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Bericht der

Commission des Nationalraths, betreffend Hebungen der Landwehr.

(Vom 7. Juni 1881.)

Tit.

Es ist eine nicht ganz ungewohnte Taktik unserer eidgenössischen Räthe, gleichwie anderer Behörden, um Etwas zu erlangen, Anderes zu verwerfen, wenn man auch weiß oder doch annehmen muß, daß das Verworfene unzweifelhaft eine bloße Konsequenz des Angenommenen ist. So wurde in der Militär-Organisation von 1874 der Auszug auf Kosten der Landwehr dotirt; so wurde die sogenannte Organisation der Landwehr verordnet, ohne dieser Organisation den nöthigen Halt (d. h. die Instruktion) zu ihrem Fortbestehen zu geben.

Die Organisation der Landwehr ist denn auch auf dem Papiere geschehen, nicht jedoch in der Wirklichkeit. Uebungen für die Landwehr, wenn man sie überhaupt will, sind ohne allen Zweifel eine absolute Notwendigkeit. Der Verlaß auf den Schlußsatz des Art. 139 der Militär-Organisation ,,Uebung der Landwehr erst, wenn deren Aufgebot in Aussicht steht," kann einer gewissenhaften Auffassung über ausreichende Landesvertheidigung unmöglich länger entsprechen.

Was sollte eine Mannschaft leisten, welche (als ältere Jahrgänger) schon vier Jahre im Auszuge, dann bis auf die 12 Jahre in der Landwehr gar keinen Dienst mehr gethan hat ! Enthebt

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·man ja die letzten Jahrgänge des Auszuges von den Wiederholungskursen, anstatt gerade diesen Leuten, auf welche eventuell zurückgegriffen werden kann, vor ihrem Uebertritt in die Landwehr noch den Schlußstein ihrer Instruktion zu geben.

Und wie steht es mit dem Offizierkorps der Landwehr? Zu einer Anzahl zweifellos tüchtiger Offiziere gesellen sich nicht Wenige, die den heutigen militärischen Anforderungen nicht mehr entsprechen. Viele gut verwendbare Offiziere bleiben beim Auszuge, haben ja doch z. B. dia meisten hohem Offiziere das für den Uebertritt in die Landwehr gesetzliche Alter übersehritten; zudem werden oft noch Leute, die im Aaszuge leidliche Unteroffiziere waren, als weniger gelungene Offiziere zur Landwehr versetzt.

Daß die eintägigen Inspektionen militärisch nichls nützen und höchstens den Dienst einer oberflächlichen Kontroimusterung leisten,, ist wohl unbestritten. Das Urtheil hierüber, nicht weniger als 67 Inspektionsberichten entnommen, gipfelt'in dem Satze, daß diese eintägigen Besammlungen, bei denen die Inspektion die Zeit bis auf wenige Stunden in Anspruch nimmt, wenig nützen, wohl aber der guten Disziplin nicht selten Eintrag thun. Ja es sagen einzelne Berichte über Landwehr-Infanterie-Inspektionen, daß beim Mangel jeglicher Instruktion die Waffe für die eigene Truppe gefährlich werden könnte.

Was wir hier vorherrschend von der Landwehr-Infanterie sagten, gilt im Wesentlichen auch für die Feldbatterien, die Positionskompagnien und die Cadres der Geniebataillone der Landwehr.

Wenn schon bei der Organisation von 1850 die achttägigen Wiederholungskurse der Artilleriereserven zu kurz befunden wurden,, so darf man vor sechstägiger Landwehrübung je das vierte Jahr,, bei gesteigerten Anforderungen und komplizirterer Geschützbedienung, namentlich bei der Positionsartillerie, wohl nicht zurückschrecken. Die Spitzen der Geniewaffe drängen mit allem Nachdrucke auf Instruktion der Cadres mit Einschluß desjenigen der Infanterie-Pionnière, der Gefreiten und der nöthigen Zahl Wärter, namentlich .behufs Berücksichtigung der allgemeinen soldatischen Uebungen, da bei dieser Waffe der Fachdienst auch im bürgerlichen Leben vielseitig geübt wird. Für die Kavallerie kommt der Artikel 139 der Militär-Organisation weniger in Betracht. Die Landwehr-Kavallerie ist nur zum kleinsten Theil auf den
Karabiner instruirt, Schießübungen mit alten Ordonnanzpistolen sind zwecklos,.

