00.034 Botschaft zur Volksinitiative «für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)» vom 13. März 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft über die Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" und beantragen Ihnen, diese Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung zur Abstimmung vorzulegen.

Der Entwurf zum entsprechenden Bundesbeschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. März 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10930

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0717

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Übersicht Die Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" wurde am 16. März 1999 mit 112 395 gültigen Unterschriften in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs bei der Bundeskanzlei eingereicht. Danach soll die Höchstgeschwindigkeit innerorts unter Vorbehalt begründeter Ausnahmen (insbesondere auf Hauptstrassen, sofern dies die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm zulassen) allgemein auf 30 km/h herabgesetzt werden. Übergangsrechtlich wird für die Umsetzung der Initiative ein Jahr ab Annahme durch Volk und Stände eingeräumt.

Das von den Initiantinnen und Initianten angestrebte Ziel, mittels Tempobeschränkung innerorts die Verkehrssicherheit zu erhöhen, die Umweltbelastung zu mindern und damit eine bessere Wohnqualität zu erreichen, ist begrüssenswert, doch ist der vorgeschlagene Weg aus folgenden Gründen nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen: Es ist zwar unbestritten, dass tiefere Geschwindigkeiten die Verkehrsunfälle reduzieren und ­ wenn sie das gesamte Fahrverhalten beruhigen und damit einen homogeneren Verkehrsfluss bewirken ­ den Schadstoffausstoss wie auch den Treibstoffverbrauch vermindern. Derartige Verbesserungen lassen sich allerdings nur erreichen, wenn eine angeordnete Tempomassnahme auch eingehalten wird. Es ist allgemein anerkannt, dass allein mit der Einführung einer Verkehrsregel bzw. einer Signalisation ­ wie dies bei Annahme der Initiative der Fall wäre ­ das effektiv gefahrene Tempo nicht entsprechend gesenkt werden kann. Ohne flankierende bauliche oder technische Verkehrsberuhigungsmassnahmen können die angestrebten Verbesserungen nicht im erwünschten Mass erreicht werden. Die Initiative geht auf eine vollständig flächendeckende Einführung von Tempo 30 aus und nimmt zu wenig Rücksicht auf Ausbaugrad und Erscheinungsbild der Strassen. Zwar sieht die Initiative vor, dass die zuständige kantonale Behörde in begründeten Fällen Abweichungen verfügen kann; das im Initiativtext erwähnte Beispiel eines "begründeten Falls", wonach auf Hauptstrassen die Geschwindigkeit nur hinaufgesetzt werden könnte, wenn die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft, namentlich vor Lärm, dies zulassen, macht jedoch unmissverständlich deutlich, dass
selbst bei einer grosszügig ausgebauten Hauptstrasse kaum je eine Hinaufsetzung auf 50 km/h möglich wäre, weil bekanntlich jede Tempoerhöhung sich negativ auf das Unfallgeschehen und damit auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden auswirkt. Tempo 30 generell auf dem gesamten Strassennetz innerorts, das vom Ausbaugrad und Erscheinungsbild her ausserordentlich heterogen ist, erscheint jedoch unverhältnismässig. Die erfahrungsgemäss schlechte Einhaltung einer Tempomassnahme auf Strassen, deren Ausbau und Bild nicht mit der Beschränkung übereinstimmt und die sich mit polizeilichen Kontrollen allein auch nicht oder nur unwesentlich verbessern liesse, führte letztlich nicht zum angestrebten besseren Schutz von Leib und Leben. Mit der Einführung von Tempo 30 generell bliebe es auch nicht mehr im gleichen Mass den für die Finanzierung zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden überlassen, die Prioritäten beim Rück- und

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Umbau von Strassen bzw. bei der Anordnung flankierender Massnahmen unter Mitwirkung der Bevölkerung festzulegen, um den Anliegen der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes und des Wohlbefindens der Anwohner optimal Rechnung tragen zu können. Im Übrigen besteht kein Grund, die 1975 geschaffene, einheitliche Zuständigkeit für die Anordnung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten aufzuteilen und die Kompetenz des Bundesrates zur Festlegung der Innerorts-Höchstgeschwindigkeit auf Volk und Stände zu übertragen.

Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen den eidgenössischen Räten, die Initiative "Strassen für alle" Volk und Ständen zur Ablehnung ohne Gegenvorschlag zu empfehlen.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Formelles

1.1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" wurde am 16. März 1999 mit 112 395 gültigen Unterschriften in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Initiative lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 37bis Abs. 3 (neu) 3 Innerorts beträgt die generelle Höchstgeschwindigkeit 30 km/h. Die zuständige Behörde kann in begründeten Fällen Abweichungen verfügen. Sie kann insbesondere die Geschwindigkeit auf Hauptstrassen hinaufsetzen, sofern dies die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm zulassen.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 24 (neu) Binnen Jahresfrist nach Annahme des Artikels 37bis Absatz 3 durch Volk und Stände erlassen die zuständigen Behörden die notwendigen Ausführungsbestimmungen und ordnen die entsprechenden Höchstgeschwindigkeiten innerorts an.

1.1.2

Zustandekommen

Mit Verfügung vom 1. April 1999 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" formell zu Stande gekommen ist (BBl 1999 3009).

1.1.3

Behandlungsfrist

Gemäss Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) i. V.

m. Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung vom 26. Februar 1997 über die Inkraftsetzung der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (SR 661.0) ist die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative spätestens bis am 15. März 2000 der Bundesversammlung zu unterbreiten.

Diese muss anschliessend bis zum 15. September 2001 Beschluss gefasst haben (Art. 27 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 26. Februar 1997 über die Inkraftsetzung der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte).

2890

1.1.4

Umnummerierung im Gefolge der Totalrevision der Bundesverfassung

Nach der Annahme der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird die Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" nicht mehr die bisherige Nummerierung (Art. 37bis Abs. 3, UeB Art. 24) tragen können, sondern an die neue Bundesverfassung angepasst (Art. 82 Abs. 4 und Art. 197 Ziff. 1) und eingeordnet werden müssen. Auch der Text der Volksinitiative bedarf in casu folgender (nach Ziff. III der neuen Bundesverfassung im Rahmen des Gebotenen grundsätzlich möglichen) redaktionellen Anpassung: "Binnen Jahresfrist nach Annahme des Artikels 82 Absatz 4 durch Volk und Stände erlassen die zuständigen Behörden die notwendigen Ausführungsbestimmungen und ordnen die entsprechenden Höchstgeschwindigkeiten innerorts an."

1.2

Gültigkeit

1.2.1

Einheit der Form

Nach Artikel 129 Absätze 2 und 3 und Artikel 194 Absatz 3 der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 ist eine Initiative auf Teilrevision der Bundesverfassung nur in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs zulässig. Mischformen sind nicht gestattet. Die vorliegende Initiative "Strassen für alle" ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf abgefasst. Das Gebot der Einheit der Form ist somit erfüllt.

1.2.2

Einheit der Materie

Das Gebot der Einheit der Materie (Art. 139 Abs. 3 und Art. 194 Abs. 2 BV) will sicherstellen, dass mit einem Initiativbegehren nicht mehrere, sachlich nicht zusammenhängende Fragen zur Abstimmung gelangen. Das Gebot dient der Gewährleistung einer freien und unverfälschten Willensbildung.

Das Ziel der Initiative ist klar: Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts soll 30 km/h betragen, wobei die zuständige Behörde in begründeten Fällen Abweichungen verfügen kann (insbesondere auf Hauptstrassen, sofern dies die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm zulassen). Der Grundsatz der Einheit der Materie ist somit gewahrt.

1.2.3

Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht

Bereits unter der alten Verfassung war die Vereinbarkeit einer Initiative mit dem zwingenden Völkerrecht (ius cogens) gemäss der überwiegenden Zahl der Lehrmeinungen und der neuesten Praxis der Bundesversammlung eine Gültigkeitsvoraussetzung1. Die neue Bundesverfassung anerkennt nun mit Artikel 193 Absatz 4 für die 1

BBl 1994 II 1493 ff.

2891

Totalrevision und mit Artikel 194 Absatz 2 für die Teilrevision, dass zwingende Bestimmungen des Völkerrechts durch eine Verfassungsrevision nicht berührt werden dürfen (vgl. auch Art. 139 Abs. 3 BV). Bei der vorliegenden Initiative wird, durch die Einführung von Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen, zwingendes Völkerrecht offensichtlich nicht berührt. Sie ist damit auch im Lichte des Völkerrechts zulässig.

1.2.4

Durchführbarkeit

Initiativen sind jeweils auch auf ihre grundsätzliche Durchführbarkeit zu überprüfen (BBl 1997 I 445, BBl 1998 274). Auch wenn sich bei der Umsetzung der vorliegenden Initiative u. U. gewisse Schwierigkeiten ergeben könnten, so ändert dies an deren grundsätzlichen Durchführbarkeit nichts.

