00.046 Botschaft zur Volksinitiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)» vom 31. Mai 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen hiermit die Botschaft zur Volksinitiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)». Wir beantragen Ihnen, die Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zum entsprechenden Beschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. Mai 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11000

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0801

4267

Übersicht Das neue Krankenversicherungsgesetz (KVG; SR 832.10) hat leistungsseitig Lücken geschlossen und mit dem Obligatorium den Zugang aller zu einem qualitativ hoch stehenden Gesundheitssystem gesichert. Das Problem der Kosten dieses Leistungssystems ist aber noch nicht so gelöst, wie sich dies der KVG-Gesetzgeber wünschte.

Verglichen mit dem vor einem Jahrzehnt beobachteten Wachstum der Krankenpflegekosten hat sich zwar die Kostenentwicklung leicht zurückgebildet. Die Wachstumsraten lagen in den letzten Jahren dennoch über dem in der Botschaft des Bundesrates festgehaltenen Ziel, die jährliche Zunahme der Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung anzupassen.

Die Gesundheitskosten pro Kopf der Bevölkerung (und als Spiegel davon die individuellen Prämien) sind aber das Ergebnis der beiden Variablen Preis und Menge.

Das Mengenelement erlaubt es nicht, die Steigerung der Gesundheitskosten mit einem Preisindex gleichzusetzen. Schon darum wird das KVG den in der Botschaft von 1991 formulierten Anspruch kaum je erfüllen können. Trotzdem konnte bei der Entwicklung der Krankenversicherungsprämien eine deutliche Beruhigung festgestellt werden.

Allerdings ist festzustellen, dass die Hauptlast der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung heute mit knapp zwei Dritteln auf den Kopfprämien und den Kostenbeteiligungen der Versicherten liegt. Die Finanzierungslast der privaten Haushalte hat von 1992 bis 1996, dem Jahr des Übergangs zum KVG, deutlich zugenommen. Dies ist ausschliesslich auf den Rückgang der Kantonsbeiträge zurückzuführen. Wenn die kantonalen öffentlichen Haushalte 1998 denselben Anteil übernommen hätten wie 1992, dann hätten sie zusätzlich Kosten im Umfang von 1,3 Milliarden Franken von den Privathaushalten übernehmen müssen.

Die Volksinitiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)» greift die Kosten- und Finanzierungsfrage in der Krankenversicherung auf. Sie fordert diesbezüglich eine grundlegende Neuordnung der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung, indem die obligatorische Krankenpflegeversicherung insbesondere aus zusätzlichen, zweckgebundenen Mehrwertsteuereinnahmen des Bundes und in mindestens gleich hohem Umfang durch Beiträge der Versicherten finanziert
werden soll. Die Versichertenbeiträge seien im Verhältnis zum Einkommen und zum realen Vermögen sowie unter Berücksichtigung von Familienlasten festzulegen.

Nach Ansicht des Bundesrates ist eine Umstellung des Finanzierungssystems der sozialen Krankenversicherung im Sinne der Vorstellungen der Gesundheitsinitiative nicht ins Auge zu fassen. Die Prämienverbilligung erfüllt heute im Wesentlichen die ihr zugeordnete Aufgabe gut und die noch bestehenden Mängel können durch punktuelle Korrekturen am geltenden System beseitigt werden. Die Auswirkungen der durch die Gesundheitsinitiative geforderten Umstellungen wären von einer Tragweite für alle öffentlichen und privaten Haushalte, deren Ausmass sich auf Grund eines möglichen Plus an sozialer Gerechtigkeit nicht rechtfertigen würde.

Soweit ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit noch anzustreben ist, soll dies nach An-

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sicht des Bundesrates im Rahmen einer Optimierung des heute bereits eingeführten Instrumentariums erfolgen.

Der Bundesrat will darum am heutigen System der Kopfprämien und der Prämienverbilligung im Grundsatz festhalten. Er ist sich bewusst, dass die Belastung zahlreicher Haushalte durch die Prämien der Krankenversicherung noch immer hoch ist. Damit diese Belastung auf ein erträgliches Mass reduziert werden kann, hat der Gesetzgeber aber eine bedarfsorientierte Prämiensubventionierung eingeführt. Diese Aufgabe liegt primär in der Kompetenz und Verantwortung der Kantone. Auf Grund einer durchgeführten Wirkungsanalyse muss aber davon ausgegangen werden, dass die Prämienverbilligung das sozialpolitische Ziel nicht in allen Kantonen optimal erfüllt. Den Rahmen für eine Harmonisierung der unterschiedlichen Entlastungen kann die Umsetzung der Reform des Finanzausgleichs bieten. Die Prämienverbilligung spielt beim Projekt eines Neuen Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen ebenfalls eine wichtige Rolle, da sie weiterhin als Verbundaufgabe des Bundes und der Kantone vorgesehen ist.

Die Gesundheitsinitiative will im Weiteren unter dem Titel «Massnahmen für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen» den ausdrücklichen Auftrag an Bund und Kantone in der Verfassung verankern, für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu sorgen. Dazu sollen eine ganze Reihe von Kompetenzen im Gesundheitswesen und speziell in der Krankenversicherung von den Kantonen auf den Bund übertragen werden. Davon betroffen sind die Bereiche Spitzenmedizin, Planung im Gesundheitswesen, Preise und Höchstpreise, Tarifierung, Zulassung der Leistungserbringer, Qualitätskontrolle und generell die Kostendämpfungsmassnahmen bei übermässigen Leistungsmengen.

In der am 24. März 2000 abgeschlossenen ersten KVG-Teilrevision und in der bereits an die Hand genommenen zweiten KVG-Teilrevision (zu dieser sog. «Spitalfinanzierungsvorlage» wird voraussichtlich noch im laufenden Jahr den eidgenössischen Räten eine weitere Botschaft unterbreitet) konnten und können verschiedene Anliegen der Gesundheitsinitiative zumindest von der Stossrichtung her verwirklicht werden. Es betrifft dies vor allem die Bereiche Arzneimittelpreise, Zulassung der Leistungserbringer, Globalbudgetierung, Kontrahierungszwang und Rahmentarife.

In anderen von
der Gesundheitsinitiative thematisierten Sachbereichen verfügt das KVG über ein Instrumentarium, das durchaus noch stärker kostensteuernd und kostendämmend wirksam werden kann, als es dies heute tut. Gerade im Tarifbereich hat es noch nicht immer voll wirksam werden können.

Der Bundesrat beantragt, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

4269

Botschaft 1

Formelles

1.1

Wortlaut der Initiative

Am 9. Juni 1999 wurde von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) die Volksinitiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)» eingereicht. Die Initiative ist in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet und lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt:

Art. 34bis 1

Der Bund erlässt Vorschriften über die Kranken- und die Unfallversicherung.

Die obligatorische Krankenversicherung erfolgt durch gemeinnützige Krankenversicherer. Sie garantiert allen Versicherten eine qualitativ hoch stehende, bedarfsgerechte und kostengünstige medizinische Versorgung.

3 Die obligatorische Krankenversicherung wird insbesondere finanziert aus: a. zusätzlichen, zweckgebundenen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in gesetzlich festgelegtem Umfang; b. in mindestens gleich hohem Umfang durch Beiträge der Versicherten; diese Beiträge werden im Verhältnis zum Einkommen und zum realen Vermögen sowie unter Berücksichtigung der Familienlasten festgelegt.

4 Die Krankenversicherer erhalten pro versicherte Person Beiträge aus den unter Absatz 3 genannten Mitteln. Dabei werden die unterschiedlichen Risiken der Versicherer ausgeglichen. Überschüsse werden den Versicherten zurückerstattet.

5 Bund und Kantone sorgen für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen.

Der Bund trifft dazu insbesondere folgende Massnahmen: a. Er regelt die Spitzenmedizin und koordiniert die Gesundheitsplanungen der Kantone.

b. Er bestimmt die Maximalpreise der in der obligatorischen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Einschluss der Medikamente.

c. Er erlässt Zulassungsbestimmungen für die Leistungserbringer und sorgt für eine wirksame Qualitätskontrolle.

d. Werden übermässige Leistungsmengen erbracht, ergreift er nach Sparten und Regionen differenziert weitere Kostendämpfungsmassnahmen.

Die Kantone können im Bereich der Gesundheitsplanung weiter gehende Massnahmen treffen.

2

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt:

Art. 24 (neu) 1

Die Leistungen des Bundes und der Kantone für das Gesundheitswesen haben mindestens dem teuerungsbereinigten Stand des Jahres 1997 zu entsprechen.

2 Der Ertrag nach Artikel 34bis Absatz 3 der Bundesverfassung entspricht mindestens dem gesamten Prämienvolumen der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr vor Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung.

4270

Art. 25 (neu) 1

Falls das Ausführungsgesetz zu Artikel 34bis nicht innert drei Jahren nach Annahme des Verfassungsartikels in Kraft gesetzt werden kann, erlässt der Bundesrat die notwendigen Ausführungsbestimmungen zu den Absätzen 3 und 5 von Artikel 34bis auf dem Verordnungsweg.

2 Er berücksichtigt dabei insbesondere folgende Grundsätze: a. Für die Beiträge der Versicherten gemäss Absatz 3 Buchstabe b gilt ein Freibetrag von 20 000 Franken für das Einkommen und von 1 000 000 Franken für das reale Vermögen.

b. Die in Absatz 3 Buchstabe b vorgegebenen Beiträge der Versicherten im Verhältnis des realen Vermögens belaufen sich auf mindestens ein Viertel der gesamten Beiträge der Versicherten gemäss Absatz 3 Buchstabe b.

1.2

Zustandekommen

Die Bundeskanzlei hat mit Verfügung vom 4. August 1999 das formelle Zustandekommen der am 9. Juni 1999 mit 108 081 gültigen Unterschriften eingereichten Initiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)» festgestellt (BBl 1999 7308).

1.3

Behandlungsfrist

Botschaften des Bundesrates zu Volksinitiativen sind nach Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) spätestens ein Jahr nach Einreichen der Initiative der Bundesversammlung zu unterbreiten. Demnach läuft die Frist für den Bundesrat am 9. Juni 2000 ab.

Bei Initiativen, die auf Partialrevision der Bundesverfassung lauten und in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs vorliegen, muss die Bundesversammlung nach Artikel 27 Absatz 1 GVG innert 30 Monaten nach Einreichung der Initiative darüber beschliessen, ob sie der Initiative zustimmt oder nicht. Vorbehalten bleibt die Möglichkeit für die Bundesversammlung, die Frist um ein Jahr zu verlängern, wenn mindestens ein Rat über einen Gegenentwurf oder einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlass Beschluss gefasst hat (Art. 27 Abs. 5bis GVG).

1.4

Anpassung an die Bundesverfassung vom 18. April 1999

Nach dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (nBV; SR 101) auf den 1. Januar 2000 kann der ausgearbeitete Entwurf der Volksinitiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)» nicht mehr die Nummerierung der früheren Bundesverfassung (34bis aBV) tragen. Sie muss an die neue Bundesverfassung angepasst werden. Der entsprechende Bereich ist heute in Artikel 117 nBV geregelt. Der Text der Volksinitiative hingegen bedarf keiner redaktionellen Anpassung an die neue Verfassung, auch wenn dies nach Ziffer III nBV im Rahmen des Gebotenen grundsätzlich möglich wäre. Dasselbe gilt für die Übergangsbestimmungen der Gesundheitsinitiative nach den vorgeschlagenen neuen Artikeln 24 und 25 aBV. Deren Nummerierung ist wie folgt anzupassen: «Art. 197 4271

(neu) 1. Übergangsbestimmung zu Art. 117 (Kranken- und Unfallversicherung); (Abs. 1­4)». Ausser der Abänderung der Verweise auf Artikel 34bis aBV durch Verweise auf Artikel 117 nBV bedarf der Text der Übergangsbestimmung keiner redaktionellen Anpassung.

1.5

Gültigkeit

1.5.1

Einheit der Form und der Materie

Nach Artikel 139 Absatz 2 nBV kann eine Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung die Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs haben. Nach den Artikeln 139 Absatz 3 und 194 Absatz 3 nBV muss die Volksinitiative die Einheit der Form wahren. Mischformen sind unzulässig (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte [BPR]; SR 161.1). Bei der Gesundheitsinitiative ist die Einheit der Form gewahrt, da sie die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs aufweist.

Die Bestimmungen der Artikel 139 Absatz 3 und 194 Absatz 2 nBV statuieren das Gebot der Einheit der Materie: Ein Initiativbegehren auf Teilrevision der Bundesverfassung darf jeweils nur eine Materie zum Gegenstand haben. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen eines Initiativbegehrens ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR). Die Gesundheitsinitiative fordert einerseits die grundlegende Neuordnung der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung. Anderseits erteilt sie den Verfassungsauftrag an den Bund und die Kantone, für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu sorgen. Da ein wesentlicher Teil des Gesundheitswesens über die soziale Krankenversicherung finanziert wird, ist bei der Gesundheitsinitiative die Voraussetzung des sachlichen Zusammenhangs der einzelnen Teile erfüllt. Das Gebot der Einheit der Materie ist gewahrt.

1.5.2

Vorschriften des Völkerrechts

Nach den Artikeln 139 Absatz 3 und 194 Absatz 2 nBV darf eine Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung zwingende Vorschriften des Völkerrechts nicht verletzen. Diese Voraussetzung ist vorliegend für sämtliche von der Initiative geforderten Massnahmen erfüllt. Das Gebot der Übereinstimmung mit zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts ist gewahrt (zur Übereinstimmung mit dem Europäischen Recht siehe Ziff. 10.3).

1.5.3

Durchführbarkeit

Die offensichtliche faktische Undurchführbarkeit eines Initiativbegehrens gilt als einzige ungeschriebene materielle Schranke der Verfassungsrevision. Nach konstanter Praxis müssen zweifelsfrei und faktisch unmöglich durchführbare Volksinitiativen der Volksabstimmung entzogen werden. Die Unmöglichkeit der Durchführung eines Initiativbegehrens in rechtlicher Hinsicht sowie praktische Schwierigkeiten bei dessen Verwirklichung reichen nicht aus, um dieses wegen Undurchführbarkeit für ungültig zu erklären.

4272

Die Forderungen der Gesundheitsinitiative sind weder in rechtlicher Hinsicht unmöglich zu realisieren, noch sind sie faktisch undurchführbar, weshalb die Initiative Volk und Ständen zur Abstimmung vorzulegen ist.

2

Die Gesundheitsinitiative im Bezug zu gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung

2.1

Die Hauptanliegen der Gesundheitsinitiative

Die Begehren der Gesundheitsinitiative stehen alle im Zusammenhang mit der Finanzierungsfrage der sozialen Krankenversicherung. Die Initiative geht diesen Komplex von zwei Seiten her an: a. von der Seite der Finanzierung der Einnahmen der Krankenversicherer Die Gesundheitskosten sollen in Teilbereichen anders finanziert, zum Teil auch anders verteilt werden als heute. Die Gesundheitsinitiative bringt Finanzierungsalternativen über einkommensabhängige Prämien und durch Mehrwertsteuererträge ins Spiel. Der Bundesrat nimmt dazu im Wesentlichen unter Ziffer 6.1 Stellung.

b. von der Seite der Begrenzung der Ausgaben der Krankenversicherer (Kosteneindämmung) Die Gesundheitskosten sollen eingedämmt, die Anreize zur Kostendämpfung sollen verstärkt und damit die Ausgaben der Krankenversicherer ebenfalls gedämpft werden. Dazu äussert sich der Bundesrat hauptsächlich in Ziffer 6.2.

2.2

Übersicht über hängige Verfassungsrevisionen

Hängig sind einerseits die Volksinitiativen «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» (BBl 1999 8809), «für tiefere Arzneimittelpreise» (BBl 1999 7541) sowie «für tiefere Spitalkosten» (BBl 1999 9679). Zu erwähnen ist im vorliegenden Zusammenhang auch die Volksinitiative «für eine sichere und gesundheitsfördernde ArzneimittelVersorgung (Arzneimittel-Initiative)» (BBl 1999 4355): a. Volksinitiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» Die Initiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» verlangt, dass die obligatorische Grundversicherung den Versicherten ein Anrecht auf freie Arzt- und Spitalwahl in der ganzen Schweiz sowie auf Kostendeckung gewährt. Der Bundesrat hat die Initiative dem Parlament am 14. Juni 1999 mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung unterbreitet (BBl 1999 8809). Der Nationalrat hat am 13. Dezember 1999 die Ablehnung der Initiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» beschlossen. Der Entscheid des Ständerates steht noch aus.

b. Volksinitiative «für tiefere Arzneimittelpreise» Die Initiative «für tiefere Arzneimittelpreise» bezweckt eine Senkung der Arzneimittelpreise. Dies soll unter anderem durch einen direkten Zugang auf dem Schweizer Markt zu Arzneimitteln erfolgen, die in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich erhältlich und zum Verkauf zugelassen sind. Zudem fordert die Initiative,

4273

dass die soziale Krankenversicherung die Rückerstattung von Arzneimitteln auf die kostengünstigen Präparate und, falls vorhanden, auf Generika beschränkt. In seiner Botschaft vom 12. Mai 1999 (BBl 1999 7541) empfahl der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung. Zudem hat er der Initiative Gegenvorschläge auf Gesetzesstufe gegenübergestellt, die gegenwärtig im Parlament beraten werden (Heilmittelgesetz) oder bereits verabschiedet worden sind (Möglichkeit der Generikasubstitution durch die Apotheker/innen gemäss dem neuen Art. 52a KVG, der mit der ersten Teilrevision vom 24. März 2000 eingeführt worden ist). Der Nationalrat hat am 20. März 2000 die Ablehnung der Initiative «für tiefere Arzneimittelpreise» beschlossen. Der Entscheid des Ständerates steht noch aus.

c. Volksinitiative «für tiefere Spitalkosten» Die Initiative «für tiefere Spitalkosten» strebt eine Reduktion der Spitalkosten an.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird vorgeschlagen, das Obligatorium in der Krankenversicherung auf die Deckung für Spitalaufenthalte zu beschränken. Die Versicherten haben die Möglichkeit, für den Spitalaufenthalt eine Versicherung im Rahmen des KVG oder ausschliesslich nach dem Privatversicherungsrecht abzuschliessen.

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass die benötigte Bettenzahl in den drei Abteilungen Allgemein, Halbprivat und Privat zur Verfügung steht. Für den Aufenthalt einer versicherten Person in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen Spitals erhalten die Kantone von den Versicherungen pro Tag und Person einen Betrag von 250 Franken. Mit diesem wären alle Leistungen des Spitals abgedeckt. Die Versicherten sollen von der Kostenbeteiligung befreit werden. Wenn sich ein Versicherter in einem Privatspital aufhält, wäre die Versicherung verpflichtet, dem Privatspital den gleichen Betrag als Beitrag an die Aufenthaltskosten auszurichten. In seiner Botschaft vom 8. September 1999 (BBl 1999 9679) empfahl der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung. Die eidgenössischen Räte sind diesem Antrag am 24. März 2000 deutlich gefolgt und haben mit nur einer Gegenstimme beschlossen, Volk und Ständen die Ablehnung der Initiative «für tiefere Spitalkosten» zu empfehlen.

d. Volksinitiative «für eine sichere und gesundheitsfördernde Arzneimittel-Versorgung (Arzneimittel-Initiative)» Die Volksinitiative «für eine sichere
und gesundheitsfördernde Arzneimittel-Versorgung (Arzneimittel-Initiative)» (BBl 1999 4355) verlangt vom Bund, im Interesse der öffentlichen Gesundheit die Modalitäten der Vermarktung von Arzneimitteln sowie deren Abgabe an Einzelpersonen durch dazu befugte Gesundheitsfachleute zu regeln. Dabei soll insbesondere jeder Anreiz zu unzweckmässigem, übermässigem oder missbräuchlichem Arzneimittelkonsum verhindert und verboten werden. Der Bundesrat beantragte dem Parlament in seiner Botschaft vom 1. März 2000, die Arzneimittel-Initiative ohne Gegenentwurf abzulehnen. Die Arzneimittel-Initiative steht zur Gesundheitsinitiative insofern in einem Zusammenhang, als letztere den Bund verpflichten will, Zulassungsbestimmungen für die Leistungserbringer zu erlassen, welche zur Abgabe von Arzneimitteln befugt sind. Der Bund hätte dabei mit einem Missbrauchsverbot für eine wirksame Qualitätskontrolle zu sorgen. Der Zusammenhang mit der Gesundheitsinitiative ist aber im Gesamten eher nebensächlich, weshalb die Arzneimittel-Initiative im Rahmen der vorliegenden Botschaft nicht weiter angesprochen wird.

4274

2.3

Laufende oder abgeschlossene KVG-Revisionen

a. Erste KVG-Teilrevision Am 24. März 2000 ist die erste KVG-Teilrevision von den beiden Räten ohne Gegenstimme verabschiedet worden. Sie enthält insbesondere Massnahmen zur Stärkung der Solidarität unter den versicherten Personen. Die Botschaft, welche den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betrifft, wurde vom Bundesrat am 21. September 1998 verabschiedet (BBl 1999 793). Im Rahmen dieser Revision sind für die Jahre 2000­2003 neue jährliche Höchstbeträge für die Prämienverbilligung festgelegt worden (Bundesbeschluss vom 31. Mai 1999).

b. Zweite KVG-Teilrevision Die Botschaft zur nächsten Revisionsetappe (die sog. Spitalfinanzierungsvorlage) wird voraussichtlich noch im laufenden Jahr den Räten überwiesen. Der Bundesrat hat vom 8. März bis 23. April 1999 einen Entwurf für eine Revision der Spitalfinanzierung in die Vernehmlassung geschickt (BBl 1999 793).

