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Schweizerische Bundesversammlung.

Rede des

Präsidenten des Schweiz. Ständeraths, Hrn. K. K a p p e i e r von Frauenfeld, beim Schluß der ordentlichen Sommersession des Jahres 1881.

Geehrte Herren Kollegen !

Sie haben sich seit längerer Zeit gewöhnt, ohne Präsidialrede nach Hause entlassen zu werden. Gestatten Sie mir diesmal, mit wenig Worten, eine Ausnahme zu machen.

Es sind nun nahe an 33 Jahre, seit infolge der Bundesverfassung von 1848 die beiden Räthe das erste Mal in Bern zusammentraten. Die Freude war groß über den neuen Bund, denn derselbe ermöglichte der verjüngten Schweiz erst, nunmehr auch ihrerseits, ungehindert durch innere Verfassungsschranken , schöpferisch an die Verwirklichung vieler damals anderwärts schon vielfach ins Leben eingeführten Fortschritte des modernen Kulturlebens heranzutreten. Der Nationalwille, die nationalen Bedürfnisse hatten jezt auch ihre Organe gefunden. Aber in diese Freude mischte sich damals eine schwere Sorge. Wird das Zweikammersystem sich lebensfähig erweisen? Wird die Voraussezung des Zusammenstimmens in allen wichtigen Landesfragen sich bewahrheiten?

Werden nicht Gegensäze und Konflikte sich ergeben, durch die das Gute am einen Ort erstrebt, am andern verunmöglicht wird?

Nun, meine Herren, am heutigen Tage können wir es aussprechen, diese Befürchtung hat sich als unbegründet erwiesen. Das Zweikammersystem hat sich bewährt. Der Patriotismus der Männer, die von den verschiedensten Parteien nach Bern in die Räthe gesandt wurden, hat sich mächtiger gezeigt als alle Sonderinteressen der

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Parteien. Obgleich fast alle Gebiete staatlichen Lebens neu zu gestalten waren, hat auch nicht ein einziger Konflikt von Bedeutung, durch den das Landesinteresse gelitten hätte, während 33 Jahren das Feld behauptet. Die Uebereinstimmung wurde in allen Fragen von Gewicht erzielt; das Vaterland ist jederzeit Sieger geblieben.

In dieser Sizung noch haben die Parteien sich durch einen schönen Akt der Selbstverleugnung geehrt. Das schweizerische Obligationenrecht, das dem Innern gewerblichen Leben des Landes und den gewerblichen Beziehungen desselben zum Ausland, seinem Kredit, große V ortheile zuführen muß, sobald das Kleben an manchen doch wenig fruchtbaren Besonderheiten in dieser Hinsicht überwunden sein wird. Dieses bedeutendste Werk der lezten zu Ende gehenden Amtsperiode ist in diesem Rath sozusagen mit Stimmeneinmuth angenommen worden. Alle Parteien ohne Unterschied sind sich in dem nämlichen nationalen Gedanken begegnet und darin aufgegangen. Kein Zweifel, daß auch das Volk dem Vorgang in beiden Räthen folgen wird. So hat sich das Zweikammersystem bei uns bewährt. Es hat positiv den Fortschritt gefördert und auch nichts Gutes verunmöglieht. Es garantirt eine wahre, eine fruchtbare Doppelberathung. Ein einziger Rath kann wohl in sein Reglement die Doppelberathung der Geseze niederlegen, aber es bleiben eben nur die gleichen Menschen für die zweite Berathung. Selten hat sich in dieser Art die zweite Berathung fruchtbar erwiesen. Ist sie doch meist nur ein Revanchekrieg, in dem die unterlegenen Minderheiten eine zweite Schlacht versuchen, in 'welcher nicht selten nur der zufällige Umstand größerer oder geringerer Vollzähligkeit des Raths und nicht wirkliche Belehrung oder neue Gedanken den Ausschlag geben.

Eine Doppelberathung wichtiger Fragen durch zwei getrennte Räthe bringt anderes Leben. Neue Kräfte, die sich noch nicht ausgesprochen haben, frisches und noch freies Denken tritt an den gleichen Gegenstand heran. Anderseits ist auch die Garantie gegen Uebereilungen und Voreingenommenheiten größer. So vereinigen Nationalund Ständerath frische Initiative für nationalen Ausbau und Fortschritt mit der Sicherung berechtigter Eigentümlichkeiten der einzelnen Theile des Landes, mit Ruhe und Besonnenheit in Berathung und Abschluß der Traktanden. Der Ständerath mag und soll Projekten, die noch nicht
reif sind und voreiligem Drängen gegenüber mäßigend und ernüchternd wirken. Er soll ein Hort sein gleichen Rechts für alle Glieder des Bundes; aber er darf nicht ein Radschuh werden für den wirklichen Fortschritt der Nation.