2

Inhalt und Auslegung der Initiative

Die Initiative verlangt die Einführung eines neuen Artikels in der Bundesverfassung, wonach die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts 30 km/h betragen soll. Die zuständige Behörde soll in begründeten Fällen Abweichungen verfügen können; so soll sie insbesondere die Geschwindigkeit auf Hauptstrassen hinaufsetzen können, sofern dies die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm zulassen. Nach der in der Initiative vorgeschlagenen Übergangsbestimmung sollen binnen Jahresfrist nach Annahme des neuen Artikels durch Volk und Stände die zuständigen Behörden die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen und die entsprechenden Höchstgeschwindigkeiten innerorts anordnen.

Nach der im ersten Satz des Initiativtextes vorgesehenen Verankerung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts in der Bundesverfassung soll nicht mehr der Bundesrat, sondern der Souverän (Volk und Stände) für die Festlegung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts zuständig sein.

Die Sätze zwei und drei enthalten die verfassungsrechtliche Grundlage für die Anordnung von Abweichungen, insbesondere von Hinaufsetzungen auf Hauptstrassen unter bestimmten Voraussetzungen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Gesetzgebungsbefugnis, sondern um eine Verfügungskompetenz im Einzelfall. In diesem Sinne spricht denn auch der Verfassungstext von Abweichungen, welche die "zuständige Behörde" in "begründeten Fällen" verfügen kann. Derartige abweichende Höchstgeschwindigkeiten (wie die ausdrücklich als Beispiel genannte Möglichkeit der Hinaufsetzung auf Hauptstrassen unter bestimmten Voraussetzungen) können nicht bundesrechtlich generell, sondern nur kantonal speziell durch die für den Erlass von örtlichen Verkehrsbeschränkungen zuständigen kantonalen Behörden realisiert werden. Von der Rechtsnatur her deckt sich diese Bestimmung ­ selbst wenn es insbesondere um Lockerungen von der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit auf Hauptstrassen geht ­ grundsätzlich mit den in Artikel 3 Absätze 2 und 4 sowie in Artikel 32 Absatz 3 SVG enthaltenen Kompetenznormen, wonach die Kantone oder allenfalls die Gemeinden zum Erlass von örtlichen Verkehrsmassnahmen zuständig sind.

2892

Die im zweiten Satz der Initiative vorgesehenen Abweichungen von der generellen Höchstgeschwindigkeit 30 km/h sollen nur "in begründeten Fällen" möglich sein.

Was unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff zu verstehen ist, wird in der Initiative nicht abschliessend geregelt, jedoch im dritten Satz anhand eines Beispiels konkretisiert und damit unverkennbar die Stossrichtung im Sinne von Mindestanforderungen angedeutet: Sofern die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm es zulassen, soll die Geschwindigkeit auf Hauptstrassen hinaufgesetzt werden können. Zwar ist die Möglichkeit der Hinaufsetzung nach dem Wortlaut der Initiative nicht nur auf Hauptstrassen beschränkt, doch wenn nach dem Sinn und Zweck der Initiative die Erfordernisse der Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm kumulativ gegeben sein müssen, dürften diese Mindestanforderungen auf einer siedlungsorientierten Strasse, die wegen ihres Erscheinungsbildes bzw. ihrer Ausgestaltung nur mit geringen Geschwindigkeiten befahren werden können (vgl.

Ziff. 4.3), nie oder nur in den allerseltensten Fällen erfüllt sein. Dieselben Überlegungen gelten auch für Hinaufsetzungen der Höchstgeschwindigkeit auf Hauptstrassen: diese Strassen, die auf die Anforderungen des Motorfahrzeugverkehrs ausgerichtet sind, stellen zwar lediglich einen kleinen Teil (rund 10­20 Prozent) des gesamten Strassennetzes innerorts dar, doch nehmen sie den grössten Teil des Verkehrsaufkommens (rund 75 Prozent) auf; Ausbaugrad und hohes Verkehrsaufkommen sind wesentlich dafür verantwortlich, dass dort rund 55 Prozent der verletzten und getöteten Verkehrsteilnehmer zu beklagen sind und die Anwohnerschaft einer grossen Lärmbelastung ausgesetzt ist. Da eine Hinaufsetzung der Höchstgeschwindigkeit von 30 auf 50 km/h praktisch immer mit einer Verschlechterung der Verkehrssicherheit (vgl. Ziff. 4.1, letzter Abschnitt) wie auch der Lärmsituation verbunden wäre (vgl. Ziff. 4.2, zweiter Abschnitt), läge kein "begründeter Fall" im Sinne der Initiative vor, der eine solche Massnahme gestattet. Einzig auf Strassen, auf denen bereits unter dem Regime von Tempo 50 weder die Verkehrssicherheit noch die Lärmbelastung problematisch waren, dürfte ein "begründeter Fall" im Sinne des Initiativtextes
gegeben sein und der kantonalen Behörde eine Hinaufsetzung von Tempo 30 auf Tempo 50 erlauben.

Die Initiative geht auf eine vollständig flächendeckende Einführung von Tempo 30 aus und nimmt zu wenig Rücksicht auf Ausbaugrad und Erscheinungsbild der Strassen. Weil das in der Initiative erwähnte Beispiel eines "begründeten Falls" als Mindestvoraussetzung für eine Hinaufsetzung der Höchstgeschwindigkeit betrachtet werden muss, könnte die häufig zweckmässige Hinaufsetzung der Höchstgeschwindigkeit bei den meisten verkehrsorientierten Strassen innerorts nicht realisiert werden, obwohl sie auf Grund ihres Ausbaugrades und Erscheinungsbildes für Tempo 50 geeignet sind.

Nach den Übergangsbestimmungen müssten binnen Jahresfrist nach Annahme der Initiative durch Volk und Stände die zuständigen Behörden die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen und die entsprechenden Höchstgeschwindigkeiten anordnen. Es wäre Sache des Bundesrates, folgende Verordnungen dem übergeordneten Verfassungsrecht anzupassen: Artikel 4a Absatz 1 Buchstabe a (Festlegung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts) der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) sowie Artikel 108 Absatz 3 und Absatz 5 Buchstabe d (Gründe für mögliche Hinaufsetzungen und Festlegung der Abstufungen von abweichenden Höchstgeschwindigkeiten) der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21).

2893

3

Besonderer Teil

3.1

Geltendes Recht

Nach Artikel 82 Absatz 1 der Bundesverfassung erlässt der Bund Vorschriften über den Strassenverkehr.

In Ausführung von Artikel 37bis der alten Bundesverfassung hat das Parlament am 15. März 1932 das Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr (MFG; BS 7 595) und am 19. Dezember 1958 das Strassenverkehrsgesetz (SVG; SR 741.01) erlassen.

Artikel 25 enthielt keine zahlenmässig festgelegten, allgemeine Höchstgeschwindigkeiten, ermächtigte jedoch den Bundesrat, durch Verordnung Vorschriften über die Höchstgeschwindigkeit zu erlassen. Artikel 32 SVG in seiner ursprünglichen Fassung (AS 1959 679) legte die Höchstgeschwindigkeit in Ortschaften auf 60 km/h fest und übertrug dem Bundesrat die Kompetenz, zusätzliche Geschwindigkeitsvorschriften zu erlassen, namentlich für Strassen, die den Motorfahrzeugen vorbehalten sind.

Seither wurde der Artikel 32 SVG dreimal geändert: ­

Bundesgesetz vom 20. März 1975 (AS 1975 1257): Die eidgenössischen Räte haben auf konkrete Geschwindigkeitslimiten im Gesetz selber verzichtet, jedoch den Bundesrat verpflichtet, die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen zu beschränken. Die vom Bundesrat festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten können auf Grund eines Gutachtens für bestimmte Strassenstrecken von den Kantonen und auf Nationalstrassen vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) herab- oder heraufgesetzt werden.

­

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 (AS 1991 71): Dem Bundesrat wird die Kompetenz eingeräumt, Ausnahmen vom Grundsatz vorzusehen, wonach Geschwindigkeitsbeschränkungen nur auf Grund eines Gutachtens angeordnet werden dürfen. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat bis heute keinen Gebrauch gemacht.

­

Bundesgesetz vom 22. März 1991 (AS 1992 534): Die Kompetenz zur Festlegung örtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Nationalstrassen wird unter Bewilligungsvorbehalt des zuständigen Departements des Bundes den Kantonen übertragen.