2.4

Zwei Aussprachen des Bundesrates über Entwicklungsfragen der Krankenversicherung

Im Rahmen der Ausarbeitung der Botschaft zur Gesundheitsinitiative hat der Bundesrat am 17. November 1999 auf Antrag des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) eine erste Aussprache geführt. Er hat auf Grund dieser Aussprache beschlossen, der Gesundheitsinitiative sei kein Gegenentwurf gegenüberzustellen. Er hat das EDI damit beauftragt, Modelle für eine Verbesserung des Finanzierungssystems der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu prüfen und noch vor dem Entwurf der Botschaft zur Gesundheitsinitiative zu unterbreiten. Er hat dabei entschieden, es sei am heutigen System der Kopfprämien und der Prämienverbilligung im Grundsatz festzuhalten.

Am 6. März 2000 hat der Bundesrat in einer weiteren Aussprache im Rahmen der Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft die ihm vom EDI auf Grund der Ergebnisse der ersten Aussprache unterbreiteten Vorschläge und Fragen diskutiert. Gestützt darauf hat der Bundesrat das EDI beauftragt, die von ihm unterbreiteten Massnahmen im Rahmen der KVG-Revision über die Spitalfinanzierung weiterzuverfolgen und in der Botschaft zur Gesundheitsinitiative eine Analyse des Ist-Zustandes im Sinne einer Gesamtschau der Krankenversicherung und eine Darlegung der hängigen Fragen im Zusammenhang mit der Gesundheitsinitiative vorzunehmen.

Der Bundesrat nimmt die zeitlich zwischen der ersten und der zweiten KVG-Teilrevision liegende Botschaft zur Gesundheitsinitiative also zum Anlass, einerseits im Sinne einer Rückschau das bisher in der Krankenversicherungsreform Erreichte einzugrenzen und es anhand der Zielvorstellungen des KVG-Gesetzgebers zu taxieren.

Anderseits bietet sich die Möglichkeit, denkbare Entwicklungen anzusprechen. Im Sinne der Ergebnisse der Aussprache vom 6. März 2000 werden allerdings konkrete Massnahmen primär in der kommenden Botschaft über die Spitalfinanzierung thematisiert.

4275

3

Der Aufbau der vorliegenden Botschaft

Im Rahmen eines gesonderten Kapitels folgt zunächst eine Gesamtschau über den erreichten Stand der Krankenversicherung (Ziff. 4). Da die Gesundheitsinitiative sehr zentral die Frage der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung thematisiert, nimmt der Bundesrat anschliessend zusätzlich und im Sinne einer Standortbestimmung speziell zur Finanzierungsfrage Stellung (Ziff. 5). Dies geschieht in Form eines Abrisses über die Entwicklung seit der Einführung des KVG (Ziff. 5.4). Danach wird geprüft, inwieweit die Zielvorstellungen der KVG-Botschaft von 1991 bis heute verwirklicht werden konnten (Ziff. 5.5). Schliesslich folgt der Teil, der sich im Wesentlichen mit den Forderungen der Gesundheitsinitiative auseinandersetzt und in dem der Bundesrat seine Haltung dazu erörtert (Ziff. 6).

4

Gesamtschau über den erreichten Stand der Krankenversicherung

4.1

Einführung

In seiner Botschaft über die Revision der Krankenversicherung von 1991 (Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung; BBl 1992 93) nannte der Bundesrat drei Hauptziele, welchen die KVG-Reform zu genügen habe: ­

Verstärkung der Solidarität,

­

Eindämmung der Kosten,

­

Sicherstellung einer qualitativ hoch stehenden Versorgung.

Die Beurteilung der seit dem Inkrafttreten des KVG eingeführten Änderungen und der verschiedenen eingeleiteten Massnahmen soll unter dem Blickwinkel dieser drei Hauptziele erfolgen.

4.2

Verstärkung der Solidarität

Die Verstärkung der Solidarität gehört zu den Hauptzielen der Revision und stellt bei der Ausgestaltung des neuen Krankenversicherungsrechts ein zentrales Anliegen dar. Das KVG sieht eine obligatorische Krankenversicherung mit einer echten Solidarität zwischen Versicherten mit unterschiedlichen Einkommen sowie zwischen Gesunden und Kranken, aber auch Männern und Frauen und den Generationen vor.

4.2.1

Prämienverbilligung

Die Prämienverbilligung ist das wichtigste Instrument zur Herstellung der Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichen Einkommen. Das KVG sieht bei der Grundversicherung eine gezielte Prämienverbilligung für Personen «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» (Art. 65 Abs. 1) vor. Die Prämienverbilligung wirkt, umso mehr als sie durch Steuereinnahmen finanziert wird, als soziales Korrektiv zur einheitlichen Prämie pro Versicherer, die die Finanzkraft der Versicherten nicht berücksichtigt. Zu diesem Zweck gewährt der Bund den einzelnen Kantonen einen Betrag, dessen Höhe von der Wohnbevölkerung, der Finanzkraft und (bis 2001) dem 4276

durchschnittlichen kantonalen Prämienniveau abhängt und von den Kantonen durch eigene Mittel aufzustocken ist. Der Gesamtbeitrag, den die Kantone zu leisten haben, muss mindestens der Hälfte des gesamten Bundesbeitrages entsprechen. Zusammen mit der ersten KVG-Teilrevision hat das Parlament die neuen Bundesbeiträge für die Jahre 2000 bis 2003 bewilligt. Die den Kantonen zur Verfügung gestellten Höchstbeträge steigen jährlich um 1,5 Prozent, womit der Kostenentwicklung und der Finanzlage des Bundes Rechnung getragen wird (die vier Jahresbeiträge belaufen sich auf 2213 Millionen, 2246 Millionen, 2280 Millionen und 2314 Millionen Franken). Die Kantone können die ihnen zustehenden Bundesbeiträge um maximal 50 Prozent kürzen, wenn damit zusammen mit der Ausrichtung ihrer Beiträge das gesetzlich verankerte sozialpolitische Ziel trotzdem erreicht wird.

Im Gesetz wird dieses soziale Ziel nicht näher definiert. In seiner Botschaft von 1991 empfahl zwar der Bundesrat den Kantonen, die Prämienverbilligungen so zu bemessen, dass die Belastung der Haushalte acht Prozent des steuerbaren Einkommens nicht übersteigt. Der Gesetzgeber übertrug dann aber die Ausgestaltung der Prämienverbilligung und damit auch die Festlegung des zu erreichenden Sozialziels auf die Kantone.

Auch in der Vernehmlassungsvorlage zum Neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen wurde diese Frage aufgegriffen. In Anlehnung an andere Sozialversicherungen soll demnach der Bund festlegen, welche Einkommenskategorien Anrecht auf Prämienverbilligungen haben. Berechnet würde der den Kantonen vom Bund zur Verfügung gestellte Gesamtbetrag dabei auf Grund einer (fiktiven) durchschnittlichen Belastung der Haushalte durch die Krankenversicherungsprämien in der Höhe von zum Beispiel 8 Prozent des steuerbaren Einkommens. Die maximale durchschnittliche Belastung würde anschliessend für die einzelnen Kantone verbindlich festgelegt und ergäbe sich aus der Differenz zwischen den Kosten der obligatorischen Grundversicherung im Kanton und dem schweizerischen Durchschnitt.

Für Kantone mit hohen Gesundheitskosten würde dies bedeuten, dass die Belastung für die Versicherten mehr als 8 Prozent des steuerbaren Einkommens beträgt.

Entwicklungen: ­

Im Laufe des ersten Jahres nach der Einführung des KVG mussten verschiedene Anpassungen, insbesondere eine Harmonisierung im Bereich der Ergänzungsleistungen, vorgenommen werden. Dabei galt es zu vermeiden, dass Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, ihren Anspruch verlieren, weil ihnen die Beiträge zur Prämienverbilligung als Einkommen angerechnet werden (Inkrafttreten der Änderung per 1.1.1997).

­

Zur Frage des Kreises der Anspruchsberechtigten hat das Bundesgericht entschieden, die Kantone müssten Saisonniers nicht einbeziehen, weil dafür keine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Mit der ersten KVG-Teilrevision (Art. 65 Abs. 1 KVG) wurde diese Lücke geschlossen, da dem Bundesrat die Kompetenz zugesprochen wurde, den Kreis der Bezugsberechtigten insbesondere auf die Saisonniers zu erweitern.

­

Die bei der Bestimmung der Bundesbeiträge an die einzelnen Kantone mit 35 Prozent gewichtete Berücksichtigung der kantonalen Durchschnittsprämien stiess in den Kantonen der Deutschschweiz auf grossen Widerstand.

Mit Standesinitiativen wurde die Streichung dieses Kriteriums verlangt. Das Parlament hat beschlossen, dem Prämienniveau beim Verteilschlüssel Rech-

4277

nung zu tragen, diese Massnahme jedoch auf sechs Jahre (bis 2001) zu befristen.

­

Da der Gesetzgeber die Ausgestaltung der Prämienverbilligung den Kantonen übertrug und sich die kantonalen Prämienverbilligungssysteme stark unterscheiden, ist schwierig abzuschätzen, ob die Prämienverbilligung das von ihr beabsichtigte Ziel erreicht.

­

Eine im Rahmen eines umfassenden Forschungsprogramms zu den Auswirkungen des KVG im Februar 1999 veröffentlichte Studie (Balthasar, Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 21/98, BSV, Bern) zeigte die positive Auswirkung dieses Instruments zum Erreichen der sozialpolitischen Ziele auf. Aus der Analyse von drei Fallbeispielen in den verschiedenen Kantonshauptorten geht hervor, dass zwar die untersten Einkommenskategorien durch die Prämienverbilligung beträchtlich entlastet werden, dass die Wirkung für den unteren Bereich der mittleren Einkommen, insbesondere für Familien, jedoch häufig unzureichend ist. Die in der Studie aufgeführte Modell-Familie (zwei Erwachsene und zwei Kinder im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, mit einem Bruttoeinkommen von 70 000 Franken und einem Vermögen von 100 000 Franken) muss in zwölf Kantonen (ZH, SZ, OW, GL, BS, BL, AG, TI, VD, NE, GE und JU) für die Prämien mehr als 6 Prozent des verfügbaren Einkommens aufwenden. Dieser Wert entspricht dem Satz von 8 Prozent des steuerbaren Einkommens. Sechs der genannten Kantone (ZH, SZ, OW, GL, BL und AG) schöpfen ihren Anspruch auf die Bundesmittel nicht vollständig aus.

­

Im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision verzichtete der Bundesrat darauf, den unbestimmten Rechtsbegriff der «bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse» im Bundesrecht zu definieren oder den Kreis der Berechtigten einzugrenzen. Zur Abfederung von Härtefällen bei Verbilligungssystemen, die sich auf die Steuererklärung abstützen, werden die Kantone durch die Teilrevision vom 24. März 2000 verpflichtet, bei der Ausrichtung von Prämienverbilligungen die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse der Versicherten zu berücksichtigen. Zudem müssen die Kantone sicherstellen, dass die Beiträge schnell überwiesen werden, damit die Anspruchsberechtigten ihre Prämien nicht vorschussweise zu bezahlen haben.

Schliesslich werden die Kantone dazu angehalten, alle Versicherten regelmässig darüber zu informieren, welche Personen einen Anspruch auf Prämienverbilligung haben.

4.2.2

Risikoausgleich

Um die Solidarität zwischen Kranken und Gesunden zu gewährleisten und die Versicherer davon abzuhalten, sich gegenseitig die «guten Risiken» abzuwerben, hat das KVG einen auf einen Zeitraum von zehn Jahren begrenzten Risikoausgleich zwischen den Versicherern eingeführt. Grundidee war dabei die Wiederherstellung eines Gleichgewichts, das vor der Einführung des KVG durch die gezielte Risikoauswahl gewisser Versicherer gefährdet war, weshalb die Massnahme zeitlich befristet wurde. Der Risikoausgleich beruht auf den Kriterien Alter und Geschlecht und verpflichtet Versicherer mit einer im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt 4278

günstigen Struktur der erwähnten Risiken, einen entsprechenden Beitrag in einen gemeinsamen Fonds zu überweisen, der den Versicherern mit einer durchschnittlich ungünstigen Struktur zugute kommt. 1998 wurde so zwischen den Krankenversicherern ein Betrag von 609 Millionen Franken umverteilt (Geschäftsbericht 1998 der Gemeinsamen Einrichtung KVG).

Entwicklungen: ­

Um Versicherungswechseln möglichst rasch Rechnung zu tragen, stützt sich die Berechnung des Risikoausgleichs seit Inkrafttreten einer entsprechenden Änderung der Verordnung über den Risikoausgleich auf den 1. Januar 1999 auf die provisorischen Daten des Vorjahres ab (und reicht nicht mehr zwei Jahre zurück). Auch werden die Finanzflüsse des Ausgleichsfonds beschleunigt. Die verspäteten Ausgleichszahlungen führten zu einer Wettbewerbsverfälschung zwischen den Versicherern.

­

Weiter wurde im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision die Verzugszinspflicht eingeführt. Damit sollen die Versicherer dazu gebracht werden, ihre Beiträge schneller zu leisten (Art. 18 Abs. 5 zweiter Satz).

­

Im Rahmen der Wirkungsanalyse zum KVG hat eine im Februar 1999 veröffentlichte Studie die positive Rolle dieses Instruments als Mittel gegen eine Entsolidarisierung aufgezeigt (Spycher, Wirkungsanalyse des Risikoausgleichs in der Krankenversicherung, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsberichte Nr. 1/99 und 2/99, BSV, Bern): Es fand eine Annäherung der Prämien der Versicherer statt. Gemäss dem Studienergebnis hat der Risikoausgleich auf die in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anfallenden Gesamtkosten keine ins Gewicht fallenden Auswirkungen. Ebenfalls aufgeworfen wird die Frage, ob für den Risikoausgleich weitere den Gesundheitszustand berücksichtigende Kriterien (Hospitalisierung, Todesfälle) eingeführt werden sollten. Gleichzeitig wird jedoch auch auf damit verbundene Gefahren hingewiesen. Ein vollständiger Kostenausgleich würde die Anreize zu Kosteneinsparungen abschwächen. Schliesslich wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich die unterschiedlichen Risikostrukturen der Versicherten der einzelnen Versicherer entgegen den Erwartungen zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Gesetzes einander nicht angenähert haben und der Risikoausgleich deshalb definitiv im Gesetz verankert werden sollte.

4.2.3

Freizügigkeit (Einheitsprämie und Versicherungsobligatorium)

Im KVG ist der Grundsatz des freien Wechsels des Versicherers als fundamentales Element der Solidarität verankert. Innerhalb eines Versicherers gilt in derselben Prämienregion für alle Versicherten eine von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand unabhängige einheitliche Prämie. Dadurch können die Versicherten den Versicherer ohne Nachteil wechseln. Für Kinder und Jugendliche sind tiefere Prämien vorgesehen. Mit dem Versicherungsobligatorium wird vermieden, dass die «guten Risiken» das System verlassen und ihren Beitrag nicht leisten.

Entwicklungen: ­

Auf Grund der KVG-Teilrevision vom 24. März 2000 dürfen die Versicherer nun für alle Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren auch dann tiefere 4279

Prämien festsetzen, wenn sie nicht mehr in Ausbildung sind (Art. 61 Abs. 3 KVG).

­

Im Rahmen der erwähnten Teilrevision wird ebenfalls gesetzlich verankert, dass die Leistungen für ein gesundes Neugeborenes während des gemeinsamen Spitalaufenthalts von Mutter und Kind durch den Versicherer der Mutter zu übernehmen sind (Art. 29 Abs. 2 Bst. d KVG).

­

Vom Versicherungsobligatorium ausgenommen sind auf Grund der ersten Teilrevision künftig Personen, die während mehr als 60 aufeinander folgenden Tagen Militär- oder Zivildienst leisten und dabei militärversichert sind (Art. 3 Abs. 4 KVG).

­

Als der Krankenversicherer Visana im August 1998 entschied, in acht Kantonen (AI, AR, GE, GL, GR, JU, NE, TG) die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht mehr anzubieten, hat sich gezeigt, dass das Prinzip der vollen Freizügigkeit tragfähig und gut abgestützt ist. Der Rückzug wurde vom EDI unter strengen Auflagen bewilligt. Dazu gehörte insbesondere das Verbot für die Visana, während zehn Jahren in den verlassenen Kantonen die soziale Krankenversicherung zu betreiben. In der Folge suchten 104 000 Versicherte eine neue Krankenkasse. Auf Grund der Bestimmungen des KVG konnten sich diese Versicherten für einen neuen Versicherer entscheiden und mussten von diesem ohne Vorbehalte und unabhängig von Gesundheitszustand, Alter und Geschlecht aufgenommen werden. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen fand selbst einen neuen Versicherer. Die kantonalen Aufsichtsbehörden mussten nur in rund 7000 Fällen tätig werden und Personen platzieren, die noch keinen Versicherer gesucht oder gefunden hatten. Die vom EDI ebenfalls verfügte Pflicht, einen Teil des Vermögens auf die aufnehmenden Versicherer zu übertragen, wurde vom Eidgenössischen Versicherungsgericht mit der Begründung, es lasse sich für eine solche Pflicht keine gesetzliche Grundlage finden, nicht geschützt. Das KVG ist in der Zwischenzeit im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision entsprechend angepasst worden (Art. 13 Abs. 5 KVG).

­

Nachdem ein Versicherer ein Produkt lancierte, mit dem das Risiko einer Wahlfranchise versichert werden konnte («Visana-Limit»), wurde solches im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision für die Zukunft explizit untersagt.

Damit soll eine Entsolidarisierung zwischen den Versicherten vermieden werden. Auf Grund der bei solchen Produkten nach dem Gesundheitsrisiko abgestuften Prämien hätten nur junge und gesunde Versicherte von diesem Angebot profitieren können. Zudem wäre dadurch der kostendämpfende Effekt der höheren Franchise entfallen (Art. 62 Abs. 2bis und 64 Abs. 8 KVG).

­

Im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision wurde zudem die Regelung betreffend den Wechsel des Versicherers vereinfacht. Wenn die Versicherer jeweils im Herbst die Prämien für das neue Jahr bekannt geben, können die Versicherten in Zukunft auch dann innerhalb eines Monats zu einem anderen Versicherer wechseln, wenn die Prämien beim bisherigen Versicherer nicht steigen (Art. 7 Abs. 2 KVG).

­

Ausserdem ist es den Versicherern im Rahmen der ersten Teilrevision neu explizit untersagt, die Kündigung der Krankenpflegeversicherung und der

4280

Zusatzversicherungen zu verknüpfen und eine Kündigung nur für beide gleichzeitig zu gestatten (Art. 7 Abs. 7 und 8 KVG).

4.3

Eindämmung der Kostenentwicklung

Die Kosteneindämmung bildet das zweite Kernziel des KVG. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine ganze Anzahl von Instrumenten geschaffen, die Absprachen unter den verschiedenen Akteuren des schweizerischen Gesundheitswesens begünstigen und diese stärker in die Verantwortung einbinden.

4.3.1

Spitäler

Der Spitalbereich (stationäre und teilstationäre Behandlungen) fällt bei den Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mit rund einem Viertel am stärksten ins Gewicht. Es erstaunt darum kaum, dass die Spitalfinanzierung zwischen den Versicherern und den Kantonen, die sich in diese Aufgabe teilen, stark umstritten ist. Einen Hauptstreitpunkt bildet die Frage einer Beteiligung der Kantone an den Kosten für Patienten, welche sich in privaten oder halbprivaten Spitalabteilungen aufhalten. Gegenwärtig werden die Hospitalisierungskosten einer privat oder halbprivat versicherten Person in deren Wohnkanton vollumfänglich von den Versicherern übernommen. Das KVG regelt dazu nur, dass die Kantone verpflichtet sind, mindestens 50 Prozent der Kosten eines Aufenthalts in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals zu übernehmen (Art. 49 Abs. 1 KVG).

Entwicklungen: ­

Für die Übernahme der Kosten von medizinisch notwendigen ausserkantonalen Spitalbehandlungen (Art. 41 Abs. 3 KVG) stellte sich die Frage, ob der Wohnkanton auch Behandlungen in der halbprivaten und privaten Abteilung mitzutragen habe. In zwei Urteilen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) im Dezember 1997 entschieden, dass die Beitragspflicht des Kantons bei einem ausserkantonalen Spitalaufenthalt unabhängig von der Art der Abteilung eines öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals besteht, soweit das Spital als KVG-Leistungserbringer auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt ist. Das EVG ging dabei davon aus, dass beim Aufenthalt in der halbprivaten oder privaten Abteilung die Kosten vergütet werden, wie wenn sich die versicherte Person in der allgemeinen Abteilung aufgehalten hätte. Wenn ein Spital keine allgemeine Abteilung führt, kommen Referenztarife zum Zuge. Das EVG stützte sich bei diesem Urteil in erster Linie auf die vom anwendbaren Gesetzesartikel verfolgte Zielsetzung, d.h. den Lastenausgleich und die verstärkte Koordination zwischen den Kantonen. Stattfinden soll ein Ausgleich zwischen (kleinen) Kantonen, welche aus gesundheitspolitischen Gründen gewisse stationäre Leistungen nicht anbieten, und Kantonen mit ausgebauter, durch Steuern der Kantonsbevölkerung mitfinanzierter Spitalversorgung.

