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Botschaft des

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Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Entwurf eines Bundesgesezes über die persönliche Handlungsfähigkeit.

(Vom 7. November 1879.)

Tit.

Schon im Verlaufe der Vorarbeiten, welche unter der früheren Verfassung dem Entwurfe einer -- damals im Konkordatswege zu erreichenden -- einheitlichen Gesetzgebung über Obligationenrecht gewidmet wurden, machte sich bekanntlich die Ueberzeugung geltend, daß einheitliche Bestimmungen über die Voraussezungen und Wirkungen der ins Auge gefaßten Rechtsgeschäfte des Mobiliarverkehres ihren Zwek großentheils verfehlen müßten, wenn nicht die p e r s ö n l i c h e F ä h i g k e i t zur E i n g e h u n g derselben mit in den Bereich dieser Bestimmungen gezogen würde. (Cf. den Geschäftsbericht des eidg. Justizdepartements pro 1869 im Bundesbl.

von 1870, II, S, 115.) Diese Fähigkeit ist eben eine der wesentlichsten und für den Verkehr, bedeutungsvollsten Voraussezungen des gültigen Geschäftes. Blieb dieselbe von den verschiedenen kantonalen Bestimmungen über die allgemeine Handlungsfähigkeit abhängig, so fehlte der Sicherheit des interkantonalen Verkehres eine wichtige Bedingung. In Betracht aber des weiten Kreises von Rechtsgeschäften, welche der Entwurf seinen Normen unterstellte, war mit einer Spezialbestimmung über die persönliche Fähigkeit au diesen, eben den vom Entwurfe selbst behandelten Geschäften

765 nicht mehr auszukommen. Diese Fähigkeit tnußte erscheinen als Ausfluß der a l l g e m e i n e n persönlichen Handlungsfähigkeit : ohne die leztere zu normiren, war jener besonderen Fähigkeit nicht beizukommen. Eine -- im Uebrigen handlungs u n fähige -- Person kann wohl für e i n z e l n e Geschäfte besonderer Natur, wie Testament u. a. fähig sein, und umgekehrt; aber die Fähigkeit zu einer so umfassenden K a t e g o r i e von Geschäften, wie die projektirte Gesezgebung sie in ihren Bereich zog, herauszuheben und besonderen Normen zu unterstellen, hätte der Natur der Sache Gewalt anthun, das auf einfachen, natürlichen Voraussezungen beruhende Verhältniß der Handlungsfähigkeit in sinnloser Weise zerreißen müssen. Dememäß stellte der schon von M u n z i n g e r verfaßte erste Konordatsentwurf eines schweizerischen Obligationenrechtes (1870) einige Bestimmungen über a l l g e m e i n e Handlungsfähigkeit an die Spize, und der Verfasser, welcher in seinen ,,Motiven zum Entwurfe eines schweizerischen Handelsrechtes" noch einem ungenügenden Auskunftsmittel das Wort geredel hatte (S. 193 ff.), "beleuchtete den neuen Standpunkt in seiner 1871 erschienenen ,,Studie über Bundesrecht und Bundesgerichtsbarkeit" (S. 34 ff.), einer Schrift, deren Gedanken über die wünschbare Ausdehnung der Bundeskompetenz in Rechtssachen durch die Verfassung von 1874 im wesentlichen bekanntermaßen realisirt worden sind.

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In ihrer Tendenz, wenigstens das V e r k e h r s r e c h t , d. h.

die für das allgemeine schweizerische Verkehrsleben wichtigsten Materien des Civilrechtes und Civilprozesses einheitlich zu gestalten, verleiht die geltende Bundesverfassung im Art. 64 dem Bunde zuvorderst das Gesezgebungsrecht ,,über die persönliche Handlungsfähigkeit", sodann über ,,alle auf den Handel und Mobiliarverkehr bezüglichen Rechtsverhältnisse". Als nun die legislatorische Ausführung dieser Kompetenz an die Hand genommen wurde, versuchte die Redaktion und die vorberathend Kommission zunächst, nach Vorgang und auf Grundlage des erwähnten Konkordatsentwurfes, die beiden Materien im Zusammenhange zu behandeln, in der Weise, daß die persönliche Handlungsfähigkeit systematisch als erste Voraussezung des gültigen Vertrages an der Spize des Entwurfes erwähnt und regulirt wurde. Allein bei weiterer Berathung machte sich die Ueberzeugung geltend, es sei sowohl logisch richtiger als praktisch zwekmäßiger, das erste Postulat des Art. 64 durch ein besonderes Bundesgesez auszuführen. Die allgemeine Fassung dieses Postulates, im Verhältnisse zum zweiten, zeigt deutlich, daß die persönliche Handlungsfähigkeit in der That nicht nur so weit, als sie im Mobiliarverkehr zur Geltung kommt, einheitlich regulirt werden soll, sondern in allgemeiner Beziehung auf den gesammten PrivatrechtsBundesblatt. 31. Jahrg. Bd. III.

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verkehr. Die Tragweite der in diesem weiteren Sinne zu erlassenden.

Bestimmungen erfordert nun aber, um ins richtige Licht zu treten, auch deren entsprechende äußere Anordnung. Irgendwo untergebracht im Systeme des Obligationenrechtes, könnten sie nur beiläufig auf diejenigen Rechtshandlungen bezogen werden, die als solche nicht in jenem behandelt sind, wie z. B. auf die Veräußerung von Liegenschaften, den Hypothekarverkehr, die Ehe- und Erbverträge.

Stehen sie dagegen allein, so ist für ihre angemessene Behandlung und Auffassung freier Spielraum geöffnet. Immerhin liegt es auf der Hand, daß troz äußerer Trennung die beiden Geseze im engsten inneren Zusammenhange stehen und sich gegenseitig in manchen Beziehungen ergänzen und bedingen. Demgemäß wurden, wenn auch die schließliche Feststellung des vorliegenden Entwurfes von einer besonderen Kommission ausgegangen ist, bei der Ausarbeitung beider Geseze, namentlich auch betreffend den doppelten Text, die nämlichen Grundsäze befolgt, über welche unsere Botschaft zum Entwurfe des eidgenössischen .Obligationen- und Handelsrechtes die nöthigen Aufschlüsse ertheilt. Ebenso muß die weitere Behandlung der beiden Entwürfe eine gemeinsame sein.

Nachdem die Aufgabe, ein Gesez ,,über die persönliche Handlungsfähigkeit" im Allgemeinen zu bearbeiten, als selbstständige erfaßt war, handelte es sich zunächst darum, über Unifang und Inhalt des zu behandelnden Gegenstandes sich genaue Rechenschaft zu geben.

So selbsverständlich an sich der Begriff ,,persönliche Handlungsfähigkeit" erscheint, so bietet doch die nähere Ausführung der einzelnen Rechtsverhältnisse, die darunter verstanden werden sollen, Anlaß zu verschiedenen Auffassungen. Die Zweifel mehren sich, wenn auch der französische Text des Art. 64, AI. l in Betracht, gezogen wird, dessen Ausdruk ,,capacité civile" sich mit dem deutschen keineswegs genau dekt. Da wie dort handelt es sich um eine rechtliche Qualität der Person, um eine vom positiven Rechte in mehr oder weniger direkter Anknüpfung an natürliche Voraussezungen anerkannte Eigenschaft des Individuums, vermöge welcher dasselbe in den Rechtsverkehr einzutreten, Person im rechtlichen Sinne, Rechtssubjekt zu werden fähig ist. Allein während der deutsche Begriff nur die a k t i v e Seite dieser persönlichen Qualität berührt, d. h. die Fähigkeit bedeutet,
durch e i g e n e s , unmittelbar persönliches Handeln in rechtliche Beziehungen einzutreten, spontan Rechtsgeschäfte abzuschließen, ist der französische Begriff weiter und umfaßt die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu werden, in ihrer T o t a l i t ä t , d . h . überhaupt die subjektiven Bedingungen, unter welchen das Recht ein Wesen zum Eintritt in die gesezlich geordneten Rechtsbeziehungen, namentlich zum Rechtserwerbe zu-

767 läßt, gleichviel, ob durch eigenes Handeln oder durch solche Vorgänge, denen gegenüber die Rolle des Subjektes eine rein passive ist. Mit andern Worten: der französische Begriff umfaßt auch diejenige Qualität, welche die deutsche Rechtssprache mit dem Ausdruke R e c h t s f ä h i g k e i t bezeichnet, während die deutsche Sprache zwischen R e c h t s - u n d H a n d l u n g s f ä h i g k e i t eben im entwikelten Sinne unterscheidet und der deutsche Text der Verfassung nur den letzteren Begriff zur gesezlichen Behandlung verstellt, einen Begriff, der im französischen nur durch eine Umschreibung, etwa capacité d'agir ("personnellement), genau wiedergegeben werden könnte.

Beim vorliegenden Entwurfe ist nun vom deutschen Begriffe ausgegangen worden, da kaum anzunehmen war, die Verfassung habe bewußterweise vermittelst des französischen Ausdruckes, der übrigens in Ermanglung eines speziellen Synonyms von Gesez und Praxis sehr häufig und gewöhnlich auch in dem engeren Sinne des deutschen Begriffes ,,Handlungsfähigkeit" gebraucht wird, eine erheblich weitere Kompetenz; begründen wollen, als der deutsche Text sie anzeigt. Der französische Text k a n n auf b e i d e r l e i Weise, der deutsche n u r in e i n e m Sinne verstanden werden: Also muß dasjenige gelten, worin sie sich deken. Die Rechtsfähigkeit als solche fiel also außer Betracht. Diese Begränzung der Aufgabe entspricht übrigens sowohl der Natur der Sache, als der allgemeinen Tendenz des Art. 64, das Verkehrsrecht, und nur dieses, zu centralisiren.