In der Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (BBl 1999 4462) schlägt der Bundesrat in Bezug auf die Kompetenz zur Anordnung von Verkehrsmassnahmen auf den Nationalstrassen 1. und 2. Klasse vor, die rechtliche Situation, wie sie vor der SVG-Änderung vom 22. März 1991 bestanden hat, wieder herzustellen und die Kompetenz erneut auf den Bund zu übertragen. Allerdings läge die Zuständigkeit ­ infolge der Reorganisation der Bundesverwaltung und der Aufgaben des Strassenverkehrs am 1. Januar 1998 ­ nicht mehr beim EJPD, sondern beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

2894

3.2

Die Zuständigkeitsordnung bei der Festlegung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten

Bei der Beratung der Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes 1974/1975 hat der Gesetzgeber aus eigener Initiative die Änderung von Artikel 32 SVG einbezogen und dabei die Frage einlässlich erörtert, ob die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten nicht im Gesetz selbst verankert werden sollten. Er entschied sich dafür, den Bundesrat in Artikel 32 Absatz 2 SVG zu verpflichten, auf allen Strassen die Höchstgeschwindigkeiten der Motorfahrzeuge zu beschränken und deren Höhe selber zu bestimmen.

Massgebend für diese Zuständigkeitsordnung waren folgende Überlegungen: Im Vordergrund stand der grundsätzliche Konsens der eidgenössischen Räte darüber, dass unbeschränkte Geschwindigkeiten, nicht zuletzt auch auf Autobahnen, nicht mehr verantwortet werden können. Dieser Konsens ergab sich zur Zeit, als Tempo 100 auf Ausserortsstrecken und Tempo 130 auf Autobahnen erst versuchsweise verordnet waren. Dabei betrachtete man die Verankerung konkreter Geschwindigkeitslimiten im Gesetz selbst als zu starre Lösung, zumal allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkungen von verschiedenen Verhältnissen beeinflusst werden, die immer wieder neu zu überprüfen sind. National- und Ständerat haben einige Jahre später aus denselben Gründen gleichlautende Vorstösse abgelehnt, welche die Festsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten im Strassenverkehrsgesetz verlangten (1984 M 84.560, S 28.11.84; 1986 M 84.546, N 5.6.86; 1991 Pa.Iv 89.250, N 21.3.91; 1992 Pa.Iv 91.417, N 20.3.92; 1992 Pa.Iv 91.422, N 20.3.92).

Rechtspolitisch grundlegender ist die Frage, ob zahlenmässig festgelegte Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Bundesverfassung verankert werden sollen. Vorweg ist zu berücksichtigen, dass das Verfassungsrecht des Bundes als Mitbestimmungsrechte des Volkes das Referendum und die Verfassungsinitiative kennt; Gesetzesinitiativen sind ihm fremd. Es ist daher durchaus verständlich, dass auf dem Wege der Volksinitiative die breite Volkskreise berührenden Fragen der Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger zugeführt werden. Das gilt für diese Volksinitiative ebenso wie beispielsweise für die 1985 im Zusammenhang mit der Einführung von Tempo 80/120 eingereichte Volksinitiative Tempo 130/100 (BBl 1985 I 787). Von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten wird praktisch die gesamte Bevölkerung direkt betroffen.

Nach heutigem Verfassungsverständnis
soll das Grundgesetz Ziele setzen, Aufträge erteilen und Programme bieten. Der geltende Artikel 82 BV entspricht weitgehend dieser Vorstellung, indem er im Absatz 1 in einem einzigen Satz eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiete des Strassenverkehrs begründet. Mit der Initiative wird dieser Grundsatz durchbrochen, indem eine einzelne Verkehrsregel, nämlich die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts von 30 km/h, Verfassungsrang erhält. Zudem würde die seit der SVG-Revision 1975 geschaffene Zuständigkeits-Einheit für die Anordnung aller allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten wiederum aufgeteilt.

Gesamthaft gesehen bietet die geltende Kompetenzordnung, die dem Bundesrat die Festlegung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten auf allen Strassen auferlegt, wesentlich mehr Vorteile als die Verankerung irgendwelcher Tempolimiten in der Verfassung. Auch in der bereits unter Ziffer 3.1 erwähnten Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes wird an der bestehenden Kompetenzordnung grundsätzlich nicht gerüttelt: Einzig in Bezug auf die Anordnung von 2895

Verkehrsmassnahmen auf den Nationalstrassen 1. und 2. Klasse sollen nicht mehr die Kantone, sondern das UVEK zuständig sein.

3.3

Entwicklung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts sowie örtlich davon abweichende Geschwindigkeitsbeschränkungen

Bis ins Jahr 1959 gab es in der Schweiz keine allgemeinen Höchstgeschwindigkeitslimiten. Seither hat der Bundesrat innerorts folgende Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet: ­

60 km/h: Wurde ab 1. Juni 1959 durch Bundesratsbeschluss gestützt auf das MFG eingeführt (BRB vom 8. Mai 1959, AS 1959 445); Artikel 32 Absatz 2 SVG, in dem bereits Ende 1958 Tempo 60 verankert war, ist hingegen erst am 1. Januar 1963 in Kraft getreten.

­

50 km/h: Wurde in ausgewählten Ortschaften vorerst versuchsweise ab 1. Juli 1980 (Verordnung vom 8. November 1978, AS 1978 1700; Verfügung vom 21. April 1980 des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, AS 1980 431) und auf Grund der Versuchsergebnisse ab 1. Januar 1984 definitiv eingeführt (Verordnung vom 19. Okt. 1983, AS 1983 1651).

Gleichzeitig wurde die Einführung des Signals "Höchstgeschwindigkeit 50 generell" (2.30.1) und "Ende der Höchstgeschwindigkeit 50 generell" (2.53.1) beschlossen.

Nebst der signalisierten allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gibt es abweichende Geschwindigkeitslimiten, die gestützt auf Artikel 32 Absatz 3 SVG für bestimmte Strecken sowohl auf Haupt- wie auch auf Nebenstrassen von den zuständigen kantonalen Behörden durch Verfügung angeordnet und durch das Signal "Höchstgeschwindigkeit" (2.30) angezeigt werden können.

Im Rahmen der Teilrevision SSV hat der Bundesrat auf den 1. Mai 1989 (Verordnung vom 25. Januar 1989, AS 1989 438) mit der Einführung der Zonensignalisation in Artikel 2a SSV die Möglichkeit geschaffen, Verhaltensvorschriften (wie Tempo 30 oder 40), die für mehrere gleichartige Nebenstrassen eines abgegrenzten Gebietes innerorts gelten, ohne die früher notwendige grosse Zahl von Signalen anzuzeigen (vgl. dazu Ziff. 3.4).

3.4

Erfahrungen mit Tempo-30-Zonen in der Schweiz und im Ausland

Erfahrungen mit der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit 30 innerorts liegen keine vor, da kein Land in Europa diese Regelung kennt (vgl. Ziff. 3.6). Die grundsätzlich guten Erfahrungen, die mit korrekt ausgestalteten Tempo-30-Zonen im In- und Ausland gemacht werden, lassen sich jedoch nicht einfach auf das gesamte Strassennetz innerorts hochrechnen.

Gestützt auf eine 1983 abgegebene Empfehlung der Europäischen Transportministerkonferenz (CEMT) hat die Schweiz 1989 ­ wie viele andere europäische Länder auch ­ die Zonensignalisation eingeführt (Art. 2a SSV). Damit wurde einem Bedürfnis entsprochen und der Vollzugsbehörde die Möglichkeit gegeben, innerorts 2896

unter bestimmten Voraussetzungen Verkehrsanordnungen (wie Geschwindigkeitsbeschränkungen) signalsparend anzuzeigen. An Stelle eines aufwändigen Signalisationssystems (Wiederholung der Signale nach jeder Verzweigung) stand nunmehr ein signalisationstechnisch einfaches und kostengünstiges Mittel zur Verfügung, was praktisch Voraussetzung für die Schaffung von Tempo-Zonen ist. Aus der Entstehungsgeschichte der Zonensignalisation in der CEMT, den zahlreichen Versuchen mit Tempo-30-Zonen in Deutschland und in den Niederlanden sowie auf Grund der Erfahrungen mit den in den letzten Jahren im In- und Ausland realisierten Tempozonen geht hervor, dass die Zonensignalisation nur auf siedlungsorientierten Strassen mit gleichartigen Merkmalen die gewünschte Wirkung entfaltet, nicht aber auf sog. verkehrsorientierten Strassen, wie dies insbesondere signalisierte Hauptstrassen darstellen, die eine andere Funktion haben und entsprechend ausgestaltet sind. Zum besseren Verständnis seien nachfolgend kurz die Begriffe verkehrs- und siedlungsorientierte Strassen erläutert: ­

Verkehrsorientierte Strassen bilden das übergeordnete Netz und ermöglichen sichere, leistungsfähige und wirtschaftliche Transporte. Diese Strassen, die auf die Anforderungen des Motorfahrzeugverkehrs ausgerichtet sind, haben primär Durchleitungs- und Verbindungsfunktion und haben eine grosse Verkehrsmenge zu bewältigen. Alle Hauptstrassen sowie Nebenstrassen mit Durchgangsverkehr sind verkehrsorientierte Strassen. Bei der Projektierung verkehrsorientierter Strassen sind normale Ausbaugrössen anzuwenden und die geometrischen Normalprofile (d.h. Art, Breite und Querneigung der Strasse sowie das Lichtraumprofil) sind über möglichst lange Strecken beizubehalten.

