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Bundesrathsbeschluß in

Sachen des Wilhelm Hänger, von Lupsingen,

Basel-Land-

schaft, betreffend Ausweisung aus Basel-Stadt.

(Vom 3. Juni 1881.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Sachen des Wilhelm H ä n g e r , Schreiner, von Lupsingen (Basel-Landschaft), betreffend Ausweisung aus Basel-Stadt; nach angehörtem Bericht des eidg. Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt verfügte am 19. März d. J. die Ausweisung des Rekurrenten wegen mehrfacher gerichtlicher Bestrafung in Folge schwerer Vergehen.

Rekurrent wurde wie folgt bestraft: 1) Am 10. November 1875 mit fünf andern Kameraden im Alter von 14 bis 17 Jahren von dem Strafgerichte des Kantons Basel-Stadt. Er wurde schuldig befunden: a. des einfachen Diebstahls im Betrage von Fr. 380. 45; b. der Unterschlagung im Betrage von Fr. 12. 45; c. des schweren Diebstahls mittelst Einsteigens und Erbrechens von Behältnissen im Betrage von Fr. 446. 95; d. des versuchten schweren Diebstahls mittelst Erbrechens von Behältnissen in unbestimmtem Betrage und des Feldfrevels, und zusammen zu 2*/2 Jahren Gefängniß verurtheilt.

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2} Am 8. Januar 1881 wurde Rekurrent nebst drei Mithaften und einem Hehler vom gleichen Gerichte des einfachen Diebstahls.

im Betrage von Fr. 36. 20 schuldig erklärt und zu acht Wochen Gefangenschaft verurtheilt.

U. Mit Eingabe vom 31. März/18. April 1881 stellte Wilhelm.

Hänger das Gesuch, daß die Ausweisung aufgehoben werden möchte..

Der Absaz 3 vom Art. 45 der Bundesverfassung gestatte eine solche Verfügung nur, wenn Jemand w i e d e r h o l t wegen s c h w e r e r Vergehen gerichtlich bestraft worden sei. Nun sei er zwar allerdingswiederholt, aber wegen s c h w e r e r Vergehen nur ein Mal bestraft worden. Es liegen somit die Voraussezungeu des Art. 45 nicht vor.

Dazu komme, daß er zur Zeit des ersten Urtheils kaum 17 Jahre alt gewesen. Die nachträgliche polizeiliche Ausweisung würde zu einer härtern Strafe als die gerichtliche und würde ihn jetzt härter treffen, als die 2 J /2jährige Gefängnißstrafe vor fünf Jahren.

HI. Der Regierungsrath des Kantons Basel-Stadt antwortete:; Bei der Ausweisung des Rekurrenten seien die durch das Urtheil vom 10. November 1875 betroffenen verschiedenen Straffälle ganz.

in dem Sinne in Berüksichtigung gezogen worden, wie Rekurrent, es in seiner Eingabe verlangt habe. Seine Ausweisung sei dann, durch das neue Urtheil vom 8. Januar d. J. veranlaßt worden, weil darin eine w i e d e r h o l t e gerichtliche Bestrafung wegen schwerer Vergehen liege. Nach Art. 45, Absaz 3 der Bundesverfassung sei diese Verfügung begründet. Die Bundesverfassung stelledie Bezeichnung schwere Vergehen nur in Gegensaz zu bloßen, Polizeiübertretungen, wegen deren unter der frühern Bundesverfassung die Ausweisung habe erfolgen können, wie auch der Bundesrath in den Entscheiden in Sachen Salvisberg und Haitiner (Bundesblatt 1874, III, 536, und 1875, II, 578) angenommen habe.

Rekurrent hätte zwar zunächst an die Kantonsregierung rekurriren sollen; sie lege indeß auf diesen Umstand kein Gewicht,, weil sie den Entscheid ihres Polizeidepartements begründet erachte.

Der Rekurs sei als unbegründet abzuweisen; i n E r wägung:

1) Die Bestimmung des Art. 45 der Bundesverfassung, wonach einer Person, welche wegen schwerer Vergehen wiederholt bestraft worden ist, die Niederlassung entzogen werden kann, trifft im vorliegenden Falle zu.

Nachdem der Rekurrent das eine Mal wegen einfachen Diebstahls im Betrage von Fr. 380. 45, wegen Unterschlagung und

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wegen eines mittelst Einbruchs begangenen schweren Diebstahls im Betrage von Fr. 446. 95, und endlich wegen eines versuchten schweren Diebstahls zu einer Gefängnißstrafe von 2 Va Jahren, das andere Mal wegen eines einfachen Diebstahls im Betrage von Fr. 36. 20 zu acht Wochen Gefangenschaft verurtheilt worden ist, kann kein Zweifel darüber walten, daß hier wiederholte schwere Vergehen vorliegen.

2) Mit Recht wird von der Regierung von Basel-Stadt geltend gemacht, daß die Frage, ob ein Vergehen im Sinne der Bundesverfassung als ein schweres betrachtet werden muß, nicht nach den in den Strafgesezbüchern vorgesehenen Unterscheidungen schwerer und einfacher Diebstähle, Körperverlezungen etc. zu beurtheilen sei, daß die Bundesverfassung vielmehr das schwere Vergehen als Gegensaz zu leichten Vergehen und zu der bloßen Polizeiübertretung auffasse.

Von diesem Gesichtspunkte, der von dem Bundesrath auch in frühem Fällen (Bundesblatt 1874, III, 536, und 1875, II, 578} eingenommen worden ist, erscheinen die wiederholt begangenen Vergehen des Rekurrenten entschieden als polche, welche die Ausweisung rechtfertigen, beschlossen: 1. Es sei der Rekurrent mit seinem Begehren abzuweisen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung von Basel-Stadt und dem Rekurrenten mitzulheilen, lezterem unter Rüksendung der Akten.

B e r n , den 3. Juni 1881.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenoßenschaft:

Schieß

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Bundesrathsbeschluß in Sachen des Wilhelm Hänger, von Lupsingen, Basel-Landschaft, betreffend Ausweisung aus Basel-Stadt. (Vom 3. Juni 1881.)

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26.11.1881

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