Was nämlich zunächst die p h y s i s c h e n Personen betrifft, so bildet deren allgemeine und gleichmäßige R e c h t s f ä h i g k e i t so sehr die selbstverständliche Regel aller unserer kantonalen Rechte, daß eine besondere gesezliche Formulirung dieses Grundsazes -- etwa im Sinne von Code civil Art. 8 -- eher auffallen als befriedigen müßte. Wollte man aber nicht bei einer bloßen Phrase stehen bleiben, so mußte man sämmtliche Rechtsregeln über die V o r a u s s e z u n gen der Persönlichkeit, über Lebens- und Todespräsumtionen, Verschollenheit u. dgl. ins Gesez hereinziehen, ein Gebiet, an dessen Unterstellung unter die Gesezgebung des Bundes bei Berathung des Art, 64 Niemand gedacht hat. Zudem aber würde die ausdrükliche Sanktion der R e g e l der allgemeinen Rechtsfähigkeit, auch die
Fixirung der A u s n a h m e n erfordern.

Diese Bemühung würde nun sofort zeigen, daß man sich auf ein Gebiet begäbe, welches von der durch Art. 64 fixirten Bundeskompetenz nicht berührt wird. Die Ausnahmen von der allgemeinen gleichmäßigen Rechtsfähigkeit sind nämlich zu relativ kleinern Theile rein civilrechtlicher Natur. Entweder sind es G r ü n d e

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öffentlichen Rechtes, welche gewisse Bescbrankungeu herbeifahren, wie z. B. den hie und da noch festgehaltenen Ausschluß Fremder vom Erwerbe von Grundeigentum u. dgl. Oder es sind R e c h t s v e r h ä l t n i s s e halb öffentlicher Natur, auf welche sich die Beschränkungen beziehen, wie z. B. die vormundschaftlichen Funktionen, von welchen Frauen mancherorts, im Aktivbürgerrecht eingestellte Männer durchweg ausgeschlossen sind. Daß diese Gränzgebiete des öffentlichen Rechtes nicht berührt werden sollen, sagt auch der französische Text des Art. 64, AI. l der Verfassung deutlich, indem er nur von capacité civile spricht, im Gegensaze zur capacité civique. Wo aber singuläre Beschränkungen der Rechtsfähigkeit auf rein civilrechtlichem Gebiete noch vorkommen, da sind dieselben entweder durch die Beetimmungen des Entwurfes eines eidgen. Obligationenrechtes bereits in Betracht gezogen, resp.

beseitigt (so z. B. durch Art. 499 die vom aargauischen Recht noch festgehaltene absolute Unfähigkeit der Frauenspersonen zur Bürgschaft), oder sie betreffen Rechtsinstitute, die mit dem allgemeinen Verkehrsleben nichts zu thun haben, somit füglich der kantonalen Autonomie überlassen bleiben können, wie Adoption, Vaterschaftsklage u. dgl. (cf, unten zu Art. 8). Speziell die Ehefähigkeit wird bekanntlich durch das Bundesgesez betreffend Civilstand und Ehe bereits einheitlich norrnirt (cf. unten zu Art. 9).

Dieses sind die Grtlnde, mit denen wir es auch materiell zu rechtfertigen glauben, wenn wir diejenige Seite der ^capacité" p h y s i s c h e r Personen, welche die deutsche Rechtssprache als R e c h t s f ä h i g k e i t unterscheidet, im Geseze mit Stillschweigen übergehen, d. h. der kantonalen Législation überlassen, soweit nicht anderweitige Bundesnormen (Verfassung, Ehegesez , Staatsverträge u. s. w.) ohnehin eingreifen. Eher konnte eine Ueberschreitung der Grenze indicirt erscheinen bezüglich der sogenannten j u r i s t i s c h e n Personen. Hält man sich an den deutschen Begriff der persönlichen Handlungsfähigkeit, so ist klar, daß von den juristischen Personen nichts gesagt werden kann als der höchst selbstverständliche und deßhalb überflüssige Saz: Es f e h l t ihnen p e r s ö n l i c h e Handlungsfähigkeit. Sie sind eben künstliche Subjekte, nicht mit Vernunft und Willen begabte Wesen, und können daher
nur durch Handlungen ihrer Vertreter in den Rechtsverkehr gezogen werden. Praktisch höchst bedeutsam ist dagegen die Frage nach ihrer Rechtsfähigkeit, d, h. nach den Voraussezungen, unter denen sie als (künstliche) Rechtssubjekte, als zum Rechtsverkehr fähige Sonderwesen, i. e. eben als Personen, rechtlich überhaupt anerkannt werden sollen. Bei dieser Frage ist der allgemeine Verkehr evidenter Weise aufs höchste interessirt und der

769 französische Begriff der capacité wäre, wie gesagt, an sich weit genug, um die Behandlung derselben zu gestatten. Allein der vorliegende Entwurf ist auch in diesem Punkte konsequent innerhalb der vom deutschen Begriffe bezeichneten Gränze geblieben, mit RUksicht darauf, daß der Gesezentwurf betreffend Obligationenund Handelsrecht an verschiedenen Stellen im natürlichen Zusammenhange die Voraussezuijgen und Wirkungen der juristischen Persönlichkeit erschöpfend behandelt, insoweit als der Verkehr es erheischt und nicht Rüksichten öffentlichen Rechtes in Frage stehen (vgl. daselbst die Art. 69, 123, 633, 691, 729 ff.).

Bezwekt somit unser Gesez lediglich, die persönliche Handlungsfähigkeit im strikten Sinne, also die von individuellen Momenten bestimmte rechtliche S e l b s t ä n d i g k e i t physischer Personen einheitlich zu normiren, so läßt es auch im Wesentlichen unberührt diejenigen Rechtssäze, welche nicht aus allgemein p e r s ö n l i c h e n , dem Individuum als solchem inhärenten Gründen seiner freien Disposition im Rechtsverkehr entgegentreten, sondern gewisse Beschränkungen derselben an besonders geartete Rechtsverhältnisse knüpfen, in denen sich die Person zufällig befindet. Da die beschränkte Freiheit in diesen Fällen als Folge eben i e n e r b e s o n d e r e n R e c h t s v e r h ä l t n i s s e erscheint, lo kann sie außer Zusammenhang mit diesen nicht richtig behandelt werden; natürlich ist sie auch in Umfang und Wirkung, je nach den sie begründenden Verhältnissen, sehr verschieden. Während es sich oft nur um die Verhinderung einzelner Rechtsgeschäfte oder der Verfügung über einzelne Vermögensstüke, z. B. verfangenes Gut, handelt, steigert sich in andern Fällen die Beschränkung der Dispositionsfreiheit bis zu einem der persönlichen Handlungsunfähigkeit äußerlich ganz analogen generellen Zustande. Den umfassendsten Eingriff dieser Art zeigt die Unselbständigkeit, welche von unseren kantonalen Rechten fast ohne Ausnahme für die i n d e r E h e lebende F r a u bestimmt wird. Umgekehrt ist auch die freie Disposition des Ehemannes mit Rüksicht auf die Rechte der Frau mannigfachen Beschränkungen unterworfen. Beiderseits aber ist die Beschränkung Folge nicht individueller Eigenschaften, sondern des ehelichen Verhältnisses, und sie kann daher nur in organischem Zusammenhange mit dem
gesammten Eherechte gesezlich geordnet werden. Ein anderes praktisch nicht minder bedeutsames Beispiel bieten die verschiedenartigen Schranken, welche der Dispositionsfreiheit des S c h u l d n e r s , sei es des am Rechtstriebe befindlichen, sei es vollends des in Konkurs gerathenen, mit Rüksicht auf seine pejidenten Verbindlichkeiten, auf die Sicherheit seiner Gläubiger gezogen sind.

Alle diese Rechtssäze lassen wir, als in durchaus anderen Zusammen-

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hang gehörig, gänzlich unberührt, ebenso natürlich alle diejenigen singulären Beschränkungen der Dispositionsfreiheit, die aus Gründen öffentlichen Rechtes (z. B. durch Polizeiverbote u. dgl.) verhängt sein mögen.

Ist nun festgestellt, in welchem Sinne der B e g r i f f der ,,persönlichen Handlungsfähigkeit" unserm Entwürfe zu Grunde liegt, so fragt es sich in zweiter Linie, nach welchen R i c h t u n g e n dieser Begriff gesetzgeberisch zu verwerthen sei. Art. 64, AI. l der Verfassung läßt hierüber bedeutende Unklarheit walten, wenn er sagt: Es soll ein Gesez ,,über" persönliche Handlungsfähigkeit erlassen werden. Heißt das: Es sollen die V o r a u s sez u n g e n , die Bed i n g u n g e n der Handlungsfähigkeit --, oder: Es sollen auch die W i r k u n g e n derselben, resp. ihres Gegentheiles --, oder gar: Es sollen auch diejenigen Rechtsinstitute einheitlich gestaltet werden, welche die mangelnde Hand l ungsfähigkeit e r g ä n z e n , den h an d l ungsunfähigen Personen (physischen und juristischen) den Zutritt zum Rechts verkehre vermitteln? Es ist klar, daß je nach der einen oder anderen Auffassung das Gesez eine total verschiedene Bedeutung und Ausdehnung gewänne, indem es namentlich nach der leztgenannten Interpretation einen erheblichen Theil des gesammten Civilrechtssystemes absorbiren müßte.

Um diesfalls den richtigen Standpunkt zu gewinnen, hat man sich wiederum die Eingangs erwähnten geschichtlichen Motive der im Art. 64 der Verfassung niedergelegten Bundeskompetenz zu vergegenwärtigen, wonach dieselbe auf einheitliches V e r k e h r s r e c h t abzielt. Demgemäß werden diejenigen auf die Handlungsfähigkeit bezüglichen Punkte herauszuheben sein, deren einheitliche Gestaltung für den Verkehr von erheblicher Wichtigkeit ist. Dieses gilt nun namentlich vom e r s t g e n a n n t e n Punkte, von den V o r a u s s e z u n g e n der Handlungsfähigkeit. Es liegt auf der Hand, daß der allgemeine Verkehr vorzüglich an der Aufstellung gleichmäßiger und sicherer Kriterien dafür interessirt ist, welche von den Personen, die faktisch am Verkehre theilnehmen, durch ihr persönliches Handeln dessen normale Rechtsfolgen in der That auf sich laden welche dagegen vermöge ihrer besonderen Lage und Eigenschaften an die Mitwirkung eines vertretenden Organes gebunden sind. Die erste und wesentlichste
Anforderung an das Gesez ist also, daß es allgemein verbindlich und erschöpfend die Momente bezeichne, welche diesen wichtigen Unterschied zu begründen vermögen.

