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Schweizerisches Bundesblatt.

3l. Jahrgang. II.

Nr. 23.

14. Mai 1879.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Kp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, über den Rekurs von Dr. med. Ferdinand Abbt von Hermetschwyl in Bünzen (Aargau), betreffend Ausübung der medizinischen Praxis.

(Vom 15. April 1879.)

Tit!

Unterm 11. Februar 1879 hat der Bundesrath einen Rekurs des Dr. med. Ferdinand Abbt von Hermetschwyl, wohnhaft in Bünzen, Kantons Aargau, gegen die aargauische Regierung, welche dessen Gesuch um Ausübung der ärztlichen Praxis abschlägig beschieden hatte, abgewiesen. Gegen diesen Entscheid reichte Abbt am 27. März 1879 eine an die h. Bundesversammlung gerichtete Beschwerde ein mit dem Begehren : ,,Die h. Bundesversammlung wolle den Entscheid des Bundesrathes vom Februar 1879 aufheben und das Begehren des Beschwerdeführers auf ungehinderte Ausübung des Medizinalberufes im Gebiete des Kantons Aargau, resp. der Eidgenossenschaft, auf Grundlage seines Fähigkeitsausweises des Kantons Tessin vom 18. Dezember 1877 als begründet erklären. Eventuell : ,,Die Bundesversammlung wolle den Artikel l, lit. b des Gesezes vom 19. Dezember 1877 mit Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen zur Bundesverfassung in Einklang bringen und die Vorschrift der Patenterwerbung auf eine kantonale Prüfung hin aus Art. l, lit. b des Gesezes entfernen, resp. auf dem verfassungsmäßigen Wege aufheben."

Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. II.

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Die erhobene Beschwerde gibt uns Veranlaßung, noch einläßlicher, als dies bereits geschehen ist, in der gegenwärtigen Botschaft die Thatsachen sowohl, als die Gründe auseinander zu sezen, welche uns bei unserm Entscheide geleitet haben.

J.

Ferdinand Abbt studirte während der Jahre 1868/75 auf verschiedenen schweizerischen und deutschen Universitäten Medizin.

Da er zuvor, trozdem sein Heimatkanton Aargnu bereits dem Medizinalkonkordat beigetreten war, welches die Gymnasialmaturität verlangt, seine Gymnasialstudien nicht vollendet und auch seither eine Maturitätsprüfung nicht bestanden hatte, so wurde er mit seinem Gesuche um Zulassung zum propädeutischen Examen nach dem Konkordat über Freizügigkeit des Medizinalpersonals vom 2. August 1867 (A. S. IX, 98) vom Prüfungskomite abgewiesen.

Eine Maturitätsprüfung konnte oder wollte Abbt nicht nachholen.

Mittlerweile trat die neue Bundesverfassung vom Jahre 1874 mit dem Art. 5 der Uebergangsbestimmungen in Kraft. Abbt doktorirte hierauf im Juli 1875 mit der schlechtmöglichsten Note (rite, peractis examinibus) an der Universität Erlangen und wußte dann, gegen eine Gebühr von Fr. 225, vom Staatsrath von Tessin nach dort bestehender Uebung, ohne vorausgegangene Prüfung, lediglieli auf Grund seines Diploms als Dr. med. von Erlangen, die Lizenz zur Zulassung zur ärztlichen Praxis im dortigen Kanton zu erwirken.