­

Siedlungsorientierte Strassen bilden die untergeordneten Netze, welche als Erschliessungsstrassen allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung stehen; sie können auch eine Sammelfunktion aufweisen. Die Verkehrsmenge auf diesen Strassen ist gering (d.h. unter 100­150 Fahrzeuge pro Spitzenstunde).

Auf Grund ihres Erscheinungsbildes bzw. ihrer Ausgestaltung können sie nur mit geringeren Geschwindigkeiten befahren werden. Bei der Projektierung können minimale Ausbaugrössen angewendet werden. Gegebenenfalls sind flankierende Massnahmen zur Verkehrsberuhigung zweckmässig. Auf Grund der Gestaltung soll der Verkehrsteilnehmer erkennen, dass er sich auf einer siedlungsorientierten Strasse befindet.

Die Beschränkung der Zonensignalisation auf siedlungsorientierten Nebenstrassen wurde ganz bewusst getroffen und ist im In- und Ausland grundsätzlich unbestritten.

Da Hauptstrassen und Nebenstrassen mit Durchgangsverkehr eine andere Funktion haben als siedlungsorientierte Nebenstrassen und auch entsprechend ausgestaltet sind, würden die Fahrzeugführer im Allgemeinen überfordert, wenn Verkehrsmassnahmen mit der Zonensignalisation grossflächig für alle Innerortsstrassen, d.h. für ganz unterschiedliche Strassenkategorien, angeordnet würden. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Geschwindigkeitsmassnahmen selbstverständlich auch auf Hauptstrassen und verkehrsorientierten Nebenstrassen u.U. aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig sein können; solche örtlichen Tempomassnahmen müssen allerdings mit dem Signal "Höchstgeschwindigkeit" (2.30) angezeigt werden und gelten ­ wenn das Signal nicht wiederholt wird ­ nur bis zur nächsten Verzweigung.

Gestützt auf Artikel 2a SSV und die departementalen Weisungen vom 3. April 1989 über die Zonensignalisation wurden bis heute in unserem Land rund 700 Tempo-302897

Zonen realisiert bzw. geplant. Zwei in den Jahren 1992 und 1997 vom Institut für Verkehrsplanung, Transporttechnik, Strassen- und Eisenbahnbau (IVT) der ETH Zürich durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vollzugsbehörden insbesondere die in den erwähnten Weisungen vorgesehenen baulichen und verkehrstechnischen flankierenden Massnahmen grundsätzlich als richtig erachten.

Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass die in Ergänzung dazu von der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) 1985 publizierten und heute noch anwendbaren sechs Normen, in welchen die Geometrie von verschiedenen Verkehrsberuhigungsmassnahmen (wie Einengungen, horizontale oder vertikale Versätze) unter anderem auch zur Unterstützung von signalisierten Geschwindigkeitsmassnahmen geregelt wird, teilweise zu aufwändig sind. Zurzeit sind neue VSS-Normen zur Verkehrsberuhigung in Bearbeitung: das aus drei Normen bestehende Normpaket sieht den Einsatz von (in der Regel aufwändigen) zusätzlichen Verkehrsberuhigungselementen nur dann vor, wenn einfachere Gestaltungselemente nicht genügen. Dies ergibt sich auch aus dem vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) 1998 herausgegebenen Bericht "Tempo 30 in der Praxis; Erfahrungen und Empfehlungen" (Umwelt-Materialien Nr. 99). Die einschlägigen Weisungen von 1989 müssen durch das UVEK in nächster Zeit analysiert und weiterentwickelt werden. Zudem ist eine allgemeine Überprüfung des Zonenregimes innerorts erforderlich.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass den Anliegen der Verkehrssicherheit grundsätzlich nur genügend Rechnung getragen werden kann, wenn in Tempo-30-Zonen auf einem siedlungsorientierten Strassennetz entsprechende flankierende Gestaltungsmassnahmen eingerichtet werden. Wo dies nicht der Fall ist, kann das angestrebte Ziel der Verkehrsberuhigung, der Steigerung der Verkehrssicherheit und des erhöhten Wohlbefindens der Anwohner nicht oder jedenfalls nicht im gewünschten Mass erreicht werden. Umso mehr ist anzunehmen, dass allein mit der Einführung einer Verkehrsregel das Tempo nicht entsprechend gesenkt werden könnte.

3.5

Bisherige Vorstösse für Tempo 30 innerorts

Abgesehen von der am 21. April 1988 vom Grünen Bündnis eingereichten Petition, generell Tempo 30 zu ermöglichen, gab es keine Vorstösse für eine solche flächendeckende Geschwindigkeitsbeschränkung innerorts.

Mit einer am 18. Juni 1986 eingereichten Motion ersuchte die LdU/EVP-Fraktion den Bundesrat, im Interesse der Wohnlichkeit und der Verkehrssicherheit in Wohnquartieren die Höchstgeschwindigkeit für Motorfahrzeuge auf 30 km/h festzulegen.

Diesem Vorstoss war allerdings kein Erfolg beschieden. Mit dem am 9. Oktober 1987 eingereichten Postulat forderte die LdU/EVP-Fraktion den Bundesrat auf, ab 1988 auf Autobahnen Tempo 100, ausserorts Tempo 80, innerorts Tempo 50 und in Quartierstrassen Tempo 30 einzuführen und endgültig festzusetzen. Der Bundesrat beantragte, das Postulat abzulehnen; dieses wurde nicht behandelt und im Oktober 1989 abgeschrieben.

In seinem Postulat vom 9. März 1988 forderte Nationalrat Lanz den Bundesrat auf, die Zonensignalisation einzuführen und damit flächendeckende Versuche mit Tempo 30 in Wohnquartieren zu ermöglichen. Mit einer Einfachen Anfrage vom 29. Februar 1988 ersuchte Frau Nationalrätin Leutenegger-Oberholzer den Bundesrat um die Beantwortung verschiedener Fragen im Zusammenhang mit geplanten 2898

Versuchen mit Tempo-30-Zonen innerorts; in die gleiche Richtung zielte die von Nationalrat Wiederkehr eingereichte Interpellation vom 7. Oktober 1988 mit Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung von flächendeckenden Tempo-30-Versuchen in Wohnquartieren. Der Bundesrat stellte in seinen Antworten u.a. in Aussicht, bei der 1989 bevorstehenden Änderung der Signalisationsverordnung die Rechtsgrundlage für die signalsparende Zonensignalisation zu schaffen.

In seiner Einfachen Anfrage vom 31. Januar 1989 stellte Nationalrat Bircher die Frage, wie der Bundesrat über die beschlossene Einführung der Zonensignalisation zu informieren gedenke und was die Weisungen über die Zonensignalisation beinhalteten.

In ihrem Postulat vom 7. Juni 1990 lud Frau Nationalrätin Haering Binder den Bundesrat ein, die Bestimmungen betreffend die maximale Grösse von Tempo-30-Zonen mit Blick auf die spezifischen Anforderungen in städtischen Verhältnissen zu revidieren. Das Postulat wurde teilweise entgegengenommen mit dem Hinweis, gestützt auf neue Erkenntnisse in der Praxis sei eine spätere Anpassung der Bestimmung nicht auszuschliessen.

3.6

Verhältnis zum europäischen Recht und Vergleich zu den USA

Im Recht der europäischen Gemeinschaft gibt es keine Vorschriften über Höchstgeschwindigkeiten.

Bei der Betrachtung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten innerorts in 38 europäischen Ländern ergibt sich ein eher uneinheitliches Bild: In 13 Ländern gilt Tempo 60, in 22 Ländern Tempo 50, in Irland und Grossbritannien Tempo 48 (30 Meilen/Stunde) und einzig in Albanien Tempo 40. Österreich als einziges Land hat 1994 die erforderliche Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 2a der Strassenverkehrsordnung) geschaffen, um in einem gesamten Ortsgebiet eine geringere als die allgemeine Höchstgeschwindigkeit festlegen zu können. Seit September 1992 läuft in Graz ein Modellversuch mit Tempo 30 auf allen Strassen mit Ausnahme der als Hauptstrassen signalisierten Strassen (vgl. Ziff. 4.3). Weder in einzelnen Ländern noch gesamteuropäisch sind Bestrebungen im Gang, um innerorts Tempo 30 flächendeckend einzuführen. Die seit 1988 vom deutschen Städtetag verlangte Einführung von Tempo 30 beschränkt sich auf die nicht als Hauptstrassen signalisierten Strassen. Im Rahmen eines Gesamtprogramms haben die Niederlande 1997 den Willen zum Ausdruck gebracht, die Zahl der Verkehrsopfer drastisch zu verringern. U.a. ist vorgesehen, Tempo-30-Zonen, die heute rund 15 Prozent des Strassennetzes innerorts umfassen, auf rund 50 Prozent des Netzes auszudehnen; auf Strassen für den Durchgangsverkehr sollen allerdings höhere Geschwindigkeiten gelten.

