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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Strek Urnäsch-Appenzell der Appenzellerbahn.

(Vom 20. März 1879.)

Tit.!

Mit Ihrer Schlußnahme vom 12./16. Dezember v. J. haben Sie die Behandlung der vom Verwaltungsrath der Schweiz. Gesellschaft für Lokalbahnen nachgesuchten Fristverlängerung für den Ausbau der Appenzellerbahn von Urnäsch bis Appenzell in Gewärtigung weiterer bundesräthlicher Mittheilungen auf die nächste Session verschoben.

Indem wir diese weitern Mittheilungen zu machen uns beehren, gestatten wir uns, aus unserer Botschaft vom 29. Mai 1878, mit welcher die gegenwärtige Angelegenheit Ihnen zum ersten Male vorgelegt wurde, kurz herauszuheben, daß die Gesellschaft für Lokalbahnen eine einheitliche Konzession besizt für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Winkeln über Herisau und Urnäsch nach Appenzell (Appenzellerbahn), und daß, nachdem die Streke WinkelnUrnäsch ausgebaut und in Betrieb gesezt worden war, im Jahr 1876 für die Streke Urnäsch-Appenzell eine Fristverlängerung bis zum 1. März 1879 bewilligt wurde. Da es sich inzwischen zeigte, daß voraussichtlich auch diese Frist erfolglos ablaufen werde, so beschloß der Bundesrath unterm 7. Dezember 1877, auf den Antrag der Standeskommission von Appenzell I.-Rh., daß wenn nicht bis zum Ì. März 1878 von der Bahngesellschaft die erforderlichen technischen Vorlagen gemacht, der Finauzausweis geleistet und mit Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. I.

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506 den Erdarbeiten begonnen werde, die Konzession für die ganze Appenzellerbahn als erloschen betrachtet werden solle. Dem Beschluß wurde aber ausdrüklich beigefügt, daß derselbe lediglich eine Konsequenz der in der Konzession enthaltenen und von der Bundesversammlung ausgegangenen Fristenterminirung sei, die, so lange nicht wiederum die Bundesversammlung, andere Fristen bewillige, allen Beschlußfassungen des Bundesrathes zu Grunde gelegt werden müsse.

Hinsichtlich der übrigen thatsächlichen und geschichtlichen Verhältnisse verweisen wir auf die genannte Botschaft.

Wir kamen damals zur Unterstüzung des Fristverlängerungsgesuchs, da der Grund der Verzögerung in der Bauausführung der Streke Urnäsch-Appenzell nicht in einem widerrechtlichen Verschulden der Petenten liege, ein Konzessionsentzug nicht als förderlich für den Ausbau dieser Streke angesehen werden dürfe und ein Staatsinteresse mit der Gewährung der begehrten weiteren Frist nicht kollidire, vielmehr der 'aus deren Verweigerung unvermeidlich folgende Zwangsverkauf der in Betrieb stehenden Streke dem öffentlichen Kredit nur schaden könne, und daß endlich die Gesellschaft nichts verlange , was nicht andern Bahnverwaltungen unter ähnlichen Verhältnissen auch schon gewährt worden sei. Der Regierung von Appenzell I.-Rh., welche sich gegen die Fristerstrekung ausgesprochen hatte, wenn nicht vorher die von ihrem Kanton, resp.

von den demselben angehörenden Interesseuten der Bahngesellschaft geleisteten Subventionen im Betrage von Fr. 82,500 zurükbezahlt oder sicher gestellt worden sein werden, weil diese Beiträge nur mit Rüksicht auf die Führung der Bahn bis Appenzell gegeben worden seien, wurde erwidert, daß ihr Anspruch eventuell vor den Civilrichter gehöre und ein Fristerstrekungsbeschluß an der Geltendmachung desselben nicht hindere.

Mit Rüksicht darauf, daß die Bahngesellschaft sich anläßlich der der Botschaft vorausgegangenen Verhandlungen zu konferenzieller Besprechung der von Appenzell I.-Rh. erhobenen Anstände bereit erklärt hatte, haben Sie im Juni v. J. die Behandlung des Fristerstrekungsgesuchs verschoben und deii Bundesrath eingeladen, die auch von der Standeskommission gewünschten weitern Verhandlungen eintreten zu lassen und alsdann neuen Bericht und Antrag zu hinterbringen.

In dem vorläufigen Bericht, auf Grund dessen Sie Ihre
eingangserwähnte Schlußnahme vom 12.,'16. Dezember v. J. gefaßt, ist Ihnen mitgetheilt worden, daß diese Verhandlungen am 10. Oktober 1878 stattgefunden und mit der Einladung an den Verwaltungsrath der Lokalbahnen geschlossen haben, zu untersuchen, ob nicht

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die gewünschte Sicherstellung für die genannte Subvention zu erbringen sei.

Dieser Versuch muß als gescheitert betrachtet werden, soweit eine bessere Sicherstellung für Appenzell I.-Rh. in's Auge gefaßt wurde, als dieselbe in der Anerkennung irgend einer Verpflichtung Seitens der Schweiz. Lokalbahngesellschaft als solche liegt.

In lezterer Richtung hat sich der Verwaltungsrath der Gesellschaft bereit erklärt, der Generalversammlung die Bestellung eines Pfandrechts zweiten Ranges auf den ausgebauten Theil der Linie für die Fr. 82,500 Subvention von Innerrhoden vorzuschlagen für den Fall, als die Verhältnisse den Ausbau der Linie innert der neu anzuberaumenden Frist nicht gestatten würden, und die Verwaltung in den Fall käme, wenigstens zeitweilig ausdrüklich auf diesen Ausbau zu verzichten.