Es trägt dieser Akt das Datum vom 18. Dezember 1877. Die Jahrzahl lautete ursprünglich 1878, und es war die Ziffer 8, wie der übrige Theil des Aktes, mit bläulicher Tinte geschrieben, worauf nunmehr, mit schwarzer Tinte, die Ziffer 7 gesezt ist. Am 19. Dezember 1877 kam das Bundesgesez betreffend Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der schweizerischen Eidgenossenschaft zu Stande. Dasselbe war vom Nationalrath am g l e i c h e n 18. Dezember 1877 beschlossen worden, welcher dem tessinischen Arztpatent Abbt's als Datum dient. Auf Grund dieses Patents, sowie von Art. 5 der Uebergangsbestimmungen zur neuen Bundesverfassung , lautend : ,,Personen, welche den wissenschaftlichen Berufsarten angehören, und welche bis zum Erlasse der im Art. 33 vorgesehenen Bundesgesezgebung von einem Kauton oder von einer mehrere Kantone repräsentirenden Konkordatsbehörde den Ausweis der Befähigung erlangt haben, sind befugt, ihren Beruf in der ganzen Eidgenossenschaft auszuüben", stellte Abbt bei der aargauischen Regierung das Gesuch um Bewilligung zur Ausübung der ärztlichen Praxis im Kanton Aargau. Gegen den abweisenden

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Bescheid der Regierung von Aargau rekumrte Abbt n i c h t ; dagegen gelangte derselbe mit einem Schreiben vom 7. Juni 1878 an den Bundesrath, worin er auf Grund des erwähnten tessinischen Patentes die Verabfolgung eines eidgenössischen Diploms nachsuchte.

Da aber ein solches nur verabreicht werden kann an diejenigen Aerzte, Apotheker und Thierärzte, welche nach Maßgabe des Bundesgesezes betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals die eidgenössische Prüfung bestanden haben, und weil im Weitern zufolge Art. l , lit. b des allegirten Gesezes (A. S. n. F. III, 379) zur freien Ausübung ihres Berufes im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft nur diejenigen Personen der genannten Berufsarten befugt sind, ,,welche vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesezes ein Diplom des Konkordats vom 2. August 1867 oder auf eine kantonale Prüfung hin ein Patent erworben haben, das zur unbedingten Praxis in demjenigen Kanton berechtigt, welcher dasselbe ausgestellt hat", so mußte Abbt mit seinem Gesuche abgewiesen werden. Dieser gelangte sodann neuerdings an die aargauische Regierung, um die Bewilligung zur Ausübung der ärztlichen Praxis im dortigen Kantonsgebiete zu erhalten. Auf Grund der oben citirten Gesezesstelle erfolgte aber unterm 14. Oktober 1878 dessen wiederholte Abweisung. Gegen diesen Entscheid nun erst rekurrirte Abbt, und zwar vorerst an das Bundesgericht. Durch Erkenntniß vom 7. Dezember 1878 erklärte sich dasselbe inkompetent, immerhin aber mit folgender Erwägung: ,,Aus Art. l des Bundesgesezes vom 19. Dezember 1877 geht zur vollen Evidenz hervor, daß vom Zeitpunkte des I n k r a f t t r e t e n s dieses Gesezes a n zur freien Ausübung ihres Berufes im Gebiete der Schweiz unbedingt nur diejenigen Medicinalpersonen befugt sind, bei welchen die daselbst (Art. l, lit. a--d) speziell aufgeführten Voraussezungen zutreffen.1' Unterm 21. Januar 1879 sodann gelangte Abbt an den Bundesrath mit dem Begehren: Es sei der Entscheid der aargauischen Regierung d. d. 14. Oktober 1878 als verfassungswidrig -- weil das Bundesgesez vom 19. Dezember 1877 in casu nicht in Betracht falle -- aufzuheben, und es sei ihm die Ausübung der ärztlichen Praxis im Kanton Aargau zu gestatten.

II.

Zur rechtlichen Würdigung des Falles übergehend, entsteht die Frage, ob für denselben Art. 5 der Uebergangsbestimmungen zur neuen Bundesverfassung maßgebend sei, oder ob Art. l, lit. b des Bundesgesezes betreffend Freizügigkeit des Medizinalpersonals zur Anwendung zu gelangen habe? Wenn der erste Entscheid der

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aargauischen Regierung vom 10. April 1878 an die Bundesbehörden rekurrirt worden wäre, so hätte, weil das erwähnte Bundesgesez erst am 15. April 1878 in Kraft trat, die Antwort zweifelhaft sein mögen, und es hätte der Bundesrath der mildern Anschauung des Art. 5 der Uebergangsbestirnmungen zur Bundesverfassung Geltung verschaffen können, sofern ihn hievon von vornherein das anwidernde Dunkel nicht abgehalten hätte, in welches die ohne jede Prüfung erfolgte Patenterteilung seitens des italienischen Kantons Tessin an einen Kandidaten der Medizin aus der deutschen Schweiz gehüllt ist.