Aber nicht bloß für die Aufstellung diesfälliger einheitlicher Normen an sich, sondern auch für die Art und Weise, wie dieselben zu fassen sind, kommen die Interessen des Verkehres wesentlich in Betracht. Die Rüksichten auf individuelle Verhältnisse und Inte-

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ressen sind mit den Rüksichten aufs Verkehrsinteresse, also auf die Rechtsstellung Dritter, so zu kombiniren, daß ihr oft unvermeidlicher Widerspruch die einen wie die anderen möglichst wenig verlezt. Der Verkehr wünschst möglichste Einschränkung der individuellen Unterschiede und Hindernisse, während die persönlichen Interessen im einen Falle gerade durch die Anerkennung .solcher, im anderen Falle, freilieh oft nur scheinbar, durch die Beseitigung befriedigt werden. Diesem Widerstreit ist dadurch zu begegnen, daß die Bedingungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit, welche ja überall an natürliche Eigenschaften der Person (Alter, Geisteszustand etc.) anknüpfen, so direkt und einfach als möglich der Natur der Sache angepaßt, innerlich unberechtigte Singularitäten dagegen vermieden und beseitigt werden. Immerhin ist bei dieser Ausgleichung, soweit sie sich gegen bestehendes kantonales Recht wendet, im Auge zu behalten, daß es sich im gegenwärtigen Geseze nur um die V e r m i t t l u n g z w i s c h e n Verkehrs- und individuellen Rüksichten handeln kann, während die Lösung solcher Fragen, bei denen b l o ß die lezteren beiheiligt sind, nicht hieher gehört. Art. 64 der Verfassung will, wie gesagt, nur einheitliches Verkehrsrecht schaffen, und berührt deßhalb durch AI, 1 das Personenrecht nicht als solches, also nicht etwa, um ein persönliches Grundrecht auf möglichst ausgedehnte bürgerliche Handlungsfähigkeit unter die Bundesgarantie zu stellen (etwa so, wie dieses ; durch Art. 54 bezüglich der Ehefähigkeit geschehen), sondern nur soweit, als eben die Fixirung der individuellen Rechtsstellung für den allgemeinen Verkehr es erfordert.

Der nämliche Gesichtspunkt ist nun auch maßgebend, wenn es sich z w e i t e n s nach den W i r k u n g e n fragt, welche den für die Handlungsfähigkeit in Betracht kommenden persönlichen Momenten im Einzelnen beizulegen sind. Allerdings wurde schon im Eingange darauf hingewiesen, daß und warum von einer b e s o n d e r e n Handlungsfähigkeit für. die specifisch verkehrsrechtlichen Beziehungen nicht die Rede sein kann. Gemäß ihrer natürlichen Grundlage muß die rechtliche Handlungsfähigkeit ein Zustand von d u r c h g r e i f e n d e r Wirksamkeit sein. Wein dieselbe einmal zuerkannt ist, der bethätigt sie überall, wo im privaten Rechtsleben durch persönliches Handeln
rechtliche Wirkungen erzeugt werden; wem sie fehlt, dessen Akte bleiben sämmtlich ohne den entsprechenden Erfolg. Allein diese Grundregel hat von jeher mannigfache Modifikationen erlitten, und auch unsere kantonalen Rechte kennen Zwischenzustände, theilweise Beschränkungen, Rüksichten auf die besondere Natur einzelner persönlicher Verhältnisse oder einzelner Arten von Rechtsgeschäften in bedeutender Variation.

772 Diese Differenzen a l l e zu lösen, kann nun unmöglich die Aufgabe dieses Gesezes sein. Vielmehr wird dasselbe wesentlich nur dafür zu sorgen haben, daß der allgemeine vermögensrechtliche Verkehr nicht weiter davon beeinflußt werde, als es die Natur der Sachegebietet, daß also über den rechtlichen Einfluß der für die Handlungsfähigkeit als relevant erachteten individuellen Zustände, s o w e i t es die V e r k e h r s s i c h e r h e i t in der T hat e r h e i s c h t , einheitliche und möglichst einfache Regeln aufgestellt werden. Sokann gegenüber der als Regel festzuhaltenden allgemeinen Fähigkeit oder Unfähigkeit ein gewisses Mehr oder Weniger für solche Beziehungen, bei denen der Verkehr nicht interessirt ist, der kantonalen Bestimmung füglich vorbehalten werden (vgl. unten zu Art. 3 Abs. 2 und Art. 6, Abs. 2).

Gänzlich unberührt läßt der Entwurf endlich d r i t t e n s alla diejenigen Rechtsinstitute, welche sich auf die E r g ä n z u n g der mangelnden persönlichen Handlungsfähigkeit, auf die Vertretung: der handlungsunfähigen Personen im Rechtsverkehre beziehen. Soweit es sich um p h y s i s c h e Personen handelt, wird deren Vertretung vom Eltern- und Vormundschaftsrechte geordnet, welcheGebiete der Bundeskompetenz entzogen sind. Der Entwurf berührt sie nur insoweit, als er die persönlichen V o r a u s s e z u n g e n bestimmt, unter denen -- im Uebrigen nach bisheriger kantonaler Ordnung -- die vormundschaftliche Obsorge einzutreten, beziehungsweise aufzuhören hat. Dagegen hütet er sich davor, die Organisation und Funktion des Vormundschaftswesens als solches anzutasten, dessen innerer Zusammenhang durch einzelne abrupte Säzenicht, gestört werden darf, während die Anordnung des Ganzen nach der allgemeinen Tendenz des Art. 64 der kantonalen Autonomie vorbehalten bleiben muß. -- Was aber die Mittel und Wege betrifft, welche den j u r i s t i s c h e n Personen die Theilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen, so bestimmen sich dieselben nach deren jeweiligen inneren Organisation, und diese ist ein Gebiet, dessenRegelung, je nach der Natur der betreffenden Rechtssubjekte, entweder dem Obligationen- und Handelsrechte (vgl. die Tit. 20 und 21 des diesfällig Entwurfes) oder der den Kantonen verbliebenen Privatrechtsautonomie oder dem öffentlichen Rechte anheimfällt,, also jedenfalls nicht ins
vorliegende Gesez gehört.

Aus dem Gesagten erhellt, daß und warum der Entwurf nicht ein in sich fest abgeschlossenes Rechtsgebiet behandelt, sondern sich mit der Aufstellung einiger für das allgemeine Interesse besonders wichtiger Grundsäze begnügt und im Uebrigen den kantonalen Rechten freien Spielraum läßt. Die Grenze, bei welcher die Kompetenzen sich scheiden, sucht der Entwurf überall so bestimmt als

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möglich zu zeichnen, um die praktische Anwendung des Geseze» zu erleichtern. Dagegen läßt er absichtlich die Frage unberührt, w e l c h e s kantonale Recht jeweilen in die offen gelassenen Stellen eintrete, um nicht in das Gebiet des entworfenen Gesezes über die civilrechtliche Verhältnisse der schweizerischen Niedergelassenen-, wodurch Art. 46 der Bundesverfassung ausgeführt werden soll, überzugreifen und dessen konsequenten Ausbau zu stören.

Nach diesem ausführlichen Hinweise auf die allgemeinen Gesichtspunkte, von denen der Entwurf ausgegangen, können wir unsbezüglich der einzelnen Bestimmungen verhältnißmäßig kurz fassen.

Dieselben ordnen den Stoff folgendermaßen : Das wichtigste und durchgreifendste Moment für Bestimmung der persönlichen Handlungsfähigkeit ist selbstverständlich das L e b e n s a l t e r . Dessen Einfluß auf die natürliche Fähigkeit des Bewußtseins und Willens und damit auf die rechtliche Selbstständigkeit des Handelns unterliegt jedes Individuum ohne Ausnahme. Anstatt nun aber (wie das ältere römische Recht) in jedem einzelnen Falle das natürliche Verhältniß zu Stunde zu legen, bestimmen alle neueren Rechte positiv ein dem vorhandenen Kulturstande möglichst entsprechendes D u r c h s c h n i t t s a l t e r , bis zu dessen Erreichung die rechtliche Handlungsfähigkeit mehr oder weniger beschränkt, von welchem an sie in der Regel unbeschränkt ist, das sogenannte V o 11 jährigkeitsalter im Gegensaze zur M i n d e r j ä h r i g k e i t.

Mit dieser grundlegenden Distinktion und deren Folgen für die persönliche Handlungsfähigkeit befaßt sich der erste Theil des Entwurfes (Art. 1--3). Der zweite Theil (Art. 4--8) behandelt die übrigen, für die Handlungsfähigkeit und deren Beschränkung relevanten Momente, die nun namentlich für die altershalber Fähigen, für die Volljährigen, in Betracht kommen. Die Artikel 9--13 enthalten endlich die nöthigen Vorschriften über die Grenzen der An Wendung des Gesezes. Die einzelnen Artikel motiviren wir folgendermaßen: Art. 1. Nach dem Gesagten mußte es sich in erster Linie darum handeln, das allgemeine V o l l j ä h r i g k e i t s a l t e r zu bestimmen. Bekanntlich variiren gerade in diesem Punkte die bestehenden kantonalen Rechte erheblich, ohne daß dieser Verschiedenheit tiefer greifende Differenzen der Kulturverhältnisse und übrigen natürlichen
Bedingungen zu Grunde liegen. Das in früherer Zeit überall im Bereiche des deutschen Rechtes weit tiefer stehende Volljährigkeitsalter*) wurde später, als der Rechtsverkehr sich kom*) Vgl. S t o b b e , deutsch. Privatr. I, S. 241 ff. -- Spez. für die Schweiz: B l u n t s c h l i , Zürcher Rechtsgesch.I, S. 110; II, S.204. B l u m e r , Rechtsgesch. I, S. 504. S e g e s s e r , Rechtsgesch. li, S. 433 ff.

