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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Motion des Herrn Nationalrath J o o s , betreffend LotterieOfferten.

(Vom 6. Dezember 1881.)

Tit.

Auf die von Herrn Joos gestellte Motion hat uns der Nationalrath mit Beschluß vom 30. April 1881 eingeladen, zu berichten, ob nicht der Postverwaltung Weisung zu ertheilen sei, offene Lotterie-Offerten nicht weiter zu befördern.

Der Bundesrath und die hohe Bundesversammlung hatten sieh mit der Frage der Postbeförderung von Lotterie-Offerten früher schon wiederholt beschäftigt.

Wir erinnern daran, daß wir uns im Geschäftsbericht für das Jahr 1878, Abtheil.ung Justiz- und Polizeidepartement, Ziffer 9 (Bundesblatt 1879, Band II, Seite 613) wie folgt aussprachen : ,,Von einer Armenbehörde wurden wir auf die stets eifrige Thätigkeit deutscher Lotterieagenten und auf die im allgemeinen Interesse liegende Nothwendigkeit schüzender Maßnahmen aufmerksam gemacht. Die nähere Prüfung dieses Verhältnisses überzeugte uns, daß aus verschiedenen prinzipiellen und praktischen Gründen in Sachen Nichts gethan werden könne.

,,Nach Art. 4, leztes Alinea, des allgemeinen Post Vereins Vertrages vom 9. Oktober 1874 ist zwar der Regierung jedes Vereinslandes

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das Recht vorbehalten, diejenigen Druksachen etc. auf ihrem Gebiete nicht befördern oder bestellen zu lassen, in Betreff deren den bestehenden Gesezen und Vorschriften des Landes über die Bedingungen ihrer Veröffentlichung und Verbreitung nicht genügt sein sollte. Diese Bestimmung ist auch in den neuen (mit 1. April 1879 in Kraft tretenden) Weltpostvertrag (Art. 11, leztes Alinea) aufgenommen worden. Gestüzt auf Art. 35, drittes Alinea der Bundesverfassung und mit Rüksicht auf die in verschiedenen Kantonen bereits bestehenden Lotterieverbote wäre daher die Bundesbehörde berechtigt, den aus Deutschland oder andern Ländern als Druksachen mit der Post nach der Schweiz versandten Lotterieanpreisungen den Transport und die Distribution für die Zukunft zu versagen. Allein eine solche Maßregel schien sich dennoch nicht anzuempfehlen und wurde auf Antrag der Departemente der Justiz und Polizei und der Post aus folgenden Gründen abgelehnt: ,,1) Es wäre diese Maßregel bedenklich vom Standpunkte der Wahrung des Postgeheimnisses aus; denn während dermalen die Poststellen sich um den Inhalt der Briefe gar nicht und um den Inhalt der offen versandten Gegenstände (Druksachen etc.) nur soweit es die Kontrolirung der Richtigkeit der Frankatur betrifft, bekümmern sollen und dürfen, müßte ihnen eine Fahndung auf ganze Kategorien von Gegenständen, die unter den verschiedensten Formen auftreten, anbefohlen werden.

,,2) Diese Fahndung, vorausgesezt, daß sie ein einigermaßen nennenswerthes Resultat haben sollte, würde den Poststellen eine ganz bedeutende Arbeitsvermehrung bringen und erhebliche Verspätung in der Spedition und Distribution der Druksachen nach sich ziehen.

,,3) Die Poststellen sind im Allgemeinen nicht in der Lage, zwischen eigentlichen Lotterieloosen und den Anleihungsloosen, wie deren sehr viele in Zirkulation sind (Neuenburg, Mailand etc.) und deren Zuläßigkeit man nicht in Frage stellen wird, zu unterscheiden, und es müßte dieser Mangel in der Praxis nothwendiger Weise zu unliebsamen Anständen führen.

,,4) Da gegen die Einbringung von Lotterieankündigungen in Briefen keine Maßregel zuläßig wäre, so würde die Rükweisung der als Druksachen aus dem Auslande nach der Schweiz gelangenden Lotterieanpreisungen dem Unfuge kaum in erheblicher Weise steuern, denn es ist anzunehmen, daß die mit dem Geschäft
sich befassenden Häuser das höhere Porto sich nicht reuen lassen würden, um ihren Anpreisungen nach wie vor ungehinderte Verbreitung zu sichern.