In den USA besteht keine einheitliche allgemeine Höchstgeschwindigkeit; während einzelne Gliedstaaten lediglich in allgemeiner Form vom Fahrzeuglenker verlangen, in Anpassung an die Verhältnisse vernünftig und vorsichtig zu fahren, legen andere Höchstgeschwindigkeiten von 25 oder 30 Meilen pro Stunde (d.h. 40 km/h bzw.

48 km/h) fest. Im Bereich von Geschäftszentren, Wohnquartieren Schularealen und Kinderspielplätzen gelten z.T. Beschränkungen zwischen 15 und 25 Meilen pro Stunde (d.h. 24 km/h bzw. 40 km/h). Die Tatsache, dass die im klassischen Autoland Amerika geltenden Tempobeschränkungen in der Regel sehr gut beachtet werden, dürfte auf die dort seit Jahrzehnten bestehende und gepflegte "Verkehrskultur" 2899

zurückzuführen sein, welche aber nicht kurzfristig auf die europäischen Länder übertragen werden kann. Selbst innerhalb der europäischen Länder sind sicht- und spürbare kulturelle Unterschiede im Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorhanden.

4

Sachliche Beurteilung

4.1

Verkehrssicherheit

Das Unfallgeschehen auf den schweizerischen Strassen hat sich zwischen 1970 und 1998 trotz einer immensen Zunahme des Motorfahrzeugbestandes von über 250 Prozent (auf 4 349 173) und der Verkehrsleistung um fast 100 Prozent allgemein günstig entwickelt: ­

Zahl der Unfälle: Zunahme um rund 4,3 Prozent

­

Zahl der Verletzten: Rückgang um rund 25 Prozent

­

Zahl der Toten: Rückgang um rund 65 Prozent

Für diese erfreuliche Entwicklung sind nebst baulichen Massnahmen (z.B. Sanierung von Unfallschwerpunkten, Schaffung von verkehrsberuhigten Zonen), Verbesserungen im Automobilbau (wie Fahrverhalten des Fahrzeugs, Airbag, Knautschzonen, Pneus) und im Rettungswesen schliesslich auch Massnahmen, die das Verhalten und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden positiv beeinflussen (bessere Verkehrserziehung und Ausbildung, Gurten- und Helmtragobligatorium, allgemeine und örtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen) sowie das Verhalten des Einzelnen massgebend.

1959, als es noch keine allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen gab, wurden innerorts 21 500 Personen verletzt und 588 getötet. Nach Abschluss des 1978 initiierten Versuchs mit Tempo 50 wurde auf den 1. Juli 1984 ­ mit massvoller Differenzierung auf dafür geeigneten Strassen auf 60 km/h ­ definitiv Tempo 50 eingeführt.

1983 betrug innerorts die Zahl der Verletzten 20 417 und der Toten 513. 1984 ging die Zahl der Verletzten und Getöteten innerorts auf 19 100 bzw. 446, 1989 auf 18 419 bzw. 357 zurück; 1998 sind noch 16 848 verletzte und 222 getötete Personen innerorts zu beklagen, wobei sich das Unfallgeschehen zu rund 55 Prozent auf die Hauptstrassen und zu 45 Prozent auf die Nebenstrassen verteilt (vgl. Grafiken auf den folgenden Seiten).

2900

Motorfahrzeugbestand Quelle: BFS

5.0 Mio 4.5 Mio 4.0 Mio 3.5 Mio 3.0 Mio 2.5 Mio 2.0 Mio 1.5 Mio 1.0 Mio .5 Mio .0 Mio

Unfälle innerorts Quellen: BFS und bfu

Total auf Hauptstrassen

70'000 60'000 50'000 40'000 30'000 20'000 10'000 -

Vor 1975 wurde die Unterscheidung zwischen Unfällen auf Hauptstrassen und Nebenstrassen innerorts nicht erfasst

2901

Total

Verletzte innerorts Quellen: BFS und bfu

auf Hauptstrassen Fussgänger Radfahrer

30'000 25'000 20'000 15'000 10'000 5'000 -

Total

Getötete innerorts Quellen: BFS und bfu

auf Hauptstrassen Fussgänger Radfahrer

800 700 600 500 400 300 200 100 -

Es ist nach in- und ausländischen Untersuchungen erwiesen, dass allgemeine Tempolimiten im Verbund mit andern Faktoren das Unfallgeschehen günstig beeinflussen können. Insbesondere vermindern sie einerseits die Geschwindigkeitsdifferenzen und bewirken dadurch eine Homogenisierung des Verkehrsablaufs; anderseits senken sie das Geschwindigkeitsniveau und verkleinern dadurch die Anhaltestrecken

2902

und die Kollisionsgeschwindigkeiten. Allein der Anhalteweg bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h gegenüber 50 km/h verringert sich bei mittleren Verhältnissen um rund die Hälfte und bei einem Unfall nimmt die Schwere der Personen- und Sachschäden erheblich ab. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls für einen Fussgänger bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von 30 km/h gegenüber einer solchen von 50 km/h von 85 Prozent auf 10 Prozent sinkt.

4.2

Umweltbelastung

Die Frage, ob mit Tempo 30 die Luftschadstoffe reduziert werden können, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, denn die Auswirkung auf das Fahrverhalten hängt entscheidend von den örtlichen Verhältnissen ab. Entsprechend uneinheitlich sind die Ergebnisse von Fallstudien, die im In- und Ausland durchgeführt wurden: Einige Untersuchungen ergaben eine deutliche Reduktion der Emissionen, andere dagegen bei einigen Schadstoffen sogar eine Zunahme. Zulässig ist nach dem heutigen Stand des Wissens der Schluss, dass Tempo 30 den Schadstoffausstoss und auch den Treibstoffverbrauch dann vermindert, wenn die tiefere Tempolimite das gesamte Fahrverhalten beruhigt und damit einen homogeneren Verkehrsfluss bewirkt. Dies zeigen u.a. auch vom Touring Club der Schweiz (TCS) zwischen 1993 und 1995 durchgeführte Messfahrten mit defensiver Fahrweise in Tempo-30-Zonen.

In Bezug auf die Frage des Lärms ist festzustellen, dass mit der Verlangsamung des Verkehrs, sofern sie mit einer gleichmässigen Fahrweise verbunden ist, eine Verbesserung des akustischen Umfeldes erreicht werden kann.

4.3

Einhaltungsgrad und Durchsetzbarkeit von Tempo 30

Die Expertengruppe Verkehrssicherheit des UVEK hat in ihrem 1993 veröffentlichten und vom Bundesrat zur Kenntnis genommenen Bericht "Sicherheit im Strassenverkehr; Strategien und Massnahmen für die 90er Jahre" festgestellt, die Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten auf 120/80 sowie 50 km/h innerorts habe das aus gesamtheitlicher Sicht vertretbare Mass erreicht; tiefere Limiten würden kaum akzeptiert, und deren Wirkungspotenzial wäre deshalb ­ wenn überhaupt ­ gering. Die Expertengruppe hat zur Erhöhung der Verkehrssicherheit 20 Strategien und Massnahmen entwickelt. Unter dem Stichwort "Infrastruktur/Strassenanlage" wird u.a. dargelegt, dass das Erscheinungsbild der Strasse vielfach nicht mit der unterschiedlichen Nutzung des Strassenraums durch die verschiedenen Verkehrsteilnehmer übereinstimme; die Strassenverkehrsanlagen seien deshalb so zu gestalten, dass unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer gewährleistet sei; vor allem sei das Erscheinungsbild der Strasse auf das Verhalten der verschiedenen Verkehrsteilnehmer auszurichten.