­

Nicht ausgesprochen hat sich das EVG zur von den Versicherern unverzüglich aufgegriffenen Frage, ob die Kantone auch innerhalb des Kantons einen Beitrag an die Behandlung von Versicherten in der halbprivaten oder priva4281

ten Abteilung entrichten müssen. Diese Frage steht im Zentrum der zweiten KVG-Teilrevision. Die entsprechende Botschaft wird vom Bundesrat voraussichtlich noch dieses Jahr verabschiedet. Die Zeit drängt dabei, denn unter Vermittlung des EDI haben Kantone und Versicherer ein Abkommen geschlossen, das bis zum Vorliegen einer definitiven gesetzlichen Klärung die durch die divergierenden Standpunkte der beiden Parteien entstandene Rechtsunsicherheit beseitigt. Das Abkommen gilt bis zum 31. Dezember 2000 und kann lediglich um ein Jahr verlängert werden. Diese Vereinbarung vom September 1998 sieht im Wesentlichen vor, dass die Kantone weiterhin keine Beiträge an die Finanzierung der Spitalaufenthalte in der privaten oder halbprivaten Abteilung innerhalb des Kantons entrichten, dass sie sich jedoch in Übereinstimmung mit den EVG-Urteilen an der Finanzierung ausserkantonaler Spitalaufenthalte der Kantonsbevölkerung beteiligen. Die Versicherer haben sich verpflichtet, bis zum Vorliegen der definitiven Gesetzesbestimmungen auf weitere rechtliche Schritte zu verzichten.

­

Mit dem im März 1999 in die Vernehmlassung geschickten Entwurf für eine KVG-Teilrevision zur Spitalfinanzierung verfolgte der Bundesrat das Ziel, ein System mit einer eindeutigen Regelung der Beteiligung der Partner an den Leistungen bei Spitalaufenthalten vorzuschlagen, das Verzerrungen beseitigt und Anreize zur Eindämmung der Kosten schafft und nicht lediglich die Kosten vom einen auf einen anderen Finanzierungspartner überwälzt.

­

Die Revisionsvorlage sah deshalb vor, die Rechtsprechung des EVG zu ausserkantonalen Spitalaufenthalten auch bei Spitalbehandlungen innerhalb des Kantons anzuwenden und die Kantone bei allen Patienten 50 Prozent der Spitalkosten übernehmen zu lassen, unabhängig von der Abteilung, in der die Versicherten behandelt werden, und unabhängig von ihrer Versicherungsdeckung, unter der Voraussetzung, dass das Spital auf der Spitalliste des Kantons aufgeführt ist. Mit diesem Vorschlag wird die Anwendung eines wesentlichen Grundsatzes des KVG umgesetzt, wonach ein einheitliches Versicherungssystem mit gleichen Regeln für alle Versicherten zu schaffen ist, da auch die Privatpatienten Beiträge für die Grundversicherung entrichten.

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Die Unterscheidung zwischen allgemeiner und privater Abteilung würde für die Beteiligung der Kantone an den Hospitalisierungskosten keine Rolle mehr spielen. Als zweite Neuerung soll nämlich ein System der Leistungsfinanzierung, das auf im Voraus festgelegten Kosten basiert, das System der Objektfinanzierung ersetzen. Dabei würden nicht mehr die effektiven Kosten vergütet, sondern Leistungen zu im Voraus vereinbarten Preisen, zum Beispiel in Form von Fall- oder Abteilungspauschalen. Kosten, die nicht in der Berechnung der eigentlichen Pflegeleistungen berücksichtigt werden, zum Beispiel die Unterbringung in einem Einzelzimmer, würden getrennt in Rechnung gestellt und durch andere Quellen finanziert (Zusatzversicherungen). Im Hinblick auf gesamtschweizerische Vergleiche und eine einfache Vergütung zwischen den Kantonen sollen die Pauschalen in der ganzen Schweiz auf einer einheitlichen Struktur basieren. All diese Elemente würden zu einer höheren Kostentransparenz beitragen.

­

Sodann soll der neue Lastenausgleich zwischen Kantonen und Versicherern die Kantone im teilstationären Bereich davon abhalten, Pflegeleistungen aus dem stationären Bereich ­ die durch die Kantone subventioniert werden ­ in

4282

den teilstationären Bereich zu verlagern, der allein durch die Versicherer und damit durch die Versicherten getragen wird.

­

4.3.2

Schliesslich wird die Spitalplanung weiter an Bedeutung gewinnen, da die Kantone neu verpflichtet sind, Spitalaufenthalte in allen auf der Spitalliste aufgeführten Einrichtungen zu finanzieren. Die Kantone hatten ihre Spitalplanung bis zum 1. Januar 1998 einzureichen. Mit diesem Instrument des KVG sollen Überkapazitäten im stationären Bereich abgebaut werden. Auf Grund der sehr unterschiedlichen Zeithorizonte von 2000 bis 2010 und wegen verschiedener hängiger Beschwerdeverfahren konnten einige Spitalplanungen ihre Wirkung noch nicht voll entfalten. Eine bessere Kostentransparenz und damit eine Vergleichbarkeit soll ferner dadurch erreicht werden, dass Spitäler und Pflegeheime ihre Kosten und Leistungen nach einheitlicher Methode zu ermitteln haben (Art. 49 Abs. 6 KVG). Der Erlass der entsprechenden Verordnung durch den Bundesrat steht derzeit noch aus.

Tarifstrukturen für die ganze Schweiz («Transparenz»)

Die Tarife und Preise werden grundsätzlich in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart. Nach Artikel 43 Absatz 5 KVG müssen Einzelleistungstarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen. Anhand dieser Struktur wird der abstrakte Wert der einzelnen Leistungen in Taxpunkten sowie das Verhältnis zwischen den Werten der einzelnen Leistungen bestimmt. Können sich die Tarifpartner nicht einigen, muss der Bundesrat diese Tarifstruktur festlegen. Der Taxpunktwert und damit der Endpreis einer Leistung wird jedoch zwischen den Tarifpartnern auf kantonaler Stufe vereinbart und kann je nach Kanton unterschiedlich hoch sein. Für verschiedene Leistungserbringer sind bereits gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstrukturen in Kraft. Diese betreffen die Hebammen, die Ernährungsberater/innen, die Physiotherapeut/innen und die Krankenpflege und Hilfe zu Hause.

Keine gesamtschweizerische Struktur liegt hingegen für den kostenmässig grössten Bereich der Arzttarife vor. Die gegenwärtige Situation ist unbefriedigend: Einerseits bestehen 26 verschiedene kantonale Tarife, andererseits sind Lohnunterschiede zwischen spezialisierten und allgemein praktizierenden Ärztinnen und Ärzten festzustellen. Dabei werden technische Leistungen im Allgemeinen überbewertet, während zeitaufwendige Leistungen wie zum Beispiel ein Gespräch zwischen Arzt und Patient ungenügend entlöhnt werden. Die einheitliche Tarifstruktur ist zwar vom Gesetz verlangt, die Ausgestaltung wird jedoch durch die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten erschwert. Seit mehr als zehn Jahren diskutieren die Tarifpartner (Verbindung der Schweizer Ärzte FMH, H+ Die Spitäler der Schweiz, Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer und SUVA) über eine neue Arzttarifstruktur, zuerst unter dem Namen GRAT, jetzt unter dem Begriff TarMed. Mittel- und längerfristig kann wegen der entstehenden Transparenz sowie auf Grund der Aufwertung der intellektuellen Leistung gegenüber der technischen Tätigkeit erwartet werden, dass die neue Regelung tendenziell kosteneindämmend wirkt. Sollten die Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern scheitern, wäre der Bundesrat gezwungen, selbst eine Tarifstruktur zu erlassen.

4283

4.3.3

Spitex und Pflegeheime

In der Einführungsphase des KVG wurde in den Bereichen Spitex und Pflegeheime eine ungenügende Kostentransparenz festgestellt. Nach Artikel 43 Absatz 7 KVG kann der Bundesrat Grundsätze für eine wirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Tarifstruktur aufstellen. Gestützt auf diesen Artikel hat das EDI in der KLV einen Rahmentarif festgelegt (Art. 9a KLV).

4.3.4

Arzneimittel

Im Bereich der Arzneimittel hat der Bund weit reichende Kompetenzen. Das BSV erstellt nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission die Spezialitätenliste (SL), welche abschliessend die zum Grundangebot gehörenden und durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergütenden Arzneimittel enthält und deren Preise festlegt. Die bestehenden Regelungen in Gesetz und Verordnung erlauben, neue «lebenswichtige» Arzneimittel innert kürzester Frist in die SL aufzunehmen. So konnte das BSV 1996 durch ein beschleunigtes Verfahren neue Medikamente gegen Aids bereits einige Monate nach der Zulassung in die SL aufnehmen.

Der Bund nutzt auch alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um die Preise der Arzneimittel zu senken. Diese machen gegen 20 Prozent der Kosten zu Lasten der Krankenversicherung aus. Mit der Einführung des KVG wurden neue Vorschriften zur Festlegung der Preise von kassenpflichtigen Arzneimitteln erlassen, um eine Überprüfung der Preise älterer Arzneimittel zu ermöglichen. Dabei wurde die Preisschutzfrist von 30 auf 15 Jahre gesenkt (hingegen ist zur Bestimmung der Preise für neue Arzneimittel eine Innovationsprämie enthalten).

Entwicklung: ­

Bei der Überprüfung im Hinblick auf eine Preissenkung wurden die Preise von Arzneimitteln mit denjenigen in drei europäischen Referenzländern verglichen. Unmittelbar nach der Bekanntgabe von Preisänderungen durch das BSV reichten jedoch mehrere Hersteller und Importeure von Arzneimitteln Beschwerden ein, was den Preisanpassungsprozess zunächst verzögerte.

Nach langen Verhandlungen zwischen den Bundesbehörden und der pharmazeutischen Industrie wurde eine Einigung erzielt, mit der ein Ausweg aus der seit 1996 blockierten Situation gefunden werden konnte. Die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vereinbarung sieht vor, dass der Auslandpreisvergleich künftig auf der Basis der Fabrikabgabepreise durchgeführt wird. Im Vergleich zu den Durchschnittspreisen der drei Vergleichsländer (Deutschland, Niederlande und Dänemark) werden die Kostendifferenzen nicht vollumfänglich korrigiert. Im Gegenzug verpflichtete sich die pharmazeutische Industrie, alle hängigen Beschwerden zurückzuziehen. Die Preissenkungen für die betroffenen Arzneimittel werden auf rund 18 Prozent geschätzt, was einem Betrag von jährlich 220 Millionen Franken entspricht.

­

Zur Förderung der Abgabe günstigerer Generika wird mit der ersten KVGRevision ein Substitutionsrecht der Apotheken in das Gesetz aufgenommen.

Neu können diese Originalpräparate der Spezialitätenliste durch die billigeren Generika dieser Liste ersetzt werden, wenn nicht die verschreibende Person ausdrücklich die Abgabe des Originalpräparates verlangt (Art. 52a neu KVG).

4284

­

Da die Einnahmen der Apotheken von den Arzneimittelpreisen abhängen, besteht heute ein Anreiz, besonders viele und teure Arzneimittel abzugeben.

Mit der ersten Teilrevision wird ein Abgeltungsmodell für Apotheken eingeführt, bei dem die Beratungsleistung der Apotheken und selbstdispensierenden Ärzte und Ärztinnen von den Medikamentenkosten getrennt und neu nach Tarifen vergütet werden (Art. 25 Abs. 2 Bst. h KVG). Die entsprechenden Ausführungsbestimmungen wird der Bundesrat noch im laufenden Jahr erlassen.

­

Das neue Heilmittelgesetz soll zudem unter gewissen Voraussetzungen den Parallelimport von Arzneimitteln erlauben. Dies wird zur Folge haben, dass günstigere ausländische Medikamente auf den Schweizer Markt kommen können. Die entsprechende Gesetzesanpassung ist vom Nationalrat als Erstrat am 8. März 2000 entschieden worden.

­

Der Anteil der Laboranalysen macht zwar einen geringeren Teil der Gesamtkosten aus, fällt jedoch ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Auf der Grundlage von Empfehlungen der Wettbewerbskommission und des Preisüberwachers hat das EDI ab dem 1. Oktober 1997 eine lineare Kürzung von 10 Prozent des Tarifs für die 50 häufigsten Analysen beschlossen.

4.3.5

Kostenbeteiligung der Versicherten

Im Sinne einer minimalen Kostenbeteiligung entrichten erwachsene Versicherte jährlich eine Franchise und einen Selbstbehalt von 10 Prozent der Kosten, die über die Franchise hinausgehen, bis höchstens 600 Franken pro Kalenderjahr.

Mit den wählbaren Franchisen sollen die Versicherten zu einem bewussteren Bezug von Leistungen angeregt und eventuell dazu bewogen werden, auf gewisse Leistungen zu verzichten oder sie jedenfalls zurückhaltender in Anspruch zu nehmen. Personen, die sich für solche besondere Versicherungsformen entscheiden, verpflichten sich, einen grösseren Teil der verursachten Kosten zu übernehmen. Im Gegenzug gewähren ihnen die Krankenkassen einen Prämienrabatt, unabhängig davon, ob sie Leistungen in Anspruch nehmen oder nicht.

Entwicklungen: ­

Damit sich die Kostenentwicklung nicht nur auf die Prämien auswirkt, hat der Bundesrat die Grundfranchise ab dem 1. Januar 1998 von 150 auf 230 Franken erhöht (Art. 103 Abs. 1 KVV).

­

Seit Inkrafttreten des KVG werden den Versicherten mit wählbaren Franchisen durch die Mehrzahl der Versicherer Prämienrabatte gewährt, die ab einer gewissen Höhe der Grundprämie das maximale Kostenrisiko der Versicherten teils stark übersteigen. Zur Vermeidung solcher ungerechtfertigter Spareffekte hatte der Bundesrat bereits 1997 eine Senkung der maximalen Rabatt-Prozentsätze für Wahlfranchisen angeordnet (Anpassung von Art. 95 KVV per 1.1.1998).

­

Diese Massnahme erwies sich jedoch als unzureichend. Der Bundesrat hat darum am 23. Februar 2000 für den 1. Januar 2001 eine erneute Anpassung des Rabattsystems der Wahlfranchisen beschlossen. Künftig ist es damit den

4285

Versicherern untersagt, Prämienrabatte zu gewähren, die das maximale zusätzliche Risiko der Versicherten mit einer Wahlfranchise übersteigen. Ohne diese Korrektur müssten die Versicherer dadurch bedingte Mindereinnahmen auf die Prämien abwälzen, womit die Versicherten mit einer ordentlichen Franchise benachteiligt würden. Im Übrigen haben die Versicherer neu die Möglichkeit, die Prämienrabatte regional abzustufen (Anpassung von Art. 95 KVV: Einfügung von Abs. 1bis und Streichung von Abs. 3).

4.3.6

Die besonderen Versicherungsformen (HMO, Hausarztmodelle)

Bei den besonderen Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer (HMO, Hausarztmodelle) ist eine kontinuierliche Zunahme der Anzahl Versicherten zu beobachten. Insgesamt bleibt der Anteil jedoch gering. Wie gross der Einfluss auf die Kosteneindämmung ist, kann zur Zeit noch nicht mit Sicherheit beurteilt werden.

4.3.7

Zulassungsbeschränkung für Leistungserbringer

Im Rahmen der Beratungen zur ersten KVG-Teilrevision hat das Parlament die Möglichkeit diskutiert, als ausserordentliche Massnahme zur Kosteneindämmung eine Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern vorzusehen. Es hat eine solche befristete Möglichkeit neu ins Gesetz aufgenommen (Art. 55a neu KVG).

Dieses gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, die Zulassung neuer Leistungserbringer zur Tätigkeit zu Lasten der sozialen Krankenversicherung für eine bis zu drei Jahren befristete Zeit von einem Bedürfnis abhängig zu machen. Die Kriterien zur Definition des Bedürfnisses werden vom Bundesrat festgelegt. Vor der Einführung einer solchen Zugangsbeschränkung sind aber die Kantone und die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer anzuhören. Die Kantone bestimmen die von dieser Massnahme betroffenen Kategorien von Leistungserbringern.

4.3.8

Kontrahierungszwang

Ebenfalls im Rahmen der Beratungen zur ersten KVG-Teilrevision hat das Parlament eine Motion verabschiedet, die eine Abschaffung der heute geltenden Regelung verlangt, wonach die Versicherer mit allen zur Grundversicherung zugelassenen Leistungserbringern zusammenarbeiten müssen (Kontrahierungszwang). Mittelbis langfristig sollte mit der Einführung dieses wettbewerblichen Elements die Anzahl der Leistungserbringer und damit auch die Menge der erbrachten Leistungen beschränkt werden können. Der Bundesrat wurde damit beauftragt, für die zweite Teilrevision des KVG eine entsprechende Bestimmung auszuarbeiten.

4.3.9

Prämienkontrolle

Mit dem Versicherungsobligatorium und der Pflicht, die entsprechenden Prämien zu bezahlen, kommt der Prämienkontrolle und Prämiengenehmigung der Krankenver4286

sicherung, die dem BSV obliegt (Art. 21 KVG), eine wichtige Bedeutung zu. Mit dieser Prüfung soll zum einen die finanzielle Sicherheit der Versicherer gewährleistet werden. Dazu werden die Kriterien Zahlungsfähigkeit und gesetzliche Reserven herangezogen. Die Prämienkontrolle soll aber auch dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Versicherten Rechnung tragen, insbesondere in Bezug auf die nach den kantonalen Kostenunterschieden abzustufenden Prämien. Um sicherzustellen, dass die Prämien korrekt und transparent berechnet werden, muss das BSV auch die Plausibilität der Annahmen zur Kostenentwicklung beurteilen, auf die sich die Versicherer bei Prämienerhöhungen stützen.

Entwicklungen: ­

Seit dem Inkrafttreten des KVG per 1. Januar 1996 wurde das Kontrollverfahren von Jahr zu Jahr angepasst und verbessert. Dabei entwickelte sich insbesondere eine regelmässige Zusammenarbeit des Bundes mit den Kantonen und zwischen den Kantonen und den Versicherern. Die Kantone können bei den Versicherern auf Grund einer auf den 1. Juli 1999 in Kraft getretenen KVG-Änderung die gleichen amtlichen Dokumente einholen, die von der Bundesbehörde für die Genehmigung der Prämientarife benötigt werden.

Sie dürfen allerdings diese Unterlagen nur dazu verwenden, eine Stellungnahme an den Bund zu erarbeiten oder die Versicherten über die Rechtfertigung der genehmigten Prämien zu informieren (Art. 21a KVG).

­

Damit das BSV seiner Kontrollaufgabe möglichst effizient nachkommen kann, wurde in der ersten KVG-Teilrevision explizit verankert, dass das BSV bei den Versicherern direkt intervenieren kann und Ordnungsbussen aussprechen darf, wenn diese Widerhandlungen gegen Bestimmungen des KVG begehen (Art. 93a KVG).

­

Um aus versicherungstechnischen Gründen nicht notwendige Prämienerhöhungen zu verhindern, hat der Bundesrat mit einer Anpassung der KVV per 1. Januar 1998 den Versicherern mit über 250 000 Versicherten bewilligt, den Mindestsatz der Vermögensreserve von 20 auf 15 Prozent des Prämiensolls zu senken (Art. 78 Abs. 4 KVV).

­

Schliesslich wird mit der ersten KVG-Teilrevision auch eine Vereinheitlichung der Prämienregionen sämtlicher Versicherer eingeführt. Das BSV erhält die Kompetenz, die Regionen für sämtliche Versicherer einheitlich festzulegen. Bisher konnten die Versicherer die Regionen frei bestimmen, was sowohl Prämienvergleiche durch die Versicherten als auch die Kontrolle der Prämientarife durch das BSV erschwerte (Art. 61 Abs. 2 KVG).

4.3.10

Globalbudget im ambulanten Bereich

Das Fehlen geeigneter Massnahmen zur Kosteneindämmung auf kantonaler Stufe im ambulanten Bereich blieb nicht ohne Folgen: Seit der Einführung des KVG hatte dieser Bereich jedes Jahr die grösste Kostensteigerung zu verzeichnen. Während die Kantone die Kostenentwicklung im stationären Bereich mit beeinflussen (Spitalplanung, Globalbudgets), können sie im ambulanten Bereich lediglich dann eingreifen, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen. In der Botschaft über die erste Teilrevision des KVG vom 21. September 1998 schlug der Bundesrat vor, den Kantonen die Kompetenz einzuräumen, ein Globalbudget für den ambulanten und teilstationären 4287

Bereich zu erlassen. Das Parlament hat diesen Vorschlag zur Behandlung im Rahmen der zweiten KVG-Teilrevision zurückgestellt.

4.4

Qualitativ hoch stehende Leistungen

Ein Kernziel des KVG besteht darin, allen Versicherten den Zugang zu einer qualitativ hoch stehenden medizinischen Versorgung zu verschaffen. Dies wird durch das allgemeine Versicherungsobligatorium und das Vorschreiben eines einheitlichen Leistungskatalogs für alle Versicherten sichergestellt.

Mit der Einführung des KVG wurde der Leistungskatalog erweitert. Neu aufgenommen wurden Leistungen, die für eine qualitativ hoch stehende Grundversorgung als notwendig erachtet werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Übernahme der Kosten gewisser Präventionsmassnahmen sowie für Leistungen der Spitex und der Pflegeheime. Ferner ist die unter dem früheren Recht bestehende zeitliche Begrenzung der Kostenübernahme bei Spitalaufenthalten weggefallen.

Der einheitliche Leistungskatalog des KVG trägt zu einer höheren Transparenz bei, da die Prämien verschiedener Versicherer verglichen werden können. Vor der Einführung des KVG konnten die Versicherer Leistungen, die nicht im Leistungskatalog enthalten waren, auf freiwilliger Basis zusätzlich vergüten.

Im KVG wird davon ausgegangen, dass alle Leistungen von Ärzt/innen (sowie von Chiropraktor/innen) durch die Krankenpflegeversicherung übernommen werden.

Diese Leistungen sind aber nicht abschliessend ­ etwa im Sinne einer Positivliste ­ aufgeführt. Das EDI ist befugt, umstrittene Leistungen zu bezeichnen, die nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen vergütet werden. Demgegenüber werden in der Hilfsmittelliste, in der Analysenliste und in der Spezialitätenliste (Arzneimittel) die obligatorisch zu vergütenden Leistungen abschliessend aufgezählt. Dies gilt auch für Leistungen im Bereich der Präventivmedizin.

