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Bericht des

Schweiz. Bundesgerichtes an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1880.

(Vom 4. März 1881.)

Das schweizerische Bundesgericht an

den hohen Bundesrath der Schweiz. Eidgenossenschaft, in Bern.

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Gemäß Art. 24 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Brachmonat 1874 erstatten wir Ihnen anmit Bericht über unsere amtliche Thätigkeit im Jahre 1880 :

I.

Allgemeiner Theil.

Nachdem die Gemeindebehörden von Lausanne früher als Bauplatz für das n e u e Bundesgerichttsgebäude den südlichen Theil des Montbenon in Aussicht genommen hatten, kamen dieselben im Frühjahr 1880 von dieser Idee zurück und bezeichneten den Bauplatz im Norden des -Montbenon. Unterm 27. April theilte uns der Bundesrath die ihm von den Gemeindebehörden für dieses Projekt übermittelten provisorischen Pläne mit zur Rückäußerung,

308

welchem Auftrag wir mit einläßlichem Schreiben vom 1. Juni nachkamen, nachdem wir uns schon durch Schreiben vom 3. Mai auch mit diesem Platz einverstanden erklärt hatten. Unterm 26. August erhielten wir vom Bundesrath die neu ausgearbeiteten Pläne, mit dem Ersuchen, ihm unsere Bemerkungen darüber mitzutheilen, was durch Antwort vom 4. September geschah. Am 27. Oktober machte uns dann der Syndic von Lausanne die Mittheilung, daß gegen den gewählten Bauplatz zahlreiche Petitionen eingegangen seien, welche dem Gemeinderath zum Bericht und Antrag übermittelt wurden.

Wie Ihnen bekannt, wurde jedoch von den Gemeindebehörden an dem gewähltem Platze definitiv festgehalten, und unterm 31. Dezember erhielten wir die etwas modifizirten, von den Gemeinde- und Kantonalbehörden bereits genehmigten Pläne nebst Devis neuerdings, vom Bundesrathe zu gutfindender Rückaußerung zugestellt. Mit Schreiben vom 11. Januar d. J. erklärten wir uns, einige speziell bezeichnete, mehr untergeordnete Punkte vorbehalten, mit diesen Plänen einverstanden, welche seither auch von Ihrer Seite unter einigen Reserven die Genehmigung erhielten. Es ist daher zu hoffen,, daß nunmehr die baldige Inangriffnahme des Baues keinen Schwierigkeiten mehr begegnen werde.

Mit dem 1. Wintermonat 1880 ist das neue B u n d e s g e s e t z , ü b e r die K o s t e n der B u n d e s r e c h t s p f l e g e vom 25. Brachmonat 1880 in .Kraft getreten, und wir waren im Falle, über Art. 15, Absatz 3 desselben folgenden grundsätzlichen Entscheid zu fassen : % Gemäß Art. 62 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 wurden bisher für die Entscheidung .staatsrechtlicher Streitigkeiten weder Gerichtsgebühren bezogen, noch Parteientschädigungen zugesprochen, ausgenommen in denjenigen Fällen, wo die Anhebung oder Veranlaßung desStreites oder die Art der Prozeßführung es rechtfertigten ; ebensowenig wurde für die Ausfertigung der Urtheile eine Gebühr berechnet. Dagegen bestimmt Art. 15, Absatz 3 des neuen Gesetzes ausdrücklich, daß auch bei staatsrechtlichen Streitigkeiten die Auslagen und die Kanzleigebühren im Sinne von Art. 9 und 13 immer vergütet werden müssen, und unter die letzteren fallen die Gebühren für Ausfertigung der Urtheile, die Folioseite zu 60 Rappen. Solche Urtheile werden bei staatsrechtlichen Streitigkeiten
in der Regel drei ausgefertigt: eines für jede Partei und eines zu Händen derjenigen kantonalen Behörde, gegen deren Verfügung die Beschwerde gerichtet war (Art. 59 des Organisationsgesetzes). Dabei entstund bezüglich der Tragung dieser Gebühren die Frage, wie es in den freilich seltenen Fällen zu halten sei, bei denen eine Gegenpartei

309 nicht vorhanden ist und der Rekurrent obsiegt, ob alsdann der letztere auch die Gebühren für die Ausfertigung des dei- kantonalen Behörde zuzustellenden Urtheils zu entrichten habe, oder ob dieselben dieser Behörde auffallen. Das erstere wäre unbillig und das letztere erschien uns unthunlich, weil es sich sehr oft um Behörden,, z. B. Gerichte handelt, die über gar keine Kasse verfügen, und weil es auch prinzipiell als unrichtig erscheint, einer Behörde Kosten zu überbinden , die nicht als Partei am Streite erscheint, sondern einfach von Amteswegen eine in ihren Geschäftskreis fallende Verfügung erlassen hat, mag dieselbe auch nachher vom Bundesgerichte als unzuläßig aufgehoben worden sein. Wir beschlossen daher, es habe in solchen Fällen der obsiegende Rekurrent die Gebühren für die ihm zuzustellende Urtheilsausfertigung, sowie die Auslagen des Instruktionsrichters und der Kanzlei zu tragen ; dagegen sei von dem Bezug einer Gebühr für die Ausfertigung des der kantonalen Behörde zukommenden Urtheils Umgang zu nehmen.