Gemäss Untersuchungen der ETH-Zürich und der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) ist für die Klärung der Frage der Zweckmässigkeit einer Tempo-30-Zone nebst der Analyse des Unfallgeschehens die Ermittlung von Menge und Art des Verkehrs sowie des vorhandenen Geschwindigkeitsniveaus von zentraler Bedeutung. Massgebender Kennwert für die Feststellung des Geschwindigkeitsniveaus ist diejenige Geschwindigkeit, die von 85 Prozent der gemessenen Fahrzeu2903

ge unterschritten oder erreicht wird (sog. v-85 Prozent-Wert). Beträgt der v-85 Prozent-Wert 35 km/h, kann das angestrebte Geschwindigkeitsverhalten durch die alleinige Signalisation erreicht werden. Hingegen müssen bei einem v-85 Prozent-Wert zwischen 35 km/h und 43 km/h flankierend bauliche oder verkehrstechnische Verkehrsberuhigungsmassnahmen zur Erreichung des gewünschten Ziels getroffen werden. Bei einem v-85 Prozent-Wert von über 43 km/h ist damit zu rechnen, dass Tempo 30 in keiner Weise akzeptiert wird; in diesen Fällen sind verkehrsplanerische Überlegungen oder der massive Umbau der Strassenanlage in Betracht zu ziehen.

In- und ausländische Studien in Tempo-30-Zonen zeigen, dass bei der Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit unabhängig vom Geschwindigkeitsniveau vor Einführung der Massnahme nur um 1­2 km/h (normative Wirkung, d.h. nur allein durch Signalisation), bzw. um 4­5 km/h (mit baulichen Massnahmen) gesunken ist. Flankierende bauliche oder verkehrstechnische Verkehrsberuhigungsmassnahmen sind daher grundsätzlich das geeignete Mittel, um die gewünschte geschwindigkeitsdämpfende Wirkung der Tempomassnahme auf den Motorfahrzeugverkehr und damit insbesondere auf das Unfallgeschehen zu erreichen. Allerdings ist stets darauf zu achten, dass sie sich nicht negativ auf den Verkehrsfluss (und damit verbunden allenfalls auf die Lärmund Abgasbelastung), den Fahrkomfort und die Sicherheit des Fuss- und Veloverkehrs auswirken.

Der seit 1992 laufende Versuch in Graz, wo ohne bauliche Massnahmen Tempo 50 auf den Hauptstrassen und Tempo 30 auf allen übrigen Strassen eingeführt wurde, bestätigt im Grundsatz die obigen Ausführungen und zeigt deutlich, dass sich zwar die Homogenität der Geschwindigkeit verbesserte, v-85 Prozent auf den Tempo-30Strassen jedoch lediglich von vorher 47 km/h auf 45 km/h und auf den Tempo-50Strassen von vorher 55 km/h auf 54 km/h sank. Auch die Zahl der Unfälle mit Personenschaden ist ­ nach einer vorerst günstigen Entwicklung ­ seit 1997 wiederum im Steigen begriffen. Die Bundesanstalt für Strassenwesen hat 1999 in Deutschland Untersuchungen über die Auswirkungen unterschiedlicher Höchstgeschwindigkeiten innerorts durchgeführt2. Sie haben klar ergeben, dass eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Hauptstrassen
von 50 auf 30 km/h ohne zusätzliche bauliche Massnahmen praktisch keine positiven Veränderungen für die Verkehrssicherheit und die Umweltbelastung bringt.

Aus rechtlichen Gründen steht zwar der Einführung einer Tempobeschränkung auch ohne flankierende Massnahmen grundsätzlich nichts entgegen. Wie die Erfahrungen jedoch zeigen, werden allgemeine und örtliche Tempobeschränkungen nur schlecht eingehalten, wenn der Ausbau und das Bild der Strasse nicht mit der Tempomassnahme übereinstimmen; mit polizeilichen Kontrollen allein lässt sich eine (Tempo-) Massnahme innerorts nicht oder jedenfalls nur schlecht durchsetzen. Im Weiteren geht aus Untersuchungen klar hervor, dass tiefere Tempobeschränkungen häufiger überschritten werden als höhere. Ein guter Einhaltungsgrad der Tempomassnahme und damit eine echte Verbesserung der Verkehrssicherheit kann letztlich nur beim Zusammenwirken der unter Ziffer 3.4 erwähnten Massnahmen erreicht werden. Das häufig vorgebrachte Argument, die Einführung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 80 ausserorts und 50 innerorts sei auch ohne Anordnung von flankierenden Massnahmen möglich gewesen, sticht nicht. Während das Strassennetz ausser2

Bericht der bast "Auswirkungen unterschiedlicher zulässiger Höchstgeschwindigkeiten auf städtischen Verkehrsstrassen" (Unterreihe "Verkehrstechnik", Heft V65, April 1999)

2904

orts in Bezug auf Erscheinungsbild und Ausbaugrad recht einheitlich ist, betraf die Herabsetzung von 60 km/h auf 50 km/h (entsprechend einer Reduktion von 17 Prozent) innerorts vornehmlich das verkehrsorientierte Netz und stellte keine derart einschneidende Massnahme dar, welche von den Strassenbenützern eine grössere Verhaltensänderung verlangte, wie dies mit der Einführung von Tempo 30 (entsprechend einer Reduktion von 40 Prozent) der Fall wäre.

Daraus folgt, dass mit der Einführung von Tempo 30 ohne oder mit ungeeigneten flankierenden Massnahmen das angestrebte Ziel der Verkehrsberuhigung, der Steigerung der Verkehrssicherheit und des erhöhten Wohlbefindens nicht oder jedenfalls nicht im gewünschten Mass erreicht wird. An Stelle einer realen Verbesserung der Verkehrssicherheit werden die Verkehrsteilnehmer, namentlich die Fussgängerinnen und Fussgänger, in falscher Sicherheit gewiegt und der Polizei, die im Bereich des Strasssenverkehrs eine ausserordentliche Fülle von Aufgaben wahrzunehmen hat, dürften beim Vollzug einer derart schlecht oder überhaupt nicht beachteteten Regelung sehr grosse Schwierigkeiten erwachsen.

Erfahrungsgemäss wird bei Regelungen, die nicht oder nur ungenügend vollzogen werden können, die Glaubwürdigkeit der Massnahme im Speziellen und der Signalisation im Generellen untergraben. Zur Illustration sei auf zwei Beispiele hingewiesen: Die auf gewissen mit Tempo 80 beschränkten Autobahnabschnitten im Durchschnitt mit deutlich über 100 km/h fahrenden Autolenker missachten die Vorschrift, weil sie durch das grosszügige Erscheinungsbild und den hohen Ausbaugrad der Strasse dazu verleitet werden und die seltenen Kontrollen keine abschreckenden Wirkungen zu entfalten vermögen. Viele Radfahrer und Fussgänger missachten Verkehrsregeln und Signale wohl nur deshalb so häufig, weil sie praktisch keine Sanktionen zu befürchten haben.

4.4

Verkehrsmässige Auswirkungen

In Anbetracht der Tatsache, dass die Initiative auf eine vollständig flächendeckende Einführung von Tempo 30 ausgeht und zu wenig Rücksicht nimmt auf Ausbaugrad und Erscheinungsbild der Strassen (vgl. Ziff. 2), ist zu befürchten, dass bei Tempo 30 auch auf verkehrsorientierten Strassen der gewünschte Kanalisierungseffekt auf diesen Strassen abnimmt und eine gewisse Umlagerung stattfindet; da bekanntlich insbesondere der gewerbliche Verkehr aus wirtschaftlichen Überlegungen häufig die kürzesten Distanzen wählt, dürften Quartierstrassen vermehrt als Abkürzung benützt werden, was sowohl im Interesse der Verkehrssicherheit als auch des Wohlbefindens der betroffenen Anwohner und der Umweltbelastung unerwünscht wäre.

Tempo 30 auf den verkehrsorientierten Strassen könnte für den vornehmlich dort zirkulierenden öffentlichen Verkehr ungünstige Auswirkungen haben. Die zur Durchsetzung der Tempomassnahme erforderlichen flankierenden baulichen und verkehrstechnischen Massnahmen können sich negativ auf einen regelmässigen Verkehrsfluss auswirken, was eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung des Komforts für die Passagiere und einen damit verbundenen Attraktivitätsverlust des öffentlichen Verkehrs zur Folge hätte. Zudem gilt es zu beachten, dass heute zur Bewältigung des Personenaufkommens und somit im Interesse der Förderung des öffentlichen Verkehrs Busse bzw. Gelenkbusse mit einer Höchstlänge von 15 bzw.

25 Metern zugelassen sind; die zur Durchsetzung von Tempo 30 erforderlichen Massnahmen (namentlich baulicher Natur) hätten zur Folge, dass solche Fahrzeuge 2905

nur noch beschränkt eingesetzt und durch mehrere kleinere Fahrzeuge ersetzt werden müssten. Aus Gründen der Umweltbelastung wie auch der Wirtschaftlichkeit wäre eine solche Entwicklung unerwünscht.

Nicht optimal konzipierte flankierende Massnahmen könnten zudem den Fuss- und Veloverkehr behindern und zusätzlichen Gefahren aussetzen.