Wird ja bekanntlich schon jezt ein großer Theil der fraglichen Lotterieloos-Offerten in geschlossenen Briefen versandt."1

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Nachdem die ständeräthliche Geschäftsprüfungs-Kommission sich mit dieser Anschauung des Bundesrathes ausdrüklich einverstanden erklärt hatte (Bundesblatt 1879, Band II, S. 760), wurde der vom Bundesrath eingenommene Standpunkt auch von den hohen gesezgebenden Räthen getheilt.

Bei Anlaß der Behandlung unseres Geschäftsberichtes vom Jahr 1879 kam die Frage, wiederum im Ständerathe, neuerdings zur Sprache, und zwar am 22. Juni 1880.

Das Protokoll der daherigen Berathung und Beschlußfassung lautet wie folgt: ,,Noch referirt Herr Rusch Namens der Kommission über das Justiz- und Polizeidepartement.

,,Ein Postulat ist hiezu vom Nationalrath nicht gestellt, hinwider beantragt die Kominission den Erlaß des folgenden : ,,,,l1"1" (resp. 2). Der Bundesrath ist eingeladen, zu untersuchen, ob nicht dem Verbreiten von Einladungen zur Theilnahme am Lotteriespiele wirksam durch die Kreispostdirektionen entgegengetreten werden kann. ua ,,Der Bundesrath hat zwar in seinem Geschäftsberichte für 1878, auf Seite 561, eine analoge, von privater Seite an ihn ergangene Anregung unter einläßlicher Motivirung abgelehnt, und die ständeräthliche Geschäftsprüfungskommission für 1878 hat auf Seite 14 ihres Berichts dieser Auffassung des Bundesrathes beigepflichtet.

Die jezige Kommission verkennt zwar das Gewicht der Einwendung des Bundesrathes nicht; sie will sich aber auch mit einem nur theilweisen Erfolg der diesfälligen Anregung zufrieden geben und hält daher am Postulat, gegenüber den von Herrn Bundesrath Anderwert heute erhobenen Einwendungen fest.

,,In der Abstimmung wird das Postulat mit 16 gegen 12 Stimmen verworfen."

Seither sind keine Thatsachen zu Tage getreten , welche geeignet wären, die Gründe zu entkräften , welche für das Nichteintreten auf ein Verbot betreffend Beförderung von Lotterieofferten mit der Post geltend gemacht wurden.

Nach den gemachten Erfahrungen und nach wiederholter reiflicher Erwägung ist denn auch der Bundesrath nicht im Falle, von dem früher eingenommenen Standpunkt abzugehen, sondern wir möchten im Gegentheil nochmals nachdrüklichst davor warnen, dem Postpersonal die Ausübung polizeilicher Funktionen zu übertragen , demselben so von Amtes wegen eine Durchsuchung des

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Inhaltes von Postsendungen zur Pflicht zu machen , demnach das Postgeheimniß und die rasche und ungehinderte Beförderung der Postsachen zu gefährden.

Wir sprechen uns um so mehr gegen eine solche Maßregel aus, als damit der Unfug, dem man steuern will, nach unserer Ansicht wirksam und nachhaltig n i c h t bekämpft würde. Die Lotteriegeschäfte würden, wenn man ein Verbot im Sinne der Motion erließe, andere Mittel und Wege suchen und finden , um ihre Ankündigungen in die Hände der Adressaten gelangen zu laßen. Man könnte sie vielleicht h ö c h s t e n s dazu veranlaßen, die Offerten v e r s c h l o s s e n mit der Post zu versenden, wie dies übrigens schon dermalen in zunehmendem Maße stattfindet, und dann würde sich das ganze Resultat auf eine T a x e r h ö h u n g beschränken, währenddem mit Ausübung des Verbotes od,er mit den daherigen Versuchen, wie gesagt, wohlbegründete und wichtige Interessen des Postverkehrs verlezt würden.

Wir stellen daher den A n t r a g : Sie wollen der gestellten Motion keine weitere Folge geben.

Wir benuzen übrigens diesen Anlaß, Sie, Tit. , unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 6. Dezember 1881.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenoßenschaft: Schieß.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Motion des Herrn Nationalrath Joos, betreffend Lotterie-Offerten. (Vom 6. Dezember 1881.)

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1881

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31.12.1881

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