Das B u n d e s g e s e t z b e t r e f f e n d den S e h u t z der F a b r i k und H a n d e l s m a r k e n vom 19. Christmonat 1879, welches mit dem 16. April 1880 in Kraft getreten ist, hat uns in Folge einer mit dem Handels- und Landvvirthschaftsdeparternent gewechselten Korrespondenz Anlaß zur Untersuchung der Frage gegeben, welches Verfahren beim Bundesgerichte einzuschlagen sei, wenn sein Entscheid, gestützt auf Art. 28, Absatz 3 des Gesetzes, angerufen wird gegenüber Verfügungen, die jenes Departement gemäß der angeführten Gesetzesbestimmung über Einsprachen erlassen hat, welche gegen die fernere ausschließliche Benützung von Marken erhoben wurden, deren Deposition, gestützt auf Art. 27, von in der Schweiz, niedergelassenen Produzenten und Handelstreibenden stattfand, die schon vor dem 1. Wintermonat 1879 diese Marken in rechtmäßiger Weise verwendet zu haben behaupten. Das Gesetz spricht sich über dieses Verfahren mit keinem Wort aus, und obschon vielleicht ein außerordentliches summarisches Procedere zur Erledigung solcher Anstände wünschenswerth wäre, glaubten wir doch davon absehen zu müssen. Setzt ein Spezialgesetz kein besonderes Verfahren fest, so muß sich dasselbe, je nach dem Charakter der betreffenden Streitigkeiten, nach deu allgemeinen Vorschriften richten,
und e* fehlt dem Richter die Kompetenz, von sich aus Abweichungen festzusetzen. Demnach hängt das Verfahren einfach von Beantwortung der Frage ab, ob wir es in solchen Fällen mit Streitigkeiten staatsrechtlicher oder civilrechtlicher Natur zu thun haben und ob bei letzterer Eventualität die Voraussetzungen des Art. 29 des Organisationsgesetzes vom 27. Juni 1874 vorhanden sind. Von staatsrechtlichen Streitigkeiten kann nun schon deßwegen nicht gesprochen

310 werden, weil die betreffenden Beschwerden gegen Verfügungen einer eidgenössischen und nicht kantonalen Behörde gerichtet sind (Art. 59 des Organisationsgeselzes). Es handelt sich auch nicht um Fragen des öffentlichen, sondern des civilen Rechtes; dieselben können aber nicht nach Art. 29 ff. des Organisationsgesetzes .behandelt werden, weil kein gerichtliches Urtheil der letzten kantonalen Instanz, .sondern ein Administrativenfscheid des eidgenössischen Handelsdepartementes vorliegt. Mithin bleibt nichts Anderes übrig, als das gewöhnliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten beim Bundesgerichte anzuwenden, wie dasselbe durch Bundesgesetz vom 22. November 1850 geordnet ist. Die beim Bundesgerichte eingereichte Beschwerde erscheint als Civilklage, auf welche der nöthige Schriftenwechsel und das erforderliche Beweisverfahren nebst mündlicher Schlußverhandlung folgen. Dabei bilden die Vorakten des Departementes einen Bestandteil der Prozedur, was zur Aufklärung und rascheren Abwicklung der Sache beitragen wird.

Unterm 18. September 1880 haben wir uns veranlaßt gesehen, an die schweizerischen Kantons- und Obergerichte ein K r e i s s e h r e i b e n b e t r e f f e n d Art. 2 9 d e s B u n d e s g e s e t z e s ü b e r d i e O r g a n i s a t i o n .der B u n d e s r e c h t s p f e g e v o m 2 7 . J u n i 1874 zu erlassen. Es ist nämlich wiederholt vorgekommen, daß Parteien, welche kantonale Urtheile gemäß Art. 29 leg. cit. an das Bundesgericht weiterzogen, ihren diesfalls den kantonalen Gerichten abgegebenen Erklärungen eine ausführliche schriftliche Begründung, sei es in Form eines Rekursmemorials, sei es in Form motivirter Konklusionen, beifügten. Eia solches Vorgehen, welches, um die Gleichheit der Parteistellung zu wahren , die Zustellung jener Begründung an die Gegenpartei zur Geltendmachung allfälliger schriftlicher Gegenbemerkungen zur Folge haben müßte. steht offenbar im Widerspruch mit dem in Art. 30 leg. cit. bestimmten Verfahren, laut welchem die Parteien das Recht haben, das Streitverhältniß vor dem Bundesgericht mündlich vorzutragen. Diesem mündlichen Verfahren noch ein schriftliches vorausgehen zu lassen, ist jedenfalls nicht der Wille des Gesetzes, und ebensowenig kommt es einer Partei, welche von dem Rechte des mündlichen Vertrages keinen Gebrauch machen will, zu^ denselben
durch einen schriftlichen zu ersetzen, Wir haben daher die Kantonsgerichte eingeladen, solche schriftliche Begründungen in irgend welcher Form nicht zuzulassen, wohl aber die Parteien, welche die Weiterziehung eines Urtheils an das Bundesgericht erklären, vor Einsendung der Akten an das Bundesgecicht anzuhalten, diejenigen Punkte des Dispositivs des kantonalen Urtheils, welche sie der Beurtheilung des Bundesgerichtes unterwerfen wollen, genau zu bezeichnen und ihre daherigen An-

311 träge zu formuliren gemäß unseren schon unterm 9. Dezember 1876 und 8. November 1878 erlassenen Kreisschreiben.