Ausnahmetransporte mit Fahrzeugen, die wegen der Ladung den Vorschriften über Masse und Gewichte nicht entsprechen können (z.B. beim Transport von vorfabrizierten Bauelementen), würden durch die auf dem verkehrsorientierten Strassennetz angeordneten Massnahmen ebenfalls stark beeinträchtigt, wenn nicht gar verunmöglicht.

Flankierende bauliche Massnahmen auf den verkehrsorientierten Strassen könnten im Übrigen unerwünschte Auswirkungen bei dringlichen Einsatzfahrten der Feuerwehr, Sanität und Polizei haben wie auch die Zugänglichkeit für Fahrzeuge der öffentlichen Dienste übermässig einschränken.

4.5

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Um das mit der Initiative angestrebte Ziel erreichen zu können, müsste Tempo 30 konsequent durchgesetzt werden. Dies bedingt insbesondere auf dem verkehrsorientierten Netz eine Reihe von baulichen oder verkehrstechnischen Massnahmen. Für die zielgerichtete Umgestaltung des öffentlichen Strassenraums innerorts zu Gunsten der Verkehrssicherheit wären mit geschätzten Kosten von rund zwei Milliarden Franken zu rechnen. Damit könnten die jährlichen, volkswirtschaftlichen Unfallkosten von rund 1,7 Milliarden Franken um mindestens 200 Millionen Franken reduziert werden. Die Gemeinden dürften kaum in der Lage sein, die Massnahmen an der Infrastruktur zu finanzieren. Ohne die flankierenden Massnahmen könnten jedoch nicht die positiven Veränderungen für die Verkehrssicherheit und die Umweltbelastung erreicht werden.

Eine gute Einhaltung von Tempo 30 generell führte im Weiteren, da bei tieferen Geschwindigkeiten der Zeitbedarf des motorisierten Verkehrs insbesondere auf den verkehrsorientierten Strassen zunähme, zu finanziell sich auswirkenden Zeitverlusten. Bei der Berechnung der so genannten Zeitbedarfskosten, die sich aus den Fahrleistungen der Fahrzeuge, ihren Geschwindigkeiten und aus Zeitkostensätzen von rund 15 Franken pro Personenwagen und Stunde und von rund 60 Franken pro Lastwagen und Stunde zusammensetzen, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Reisezeit proportional zur Verringerung der durchschnittlichen Geschwindigkeit erhöht. Für den einzelnen Bürger sind diese anfallenden Kosten zwar gering, volkswirtschaftlich betrachtet jedoch nicht ohne Bedeutung (vgl. dazu "Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Strassen" der deutschen Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen [Köln 1997], Forschungsbericht "KostenWirksamkeit von Umweltschutzmassnahmen im Verkehr" der Vereinigung Schweizerischer Verkehrsingenieure [Zürich 1998] sowie Bericht "Staukosten im Strassenverkehr" des Bundesamtes für Strassen [Bern 1998]).

2906

5

Würdigung der Initiative

5.1

Allgemeines

Die mit der Initiative verbundene Absicht, innerorts die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen, eine Minderung der Umweltbelastung zu erreichen und damit einen wesentlichen Beitrag zur besseren Wohnqualität zu leisten, ist in ihrer Stossrichtung zu begrüssen. Es ist zwar unbestritten, dass tiefere Geschwindigkeiten das Unfallgeschehen positiv beeinflussen und ­ wenn sie das gesamte Fahrverhalten beruhigen und damit einen homogeneren Verkehrsfluss bewirken ­ den Schadstoffausstoss, den Treibstoffverbrauch wie auch die Lärmbelastung vermindern. Derartige Verbesserungen lassen sich allerdings nur erreichen, wenn eine angeordnete Tempomassnahme auch eingehalten wird. Es ist allgemein anerkannt, dass allein mit der Einführung einer Verkehrsregel bzw. einer Signalisation ­ wie dies bei Annahme der Initiative der Fall wäre ­ das Tempo nicht entsprechend gesenkt und ohne flankierende bauliche oder verkehrstechnische Verkehrsberuhigungsmassnahmen die angestrebten Verbesserungen nicht oder jedenfalls nicht im erwünschten Mass erreicht werden können. Die Initiative geht auf eine vollständig flächendeckende Einführung von Tempo 30 aus und nimmt zu wenig Rücksicht auf Ausbaugrad und Erscheinungsbild der Strassen; zwar sieht die Initiative vor, dass die zuständige kantonale Behörde in begündeten Fällen Abweichungen verfügen kann; das im Initiativtext erwähnte Beispiel eines "begründeten Falls", wonach auf Hauptstrassen die Geschwindigkeit nur hinaufgesetzt werden könnte, wenn die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und der Schutz der Anwohnerschaft namentlich vor Lärm dies zulassen, macht jedoch unmissverständlich deutlich, dass selbst bei einer grosszügig ausgebauten Hauptstrasse kaum je eine Hinaufsetzung auf 50 km/h möglich wäre, weil bekanntlich jede Tempoerhöhung sich u.a. negativ auf das Unfallgeschehen und damit auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden auswirkt. Tempo 30 generell auf dem gesamten Strassennetz innerorts, das vom Ausbaugrad und Erscheinungsbild her ausserordentlich heterogen ist, erscheint unverhältnismässig. Die erfahrungsgemäss schlechte Einhaltung einer Tempomassnahme auf Strassen, deren Ausbau und Bild nicht mit der Beschränkung übereinstimmt und die sich mit polizeilichen Kontrollen allein auch nicht oder nur unwesentlich verbessern liesse, führte letztlich nicht zum angestrebten
besseren Schutz von Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger. Mit der Einführung von Tempo-30-Generell bliebe es auch nicht mehr im gleichen Mass den für die Finanzierung zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden überlassen, die Prioritäten beim Rück- und Umbau von Strassen bzw. bei der Anordnung flankierender Massnahmen unter Mitwirkung der Bevölkerung festzulegen, um den Anliegen der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes und des Wohlbefindens der Anwohner optimal Rechnung tragen zu können. Im Übrigen besteht kein Grund, die 1975 geschaffene Zuständigkeits-Einheit für die Anordnung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten aufzuteilen und die Kompetenz des Bundesrates zur Festlegung der Innerorts-Höchstgeschwindigkeit auf Volk und Stände zu übertragen.

Der Bundesrat hat seinerseits zwei Varianten geprüft, die den Anliegen der Initiative entgegenkämen und die er ­ wie übrigens auch die Einführung von Generell 30 ­ in eigener Kompetenz anordnen könnte: ­

Mit der Festlegung der Höchstgeschwindigkeit auf verkehrsorientierten Strassen auf 50 km/h und auf siedlungsorientierten Strassen auf 30 km/h würden zwei allgemeine Höchstgeschwindigkeiten innerorts eingeführt, wel2907

che mittels einer Vielzahl von Signalen angezeigt werden müssten. Der prima vista gegenüber der heutigen Regelung scheinbar zu erwartenden leicht besseren Verkehrssicherheit stünde entgegen, dass besonders während der Einführungszeit in möglicherweise aufwändigen Beschwerdeverfahren über die Zuordnung zum einen oder andern Strassentypus entschieden werden müsste. Da zudem der Vollzug der Tempomassnahme ausschliesslich bei den Kantonen liegt, hätte der Bund bei der Anordnung von flankierenden Massnahmen, welche häufig auch auf dem siedlungsorientierten Netz erst die gewünschte geschwindigkeitsdämpfende Wirkung haben, kein Durchsetzungsrecht.

­

Mit der Einführung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit 30 km/h mit Ausnahmen auf Hauptstrassen könnte zwar die Signalisation gegenüber der ersten Variante vereinfacht und aufwändige Beschwerdeverfahren über die Zuordnung zum einen oder andern Strassentypus vermieden werden. Hingegen fielen Strassen, die nicht als Hauptstrassen signalisiert sind, unter das Regime Tempo 30, obwohl sie vom Erscheinungsbild und vom Ausbaugrad her nicht mit der Tempomassnahme übereinstimmen. Gleich wie bei der ersten Variante hätte der Bund auf diesen wie auch auf den siedlungsorientierten Strassen bei der Anordnung von flankierenden Massnahmen kein Durchsetzungsrecht.

In beiden Varianten wäre eine schlechte Einhaltung durch die motorisierten Verkehrsteilnehmenden zu befürchten, was wie unter Ziffer 4.3 dargelegt, nicht zu einer realen Verbesserung der Verkehrssicherheit führte, sondern namentlich die Fussgängerinnen und Fussgänger in falscher Sicherheit wiegen und der Polizei beim Vollzug der schlecht oder überhaupt nicht beachteten Regelung grösste Schwierigkeiten bereiten würde.