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pliüirte und das römische Recht auch bei UDS wenigstens indirekten Einfluß gewann, höher gosezt, meist auf 23 oder 24 Jahre**), bis in einer Reihe von Kantonen die neueste Gese/gebuug wieder tiefer griff. Der heutige Stand der kantonalen Rechte ist folgender: .Zurükgelegtes 26. Jahr: A p p e n z e 11 -1 n n e r r h o d e n für das weibliche Geschlecht (Vormundschaftsgesez von 1856, Art. 20) : l Halbkanton mit der Hälfte von 11,914 Einwohnern, ,, 24. ,, N i d w a i d e n (Personenrecht von 1852, § 22); G-1 a r u s (Personeurecht von 1870, § 245); A a r g a u (Givilgesezbuch § 28): 2% Kantone mit 245,724 Einwohnern.

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23.

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22.

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21.

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20.

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B e r n (Civilgesezbuch Saz. 165 und 298); St. G a l l e n (Erbgesez von 1808, Einl.

Art. 6); W a a dt (Civilgesez Art. 211): 3 Kantone mit 929,180 Einwohnern.

I n n err.h o d e n für das männliche Geschlecht (Vormundschaftsgesez Art. 20); 8 c h w y z für das weibliche Geschlecht (Vornmndsehai'tsgesez von 1851, § 80): H/3 Kantone mit der Hälfte von 59,614 Einwohnern.

G e n f (C. c. Art. 388) : B a s e l s t a d t (Gesez vom 16. Oktober'1876): l Va Kantone mit 138,000 Einwohnern.

L u / er n (Vormundschaftsgesez von 1871, § 68); U r i gewohnbeitsrechtlich; cf. Lardy, législations civiles, 2. Aufl., S. 300); S c h w y % für das männliche Geschlecht (Vormundschaftsgesez g 80); O b w a l d e n (Vormundschaftsgesez von 1864, § 43); S o l o t h u r n (G-esez vom 16. Dez,. 1848); F r e i b u r g (C. c. Art. 19) ; B a s e l l a n d (Vormundschaftsgesez von 1853,§2); S c h a f f h a u s e n (Verfassung von 1876, Art. 14); A p p e n z e l l - A u ß e r r h o d eu (Vormundschaftsgesez von 1860, § 35) ; T h u r g a u (Personenrecht 1860, § 5);

**) Le-u, eidgen. Stadt- und Landrecht I, S. 67 ff.

775 Tessin (C. c. Art. 109) ; W a 11 i s (Gesez vom 23. Mai 1877) ; Z ü r i c h (Verfassung von 1869, Art 16): 10 3/2 Kantone mit 1,107,424 Einwohnern(Schwyzz nur halb gerechnet).

Zurükgelegtes 19. Jahr: Z u g (Personenrecht von 1861, § 116); G r a u b U n d e n (Civilgesez §16); N e u e n b u r g (C. c. Art. 279): 3 Kantone mit 210,059 Einwohnern.

Diese Zusammenstellung zeigt, daß in der That die bestehenden Normen ziemlich zufällig und willkürlich sind, indem wir in der nämlichen Rubrik Kantone von gänzlich verschiedenen wirthschaftlichen Verhältnissen antreffen ; auch sind manche der angeführten Bestimmungen verhältnißmäßig sehr jungen Datums und repräsentiren daher keine festgewurzelte Volksüberzeugung. Demgemäß hat es kein Bedenken, im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit mit einer einheitlichen Bestimmung durchzugreifen. Es bedarf keiner Erörterung, wie gerade in diesem Punkte die Einheit wünschbar ist, welche der interkantonalen Rechtskollision ein für allemal ein Ende macht. Handelt es sich nun darum, unter den genannten Altersstufen die Wahl zu treffen, so können wohl nur zwei ernstlich in Frage kommen, das 21ste und das 20ste Altersjahr. Zu den höheren Stufen emporzusteigen, wäre der großen Zahl tieferer Kantone zu viel zugemuthet; 19 Jahre erscheinen umgekehrt als eine nur von wenigen Kautonen getheilte Singularität und sind auch für die Durchschnittsverhältnisse unserer schweizerischen Bevölkerung entschieden zu wenig. 20 Jahre haben die Hälfte der Kautone und nahezu die Hälfte der Bevölkerung, in Uebereinstimmung mit Art. 27, Abs. 2 des Bundcsgesezes betreffend Civilstand und Ehe, woselbst die Fähigkeit zu selbstständigem Eheschluß --, und mit Art. 74 der Bundesverfassung und Art. l der Militärorganisation, woselbst das politische Aktivbürgerrecht im Bunde und die Wehrpflicht an das zurükgelegte 20ste Altersjahr geknüpft sind. Dennoch haben wir uns für das 21ste Jahr entschieden, gemäß dem einstimmigen Votum der vorberatbenden Kommission. Einmal hält diese Stufe zwischen den bestehenden kantonalen Ansähen richtiger die Mitte, indem hier von oben und von unten ungefähr die nämliche B e v ö l k e r u n g s menge sich begegnet; der Sprung für die bedeutende Gruppe der Kantone mit 24 und 23 Jahren ist weniger groß, als wenn sie sich ohne Entgegenkommen der aus den beiden untersten
Stufen gebildeten K an tonsmehrheit zu fügen hätte, von welcher überdies die Kantone Schwyz, Uri, Baselland, Appenzell A. Eh., Wallis und Graubünden (die 5 lezteren wegen bestehender

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Geschlechtsvormundschaft) nur mit ihrer männlichen Bevölkerung ins Gewicht fallen. Es wären die bestehenden Gegensäze billig ausgeglichen und das Maß der gegenseitigen Konzessionen möglichst gerecht abgewogen. Allein abgesehen von diesen innerschweizerischen Rüksichten bietet die Wahl des 21sten Altersjahres die erheblichsten Vortheile für den allgemeinen, über die Laudesgrenzen hinausreichenden Verkehr und dient zur Vermeidung der so lästigen internationalen Rechtskollisionen. Ueberall, wo f r a n z ö s i s c h e s oder e n g l i s c h e s Recht gilt, ist das 21ste Jahr längst in Geltung, also auch in I t a l i e n , B e l g i e n u. s. w. Dasselbe gilt seit dem Reichsgeseze vom 17. Februar 1875 für das ganze d e u t s c h e Reich, während O e s t e r r e i c h - U n g a r n noch bei'24 Jahren stehen geblieben ist. Die Gelegenheit, sich dem in Europa durchaus vorherrschenden Saxe anzuschließen, sollte sich die schweizerische Gesezgebung nicht entgehen lassen. Zwingende Gründe abweichender Kultur u. dgl. lassen sich nicht dagegen anführen. In der Differenz zwischen dem civilen Großjährigkeitsalter und politischen Mündigkeitsalter haben viele Kantone bisher nichts Stoßendes gesehen-, in Ausnahmefällen kann durch die Jahrgebung (Art. 2) leicht geholfen werden. Auch das erste Jahr der Wehrfähigkeit, welches in die Rekrutenschule führt, dürfte unter der Minderjährigkeit nicht sonderlich leiden. Von der Differenz mit dem eidgenössischen Ehegeseze wird bei Art. 9 die Rede sein.

Außer dem Volljährigkeitsalter bestimmt Art. l die Bes e i t i g u n g der in einigen Kantonen dem w e i b l i c h e n Ges c h l e c h t e noch anhaftenden persönlichen Handlungsunfähigkeit.

Das Volljährigkeitsalter soll mit allen seinen Folgen für beide Geschlechter das nämliche sein. Zur Zeit besteht die GeschlechtsV o r m u n d s c h a f t über volljährige unverheiratete Frauenspersonen noch in Uri und A p p e n z e l l A. Rh.; eine mildere Geschlechts b e is t a n d s c h a f t in St. G a l l e n , G r a u b ü n d e n und W a l l i s . Andere Kantone, welche die Geschlechtsvormundschaft erst kürzlich beseitigt haben, beschränken die Fähigkeit des weiblichen Geschlechtes noch bezüglich einzelner Geschäfte, so L u z e r n für den Abschluß von Eheverträgen (Vormundschaftsgesez von 1871, § 3), A a r g a u für die Eingehung von
Bürgschaften (Gesez vom 29. April 1877).

Vor diesen Singularitäten nun kann eine einheitliche Gesezgebung über Handlungsfähigkeit, soll sie anders dem Verkehre wesentlichen Vortheil bringen, nicht stehenbleiben. Je häufiger thatsächlich einzelnstehende Frauenspersonen als Handelsfrauen u. dgl. selbstständig am Gewerbe- und Verkehrsleben theilnehmen, desto störender wird es für die Rechtssicherheit, wenn in den einen Kantonen für die r e c h t l i c h e Gültigkeit solchen Geschäftsbetriebes vormund-

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schaftlicher Konsens nöthig ist, resp. die ohne (generelle oder gar spezielle) Bewilligung faktisch übernommenen Verbindlichkeiten abgeschüttelt werden können, während in den meisten Kantonen die volle Selbstständigkeit anerkannt wird. Tiefere Kulturdifferenzen stehen einer Ausgleichung hier so wenig im Wege, wie bei der Altersfrage, was der Blik auf die genannten Kantone und auf die Thatsache zeigt, daß eine Reihe weiterer Kantone von sich aus die Geschlechtsvormundschaft neuerdings abgeschafft hat (Bern 1847, Schwyz 1851, Schaff hausen und Glarus durch ihre Civilgesezbücher, Waadt 1873, Baselstadt 1876), während sie anderswo schon weit früher dahinfiel. Es wird also der Rechtsgleichheit nicht ein allgemein festgewurzeltes Prinzip, sondern eine im Absterben begriffene, den faktischen Verhältnissen wenig mehr entsprechende Singularität geopfert. Wirklichem Bedürfnisse mögen die im Art. 5 vorbehaltenen Interdiktionsgründe, namentlich die freiwillige Bevogtigung, genügen ; auch erscheint es in Betracht der völligen Ausgleichung der Geschlechter doppelt rathsam, das allgemeine Volijährigkeitsalter nicht zu tief zu sezen. Diese Ausgleichung bezieht sich übrigens nur auf die unverheirateten Frauen; von den Ehefrauen wird bei Art, 7 die Rede sein.