Nachdem wir das letzte Jahr dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement auf sein Ansuchen unsere Bemerkungen über den Entwurf eines Vertrages mit Deutschland betreffend g e g e n s e i t i g e A n e r k e n n u n g v o n E h e s c h e i d u n g s u r t h e i l e n mitgetheilt hatten, fand Anfangs des Jahres eine Konferenz zwischen dem Vorsteher des genannten Departementes und einer Abordnung des Bundesgerichtes über einen zweiten Vertragsentwurf unter denselben Kontrahenten statt, betreffend die Zwangsvollstreckung von civilrechtlichen Urtheilen überhaupt. Diese Vertragsentwürfe, wovon der zweite nur eine weitere Ausführung des erstem enthält, haben ihren Ursprung in einer Anregung, welche das Bundesgericht scho» früher beim Bundesrathe gemacht hatte (vergi. Geschäftsbericht des Bundesrathes pro 1879, S. 496) aus Anlaß seiner Erfahrungen betreffend Anwendung des Art. 56 des Gesetzes über Civilstand und Ehe, wonach in Bezug auf Ehen zwischen Ausländern eine Scheidungsoder Nichtigkeitsklage nur dann angenommen werden darf, wenn nachgewiesen wird, daß der Staat, dem die Eheleute angehören, das zu erlassende Urtheil anerkennt. Die verschiedenen Fälle, die wir auf Grundlage dieser Gesetzesbestimmung zu beurtheilen hatten, betrafen alle Angehörige des Deutschen Reiches, und zwar vor Inkrafttreten der neuen deutschen Civilprozeßordnung. Dabei zeigte es sich, daß in den fraglichen deutschen Staaten keine Behörde die Kompetenz "hatte, eine solche allgemeine Erklärung im Sinne des Art. 56 leg. cit. abzugeben, ein Verhältniß, das auch für die schweizerischen Behörden zutrifft und wahrscheinlich auch in den andern Staaten. Daraus folgt, daß jener Art. 56 so lange ein todter Buchstabe bleibt, als nicht durch internationale Verträge die gegenseitige Anerkennung von Scheiduhgsurtheilen reglirt und anerkannt ist. Gegenüber Deutschland hängt nun der'Abschluß eines solchen Vertrages nur von der Schweiz ab, indem dei- § 661 der mit dem 1. Oktober 1879 in Kraft getretenen neuen deutschen Civilprozeßordnung auch die Vollstreckung auswärtiger Urtheile zuläßt, wenn nach deutschem Recht der auswärtige Richter zum Erlaß des Urtheils kompetent war und die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Da nun § 568 der
deutschen Civilprozeßordnung als Forum für Streitigkeiten, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe betreffen, den allgemeinen Gerichtsstand des Ehemannes -- also Gerichtsstand des Wohnortes -- festsetzt, so hängt die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Eheseheidungsurtheilen nur von der schweizerischerseits abzugebenden Zusicherung der Gegenseitigkeit ab. Denn nach dem angeführten § 661 bestimmt

312 sich die Rechtskraft des auswärtigen Urtheils einzig- nach dem für d i e s e s Gericht geltenden Rechte, woraus der für das internationale Privatrecht sehr wichtige Satz folgt, daß Deutschland, im Gegensatz z. B. zum französischen Rechte, dem inländischen Richter keine Kognition über die m a t e r i e l l e Richtigkeit des auswärtigen Erkenntnisses, also auch keine Kognition darüber zuerkennt, ob bei Abfassung dieses Erkenntnisses die materiellen Gesetze seines Staates berücksichtigt sind oder nicht. Diese Auffassung ist in den Gesetzesniotiven ausdrücklich anerkannt und nicht minder in allen Kommentaren und den uns seither bekannt gewordenen deutschen Urtheileu.

Es scheint uns, die Schweiz dürfe sich diesem Fortschritt ebenfalls anschließen und einen bezüglichen Vertrag mit Deutschland eingehen , wobei es Sache der Unterhandlungen sein wird, zu untersuchen", wie weit die Grenzen zu gegenseitiger Reglirung civilrechtlicher Verhältnisse gezogen werden können.

Wir haben dem Bundesrath auf dessen Wunsch auch unsere Ansichten mitgetheilt über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die S i c h e r s t e l l u n g der R ü c k v e r g ü t u n g e n aus dem d i r e k t e n V e r k e h r der E i s e n b a h n e n , welches Gesetz seither in Kraft getreten ist und eine Ergänzung zum Gesetz über die Zwangsliquidationen der Eisenbahnen bildet.

Unterm 13./15. Dezember 1880 theilte uns ferner der Bundesrath den Wortlaut der von Herrn Ständerath R e s p i n i gestellten Motion zur liückäußeruug mit. Ueber den ersten Theil der Motion, betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Organisation des Bundesgerichtes, welcher die Gleichheit der Bürger im Gebrauche der Nationalsprachen wirksam gewährleiste, konnten wir uns Mangels nährerer Angaben über die Tragweite dieses Antrages nicht näher aussprecheti ; dagegen äußerten wir uns in unserem Schreiben vom 18. Dezember einläßlich über die im zweiten Theil der Motion verlangte Errichtung eines Uebersetzungsbüreau beim Bundesgerichte, welches auf Gesuch der Parteien oder selbst einer einzigen Partei, oder eines Richters, jede verlangte Uebersetzung von Aktenstücken zu besorgen habe, und wir glauben uns der Kürze halber einfach auf jenes Schreiben berufen zu können.

Betreffend unsere Rechtprechung verweisen wir auf die amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtes.

313

IL Spezieller Theil.

StaatsCivil- Freiwillige rechtliche rechtliche GerichtsFälle.

Fälle.

barkeit.

Es gingen aus dem Jahre 1879 auf das Jahr 1880 über Im Jahre 1880 gingen neu ein . . . .

40

125

3

168

140

327

13

480

452

16

648

371

14

537

81

2

111

Es waren also im Ganzen in Behandlung .

.

.180 Davon wurden in 98 Sitzungen erledigt .

.152 Es gingen demnach auf 1881 über .

.

.

.

Total.

