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Verordnung betreffend

die Aufsicht über den Bau der Gotthardbahn.

(Vom 18. März 1879.)

Mit Rüksicht auf die Verpflichtungen, welche die Eidgenossenschaft durch die internationalen Verträge vom 15. Oktober 1869, 28. Oktober 1871 und 12. März 1878, betreffend die Erstellung der Gotthardbahn, übernommen hat, wird beschlossen:

Art. 1.

Unter der Leitung des Eisenbahndepartements wird die unmittelbare Aufsicht über die Bauausführung der Gotthardbahn dem technischen Inspektorat des Eisenbahndepartements übertragen.

Demselben wird für die Dauer der Bauzeit ein Adjunkt, sowie das weiter nöthige Hilfspersonal (Controleure, Bauaufseher) beigegeben.

Die Controleure stehen unter der direkten Aufsicht und Leitung des technischen Inspektorats, die Bauaufseher und Büreaugehilfen unter derjenigen ihrer Controleure.

Art. 2.

Das Inspektorat hat zunächst über die Vollziehung der allgemeinen Geseze und Verordnungen über das Eisenbahnwesen, soweit dieselben auf den Bau der Gotthardbahn Anwendung finden, und sodann darüber zu wachen, daß die Vorschriften, welche in Bezug auf den Bahnbau in den eingangsgenannten Verträgen enthalten sind, ihre Vollziehung finden.

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Insbesondere liegen demselben folgende Verpflichtungen ob, welche es nach Anleitung der Bestimmungen dieser Verordnung entweder selbst oder durch seine Untergebenen (Art. 1) zu erfüllen hat : 1) die Prüfung der allgemeinen Vorschriften, der Baupläne und der Kostenvoranschläge; 2) die Prüfung der zwischen der Gesellschaft und den Unternehmern abgeschlossenen Bauverträge ; 3) die Ueberwachung der Bauausführung ; 4) die Contrôle über die Abrechnungen zwischen der Gesellschaft und den Bauunternehmern, sowie über die von der Gesellschaft einzureichenden Ausweise über die ihr zu Gebote stehenden Mittel und deren successive Verwendung ; 5) die Prüfung des jährlichen Bauprogrammes und Voranschlages; 6) die Repartition der Subsidienquoten.

Art. 3.

Prüfung der Baupläne und der Kostenberechnungen.

Die allgemeinen Bauvorschriften, die Normalien, sowie die definitiven Baupläne sind von der Gesellschaft dem Eisenbahndepartemente einzureichen, welches die Prüfung derselben durch das Inspektorat anordnet.

Diese Prüfung findet namentlich unter dem Gesichtspunkte einer soliden, vollständigen und sparsamen Anlage und Ausstattung der Bahn statt. Der Inspektor kann zu diesem Zweke gutfindend die Berichte der Controleure einholen.

Er hat die Resultate der Prüfung dem Eisenbahndepartement mit seinem Antrag vorzulegen.

Dieselben Bestimmungen gelten auch in Bezug auf die Kostenvoranschläge. Die Gesellschaft hat dieselben in einer mit dem Inspektorat zu vereinbarenden Form vorzulegen, welche eine Vergleichung mit den vierteljährlichen Arbeitsausweisen, wie mit den Ausweisen über die Verwendung der Geldmittel und endlich mit den Ergebnissen der Schlußabrechnung möglich macht.

Art. 4.

Prüfung der Bauverträge.

Die Gesellschaft hat dem Eisenbahndepartement sowohl die bereits abgeschlossenen als die künftigen Bauverträge vorzulegen,

118 ebenso die Verträge über größere Anschaffungen von Oberbaumaterial und Rollmaterial.

Das Inspektorat wird bei der Prüfung dieser Verträge namentlich untersuchen, ob dieselben und die dazu gehörigen Pflichtenhefte und sonstigen Beilagen die nöthige Gewähr für solide Bauausführung bieten, und im Weitern, wie die darin eingegangenen Verpflichtungen der Gesellschaft sich zu dem Kostenvoranschlage verhalten.

Art. 5.

Ueberwachung der Bauausführung.

Die unmittelbare Ueberwachung der Bauausführung liegt den Baukontroleuren ob, unter Beihilfe der ihnen zu diesem Zweke untergeordneten Bauaufseher.