Endlich enthält Art. l den von der großen Mehrzahl der kantonalen Rechte, nämlich von allen außer A p p e n z e l l , Obw a l d e n , N i d w a i d e n und Wallis anerkannten Grundsaz, daß die Folgen der Minderjährigkeit mit dem Momente des E h e schlus.ses gänzlich und von selbst aufhören, daß also der Eheschluß ohne Weiteres emaozipirt. Auch dieser Saz bedarf, da er schon fast überall gilt, keiner besonderen Begründung, während umgekehrt bestimmte Motive, die siügulären Ausnahmen fortbestehen zu lassen, nicht vorliegen. Eine gleichmäßige Regel ist auch hier für die Beziehungen zu Dritten wünschbar. Groß ist übrigens die praktische Bedeutung nicht. Die F r a u tritt, wenn noch nicht volljährig, allerdings aus der bisherigen Vormundschaft, aber in der Regel nur, um in diejenige des Mannes überzugehen (Art. 7), Bloß wenn die Ehe vor ihrem normalen Volljährigkeitsalter sich auflöst, genießt sie die Folgen der Emanzipation. Den Gedanken an einen Rükfall in die frühere Vormundschaft soll die vom Entwurfe gebrauchte Wendung, wonach der Eheschluß geradezu Volljährigkeit
gewährt, ausschließen. Für den M a n n liegt das Ehefähigkeitsund das normale Volljährigkeitsalter ohnehin näher beisammen, und seine Emanzipation durch die Ehe fügt daher dem, jenen Kantonen allerdings auch noch nicht durchweg geläufigen Saze, daß die Volljährigkeit ihn emanzipirt (s. unten bei Art, 7) nichts Wesentliches bei.

778 Art. 2. Die meisten Kantone, alle außer U r i , O b w a l d e n , Z u g , B a s e l l a u d , G r a u b ü n d e n und T e s s i n (wo bloß unter väterlicher Gewalt stehende Kinder emanzipirt werden können), eröffnen schon jezt die Möglichkeit, einzelne Minderjährige aus besonderen Gründen vor der normalen Zeit für volljährig zu erklären (venia aetatis, Jahrgebung: im französischen Recht mit der römischen emancipatio konfundirt, daher émancipation). Obschon durch dieses Institut die Uniformität der persönlichen Verkehrsfähigkeit eher gestört wird, fordern dringende Gründe des inneren Personen- und Familienrechtes dessen fortdauernde Anerkennung. Diese muß aber ausdrüklich ausgesprochen werden, indem aus dem Stillschweigen des Gesezes angesichts vom Art. l die Beseitigung des Institutes gefolgert würde. Und zwar dehnt der Entwurf die Möglichkeit der Jahrgebung auch auf diejenigen Kantone aus, in denen sie bisher nicht bestand, einerseits deßhalb, weil gerade in diesen Kantonen durch die vom Art. l proponi rte Hinausschiebung desVolljährigkeitsalters das Bedürfniß wächst, andererseits um fatale Rechtskollisionen, z. B. bei Wohnsizwechseln, zu vermeiden. Im Uebrigen begnügt sich der Entwurf damit, die nähere Ausführung des au sich festgestellten Prinzipes, welche durchaus ins Familienund Vormundschaftsrecht gehört, den Kantonen vorzubehalten, resp.

es diesfalls beim bisherigen Rechte zu belassen. Nur in zwei Punkten schränkt er die kantonale Autonomie ein, indem er 1) ein A l t e r s m i n i m u m von 18 Jahren festsezt, während einzelne Kantone höher (z. B. Bern 19, Aargau und. Waadt 20 Jahre), andere tiefer greifen (z. B. Neuenburg 17 Jahre), viele endlich das freie Ermessen der kompetenten Autoritäten im einzelnen Falle walten lassen (so Zürich, Luzern, Glarus, Baselstadt, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau u. a.).

Große praktische Bedeutimg hat die Sache nicht, indem unter 18 Jahren eine Jahrgebung wohl selten begehrt wird; immerhin schien es angesichts des Normalalters von 21 Jahren am Plaze, die Grenze tiefer zu sezen, als sie die erstgenannten Kantone mit höherem Mehrjährigkeitsalter haben, andererseits aber einem allfälligen Mißbrauche vorzubeugen und eine gewisse Einheit herzustellen; 2) für die r e c h t l i c h e W i r k u n g der Jahrgebung ein Handeln der (nach Maßgabe der
kantonalen Organisation) zuständigen A m t s s t e l l e fordert. Damit wird ein für den Rechtsverkehr nicht unerhebliches allgemeines f o r m e l l e s Kriterium dafür aufgestellt, was zur rechtlichen Wirksamkeit der Jahrgebung nöthig sei, von welchem Momente an sie rechtskräftig werde.

Die nähere Bestimmung über den m a t e r i e l l e n Einfluß der

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Behörde bleibt den Kantonen. Der Entwurf will also namentlich nicht denjenigen Kantonen vorgreifen, welche den materiellen Entschluß über die Emanzipation minderjähriger Kinder de» E l t e r n anheimgeben, wie das französische Recht, das in Genf gilt und von verschiedenen Kantonen (Wallis, Tessin, Aargau) in diesem Punkte nachgeahmt worden ist. Die Assistenz, der Behörde behält hier ihre rein formelle Natur; wo eine solche bisher nicht nöthig war (Aargau 211), müßte sie nun allerdings hinzutreten. Noch weniger wird natürlich durch Art. 2, Absaz 1, der von den Kantonen vorgeschriebene elterliche A n t r a g bei der Behörde beseitigt. Wohl aber erheischt der Entwurf für die Jahrgebung einen jedesmaligen b e s o n d e r n A k t , so daß die singulären Vorschriften einzelner Kantone, welche aus bestimmten Gründen (so G lar u s bei Ernennung zu einem öffentlichen Amte; W a l l i s bei Erlangung der Doktorwürde) die Emanzipation Minderjähriger u n m i t t e l b a r von R e c h t e s wegen eintreten lassen, hinfällig würden.

Ueber die rechtlichen W i r k u n g e n der Jahrgebung äußert sich der Entwurf nur insofern, als er dieselbe eine Volljährigkeitserklärung nennt, d. h. sie dem Eintritte des normalen Volljährigkeitsallers gänzlich gleichstellt. Betreffend die Wirkungen enthält auch Absaz 2 keinen Vorbehalt des kantonalen Rechtes. Demnach b e s e i t i g t Art. 2 die Restriktionen, denen nach französischem Recht (in diesem Punkte nur von W a l l i s nachgeahmt) die Handlungsfähigkeit des emanzipirten Minderjährigen noch unterworfen ist. Solche singuläre Unterschiede können aus den schon oben angeführten Gründen nicht stehen bleiben.

Art. 3 sagt das Wenige, was an diesem Orte über die W i r k u n g e n der Minderjährigkeit auf die rechtliche Handlungsfähigkeit zu sagen ist. Da dieselben im Entwürfe eines eidgenössischen.

Obligationen- und Handelsrechtes (Art. 37--40), als im natürlichen systematischen Zusammenhange, soweit es sich um Verträge des Mobiliarverkehres handelt, bereits ausführlich normirt sind, so genügt hier eine bloße Verweisung. Diese hat den Sinn, daß die dort zunächst bloß für den M o b i l i ar v e r k e h r aufgestellten Regeln auch für alle a n d e r e n Rechtshandlungen des Minderjährigen zur Anwendung kommen (also Geschäfte um Liegenschaften, Erb- und Eheverträge u. s. w.),
soweit nicht der Vorbehalt des Art. 3, Absaz 2, entgegensteht. Diese einfache Verweisung bedeutet ferner die völlige G l e i c h s t e l l u n g a l l e r Minderjährigen bezüglich der allgemeinen Geschäftsfähigkeit. Innerhalb der Minderjährigkeit sollen keine an bestimmte Altersstufen geknüpfte generelle Unterschiede

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einer engeren oder weiteren Handlungsfähigkeit mehr bestehen, wie sie einzelne Kantone im Anschluß an ältere deutsch-rechtliche oder römische Distinktionen noch konservirt haben, so z. B. G r a u b ü n d e n die mit 17 Jahren eintretende theilweise Handlungsfähigkeit (Mündigkeit oder pubertas). Dem wirklichen Bedürfnisse im einzelnen Falle wird durch Art. 40 des Obligationenrechtsentwurfes genügt, woselbst die Möglichkeit eines für den Mobiliarverkehr wirksamen generellen vormundschaftlichen Konsenses für einen bestimmten Geschäftsbetrieb des Minderjährigen vorgesehen ist, so daß dein thatsächlichen Verhältnisse auch jeweilen das rechtliche entspricht, ohne daß es der förmlichen Jahrgebung bedarf. Ebensowenig ist die aus dem gemeinen Rechte in mehrere Kantonalgesezgebungen übergegangene besondere Rüksicht auf das K i n d h e i t s a l t e r (unter 7 Jahren) beibehalten. Der Ausschluß der Kinder auch von reinen Erwerbsgeschäften, eine Bestimmung, die an sich von keiner großen Bedeutung ist, rechtfertigt sich innerlich nur soweit, als den Kindern die natürliche Denk- und Willensfähigkeit abgeht; ob und wieweit dieses der Fall sei, ist questio facti und beurtheilt sich nach Maßgabe vom Art. 4 unseres Entwurfes und Art. 37 des Obligationenrechtes. Die Verweisung auf Art. 37 ff. bedeutet endlich die Beseitigung der R e s t i t u t i o n wegen Minderjährigkeit für die wenigen Kantone, wo sie noch besteht (cf. Code civil 1305 ff.).