Entwicklungen: ­

4288

Das Zulassungsverfahren für neue Leistungen fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes und hat mit der Einführung des KVG noch an Bedeutung gewonnen. Die regelmässige Anpassung des Leistungskatalogs ist im Hinblick auf eine qualitativ hoch stehende Grundversicherung unabdingbar. Bei der Zulassung neuer Leistungen gilt es jedoch sowohl den medizinischen Fortschritten als auch den Bemühungen zur Kosteneindämmung Rechnung zu tragen. Die Leistungskommission, der Fachpersonen aller betroffenen Bereiche angehören, hat die schwierige Aufgabe, die Berechtigung neuer Leistungen zu prüfen. Dabei stützt sie sich auf die drei im Gesetz festgehaltenen Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 KVG). Anschliessend überweist die Kommission ihre Empfehlungen an das EDI, das schliesslich entscheidet. Es zeigte sich bald, dass das enorme Arbeitsvolumen, das die Mitglieder der Kommission zu bewältigen haben, den Prozess lahm zu legen drohte. Deshalb wurde beschlossen, die Kommission ab dem 1. Januar 1998 zu restrukturieren. Neu geschaffen wurde die Eidgenössische Kommission für Grundsatzfragen, welche die beiden bereits bestehenden spezialisierten Kommissionen (Kommission für allgemeine Leistungen und Arzneimittelkommission) sowie zwei weitere spezialisierte Kommissionen (Analysenkommission und Kommission für Mittel und Gegen-

stände) koordiniert. Diese Neuordnung brachte zudem eine bessere Vertretung der Versicherten, der Komplementär- und der Präventivmedizin.

Die Schaffung einer Kommission für Grundsatzfragen, die sich mit allgemeinen Themen wie Ethik und Datenschutz befasst, dient auch als Diskussionsforum für Fragen, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit besonderes Interesse finden (Übernahme der Kosten sehr teurer Medikamente wie Novoseven oder von «Lifestyle-Medikamenten» wie Viagra, Xenical).

Die Zulassung neuer Leistungen zu Lasten der Grundversicherung durch das EDI ist eine Gratwanderung. Ein Element zur Beurteilung bildet immer eine Schätzung der durch die neuen Leistungen zu erwartenden Kosten. Neben den gesetzlich festgelegten Kriterien kann das EDI auch Bedingungen für die Zulassung neuer Leistungen aufstellen, zum Beispiel eine zeitliche Beschränkung oder die Bedingung, dass die Behandlung nur von speziell ausgebildeten Leistungserbringern durchgeführt werden darf. Dies ist bei den fünf neuen Disziplinen der Komplementärmedizin der Fall, die seit dem 1. Juli 1999 vergütet werden. Behandlungen in den Gebieten anthroposophische Medizin, chinesische Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie und Phytotherapie wurden vorerst für eine beschränkte Dauer von sechs Jahren in den Leistungskatalog aufgenommen. Eine erste Beurteilung wird nach drei Jahren, also im Jahre 2002, stattfinden. Das dabei verwendete Modell wurde mit Fachpersonen aus der Komplementärmedizin erarbeitet und von der Eidgenössischen Fachkommission für allgemeine Leistungen gutgeheissen. Zudem werden diese Behandlungen nur dann vergütet, wenn sie von Ärzt/innen mit entsprechender und anerkannter Weiterbildung durchgeführt werden.

­

Im Sinne einer modernen Gesundheitspolitik wurde der Bereich der Prävention ins KVG aufgenommen und der Leistungskatalog mit verschiedenen Massnahmen im präventiven Bereich ergänzt. Mit der Stiftung für Gesundheitsförderung (Stiftung 19) wurde die gesetzlich vorgesehene Institution errichtet, über welche Versicherer und Kantone gemeinsam Massnahmen zur Förderung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten anregen, koordinieren und evaluieren (Art. 19 KVG).

5

Die Analyse der Finanzierungsfrage der sozialen Krankenversicherung

5.1

Einleitende Bemerkungen

Wie eingangs unter Ziffer 2.4 erwähnt, nimmt der Bundesrat die vorliegende Botschaft zum Anlass, im Sinne einer Standortbestimmung speziell zur Finanzierungsfrage Stellung zu nehmen. Die Gesundheitsinitiative geht die Finanzierungsfrage der sozialen Krankenversicherung von zwei Seiten her an: Von der Seite der Einnahmen der Krankenversicherer und von der Seite der Kosteneindämmung. Die Gesundheitskosten sollen in Teilbereichen anders finanziert, zum Teil auch anders verteilt werden. Die Gesundheitsinitiative bringt Finanzierungsalternativen über einkommensabhängige Prämien und durch Mehrwertsteuererträge ins Spiel. Die Gesundheitskosten sollen eingedämmt, die Anreize zur Kostendämpfung verstärkt und damit die Ausgaben der Krankenversicherer gedämpft werden. Bei der Beurteilung

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von Finanzierungsfragen im Gesundheitswesen haben jeweils Überlegungen zu den zwei eben genannten Teilbereichen einzufliessen.

Zunächst werden die einzelnen Komponenten der heutigen Finanzierungsordnung der sozialen Krankenversicherung dargestellt. Die Finanzierung wird dann im Kontext der Finanzierung sämtlicher Sozialversicherungen beleuchtet, wobei an die am 2. Februar 2000 den eidgenössischen Räten überwiesene Botschaft zur 11. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung und die mittelfristige Finanzierung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (BBl 2000 1865) angeknüpft wird. Es folgt ein Abriss über die Entwicklung seit der Einführung des KVG. Danach wird geprüft, inwieweit die Zielvorstellungen der KVG-Botschaft von 1991 bis heute verwirklicht werden konnten.

Die nachfolgenden Ausführungen überschneiden sich teilweise mit Hinweisen in der Gesamtschau des vorangehenden Kapitels oder mit Darlegungen weiter hinten zur Gesundheitsinitiative. Sofern es aus Gründen der Verständlichkeit nötig ist, kommt es dabei teilweise zu Wiederholungen. Soweit möglich wird aber lediglich verwiesen.

5.2

Die einzelnen Komponenten der heutigen Finanzierungsordnung der sozialen Krankenversicherung

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird heute über ein System einer gemischten Finanzierung aus Beiträgen der Privathaushalte und aus Steuermitteln finanziert. Die detaillierten Zahlen zum Umfang und zur Entwicklung der einzelnen Posten finden sich in den Tabellen 1 und 2 im Anhang dieser Botschaft (nachfolgend kursiv jeweils die Angaben für das bezeichnete Jahr in Millionen Franken): ­

(Kopf-)Prämien der Versicherten (1998: 12 604): Jede versicherte Person schuldet ab Geburt eine Prämie. Die Prämie muss bis zum Alter 18 und darf bis zum Alter 25 (Personen in Ausbildung) reduziert werden. Sonst dürfen weder Alter noch Geschlecht, Gesundheitszustand oder finanzielle Leistungsfähigkeit bei der Prämienfestsetzung eine Rolle spielen. Die Prämienhöhe muss innerhalb desselben Krankenversicherers in einem Kanton und einer Region für alle Erwachsenen gleich hoch sein (Art. 61 KVG). Ein solches System wird vereinfachend als «Kopfprämiensystem» bezeichnet.

­

Kostenbeteiligungen der Versicherten (1998: 2097): Die Versicherten beteiligen sich an den Kosten der für sie erbrachten Leistungen in dreifacher Weise: Als Erwachsene tragen sie zunächst eine ordentliche Franchise von 230 Franken oder eine freiwillige höhere Franchise selbst. Darüber hinaus bezahlen sie einen Selbstbehalt von 10 Prozent. Er ist auf 600 Franken pro Kalenderjahr bei Erwachsenen und auf 300 Franken bei Kindern begrenzt.

Mehrere Kinder einer Familie haben zusammen höchstens die Franchise und den Höchstbetrag des Selbstbehaltes für eine erwachsene Person zu entrichten (Art. 64 KVG). Die Versicherten leisten zudem einen nach der finanziellen Belastung der Familie abgestuften Beitrag an die Kosten des Aufenthalts im Spital (Art. 64 Abs. 5 KVG). Er beträgt nach Artikel 104 Absatz 1 KVV 10 Franken pro Spitaltag. Den Beitrag haben im Wesentlichen nur Personen ohne Unterstützungspflichten zu entrichten.

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Prämienverbilligungsbeiträge durch Bund und Kantone (1998: 2491): Die Kantone verbilligen die Prämien für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie sind im Vollzug weitgehend frei. Durch einfachen Bundesbeschluss werden auf vier Jahre hinaus die jährlichen Beiträge festgelegt. Gleichzeitig wird der Betrag fixiert, um welchen die Kantone die Bundesbeiträge zu ergänzen haben. Den Kantonen wird die Möglichkeit eingeräumt, den von ihnen zu übernehmenden Betrag um maximal 50 Prozent zu kürzen. Der Bundesbeitrag wird ebenfalls entsprechend gekürzt (Art. 65 und 66 KVG).

­

Subventionierung von stationären Leistungen durch die Kantone (1998: 4897): Die Kantone sind verpflichtet, die in öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern entstehenden laufenden Betriebskosten der Patienten/innen der allgemeinen Abteilung zu mindestens 50 Prozent aus Steuergeldern zu decken (Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG). Die Kantone sind ebenfalls verpflichtet, diesen Beitrag auch für die halbprivat und privat versicherten Kantonseinwohner/innen zu bezahlen, welche aus medizinischen Gründen oder in Notfällen ausserhalb des Kantons in Spitalpflege sind. Für die halbprivat und privat versicherten Personen, welche innerhalb des Kantons stationär gepflegt werden, entfällt bis Ende 2000 auf Grund eines «Stillhalteabkommens» zwischen der Mehrzahl der Krankenversicherer und sämtlichen Kantonen der Subventionsbetrag des Kantons, falls solche Versicherte nicht in der allgemeinen Abteilung liegen.

­

Bereitstellung von Infrastrukturen durch die Kantone und Gemeinden (1996: 745): Kantone und Gemeinden finanzieren (teilweise) den Bau von Spitälern und Pflegeeinrichtungen direkt. Weiter kommen sie auch (teilweise) für die (grösseren) laufenden Infrastrukturanschaffungen auf.

­

Kapitalerträge und übrige Erträge (1998: 331): Zu den bisher erwähnten Hauptfinanzierungsquellen kommen die Kapitalerträge aus Reserven und Rückstellungen und die Erträge von Anlagevermögen der Versicherer hinzu, denen in einem umlagefinanzierten System allerdings eher untergeordnete Bedeutung zukommt.

­

Risikoausgleich (Umverteilung 1998: 609): Zwischen den Krankenversicherern existiert ein Risikoausgleich, welcher über Prämieneinnahmen bei den Versicherern finanziert wird (Art. 105 KVG). Damit werden Kosten zwischen Krankenversicherern, welche überdurchschnittlich viele teure Versicherte aufweisen, und solchen, welche in der umgekehrten Situation sind, umverteilt. Der Risikoausgleich ist keine Komponente der Finanzierung der Krankenversicherung als Gesamtes, wohl aber für die Finanzierung der einzelnen Versicherer, denen damit Einnahmen zu- oder abfliessen. Für die Umverteilung spielt ausschliesslich die Verteilung der Versicherten nach Altersklassen und Geschlecht eine Rolle. Der Berechnungsmodus des Risikoausgleichs führt dazu, dass die Summe der Abgaben an den Ausgleichsfonds den Beiträgen aus demselben entsprechen. 1998 wurde im Rahmen des Risikoausgleichs zwischen den Krankenversicherern ein Betrag von 609 Millionen Franken umverteilt (Geschäftsbericht 1998 der Gemeinsamen Einrichtung KVG).

4291

5.3

Die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung im Kontext der Finanzierung aller Sozialversicherungen

Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 2. Februar 2000 über die 11. AHV-Revision die finanzielle Konsolidierung der Sozialversicherungen als prioritäres Ziel dargestellt. Er geht davon aus, dass sich für die Krankenversicherung das durch den medizinischen Fortschritt verursachte, zusätzlich zur Lohn- und demografischen Entwicklung bedingte Kostenwachstum durch die bisher eingeleiteten Massnahmen zur Kosteneindämmung in den Jahren 2000­2003 auf 2 Prozent, in den Jahren 2004­ 2010 auf 1,2 Prozent und ab 2011 auf 0,5 Prozent begrenzen lässt. Diese Einschätzung müsste angepasst werden, falls einzelne oder alle neben der Gesundheitsinitiative hängigen Volksinitiativen ­ «für eine freie Arzt- und Spitalwahl», «für tiefere Spitalkosten» und «für tiefere Arzneimittelpreise» ­ vom Volk angenommen würden, weil dadurch tendenziell Mehrkosten für die Krankenversicherung zu erwarten sind. Der Bundesrat ging in der Botschaft zur 11. AHV-Revision für die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung bezogen auf das Jahr 2000 von einem Mehrbedarf von 3,5 Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten im Jahr 2025 aus. Bei der Deckung des Finanzierungsmehrbedarfs der Krankenversicherung steht aber für den Bundesrat die Finanzierung mittels Krankenversicherungsprämien im Vordergrund.

Die Darstellung des Mehrbedarfes unter Ziffer 1.1.3.2 der Botschaft zur 11. AHVRevision erfolgte deshalb für die Krankenversicherung ausdrücklich lediglich zu dem Zweck in Mehrwertsteuer-Äquivalentprozentpunkten, dass eine gemeinsame Vergleichsbasis für alle Sozialversicherungszweige geschaffen wird.

5.4

Die finanzielle Entwicklung seit der Inkraftsetzung des KVG 1996

Im schweizerischen Gesundheitswesen sind gegenwärtig gegen 40 Milliarden Franken Kosten pro Jahr zu finanzieren (1996 36,96 Mia. Fr.; Bundesamt für Statistik, Kosten des Gesundheitswesens, S. 36, 1998). Damit werden die Gesamtkosten des Gesundheitssystems abgedeckt. Darin eingeschlossen sind somit beispielsweise auch staatliche Ausgaben für Verwaltung und Prävention oder Ausgaben der Privathaushalte für nicht gedeckte Leistungen wie zahnmedizinische Leistungen oder Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung.

Die Finanzierung des Gesundheitswesens erfolgt in einem bedeutenden Mass über die Krankenversicherung: 1996 finanzierten die Krankenkassen (Grund- und Zusatzversicherung) Leistungen in der Höhe von rund 18 Milliarden Franken, was gegen 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachte. 1985 betrug der Anteil der Krankenkassen erst 40 Prozent (BFS-Statistik, a.a.O., S. 38).

Während die Gesamtkosten von 1996 einem Anteil von etwas mehr als 10 Prozent des BIP (BFS-Statistik, a.a.O., S. 7) entsprechen, können die eigentlichen Grundversorgungskosten im Sinne des KVG auf knapp über 5 Prozent des BIP geschätzt werden. Unter die Grundversorgungskosten im Sinne des KVG werden die Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und die kantonale Subventionierung der öffentlichen Spitäler subsumiert.

4292

Ein Anteil von 5 Prozent des BIP ist ­ auch im internationalen Vergleich ­ für eine qualitativ hoch stehende medizinische Versorgung als eher tiefer Wert zu betrachten.

Aus den Tabellen 1 und 2 im Anhang geht Folgendes hervor: ­

Die Hauptlast der Finanzierung liegt heute mit knapp zwei Dritteln auf den Kopfprämien und den Kostenbeteiligungen der Versicherten.

­

Gleichzeitig zeigt sich, dass die Finanzierungslast der privaten Haushalte von 1992 bis 1996 (Übergang zum KVG) deutlich zugenommen hat. Dies ist ausschliesslich auf den Rückgang der proportionalen Kantonsbeiträge zurückzuführen. Wenn die kantonalen öffentlichen Haushalte 1998 denselben Anteil übernommen hätten wie 1992, dann hätten sie zusätzlich Kosten im Umfang von 1,3 Milliarden Franken von den Privathaushalten übernehmen müssen.

­

1998 nahm der Anteil der öffentlichen Haushalte (Bund und Kantone) wieder leicht zu. Dieser Effekt ist auf die erhöht ausbezahlten Prämienverbilligungen zurückzuführen.

­

Der Anteil der Kantone an der Finanzierung der Spitäler (Subventionen) ging auch im Jahr 1998 wieder zurück ­ in Fortsetzung des im letzten Jahrzehnt beobachteten Trends (Bundesamt für Statistik, Der Einfluss des neuen Krankenversicherungsgesetzes auf die Finanzierung des Gesundheitswesens, Neuenburg 2000).

Weil die Veränderung im Bereich der öffentlichen Haushalte ausschliesslich auf die Zunahme der Prämienverbilligungsbeiträge zurückzuführen ist, muss bei weiter steigenden Prämien erwartet werden, dass der Finanzierungsanteil der Privathaushalte eher wieder zunehmen wird. Dies wäre der Fall, wenn die Prämiensteigerungen über der jährlichen Zuwachsrate (1,5 Prozent) der für die Prämienverbilligung zur Verfügung stehenden Bundesmittel liegen würden.

5.5

Grundlagen zur Beurteilung der gegenwärtigen Finanzierung

5.5.1

Die Sicht der KVG-Botschaft 1991

Wie in der Gesamtschau unter Ziffer 4 bereits dargelegt, nannte der Bundesrat in der Botschaft von 1991 über die Revision der Krankenversicherung drei Ziele, welchen die Reform zu genügen habe: ­

Verstärkung der Solidarität zwischen gesunden und kranken, jungen und alten sowie wirtschaftlich besser gestellten und wirtschaftlich schwächeren Versicherten

­

Eindämmung der Kosten, wobei das Ziel gemäss Botschaft dann vollständig erreicht wäre, wenn sich die jährliche Zunahme der Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung anpasste (siehe dazu Ziff. 5.5.3)

­

Qualität, d.h. die Sicherstellung einer hoch stehenden, finanziell tragbaren Versorgung.

4293

5.5.2

Die Sicht der Ökonomie

Neben den erwähnten Zielsetzungen des KVG-Gesetzgebers sind aus einer ökonomischen Sicht die folgenden Anforderungen an die Finanzierung zu stellen: ­

Sie soll keine falschen Anreize für die Akteure setzen.

­

Sie soll nicht den Wettbewerb verzerren.

­

Sie soll eine Übereinstimmung von Entscheidungskompetenzen und Finanzierungsverantwortung herbeiführen.

­

Sie soll aus Gründen der Akzeptanz möglichst einfach und transparent ausgestaltet sein.

­

Sie soll kostengünstig zu administrieren sein.

5.5.3

Die Frage nach dem «richtigen» Kostenniveau

Aus ökonomischer Sicht wird im Zusammenhang mit dem KVG-Ziel Kosteneindämmung darauf hingewiesen, es gebe kein «richtiges» Kostenniveau. Deshalb mache es keinen Sinn, die Gesundheitsausgaben an Indikatoren wie Lohnentwicklung, Entwicklung des BIP usw. zu binden. Entsprechende Aussagen seien mit grossen Vorbehalten zu verbinden. Die «Gesundheitsquote», das heisst der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP, werde auch in Zukunft ansteigen, weil der technische Fortschritt nicht aufzuhalten sei und in wohlhabenden Ländern wie der Schweiz immer mehr Gesundheitsleistungen angeboten und auch nachgefragt würden. Die Frage sei aus ökonomischer Sicht nur, ob die Kosten auf einem marktgerechten Preisniveau beruhen, ob die Entscheide über die Verwendung der knappen Ressourcen unter den richtigen Umständen zu Stande kommen und ob die Anreize für die Akteure des Gesundheitswesens richtig gesetzt sind. Richtig seien die Umstände im eben genannten Zusammenhang dann, wenn die Entscheide unter Beachtung der im KVG enthaltenen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Zweckmässigkeit zu Stande gekommen sind.

Dazu ist zunächst zu sagen, dass die Zielsetzungen der bundesrätlichen Botschaft in einem Spannungsfeld zu den Finanzierungsgrundsätzen aus rein ökonomischer Sicht stehen können. Das Primat liegt dann bei den vom Recht und von der Politik gemachten Vorgaben. Die Setzung der ökonomischen Anreize darf auch nicht zu einem System der «Zweiklassenmedizin» führen. In diesem Punkt herrscht heute trotz unterschiedlichen Sichtweisen und Interessenlagen zu anderen grundsätzlichen Fragen des Gesundheitswesens und seiner Finanzierung grosse Einigkeit.

Die Kostenwachstumsraten lagen seit der Einführung des KVG immer über dem in der Botschaft des Bundesrats festgehaltenen Ziel, die jährliche Zunahme der Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung anzupassen (siehe Ziff. 5.5.1). Dazu ist allerdings auf das Folgende hinzuweisen: Die Gesundheitskosten pro Kopf (und als Spiegel davon die individuellen Prämien) sind das Ergebnis der beiden Variablen Preis und Menge. Das Mengenelement erlaubt es nicht, die Steigerung der Gesundheitskosten mit einem Preisindex gleichzusetzen. Schon darum wird das KVG den in der Botschaft von 1991 formulierten Anspruch kaum je erfüllen können. Das KVG eröffnet zwar die Möglichkeit für die Krankenversicherer, durch den Aufbau von Managed-Care-Modellen 4294

zu versuchen, die Menge an erbrachten Leistungen zu beeinflussen. Entsprechende Erfolge können aber aus verschiedenen Gründen (kein unternehmerischer Investitionsanreiz für solche Modelle in der Grundversicherung, zu kleiner Prämiendruck, kein Marktdruck für Leistungserbringer) nur sehr punktuell beobachtet werden.