Das Inspektorat theilt den Controleuren die ihrer Aufsicht unterstellten Baustreken und einzelne Bauobjekte zu.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Controleuren, sowie den Aufsehern auf allen Baustellen, ebenso in allen Bureaux freien Zutritt, sowie die Einsicht in alle Normalien, Bauvorschriften, Pläne, Kostenvoranschläge, Verträge, überhaupt in alle Dokumente zu gestatten, welche auf den Bahnbau Bezug haben. Die eidg. Beamten haben auch das Recht, von diesen Dokumenten Abschriften zu verlangen ; ebenso ist ihnen von allen Angestellten der Gesellschaft Auskunft über Anfragen zu ertheilen, die sie in Bezug auf die Erfüllung ihrer Pflichten zu stellen in den Fall kommen.

Die Controleure und ihre Gehilfen sind gehalten, ihre tägliche Arbeitszeit an Ort und Stelle zur Aufsicht über die Bauausführung zu verwenden ; sie haben zu diesem Zweke namentlich die wichtigen und schwierigen Bauobjekte ins Auge zu fassen und ihre Aufsicht überall walten zu lassen, wo dieselbe aus irgend einem Grunde besonders nöthig erscheint.

Sie haben darüber zu wachen, daß alle Arbeiten nach den Normalien, den allgemeinen Bauvorschriften und gemäß den durch das Eisenbahndepartement visirten Plänen kunstgerecht und solid ausgeführt werden.

Dabei ist namentlich auch darauf zu achten, daß alle Fundationen den Bodenverhältnissen entsprechend sorgfältig und in sicherer Weise vorgenommen werden. Bei dem Mauerwerk ist auf guten Verband zu sehen, und überall darf nur tadelloses Material zur Verwendung kommen. Die vorgeschriebenen Dimensionen sollen bei allen Bauwerken genau eingehalten werden. Bei den Arbeiten ist immer entsprechende Rüksicht auf die Witterung zu nehmen.

119 Wenn die Beamten der eidg. Aufsicht (Controleure und Bauaufseher) sich zu Bemerkungen und Ausstellungen veranlaßt finden, so haben sie dieselben' dem höchsten zur Stelle befindlichen Aufsichtsbeamten der Gesellschaft mitzutheilen. Insofern den gemachten Bemerkungen oder Ausstellungen nicht Rechnung getragen und Folge geleistet wird, so ist dem Inspektorat sofort schriftliche Anzeige zu machen.

Wenn es sich um Verhältnisse handelt, wo bei Fortsezung der Arbeit der frühere Stand nur schwer oder mit großen Kosten zu Tage gefördert werden kann, so ist die Anzeige an das Inspektorat telegraphisch zu machen, und es sind die Controleure überdies befugt, die Fortsezung der beanstandeten Arbeit zu untersagen, Wenn die Arbeiten in einer Weise betrieben werden, welche befürchten läßt, daß die Endtermine nicht eingehalten werden, so hat der Contrôleur auf bessere Förderung zu dringen, und wenn ihm nicht entsprochen wird, dem Inspektorate Anzeige zu machen.

Die Controleure und Bauaufseher führen über alle ihnen durch diese Verordnung oder durch besondere Instruktionen des Inspektorates auferlegten Amtsverrichtungen ein Tagebuch ; dasjenige des Contrôleurs hat alle Aufträge zu enthalten, welche er dem Bauaufseher ertheilt.

Die Tagebücher der Controleure werden alle Monate dem Inspektorat und die der Bauaufseher dem Contrôleur zur Prüfung eingeschikt. Ergibt sich daraus, daß die Aufsicht nicht gehörig gehandhabt wird, so hat der Inspektor sofort angemessen einzuschreiten und eventuell seine Anträge an das Departement zu stellen. Die Einsicht der Tagebücher ist in denselben unterschriftlich zu bescheinigen.

Art. 6.

Contrôle Über die Abrechnungen und die Verwendung der Geldmittel.

Die eidg. Bauaufsicht hat sich davon zu überzeugen : 1) ob die monatlichen Abrechnungen und Abschlagszahlungen den geleisteten Arbeiten entsprechen ; 2) ob die Schlußrechnungen rechtzeitig und in zuverläßiger Weise aufgestellt werden.

Zu diesem Zweke haben die Controleure und Aufseher den Aufnahmen betreffend die monatlichen Abschlagszahlungen abwechselnd an verschiedenen ihnen beliebigen Punkten des Baues beizuwohnen.

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Die Gesellschaft hat vierteljährlich, und zwar für den ganzen Umfang des Baues gleichzeitig dem Departemente Abschrift iäämmtlicher Abschlagszahlungsrechnungen einzusenden.

Diese Rechnungen sind vom Inspektorate jeweilen mit Bezug auf jede einzelne Position mit dem Kosten Voranschlag zu vergleichen.

