zu treten , wo man sie nicht kennt. Es ist dies eine Schwierigkeit, die naturgemäß zumeist in den Städten zu Tage tritt.

Die Geduld und Aufmerksamkeit der Behörden wird unzweifelhaft durch diesen Punkt noch oft genug auf die Probe gestellt werden.

XIV. Wie findet der Vollzug des Fabrikgesetzes durch die kantonalen Behörden statt?

Mit dem Erlaß eines eidgenössischen Fabrikgesetzes traten an die Mehrzahl der Kantonsregierungen ganz neue Aufgaben heran ; eine kleine Minderzahl von Kantonen, die bisher schon ein Fabrikgesetz besassen, mußte sich mindestens in einzelnen Punkten neuen oder veränderten Bestimmungen akkommodiren. Es ist begreiflich, daß es Beamten, die sich wenig oder nie um industrielle Verhältnisse gekümmert, die das Fabrikwesen nie aus eigener Anschauung kennen gelernt, schwer fallen mußte, sich auf dem neuen Gebiete zurechtzufinden. Waren die Industriellen ihrer Umgebung g e g e n das neue Gesetz eingenommen, fiel ihre herbe Kritik bei jedem Anlaß über dasselbe her, so mußte nothwendig auch das Interesse dieser Beamten, die kein eigenes Urtheil in diesen Dingen besaßen, die gewohnt waren , auf andern Gebieten so eifrig auf Rath und Urtheil der industriellen Größen zu hören, an der Durchführung des Fabrikgesetzes »u arbeiten, gar sehr erkalten. So erklärt sich leicht die große Nachläßigkeit, welche in manchen Gegenden die untern Amtsstellen in Erstellung der Fabriklisten an den Tag legten ; es erklärt sich die Scheu, mit weichet- man in manchen Kantonen daran ging, die Fabrikanten zur Erstellung von Regiemeuten anzuhalten.

Sehr langsam ging es fast überall mit der Prüfung und Genehmigung der Fabrikordnungen, welche heute noch in sehr vielen Kantonen der endgültigen Erledigung harren. Hier kam aber ein neuer Faktor in Betracht, von dem wir bereits an anderer Stelle gesprochen. Auch wo die Regierungen nicht in unsicherem Tasten sich an das ungewohnte neue Geschäft heran wagten, überzeugten sich doch bald alle, daß es eine große Anzahl Punkte gebe, wo der Wortlaut des Fabrikgesetzes so oder anders interpretirt, wo dieselbe Sache ebenso gut als zuläßig, wie als unzuläßig, erklärt werden könne; sie erfuhren Widersprüche durch gegenteilige Entscheidungen anderer Regierungen, und doch war es in erster Linie Sache der Kantonsregierungen., Entscheidung zu treffen, gewärtigend, wie die Rekurse entschieden werden, welche gegen diese Entscheide bei den Bundesbehörden eingereicht werden.

358 Wir vernahmen nicht selten Stimmen, daß der Bund besser gethan hätte, die Ausführung seiner Gesetzgebung auch selbst an die Hand zu nehmen. Und in der That -- auch unsere Erfahrungen waren oft dazu augethan, diesen Wunsch hervorzurufen. Am ehesten geschah dies, wenn wir sahen, daß kantonale Behörden angesichts der klarsten Gesetzesbestimmung oder bundesräthlicher Entscheide nicht zur selbstständigen entschiedenen Beantwortung vorgelegter Gesuche, Reklamationen etc. sich entschließen konnten und durch eine Verweisung derselben an Sie oder selbst an uns, trotz unserer Inkompetenz,, den Verdacht veranlaßten, als wenn nach Willkür an dem einmal Festgestellten geändert, Begünstigungen gewährt werden könnten. Der Wunsch nach zentraler Leitung der ganzen Angelegenheit stieg auch zuweilen in uns auf, wenn einzelne Kantone nicht die einfachsten Kleinigkeiten von sich aus regeln wollten, in der beständigen Erwartung, von Bern aus über alles und jedes ihre Weisungen zu erhalten.