Wenn somit Art. 3, Absaz l, den Einfluß der Minderjährigkeit auf die persönliche Handlungsfähigkeit im Allgemeinen einer einheitlichen, im Art. 37 ff. des Obligationenrechtsentwurfes ausführlich niedergelegten Regel unterwirft, so fügt Absaz 2 einige spezielle Vorbehalte bei bezüglich solcher Rechtsakte, an denen der allgemeine Verkehr in keiner Weise interessirt ist. Wir haben dieses Verfahren schon oben motivirt. Das zur T e s t i r f ä h i g k e i t, erforderliche Alter muß im Zusammenhange mit dem Erbrechte bestimmt werden, da die jeweilige materielle Testirfreiheit dabei in Berüksichtigung kommt; es soll daher bei den diesfälligen kantonalen Vorschriften bleiben, immerhin natürlich unter der Voraussezung, daß das kantonale Recht ein besonderes vom allgemeinen Großjährigkeitsalter verschiedenes Testirfähigkeitsalter (regelmäßig ein tieferes) überhaupt bestimme. Ferner soll
unberührt bleiben die i n n e r e rechtliche Stellung, welche manche kantonale Rechte den Minderjährigen, namentlich wenn sie eine gewisse Zwischenstufe (das häufig sogenannte Mündigkeitsalter von 14--18 Jahren) erreicht haben, g e g e n ü b e r d e n i h n e n v o r g e s e z t e n A u t o r i t ä t s p e r s o n e n einräumen, z. B. mit Bezug auf Berufs- und Konfessionswahl (vgl. auch Bundesverfassung Art. 49, Absaz 3), betreffend ihren Anspruch bei wichtigen Dispositionen über ihr Vermögen um

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ihre Meinung befragt zu werden u. dgl. Es sind dieses Rechtssäze, die für den äußern Rechtsverkehr, namentlich für die Gültigkeit ·der Rechtsgeschäfte gegenüber Dritten, ohne jeden Einfluß sind, nur Rechte und Pflichten zwischen den Minderjährigen und ihren Yorgesezten begründen, also in den Zusammenhang dea Familienund Vormundschaftsrechtes gehören.

Nicht berührt ist endlich die Verpflichtungsfähigkeit der Minderjährigen aus D e l i k t e n . Der Entwurf des Obligationenrechtes (Art. 63 und 66) enthält hierüber im natürlichen Zusammenhange das Nöthige.

Art. 4. Mit diesem Artikel beginnen die vom Lebensalter unabhängigen, also vorzugsweise auf altershalber fähige, i. e. volljährige Personen anwendbaren Voraussezungen der Handlungsfähigkeit, resp, ihres Gegentheiles, ihrer Beschränkungen. Der Entwurf .geht, wie naturlich, davon aus, daß für die im Sinne von Art. l » und 2 volljährigen Personen die u n b e s c h r ä n k t e und vollk o m m e n e persönliche Handlungsfähigkeit durchaus die Regel bilde (Art. l, Absaz 1). Die Ausnahmen von dieser Regel sollen, mit Rüksicht auf sicheren Verkehr, so beschränkt als möglich sein und nicht weiter reichen, als es in der Natur der Sache begründete persönliche Hindernisse nothwendig fordern. Voran steht diesfalls die durch den Begriff der Handlungsfähigkeit unmittelbar gebotene Rüksicht auf solche subjektive Zustände, welche die natürliche Fähigkeit zu bewußtem Handeln ausschließen. Wo das Bewußtsein mangelt, sei es in Folge dauernder Geistesstörung (Wahnsinn, gänzlicher Blödsinn u. dgl.), sei es in Folge vorübergehender Affektion .(Ohnmacht, Schlaf, zur Sinnlosigkeit gesteigerter Affekt, gänzliche Trunkenheit u, dgl.), da ist natürlich von Willonsentschluß und demgemäß von ,, Handeln "· keine Rede ; bloß mechanischen Regungen gebührt diese Bezeichnung nicht. Daher muß Personen, die sich in solchen Zuständen befinden, die Handlungsfähigkeit g ä n z l i c h abgesprochen werden, ohne jede Rüksicht auf Lebensalter und auf die Natur allfällig von oder mit ihnen scheinbar vollzogener Rechtsakte. Und zwar wirkt dieser natürliche Defekt, sobald die thataâchlichen Bedingungen vorliegen, u n m i t t e l b a r von R e c h t e s w e g e n , ohne daß es einer vorgängigen Deklaration, Entmündigung u. dgl. bedürfte; im Streitfalle muß jeweilcn das richterliche Ermessen
entscheiden, ob in casu die natürliche Willensfähigkeit vorhanden gewesen sei oder nicht. Daher enthält sich auch der Entwurf einer näheren Spezifikation der hierher gehörigen Zustände und begnügt sich mit Feststellung der relevanten allgemeinen Merkmale. Schon beim vorigen Artikel wurde darauf hingewiesen, daß* a,uch K i n d e r , denen die bewußte Willensfähigkeit noch mangelt, Bundesblatt. 31. Jahrg. Bd, III.

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durch Art. 4 von der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen werden, welche Art. 3 den willensfähigen Minderjährigen beläßt. Bezüglich der D e l i k t s f ä h i g k e i t Vernunftloser findet Art. 4 seine Ergänzung durch Art. 64 und 66 des Obligationenrechtsentwurfes.

Art. 5 und 6. Im Gegensaze zum vorigen Artikel handelt es sich hier um solche Hindernisse der Handlungsfähigkeit, welche, weil die natürliche Bewußtseins- und Willensfähigkeit nicht absolut beseitigend, n i c h t unmittelbar von Rechtes wegen, sondern erst in Folge eines bestimmten r e c h t l i c h e n V e r f a h r e n s , der sog. E n t m ü n d i g u n g (interdiction), wirksam sind. Diese Interdiktionsgründe entspringen subjektiven Verhältnissen, welche die natürliche Handlungsfähigkeit, wenn nicht beseitigen, doch erheblich "beeinträchtigen und eine rechtliche Ergänzung derselben im Interesse der betreffenden Personen wünschbar machen. So wie sie im Art. 5 troz innerer Verschiedenheit äußerlich zusammengestellt sind, entsprechen sie im Wesentlichen denjenigen Gründen, aus welchen unsere bisherigen Rechte durchgängig eine gänzliche oder theilweiseEntziehung der Handlungsfähigkeit, resp. Bevogtigung verhängen.

Ihre Anerkennung auch im vorliegenden Entwürfe bedarf keiner weiteren Rechtfertigung; sie liegt unmittelbar in der Natur der Sache. Allein es hat nun selbstverständlich die Meinung, daß die im Art. 5 hervorgehobenen Gründe e r s c h ö p f e n d sein sollen, so daß nicht unter dem Titel der Bevogtigung noch aus beliebigen linderen Ursachen einem Volljährigen die Handlungsfähigkeit entzogen werden kann. Das völlig freie Ermessen, welches einzelne Kantone (z. ß. B a s e l S t a d t in seinem Gesez vom 16. Oktober 1876, Art. 1; B e r n in seinem Gesez vorn 21. Juli 1864 über das Aufhören der elterlichen Gewalt) den Vormundschaftsbehörden diesfalls einräumen, muß dahinfallen. Die Einheit des Rechtes und Freiheit des Verkehres darf auch in diesem Punkte nicht weiter gestört werden, als die greifbaren individuellen Bedürfnisse reichen, und diesen dürfte durch die im Art. 5 aufgezählten Gründe hinlänglich genügt sein. Die Bevogtigung wegen A b w e s e n h e i t bedarf, weil sie die persönliche Handlungsfälligkeit nicht berührt, keines besonderen Vorbehaltes.

Was nun die Verwerthung der anerkannten Gründe im Einzelnen betrifft, so wird
dieselbe durch Art. 5 und 6 wesentlich den kantonalen Vormundschaftsrechten überlassen. Der Entwurf beschränkt sich darauf. der kantonalen Autononne die für Einheit des Verkehrsrechtes wünschbaren Schranken zu ziehen. Diese be" treffen : .

1) Die V o r a u s s e z u n g e n der Handlungsunfähigkeit. -- Was die m a t e r i e l l e Seite derselben betrifft, so geht Art. 5,

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Ziffer l bis 4, in der Präzision der erforderlichen Thatbestände absichtlich nicht sehr weit, um den hergebrachten lokalen Verschiedenheiten , wie sie namentlich zwischen der deutschen und französischen Schweiz in Betreff des Bevogtigungszwanges hervortreten, nicht einen fürs Ganze unnöthigen Zwang anzuthun. Die Kantone mögen von der ihnen gelassenen Fakultät denjenigen Gebrauch machen, der ihrer hergebrachten Anschauung entspricht; So mögen sie zu Ziffer 3 bestimmen, ob für die Annahme freiwilliger Bevogtigungsbegehren besondere gesezliche Gründe zu bestimmen seien, oder ob das freie Ermessen der Behörden zu walten habe. Ziffer 4 will die Verhängung ci vi (rechtlicher Handlungsunfähigkeit über Strafgefangene nur soweit gestatten, als das praktische Bedürfniß sie erheischt; zur Strafe, gleich dem Entzug der politischen Ehrenrechte , eignet sich dieselbe nicht, da unter der persönlichen Unfähigkeit des in Freiheit Gesezten vorzüglich Dritte zu leiden hätten, die mit ihm in Verkehr treten. -- Betreffend die f o r m e l l e n Voraussezungen, d a s I n t e r d i k t i o n s v e r f a h r e n , legt der Entwurf im allgemeinen Verkehrsinteresse auf e i n e n Punkt entscheidendes Gewicht, auf die gehörige P u b l i k a t i o n der verhängten Entmündigung. Da die Interdiktion volljähriger Personen, bloß vom Standpunkte der Verkehrssicherheit aus betrachtet , immer als eine störende Ausnahmemaßregel erscheinen muß, so soll wenigstens dasjenige geschehen, was dem Publikum zur Warnung dienen kann; und damit die Publikation sicher erfolge, stellt sie der Entwurf geradezu als e s s e n t i e l l e V o r a u s s e z u n g für die rechtliche Wirksamkeit der Interdiktion hin, abgesehen vom Falle des Art. 5, Ziffer 4 , wo eine besondere Warnung nicht nöthig ist. Nicht in der Vorschrift der Publikation als solcher, aber in der ihr beigelegten Bedeutung liegt eine Präzision mancher kantonaler Rechte vor. Eine nähere Bezeichnung des Publikationsmittels schien zur Zeit nicht möglich, bevor durch das Gesez betreffend die Rechtsverhältnisse der Niedergelassenen endgültig festgestellt sein wird , ob die Wohnsiz- oder Heimatbehörden zur Interdiktion kompetent sind. Im Uebrigen überläßt der Entwurf das Interdiktionsverfahren den Kantonen. Nur bei Art. 5, Ziffer 2 , ist auf den dringenden Wunsch der Vertreter der französischen
Schweiz in der vorberathenden Kommission eine Ausnahme von dem sonst überall befolgten Grundsaze, die für den Verkehr gleichgültigen inneren personen- und vormundschaftsrechtlichen Fragen unberührt zu lassen , aufgenommen worden. Da zur Zeit noch in verschiedenen Kantonen der deutschen Schweiz (Luzern, Obund Nidwaiden, Schwyz, Glarus, Appenzell I. Rh., Baselland, Graubünden) die Administrativbehörden endgültig über die Bevogtigung von V e r s c h w e n d e r n entscheiden, so »chien es bei dieser

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Gelegenheit wünschbar, eine einheitliche Garantie für die persönliche Freiheit dadurch aufzustellen, daß die Intervention der Gerichte gesichert wird, sei es, daß dieselben a priori über die Bevogtigung erkennen , sei es, daß sie (wie in Zürich, Bern etc.)

wenigstens als Rekursinstanz gegen die vorläufige Verfügung der Administrativbehörde angerufen werden können. Die genannten Eantone hätten demnach sofort mit Inkrafttreten des Gesezes (Art. 11) den gerichtlichen Rekurs zuzulassen und mögen die Einzelheiten des Verfahrens ordnen. Den Begriff des ,,Verschwenders" haben die Kantone selbstständig zu interpretiren.

