792

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fabrikation von Phosphorzündhölzchen.

(Vom 21. November 1879.)

Tit.!

Nachdem Sie uns mit Schlußnahme vom 18. Februar vorigen Jahres den Auftrag ertheilt, ,,zu prüfen und zu begutachten, ob nicht die Fabrikation und ,,der Verkauf der Phosphorstreichhölzer zu verbieten sei", haben wir Ihnen unterm 14. Mai gleichen Jahres unsere Ansichten hierüber mitgetheilt und gleichzeitig beantragt: ,,Es sei für einstweilen von jenemVerbot zu abstrahiren."

Dieser Antrag stüzte sich hauptsächlich darauf, daß die Untersuchungen über die Frage jenes Verbotes erst noch gründlich vorzunehmen seien, und daß die Fabrikinspektoren erst später im Falle sein werden, über die Verhältnisse der Zündhölzchenfabrikation genauen Aufschluß zu geben.

Sie haben sodann unterm 26. Juni gleichen Jahres unserem Antrage zugestimmt, jedoch mit folgendem Zusaze : ,, Es sei der Bundesrath eingeladen, bei der Vollziehung des ,, Fabrikgesezes der Zündhölzchenfabrikation ihrem ganzen Umfange ,, nach besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, und über die dies,,falls veranstalteten Erhebungen, getroffenen Anordnungen und den

793 ,, Erfolg der Bundesversammlung zu geeigneter Zeit Bericht zu er,, statten. * Inzwischen hat das Schweiz. Fabrikinspektorat in sämmtlichen Kantonen Inspektionen der Fabriken vorgenommen und dabei den gefährlichen und gesundheitsschädlichen Industrien, insbesondere der Zündhölzchenfabrikation, alle Aufmerksamkeit geschenkt.

In ihrem sehr einläßlichen über die Zündhölzchenfabrikation erstatteten Spezialberichte kommen die' Fabrikinspektoren zu dem Schlüsse : ,, Es sei die Verwendung des gelben Phosphors bei der 7, Fabrikation der Zündhölzchen zu verbieten."

Für den Fall, daß dieses Verbot nicht belieben sollte, beantragen dieselben folgende Vorschriften für die Zündhölzchenfabrikation : 1) Getrennte Räume für a. Holzarbeiten, b. Einlegen in Rahmen, c. Bereiten und Auftragen der Zündmasse (incl. Schwefel), d. Troknen, e. Ausnehmen und Verpaken, f. Aufbewahrung der verpakten Zündhölzchen.

Zwischen diesen Räumen dürfte nirgends d i r e k t e Kommunikation stattfinden, außer zwischen c und d.

2) Die Räume für b, c und e dürfen nicht unter 3,5 Meter hoch sein. Auf jeden Arbeiter müssen mindestens 5 Quadratmeter Bodenfläche kommen.

3) In sämmtliehen Räumen muß eine Ventilation eingerichtet sein, welche mindestens zweimal per Stunde deren Luftinhalt zu erneuern vermag. Sie muß durch Einrichtungen vermittelt werden, welche stetig und gleichmäßig während der ganzen Arbeitszeit funktioniren. Die Luftabfuhr muß, da der Phosphordampf 4 Va mal schwerer ist, als die atmosphärische Luft, von oben nach unten vor sich gehen.

4) Der Fußboden muß, wo Phosphor verarbeitet wird, von Stein oder Metall überzogen und glatt sein. Er ist mindestens zweimal täglich zu reinigen.

5) Die Zündmasse darf nicht mehr als 6 (7 ?) % Phosphor enthalten und zu dem Gemenge kein Leim verwendet werden, sondern Stoffe, bei denen die Mischung kalt vor sich gehen kann. Dieselbe hat auch in einem geschlossenen Topf zu erfolgen.

794 6) Kinder unter 16 Jahren sind von der Zündhölzchenfabrikation auszuschließen; junge Leute unter 18 Jahren dürfen beim Bereiten und Auftragen der Zündmasse nicht beschäftigt werden.

7) Die Arbeitszeit in den unter c und f aufgeführten Räumen darf nicht mehr als 9 Stunden im Tag betragen, und es sollen zwischen diese Stunden 3 Arbeitspausen von mindestens */2, Mittags l Stunde gemacht werden.

8) Die Arbeitslokale sind während der Pausen zu verlassen, vorher aber haben die Arbeiter Hände und Mund zu reinigen. Das Essen im Arbeitslokal ist zu verbieten.

9) Alle Arbeiter müssen den ganzen Körper vollständig dekende Ueberkleider bei der Arbeit tragen und beim Verlassen derselben ablegen.

