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Aus den Verhandlungen der Schweiz. Bundesversammlung.

Am 5. Dezember 1881 sind die gesezgebenden Räthe der Eidgenoßenschaft zur ersten Session der XII. Amtsperiode zusammengetreten.

Die Sizung des Nationalrathes wurde durch den Alterspräsidenten Hrn. Friedrich S e i l e r , von Bönigen, in Interlaken, mit folgender Ansprache eröffnet: ,,Meine Herren Nationair äthe!

Ihr Reglement und meine dreiundsiebzig Lebensjahre erwirken mir die Ehre, Ihnen den ersten Gruß in der Bundesstadt zuzurufen und Ihre Konstituirung leiten zu dürfen. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen im Rathsaale, die bisherigen wie die neuen Mitglieder.

Wenn ich aber noch denjenigen Mann, der vom 6. November 1848 an bis zum 29. Juni 1881 das Protokoll unsers Rathes so mustergültig geführt hat, als nunmehrigen Kollegen doppelt freundlich begrüße, so geschieht dieß, wie ich nicht zweifle, unter Ihrer allseitigen Zustimmung.

,,Meine Herren ! Während Sie sonst auf diesem Präsidentensize stets hochgebildete Männer zu sehen gewohnt waren, nimmt ihn in diesem Augenblike ein theoretisch Ungeschulter ein.

,,Ich entstamme jener Zeit, da der Kleine Rath der Republik Bern den Lehrern die Theilnahme an einem von Philipp Emanuel Fellenberg veranstalteten Bildungskurse untersagte, jener Zeit, wo der Kirchenrath troz dem bejammernswerthen Zustande der Volksschule bereits vor Ueberbildung warnte, durch welche der Mensch mit seinem Stande zerfalle und zur Auflehnung gegen Gott und die Regierung verleitet werde.

,,Meine Herren ! Die erschütternden Ereignisse der dreißiger und vierziger Jahre riefen auch in unserm Vaterlande eine lange Reihe tief greifender politischer Kämpfe hervor, aus welchen dann durch ein langjähriges, thatkräftiges Einstehen charakterfester Männer endlich im Jahre 1848 unsere gegenwärtigen Institutionen hervorgegangen sind. Könnte es denn anders sein, als daß ich infolge

.574 dieser vielen Lebenserfahrungen jener Zeit stets ein Freund und unentwegter Anhänger der Ausbildung unserer Volksschule geblieben und in der Durchführung des Art. 27 der Bundesverfassung eine der dringendsten und dankbarsten Aufgaben der neuen Legislaturperiode erblike. Möge es mir vergönnt sein, am Abschluß dieses Werkes noch Theil zu nehmen.

,,Wenn aber der Jüngling der Schule entwachsen ist, so soll ·das Gemeinwesen ihn dem bürgerlichen Leben nicht ohne Schuz überlassen, und es muß vor A l l e m gesorgt werden, daß, bevor er .als Mann an die Stimmurne herantritt, ihm an der Hand der Geschichte die P f l i c h t en und R e c h t e eines freien R e p u b l i k a n e r s beigebracht werden. Auch soll dei' Staat nicht, länger mehr dulden, daß ein großer Theil seiner Bürger als lebende Maschine verwendet wird. Die Arbeiter sollen die Früchte ihrer Talente, ihrer Kenntnisse , ihres Fleißes genießen ; dieses wird angebahnt durch das projektirte Gesez zum Schuze der Erfindungen auf dem Gebiete der Industrie, der Landwirtschaft, der Muster und Modelle.

,,Die F r e i h e i t eines S t a a t e s , dessen G r u n d l a g e n die Bildung des Volkes und die Verhütung der A u s b e u t u n g der I n t e l l i g e n z seiner B ü r g e r durch die rohe M a c h t des G e l d e s sind, kann nicht untergehen. Treten wir solchermaßen an die -sozialen Fragen heran, so dürften in der Schweiz Vorgänge unmöglich bleiben, wie sie in andern Fällen zu unserm Bedauern sieh zugetragen ; ebenso wird das Vertrauen zu den selbstgewählten Behörden und ihrer Wirksamkeit, das in gewissen Klassen des Volkes untergraben worden ist, sieh, heben und stärken durch eine w i r k l i c h f r e i s i n n i g e , mit stets auf das Wohl Aller abzielende Politik des neuen Rathes. Gewissenhafte Pflichterfüllung in d i e s e m S i n n e wird dem Lande Revisions- und Referend.umsstürme ersparen und die Werke der Repräsentanten unsers Volkes zu segensreichen, gestalten.