Aus den genannten Gründen hat der Bundesrat, obwohl er schon seit Jahren gestützt auf das SVG die Möglichkeit hat, generelle Tempobeschränkungen zu erlassen, darauf verzichtet, weder innerorts Generell 50 durch Generell 30 abzulösen noch eine der geprüften Varianten durch Änderung der Vollziehungsverordnungen zum SVG einzuführen. Er sieht vielmehr andere Wege, die Sicherheit und das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen (vgl. Ziff. 5.3).

Der Bundesrat ist aus den erwähnten Gründen der Ansicht, dass die Initiative nicht das geeignete Instrument darstellt, um das an sich begrüssenswerte Ziel zu erreichen.

5.2

Frage des Gegenvorschlags zur Initiative

Der Bundesrat hat vorgängig dargelegt, aus welchen Gründen er die mit der Initiative verlangte Verankerung von Tempo 30 mit der Möglichkeit von Ausnahmen in begründeten Fällen in der Verfassung ablehnt, gleichzeitig aber die weitere Einführung von Tempo-30- und anderen verkehrsberuhigten Zonen unterstützen möchte.

Nach Artikel 139 Absatz 5 BV kann die Bundesversammlung einen Gegenentwurf ausarbeiten und Volk und Ständen zusammen mit der Initiative zur Abstimmung unterbreiten. Ein solcher Gegenentwurf hat sich auf denselben Gegenstand zu beziehen, den die Verfassungsinitiative regeln will (Art. 27 Abs. 3 GVG). Stellt die Bundesversammlung nicht einen eigenen Entwurf auf Verfassungsstufe, sondern eine

2908

Änderung bestehender oder den Erlass neuer Bundesgesetze der Verfassungsinitiative gegenüber, so spricht man von einem indirekten Gegenvorschlag.

Der Bundesrat hat die Frage eines Gegenvorschlags geprüft. Der in der Botschaft enthaltene Lösungsansatz, tempobeschränkte und andere verkehrsberuhigte Zonen zu fördern, indem die Departementsweisungen über die Zonensignalisation überarbeitet werden und damit neue und einfachere Formen für flankierende Massnahmen bei der Signalisation einer Niedrigtempobeschränkung zu ermöglichen, kann auf Weisungsstufe umgesetzt werden.

Ein weiterer Lösungsansatz besteht darin, Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe g BV bzw.

das Mineralölsteuergesetz (MinVG; SR 725.116.2) zu ändern und die allgemeinen Strassenbeiträge des Bundes auch für die Umgestaltung des öffentlichen Strassenraums zur Förderung der Verkehrssicherheit einzusetzen. Der Bundesrat will diesen Ansatz aber nicht in der Form eines Gegenvorschlags zur Diskussion stellen, sondern im Rahmen der Botschaft zum Neuen Finanzausgleich (NFA) umsetzen. Den Kantonen soll damit ein Instrument zur Verfügung gestellt werden, das ihnen erlaubt, im Rahmen dieser Mittel ihren prioritären Bedürfnissen entsprechend Aufgaben und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zu finanzieren.

Auf Grund dieser Überlegungen ist auf die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags zu verzichten.

5.3

Haltung des Bundesrates zur weiteren Entwicklung von Tempobeschränkungen und anderen Verkehrsberuhigungsmassnahmen innerorts

Auf Grund der Ausführungen unter Ziffer 5.1 erachtet es der Bundesrat als zweckmässig, den heute eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen: Beibehaltung von Generell 50 unter gleichzeitiger Förderung von Tempo-30- und anderen verkehrsberuhigten Zonen auf dem Strassennetz innerorts. Damit bleibt es den für die Finanzierung zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden überlassen, die Prioritäten beim Rück- und Umbau von Strassen bzw. bei der Anordnung flankierender Massnahmen unter Mitwirkung der Bevölkerung festzulegen, um den Anliegen der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes und des Wohlbefindens der Anwohner optimal Rechnung tragen zu können.

Die Einführung von Tempo-30-Zonen scheitert heute oftmals an den ungenügenden Finanzierungsmöglichkeiten der Gemeinden. Zwar ist die Ausrichtung von Beiträgen an die Einführung von Tempo-30-Zonen bereits heute dahingehend möglich, als die Kantone aus den bestehenden allgemeinen, nicht werkgebundenen Beiträgen, die sie gestützt auf Artikel 86 Absatz 3 Buchstabe e BV erhalten, auch Beiträge für die Ausgestaltung des öffentlichen Strassenraums zur Förderung der Verkehrssicherheit leisten können. Im Rahmen der auszuarbeitenden Botschaft zum NFA soll die geltende Regelung im MinVG bezüglich der Verwendung der allgemeinen Strassenbeiträge an die Kantone ausdrücklich dahingehend ergänzt werden, dass mit diesen auch Umgestaltungen des öffentlichen Strassenraums innerorts zur Förderung der Verkehrssicherheit abgedeckt sind.

Im Weiteren hat sich der Bundesrat in der Botschaft zur so genannten Verkehrshalbierungs-Initiative (BBl 1998 269) grundsätzlich für ein Weiterschreiten auf dem

2909

bisherigen Weg ausgesprochen, als er die Prüfung u.a. der folgenden Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation in Aussicht stellte: 1. Überprüfung der Weisungen über die Zonensignalisation vom 3. April 1989 Die Departementsweisungen sollen mit folgender Zielsetzung überarbeitet werden: ­

Erhöhung der Verkehrssicherheit

­

Vereinfachte Verfahren, ohne Einbusse der Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes und Ausbaugrads des Strassennetzes

­

Neue Formen von flankierenden baulichen und verkehrstechnischen Massnahmen (z.B. kostengünstigere Schwellen, neue Markierungs-Elemente zur Verkehrsberuhigung)

­

Abstimmung auf die neuen Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) zum Thema "Entwurf des Strassenraums" (Strassenraumgestaltung und Verkehrsberuhigung).

2. Generelle Überprüfung der Zoneneinteilung des Strassennetzes innerorts sowie Umgestaltung von Verkehrsflächen zur Verkehrsberuhigung Der Bundesrat hat das Postulat von Nationalrat Weyeneth (98.3348) angenommen und will die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um u.a. in Geschäfts- und Einkaufsvierteln mit vertretbarem Aufwand Zonen zur Verkehrsberuhigung unter gleichzeitiger Gewährung des Fussgängervortritts einrichten zu können. Auf Grund der Ergebnisse der zurzeit laufenden Versuche in Burgdorf und St. Blaise sollen die entsprechenden bundesrechtlichen Bestimmungen überprüft und zweckmässig angepasst werden; dazu gehören auf Grund neuer Erkenntnisse über die Verkehrssicherheit auch die seit 1984 bestehenden Departementsweisungen über die Wohnstrassen.

Eine tiefer gehende, grundsätzliche Überprüfung der Zoneneinteilung des Strassennetzes innerorts und deren Verkehrsregime wird mittelfristig angestrebt. Dazu bedarf es weiterer Forschungsarbeiten in Abstimmung mit den europäischen Entwicklungen sowie einiger Pilotversuche zusammen mit den kantonalen Behörden und den betroffenen Gemeinden.

3. Massnahmen zu Gunsten des nichtmotorisierten Verkehrs (Langsamverkehr) Mit der seit Januar 2000 neu geschaffenen Fachstelle Langsamverkehr im UVEK wird der Bund aktiv die Einführung von Massnahmen unterstützen, die sich u.a. zu Gunsten des Fuss- und Veloverkehrs im Innerortsbereich auswirken. Zurzeit wird deshalb ein Konzept "Langsamverkehr" erarbeitet, welches konkrete Massnahmenpläne zu Gunsten des Fuss- und Veloverkehrs vorschlagen soll. Die Umgestaltung von Verkehrsflächen zur Verkehrsberuhigung soll dazu beitragen, dass die künftige Mobilitätsnachfrage im Innerortsbereich entsprechend den Kriterien der Nachhaltigkeit abgewickelt werden kann: d.h. Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität in stark besiedelten Gebieten, Verminderung der Umweltbelastung und Förderung der Verkehrssicherheit und der Gesundheit unter Berücksichtigung der Wirtschaftsverträglichkeit.

Diese vielfältigen, neuen Aufgaben ergeben einen personellen Mehrbedarf. Deshalb soll der Personalbestand für diesen Aufgabenbereich um zwei Stellen erhöht werden.

2910

Auf diesem Weg kann nach Auffassung des Bundesrates dem von der Expertengruppe Verkehrssicherheit und letztlich auch von den Initianten angestrebten Ziel, das Verkehrsverhalten namhaft und wirkungsvoll zu beeinflussen und die Verkehrssicherheit und das allgemeine Wohlbefinden der Anwohner zu erhöhen und die Umweltbelastung zu vermindern, sinnvoll Rechnung getragen werden.

6

Antrag

Auf Grund der vorstehenden Überlegungen beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten, die Initiative "Strassen für alle" Volk und Ständen zur Ablehnung ohne Gegenvorschlag zu empfehlen.

10930

2911