Reiterübungen können Mangels Pferden nicht vorgenommen werden ^ daher wird von regelmäßigen Landwehrübungen der Kavallerie im allseitigen Einverständnisse Umgang genommen.

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Herr Präsident, Herren National räth e !

Auf Grund dieser Erhebungen geht Ihre Commission auf die Anträge des Bundesrathes, gleich Ständerath, ein, und beantragt Ihnen, jährlich von den erwähnten Waffengattungen lla zu Wicderholungskursen einzuberufen und den daherigen Kredit im Betrage von Fr. 240,419 zu gewähren, Alles nach Sinn und Wortlaut des vorgelegten Gesetzentwurfes bezw. Ständerathsbeschlusses, mit der einzigen Abänderungsfrage, ob b*ei der Infanterie ein drei- oder viertägiger Cadresvorkurs Platz greifen solle?

Unser Antrag beruht auf der Basis des Bestmöglichen, mit .Zuratheziehung unserer Verhältnisse und Hülfsmittel.

Die in Aussicht genommene Uebuugszeit ist für Cadres und Mannschaft kurz zugemessen ; wir halten sie dennoch für keine ,,nur halbe Maßregel," wie Einzelne behaupten, sofern der Unterrichtsplan nicht z u v i e l Stoff enthält, was schwache Cadres hindern würde, den Stoff zu bemeistern und ihre Leute annähernd ordentlich führen zu lernen. Eine auf einfacher konzentrirter Basis fußende Instruktion trägt offenbar bessere bleibende Früchte als das Abinstruiren sämmtlicher Disziplinen. Unzweifelhaft wird der Landwehrmann unter der neuen Ordnung das begründete Gefühl ernteu, daß er nicht zum alten Eisen zählet, und daß man ihn im Ernstfalle noch zu verwenden und zwar seinen Verhältnissen entsprechend zu verwenden gedenkt.

Wenn wir also den Anträgen des Bundesrathes und den Beschlüssen des Ständeraths beipflichten, so wird man uns nicht verübeln , wenn wir im Weitern noch folgenden Gesichtspunkten das Wort reden : 1) Bei den Versetzungen der Offiziere und Unteroffiziere zur Landwehr sind die Cadres nicht nur nach Zahl, sondern auch nach Intelligenz zu kompletiren, wozu sich unzweifelhaft beim ersten Wiederholungsdienst der Anlaß bietet, da dannzumal sicherlich 15 bis 20 % Landwehrmänner sich in ,,SteueraMänner umwandeln.

2) Sollte darauf Bedacht genommen werden, die Bekleidung der Landwehr auf einen guten Kaput, eine gute Hose und eine passende Kopfbedeckung zu beschränken und alle andern Kleidungs-(Uniform)stücke zurückzuziehen.

·3) Die Cadres würden wir in der Kompagnieschule, im Wachtund Patrouillendienst, sowie in den Funktionen bei Besetzung

349 von Etappen-Stationen instruiren, ihnen ein Bild über Angriff und Verteidigung geben und die Zwischenpausen mit Gradobliegenheiten und Waffenkenntniß ausfüllen. Alles weitere wird nicht verdaut und ist vom Uebel.

4) Den fünftägigen Unterrichtsplan für die Truppen (zumal der Infanterie) denken wir uns ungefähr so: Wiederholung des Elementaren aus den Exerzier- und Dienstreglementen und der Waffenkenntniß .

2 Tage.

Schießen l Tag.

Kompagnieschule verbunden mit e i n e r gründlichen Anleitung über Vertheidigung und Angriff e i n e s Terrainabschnitts .

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l ,, Wacht- und Patrouillendienst, sowie gehöriges Melden .

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l ,, Summe gleich den in Aussicht genommenen 5 Tage.

Das Resultat sollte kein ungünstiges sein. Das Beiziehen der Regiments- und Brigade-Kommandanten mit ihren Adjutanten, ohne Pferde, zu diesen Uebungen ist sehr zu empfehlen, da auch sie vor Allem der Instruktion bedürftig sind.

Damit empfehlen wir Eintreten und Zustimmung zum ständeräthlichen Beschlüsse mit drei- oder viertägigem Infanterie-Cadresvorkurs.

B e r n , den 7. Juni 1881.

Namens der nationalräthlichen Commission : Arnold.

Mitglieder der Commission: Arnold.

Baud.

Grieshaber.

Roten.

Zyro.

-«»tOMH).

Bnndesblatt. 33. Jahrg. Bd. III.

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