10) Jeden Monat ist eine amtliche ärztliche Untersuchung sämmtlicher Arbeiter vorzunehmen. Der Arzt ist berechtigt, eventuell verpflichtet, jeden Arbeiter von der Beschäftigung, die ihn Phosphordämpfen aussezt, wegzuweisen, sobald Symptome beginnender Phosphorerkrankungen sich einstellen.

11) Für alle innerlichen und äußerlichen Erkrankungen der Arbeiter, die ausschließliche und erweisliche Folge der Phosphoreinwirkung sind, ist der Arbeitgeber haftpflichtig.

Diese Vorschläge sind fast durchweg nicht neu. Verschiedene Schweizerkantone haben längst Aehnliches versucht, so Zürich in Bezug auf Trennung und Lüftung der Arbeiterräume, Verkürzung der Arbeitszeit, Ausschließung der Kinder, ärztliche Aufsicht; Bern hat eine Anzahl Vorschriften betreffend Einrichtung der Fabrikbauten und Reinlichkeitspflege aufgestellt.

Die aufgezählten Vorschriften könnten nur dann von gutem Erfolge sein, wenn dieselben strikte befolgt würden. Es müßte die strengste Ueberwachung ausgeübt werden. Diese wäre aber äußerst schwierig, da wir es meistens mit kleinen und zerstreuten Zündhölzchenfabriken zu thun haben. Die strenge Ueberwachung würde auch zur Folge haben, daß die Zündhölzchenfabrikation sich zur Hausindustrie umgestalten und zu Uebelständen führen würde, die größer wären als diejenigen, welche man beseitigen wollte.

Wenn man hingegen die Verwendung des gelben Phosphors bei dieser Fabrikation und selbstverständlich den Verkauf von aus solchem Phosphor fabrizirten Zündhölzchen verbietet, so ist man sicher, daß die Uebelstände beseitigt werden. Die Kosten, welche die Umgestaltung der Fabriken in Folge der oben aufgezählten Vorschriften zur Folge hätte, würden kaum geringer sein, als

795

diejenigen, welche für den Umbau zu lezterem Zweke nothwendig wären.

Es fragt sich indessen, ob ein solches Verbot verfassungsmäßig sei. Indem wir diese Frage bejahen, berufen wir uns auf Art. 31 c der Bundesverfassung, womit Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben bei Aufstellung des Grundsazes der Freiheit derselben vorbehalten sind, sowie auf Art. 34 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde die Kompetenz gibt, Vorschriften zum Schuze der Arbeiter gegen einen die Gesundheit gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlassen. Wir empfehlen Ihnen deßhalb nachstehenden Gesezentwurf, womit die Fabrikation, die Einfuhr und der Verkauf von Zündhölzchen, bei welchen gelber Phosphor zur Verwendung kommt, verboten und der Bundesrath ermächtigt würde, die nähern Vorschriften betreffend die Fabrikation von phosphorfreien Zündhölzchen, beziehungsweise von solchen mit rothem Phosphor aufzustellen.

Das Gesez würde am 1. Januar 1881 in Kraft und Wirksamkeit treten.

Nach Ansicht der Fabrikinspektoren ist eine längere Frist erforderlich, um die für die bisherige Fabrikationsart beschaffenen Vorräthe an Rohstoffen aufzubrauchen und die Einrichtungen für die neue Fabrikation auszuführen. Die Frist bis 1. Januar 1881 würde aber jedenfalls genügen, wenn das Gesez auch erst im Dezember laufenden Jahres von Ihnen berathen und angenommen werden sollte.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 21. November 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

796

(Entwurf)

Bumìesgesez betreffend

die Fabrikation von Phosphorzündhölzchen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des Berichtes des Bundesrathes vom 21. November 1879; in Hinsicht auf Artikel 31 c und 34 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Die Fabrikation, die Einfuhr und der Verkauf von Zündhölzchen, bei denen gelber Phosphor zur Verwendung kommt, ist vom 1. Jänner 1881 an verboten.

Wer solche Zündhölzchen fabrizirt, wird nach Maßgabe des Art. 19 des Bundesgesezes betreffend die Arbeit in den Fabriken, wer solche Zündhölzchen einführt oder verkauft, mit einer Geldbuße von 5--100 Franken bestraft. Die fabrizirten, eingeführten oder zum Verkaufe vorräthigen Zündhölzchen werden zerstört.

2. Der Bundesrath wird für die Zündhölzerfabrikation ein Regulativ aufstellen, welches die Bedingungen enthält, unter welchen phosphorfreie Zündhölzer, oder solche mit rothem Phosphor fabrizirt werden können.

3. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses G-esezes zu veranstalten.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fabrikation von Phosphorzündhölzchen. (Vom 21. November 1879.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1879

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.11.1879

Date Data Seite

792-796

Page Pagina Ref. No

10 010 497

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.