Ebenso wird die Gesellschaft dein Departemente Abschrift aller Schlußrechnungen und Schlußberichte über die Kosten aller in Regie ausgeführten Arbeiten vorlegen, und zwar hat diese Vorlage sofort nach Fertigstellung eines Bauobjektes -- nicht erst nach Vollendung eines ganzen Baulooses -- zu geschehen.

Ueberhaupt wird die Gesellschaft über jedes größere, in Akkord oder in Regie auszuführende Bauobjekt eine besondere Rechnung anlegen und monatlich führen, so daß die Kosten des Objektes jederzeit summirt und mit dem entsprechenden Posten des Voranschlages verglichen werden können.

Die Vierteljahrs- und Schlußrechnungen werden von dem Inspektorate an der Hand der Kosten Voranschläge geprüft und dem Departemente mit den Prüfungsergebnissen und entsprechenden Anträgen vorgelegt.

Unabhängig von den hievor genannten Rechnungsberichten hat die Gesellschaft monatlich einen Ausweis über die während dieses Zeitraums stattgefundene Verwendung ihrer Mittel und über den Stand derselben am Tage der Berichtgabe vorzulegen. Dieser Ausweis ist so einzurichten, daß der Bestand der Mittel mit dea betreffenden Positionen des Finanzausweises und die monatlichen Verwendungen mit dem Kostenvoranschlag und dem Bauprogramm verglichen werden können.

Diese Ausweise werden von dem Inspektorat wie die Monatsund Schlußrechnungen erledigt.

Monatlich und vierteljährlich sind von der Gesellschaft an das Departement Berichte über den Gang und Stand der Bauausführung einzusenden. Diese Berichte werden von dem Inspektorat, wenn nöthig, den Controleuren mitgetheilt. Ergibt sich aus denselben, daß die Arbeiten entweder nicht nach Programm fortschreite:! oder daß irgend welche Uebelstände in Bezug auf den Bahnbau bestehen, so hat das Inspektorat bei der Vorlage an das Departement diesem die nöthigen Anträge zu stellen.

Auf Grund dieser Berichte und der allfällig angeordneten Ergänzungen wird das Inspektorat die im Artikel 11 des Vertrages vom 15. Oktober 1869 vorgesehenen periodischen Berichterstattungen an die Subventionsstaaten formuliren.

121 Art. 7.

Bauprogramm und Jahresabrechnung.

Die im Artikel 17 des Vertrages vom 15. Oktober 1869 vorgeschriebene Aufstellung eines jährlichen Bauprogrammes liegt der Gesellschaft ob und wird nach eingeholtem Gutachten des Inspektorates von dem Bundesrathe erledigt.

Dieses Programm und der dazu gehörige Kostenvoranschlag soll das ganze Bauunternehmen (Tunnel und Zufahrtslinien), sowie die Kosten der gesammten Verwaltung in sich schließen.

Art. 8.

Repartition der Subsidienquoten.

Das technische Inspektorat hat mit den Delegirten der beiden Vertragsstaaten die jährlichen Bauiuspektionen vorzunehmen und über den Verlauf und das Ergebniß derselben Protokoll zu führen.

Gestüzt auf dieses Protokoll hat es dem Departement über den Betrag und die Vertheilung der Subsidienquoten Bericht und Antrag vorzulegen.

B e r n , den 18. März 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

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Bundesrathsbeschluss betreffend

die Organisation der staatlichen Aufsicht über den Bau des Gotthardbahnunternehmens.

(Vom 31. März 1879.)

Der schweizerische Bundesrath, auf den Antrag seines Post- und Eisenbahndepartements., beschließt: 1. Der Bundesrath nimmt das Recht in Anspruch, in den Verwaltungsrath der Gotthardbahn einen Vierttheil der Mitglieder nach freier Wahl zu ernennen und ohne daß die Wahlfähigkeit an den Besiz von Aktien oder an irgend welche andere Bedingungen von Seite der Gesellschaft geknüpft werden kann. Dieses Wahlrecht des Bundesrathes ist in die Statuten der Gesellschaft aufzunehmen.

2. Die Gotthardbahngesellschaft hat dafür zu sorgen, daß die Artikel 36--40 der jezigen Statuten aufgehoben werden, und auf entsprechend abzuändernde neue Bestimmungen (unter Berüksichtigung des obigen Beschlusses) zur Wahl eines neuen Verwaltungsrathes zu schreiten.

3. Die Wahl des Oberingenieurs, sowie der mit diesem abzuschließende Anstellungsvertrag unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

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Verordnung betreffend die Aufsicht über den Bau der Gotthardbahn. (Vom 18. März 1879.)

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1879

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35

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26.07.1879

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116-122

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