2) Den U m f a n g der Handlungsunfähigkeit.-- Die Wirkungen der Interdiktion für die persönliche Handlungsfähigkeit bestimmt der Entwurf nur soweit, als er durch die Verweisung auf das Obligationenrecht sie hinsichtlich derjenigen Geschäfte, die dem Entmündigten in der That verwehrt sind, den Einflüssen der Minderjährigkeit gleichstellt. Insoweit ist eine einfache einheitliche Regel geschaffen, an die sich der Verkehr unbedingt halten kann. Dagegen läßt der Entwurf die Frage absichtlich offen, welche Rechtsgeschäfte jeweilen von diesem hemmenden Einflüsse der Interdiktion betroffen werden, resp. wie weit die Entziehung der Selbstständigkeit aus den einzelnen Interdiktionsgründen reiche.

Die einen Kantone machen bekantlich zwischen minderjährigen und volljährigen ^Bevogteten" keinen Unterschied, geben den lezteren einfach gleich jenen einen Vogt und entziehen ihnen jegliche Selbstständigkeit im Rechtsverkehr. Andere Kantone gehen nicht so weit, geben den volljährigen Interdizirten nur einen Beistand (curator, conseil judiciaire) und entziehen ihnen die Selbstständigkeit nur hinsichtlich besonders wichtiger, ökonomisch tiefer greifender Rechtsgeschäfte, wie Liegenschaftsveräußerung, Kapitaldisposition u. s. w. (sog. semi-interdiction). Häufig wird auch, je nach der Natur des Entrnündigungsgrundes, der eine oder der andere Weg vorgeschrieben, mitunter dem jeweiligen Ermessen der zuständigen Behörde im einzelnen Falle die Auswahl überlassen.

Diesen status quo, der mit der Verschiedenheit hergebrachter lokaler Anschauungen und mit der gesammten Organisation des Vormundschaftwesens aufs Engste verflochten ist, will der Entwurf nicht stören. Ein zwingendes Verkehrsinteresse für die Beseitigung
dieser Unterschiede besteht nicht. Durch die Publikation wird vor Verkehr mit dem Interdizirten allgemein gewarnt. Wie weit nun in jedem Falle die Vorsicht zu gehen habe, wird sich entweder aus der Publikation selbst ergeben oder dem Dritten zu überlassen sein, der überhaupt auf seine Gefahr mit einem öffentlich Interdizirten sich einläßt. Auch die Kollision der kantonalen Rechte kann keine

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Schwierigkeit bereiten, wenn einmal die Kompetenzfrage zwischen Heimat- und Niederlassungskanton definitiv geregelt ist.

Art. 7. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß und warum die persönliche Rechtsstellung der Eh e f r a u e n von diesem Geseze nicht zu berühren ist. Da aber das Gesez in Aufzählung derjenigen Verhältnisse, welche die a 11 g e m e i n o persönliche Handlungsfähigkeit beschränken , erschöpfend sein will, . so konnte ein ausdrüklicher V o r b e h a l t betreffend die Ehefrauen nicht wohl fehlen. Einzig das fürs Verkehrsleben besonders wichtige Verhältniß der H a n d eis f r au ist herausgehoben und im Art. 41 des Obligationenrechtsentwurfes mit thunlichster Rüksicht auf die bestehenden Eherechte behandelt worden. Für F a l l i t e n f r a u e n , deren Ehe nicht gelöst ist, gilt selbstverständlich der doppelte Vorbehalt des Art. 7 ebenfalls. Dagegen für W i t w e n und definitiv g e s c h i e d e n e Frauen gilt die Regel des Art. \ , vorbehalten immerhin die speziellen Dispositionsbeschränkungen betreffend einzelne Vermögenstheile, wie sie sich aus erb- und familienrechtlichen Sazungen ergeben .mögen.

Ein der rechtlichen Stellung der Ehefrauen ähnliches Verhältniß wird vom Entwurfe nicht berührt, nämlich dasjenige der K i n d e r unter elterlicher Gewalt nach dem Rechte derjenigen Kantone, welche nach alter deutscher Gewohnheit solche Kinder nicht schon mit der Volljährigkeit, sondern erst mit dem faktischen Austritte aus der elterlichen Haushaltung emanzipiren (so L u z e r n , Civilgesez § 79; N i d w a i d e n , Personenrecht § 93 ; Gr l a r u s wenigstens die Töchter, § 223 b). Die Folge dieser fortdauernden elterlichen Gewalt, also nicht etwa eins der Person dos (volljährigen) Kindes inhärente Qualität, ist denn auch ein gewisses Maß genereller persönlicher Handlungsunfähigkeit, also ganz so wie bei der Ehefrau.

In der Kommission war man nun darüber einig, diese Handlungsunfähigkeit als eine absterbende Singularität, zu b e s e i t i g e n ; allein mau hielt, angesichts vom Art. l und 8, eine ausdrükliche Bestimmung für überflüssig.

Art. 8. Wie der -- übrigens nach der ganzen Anlage des Entwurfes selbstverständliche -- Grundsaz des Absaz \ zu verstehen ist, darüber haben wir uns im Eingange ausführlich geäußert. Allfällige singuläre Beschränkungen der R e c h t s f ä
h i g keit im engeren Sinne und der speziellen Dispositionsfähigkeit werden, wie vom Entwurfe überhaupt, so auch vom Art. 8 nicht berührt. Demgemäß hätte Absaz 2 füglich wegbleiben können, ohne daß deßhalb die Bestimmungen der kantonalen Rechte über das zur (aktiven) A d o p t i o n s f ä h i g k e i t erforderliche (höhere) Lebensalter angetastet worden wären. Die Fähigkeit, zu adoptiren,

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wobei nicht die Selbstständigkeit des Handelns in Frage steht, gehört durchaus ins Gebiet der oben deftnirten Rechtsfähigkeit im engern Sinne. Wenn sie nun dennoch ausdrüklich vorbehalten wird, so geschieht dieses, um bei der vertragsähnlichen Natur der Adoption jedem Mißverständnisse vorzubeugen, und es darf aus Absaz 2 in Verbindung mit Absaz l nicht etwa gefolgert werden, daß alle übrigen kantonalen Bestimmungen, durch welche Volljährige von gewissen Rechtsbeziehungen ausgeschlossen werden (z. B Frauen von der Vormundschaft, Weibspersonen über bestimmte Altersgrenzen von der Vaterschaftsklage u. dgl.), .durch Art. 8 beseitigt werden wollen. Es ist eben jeweilen, an Hand der oben angegebenen allgemeinen Gesichtspunkte, auf den inneren Grund solcher Beschränkungen zu achten.

Art. 9. Dieser Vorbehalt hat aus den eben angeführten Gründen nicht so fast die Ehefähigkeit an sich, wie sie durch Art. 27, Absaz l, und Art. 28 des eidgenössischen Ehegesezes normirt wird, im Auge, da dieselbe vom vorliegenden Entwurf nach dessen ganzer Anlage nicht angetastet werden kann, als vielmehr die Fähigkeit zu s e l b s t s t a n d ! g e m Eheschlusse, welche durch Art. 27, Absaz 2 des zitirten Gesezes bekanntlich an das vollendete 20ste Jahr geknüpft wird. Diese Vorschrift ausdrüklich vorzubehalten, ist zur Vermeidung von Mißverständnissen namentlich dann von Wichtigkeit, wenn nach unserem Vorschlage das allgemeine Volljährigkeitsalter auf 21 Jahre festgesezt wird. Wir sezen dabei voraus, daß vorderhand das Ehegesez unverändert bleibe. Die vorberathende Kommission war aber in ihrer großen Mehrheit der Ansicht, daß die Annahme des vorliegenden Entwurfes, speziell des Art. 1. folgerichtiger Weise eine Revision des Art. 27, Absaz 2 des zitirten Gesezes nach sich zu ziehen hätte, eine Novelle, durch welche auch die selbstständige Ehefähigkeit um ein Jahr hinausgeschoben würde. Die Gründe, das allgemeine Handlungsfähigkeitsalter auf 21 Jahre festzusezen, scheinen uns nach dem oben Gesagten zwingend. Dieses geschehen, sollte aber auch mit dem Ehe-, recht die Uebereinstimmung hergestellt werden. Schon prinzipiell widerspricht es der Natur des Eheschlusses, als des für den individuellen Lebenslauf und den Familienverband folgenreichsten rechtO liehen Schrittes, wenn die Selbstständigkeit dazu in ein früheres Alter versezt
wird, als diejenige zu beliebigen vermögensrechtlichen Geschäften. Die neueren großen Ehegesezgebungen in Frankreich und Deutschland haben umgekehrt, in richtiger Würdigung der ideellen Bedeutung unserer Frage, die selbstständige Ehefähigkeit erheblich weiter hinausgeschoben als die allgemeine Volljährigkeit. Aber auch unmittelbar praktische Schwierigkeiten ergäben sich aus dein

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/ tieferen Stande des Ehemündigkeitsalters. Dem Zwanzigjährigen stände es an Hand unseres Art. l, Absaz 2 offen, durch Eheschluß seine Emanzipation zu erzwingen. Ferner hätten wir, da die meisten kantonalen Rechte den Abschluß des (vermögensrechtlichen) Ehevertrages nur vor Abschluß der Ehe gestatten, jener aber den Vorschriften über die allgemeine Handlungsfähigkeit unterstellt ist, das Mißverhältniß, wonach Jemand wider Willen des Vaters oder Vormundes die Ehe selbst schließen, einen Ehevertrag dagegen überall nicht zu Stande bringen kann. -Ist nun einmal ein von allen kantonalen Differenzen freies, allgemein schweizerisches Volljährigkeitsalter geschaffen, für welches -- wir wiederholen es -- 21 Jahre dringend indizirt sind, so lassen sich für die Beibehaltung des bisherigen Ehemündigkeitsalters die Gründe schwerlich mehr ins Feld führen, welche bei dessen Feststellung den Anschlag gaben.

