490

# S T #

Bericht der

ständeräthlichen Kommission über Prüfung der Münzkonventionen.

(Vom 12. März 1879.)

Tit. !

Sie haben in Ihrer letzten Session die Deklaration betreffend die Prägung von Silbermünzen (Fünffrankenstücken) während des Jahres 1879 genehmigt. In gegenwärtiger Behandlung liegt noch a. der Münzvertrag der lateinischen Union, b. das Uebereinkommen betreffend Vollziehung des Art. 8 des Münzvertrages.

Wir stehen mit unserm heutigen Beschluß vor der wichtigen Frage, ob die Schweiz bei der lateinischen Münzunion verbleiben soll oder nicht, und ob wir von der Doppelwährung von Silber und Gold zur einheitlichen Goldwährung übergehen sollen.

Die lateinische Münzunion wurde im Jahre 1865 gegründet.

Wenn sie auch nicht jene Ausdehnung erlangt hat, wie anfänglich gehofft wurde, nämlich die Einigung sämmtlicher Staaten Europas, so sind ihre höchst wohlthätigen Folgen doch nicht zu mißkennen.

Wenn auch Deutschland sich zurückgezogen, ein eigenes Münzsystem aufgestellt hat und sich der Vereinigung nicht anschließt, umfaßt die Union doch ein Gebiet, das 70 Millionen Einwohner repräsentirt. -- Für einen kleinen Staat, welcher nicht ein eigenes

491 Münzsystem aufstellen kann und in seinem eigenen Interesse auch nicht aufstellen soll, ist es von größter Wichtigkeit, sich mit andern Staaten zu verbinden.

Wir sind hierauf ganz nothweudig angewiesen. Dieß könnte außer der lateinischen Union nun einzig Deutschland sein. Abge- · sehen von andern Rüksichten stimmt aber das deutsche Müuzsystem mit unserm bei uns nun eingelebten und sehr beliebten Münzsystem nicht überein. Auch haben wir keinen Grund, von der lateinischen Union, welche immer mehr den zuerst von der Schweiz ausgesprochenen Grundsätzen sich zuwendet, uns zurückzuziehen.

Es wurden zwar auch in der Kommission das Für und Ge^en O die einheitliche oder Doppelwährung, die Gründe für oder gegen Gold- oder Silbenvährung erwogen. Die Mehrheit der Kommission sprach sich prinzipiell für die nun angebahnte , wenn auch noch nicht ganz strikte ausgesprochene einheitliche Goldwährung aus. Es kann, wenn nicht immerwährende Schwankungen eintreten sollen, nur e i n Metall als Werthmesser aufgestellt werden. Es können nicht zwei im wirklichen Werth oft schwankende Metalle als Werthmesser bestimmt werden, Metalle, welche unter sich von l zu 14V2 bis 16 schwanken. Geschieht dieß, so wird die Wirklichkeit sehr oft mit dem Gesetze im Widerspruch sein, und es wird das iu Wirklichkeit mehr geltende Metall ins Ausland wandern. Es ist dieß durch die Erfahrung verschiedener Länder zur Evidenz erwiesen.

Wenn nun aber die Währung eine einheitliche sein soll, so fragt es sich , welches Metall zu wählen sei. Wir stellen den Grundsatz auf, daß jenes Metall den Vorzug verdient, welches sich dem System anderer Staaten mehr anschließt und welches die größte Tauschwerthstabilität besitzt.

Dieß aber ist unbestritten das Gold.

Mag übrigens Einer dieser oder jener Ansicht sein, so ist unsero jetzige Stellung keine ganz freie mehr. Wir stehen vor einem fait accompli, das, wenn auch von uns selbst gemacht, j e t z t n i c h t m e h r geändert werden kann. Im Jahr 1873, als der Silberwerth stark zu sinken begann, fanden die ersten Konferenzen statt, die dann 1875 und 1876 fortgesezt wurden, und welche Schritt für Schritt dahin führten, die Silberprägung einzuschränken, so daß das Totalkontingent, welches im Jahr 1874 Fr. 120,000,000 betrug, im Jahr 1877 auf Fr. 65,000,000 herabgesetzt wurde.

Die Entwerthung des Silbers
und der Zufluß desselben dauerte fort. Da machte 1878 die französische Regierung den Vorschlag, daß für den Jahrgang 1878 sich sämmtliche Staaten (mit Ausnahme

492 einer Italien gemachten Konzession) der Silberprägung enthalten sollen. Auch dieser Vorschlag wurde angenommen.

