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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Staatsrathes des Kantons Neuenburg, betreffend die Hausirgebühren im Kanton Freiburg.

(Vom 4. Januar 1881.)

Der schweizerische B u n d e sr a t h, hat

in Sachen des S t a a t s r a t h e s des K a n t o n s N e u e n b u r g , betreffend die Hausirgebühren irn Kanton Freiburg; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: I. Im Interesse der Herren Gebrüder B l u m , marchands tailleurs in Neuenburg, erhob der Staatsrath von Neuenburg folgende Beschwerde : Dieses Handlungshaus nehme jedes Jahr in den freiburgischen Städten Murten und Bstavayer Bestellungen von Kleidern nach dem Maß auf, zu welchem Zweke es einen Angestellten mit Mustern dahin schike. Laut einem Briefe der Centralpolizei von Freiburg habe nun dieser Angestellte für diese Tour zu bezahlen : für das kantonale Patent .

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Fr. 120. -- im Monat, an die Gemeinden Fr. 4 per Tag ,, 120. -- ,, ,, an Stempelgebühr .

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,, 1. -- ,, ,, Visagebühr in beiden Gemeinden ,, --. 60 ,, ,, zusammen

Fr. 241. 60 im Monat.

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Diese übermäßigen Gebühren seien im Widerspruche mit Art. 31 der Bundesverfaßung.

Im Jahr 1874 sei der Kanton Neuenburg von den eidgenößisehen Behörden eingeladen worden, sein Hausirgesez abzuändern, weil er von einem Optiker aus Genf eine Hausirtaxe von Fr. 2& für 14 Tage bezogen habe. Gegenwärtig haben nun die kantons fremden Handlungsreisenden, welche Bestellungen für Kleider nach Maß und auf Muster aufnehmen, im Kanton Neuenburg nichts zu bezahlen. Im Vergleiche mit dieser Liberalität erscheinen die freiburgischen Taxen als unzuläßig. Jedenfalls seien die Gebühren an die Gemeinden aufzuheben, weil sie, zu der kantonalen Patenttaxe hinzugerechnet, einem Verbote des Aufsuchens von Bestellungen durch marchands tailleurs aus andern Kautouen gleichkommen. Da» Postulat Nr. 159 der Bundesversammlung (Amll. Samml. n. F.

III, 448) könne nicht entgegengehalten werden. Dasselbe habe nicht die Tragweite, welche ihm nun der Kanton Freiburg beimesse ; es sei damit bloß bezwekt worden, die in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfaßung entstandene Praxis des eidgenößischen Handelsdepartementes, soweit sie zu rigoros geschienen, zu mildern.

II. Der Staatsrath des Kantons Freiburg antwortete: Die Angaben des Staatsrathes von Neuenburg über das dortige Verfahren seien ungenau. Nicht gegen eine Taxe von Fr. 25 habe ein Genfer Optiker an den Bundesrath rekurrirt, sondern gegen eine solche von Fr. 128 für z w e i W o c h e n , und diese Gebühr habe der Bundesrath als zu hoch erklärt (s. Bundesblatt 1876, II, 594).

Auch heute noch erhebe Neuenburg laut Beschluß vom 24. Dezember 1878 von den hausirenden Optikern eine Taxe von Fr. 45 für 14 Tage, also Fr. 90 monatlich. Die dortigen Gebühren seien sonach nicht sehr von den freiburarischen verschieden.

O Die Kantone seien laut dem von Neuenburg zitirten Postulat der Bundesversammlung berechtigt, von allen Hausirern, mit Einschluß der Musterreisenden, eine Patentlaxe zu erheben. Was den Tarif für diese Patente anbelange, so können die zuläßigen Grenzen nicht anläßlich eines einzelnen Rekurses, sondern nur durch ein Bundesgesez oder eine allgemeine eidgenößisehe Ordonnanz, festgestellt werden. Zürich habe für das Aufsuchen von Bestellungen ein Maximum von Fr. 300, Bern von Fr. 200 und Aargau von Fr. 300 im Monat, wozu noch die Gebühren an die
Gemeinden im gleichen Betrage, im Aargau sogar im doppelten Betrage, hinzukommen. Im Kanton Freiburg dagegen sei die Patenttaxe im Maximum auf Fr. 120 fixirt, nebst Tagesgebühren an die Gemein-

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den im gleichen Monatsbetrage (Gesez betreifend die Hausirer, Art. 6 des Beschlußes vom 31. Dezember 1879 und Art. 28 desjenigen vom 27. September 1878). Der freiburgische Tarif könne sonach nicht als ein übermäßiger oder verfaßungswidriger bezeichnet werden. Es sei Thatsache, daß die reisenden Kauf leute und namentlich diejenigen I. Klasse, wie zum Beispiel die Kleiderhändler, an einem einzigen Tage wenigstens eben so viele Geschäfte machen, als alle an einem kleinen Orte angesessenen Berufsleute, die den gleichen Artikel verfertigen oder mit ihm Handel treiben; die leztern müssen aber an Steuern viel mehr bezahlen als die Patenttaxe betrage.