Hinzu kommt die Tatsache, dass jene Komponente des Kostenwachstums, welche durch den medizinischen Fortschritt verursacht ist, nicht von der allgemeinen Lohnund Preisentwicklung abhängt. Es ist darum absehbar, dass das in der Botschaft von 1991 beschriebene Ziel auch in Zukunft nicht vollständig erreicht werden dürfte.

5.6

Beurteilung der Finanzierung anhand der in Ziffer 5.5 genannten Kriterien

a. KVG- Zielsetzung «Solidarität zwischen Gesunden und Kranken» Die einheitliche Kopfprämie für Erwachsene führt innerhalb der Prämienregionen einer Kasse zu einer vollständigen Solidarität zwischen Gesunden und Kranken.

Allerdings gilt diese Solidarität nicht generell, weil die Kassen die Prämien für Kinder abstufen müssen und für junge Erwachsene in Ausbildung abstufen können, wobei dieses Recht schon bald teilweise zur Pflicht wird (siehe Ziff. 4.2.3).

Die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken wird auch dadurch relativiert, dass die Versicherer sehr unterschiedliche Risikokollektive aufweisen. Krankenversicherer mit Versicherten, die überdurchschnittlich häufig medizinische Leistungen beanspruchen, haben auch überdurchschnittlich hohe Prämien, obschon ein Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherern existiert. Für die Umverteilung im Rahmen des bestehenden Risikoausgleichs spielt nämlich ausschliesslich die Verteilung der Versicherten nach Altersklassen und Geschlecht eine Rolle. Studien zeigen, dass der auf den Kriterien Alter und Geschlecht begründete Risikoausgleich die Risikostruktur der Versicherer nur zum Teil ausgleicht (Spycher Stefan, Wirkungsanalyse des Risikoausgleichs in der Krankenversicherung, Bern 2000).

Die Franchisen und der Selbstbehalt schwächen die Solidarität zwischen Gesunden, den weniger Gesunden und den Kranken ebenfalls, da nur die ersten diese Kosten nicht zu tragen haben. Allerdings wird diese Aufweichung der Solidarität bewusst in Kauf genommen, damit die Versicherten bei ihren ­ gemeinsam mit den Ärzt/innen getroffenen ­ Entscheidungen über die Wahl der Therapie ebenfalls Kosten-NutzenÜberlegungen einfliessen lassen.

Die genannten Einschränkungen sind jedoch systembedingt und wirken sich nicht in einer die Zielsetzung des KVG tangierenden Weise auf die Versicherten aus. Es besteht insbesondere auch für Versicherte mit einer schlechten Gesundheit uneingeschränkt die Möglichkeit, einen Versicherer mit einer auf Grund der Risikostruktur überdurchschnittlichen Prämie zu verlassen und einen günstigeren Versicherer zu wählen.

b. KVG-Zielsetzung «Solidarität zwischen wirtschaftlich besser gestellten und wirtschaftlich schwächeren Versicherten» Die Solidarität zwischen wirtschaftlich besser gestellten und wirtschaftlich schwächeren Versicherten wird über die
Prämienverbilligungsbeiträge, die Subventionen der Kantone und Gemeinden an stationäre Aufenthalte sowie über die Bereitstellung von Infrastrukturen durch Kantone und Gemeinden wahrgenommen. Die Kosten dieser Leistungen werden alle steuerfinanziert.

4295

Allerdings ist das Ausmass dieser Solidarität im internationalen Vergleich relativ bescheiden. Der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand beträgt insgesamt nur gut einen Drittel (vgl. Tabelle 1 im Anhang). Die mit Steuergeldern finanzierten Beiträge zur Prämienverbilligung kommen heute in der Regel nur Personen mit tieferen Einkommen zugute. Die Frage nach der Verteilung der Gesundheitskosten hat darum, gerade weil eine Verlagerung der Finanzierungslast von den öffentlichen auf die privaten Haushalte stattgefunden hat (vgl. Ziff. 5.4), in den letzten Jahren für Personen mit mittleren Einkommen an Bedeutung gewonnen.

Im Weiteren hat das mit dem KVG eingeführte System der individuellen Prämienverbilligung, welches die altrechtlichen Subventionen an die Krankenversicherer (zur generellen Prämienreduktion nach dem «Giesskannenprinzip») abgelöst hat, zu einer allgemeinen Prämienerhöhung in der Grössenordnung von rund 10 Prozent geführt. Diese Subventionen werden nun anders geleitet und kommen gezielt denjenigen Versicherten zu, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse auf eine individuelle Prämienverbilligung angewiesen sind. Die Versicherer hatten den Ausfall der altrechtlichen Subventionseinnahmen durch eine entsprechende Erhöhung des generellen Prämienniveaus auszugleichen. Dieser Effekt war erwartet worden und trat planmässig ein.

Im Übrigen hat aber auch die Einführung der Einheitsprämie für Erwachsene zu einer durchschnittlichen Prämienerhöhung von rund 11 Prozent für die erste Eintrittsaltersgruppe der Erwachsenen geführt. Die bisher im Tarif höher eingestuften älteren Versicherten waren tiefer einzustufen und die durch die Herabstufung entstehenden Ausfälle an Prämien dieser Versicherten mussten durch entsprechende Anpassungen der Grundprämie ausgeglichen werden. Dies stärkte aber die Solidarität zwischen jüngeren und älteren Versicherten und beseitigte die Probleme älterer Versicherter bei Fusionen.

Das mit dem neuen Gesetz eingeführte System der individuellen Prämienverbilligung mildert in der Regel nur die Lasten für die untersten Einkommenskategorien.

Im unteren Bereich der mittleren Einkommen ist es, je nach kantonaler Ausgestaltung, häufig nicht optimal wirksam. Die in Ziffer 4.2.1 bereits erwähnte Studie zur sozialpolitischen Wirksamkeit der kantonalen Prämienverbilligungssysteme
(Balthasar, a.a.O.) hat nachgewiesen, dass eine vierköpfige Familie mit mittlerem Einkommen (2 Erwachsene, 2 Kinder im Alter von 10 und 15 Jahren, 70 000 Franken jährlicher Bruttolohn, 100 000 Franken Vermögen) in 12 der 26 Kantone (Zürich, Schwyz, Obwalden, Glarus, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf und Jura) ­ in denen rund 55 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung leben ­ mehr als 8 Prozent des verfügbaren Einkommens für die obligatorische Krankenpflegeversicherung aufwenden muss. Damit wird die vom Bundesrat in seiner Botschaft von 1991 zur Revision der Krankenversicherung formulierte maximale Belastung eines privaten Haushaltsbudgets durch Krankenversicherungsprämien überschritten.

Eine zusätzliche Belastung durch die Entwicklung der letzten Jahre bei der Verteilung der Gesundheitskosten hat sich für Personen mit mittleren Einkommen dadurch ergeben, dass mit dem Inkrafttreten des KVG der Bereich der Zusatzversicherungen zur Krankenpflegeversicherung aus dem Bereich der Sozialversicherung herausgelöst und in den Bereich der Privatversicherung überführt wurde. Die dadurch notwendige Umstellung der Finanzierung der Zusatzversicherungen hatte vorab bei den von Personen mit mittleren Einkommen häufig abgeschlossenen Spitalzusatzversicherungen ab einem gewissen Alter, bei Frauen oder bei Personen mit schlechtem 4296

Gesundheitszustand einen starken Prämienanstieg zur Folge. Dieser Anstieg fiel zeitlich mit der durch die Umstellung der Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bedingten allgemeinen Prämienerhöhung zusammen.

Ein Indiz für die zunehmende Belastung der privaten Haushalte durch Krankenversicherungsprämien ist auch die Entwicklung der Debitoren, d.h. der Forderungen der Versicherer bei den Versicherten für ausstehende Prämien und Kostenbeteiligungen. Die Zahl der Betreibungen wegen Zahlungsunfähigkeit hat nach Angaben der Krankenversicherer massiv zugenommen. Beim grössten Krankenversicherer, der rund einen Sechstel der Bevölkerung des Landes versichert, liefen im Februar 2000 gegen annähernd 25 000 Versicherte Betreibungen. Es waren Beträge von rund 50 Millionen Franken offen. Der Dachverband der Krankenversicherer schätzt die Ausfälle auf rund 300 Millionen Franken für sämtliche Versicherer. Dies entspricht etwa 2 Prozent des gesamten Prämienvolumens. Nach einer Umfrage von 1996 für die Versicherer in der Westschweiz sollen dort die Betreibungen rund 4 Prozent des Prämienvolumens umfassen.

c. Zielsetzungen der «Kosteneindämmung» und der «Sicherstellung der Qualität» Es wäre nach Ansicht des Bundesrates verfrüht, hier weniger als fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des KVG bereits eine abschliessende Würdigung dazu abzugeben, inwieweit die Zielsetzung der bundesrätlichen Botschaft von 1991 verwirklicht werden konnte. Dazu sind gegenwärtig detaillierte Wirkungsanalysen im Gange. Die Kostenentwicklung in der Krankenpflegeversicherung hat sich, verglichen mit dem vor einem Jahrzehnt beobachteten Wachstum der Krankenpflegekosten pro Versicherten, welches 10,5 Prozent (1991) respektive 8,9 Prozent (1992) betrug, leicht zurückgebildet. Die Veränderung der Kosten gegenüber dem Vorjahr betrug 5,2 Prozent (1997) respektive 6,2 Prozent (1998). Die Jahre 1991 und 1992 wiesen indes eine überdurchschnittliche Kostenentwicklung auf. Sie war hauptsächlich auf die Umsetzung eines neuen Spitaltaxmodells zurückzuführen. Verglichen mit der Preis- und Lohnentwicklung ist das Wachstum der Krankenpflegekosten seit der KVG-Einführung grösser geworden. Da der Anstieg der Arzttarife und der Spitaltaxen gedämpft wurde, ist die jüngere Kostenentwicklung in erster Linie mengenbedingt (neue Leistungen,
anreizbedingte Mengenausweitung usw.). Die Wachstumsraten lagen über dem in der Botschaft des Bundesrates festgehaltenen Ziel der Anpassung der jährlichen Zunahme der Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung. Auf diesen Umstand und die Konsequenzen ist oben unter Ziffer 5.5.3 hingewiesen worden.

6

Ziele und Forderungen der Gesundheitsinitiative

Die Gesundheitsinitiative verlangt die Änderung von Artikel 34bis aBV (Art. 117 nBV) sowie der Übergangsbestimmungen. Sie greift ­ wie beispielsweise auch die Volksinitiativen «für tiefere Spitalkosten» (Botschaft in BBl 1999 9679; Ziff. 2.2c), «für tiefere Arzneimittelpreise» (Botschaft in BBl 1999 7541; Ziff. 2.2b) sowie «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» (Botschaft in BBl 1999 8809; Ziff. 2.2a) ­ die Kosten- und Finanzierungsfrage in der Krankenversicherung auf. Sie fordert diesbezüglich einerseits die grundlegende Neuordnung der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung. Anderseits will die Gesundheitsinitiative unter dem Titel «Massnahmen für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen» den aus-

4297

drücklichen Verfassungsauftrag an Bund und Kantone verankern, für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu sorgen. Dazu sollen eine ganze Reihe von Kompetenzen im Gesundheitswesen und speziell in der Krankenversicherung von den Kantonen auf den Bund übertragen werden.

Nachfolgend werden die beiden von der Initiative beschlagenen Bereiche «Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» und «Massnahmen für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen» gesondert erörtert, soweit eine separate Darstellung sinnvoll ist (primär unter den Ziff. 6.1 und 6.2, aber auch 7).

6.1

Die Finanzierung der obligatorischen Krankenversicherung nach den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung soll nach den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative insbesondere aus zweckgebundenen Mehrwertsteuereinnahmen des Bundes und in mindestens gleich hohem Umfang durch Beiträge der Versicherten finanziert werden. Letztere werden im Verhältnis zum Einkommen und zum realen Vermögen sowie unter Berücksichtigung von Familienlasten erhoben. Die Krankenversicherer sollen pro versicherte Person Beiträge aus den genannten Mitteln erhalten. Dabei sollen die unterschiedlichen Risiken der Versicherer ausgeglichen werden. Überschüsse werden den Versicherten zurückerstattet (Art. 117 Abs. 3 und 4 nBV).

6.1.1

Im Verhältnis zum Einkommen festgelegte Beiträge

Die Versicherten sollen nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Prämienzahlung herangezogen werden. Nach den Materialien zur Initiative sollen die Beiträge auf dem gesamten Einkommen erhoben werden, das den gesetzlich festzulegenden Freibetrag von 20 000 Franken übersteigt.

Zur Begründung ihres Vorschlages bringen die Initiant/innen vor, nirgendwo sonst müsse eine Verkäuferin, ein Bauarbeiter oder eine Lehrerin für die Grundversicherung genau gleich viel berappen wie ein Milliardär. Die Schweiz sei das letzte Land in Westeuropa, das seine Krankenversicherung über Kopfprämien finanziere.

Gleichzeitig sei die Schweiz mit Deutschland und Frankreich das Land, das für sein Gesundheitssystem im Verhältnis zu seinen Mitteln am meisten aufwende. Versicherte, die nicht über ein sehr hohes Einkommen verfügten, bezahlten in der Schweiz deshalb für ihre Gesundheit sehr viel mehr als in jedem anderen westeuropäischen Land. Erschwerend zu den hohen Kosten und zu dem unsozialen Kopfprämiensystem komme hinzu, dass sich der Staat seit Jahren schrittweise aus dem Gesundheitswesen zurückziehe. Mit dem Prämienverbilligungssystem des KVG sollten die schlimmsten Auswirkungen beseitigt und vor allem die untersten Einkommen entlastet werden. Doch das Prämienverbilligungssystem habe sich als untauglich erwiesen: Es sei bürokratisch, schwerfällig, weise von Kanton zu Kanton extreme Unterschiede auf und lasse zahlreiche Missstände zu. Es verhindere vor allem nicht, dass die meisten Versicherten ­ vor allem in der grossen Anzahl der mittleren Einkommen ­ Jahr für Jahr vermehrt zur Kasse gebeten würden. Entlastet würden mit der Initiative je nach Ausführungsgesetzgebung mindestens 85 bis 4298

90 Prozent der Versicherten. Zusätzlich belastet würden demnach höchstens die reichsten 10 bis 15 Prozent.

Zwar ist nicht vorgesehen, dass die Krankenversicherung mit Lohnabzügen und Arbeitgeberbeiträgen finanziert oder mitfinanziert wird. Die Gesundheitsinitiative fordert auch keine Finanzierung alleine aus staatlichen Mitteln. Damit ist sie im Wesentlichen auf das heutige schweizerische System ausgerichtet und orientiert sich nicht an den derzeit europaweit üblichen Finanzierungssystemen der sozialen Krankenversicherung. Dennoch kommen die Vorstellungen der Gesundheitsinitiative nach Auffassung des Bundesrates der Forderung nach einer grundlegenden Neuordnung der heutigen Finanzierung der sozialen Krankenversicherung gleich, würde doch mit ihrer Umsetzung faktisch eine neue Steuer auf hohen Einkommen eingeführt.

Zu weiteren möglichen Vor- und Nachteilen des Finanzierungsmodells der Gesundheitsinitiative kann generell gesagt werden, dass die Umsetzung zunächst viele technische Probleme bieten würde. Diese wären zwar lösbar, sie würden aber auf verschiedenen Stufen (Bund, Kantone, Versicherer, Versicherte) zumindest während einer längeren Übergangszeit einen grossen zusätzlichen Aufwand verursachen und viel Ungewissheit mit sich bringen. Viele Gesetzgebungen in verschiedenen Regelungsbereichen (Soziales, Finanzen, Steuern, Gesundheitswesen usw.) wären grundlegend zu revidieren. Finanzierungslasten wären neu zu verteilen. Es hätte auch grosse Auswirkungen auf den Neuen Finanzausgleich. Angesichts dessen, dass die Prämienverbilligung heute im Wesentlichen die ihr zugeordnete Aufgabe gut erfüllt und die noch bestehenden Mängel durch punktuelle Korrekturen am geltenden System beseitigt werden können, ist nach Einschätzung des Bundesrates eine Umstellung des Finanzierungssystems der sozialen Krankenversicherung im Sinne der Vorstellungen der Gesundheitsinitiative abzulehnen. Die Auswirkungen der notwendigen Umstellungen wären von einer Tragweite für alle öffentlichen und privaten Haushalte, deren Ausmass sich auf Grund eines möglichen Plus an sozialer Gerechtigkeit nicht rechtfertigen würde. Es wäre insbesondere auch der Belastung der privaten Haushalte mit geringen Einkommen durch den von der Initiative vorgeschlagenen Anstieg der Mehrwertsteuer Beachtung zu schenken. Soweit ein Mehr an sozialer
Gerechtigkeit noch anzustreben ist, soll dies nach Ansicht des Bundesrates im Rahmen einer Optimierung des heute bereits eingeführten Instrumentariums erfolgen. Der Bundesrat ist sich dessen bewusst, dass die Belastung zahlreicher Haushaltungen durch die Prämien der Krankenversicherung hoch ist. Damit diese Belastung auf ein erträgliches Mass reduziert werden kann, hat der Gesetzgeber eine bedarfsorientierte Prämiensubventionierung eingeführt. Diese Aufgabe liegt primär in der Kompetenz und Verantwortung der Kantone. Auf Grund der durchgeführten Wirkungsanalyse muss davon ausgegangen werden, dass die Prämienverbilligung das sozialpolitische Ziel nicht in allen Kantonen optimal erfüllt. Den Rahmen für eine Harmonisierung der unterschiedlichen Entlastungen kann die Umsetzung der Reform des Finanzausgleichs bieten.

Aus diesem Grunde beantragt der Bundesrat, am heutigen System der Kopfprämien und der Prämienverbilligung im Grundsatz festzuhalten und die Gesundheitsinitiative ohne Gegenentwurf abzulehnen.

4299

6.1.2

Im Verhältnis zum Vermögen festgelegte Beiträge

Die Initiant/innen gehen davon aus, dass die heute in den Kantonen erfassten steuerbaren Vermögenswerte stark unterbewertet sind. Davon betroffen seien vor allem die Immobilienwerte, aber auch die Bewertung der nicht börsengängigen Beteiligungspapiere und der Wertgegenstände. Sie sehen deshalb vor, dass zur Festsetzung der Beiträge sämtliche Vermögensbestandteile zu realistisch geschätzten Verkehrswerten erfasst werden. Die Beiträge sollen auf dem gesamten Vermögen erhoben werden, welches den gesetzlich festzulegenden Freibetrag von 1 Million Franken übersteigt (Übergangsbestimmung von Art. 197 Abs. 4 Bst. a nBV).

Der Bundesrat hat im Hinblick auf den Einbezug des Vermögens zu den Bedenken, die er unter Ziffer 6.1.1 zur Berücksichtigung des Einkommens äussert, nichts hinzuzufügen. Die technischen Umsetzungsprobleme einer «realistischen Schätzung» von Vermögensbestandteilen zu Verkehrswerten bilden dabei nur einen Aspekt. Daneben würde dies eine Unzahl von Rechtsstreitigkeiten mit ausserordentlich hohen Folgekosten hervorrufen, weil die Festsetzung spezieller Verkehrswerte für die Belange der Krankenversicherung nicht nur umstrittene Auswirkungen auf die Höhe der zu bezahlenden Prämie haben könnte. Sie könnte auch Konsequenzen in Bereichen haben, in denen die Einschätzung von Vermögenswerten ebenfalls eine grosse Rolle spielt (Steuerrecht, Erbrecht, Eherecht, Sachenrecht usw.). Im Übrigen impliziert eine sinnvolle Umsetzung der heutigen Prämienverbilligungsregelung sowieso, dass die Kantone grundsätzlich auch die Vermögensverhältnisse berücksichtigen.

6.1.3

Besondere Fragen zur Finanzierung

a. Kinderprämien / Berücksichtigung von Familienlasten Gemäss den Materialien zur Gesundheitsinitiative sind Versicherungsbeiträge der Kinder ­ ausser diese verfügen selber über ein steuerbares Einkommen oder Vermögen, was selten der Fall ist ­ in den Beiträgen der Eltern inbegriffen. Kinder sollen damit ohne gesonderte Prämie versichert sein.

Der Bundesrat weist zu dem auch anderswo in der Diskussion verschiedentlich gemachten Vorschlag einer generellen Prämienbefreiung für Kinder und Jugendliche (etwa durch eine Finanzierung über Steuern oder eine Umlegung auf die Erwachsenenprämien) darauf hin, dass 1998 auf Kinder und Jugendliche 7,4 Prozent der Kosten oder 885 Millionen Franken (ohne Kostenbeteiligungen) entfielen. Der Anteil an den Prämieneinnahmen machte 6,7 Prozent aus. Es erfolgte somit eine geringe Umverteilung zu Gunsten der Kinder, denn deren Kosten waren anteilsmässig etwas höher als die Prämieneinnahmen. Die Umverteilung war unter dem früheren Recht des KUVG stärker, weil die Kinderprämien tiefer lagen bzw. grosse Familien für die dritten und weiteren Kinder keine Prämien mehr bezahlten.

Zu den Wirkungen einer generellen Prämienbefreiung für Kinder und Jugendliche ist auf das Folgende hinzuweisen: Werden diese Kosten über Steuern finanziert, so ist die Nettowirkung für eine Familie aus «Prämienentlastung» minus «zusätzliche Steuerbelastung» je nach Kanton, Gemeinde, Kasse und Versichererregion unterschiedlich. Mit grosser Wahrscheinlichkeit dürften beinahe alle Familien netto profitieren, wobei die Entlastung bei tiefen Einkommen höher wäre als bei hohen Einkommen. Die Hauptlast dieser Umverteilung hätten insbesondere die Paare ohne Kinder und die Alleinstehenden zu tragen.