28

A. Civilrechtliche Streitigkeiten.

Die 452 civilrechtlichen Fälle, von denen 66 durch Urtheil des Bundesgerichtes, 305 durch Beschluß (Vergleich, Rückzug oder Annahme des Urtheilsantrages des Instruktionsrichters in Expropriationsfällen) erledigt wurden und 81 auf 1881 übergingen, 452 vertheilen sich wie folgt: 6 Prozesse zwischen Bund und Kantonen oder Privaten, von denen 2 durch Beschluß erledigt wurden und 4 noch in Instruktion sich befinden; 40 Prozesse zwischen Kantonen und Korporationen oder Privaten, von welchen 9 durch Urtheil, 8 durch Beschluß erledigt wurden und 23 auf das Jahr 1881 übergingen; 3 Bürgerrechtsstreitigkeiten unter Gemeinden; l ist durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt, l noch in Instruktion; 2 Heimatlosenprozesse, von denen l durch Urtheil erledigt, l aufs Jahr 1881 übergegangen ist;

51

Uebertrag

314

51 Uebertrag 340 Expropriationsrekurse, von denen 22 durch Urtheil, 291 durch Beschluß erledigt wurden und 27 noch in Instruktion sich befinden; 14 Beschwerden gegen Entscheidungen des Masseverwalters der Nationalbahn; 11 sind durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt, 2 sind auf das Jahr 1881 übergegangen; 12 Rekurse gegen Entscheidungen des eidg. Handels- und Landwirthschaftsdepartements, Markenschutz betreffend, die alle noch in Instruktion sich befinden; 14 Weiterziehungen von kantonalen Urtheilen in Ehesachen, von denen 11 durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt wurden, 2 aufs Jahr 1881 übergehen; 5 Weiterziehungen kantonaler Urtheile, das Haftpflichtgesetz betreffend, wovon 4 durch'Urtheil erledigt, l durch Beschluß; 5 Ebensolche, das Fabrikgesetz betreffend, wovon 2 durch Urtheil erledigt wurden, 3 ins Jahr 1881 übergingen; 3 solche in andern Civilstreitigkeiten, die nicht in die Kompetenz des Bundesgeriehtes fielen, alle erledigt : endlich 8 Prozesse, m denen das Bundesgericht als forum proroga,tum angerufen wurde. Es sind von denselben 2 durch Urtheil erledigt, 6 befinden sich noch in Instruktion.

O

452

B. Staatsrechtliche Streitigkeiten.

Von den 180 staatsrechtlichen Fällen bezogen sich: 111 auf die Bundesverfassung, und zwar: 47 auf Rechtsverweigerung oder ungleiche Behandlung (Art. 4), 2 ,, Ausweisung, bzw. Niederlaßimg (Art. 45), 6 ,, Doppelbesteuerung (Art. 46).

6 n Glaubens- und Gewissensfreiheit, bzw. Kultussteuern (Art. 49), l ,, Eherecht (Art. 54), l ,, Preßfreiheit (Art. 55), ·i ^ Entzug des verfassungsmäßigen Richters- (Art. 58), 111 Uebertrag

315 111

33 3 12

8

5 8

Uebertrag 25 auf Gerichtsstand für persönliche Ansprachen (Art. 59),, 2 ,, Schuldverhaft (Art. 59), 7 ,, Gleichbehandlung von Schweizern aus andern Kantonen (Art. 60), 3 ,, Vollzug rechtskräftiger Urtheile (Art. 61), 4 ,, Kompetenz des Bundesgerichtes in Civilsachen (Art. 110), 3 ,, Kompetenz des Bundesgerichtes als forum prorogatum (Art. 111); auf Verletzung von Kantonsverfassungen ,, ,, Bundes- und Kantonsverfassung ; " ,, ,, ,, Bundesgesetzeu, und zwar: 2 auf das Expropriationsgesez, 3 ,, ,, Gesetz über Civilstand und Ehe, 3 ,, " " Auslieferung von Verbrechern, " 4 ,, ,, ,, Verzicht aufs Schweizerbürgerrecht " auf Verletzung von Konkordaten, und zwar : 2 auf das Konkordat über Viehhauptmängel, 3 ,, ,,,, ,, Fallimentsforum, 3 ,, ,, ,, ,, Erbschaftsforum; betreffen Kompetenzkonflikte unter Kantonen und sind Beschwerden, in denen Verträge mit dem Auslande angerufen werden, davon in 4 der Vertrag von 1869 (bzw. 1864) mit Frankreich, 4 sind Auslieferungsbegehren.

180

Von den letztern kam das erste von Italien. Es wurde die Auslieferung der Ehegatten Emilio Tafani und Iphigenia geb. Irediani, die wegen betrügerischen Bankerottes verurtheilt waren, verlaugt. Da man der Frau nicht habhaft geworden, handelte es sich nur um die Auslieferung des Ehemannes Emilio, welcher sich der Auslieferung widersetzte, weil er Schweizerbürger sei. DasGericht fand, Tafani habe sich nicht als Schweizer ausgewiesen, und bewilligte unterm 11. Juni 1880 die Auslieferung.

Die drei andern Begehren gingen von Frankreich aus, und es wurde in allen drei Fällen die Auslieferung verweigert.

1) Die Auslieferung von Casimir Eugène Rabaud, verlangt wegen Diebstahls im Betrage von Fr. 139. 50, wurde durch Urtheil vom 18. September 1880 wegen Verjährung verweigert.

316 2) Diejenige von Ani. Fréd. Néoclés Maunier de Piéget-Ville, verlangt wegen Vertrauensmißbrauchs, wurde durch Urtheil vom 30. Oktober ebenfalls wegen Verjährung verweigert. Endlich 3) die Auslieferung der Victorine Verdel née Larivaz, verlangt wegen Hehlerei, wurde unterm 2. Juli 1880 verweigert, weil das fragliche Delikt in der Schweiz (Genf) begangen worden war und daher der hierseitigen Jurisdiktion anheimfällt.

Von diesen staatsrechtlichen Streitigkeiten wurden 133 durch Urtheil, 19 durch Rückzug oder Präsidial Verfügung erledigt, 28 bleiben in Instruktion.

Durch die 133 Urtheile wurden (abgesehen von den Auslieferungsbegehren) in 23 Fällen die Beschwerden für begründet erklärt, wovon betrafen : 13 die Bundesverfassung, und zwar: 2 den Art. 4 (Gleichberechtigung oder Rechtsverweigerung), 2 ,, ,, 4 6 (Doppelbesteuerung), 1 ,, n 49 (Kultussteuern), 2 ,, v, 55 (Preßfreiheit), 5 ,, ,, 5 9 (Forum für persönliche Ansprachen), l ,, ,, H O (Kompetenz des Bundesgerichtes).