Die Standeskommission von Innerrhoden erachtet dieses Anerbieten nicht für genügend und wiederholt ihren frühern Antrag nicht auf Ablehnung des Fristerstrekungsgesuchs.

Auch wir glauben nicht, daß in dem Anerbieten des Verwaltungsraths der Lokalbahngesellschaft etwas mehr als eine formelle Anerkennung der Ansprüche von Innerrhoden liegt, welche darauf gerichtet sind, die an die Appenzellerbahn geleistete Subvention zurükzuerhalten, wenn die Bahn nicht bis in den Hauptort Appenzell selbst geführt wird. Eine thatsächliche Garantie für die Rükzahlung liegt in der Einräumung eines Pfandrechts zweiten Ranges auf eine Bahn nicht, deren Einnahmen kaum die Betriebskosten deken. Aber wir können trozdem auch heute nicht zu einem Antrag auf Ablehnung des Fristverlängerungsgesuchs gelangen. Wie wir uns aus den stattgefundenen Verhandlungen überzeugt zu haben glauben, ist der Lokalbahngesellschaft dermalen die Rükzahlung der Fr. 82,500 oder eine bessere als die angebotene Versicherung nicht möglich. Die Folge einer Verweigerung des Fristerstrekungsgesuchs wird also unvermeidlich zur Anordnung der im Art. 28 des Eisenbahngesezes vom 23. Dezember 1872 vorgesehenen Versteigerung der in Betrieb stehenden Bahn, beziehungsweise zur Zwangsliquidation der Gesellschaft führen. Wenn nun ein Pfandrecht zweiten Ranges keinen Werth hat, so wird auch nicht die Rede davon sein können, daß in diesem Verfahren der Kanton Appenzell oder einzelne seiner Gemeinden die Bahn erwerben ; vielmehr wird dieselbe von irgend einem Dritten übernommen
werden müssen, und es ist zum mindesten gar nicht sicher, daß ein solcher Dritter sich finden wird, so lang man ihm den Ausbau bis Appenzell überbinden will. Im Gegentheil spricht alles dafür, daß bei diesem Anlaß die koazessionsmäßige Verpflichtung zürn

508 Weiterbau gestrichen werden müßte. Dann bleiben dem Kanton Appenzell I.-Rh. die Ansprüche auf die Gesellschaft, die nun kein Interesse mehr haben kann, ihre thatsächliche Zahlungsunfähigkeit auch formell einzugestehen.

Eine Wahrung der Interessen von Appenzell I.-Rh. sehen wir also in der Verweigerung der Fristverlängerung nicht. Vielmehr scheint es uns, daß die Aufrechterhaltung des Gedankens des Ausbaues der Appenzellerbahn an den Fortbestand der Gesellschaft geknüpft ist, welche das Projekt aufgestellt und damit über alles Andere hinaus eine moralische Garantie für dessen Durchführung übernommen hat, welche so oder so sich von Zeit zu Zeit immer wieder in's Bewußtsein drängt.

' Aber auch abgesehen davon wäre es hart und der Behandlung anderer Gesellschaften gegenüber unbillig, im vorliegenden Falle mit der ganzen Schärfe, zu verfahren, welche das Gesez ermöglicht.

Denn, um dies zu wiederholen, nicht böse Absicht und auch nicht leichtsinniges Gebahren der Verwaltung haben die Weiterführung des Baues z. Z. unmöglich gemacht, sondern eine Reihe unvorhergesehener Faktoren : unerwartet große Baukosten, geringe Betriebsergebnisse und Verschlimmerung der Geldverhältnisse im Allgemeinen. Die beiden leztgenannten Verhältnisse können sich bis 1885 wieder ändern, und wir meinen, daß diese Chance der Verwaltung gelassen werden soll.

Wir beantragen demgemäß, indem wir im Uebrigen alles wiederholen, was wir schon in unserer Botschaft vom 29. Mai für Entsprechung angeführt haben, auch heute die Gewährung des vorliegenden Fristerstrekungsgesuchs in dem damals beantragten Umfang. Da die Standeskommission von Appenzell I.-Rh. auch nicht eventuell das Anerbieten einer Versicherung in zweiter Hypothek acceptirt hat, so bleibt diesfalls nichts übrig, als derselben auch diesmal die Wahrung aller durch sie vertretenen civilrechtlichen Ansprüche nach ihrem eigenen Ermessen vorzubehalten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 20. März 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, 'Der Bundespräsident:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die h Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Wasserfallenbahn und SolothurnSchönbühl.

(Vom 20. März 1879.}

Tit.!

Durch Bundesbeschlüsse vom 20. März 1877 (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge, IV, 193) und vom 20. Juni gl. J. (ib. S. 219) sind die konzessionsmäßig festgestellten und schon vorher wiederholt erstrekten Ausweis- und Baufristen I. bezüglich der Wasserfallenbahn, II. bezüglich einer Eisenbahn Solothurn-Schönbühl folgendermaßen verlängert worden: 1) bis zum 31. Dezember 1878 für die technischen und finanziellen Vorlagen und die Gesellschaftsstatuten; 2) bis zum 31. März 1879 für den Beginn der Erdarbeiten; 3) bis zum 31. März 1884 für die Vollendung und Betriebsübergabe der konzedirten Linien.

Mit Eingabe vom 24./28. Dezember 1878 hat das Direktorium der Centralbahn, als Inhaber der beiden Konzessionen, dem Bundesrathe mitgetheilt, daß eine Benuzun der erwähnten Fristen nicht stattgefunden habe, weil die finanziellen Verhältnisse der Gesell-

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Streke Urnäsch-Appenzell der Appenzellerbahn. (Vom 20. März 1879.)

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22.03.1879

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