4300

Würden die Kosten einer generellen Befreiung über Prämien finanziert, so hätten die Erwachsenenprämien (im schweizerischen Durchschnitt) um 13.40 Franken monatlich oder 6,7 Prozent aufzuschlagen. Für eine Familie mit zwei Kindern ergäbe sich eine durchschnittliche Nettoentlastung von ca. 80 Franken monatlich (oder ca.

960 Franken pro Jahr). Die Nettoentlastung würde sich nicht nach Einkommensund Vermögensverhältnissen unterscheiden. Die Alleinstehenden und die Paare ohne Kinder hätten hingegen netto eine Mehrbelastung zu tragen. Sozialpolitisch wäre die Finanzierung über die Erwachsenenprämien weniger zielgerichtet als die Finanzierung über Steuern, da «Mitnahmeeffekte» bei Familien mit mittleren und höheren Einkommen resultieren würden. Teilweise würden kaum zu rechtfertigende Umverteilungen ausgelöst (bspw. von einkommensschwachen Alleinstehenden zu wohlhabenden Familien).

Der Bundesrat sieht vorerst keinen Bedarf an bundesrechtlichen Massnahmen zur Prämienentlastung oder -befreiung von Kindern, die über die im heutigen System möglichen Prämienreduktionen und Prämienverbilligungsbeiträge hinausgehen. Ein Kanton kann durch seine Steuergesetzgebung und das darauf basierende Prämienverbilligungssystem sehr viel für die Entlastung von Familien tun, ohne dass das Bundesrecht deswegen reformiert werden muss.

Wenn im Text der Gesundheitsinitiative die «Berücksichtigung von Familienlasten bei der Prämienbemessung» verlangt wird, so ist dies so zu interpretieren, dass Familienlasten zusätzlich zum Wegfall der Prämien für Kinder auszugleichen wären.

Grundsätzlich gilt hier das eben Gesagte. Im Rahmen der Prämienverbilligung werden heute schon Familien als Steuersubjekte gemeinsam erfasst, und ihre durch die Familienlasten eingeschränkte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird entsprechend den kantonalen Vorgaben berücksichtigt.

b. Kostenbeteiligung der Versicherten Nach den Materialien zur Gesundheitsinitiative soll die Kostenbeteiligung der Versicherten wegfallen. Dazu weist der Bundesrat vorab darauf hin, dass heute von den Versicherten mit der Kostenbeteiligung rund 15 Prozent der erbrachten Leistungen bezahlt werden. Darauf kann nach Einschätzung des Bundesrates nicht einfach verzichtet werden. Durch den Wegfall der Kostenbeteiligung würden den Krankenversicherern jährliche Einnahmen von gegenwärtig
über 2 Milliarden Franken entgehen. Diese müssten durch entsprechende Erträge kompensiert werden. Ohne Kostenbeteiligung wäre zudem die heute stark verbreitete Versicherung mit wählbaren Jahresfranchisen nicht mehr möglich. Neben dem Wegfall dieser Versicherungsform, welche 1997 bereits 38 Prozent der Versicherten gewählt hatten, könnte ­ je nach Ausgestaltung der Prämienfinanzierung ­ auch der Fortbestand der anderen besonderen Versicherungsformen (HMO- und Bonusversicherung, Gatekeeper- und Hausarztmodelle sowie andere Managed-Care-Modelle usw.) in Frage gestellt sein, wenn die Sparanreize für die Versicherten bei diesen Versicherungsformen stark abgeschwächt würden. Je nach der Art der besonderen Versicherungsform bestehen diese Anreize in einer Prämienermässigung bei der Übernahme eines Teils oder der gesamten Behandlungskosten (Versicherung mit wählbaren Franchisen, Bonusversicherung). Es kann aber auch eine Prämienermässigung und gleichzeitig das Wegfallen der gesamten Kostenbeteiligung vereinbart werden (HMO-Versicherungen und Hausarzt-/Gatekeeper-Modelle).

4301

6.1.4

Forderung einer Finanzierung mit «zusätzlichen Erträgen der Mehrwertsteuer»

Nach den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative ist der Umfang der zusätzlichen Erträge der Mehrwertsteuer gesetzlich festzulegen. Er darf höchstens gleich hoch sein wie die Finanzierung durch die Versichertenbeiträge. Dies würde nach Schätzungen der Initiant/innen, berechnet auf dem Ausgabenvolumen 1997, 3,5 zusätzliche Mehrwertsteuerprozente erfordern.

Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass durch die vorgesehene Mitfinanzierung über die Mehrwertsteuer der staatliche Anteil an der Finanzierung der Krankenversicherung stark ausgebaut würde. Mit dem Wegfall der Prämienverbilligungsbeiträge der öffentlichen Hand würde der Bund zwar Subventionen einsparen, durch die zusätzlichen Ausgaben aus Mehrwertsteuererträgen würde er aber per Saldo belastet.

Geht man davon aus, dass nach dem Wortlaut der Initiative die verwendeten Mittel der Mehrwertsteuer gleich hoch sein dürfen wie die Finanzierungsmittel aus Versichertenbeiträgen, entspräche dies bei Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von 14,024 Milliarden Franken im Jahre 1998 und einem Betriebsaufwand der Versicherer von 862 Millionen Franken einem Betrag von rund 7,5 Milliarden Franken gegenüber den heute rund 2 Milliarden Franken an Bundesmitteln zur Prämienverbilligung. Die Kantone und Gemeinden hingegen würden durch den Systemwechsel bis zu einer Milliarde Franken jährlich einsparen (bezogen auf den gegenwärtigen Stand).

Wie in Ziffer 5.3 erwähnt, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 2. Februar 2000 zur 11. AHV-Revision festgehalten, dass bei der Deckung des Finanzierungsmehrbedarfs der Krankenversicherung die Finanzierung mittels Krankenversicherungsprämien im Vordergrund steht. Zur Finanzierung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist auf den Beizug zusätzlicher Steuermittel des Bundes zu den bereits beschlossenen grundsätzlich zu verzichten.

Der von der Gesundheitsinitiative vorgeschlagene Verfassungstext ist auf Grund seiner Formulierung in zweierlei Hinsicht als unbefriedigend zu werten: Er bietet einerseits infolge des Gesetzesvorbehalts keine Gewähr dafür, dass die Mehrwertsteuer wirklich zu Gunsten der Krankenversicherung angehoben würde. Dies hängt von der nachträglichen Realisierung einer gesetzlichen Grundlage ab, d.h. insbesondere vom Bestehen der Referendumshürde.

Andererseits beinhaltet der
Verfassungstext keinen hinreichend bestimmten und transparenten oberen Rahmen für die zulässige Mehrwertsteuererhöhung. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre jeweils generell bis zum Umfang der Hälfte der in der sozialen Krankenversicherung entstehenden Kosten möglich. Das Ausmass in Mehrwertsteuer-Prozentpunkten wäre vom effektiven Kostenverlauf der KV abhängig, also auch vom Verlauf des Kostenanstiegs ­ und damit indirekt vom Erfolg oder Misserfolg der Kostendämpfungsmassnahmen.

Bis anhin ist aber die Mehrwertsteuer in der Bundesverfassung so konzipiert, dass die massgeblichen Höchstsätze der einzelnen Steuersätze sowie der zweckgebundenen Zuschläge (AHV/IV, NEAT) auf Verfassungsstufe selbst geregelt sind. Mit der Initiative würde dieses transparente Prinzip aufgegeben ­ und das für einen im Ausmass sehr bedeutenden Steuerzuschlag.

Ein Wechsel von der Finanzierung durch Mittel aus direkten Kopfsteuern zu einer solchen aus indirekten Verbrauchssteuern (Mehrwertsteuern) hätte zudem ökonomi4302

sche Auswirkungen (Auswirkungen auf die Preise und die Inflation). Anders als Prämienerhöhungen oder eine Erhöhung der direkten Kopfsteuern würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer nämlich in der Regel auf die Preise geschlagen.

Und schliesslich stellt im heutigen Gesetz der Wettbewerb unter den Versicherern einen wichtigen ordnungspolitischen Parameter dar, welcher zur Kostendämpfung beitragen soll. Bei einer hälftigen Finanzierung über die Mehrwertsteuer würden die Anreize der Versicherer zur Kostendämpfung sinken.

6.1.5

Neue Ausgleichsmechanismen (Ausgleich der unterschiedlichen Risiken der Versicherer, Rückerstattung der Einnahmenüberschüsse an die Versicherten)

Nach den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative sollen die Krankenversicherer pro versicherte Person Beiträge aus den für die Zwecke der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gebundenen Mehrwertsteuereinnahmen des Bundes und den Prämieneinnahmen der Versicherten erhalten. Dabei sollen die unterschiedlichen Risiken der Versicherer ausgeglichen werden, und Überschüsse würden den Versicherten zurückerstattet (Art. 117 Abs. 4 nBV).

Auch die Umsetzung dieser Regelung hätte nach Ansicht des Bundesrates ausserordentlich weit reichende Folgen für die Durchführung der sozialen Krankenversicherung. So ist unklar, wie bei der vorgeschlagenen Finanzierung der Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern stattfinden soll, der heute wesentlich über die Preise (= Prämien) läuft. Es bleibt auch offen, wer den Finanzbedarf des einzelnen Versicherers bestimmt. Im Weiteren ist nicht klar, wer die Prämien der Versicherten festsetzt, einkassiert und zwischen den Versicherern verteilt. Zwar ist von unterschiedlichen Risiken der Versicherer die Rede, es ist aber nicht näher bestimmt, welche Risiken damit gemeint sind. Zunächst wäre hier vermutlich an die bereits heute im Rahmen des geltenden Risikoausgleichs ausgeglichenen Risiken «Alter» und «Geschlecht» zu denken. Zusätzlich könnte es auf Grund dieser Verfassungskompetenz zwingend sein, auch die übrigen, auf die einzelnen Versicherer ungleich verteilten Risikofaktoren wie «Gesundheit» und ­ infolge der neuen Art der Prämienbemessung ­ «Höhe des Einkommens/des Vermögens» auszugleichen.

Unklar bleibt auch, ob der Ausgleich ein teilweiser oder ein vollständiger sein müsste. Je nachdem, wie sich der Gesetzgeber hier entscheidet, wären einzelne Versicherer unter einem gegenüber heute grundsätzlich nicht veränderten Wettbewerbssystem nicht mehr in der Lage, weiter tätig zu sein, oder aber die Anreize würden durch einen vollständigen Ausgleich sämtlicher möglicher Risiken so gesetzt, dass die Versicherer keinen Anlass zu Kosteneinsparungen mehr hätten.

Angesichts der vielen von der Initiative offen gelassenen Fragen ist es dem Bundesrat nicht möglich, Schätzungen über Umverteilungs- oder Rückerstattungsvolumen zu machen. Entscheidend dafür wären Rahmenbedingungen, die nach einem Grundsatzentscheid von Volk und Ständen in intensiven politischen Prozessen erst noch zu
definieren wären, bevor sie auf Gesetzgebungsstufe fixiert werden könnten. Bekannt ist im Wesentlichen nur der Betrag, mit dem die soziale Krankenversicherung als solche aus ihren gesamten Mitteln das Gesundheitswesen auch künftig mitzufinanzieren hätte. Die Aufteilung des Gesamtbetrages auf die verschiedenen Versiche-

4303

rer und die einzelnen Versicherten müsste hingegen von Grund auf neu definiert werden.

6.2

Die Kostendämpfung im Gesundheitswesen nach den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative

Die Gesundheitsinitiative will den ausdrücklichen Auftrag an Bund und Kantone in der Verfassung verankern, für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu sorgen. Davon betroffen sind die Bereiche Spitzenmedizin, Planung im Gesundheitswesen, (Höchst)preise, Tarifierung, Zulassung der Leistungserbringer, Qualitätskontrolle und generell die Kostendämpfungsmassnahmen bei übermässigen Leistungsmengen (Art. 117 Abs. 5 nBV). Nach den Ausführungen der Initiant/innen bringt die Gesundheitsinitiative Lösungsansätze, die nicht bereits im heutigen Gesetz enthalten sind. Die wichtigste Neuerung liege in der Tatsache, dass der Bund zum ersten Mal wichtige Koordinierungskompetenzen erhalte, um das Heft selber in die Hand nehmen zu können und damit das heutige Schwarzpeter-Spiel zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens (Bund, Kantone, Krankenkassen, Ärzte usw.) zu überwinden. Der Bund solle insbesondere Planungskompetenzen in der Spitzenmedizin, Zuständigkeiten zur Kontrolle der Preise und der Mengen der erbrachten Leistungen sowie Koordinierungsaufgaben bezüglich der Gesundheitsplanungen der Kantone sowie der Qualitätskontrolle erhalten. Die Initiative verlange nicht mehr Markt zu Gunsten der Anbieter im Gesundheitswesen, sondern mehr Lenkungskompetenzen beim Bund und bei den Kantonen. So sollten insbesondere Menge und Preis der im Gesundheitsbereich erbrachten Leistungen im Interesse der Versicherten begrenzt werden können. Nach Einschätzung der Initiant/innen wäre der Weg über mehr Markt mit einer Verminderung der Leistungen in der Grundversicherung und damit mit Schritten in Richtung einer Zweiklassenmedizin verbunden. Deshalb setze man mit der Gesundheitsinitiative auf den anderen Weg, auf einen verstärkten Einsatz und eine Koordinierung der Lenkungsmassnahmen gegen die Kostenexplosion.

Im Allgemeinen ist zu den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative für den Bereich der Kostendämpfung zu bemerken, dass die geforderten Schritte nach Meinung des Bundesrates zu Kompetenzverschiebungen und damit zu einer Zentralisierung von Planungskompetenzen sowie von Koordinierungsaufgaben beim Bund führen würden. Zu den einzelnen Anliegen hat der Bundesrat Folgendes festzuhalten: a. Regelung der Spitzenmedizin durch den Bund (Art. 117 Abs. 5 Bst. a nBV) In den Materialien zur Gesundheitsinitiative
finden sich dazu keine speziellen Hinweise. Unter Spitzenmedizin ist vor allem die apparateintensive Spitalmedizin zu verstehen. Die Finanzierung wird heute über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgewickelt. Eine Definition des Begriffes Spitzenmedizin ist schwierig, weil er ständigem Wandel unterworfen und zum Teil auch von politischen Würdigungen geprägt ist. In der konkreten Finanzierung der Spitzenmedizin spiegeln sich die Finanzierungsstrukturen der Spitalfinanzierung. Die Existenz der Spitzenmedizin, welche eng mit der über Steuern finanzierten Forschung und Lehre verbunden ist, ist essenziell für die Entwicklung des medizinisch-technischen Fortschrittes. Andererseits soll die Forschung nicht über die obligatorische Krankenpflegeversicherung finanziert werden (vgl. Art. 49 Abs. 1 KVG). Aus ökonomischer Sicht ist es zentral, dass die Entwicklungsanreize nicht reduziert werden. Eine andere Frage ist, 4304

ob alle Entwicklungen der Spitzenmedizin in das Grundleistungspaket der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufgenommen werden. Die im geltenden Recht dafür vorgesehenen Kriterien und die heutigen Instrumentarien zur Überprüfung des Aufnahmebedarfs haben sich bewährt. Aus der Sicht des Bundesrates herrscht hier kein Handlungsbedarf. Was hingegen die Koordinierung der Investitionen und die Qualitätssicherung betrifft, ist im Rahmen der Arbeiten zu einer Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen auch die rechtliche Verankerung einer gesamtschweizerischen Planung und Aufgabenteilung im Bereich der Spitzenmedizin vorgesehen. Im Schlussbericht der Projektgruppe Finanzausgleich wird die Schaffung einer interkantonalen, Recht setzenden Vereinbarung vorgeschlagen. Eine solche Vereinbarung würde die Planung verstärken und das Leistungsspektrum der Spitäler im Bereich der Spitzenmedizin festschreiben. Damit würde die Wirtschaftlichkeit gefördert. Der Bundesrat hat diesen Vorschlag in seinen Vernehmlassungsentwurf für den Neuen Finanzausgleich aufgenommen. Eine Lösung der Finanzierungsfrage im Bereiche der Spitzenmedizin ist nach der Meinung des Bundesrates über das im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs vorgeschlagene Verfahren anzustreben.

b. Koordination der Gesundheitsplanungen der Kantone (Art. 117 Abs. 5 Bst. a nBV) Von Seiten der Initiant/innen wird beanstandet, in der Schweiz hätten bei der Organisation und Planung des Gesundheitswesens sämtliche Beteiligten (Kantone, Gemeinden, Versicherer, Leistungserbringer, übrige Sozialversicherungen und andere Institutionen) ihr Wort zu sagen und würden sich in heiklen Situationen gegenseitig die Verantwortung zuschieben. In kaum einem Land in Europa habe der Staat so wenig Kompetenzen zur Steuerung und Koordinierung der Gesundheitspolitik wie in der Schweiz. Auf kantonaler Ebene gehörten Spitalplanungen zwar bereits zum Alltag. Die von der Gesundheitsinitiative vorgesehene Koordinierung der kantonalen Gesundheitsplanungen erweitere sinnvollerweise den heutigen Begriff der Spitalplanung. Wer nur im Spitalwesen plane, werde sehr rasch mit kostenträchtigen Mengenerweiterungen in den anderen Bereichen des Gesundheitssystems konfrontiert. Im Übrigen sage die Gesundheitsinitiative klar, dass der Bund nur dann im Interesse der Versicherten eines
Kantons eingreifen solle, wenn ein Kanton nichts oder nicht genug unternehme, um die Kosten zu dämpfen.

Der Bundesrat ist auch der Auffassung, dass die Koordination der Gesundheitsplanungen durch die Kantone ein wichtiges Instrument zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen darstellt, und er sieht auch diesbezüglich einen Optimierungsbedarf.

Er ist aber zuversichtlich, dass die heutige Verfassungsbasis ausreicht, um laufend Verbesserungen zu erzielen. Sollte sich erweisen, dass gewisse Massnahmen einer Anpassung auf Gesetzesebene bedürfen, so wird der Bundesrat entsprechende Vorschläge ausarbeiten. Es sei hier auch auf die zweite KVG-Teilrevision (Spitalfinanzierungsvorlage) verwiesen. Die Fragen sind eng miteinander verknüpft und sie stehen in einer intensiven politischen Diskussion. Gerade die bereits erwähnten Forderungen nach einer Aufhebung des Kontrahierungszwangs, nach Zulassungsbeschränkungen oder nach der Einführung von Globalbudgets (siehe Ziff. 4.3.7, 4.3.8 und 4.3.10) können nicht losgelöst von Fragen der Gesundheitsplanung erörtert werden.

4305

c. Maximalpreise der erbrachten Leistungen unter Einschluss der Arzneimittel (Art. 117 Abs. 5 Bst. b nBV) Der Bundesrat sieht vorerst keinen Bedarf, zusätzlich zu den im Rahmen der ersten und der zweiten KVG-Teilrevision bereits beschlossenen oder in Angriff genommenen Anpassungen des KVG bereits heute weitere Massnahmen in die Wege zu leiten. Das zur Verfügung stehende Instrumentarium des KVG zur Kostensteuerung hat gerade im Tarifbereich zudem noch nicht immer voll wirksam werden können, weil die Umsetzung erst mittelfristig erfolgen kann.

d. Erlass von Zulassungsbestimmungen für die Leistungserbringer / wirksame Qualitätskontrolle (Art. 117 Abs. 5 Bst. c nBV) Die Initiant/innen gehen davon aus, zu viele Ärzte und Ärztinnen würden zu viele unnötige Leistungen auf Kosten der Versicherten erbringen. Dies führe bei der hohen Schweizer Ärztedichte zu immer mehr kostspieligen, aber unnötigen Leistungen. Die Zahl der Ärzte und Ärztinnen, vor allem aber auch der Spezialärzt/innen, die in bedeutend grösserem Ausmass eine zusätzliche Nachfrage an medizinischen Leistungen brächten, nehme immer noch zu. Man könne aber mit deutlich weniger Ärzten und Ärztinnen die gleiche Qualität an Leistungen erbringen. Der Bund solle die Kompetenz erhalten, die Anzahl der Ärzte und Ärztinnen und vor allem der Spezialärzte und -ärztinnen zu reduzieren.

Dieses Anliegen der Gesundheitsinitiative ist von den Eidgenössischen Räten im Rahmen der Beratung der ersten KVG-Teilrevision zum Teil bereits aufgenommen worden. Im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision haben die eidgenössischen Räte bereits die Möglichkeit einer befristeten Zulassungsbeschränkung neuer Leistungserbringer beschlossen (Art. 55a neu KVG; Ziff. 4.3.7). Im Parlament ist zudem eine Motion (00.3003) überwiesen worden, in welcher der Bundesrat aufgefordert wird, die Frage nach der Aufhebung des Kontrahierungszwangs im ambulanten, teilstationären und stationären Bereich zu prüfen und die entsprechenden Gesetzesanpassungen in der kommenden zweiten KVG-Teilrevision ­ im Rahmen der Vorlage über die Spitalfinanzierung ­ vorzulegen (Ziff. 4.3.8).