5 Bundesgesetze, nämlich: l das Expropriationsgesetz, 3 ,, Gesetz über Auslieferung von Verbrechern, l ,, ,, betreffend Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht.

2 das Konkordat über Erbrechtsverhältnisse.

1 einen Kompetenzkonflikt unter Kantonen.

2 Verletzungen von Kantonsverfassungen.

23

C. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Von den 16 in das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit .fallenden Geschäften betrafen:

317 2 die Liquidationen der Rigi-Scheidegg- und der schweizerischen Nationalbahn, von welchen die erstere erledigt ist.

1 einen Administrativentscheid des Masseverwalters der BernLuzern-Bahn, durch Entscheid erledigt.

2 Eingaben betreffend Restzahlungen an Gläubiger der BernLuzern-Bahn, von denen l erledigt, l aufs Jahr 1881 überging.

2 Liquidationsbegehren gegen die Tößthalbahn. Beide wurden zurückgezogen.

9 Beschwerden gegen die Thätigkeit der eidg. Schatzungskommissionen, die von der dafür bestellten bundesgerichtlichen Ueberwachungskommission behandelt und sämmtlich erledigt wurden. Sie waren zum größern Theile gegen die betreffende Baugesellschaft gerichtet, welche die Entschädigtings- bezw.

Expropriationspflicht bestritt, und mußten daher, sofern die Baugesellschaft auf ihrer Weigerung bestand, an den Bundesrath gewiesen werden.

16 Hieraus ergibt sich, daß von diesen 16 Fällen 14 erledigt wurden : 1 durch Austragung der Liquidation (Rigi-Scheidegg-Bahn), 2 fl Rückzug, 9 ,, Beschlüsse der Kommission zur Ueberwachung der Schatzungskommissionen, 2 ,, Entscheid des Bundesgerichtes; l geht aufs Jahr 1881 über; l Liquidation befindet sich noch im Gang (Nationalbahn).

D. Strafrechtspflege.

Aus dem Gebiete der Strafrechtspflege lagen im Jahr 1880 keine Geschäfte vor.

Von den durch Entscheid des gesammten Bundesgerichts erledigten Geschäften betrafen : den den den deutschen französischen italienischen Landestheil. Landestheil. Landestheil.

Civilrechtliche Entscheide . .

54 5 7 Staatsrechtliche . .

91 36 6

145 Btradesblatt. 33. Jahrg. Bd. II.

41

13 21

Wir fügen zur nähern Orientirung noch bei eine

Jahrgang.

tabellarische Uebersicht der bundesgerichtlichen Geschäfte in der ersten Periode 1875--1880.

, JÌ CO O cS 53

À '>+= °3,a M O -H -S

ss 1

l| 3

1875 1876 1877 1878 1879 1880

00 318

co

New eingegangene Im Garnen behandelte Unerledigt gebliebene Erledigte Gescliäfte.

Geschäfte.

Geschäfte.

Geschäfte.

Je vom Vorjahr übergekommene Geschäfte.

29 28 47 55 32 40

140 136 161 152 82 128

1 2

1

1 r3

W

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169 164 209 207 116 168

158 142 177 168 185 140

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445 304 207 153 252 340

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603 447 384 323 438 480

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187 585 170 440 224 368 223 305 217 334 180 468

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772 159 1 611 123 593 169 530 191 554 177 648 152

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449 270 216 1 223 206 3 385

608 402 386 414 386 537

Snmine der 1875 /1880 eiiigegan gene aGe970 1701 4 2675 sei läfte Dazu die aus 1874 169 üb ernommene n .

29 140 1 Sumine der 1875 /1880 S am ne de r in den 6, ahren erlec igten be lande] ten Ge971 1758 4 2733 sei läfte 999 1841 4 2844 Ge/schäft e . .

Dem nach jähr Hoher Durohschn ttdei·jähr161 293 0,0 455 lie ben Eing inge D irchsc initt 1875/1880 .

161 283 0,0 445 Dare hschn.itt df ir beha adelteiiGres ehäfte 166 306 0,c 474

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28 136 47 161 55 152 32 82 40 128 28 83

164 1 209 207 2 116 168 111

319 Die Tabelle zeigt, daß in den Eingängen die Schwankungen für die einzelnen Jahre nicht sehr groß sind; die wesentlich größeren Zahlen des ersten, und letzten Jahres rühren hauptsächlich von den vielen Expropriationsfällen her, wie sich aus folgender Tabelle ergibt : Expropriationsfälle.

Behandelt.

Erledigt.

Im Jahre 1875 .

.

.

535 421 ,, ,, 1876 .

.

.

284 230 ,,' ,, 1877 .

.

.

143 101 ,, ,, 1878 .

.

.

74 47 ,, ., 1879 163 80 ,, . , 1880 .

.

.

340 313 Summe .

Durchschnitt

1539 256

109,2 182

E. Konkursrechtliche Liquidationen.

1) L i q u d a t i o n der S c h m a l s p u r b a h n R i g i Kaltbad-Scheidegg.