Die gegenwärtige Konvention nun ist einer der lezten Schritte zur Goldwährung. Der Bundesrath hebt zwar als Vortheil hervor, daß der Vertrag in keiner Weise über die Währungsfrage entscheide, und eine Situation unberührt lasse, in Bezug auf welche man nach Ablauf des Vertrages definitive auf dem Marktpreis der edlen Metalle beruhende Schlußnahmen fassen könne.

Wir können uns hier der Bemerkung nicht enthalten, daß eine definitive Lösung der Frage, auf dem Marktpreis der edlen Metalle beruhend, rein unmöglich ist, weil der Werth der zwei edlen Metalle, Gold und Silber, kein definitiv bestimmter, sondern ein sehr schwankender ist.

Es ist allerdings richtig, daß die Ausprägung der silbernen Fünffrankenstücke nur vorläufig eingestellt bleibt, und daß dieselbe wieder aufgenommen werden kann, sobald ein einstimmiges Einverständniß seitens der Vertragsstaaten in dieser Beziehung eingetreten sein wird.

Diese vorläufige Einstellung ist jedoch beinahe so viel als eine definitive, worin wir unsererseits übrigens keinen Nachtheil einzusehen vermögen. Wir sehen darin nur die Konsequenz der seit Bestehen der Münzkonvention und schon vor demselben von der Schweiz befolgten Münzpolitik.

Im Jahr 1850 wurde durch das Gesetz vom 7. Mai das französische Münzsystem in der Schweiz eingeführt und zwar auf der Grundlage der Silberwährung. Die französischen Goldmünzen hatten aber noch gar keinen g e s e t z l i c h e n Kurs. Anders machte es sich in der Wirklichkeit, und Gesetz und Praxis kamen bald mit einander in Widerspruch. Silber war nicht einzig Wechselzahlung, die Banken behielten sich vor, ihre Noten in Silber oder Gold nach Wahl einzulösen, so konkunirte Silber und Gold. Es war dem Staate nicht möglich, das richtige Werthverhältniß zwischen diesen beiden Faktoren herzustellen. Die v o l l g e w i c h t i g e Silbermünze verschwand sehr rasch, namentlich der Schweiz. Füriffrankenthaler.

Sie wurden mit Gewinn ins Ausland gegen Gold ausgeführt. Das Münzgesetz vom 31. Januar 1860 gibt den französischen Goldmünzen im Nennwerth den Zwaugskurs und behält die silbernen Fünl'fraukenstücke im Verkehr und gesetzlichen Kurs. Mit der lateinischen Muuzunion im Jahr 1865 und namentlich seit dem Jahr 1873
änderten sich die Verhältnisse wieder, und es drohte das Silber unser Gold zu verdrängen, indem wieder große Schwankungen, und zwar Sinken des Silbers im Werthe, eintraten. Die Schweiz

493 hat bei allen Konferenzen mit Recht beharrlich dahin gestrebt, der einheitlichen Goldwährung zuzusteuern, und ihr Vertreter, Hr. Feer, hat diesen Standpunkt mit Glück bei verschiedenen Konferenzen verfochten.

Wenn wir also auch prinzipiell sogar für Doppelwährung eingenommen wären, könnten wir im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr den von der Union einmal eingeschlagenen Weg verlassen, ohne aus der Union auszutreten, was aber Niemand befürworten wird. Die einzig richtige Münzpolitik für die Schweiz und die Union im gegenwärtigen Moment ist die, für einstweilen die Prägung des groben Silbers gänzlich einzustellen und die Prägung des Goldes zu fördern. Der Vertrag dauert nur bis 1886 und könnte möglicher Weise innert dieser Zeit geändert werden. Bis dort haben sich vielleicht die Verhältnisse geändert, und wird in der gegenwärtig großen Silbercirculation eine Aenderung eingetreten sein ; dann auch wird es vielleicht der Fall sein, weitere Aenderungen an der Münzconvention vorzunehmen, welche höchst wahrscheinlich noch mehr der Goldwährung sich zuneigen werden.

Nach diesen allgemeinen Erörterungen heben wir noch e i n z e l n e P u n k t e des M ü n z v e r t r a g e s , hervor. Wir heben hervor, daß die Fehlergrenzen des Gehaltes von 2 /iooo auf Viooo reducirt wurden, ein Resultat, das den gemachten Erfahrungen entspricht.