Die Forderung der Gesundheitsinitiative nach einer wirksamen Qualitätskontrolle wird in der Praxis bereits umgesetzt. Dazu bedarf es aber umfangreicher Aufbauarbeiten, in deren Rahmen zunächst die technischen Voraussetzungen
geschaffen werden müssen. Die Qualität der medizinischen Leistungen kann unter dem verstärkten Wettbewerbsdruck steigen und so zu einem Wettbewerbsparameter werden. Andererseits könnten Leistungserbringer dem Kostendruck teilweise dadurch auszuweichen versuchen, dass sie die Qualität der Versorgung senken und für den gleichen Preis eine geringere Leistung erbringen.

e. Nach Sparten und Regionen differenzierte weitere Kostend ämpfungsmassnahmen, wenn übermässige Leistungsmengen erbracht werden (Art. 117 Abs. 5 Bst. d nBV) Nach den Aussagen der Initiant/innen verlangt die Gesundheitsinitiative primär für die Kantone (und nur subsidiär für den Bund) die Einführung einer zusätzlichen Kompetenz zur Beschränkung der Leistungsmengen. Wenn in einzelnen Sparten oder Regionen im Wesentlichen aus Gründen des hohen Angebotes weit überdurchschnittlich viele Leistungen erbracht werden, soll der zuständige Kanton (und subsidiär der Bundesrat) das Vergütungsvolumen für die jeweiligen Kategorien von Leistungserbringern bestimmen können. Dabei müssten die betroffenen Behörden, Leistungserbringer und Versicherer zuvor angehört werden. Die Leistungserbringer, für 4306

die ein Vergütungsvolumen festgelegt wird, würden dann gemeinsam die Aufteilung des festgelegten Betrages regeln. Würden sie sich nicht einig, müssten die kantonale Regierung resp. der Bundesrat die notwendigen Bestimmungen erlassen. Um unerwünschte Transfers auf andere Bereiche des Gesundheitssystems zu vermeiden, müssen sowohl im stationären wie im ambulanten Sektor maximale Vergütungsvolumen festgelegt werden können.

Wie bereits erwähnt, thematisierte der Bundesrat die zusätzliche Möglichkeit zu einer Globalbudgetierung in der am 24. März 2000 abgeschlossenen ersten KVGTeilrevision (Ziff. 4.3.10). Er hat vorgeschlagen, den Kantonen sei neben der heute bereits für Spitäler und Pflegeheime bestehenden Kompetenz (Art. 51 KVG) auch eine Befugnis zur Einführung eines Globalbudgets für ambulante oder teilstationäre Leistungen einzuräumen. Das Parlament hat diesen Vorschlag für die Behandlung im Rahmen der zweiten KVG-Teilrevision zurückgestellt.

6.3

Die Ausführungsbestimmungen gemäss Initiativtext

Eine ganze Reihe von fundamentalen Entscheiden über die künftige Ausgestaltung des Systems der sozialen Krankenversicherung wäre trotz der detaillierten Regelung der Gesundheitsinitiative nach wie vor auf Gesetzesstufe zu treffen. Wichtige Anhaltspunkte dazu gibt die von der Gesundheitsinitiative vorgesehene Ergänzung der Übergangsbestimmungen der Verfassung. Darin spricht sie sich mit Nachdruck gegen einen Leistungsabbau der öffentlichen Hand aus: Die Leistungen des Bundes und der Kantone für das Gesundheitswesen haben mindestens dem teuerungsbereinigten Stand des Jahres 1997 zu entsprechen. Der Ertrag aus zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und aus den Beiträgen der Versicherten soll mindestens dem gesamten Prämienvolumen der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr vor Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung entsprechen.

Dazu ist anzumerken, dass Bund und Kantone mit den bereits beschlossenen Beiträgen zur Prämienverbilligung für die Jahre 2000­2003 sowie mit dem Projekt für den Neuen Finanzausgleich klar signalisiert haben, dass sie sich im Bereich Krankenversicherung mindestens auf dem teuerungsbedingten Stand des Jahres 1997 engagieren wollen.

Falls die Ausführungsgesetzgebung zur Gesundheitsinitiative nicht innert drei Jahren nach Annahme des Verfassungsartikels in Kraft gesetzt werden kann, hat der Bundesrat nach der vorgesehenen Übergangsbestimmung die notwendigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg zu erlassen. Dabei hat er insbesondere zu berücksichtigen, dass für die Beiträge der Versicherten ein Freibetrag von 20 000 Franken für das Einkommen und von 1 Million Franken für das Vermögen gilt. Die Beiträge im Verhältnis zum Vermögen belaufen sich auf mindestens einen Viertel der Beiträge der Versicherten. Die hier festgelegten Kriterien lassen einen grossen Handlungsspielraum offen. Es wäre nicht unproblematisch, derart komplexe Regelungen von so grosser Tragweite auf Stufe Verordnung treffen zu müssen. Sie können vom Richter überprüft und die rasche Umsetzung und die Rechtssicherheit könnte damit stark behindert werden.

4307

7

Die Gesundheitsinitiative speziell im Vergleich mit dem geltenden Recht von Bund und Kantonen

7.1

Vergleich mit dem geltenden Verfassungsrecht

Im Vergleich zu der heutigen Verfassungsregelung ist der Änderungsentwurf der Gesundheitsinitiative äusserst umfassend und geht stark ins Detail. Es ist hier zunächst auf das Folgende hinzuweisen: a. Das allgemeine Krankenversicherungsobligatorium Artikel 117 nBV erklärt heute den Bund zuständig für den Erlass von Vorschriften über die Kranken- und Unfallversicherung (Abs. 1). Er kann die Kranken- und Unfallversicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären (Abs. 2).

Die Gesundheitsinitiative will das Versicherungsobligatorium neu auf Verfassungsstufe allgemein verbindlich verankern. Das heute auf Gesetzesstufe statuierte allgemeine Krankenversicherungsobligatorium ist im Wesentlichen unbestritten. Unterschiedliche Vorstellungen bestehen lediglich über die Ausgestaltung des Obligatoriums. Der Bundesrat sieht unter dem gegenwärtig geltenden Finanzierungssystem keinen Bedarf, von der heutigen Verfassungsregelung abzuweichen.

b. Die Sozialziele der neuen Bundesverfassung Im Rahmen der verfassungsmässigen Zuständigkeit und ihrer verfügbaren Mittel haben Bund und Kantone nach Artikel 41 Absatz 3 nBV die in Artikel 41 Absätze 1 und 2 nBV genannten Sozialziele anzustreben. Obwohl die Sozialziele von Artikel 41 nBV schon auf Grund der früheren Bundesverfassung anzustreben waren, kommt der Neuformulierung erhebliche Bedeutung zu. Dies trifft für Absatz 2 zu, der zusammenfassend die geltenden Verpflichtungen zur Schaffung von Sozialversicherungen nennt. Er bildet die Ausgangsbasis für die konkreten Regelungen in den Artikeln 111 bis 117 nBV. Es wird speziell hervorgehoben, dass Bund und Kantone sich dafür einzusetzen haben, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit und Unfall gesichert ist. Artikel 41 Absatz 4 nBV erklärt in Übereinstimmung mit der Doktrin, dass aus den Sozialzielen keine Ansprüche auf unmittelbare Leistungen des Staates abgeleitet werden können. Doch handelt es sich dabei trotzdem um Verfassungsnormen mit rechtlichen Folgen. Sie enthalten Anleitungen für den Gesetzgeber und sie sind von den Gerichten bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzesvorschriften zu beachten. Der Gesetzgeber hat stets die Sozialziele im Auge zu behalten. Er muss sorgfältig prüfen, wie und wann sie realisiert werden sollen (Tschudi Hans Peter, Die Sozialziele
der neuen Bundesverfassung, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge 43/1999, S. 364 ff).

Für den Regelungsbereich der Kranken- und Unfallversicherung ist dazu speziell zu erwähnen, dass der Einsatz von Bund und Kantonen hier nicht lediglich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative erfolgt, wie dies für andere Sozialzielbereiche ausdrücklich in der Verfassung vorbehalten bleibt (Art. 41 Abs. 1 nBV). Der Einsatz von Bund und Kantonen für die Sicherung jeder Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit und Unfall ist durch die gesonderte Regelung in Artikel 41 Absatz 2 nBV ausdrücklich von diesem einschränkenden Vorbehalt im Ingress zu Absatz 1 ausgenommen (Tschudi, a.a.O.; Rhinow René,

4308

Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsverfassung, aus: Die neue Bundesverfassung, Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft, Bern 2000).

Nach den Vorstellungen der Initiant/innen gewährleistet die Gesundheitsinitiative allen Versicherten den Zugang zu einer qualitativ hoch stehenden, bedarfsgerechten und kostengünstigen Gesundheitsversorgung. Die Grundversicherung sei damit so definiert, dass niemand für seine Gesundheit zusätzliche Leistungen brauche. Der Bundesrat teilt diese Ansicht der Initiant/innen der Gesundheitsinitiative grundsätzlich. Sie steht im Einklang mit den Sozialzielen der Bundesverfassung und sie wäre deshalb auf Gesetzesstufe auch in deren Sinne umsetzbar. Allerdings ist nach der Einschätzung des Bundesrates grundsätzlich schon heute allen Versicherten der Zugang zu einer qualitativ hoch stehenden, bedarfsgerechten und kostengünstigen Gesundheitsversorgung gewährleistet.

c. Detaillierungsgrad der Regelung Während nach heutiger Regelung die allgemein gehaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne der Sozialziele der Verfassung auf Gesetzesstufe zu konkretisieren sind, erteilt die Gesundheitsinitiative dem Gesetzgeber klar ausformulierte Aufträge.

Sollte der Gesetzgeber es versäumen, die Aufträge innert der von der Gesundheitsinitiative gesetzten Frist umzusetzen, wäre der Bundesrat verpflichtet, vorerst auf Verordnungsstufe das Entsprechende zu regeln (Übergangsbestimmung Art. 197 Abs. 3 nBV). Gegenüber der heute geltenden Regelung in Artikel 117 nBV würde nach Ansicht des Bundesrates die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Umsetzung des Verfassungsauftrages eingeschränkt. Vieles, was heute auf Gesetzesstufe ausgeführt und umgesetzt wird, wäre künftig bereits auf Verfassungsstufe festgelegt.

Damit würden Handlungsspielräume eingeschränkt, die heute noch bestehen. Andererseits würde durch die detaillierte Regelung auf Verfassungsstufe aber auch Rechtssicherheit geschaffen, da auf Grund der Gesundheitsinitiative Massnahmen umzusetzen wären, welche nicht nur für die Krankenversicherung, sondern für das Gesundheitswesen als Gesamtes und damit auch für die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen und die öffentlichen und privaten Haushalte von grosser Bedeutung wären.

7.2

Vergleich mit dem geltenden Gesetzes- und Verordnungsrecht des Bundes

Die Gesundheitsinitiative enthält Bestimmungen zu Bereichen, die gegenwärtig auf Gesetzesstufe geregelt sind. Es handelt sich dabei primär um Vorschriften über die Zulassung der Krankenversicherer, über die Versorgungsgarantie für die Versicherten, über Tarife und Preise für die bezahlten Leistungen, über die Zulassung der Leistungserbringer, über ausserordentliche Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung, über die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen sowie über die Finanzierung der Krankenversicherer. Die Vorgaben der Gesundheitsinitiative werden daher nachfolgend zunächst kurz in einen Bezug zu den geltenden Bestimmungen des KVG gestellt. Die Würdigung der entsprechenden Initiativbestimmungen findet sich in den Ziffern 6.1 und 6.2 der vorliegenden Botschaft:

4309

a. Eine Einschränkung der Zulassung als Krankenversicherer Die Gesundheitsinitiative sieht vor, dass die obligatorische Krankenversicherung durch «gemeinnützige Krankenversicherer» erfolgt (Art. 117 Abs. 2 erster Satz nBV). Es handelt sich hier nicht um eine der Hauptforderungen der Gesundheitsinitiative. Sie wäre aber nach einer Annahme der Initiative von einer gewissen Tragweite für die künftige Zulassung der Krankenversicherer. Nach heute geltendem Recht sind zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung nämlich sowohl «Krankenkassen» wie auch «private Versicherungseinrichtungen» zugelassen (Art. 11 KVG). Krankenkassen sind juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts, die keinen Erwerbszweck verfolgen, hauptsächlich die soziale Krankenversicherung betreiben und vom EDI anerkannt sind (Art. 12 Abs. 1 KVG). Private Versicherungseinrichtungen können zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung zugelassen werden, falls sie dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 (VAG; SR 961.01) unterstehen und die entsprechenden Bewilligungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und des EDI besitzen (Art. 11 Abs. 1 Bst. b i.V. mit Art. 13 KVG). Die Gesundheitsinitiative definiert den von ihr verwendeten Begriff des «gemeinnützigen Krankenversicherers» nicht näher. Versicherungseinrichtungen des Privatversicherungsrechts verfolgen aber keinen «gemeinnützigen Zweck», sondern sie streben einen Gewinn an. Damit solche Versicherer heute trotzdem an der Durchführung der sozialen Krankenversicherung teilnehmen können (bisher ist allerdings nie ein entsprechendes Gesuch eingereicht worden), verlangt Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a KVG, dass dem VAG unterstehende Versicherungseinrichtungen die soziale Krankenversicherung nur betreiben dürfen, wenn sie diese nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit durchführen und dort die Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten. Zudem dürfen sie die Mittel der sozialen Krankenversicherung nur zu deren Zwecken verwenden. Sie dürfen also weder Mittel aus diesem Geschäftsbereich in andere Geschäftsbereiche transferieren noch dürfen sie einen Teil dieser Mittel als Gewinn ausschütten. Unter einschränkenden Bedingungen erlaubt das KVG somit heute auch profitorientierten Privatversicherern, die soziale Krankenversicherung zu
betreiben. Wenn die Initiative nur noch «gemeinnützige Krankenversicherer» zulässt, wäre die soziale Krankenversicherung wie unter dem früheren Recht wieder ausschliesslich durch Krankenkassen durchzuführen. Dies hätte heute keine unmittelbaren konkreten Auswirkungen, weil gar keine Privatversicherer in diesem Bereich tätig sind. Allerdings würde auch hier ein bestehender Handlungsspielraum des KVG eingeschränkt.

b. Die Versorgungsgarantie soll explizit auf Verfassungsstufe verankert werden Nach dem durch die Gesundheitsinitiative vorgeschlagenen neuen Artikel 117 Absatz 2 zweiter Satz nBV hat die obligatorische Krankenversicherung allen Versicherten eine qualitativ hoch stehende, bedarfsgerechte und kostengünstige medizinische Versorgung zu garantieren.

Es handelt sich dabei inhaltlich um keine neuen Postulate, da sie bereits aus den Sozialzielen der alten und der neuen Verfassung abzuleiten sind. Anknüpfungspunkte an diese Zielvorgaben finden sich bereits in einer Vielzahl von Bestimmungen des geltenden Gesetzesrechts. So ist in Artikel 32 KVG vorgeschrieben, dass die Leistungen, die der Diagnose und Behandlung einer Krankheit oder deren Folgen dienen, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen, was periodisch zu überprüfen ist. Zudem muss die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein. Diese Grundsätze werden in weiteren Gesetzesbestimmungen konkretisiert. Weitere Hinweise auf die Garantie einer (in der Terminologie der Ge4310

sundheitsinitiative) qualitativ hoch stehenden, bedarfsgerechten und kostengünstigen medizinischen Versorgung aller Versicherten finden sich primär in den Artikeln 33­59 KVG. So kann der Bundesrat die Leistungen bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernommen werden. Der Bundesrat bestimmt auch, in welchem Umfang die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder umstrittenen Leistung übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet. Er setzt Kommissionen ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten, und sorgt für die Koordination der Arbeit der genannten Kommissionen (Art. 33 KVG). Die Versicherer dürfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 25­33 KVG übernehmen (Art. 34 KVG). Weiter finden sich in den Artikeln 35­40 KVG Vorschriften über die Zulassung der Leistungserbringer und in den Artikeln 43­53 KVG Bestimmungen über die Tarife und Preise für die von ihnen erbrachten Leistungen. Speziell zu erwähnen sind hier die Regelungen zum Tarifschutz (Art. 44 KVG), zur Sicherung der medizinischen Versorgung (Art. 45 KVG), zu den Tarifverträgen ganz allgemein (Art. 46 KVG) und zum Fehlen von Tarifverträgen (Art. 47 KVG). Daneben kennt das Gesetz Spezialregelungen zu den Tarifverträgen mit Ärzteverbänden (Art. 48 KVG), mit den Spitälern (Art. 49 KVG) und mit Pflegeheimen (Art. 50 KVG). Es ermöglicht kantonale Globalbudgets im stationären Bereich (Art. 51 KVG) und regelt die Festsetzung von Preisen in Teilbereichen (Art. 52 KVG). Als ausserordentliche Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung kennt es die Globalbudgetierung im stationären Bereich (Art. 54 KVG) und die Tariffestsetzung durch die jeweilige Tarifgenehmigungsbehörde in sämtlichen Bereichen (Art. 55 KVG). Es verpflichtet ganz generell zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Leistungen (Art. 56 KVG) und zur Qualitätssicherung (Art. 58 KVG). Dazu verankert es ein System von Vertrauensärzten und Vertrauensärztinnen (Art. 57 KVG) und es sieht den Ausschluss von Leistungserbringern aus wichtigen Gründen vor (Art. 59 KVG), insbesondere bei Verstössen gegen die Wirtschaftlichkeit (Art. 56
KVG) oder die Qualitätssicherung (Art. 58 KVG). Eine kurze Beurteilung der heutigen Rechtslage sowie der gegenwärtigen Entwicklungen im Rahmen der ersten und zweiten KVGTeilrevision und eine Gegenüberstellung mit den entsprechenden Forderungen der Gesundheitsinitiative findet sich bei der Würdigung der Initiative in Ziffer 6.2.

c. Ein Finanzierungssystem, das in wesentlichen Punkten stark von der geltenden Ordnung abweicht Eine Würdigung des Finanzierungssystems der Gesundheitsinitiative sowie eine Gegenüberstellung mit dem heutigen System findet sich vorne in Ziffer 6.1.

d. Die Pflicht, die Kosten im Gesundheitswesen wirksam zu dämpfen Die Gesundheitsinitiative verpflichtet nach Artikel 117 Absatz 5 nBV Bund und Kantone auf Verfassungsstufe dazu, für eine wirksame Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu sorgen. Elemente zu hier vorgeschriebenen Regelungen finden sich im geltenden Recht in verschiedenen Bestimmungen. Zu denken ist hier vorab an die Artikel 33, 34, 35­40, 43­53, 54, 55 sowie 56­59 KVG. Inwieweit die heutige Rechtslage den Forderungen der Initiative bereits entspricht und wieweit sie anzupassen wäre, wird bei der Würdigung der Forderungen der Initiative in Ziffer 6.2 erläutert.

4311

e. Die Übergangsbestimmungen enthalten detaillierte Vorgaben zur Umsetzung Die Initiative fixiert die Leistungen des Bundes und der Kantone für das Gesundheitswesen mindestens auf dem teuerungsbereinigten Stand des Jahres 1997. Dazu ist hier zusätzlich zu dem bereits unter Ziffer 6.3 Gesagten lediglich darauf hinzuweisen, dass das heutige Recht die Leistungen des Bundes und der Kantone nicht für das gesamte Gesundheitswesen betraglich festlegt, wie dies auf Grund der Formulierung von Artikel 197 Absatz 1 nBV für die Verhältnisse unter dem Regime der Gesundheitsinitiative impliziert wäre. Heute werden lediglich für den Bereich der Verbilligung der Krankenversicherungsprämien der öffentlichen Hand betragliche Vorgaben gemacht (Art. 65, 66 und 106 KVG).

7.3

Vergleich mit dem geltenden kantonalen Recht

Unter dem geltenden Krankenversicherungsrecht ist kantonales Recht primär in den Bereichen der Kontrolle über die Einhaltung der Versicherungspflicht (Art. 6 KVG) und der Beiträge zur Prämienverbilligung (Art. 65 und 66 KVG) direkt bestimmend.

Die Kantone haben für die Einhaltung der Versicherungspflicht zu sorgen und Personen, welche ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, einem Versicherer zuzuweisen. Sie haben den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen zu gewähren. Dazu haben sie zunächst den Kreis dieser Versicherten zu bestimmen und sie haben die Zusprachebedingungen festzulegen.

Dazu kommen in verschiedenen Bereichen Regelungen, welche auf Grund der bundesrechtlichen Zuweisung bestimmter einzelner Aufgaben an die Kantone im kantonalen Recht zu regeln sind. In der vorliegenden Botschaft sind in diesem Zusammenhang die folgenden Verpflichtungen speziell zu erwähnen: ­

Die Kantone haben zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Ärzt/innen mit einer kantonalen Bewilligung zur Führung einer Apotheke den zugelassenen Apotheker/innen gleichgestellt sind (Art. 37 Abs. 3 KVG).

­

Sie haben alleine oder gemeinsam mit anderen Kantonen eine Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung unter angemessenem Beizug privater Trägerschaften aufzustellen (Art. 39 Abs. 1 Bst. d KVG).

­

Sie führen auf einer nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten kantonalen Spitalliste die Spitäler auf, welche zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen sind (Art. 39 Abs. 1 Bst. d und e KVG).

­

Sie haben auch für die Pflegeheime eine Planung aufzustellen und Listen zu erstellen (Art. 39 Abs. 2 und 3 KVG).

­

Sie haben für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu sorgen, sofern die Behandlung der Versicherten im Rahmen des KVG wegen des Ausstandes von Leistungserbringern nicht gewährleistet ist (Art. 45 KVG).

­

Der Kanton kann als ausserordentliche Massnahme zur Eindämmung der Kostenentwicklung ein Globalbudget für die Finanzierung der Spitäler oder der Pflegeheime festsetzen (Art. 54 Abs. 1 KVG).

­

Der Kanton kann als weitere ausserordentliche Massnahme zur Eindämmung der Kostenentwicklung unter gesetzlich genau definierten Umständen bei

4312

den von der Kantonsregierung zu genehmigenden Tarifen einen Tarifstopp verordnen (Art. 55 KVG). Auf Grund des im Rahmen der ersten KVG-Teilrevision beschlossenen neuen Artikels 55a KVG kommen auf die Kantone beim Erlass befristeter Zulassungsbestimmungen Mitwirkungspflichten zu.