Er mag dasjenige festhalten, was in den kantonalen Besonderheiten seiner Natur nach besser gedeiht; aber er muß auch mit freiem Sinn aufrichten helfen und entwikeln, was in der Hand der Ge-

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sammtheit reifere Früchte, reichern Segen bringt. Wenn der Ständerath in diesem Sinne fortamtet neben dem Nationalrath ; wenn beide Räthe sich verstehen, achten und ergänzen: dann wird das kleine republikanische Hochland Europas unter dieser, seiner Geschichte entnommenen Verfassungsgrundlage noch lange unser g l ü k l i c h e s Vaterland bleiben. Es wird auch als Republik mit weitherzigem Sinn für die Noth der gedrükten Klassen auf nüchternen und bewährten Wegen die Kluft in der sozialen Frage überbrüken können. Doch, ich meine aus Ihrer Mitte zu hören : Was predigt der Präsident uns heute Dinge, die, indem wir sie etwas mehr nach links oder nach rechts auslegen, doch in der Hauptsache uns Allen selbstverständlich klingen !

Meine Herren Kollegen, ich hoffe dennoch auf Ihre Nachsicht aus zwei Gründen. Erstens bin ich das älteste Mitglied im Amt unter Ihnen und zweitens dachte ich, nach 33jährigem Amten zu Ihnen hiemit Worte des Abschieds zu reden.

Ich erkläre die ordentliche Sommersession des Ständerathes für geschlossen.

Gedrängte Uebersicht der Verhandlungen der Schweiz.

Bundesversammlung.

Session vom Montag, 6. Juni, bis Mittwoch 29. Juni 1881.

Näheres enthält die in separater Quart-Beilage erscheinende Uebersicht.

Pendentes ist mil + bezeichnet. -- NR = Nationalrathsbeschluss, Stil = Ständerathsbeschluss BV = Bundesversammlung.

Die beigefügten Nummern bedeuten die Traktanden-Nummern.

Begnadigungsgesuch Burger, Nr. 41. BV 23. Juni: Abweisung.

Büreaux-Neubestellung, Nr. 2.

Deutschland, Handelsvertrag, Nr. 20. -- NR 16., StR 20. Juni: Ratifikation.

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Eisenbahnwesen : Fristverlängerungen, Ermächtigung an den Bundesrath, Nr. 42.

-- StR 20., NR 27. Juni: Beschluß nach BR-Antrag.

Genf- (resp. Carouge)-Veyrier u. s. w., Anschlußbahn GenfAnnemasse; Nr. 29. -- StR 28. und NR 28. J u n i : Ermächtigung des Bundesraths im Sinne seines Antrags vom gleichen Datum.

Gotthardstationen Chiasso, Luino, Nr. 25. -- StR 20. April, NR 14. Juni : Ratifikation des Vertrags mit Italien.

Immensee-Rothkreuz, Pachtvertrag, Nr. 40. -- StR. 20., NR 27. Juni: Beschluß nach BR-Anfcrag.

Seethalbahn, aargauisch-luzernische, Konzessionsübertraguug, Nr. 43. -- StR 25., NR 28. Juni: Beschluß, wenig abweichend vom BR-Antrag.

Simplonbahn, Fusionsvertrag, Nr. 26. -- Lezte Vereinbarung: NR 28., StR 28. Juni, etwas abweichend vom BR-Entwurf.

Territet, Drathseilbahn, Nr. 27. -- StR 11., NR 21. Juni: Beschluß nach BR-Antrag.

Travers-St. Sulpice, Nr.28. -- StR 11., NR 21. Juni: Beschluß, nach BR-Antrag.

f Epidemiengesez, Nr. 5. -- Vom NR auf nächste Session verschoben, 17. Juni.

f Erfindungspatente, Nr. 22. -- StR 24., NR 28. Juni : Einforderung eines Revisionsvorschlags vom Bundesrath, gemäß Antrag in seinem Nachtragsbericht vom 20. Juni.

Fabrikhaftpflicht, Gesez, Nr. 21. -- Lezte Vereinbarung: NR 24., StR 25. Juni.

t^Finanzverwaltung, Organisation, Nr. 17. -- Lezte Vereinbarung : NR 23., StR 25. Juni : Rükvveisung an den Bundesrath mit Direktionen.

f Flußkorrektionen, Nr. 9. (Nicht zur Vorlage gelangt.)