Nachdem die Bundesversammlung unterm 3./13. Dezember 1879 die Uebertragung der Konzession auf die neue Aktiengesellschaft als Käuferin der Bahn ausgesprochen hatte, konnte vom Masseverwalter im Januar 1880 die Auszahlung an die Obligationäre angeordnet werden. Das an die Inhaber der Partialobligationen zu entrichtende Liquidationsbetreffniß wurde auf l,o °/,, festgesetzt, und zwar Fr. 19 per Fr. 1000 Kapitalforderimg und Fr. 0,w per Fr. 25 Zinscoupon. Sämmtliche Obligationen sind zur Auszahlung präsentirt worden, mit Ausnahme von zwei Partialen, für welche die entsprechenden Beträge gemäß Art. 45 des Gesezos über Zwangsliquidation von Eisenbahnen zinstragend angelegt worden sind. Die in Folge der Durchführung der Liquidation eingetretene Erlöschung des Eisenbahnpfandrechtes des Auleihens der Gesellschaft Regina montium von 3 Millionen! vom 9. September 1874 ist gemäß Beschluß des Bundesgerichtes vom 17. Juli 1880 öffentlich bekannt gemacht und hievon dem Bundesrath zum Zwecke der Löschung dieses Pfandrechtes im Eisenbahnpfandbuche durch Schreiben vom 26. Juli 1880 Kenntniß gegeben worden. Ebenso wurde der Rechnung des Masseverwalters, nach vorangegangener Verifikation derselben durch einen Experten und eine Abordnung aus unserer Mitte, sowie dem Schlußberichte des Masseverwalters, wovon dem Bundesrath eine Abschrift mitgetheilt wurde, durch Beschluß des Bundesgerichtes vom 17. Juli 1880 die Genehmigung ertheilt, und

320 am gleichen Tage unter bester Verdankung der vom Masseverwalter, Herrn Fürsprech Dr. Zemp in Luzern, geleisteten Dienste die Liquidation der frühern Gesellschaft der Schmalspurbahn Rigi - KaltbadSoheidegg als geschlossen erklärt.

2. L i q u i d a t i o n der N a t i o n a l b a h n .

Nachdem das interkantonale Comité mit Schreiben vom 26. Januar 1880 dem Bundesgerichte die Erklärung abgegeben hatte, daß es außer Stande sei, die Ratifikation zur Erwerbung der von ihm ersteigerten Nationalbahn beizubringen, wurde durch Beschluß des Bundesgerichtes vom 2. Februar der dem Comité unterm 30. August/26. September 1879 ertheilte Zuschlag der beiden Sektionen der National bahn als verwirkt erklärt und die zweite Steigerung auf den 15.' März 1880 angesetzt. In den Steigerungsbedingungen war der Anschlagspreis für die Ostsektion auf Fr. 4,500,000, für die Westsektion auf Fr. 1,000,000, die Ratifikationsfrist auf 60 Tage nach eröffnetem Zuschlage, ohne Vorbehalt einer allfälligen Fristverlängerung , und die Caution für Angebote unter Ratifikationsvorbehalt auf Fr. 80,000 festgesetzt worden. An der zweiten Steigerung wurden folgende Angebote gemacht : a. Auf Grundlage der Concessionen : Von "der Eidg. Bank, unter Vorbehalt der Ratifikation des Verwaltungsrath es : auf die Ostsektion .

.

. Fr. 3,150,000 ,, ,, Westsektion .

. ,, 4fiO,000 ,, ,, gesammte Linie .

. ,, 3,610,000 b. Als bedingtes Angebot auf Grundlage von Concessionserleichterungen für den Betrieb : Von der Nordostbahn, unter Vorbehalt der Ratifikation des Verwaltungsrathes : auf die Westsektion ."

.

. Fr. 750,000 Von der Eidg. Bank Verwahrung für nachträgliche Anmeldung eines bedingten Angebotes.

Solche bedingte Angebote waren in Art. 31 der Steigerungsbedingungen für den Fall gestattet, daß am Steigerungstag kein die Anschlagspreise erreichendes Meistgebot gemacht und daher kein sofortiger Zuschlag möglich werden sollte; sie waren von den zur Steigerung Zugelassenen nach Eröffnung der Steigerungsresultate, aber vor Schluß der Verhandlung, dem Masseverwalter schriftlich und unter näherer Bezeichnung der Bedingungen einzureichen.

321

Dieses Resultat wurde von uns sofort dem Bundesrath, den vier betheiligten Kantonsregiei-ungen und durch öffentliche Publikation den Gläubigern der Gesellschaft zur Kenntniß gebracht, mit der Einladung, sich binnen kurzer Frist beim Bundesgerichte darüber auszusprechen, ob der Zuschlag der Linien auf Grund der Steigerungsresultate an den Meistbietenden oder Anordnung einer andern angemessenen Verfügung gemäß Art. 32 des Gesetzes über Zwangsliquidation der Eisenbahnen gewünscht werde. Am 17. April 1880 beschloß dann das B indesgericht in Uebereinstimmung mit dem Bundesrath, die Ostsektion der Eidg. Bank, als der alleinigen Bieterin auf dieses Stück, zuzuschlagen mit 60tägiger Ratifikationsfrist, die Westsektion dagegen der Nordostbahn. Allerdings hatte die Eidg. Bank unterm 5. April auf die Westsektion nachträglich noch ein bedingtes Angebot von Fr. 760,000 gemacht ; allein die Fr. 10,000, um welche dieses Angebot dasjenige der Nordostbahn überstieg, wurden mehr als aufgehoben dadurch, daß das Angebot der Nordostbahn laut deren Schreiben vom 5. April durch Ratifikation seitens des Vervvaltungsrathes ein definitives geworden, während dasjenige der Eidg. Bank noch von der Ratifikation abhängig war; daß ferner die Nordostbahn laut gleichem Schreiben die Bahn mit den vom Bundesrathe durch Beschluß vom 12. März eventuell zugestandenen Concessionsänderungen sofort in Betrieb zu setzen bereit war, während das Angebot der Eidg. Bank sich an Bedingungen knüpfte, die über diese Abänderungen hinausgingen und nach dem Gutachten des Bundesrathes vom 13. April dem öffentlichen Interesse weniger entsprachen; daß sich sodaon die Nordostbahn zu Herstellung einer im hohen Interesse der zürcherischen Gemeinden von Otelfingen bis Basserstorf gelegenen Verbindung der Nationalbahn mit der Nordostbahnstation Oerlikon fest verpflichtet hatte, während die Eidg. Bank den Bau Seebach-Zürich zwar in Aussicht genommen, aber keine bezügliche Verpflichtung übernommen hatte; und endlich durfte auch der Umstand in'Betracht gezogen werden, daß sich die Nordostbahn durch die Zusicherungen vom 24. Februar und 3. April 1880 für den Fall der Erwerbung der Westsektion gegenüber den Garantiestädten Winterthur, Baden, Lenzburg und Zofingen zu bedeutenden finanziellen Leistungen verpflichtet hatte, nämlich zu Ueberlassung voti 6000 Stück
Nordostbahn-Stamrnaktien, von nominell Fr. 500, wogegen die Gemeinden für die von der Nordostbahn zu bezahlende Kaufsumme von Fr. 750,000 , soweit solche nicht durch die Konkurskosten und privilegirten Forderungen in Anspruch genommen wird, Schuldner der Nordostbahn wurden.