,,Möge ein langer und tiefer Friede der Schweiz erlauben, die Wunden gründlich zu heilen, die eine andauernde schwere Zeit ihrer materiellen und ideellen Entwiklung geschlagen, und möge auch unsere Arbeit allezeit auf dieses Ziel gerichtet sein.

,,Mit diesem Wunsche erkläre ich die erste Sizung der zwölften Amtsperiode des schweizerischen Nationalrathes als eröffnet.a

Von den 145 Nationalräthen, welche nach dem Bundesgeseze vom 3. Mai 1881 den Nationalrath bilden, sind 44 ganz neu gewählt.

575 Diese leztern vertheilen sich auf die Kantone wie folgt: 3 auf Zürich, 8 ,, Bern, 3 ,, Luzern, 1 ,, Schwyz, 2 ,, Freiburg, 2 fl Solothura, 1 ,, Basel-Stadt, ; 2 ,, Appenzell A. Rh., l ,, St. Gallen, 4 ,, Graubünden, 3 ,, Aargau, 1 ,, Thurgau, 2 ,, Tessin, 3 ,, Waadt, l ,, Wallis, 3 ,, Neuenburg, 4 ,, Genf.

44

Drei Neuwahlen sind noch zu vaMdirea, -nämlich 2 vom Kanton Tessin und l aus dem Aargau.

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Im S t ä n d e r a t h e erschienen als neue Mitglieder: Solothurn: Herr Franz T r o g , Oberamtmann, von Ölten und Trimbach, in Ölten.

Basel-Stadt:- ,, Dr. Fritz G ö t t i s h e i m , Staatsschreiber, von und in Basel.

Schaffhausen : ,, Dr. Gustav S c h o c h, Fürsprecher , von Bauma (Zürich), in Schaffhausen.

Aargau: ,, Armin K e l l e r s b e r g e r , Fürsprecher und Großrath, von und in Baden.

Thurgau: ,, Albert S e h e r b, Staatsanwalt und Kantonsrath, von und in Bischofszell.

Waadt: ,, Alphonse B o r y , Großrath, von und in Coppet.

Neuenburg : ,, Louis M a r t i n , gew. Nationalrath, von St. Croix (Waadt), in Verrières.

Genf: ,, Adrien L a c h e n a l , Advokat, von und in Genf; ,, Pìenjamih D u f e r n e x , alt Staatsanwalt, von und in Genf.

576 Am 5. Dezember 1881 hat der Ständerath sein Bureau bestellt wie folgt: als Präsident: Hrn. Auguste G. A. C o r n a z , Staatsrath, von Chaux-de-Fonds, in Neuenburg; ,, Vizepräsident: ^,, Wilhelm Vi g i er, Regierungsrath, von und in Solothurn; ,, Stimmenzähler: ,, Joseph C h a p p e x , Staatsrath, von Massongex, in Sitten ; ,, Joh. Jakob H o h l , Obergerichtspräsident, von Heiden, in Heiisau.

Am 7. Dezember bestellte der Nationalrath sein Bureau, und wählte : zum Präsidenten:

Hrn. Karl Z y r o, Fürsprecher und Großrath, von und in Thun, gew. Vizepräsident; ,, Vizepräsidenten: fl Dr. Adolf D e u e h er, Regierungsrath, von Steckborn, in Frauenfeld; zu Stimmenzählern: ,, Paul Wullièmoz,Staatssteuereinnehmer, von Vuarrens, in Payerne (Waadt) ; ,, Robert D u r r e r , Landammann, vonThalwyl, in Stans (Nidwaiden) ; ,, Johannes M o s er, Bezirksstatthalter, von und in Klein-Andelfingen (Zürich); ,, Gottlieb B e r g e r, Fürsprecher und Großrath, von Langnau, in Bern.

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10.12.1881

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