Art. 10. Diese unentbehrliche Bestimmung über das räumliche Anwendungsgebiet des Gesezes entspricht in Absaz l und 2 dem für die internationalen Rechtsbeziehungen in Fragen des status personae neuerdings entschiedener als je betonten N a t i o n a l i t ä t s p r i n z i p e . Es versteht sich, daß diese Regelung des intern a t i o n a l e n Verhältnisses der Anwendung des Territorialgrundsazes im inter k a n t o n a l e n Verhältnisse nicht im mindesten im Wege steht; lezteres soll eben nach Art. 46 der Bundesverfassung kein internationales mehr sein. Um übrigens der prinzipiellen Anerkennung des Nationalitätsgrundsazes die gefährlichste Konsequenz für den alltäglichen Verkehr abzuschneiden, ist Absaz 3 beigefügt, dessen Gedanke -- lediglich aus praktischen Rüksichten -- in manchen neueren Gesezgebungen Aufnahme gefunden hat (cf. Preuß.

Landrecht, Einl. § 35; Zürch. Privatrecht § 2, AI. 2). Demnach würde ein Ausländer, der -- wenn auch nur vorübergehend -- in der Schweiz weilt und hier Rechtsgeschäfte abschließt, bezüglich seiner persönlichen Verpflichtungsfähigkeit aus diesem speziellen Verkehre ohne weiteres unserem Geseze unterstellt, wenn dessen Bedingungen für den inländischen Mitkontrahenten günstiger sind als das Heimatrecht des Ausländers. Rüksichtlich aller anderen von unserem Geseze berührten Verhältnisse (z. B. bezüglich Emanzipation und Interdiktion, auch bezüglich der durch Korrespondenz vom Auslande her abgeschlossenen Geschäfte) bliebe dagegen der Fremde seinem Landesrechte unterstellt. Uebrigens versteht es sich, daß ein Hauptvortheil der von uns vorgeschlagenen Fixirung des Volljährigkeitsalters eben in der Vermeidung solcher internationalen Rechtskollisionen bestehen würde.

Art. 11 beschränkt sich darauf, die direkte Anwendbarkeit des Gesezes im ganzen Lande zu statuiren, ohne daß es besonderer

788

.Einführungsgeseze Dedürfte. Immerhin könnte es sieh empfehlen, bei der definitiven Fassung einen b e s o n d e r e n T e r m i n für dieses Inkrafttreten zu bestimmen, damit die Kantone die nöthigen.

Vorkehren, z. B. zur Ausführung von Art. 5, Ziffer 2 treffen können.

Art. 12 und 13. Wie sich materiell das Verhältniß der neuen Bestimmungen zur bisherigen Ordnung gestalte, darüber gibt der Entwurf OUT diese wenigen Vorschriften, um nicht ins Detail der von "Wissenschaft und Praxis festgestellten Regeln über den Einfluß neuer Geseze auf bestehende Verhältnisse einzugreifen. Definitiv abgeschlossene Zustände, z. B. die nach kantonalem Recht mit 20 oder 19 Jahren bereits erlangte Volljährigkeit, werden natürlich durch das Inkrafttreten des Gesezes nicht mehr altertirt.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten.

Hochachtung.

B e r n , den 7. November 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft;

Schiess.

789 (Entwurf)

Bundesgesez betreffend

die persönliche Handlungsfähigkeit.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 7. Wintermonat 1879, beschließt: Art. 1. Die persönliche Handlungsfähigkeit wird mit der Volljährigkeit erlangt.

Die Volljährigkeit tritt für beide Geschlechter mit dem zurükgelegten einundzwanzigsten Altersjahre oder mit der Verheirathung ein.

Art. 2. Ein Minderjähriger, welcher das achtzehnte Altersjahr zurükgelegt hat, kann durch die zuständige Amtsstelle für volljährig erklärt werden (Jahrgebung).

Die näheren Voraussezungen und Formen der Jahrgebung bestimmt das kantonale Recht.

Art. 3. Die von Minderjährigen vorgenommenen Rechtsgeschäfte erzeugen die gleichen Wirkungen, wie diese im eidgenössischen Obligationen- und Handelsrechte bezüglich der Verträge des Mobiliarverkehrs vorgesehen sind, welche von Minderjährigen abgeschlossen werden.

Vorbehalten bleiben die Vorschriften des kantonalen Rechtes über Testirfähigkeit der Minderjährigen und über die

790 Rechte derselben gegenüber den Inhabern der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt.

Art. 4. Gänzlich handlungsunfähig sind Personen, die keinen bewußten Willen haben oder des Vernunftgebrauches beraubt sind, so lange dieser Zustand dauert.

Art. 5. Die Handlungsfähigkeit kann nach Maßgabe des kantonalen Rechtes beschränkt oder entzogen werden: 1) geistesschwachen oder mit schweren Leibesgebrechen behafteten Personen; 2) Verschwendern, vorausgesezt, daß die Entmündigung durch eine Gerichtsbehörde ausgesprochen werde oder dem vorläufig Entmündigten die Berufung an das Gericht offen stehe; 3) solchen Personen, die sich freiwillig unter Vormundschaft begeben; 4) den zu Freiheitsstrafe Verurtheilten während der Dauer ihrer Strafe.

Art. 6. Die im Artikel 5, Ziffer l bis 3, vorgesehenen Beschränkungen der Handlungsfähigkeit wirken gutgläubigen Dritten gegenüber erst, nachdem sie in einem amtlichen Blatte des Kantons veröffentlicht worden sind.

Nach dieser Veröffentlichung erzeugen die von dem Entmündigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte, welche nicht durch das kantonale Recht ihm zu freiem Abschluß vorbehalten sind, nur diejenigen Wirkungen, welche das eidgenössische Obligationen- und Handelsrecht den von Personen mit beschränkter Handlungsfähigkeit abgeschlossenen Verträgen des Mobiliarverkehrs zuerkennt.

Art. 7. Die Handlungsfähigkeit der Ehefrauen wird für die Dauer der Ehe durch das kantonale Recht bestimmt, mit Vorbehalt der Vorschrift des eidgenössischen Obligationeaund Handelsrechts betreffend die Handelsfrauen.

Art. 8. Aus anderen, von diesem Geseze nicht anerkannten Gründen können Volljährige in ihrer persönlichen Handlungsfähigkeit nicht beschränkt werden.

791 Vorbehalten bleiben die besonderen Vorschriften des kantonalen Rechtes über die Fähigkeit zur Adoption.

Art. 9. Die Ehefähigkeit wird durch das Bundesgesez betreffend Zivilstand und Ehe bestimmt.

Art. 10. Die Bestimmungen dieses Gesezes gelten für alle Schweizer, seien sie im Inlande oder im Auslande wohnhaft.

Die persönliche Handlungsfähigkeit der Ausländer richtet sich nach dem Rechte des Staates, dem sie angehören.

Wenn jedoch ein nach dem Rechte seines Landes nicht handlungsfähiger Ausländer in der Schweiz Verbindlichkeiten eingeht, so wird er verpflichtet, insofern er nach schweizerischem Rechte handlungsfähig wäre.

Art. 11. Bis zum Erlaß eines schweizerischen Obligationen- und Handelsrechts verbleibt an Stelle der in den Artikeln 3, 6 und 7 angerufenen Bestimmungen desselben das kantonale Recht in Kraft.

Art. 12. Personen, welche bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesezes nach kantonalem Rechte die Handlungsfähigkeit bereits erlaugt haben, bleiben handlungsfähig.

Art. 13. Gegenwärtiges Gesez tritt mit in Kraft.

Mit diesem Zeitpunkt sind alle widersprechenden Bestimmungen des kantonalen Rechtes aufgehoben.

Art. 14. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen d^s Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

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792

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fabrikation von Phosphorzündhölzchen.

(Vom 21. November 1879.)

Tit.!

Nachdem Sie uns mit Schlußnahme vom 18. Februar vorigen Jahres den Auftrag ertheilt, ,,zu prüfen und zu begutachten, ob nicht die Fabrikation und ,,der Verkauf der Phosphorstreichhölzer zu verbieten sei", haben wir Ihnen unterm 14. Mai gleichen Jahres unsere Ansichten hierüber mitgetheilt und gleichzeitig beantragt: ,,Es sei für einstweilen von jenemVerbot zu abstrahiren."

Dieser Antrag stüzte sich hauptsächlich darauf, daß die Untersuchungen über die Frage jenes Verbotes erst noch gründlich vorzunehmen seien, und daß die Fabrikinspektoren erst später im Falle sein werden, über die Verhältnisse der Zündhölzchenfabrikation genauen Aufschluß zu geben.

Sie haben sodann unterm 26. Juni gleichen Jahres unserem Antrage zugestimmt, jedoch mit folgendem Zusaze : ,, Es sei der Bundesrath eingeladen, bei der Vollziehung des ,, Fabrikgesezes der Zündhölzchenfabrikation ihrem ganzen Umfange ,, nach besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, und über die dies,,falls veranstalteten Erhebungen, getroffenen Anordnungen und den

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Entwurf eines Bundesgesezes über die persönliche Handlungsfähigkeit. (Vom 7. November 1879.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1879

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.11.1879

Date Data Seite

764-792

Page Pagina Ref. No

10 010 496

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