Als hierauf die Nordostbahn am 31. Mai 1880 den Steigerungspreis für die Westsektion der Masseverwaltung vollständig

322 entrichtet und mithin das Eigenthum an der fraglichen Linie erworben hatte, ging, nachdem gemäß"Art. 36, Abs. l der Steigerungsbedingungen der Betrieb schon vom 1. Mai an auf Rechnung des Erwerbers geführt worden und die Concession durch bundesräthlichen Beschluß vom 14. Mai 1880 auf die Nordostbahn übertragen war, mit dem 1. Juni Besitz, Betrieb und Verwaltung der Westsektion an die Nordostbahn über, und.es erklärte das Bundesgericht durch Beschluß vom 5. Juni die auf dieser Sektion errichteten Pfandrechte als erloschen, wovon dem Bundesrathe zum Zwecke der Löschung im Eisenbahnpfandbuche , sowie den Gläubigern durch öffentliche Publikation Kenntniß gegeben wurde. Es betraf dies ein Pfandrecht ersten Ranges vom 25. Juli 1876 zu Gunsten des Anleihens von 9 Millionen Franken mit Städtegarantie und ein Pfandrecht zweiten Ranges vom 21. August 1876 zu Gunsten eines Betrages von Fr. 1,200,000 des Nachsubventionsanleihens von 2 Millionen Franken.

Unterm 24. September ermächtigten wir sodann den Masseverwalter, an die Gläubiger des Anleihens erster Hypothek von 9 Millionen Franken auf der Westsektion aus dem Erlöse der letztern und auf Abrechnung an der definitiven Konkursdividende eine Akontozahlung von 7,s % der laut Klassifikation vom 5. Juli 1880 am Liquidationserlöse antheilberechtigten Titel und Couponbeträge auf 18. Oktober zu leisten.

Der Zuschlag der Ostsektion an die Eidg. Bank wurde vom Bundesgerichte am 25. Juni als ein definitiver erklärt, nachdem uns die Eidg. Bank die Ratifikation des Angebotes der Delegirten durch den Verwaltungsrath angezeigt hatte. Schon unterm 17. Juni war zwar zwischen der Eidg. Bank und der Nordostbahn eine Uebereinkunft getroffen worden , wonach die von der Eidg. Bank durch den Zuschlag auf die Ostsektion erworbenen Rechte auf die Nordostbahn übergehen sollten, allein wir konnten in einer solchen Abtretung eine Veränderung der Rechtsstellung der Eidg. Bank gegenüber der Liquidationsmasse so lange nicht erblicken, als nicht die gemäß Art. 10 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 für einen solchen Uebergang nothwendige Genehmigung des Bundes eingeholt war; nachdem dies durch einen Beschluß des Bundesrathes vom 15. Juli geschehen, wodurch die Uebertragung der Concession der Ostsektion an die Nordostbahn genehmigt wurde, anerkannten wir durch Beschluß vom
17. Juli die Nordostbahn als Erwerberin auch dieser Linie. Unterrn 3. September erklärten wir sodann mit der vollständigen Einbezahlung des Kaufpreises von Fr. 3,150,000 und dem damit verbundenen Eigenthumsübergang an die Nordostbahn die auf der Ostsektiom haftenden Pfandrechte-

323 für erloschen und ordneten die Löschung derselben im Eisenbahn pfandbuche auf den Zeitpunkt an , wo durch eine Erklärung des Masseverwalters an das Post- und Eisenbahndepartement der Nachweis der Bezahlung^ erbracht sein werde. Diese Erklärung wurde vom Masseverwalter am 4. September abgegeben, worauf durch Publikation vom 11. September die Erlöschung der Pfandrechte bekannt gemacht wurde. Die Pfandrechte bestanden in demjenigen ersten Ranges für ein Anleihen von 5 Millionen Franken vom 23. November 1874 und Deinem solchen zweiten Ranges für ein Anleihen von Fr. 2,200,000 vom 16. November 1875.

Betreffend die Formalitäten der Eigenthumsübertragung des auf großherzoglich badischem Territorium gelegenen Theilstückes der Nationalbahn, sowie der Pfandledigung auf diesem Theilstücke, wurde es für den Masseverwalter nothwendig, sich durch Vermittlung des Bundesrathes mit dem badischen Handelsministerium in Verbindung zu setzen, welches durch Note vom 29. Dezember die bundesräthlichen Schreiben vom 21. Juni und 3. Juli, bezw. die Anfrage des Masseverwalters vom 21. Juni, beantwortete und die nach dortigem Rechte für die Eigenthumsübertragung und Pfandlöschung noth-wendigen Requisite mittheilte; die Erfüllung derselben bietet keine Schwierigkeit, so daß wir den Herrn Masseverwalter mit der Vollziehung beauftragt haben. Die Erledigung fällt nicht mehr ins Berichtjahr..