Wir sind aber gewiß, daß in Kurzem alle kantonalen Regierungen das neue Arbeitsfeld in entsprechender, übereinstimmender Weise kultiviren werden. In dieser Zuversicht hat uns besonders unser persönlicher Verkehr mit den Regierungen oder deren Departementschefs bestärkt. Wir hatten uns nicht nur durchweg der besten Aufnahme zu erfreuen, sondern auch freundlichen Entgegenkommens, wo wir die Beihülfe der Kantone zur Erleichterung in unsern Funktionen nachsuchten. Von großem Werth war uns namentlich die Gestattung direkten Verkehrs mit Lokalbehörden, soweit es sich nur um Erkundigungen, Mittheilung von uns zukommenden Anzeigen von Kontraventionen -- natürlich aber nicht um amtliche Vorschriften u. dgl. -- handelte. Es sind nur noch vereinzelte wenige Kantone, welche für die geringfügigsten Dinge an einem so schwerfälligen Geschäftsgang von Amtsstelle zu Amtsstelle festhalten, daß sie dadurch unsere ganze Wirksamkeit lahmen. Hier kann es noch vorkommen, daß eine einfache Nachforschung, ob z. B. eine dcnunzirte Ueberschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit vorkomme, Wochen erfordert und selbstverständlich immer post festum kommt. In der Hoffnung, daß die betreffenden kantonalen Behörden, diese Uebelstände einsehend, sie von selbst abstellen werden, unterdrücken wir einstweilen den Wunsch, daß eine bundesräthliche Verordnung diesen
Gegenstand regle.

Die Wünsche, die wir sonst noch hinsichtlich des Vollzugs des Fabrikgesetzes an die Kantonsregierungen zu richten hätten, haben wir bereits an verschiedenen Stellen unseres Berichtes einläßlicher erwähnt und begründet. Wir rekapituliren sie folgendermaßen :

359 1. Allgemeine Revision der Fabriklisten mit Berücksichtigung der vom hohen Bundesrath über die Qualifikation als Fabriken zu treffenden Entscheide.

2. Verlangen genauerer Vorlagen behufs Genehmigung von Umund Neubauten.

3. Mittheilung der Adressen der in den Bezirken und einzelnen Gemeinden mit der Handhabung des Fabrikgesetzes betrauten Beamten oder Amtsstellen an die Kreisinspektoren.

4. Mittheilung aller durch die Regierung ertheilten Ausnahmebewilligungen an die Inspektoren, verbunden mit kurzer Bezeichnung der Gründe.

Wir schließen hiemit unsere Berichterstattung. Sie werden Manches in derselben vermissen, Manches sehr unvollständig finden.

Wir selbst empfinden dies vielleicht am allermeisten. Unsere Reisen waren eben die erste Begehung des Arbeitsfeldes, ein sich Orientiren auf diesem weiten Gebiet.

Mit einigen Besorgnissen sind wir an unsere Aufgabe gegangen.

Wir wußten wohl, daß das Fabrikgesetz von Anfang an auf vielen Widerwillen gestoßen, viele Befürchtungen erweckt. Wir haben uns bemüht, kalten Blutes, unparteiisch die Thatsachen, die Zustände, das Für und Wider, das bezüglich einzelner Gesetzesparagraphen uns ans Herz gelegt wurde, zu prüfen. Wir haben gefunden, daß die Schwierigkeiten, das Gesetz durchzuführen, kleiner sind als wir gefürchtet, wenn man mit gebührender Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse zu Werke geht. Die Fabrikanten fangen an, ruhiger das gefürchtete Neue ins Auge zu fassen, ruhig im Ganzen beobachtet auch der Arbeiterstand die Entwicklung der Dinge. Gerade dei augenblickliche Zustand unserer Industrie läßt das gegenwärtige Jahr vielleicht als ein sehr geeignetes erscheinen, die Neuerung ohne alle leidenschaftliche Erregung, ohne große Verletzung von Interessen ins Leben treten zu lassen. Wir sehen getrost der weitern Gestaltung entgegen.

Im Mai 1879.

Die ei dg. F a b r i k i n s p e k t o r e n : Schuler.

Klein.

Nüsperli

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der eidgenössischen Fabrikinspektoren über ihre gemeinsamen Inspektionsreisen.

(Vom Mai 1879.)

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Bundesblatt

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1879

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3

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43

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20.09.1879

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289-359

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