Als weitere Vorkehren, welche auf kantonaler Stufe zu treffen ebenfalls von grosser Bedeutung für das Funktionieren der sozialen Krankenversicherung sind, sind die Folgenden zu erwähnen: ­

Die Kantonsregierung hat alle Tarifverträge zu genehmigen, sofern sie nicht in der ganzen Schweiz gelten sollen. Die Kantonsregierung hat dabei zu prüfen, ob der Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Art. 46 KVG).

­

Die Kantonsregierung ordnet Betriebsvergleiche zwischen Spitälern an (Art. 49 Abs. 7 KVG).

­

Vor der Genehmigung der Prämientarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch den Bund können die Kantone zu den für ihre Bevölkerung vorgesehenen Prämientarifen Stellung nehmen (Art. 61 Abs. 4 KVG).

7.4

Auswirkungen der Gesundheitsinitiative für den Bereich der Prämienverbilligung

Der Bereich der Prämienverbilligung ist von den Forderungen der Gesundheitsinitiative insoweit betroffen, als die Prämien nicht mehr verbilligt würden. Die Prämienverbilligung würde durch die einkommens- und vermögensabhängige Prämienbemessung abgelöst.

8

Finanzielle und personelle Auswirkungen

8.1

Für die Krankenversicherer

Die Auswirkungen für die Krankenversicherer können erst geschätzt werden, wenn näher bestimmt ist, wie das neue Finanzierungssystem im Grossen und im Kleinen auszugestalten ist (Ziff. 6.1.5). Entscheidend dafür wären Rahmenbedingungen, die nach einem Grundsatzentscheid von Volk und Ständen in intensiven politischen Prozessen erst noch zu definieren wären, bevor sie auf Gesetzgebungsstufe fixiert werden könnten. Bekannt ist im Wesentlichen nur der Betrag, mit dem die soziale Krankenversicherung als solche aus ihren gesamten Mitteln das Gesundheitswesen auch künftig mitzufinanzieren hätte. Die Aufteilung des Gesamtbetrages auf die verschiedenen Versicherer und die einzelnen Versicherten müsste hingegen von Grund auf neu definiert werden. Ein System der einkommens- und vermögensabhängigen Prämie mit den notwendigen Ausgleichsmechanismen würde aber für die Versicherer mit Sicherheit nicht einfacher und kostengünstiger zu handhaben sein als das heutige.

4313

8.2

Auswirkungen für den Bund

Wie in Ziffer 6.1.4 bereits erwähnt, würde durch die vorgesehene Mitfinanzierung über die Mehrwertsteuer der staatliche Anteil an der Finanzierung der Krankenversicherung stark ausgebaut. Mit dem Wegfall der Prämienverbilligungsbeiträge der öffentlichen Hand würde der Bund zwar Subventionen einsparen, durch die zusätzlichen Ausgaben aus Mehrwertsteuererträgen würde er aber per Saldo belastet. Geht man davon aus, dass nach dem Wortlaut der Initiative die verwendeten Mittel der Mehrwertsteuer gleich hoch sein dürfen wie die Finanzierungsmittel aus Versichertenbeiträgen, entspräche dies bei Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von 14,024 Milliarden Franken im Jahre 1998 einem Betrag von rund 7 Milliarden Franken gegenüber den heute rund 2 Milliarden Franken an Bundesmitteln zur Prämienverbilligung.

8.3

Auswirkungen für die Kantone

Die Kantone und Gemeinden würden durch den Systemwechsel bis zu einer Milliarde Franken jährlich an Prämienverbilligungsbeiträgen und Sozialhilfezahlungen einsparen (bezogen auf den gegenwärtigen Stand). Je nach Ausgestaltung des neuen Finanzierungssystems könnte ihnen aber ein erheblicher zusätzlicher administrativer Aufwand mit entsprechenden Kostenfolgen entstehen. Zu denken ist hier nicht nur an einen zusätzlichen Bedarf an Hilfestellungen der kantonalen und kommunalen Steuerveranlagungsbehörden. Auch eine Neubewertung bestimmter Vermögenswerte wäre kaum ohne behördliche Mithilfe vorstellbar. Sollte es sich dabei zeigen, dass gewisse Vermögenswerte heute zu tief bewertet sind, könnte dies sich bei den Steuereinnahmen der Kantone und Gemeinden positiv auswirken.

9

Verhältnis zum Finanzausgleich

Die Vorstellungen der Gesundheitsinitiative über ein künftiges Finanzierungssystem der Krankenversicherungen weichen von denjenigen des Projekts für einen Neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen grundlegend ab. Auf Grund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens ist dieses Projekt gemäss Beschluss des Bundesrates vom 3. Mai 2000 allerdings noch zu überarbeiten. Die Prämienverbilligung spielt dort eine wichtige Rolle. Sie ist weiterhin als Verbundaufgabe des Bundes und der Kantone vorgesehen. Damit werden auch Entscheidungskompetenzen und Finanzierungsverantwortung verteilt. Im Sinne einer einheitlichen Regelung und in Anlehnung an die Ordnung anderer Sozialversicherungen soll der Bund festlegen, welche Einkommenskategorien Anspruch auf Prämienverbilligungen haben.

Er garantiert, dass die Prämienlast für die obligatorische Krankenpflegeversicherung ein gewisses Mass nicht übersteigt. Die Kantone haben die Bundesmittel so zu ergänzen, dass mindestens das vom Bund vorgegebene Ziel erreicht wird. Nach den Vorgaben der Vernehmlassungsvorlage würde der Bund sich mit rund 45 Prozent an den Prämienverbilligungen beteiligen, die verbleibenden 55 Prozent würden zu Lasten der Kantone gehen. Beispielhaft vorgeschlagen wird, dass die Beiträge an die Versicherten so bemessen werden, dass durchschnittlich eine Prämienbelastung von 8 Prozent des steuerbaren Einkommens (ergänzt um 10 Prozent des steuerbaren Vermögens) nicht überschritten würde. Dabei wird von einem gesamtschweizeri4314

schen Betrag von 8 Prozent ausgegangen. Für den einzelnen Kanton wird er so variiert (und durch den Bund verbindlich festgelegt), wie es der Abweichung der Krankenpflegekosten des Kantons vom gesamtschweizerischen Mittel entspricht.

Der selber zu tragende Betrag ist somit für die einzelne versicherte Person umso höher, je höher die Krankenpflegekosten in ihrem Kanton sind. Grundsätzlich orientiert sich das Modell des Neuen Finanzausgleichs damit zwar am Modell der KVGBotschaft von 1991, auch wenn der Verteilschlüssel Bund/Kantone anders definiert wäre als unter dem geltenden Recht. Die aus der Sicht betroffener Versicherter wichtigste Abweichung bestünde darin, dass in Kantonen mit hohen Gesundheitskosten von der 8-Prozent-Limite nach oben abgewichen werden könnte.

Bei Anpassungen am System der Prämienverbilligung ist zunächst der Grundsatz zu entscheiden, ob wie heute nur festgelegt werden soll, bis zu welchen globalen Beträgen sich die öffentliche Hand an der Prämienverbilligung beteiligen soll, oder ob neu festgelegt werden soll, welche Prämienbelastung der einzelnen Versicherten erreicht werden soll bzw. nicht überschritten werden darf.

Der Bundesrat hat im Rahmen der Vernehmlassung zum Neuen Finanzausgleich ein durchschnittliches Verbilligungsziel zur Diskussion gestellt. Damit können die eingesetzten Bundesgelder mit gleicher Zielsetzung für alle obligatorisch Krankenpflegeversicherten eingesetzt werden. Im Vordergrund steht eine einfache Lösung. Die heute teilweise stossende Verzerrung in der sozialen Zielsetzung würde damit entfallen. Eine solche Massnahme wäre sowohl zielkonform mit den Vorstellungen des KVG-Gesetzgebers wie auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Sie würde eine echte Stärkung des bestehenden Systems darstellen.

Aus ökonomischer Sicht ist zu dieser Variante zu bemerken, dass damit die Selbstverantwortung der Kantone für ihre eigenen Gesundheitssysteme gestärkt wird. Berechnet man aber den Anteil der Prämienverbilligung an den entstandenen Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (ohne Kostenbeteiligung), so haben bereits vier der Kantone, die 1996 über der 8-Prozent-Marke lagen, einen überdurchschnittlichen Anteil (Genf, Basel-Stadt, Tessin, Waadt). Sie haben also bereits erhebliche Anstrengungen zur Minderung des Prämiendrucks auf die davon besonders betroffenen Versicherten im Anspruchs-Grenzbereich unternommen.

10

Verhältnis zum europäischen Recht

10.1

Das europäische Gemeinschaftsrecht

Das in Artikel 39 des EG-Vertrages verankerte grundlegende Prinzip der Freizügigkeit der Arbeitnehmer verlangt nach einer Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit (Art. 42 EG-Vertrag). Dieses Prinzip wurde umgesetzt durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 (kodifiziert durch die Verordnung Nr. 118/97 des Rates, ABl EG Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 307/1999 des Rates, ABl EG Nr. L 38 vom 12.2.1999, S. 1).

Das Inkrafttreten des mit der EG und ihren Mitgliedstaaten abgeschlossenen Abkommens über den freien Personenverkehr wird insbesondere auch zur Folge haben, dass die Schweiz diesem Koordinationssystem beitreten wird (vgl. Botschaft des

4315

Bundesrates vom 23.6.1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft, BBl 1999 6128).

In seiner Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes (ABl EG Nr. L 245 vom 26.8.1992, S. 49) forderte der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Mitgliedstaaten auf, im Bereich Krankheit für die rechtmässig in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Personen insbesondere den Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung sowie zu den Krankheitsvorsorgemassnahmen zu ermöglichen. Trotz der in der Empfehlung festgelegten Ziele bleiben die Mitgliedstaaten frei in der Ausgestaltung ihres Gesundheitswesens und in dessen Organisation.

10.2

Die Instrumente des Europarates

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, stellt die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 die Entsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In Artikel 12 ist das Recht auf soziale Sicherheit verankert.

Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet. Eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, sodass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

Mit der revidierten Europäischen Sozialcharta vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Es handelt sich dabei um ein von der Europäischen Sozialcharta gesondertes Abkommen, welches diese nicht aufhebt. Das Recht auf soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten. Die Schweiz hat sie nicht ratifiziert.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 wurde von der Schweiz am 16. September 1977 ratifiziert (AS 1978 1491). Unser Land hat jedoch Teil II über die ärztliche Betreuung nicht angenommen. Es ist damit nicht an die in diesem Teil der Ordnung getroffenen Regelungen gebunden.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 6. November 1990 (revidiert) ist ebenfalls ein von der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit gesondertes Abkommen und hebt diese nicht auf. Die revidierte Ordnung erweitert gewisse Vorschriften der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit und führt parallel dazu eine grössere Flexibilität ein, indem die Ratifizierungsbedingungen erleichtert und die Normen so formuliert wurden, dass den einzelstaatlichen Regelungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Da die revidierte Ordnung bisher von keinem Staat ratifiziert wurde, ist sie noch nicht in Kraft getreten.

10.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Was das europäische Gemeinschaftsrecht anbelangt, wird auf Grund des in den Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 verankerten Koordinationssystems verlangt, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung ihres nationalen Rechts gewisse Grundsätze einhalten. Es sind namentlich Klauseln über Staatszugehörigkeit und Wohnsitz aufzuheben, um damit zu verhindern, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und

4316

ihrer Familienangehörigen durch einengende Vorschriften im Bereiche der sozialen Sicherheit behindert wird. Die Koordinationsregeln schreiben den Mitgliedstaaten nicht eine bestimmte Art der Finanzierung oder Organisation ihrer Systeme vor. Das Koordinationssystem gilt sowohl für Systeme, die über Versicherungsbeiträge, wie auch für solche, welche ausschliesslich über Steuern finanziert werden. Dagegen ist die Planung im Gesundheitswesen davon nicht berührt und es bestehen auch keine Regeln über die Begrenzung der Kosten für die Versicherten oder die Versicherer.

Die Gesundheitsinitiative ist somit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar.

Unter den erwähnten Rechtsnormen des Europarates enthalten nur die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit und die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) Bestimmungen über die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme. Dagegen enthalten sämtliche Normen keine Vorschriften über die Begrenzung der Kosten im Gesundheitswesen.

Jeder Staat hat in Ausführung der aus Teil II der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit hervorgehenden Verpflichtungen dafür zu sorgen, dass für die geschützten Personen die medizinischen Leistungen bei Krankheit (ungeachtet der Ursache) und bei Mutterschaft gewährleistet sind. Die begünstigte Person kann im Krankheitsfall an den Kosten der erbrachten Leistungen beteiligt werden, es kann ihr eine Wartefrist auferlegt und die Leistungsdauer kann bei Krankheit auf 26 Wochen pro Erkrankungsfall begrenzt werden.

Hinsichtlich der Finanzierung sieht die Ordnung vor, dass die Kosten für die erbrachten Leistungen sowie die Verwaltungskosten kollektiv über Beiträge oder Steuern oder auf beiden Wegen gemeinsam aufgebracht werden, und zwar so, dass Minderbemittelte nicht übermässig belastet werden. Dabei sind die wirtschaftliche Lage der Vertragspartei und jene der geschützten Personen zu berücksichtigen (Art. 70 § 1). Andernfalls soll der Anteil der Versicherungsbeiträge 50 Prozent der gesamten zum Schutze der Arbeitnehmer, ihrer Ehegatten und Kinder eingesetzten Mittel nicht übersteigen (Art. 70 § 2). Hinsichtlich der Finanzierung bringt die Gesundheitsinitiative zur heutigen Situation weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung der Vereinbarkeit des schweizerischen Rechts mit Teil II der Europäischen Ordnung. Das gilt für die revidierte Ordnung, welche auf den gleichen Grundlagen wie die Europäische Ordnung aufbaut, in gleicher Weise.

11

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die Initiative eine grundlegende Neuordnung der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung anstrebt, deren Umsetzung neben vielen technischen Problemen (so etwa beim Einbezug des realen Vermögens bei der Beitragsfestsetzung), ökonomischen Auswirkungen (auf die Preise und die Inflation) und fragwürdigen Anreizen (beispielsweise durch den vollständigen Wegfall der Kostenbeteiligung) einen umfassenden Revisionsbedarf in verschiedensten Regelungsbereichen auslösen und sich zudem einschneidend auf den Neuen Finanzausgleich auswirken würde. Einen derart massiven Eingriff in das Finanzierungssystem der sozialen Krankenversicherung lehnt der Bundesrat ab, dies vor allem, weil er überzeugt ist, dass das geltende System unter dem neuen KVG einen vorzüglichen und umfassenden Versicherungsschutz bei gesamthaft betrachtet tragbaren Prämien garantiert. Die bedarfsabhängige Unterstüt4317

zung erfüllt ihre Aufgabe im Wesentlichen gut, auch wenn die Prämienverbilligung nicht alle jene Wirkungen gebracht hat, die ihr vom KVG-Gesetzgeber ursprünglich zugedacht worden sind. Dass die gesteckten Ziele nicht immer ganz erreicht wurden, liegt nicht daran, dass das System falsch angelegt wäre, sondern hat seinen Grund in Unterschieden zwischen den Kantonen (finanzieller Umfang der kantonalen Beiträge, grosse regionale Prämienunterschiede).

Der Bundesrat anerkennt aber auch, dass zahlreiche Versicherte vor allem mit mittleren Einkommen durch das Kopfprämiensystem finanziell stark belastet werden und gegen soziale Härte ungenügend geschützt sind. Für die betroffenen Versichertenkategorien drängen sich deshalb Korrekturen bei der Prämienbelastung auf. Diese sind durch Anpassungen am aktuellen System der Prämienverbilligung anzustreben, wobei ein verbindliches Verbilligungsziel festzusetzen ist. Den Rahmen für die notwendigen Korrekturen kann die Umsetzung der Reform des Finanzausgleichs bieten.

Aus diesen Gründen kann am geltenden Finanzierungssystem der Kopfprämien mit dem Ausgleich durch die Prämienverbilligung festgehalten werden.

Zu den Vorstellungen der Gesundheitsinitiative für den Bereich der Kostendämpfung und ­kontrolle ist zu bemerken, dass nach Meinung des Bundesrates das geltende KVG allen Akteuren im Gesundheitswesen griffige Instrumente zur Verfügung stellt, mit denen auf die Entwicklung der Gesundheitskosten eingewirkt werden kann. Eine Optimierung dieser Instrumente ist durchaus auch auf Grund der bestehenden Verfassungsgrundlage, zum Teil mit Änderungen auf Gesetzesebene, möglich. So können mit der Initiative geforderte Massnahmen in der an die Hand genommenen zweiten KVG-Teilrevision sowie im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs Bund/Kantone und des neuen Heilmittelgesetzes zumindest von der Stossrichtung her verwirklicht werden. Die darüber hinausgehenden Schritte würden nach Meinung des Bundesrates zu Kompetenzverschiebungen und damit zu einer Zentralisierung von Planungskompetenzen sowie von Koordinierungsaufgaben beim Bund führen. Damit kämen dem Bund im Bereiche des Gesundheitswesens wesentliche Kernfunktionen zu, die heute von den Kantonen wahrzunehmen sind, was die historisch gewachsene Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen in einer Art verändern würde, die nach
Ansicht des Bundesrates zu weit ginge.

Der Bund wird die Entwicklungen in der Krankenversicherung wie im Gesundheitswesen allgemein laufend verfolgen und die nötigen Vorkehrungen treffen, um die vom Gesetzgeber mit der Einführung des KVG gesetzten Ziele optimal zu erreichen.

Aus all diesen Gründen empfiehlt der Bundesrat, die vorliegende Initiative abzulehnen, ohne einen Gegenvorschlag zu unterbreiten.

11000

4318

Anhang Die Finanzierung der Krankenpflege-Grundversicherung respektive der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwischen 1992 und 1998 (Quelle: Anhang Tabelle 2) Tabelle 1

Öffentliche Haushalte Privathaushalte Weitere Erträge

1992

1994

1996*

1998**

Veränderung 1992-98

46% 52% _2%

42% 57% _1%

38% 60% _1%

39% 59% _2%

minus 7 Prozentpunkte plus 7 Prozentpunkte ­

* KVG in Kraft ab 1.1.1996 ** Für 1998 sind die Investitionen der öffentlichen Hand geschätzt.

Die Finanzierung der Krankenpflege-Grundversicherung respektive der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwischen 1992 und 1998 (in Millionen Franken) Tabelle 2

Privathaushalte Netto (abzüglich Prämienverbilligungsbeiträge) Kopfprämien der Versicherten Brutto Prämienverbilligungsbeiträge an die Versicherten Kopfprämien der Versicherten Netto Kostenbeteiligungen der Versicherten Öffentliche Haushalte Subventionierung der Kassen und Versicherten Subventionierung von stationären Leistungen Bereitstellung von stationären Infrastrukturen (D) Weitere Erträge Kapitalerträge und ausserordentliche Erträge Total

1992 (A)

1994 (B)

1996 (B)

1998 (C)

8936 8082

9829 8986

11165 11035

12211 12604

331 7751 1185

416 8570 1259

1549 9486 1679

2491 10113 2097

7837

7172

7079

7388

1994

1595

1549

2491

5043

4784

4785

4897

800

793

745

k.D.

322

189

331

322

189

_261 _ 261

17095

17190

18505

19929

331

k.D. Keine Daten verfügbar Quellen: BSV, Statistik der Krankenversicherung (verschiedene Jahrgänge); Greppi S., Rossel R., Strüwe W. (1998), Der Einfluss des neuen Krankenversicherungsgesetzes auf die Finanzierung des Gesundheitswesens, Bericht des Bundesamtes für Statistik zuhanden des Bundesamtes für Sozialversicherung, BSV Forschungsbericht Nr. 15/98, Bern; Rossel R. (2000), Aktua-

4319

lisierung der Studie «Der Einfluss des neuen Krankenversicherungsgesetzes auf die Finanzierung des Gesundheitswesens» von Greppi et al. (1998). Provisorische Ergebnisse; BFS (1999).

(A) Die Krankenversicherungsstatistiken vor und nach 1994 sind nicht direkt miteinander vergleichbar, weil die Daten seit 1994 nach einem neuen Kontenplan erhoben werden. Für 1992 wurden folgende Einnahmen berücksichtigt: ­ Kopfprämien: Beiträge aus der Grundversicherung (inkl. obligatorisches Spitalgeld) und der HMO-Grundversicherung ­ Subventionierung der Kassen und Versicherten: Beiträge von Bund, Kantonen und Gemeinden ­ Subventionierung von stationären Leistungen: Angaben nach Greppi et al. (1998) ­ Weitere Erträge: 1992 wurden die weiteren Erträge (zurückerstattete Leistungen, Zinsen, Liegenschaften, Aufwertungen Wertschriften, Schenkungen, sonstiger Ertrag) nicht nach Grund- und Zusatzversicherungen unterschieden. Das entsprechende Verhältnis von 1994 wurde auf 1992 angewandt, um den gesamten ausserordentlichen Ertrag hinunter zu brechen.

(B) Die Angaben für 1994 und 1996 stützen sich auf Greppi et al. (1998). Bericht im Rahmen der Wirkungsanalyse KVG, BSV Beiträge zur sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 15/98.

Die Prämienverbilligungsbeiträge stammen aus der Statistik der Krankenversicherung 1997, BSV (1998).

(C) Die Angaben stützen sich auf die durch Rossel (2000) aktualisierten Daten von Greppi et al. (1998). Die neuesten Angaben zur Prämienverbilligung stammen aus der Statistik der Krankenversicherung 1998, BSV (1999).

(D) Quelle: BFS (1999), Kosten des Gesundheitswesens, Neuenburg, Anhang 1, Angaben für Spitäler und psychiatrische Kliniken. Die Angaben für 1998 sind noch nicht erhältlich.

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