Sehr gerne hätten wir gesehen, es wäre die Bestimmung in den Vertrag aufgenommen worden, daß die Geldstücke eines Vertragsstaates in allen andern gesetzlichen Kurs erhalten. Erst hiedurch hätte die Union ihre wahre Einigung erlangt. Da die Vertragsstaaten nur die Abnahme bei den öffentlichen Kassen angenommen haben und nicht zu weitem Concessionen zu bewegen waren, behält auch die Schweiz freie Hand, ihr Gesetz zu ändern, das den gesetzlichen Kurs der Münzen der Union vorschreibt. Es ist hier nicht am Ort, sich hierüber auszusprechen. Dagegen möchten wir dem Bundesrathe empfehlen, die Frage im Auge zu behalten, damit nicht bei etwa folgender späterer Einwechslung die Schweiz in Schaden geräth.

Im Uebrigen bleiben all1 die Hauptbestimmungen des frühern Vertrages von 1865.

Was die Ausführung des Artikels 8 des Münzvertrages vom 5. November 1878 anbelangt, so müssen wir gestehen, daß die Concessionen, welche Italien darin gemacht wurden, nicht gering sind. Es ist allerdings
im höchsten Grade wünschenswert!), daß Italien sein Papiergeld unter 5 Franken abschaffe. In wiefern jedoch ihm die übrigen Staaten die Einlösungskosten tragen helfen

494

sollen, ist eine Frage, über welche die Ansichten verschieden sein können. Wir glauben nun, daß die Union das Mögliche gethan habe, Italien gegenüber zuvorkommend sich zu zeigen. Es circuliren in den Unionsstaaten außer Italien circa 30,000,000 Franken italienischer Silberscheidemünzen. Diese müssen nun eingelöst werden. Die italienische Regierung übernimmt nun allerdings die Verzinsung bis zur Rückzahlung. Dagegen nur zu 3 °/o per Jahr und nur vom Tage a n , wo die zurückgezogenen Münzen in den vier Staaten außer Kurs gesetzt sein werden. -- Von Beginn der Einlösung bis zur Außerkurssetzung erliegt der Zinsverlust auf den Staaten, welche sie einlösen. In der Schweiz werden ungefähr 7 Millionen italienischer Scheidemünzen circuliren, und es ist der Zinsverlust, wenn man auch eine kurze Einlösungsfrist macht, kein unbedeutender.

Nach eingeholten Erkundigungen wird er auf etwa 50,000 Franken für die Schweiz beziffert. Der Verlust wäre noch weit größer, wenn nicht folgende Vorsichtsmaßregeln angewendet würden : Der Bundesrath wird jetzt schon darauf bedacht sein, alle ihm zukommenden italienischen Silberscheidemünzen au Italien abzugeben. Es wird die Frist für die Einlösung so kurz als möglich gemacht werden.

Es wird auch sonder Zweifel vorkommen, daß viele Münzen nicht abgeliefert werden, weil sie nach wie vor nach Italien geliefert werden können, und sie nicht verrufen sind, so daß der Verlust nicht so bedeutend wird.

O

O

o

Es wäre auch der Schweiz dem Nachbarstaate gegenüber nicht gut angestanden, wenn sie, nachdem die andern Staaten eingewilligt haben, auf ihrer Weigerung beharrt hätte.

Es wurde in der Commission auch die Frage aufgeworfen, ob nicht der die Schweiz treffende Verlust durch eine andere Operation, z. B. durch Herausgabe unverzinslicher Münzeinlösungsscheine, gedeckt werden solle. Die Commission scheut sich der Consequenzen wegen, einen derartigen Antrag zu stellen, und würde darin ein etwas gefährliches Präjudiz sehen.

Gestützt auf diese Gründe beantragen wir Ihnen folgenden Beschluß : DieBundesver Sammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 6. Christ» monat 1878,

495

beschließt: 1. Es wird die vorgehaltene Genehmigung ertheilt : a. dem Münz vertrag, b. dem Uebereinkommen betreffend Vollziehung des Art. 8 des Münz Vertrages, abgeschlossen in Paris unterm 5. Wintermonat 1878 zwischen der Schweiz, Belgien, Frankreich, Italien und Griechenland.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

B e r n , den 12. März 1879.

Der Berichterstatter der ständeräthl. Commission: Willi. Vigier.

Mitglieder der Commission: Stehlin.

Cornaz.

Keller.

Theiler.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission über Prüfung der Münzkonventionen. (Vom 12.

März 1879.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1879

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.03.1879

Date Data Seite

490-495

Page Pagina Ref. No

10 010 254

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.