Nachdem aber jener Entscheid der Regierung von Aargau n i c h t angefochten wurde und die weitern Schritte, um zum Ziele zu gelangen, vom Rekurrenten erst gethan wurden, nachdem das Bundesgesez betreffend Freizügigkeit des Medizinalpersonals bereits in Kraft getreten war, so hatte späterhin weder die Regierung von Aargau das Recht, sich diesfalls auf den Standpunkt der Uebergangsbestimmungen zur neuen Bundesverfassung zu stellen, noch hätte es der Bundesrath verantworten können, einen solchen Standpunkt zu Sanktioniren. Es war vielmehr die Handhabung der nunmehr einzig noch maßgebenden Bestimmungen des fraglichen Bundesgesezes um so mehr angezeigt, als die Bemühungen des Rekurrenten von Anfang an offenbar dahin tendirten, dieselben zu umgehen. Mit Rüksicht auf die sub I hievor festgestellten Thatsachen ist denn auch gerade das Gegentheil von dem wahr, was sich die an die h. Bundesversammlung gerichtete Beschwerde nachzuweisen zur Aufgabe gemacht hat. Es ist nämlich nicht richtig, daß der Bundesrath der Bestimmung des Bundesgesezes vom 19. Dezember 1877, welche für den Zeitpunkt vor dem 15. April 1878 die Vorweisung eines K o n k o r d a t d i p l o m s oder eines auf eine k a n t o n a l e P r ü f u n g hin e r w o r b e n e n P a t e n tes verlangt, in seinem Entscheide vom 11. Februar 1879 rükwirken de Kraft gibt, sondern richtig ist vielmehr, daß Abbt sich bemüht, dem Art. 5 der Übergangsbestimmungen zur neuen Bundesverfassung noch über den 15. April 1878 hinaus Gültigkeit zu vindiziren. Der Beschwerdeführer hat dieses sein Bemühen dadurch recht deutlich zu erkennen gegeben, daß er, den Charakter des mehrerwähnten Art. 5 als ,,Uebergangsbestimmung" ganz verkennend, demselben eventuell durch Ausmerzung der Vorschrift
der Patenterwerbung auf eine kantonale Prüfung hin sogar dauernde gesezliche Geltung verschaffen möchte. Auf diese Entstellung der wirklichen Sachlage nur aufmerksam machen, heißt gleichzeitig die zur Begründung der erhobenen Beschwerde vorgebrachten Momente insgesammt entkräften. -- Durch Abweisung des Rekurses Abbt hat der Bundesrath

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Aber auch dieses Verfahren würde der Bundesrath zu bekämpfen darum sich veranlaßt sehen, weil dasselbe keineswegs geeignet sein dürfte, das Ansehen des betreffenden 'Gesezes und den Grundsaz des gleichen Rechtes für Alle zu kräftigen, und weil dem Beschwerdeführer Abbt ohne Maturitätsprüfung, ohne propädeutische Prüfung und ohne Fachprüfung, immerhin noch leicht genug erworben, die Ausübung der ärztlichen Praxis wenigstens im Kanton Tessin offen steht.

Dies sind die Gründe, welche den Bundesrath bewogen haben, den Rekurs Abbt abzuweisen, und auf welche gestüzt der h. Bundesversammlung beantragt wird, ein Gleiches thun zu wollen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 15. April

1879.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schiess.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, über den Rekurs von Dr.

med. Ferdinand Abbt von Hermetschwyl in Bünzen (Aargau), betreffend Ausübung der medizinischen Praxis. (Vom 15. April 1879.)

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14.05.1879

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