Der Betrieb der Ostsektion ging vom l. Mai an gemäß Art. 36, Absatz 1 der Steigerungsbedingungen auf Rechnung des Erwerbers, d. h. der Eidg. Bank, bezw. der Nordostbahn, war aber thatsächlich bis zum 1. Oktober von der Masse ver waltung besorgt worden, .an welchem Tage er mit dem Besitz und der Verwaltung der Bahn ·auf die Nordostbahn überging. Die Ertheilung der Concession an die Nordostbahn zum Betrieb der auf badischem Staatsgebiet gelegenen Streken dei- Ostsektion erfolgte durch Verfügung des großherzoglich badischen Handelsministeriums vom 18. September/15. Oktober 1880.

Da die Nordostbahu den ganzen Steigerungspreis nur für die «den Hypolhekargläubigevn vorgehenden Ansprachen in Baar entrichtet, den größern Theil dagegen kompensationsweise durch Ablieferung einer entsprechenden Anzahl von ihr erworbener Pfandtitel ersten Ranges des 5-Millionen-Anleihens auf der Ostsektion getilgt hatte, so daß sie selbst in erster Linie als
Hypothekargläubiger erscheint, war hier von einer Akontozahlung der Konkursbetreffnisse Umgang zu nehmen.

Noch hatten wir unterm 17. Juli einen Entscheid über das Begehren des interkantonalen Comité betreffend Rückerstattung der

324 Caution von Fr. 50,000 zu fassen, welche Caution das Comité gemäß Art. 24 und 25 der Steigerungsbedingungen vom 29. Mai 1879 geleistet hatte, um bei der ersten Versteigerung vom 30. August 1879 als Bieter unter Ratifikationsvorbehalt zugelassen zu werden.

Durch Beschluß vom 26. September waren dem Comité beide Sektionen um die Summe von zusammen Fr. 4,400,000 zugeschlagen worden, während die Nordostbahn auf die Ostsektion Fr. 3,375,000 angeboten hatte. Die dem Comité zur Beibringung der Ratifikation eingeräumte 30tägige Frist wurde nach und nach bis zum 29. Februar verlängert, zum letzten Mal durch Beschluß vom 27. Dezember 1879, unter der Bedingung, daß für die Betriebsdefizite der Monate Januar und Februar 1880 ein Vorschuß von je Fr. 18,000 geleistet werde. Für den Januar war dies geschehen, aber am 26. des gleichen Monats erklärte das Comité den Verzicht auf den ertheilten Zuschlag, so daß zu einer zweiten Versteigerung geschritten werden mußte, und verlangte gleichzeitig Restituirung der Caution von Fr. 50,000 oder wenigstens von derjenigen Summe, die über die Betriebsdefizite vom 30. August bis 31. Dezember 1879 hinausging. Allein wir glaubten diesem Gesuche nicht entsprechen zu können. Nach Art. 24 der Steigerungsbedingungen konnte das Bundesgericht den ganzen oder theilweisen Verfall der Caution nur erlassen, falls eiae Schädigung für die Masse nicht eingetreten war oder den Cautionsbetrag erweislichermaßen nicht erreichte. Dabei konnte man entweder nur den Schaden in Betracht ziehen, welcher der Masse durch die Nichtratifikation des Angebotes des Comité -- Fr. 4,400,000 -- gegenüber dem Erlöse der zweiten Versteigerung -- Fr. 3,900,000 -- entstanden ist. Diese Differenz übersteigt den Cautionsbetrag von Fr. "50,000, bezw. 68,000 bei weitem.

Oder man berechnet nur den durch die Verzögerung der Liquidation entstandenen Schaden; allein dann kommen die Betriebsausfäll& vom 28. Oktober 1879 bis 1. Mai 1880, die vergrößerten Liquidationskosten, die inzwischen angewachsenen Zinsausfälle der Gläubiger, sowie der Umstand in Rechnung, daß, ganz abgesehen von dem Angebot des Comité, die Nordostbahn bei der ersten Versteigerung auf die Ostsektion Fr. 3,375,000 offerirt hatte, während der bei der zweiten Versteigerung erzielte Preis dieser Sektion nur Fr. 3,150,000 beträgt. Auch bei dieser
Berechnung übersteigt der durch die Dazwischenkunft des Comité bei der Versteigerung deiMasse entstandene Schaden den Cautionsbetrag. Die Betriebsdefizite einzig, welche hier vom 28. Oktober 1879 bis 1. Mai 1880 in Frage kommen , betrugen vom 18. Februar bis Ende Dezember 1878 .

Fr. 139,956. 68 im Jahre 1879 ,, 102,709. 41 vom 18. Februar 1878 bis Ende April 1880 . ,, 285,037. 24

325

Als Rechnungsrevisoren über die gesammte Verwaltung des Masseverwalters bezeichneten wir am 9./18. Dezember die Herren Girod, Chef der Comptabilität der Jura-Bern-Luzern-Bahn, CramerWyß in Außersihl und Stadtrath Dr. Hasler in Winterthur. Die Erledigung der Ausrechnung und der förmliche Abschluß der Liquidation werden , da im Februar dieses Jahres die letzten noch anhängigen Rekurse gegen Entscheide des Masseverwalters durch Vergleich erledigt wurden , voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 1881 stattfinden , und wir werden nicht ermangeln , Ihnen alsdann den Schlußbericht des Masse Verwalters zur Kenntniß zu bringen, auf den wir jetzt schon für alle Details verweisen müssen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, bei diesem Anlaße die Versicherung unserer wahren Hochachtung.

L a u s a n n e , den 4. März l 81.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes, Der P r ä s i d e n t : .

Hans Weber.

Der Gerichtsschreiber: Rott.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Schweiz. Bundesgerichtes an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1880. (Vom 4. März 1881.)

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02.04.1881

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