Fohlenhof, Reorganisation, und Pferdezuchtkredit, Nr. 23. -- Lezte Vereinbarung: StR 22., NR 28. Juni: Beschluß, abweichend vom bundesräthlichen Antrag.

Geschäftsbericht 1880, Nr. 4 a. -- Lezte Vereinbarung : NR 25., StR 28. Juni (10 Postulate).

Handels- und Zolldepartement, Organisation (Amtsstellen), Nr. 39.

StR 23., NR 27. Juni: Gesez, wenig abweichend vom BREntwurf.

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Handlungsfähigkeit, Gesez, Nr. 11. -- Lezte Vereinbarung: NR 18., StR 22. Juni.

Militärwesen : Infanterie-Unterricht, Er. 13.--Lezte Vereinbarung : NR 14., StR 18. Juni: Gesez, nach BR-Antrag.

Kriegsmateilalbüdget für 1882, Nr. 14. -- NR 18., StR 22. Juni: Beschluß, nach BR-Antrag.

Landwehrübungen, Nr. 12. -- StR 21. April, NR 7. Juni 1881 : Bundesgesez, etwas abweichend vom BR-Entwurf.

Rekrutenausrüstung 1882, Nr. 15. -- Lezte Vereinbarung: StR 18., NR 27. Juni: Beschluß, abweichend vom BREntwurf.

Motionen : Joos, statislische Erhebungen betr. Fabrikpersonal, Nr. 44.

NR 24. Juni: abgelehnt.

Morel, betr. Postsparkassen, Nr. 35. -- NR 11. Juni: Annahme der Motion als f Postulat.

Nachtragskredite für 1881, Nr. 16. -- StR 15., NR 18. Juni: Beschluß, nach BR-Antrag.

Obligationenrecht, Nr. 10. -- StR 10., NR 14. Juni: In GloboAnnahme der zweiten BR-Bearbeitung.

Polytechnikum, Jahreskredit, Nr. 7. -- StR lo., NR 25. Juni: Beschluß, etwas abweichend vom BR-Antrag.

Polytechnikum, Reorganisation, Nr. 8. -- Lezte Vereinbarung : NR 22., StR 23. Juni: Bundesgesez'. -- (Undf Postulate des NR.)

Postwesen : Postkasserechnung Basel, Nr. 18. -- NR 18., StR 22. Juni: Beschluß (formulirte Erledigterklärung dieser Angelegenheit).

f Posttaxengesez, Nr. 24. -- StR 20. Juni: verschiebt auf nächste Session.

Postalische Motion, siehe : Morel.

Rekurse : Bläsi, Rekurs betreffend Viehpolizei, Nr. 37. -- StR 17., NR 27. Juni: Rekursabweisung.

f Blum, Pointet ; s. Freiburg.

f Freiburg, Hausirtaxen, Nr. 34. (Nicht zur Vorlage gelangt.)

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Graubünden, Banknotengesez, .Nr. 30. -- NR 24., StR 28. Juni : Formulirter Beschluß, theilweise ßegründeterklärung des Rekurses.

Kottmann etc., siehe: Tatiakzoll.

Morisod, Sonntagsarbeit, Nr. 33. -- StR 23. Februar und" 18. Juni 1881: Rekursabweisung ; NR 13. und 24. Juni: motivirte Begründeterklärung des Rekurses. Wegen definitiven Beharrens auf dieser Divergenz kam es zu keinem Bundesbeschlusse.

f Neuenburg, Militärtaxe, Nr. 31.

Tabakzollrekurse, Nr. 32: a. Kottmann NR 8., StR 16. Juni: Abweisung aller drei b. Frossard Rekurse.

c. Vonkilch Rükzölle, Nr. 19. -- Lezte Vereinbarung : NR 23., StR 25. Juni L Motivirter Beschluß über einstweiliges Nichteintreten.

Staatsrechnung 1880, Nr. 4 b. -- Lezte Vereinbarung: StR 17.,.

NR 21. Juni : Genehmigung, nebst einem Postulat.

Uhrenausstellung in La Chaux-de-Fonds, Nr. 38. -- NR 18., StR 21. Juni: Beschluß = BR-Antrag.

Unterrichtswesen, Nr. 6. -- NR 17. Juni : verschiebt die Angelegenheit auf nächste Session.

Uri, Verfassungsänderung, Nr. 36. -- StR 10., NR 21. Juni r.

Beschluß, nach BR-Antrag.

Wahlen : BüdgetkommissiQnen 1882, Nr. 3.

Bureaux, Nr. 2.

Wahlaktenprüfung, Nr. 1.

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02.07.1881

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