Uebrigens sei die von den Rekurrenten aufgestellte Rechnung unrichtig. Der Reisende der Herren Blum verwende zwei Mal im Jahre für den Besuch in Murten und Estavayer nur je 2 Tage.

Er habe daher außer der fixen Patenttaxe jeweilen nur Fr. 8 bis 10 zu bezahlen.

Der Staatsrath von FreiburgO trugO auf Abweisungo des Rekursesan. Eventuell möchten die Grenzen der zuläßigen Patenttaxen durch eine allgemeine Regel bestimmt werden.

In Erwägung: 1) daß zwar gemäß Art. 31 der Bundesverfaßung die Kantone berechtigt sind, Vorschriften über die Besteuerung des Gewerbebetriebes zu erlaßen, indeß mit der Beschränkung, daß solche Verfügungen den Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen ; 2) daß somit das Gesez des Kantons Frei bürg vom 13. Mai 1878, indem es im Art. 2 das Anbieten, Kaufen und Verkaufen von Waaren durch Herumtragen in den Häusern und Gassen als Hausirhandel erklärt, und der Beschluß des Staatsrathes vom 31. Dezember 1879, wodurch im Art. 6 das Aufsuchen odei- Aufnehmen von Bestellungen mit oder ohne Muster bei andern Personen als solchen, welche mit dem angetragenen Artikel Handel treiben oder denselben in ihrer Industrie verwenden, dem Hausirhandel gleichgestellt wird, wofür gemäß Art. 3 des Gesezes gewisse Steuern an den Staat bezahlt werden müssen, prinzipiell mit der Bundesverfaßung nicht im Widerspruche stehen; 3) daß daher lediglich in Frage kommt, ob die vom Staatsrathe des Kantons Freiburg gemäß Art. 10 des erwähnten Gesezesin dem Beschluße vom 27. September 1878 aufgestellten Gebühren die Gewerbefreiheit b e e i n t r ä c h t i g e n ;

742 4) daß eine solche B e e i n t r ä c h t i g u n g in der That hier vorliegt, weil a. gemäß Art. 28. des staatsräthlichen Beschlußes vom 27. September 1878 das Gewerbe mit einer f e s t e n Taxe von Fr. 120 p e r M o n a t belegt ist ; b. der Patentinhaber überdies verpflichtet ist, die ebenfalls fixe Taxe von Fr. 4 per Tag an die Gemeinde zu bezahlen; c. solche Steuern offenbar zu hoch sind und auch durch die Art der Auflage das Gewerbe beeinträchtigen ; 5) daß übrigens die ganze Taxirung der einzelnen Gewerbeklassen, wie sie im Art. 28 des Besehlußes des Staatsrathes vom 27. September 1878 aufgestellt ist, im Widerspruche steht mit Art. 3 des Gesezes vom 13. Mai 1878, wonach die dem Staate zu entrichtende Gebühr Fr. l bis Fr. 180 monatlich nebst Fr. l Stempelgebühr betragen soll, somit im Sinne des Gesezes selbst eine angemessene Würdigung des Gewerbes jedes einzelnen Potenten nach Maßgabe der Art der Waaren und der Zeit, während welcher damit hausirt werden will, möglich sein soll ; beschießen: I. Der Staatsrath des Kantons Freiburg wird eingeladen, seinen Beschluß, beziehungsweise seine Vollziehungsverordnung vom 27. September 1878 in dem Sinne abzuändern, daß durch Minimal- und Maximalansäze der Taxen eine angemessene Würdigung des einzelnen Gewerbes nach Art und Zeit des Betriebes möglich ist.

II. Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe des Kantons Neuenburg für sich und zuhanden der Gebrüder Blum, sowie der Regierung des Kantons Freiburg mitzutheilen.

B e r n , den 4. Januar

1881.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Droz.

Der Kanzler der Eidgenoßenschaft : Schieß.

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