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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Aufhebung des Art. 3 des Bundesgesezes vom 21. Hornung 1878 über Suspendirung einzelner Bestimmungen der Militärorganisation.

(Vom 14. Februar 1881.)

Tit.

Durch das Bundesgesez vom 21. Hornung 1878, betreffend Suspendirung einzelner Bestimmungen der Milita rorganisation, sind zum Zweke der Herstellung des Gleichgewichts in den Bundesfinanzen eine Anzahl von Bestimmungen der Militärorganisation vom 13. November 1874 aufgehoben worden.

Nur ungern legten damals die h. Räthe Hand an die eidgenössische Militärorganisation, nachdem dieselbe erst, drei Jahre in Kraft gestanden hatte; allein die Nothlage, in welcher sich die Bundesfinanzen befanden, gebot absolut eine Reduktion der Jahresausgaben, und es wurde dafür zunächst das Ausgabenbüdget der Militärverwaltung in Mitleidenschaft gezogen. Es geschah indessen immerhin in der Meinung, daß mit dem Verschwinden der Nothlage auch die Suspendirung einzelner Bestimmungen der Militärorganisation wieder dahinfalle.

Wir mußten uns daher, nachdem in den lezten zwei Jahren die eidgenössischen Staatsrechnungen mit nicht unerheblichen Einnahmenüberschüssen abgeschlossen und damit so ziemlich das

350 Gleichgewicht in den Bundesfinanzen wieder hergestellt war, die Frage vorlegen, ob nicht der Augenblik gekommen sei, auf das erwähnte Suspensionsgesez zurükzukommen. Wir hatten hiezu um so mehr Veranlaßung, als durch das Postulat vom 23. Dezember 1880. betreffend Aufnahme intensiverer Instruktion der Landwehr die h. Räthe ganz die gleiche Ansicht kund gegeben haben. Es kann daher wohl nicht angenommen werden, daß es in der Absicht der h. Räthe liege, solche Bestimmungen, welche die Dienstzeit im Auszug verkürzen und welche, wie wir in unserer Botschaft über die Landwehrinstruktion dargethan haben, mit einen Grund zur ungenügenden Vorbildung der Landwehr ausmachen, länger bestehen zu laiäsen. Unter allen Umständen muß die h. Bundesversammlung bei Berathuna; "5 des Gesezes über die Landwehrinstruktion in die Lage versezt werden, die für den Unterricht in die Budgets der nächsten Jahre einzustellenden Summen überbüken zu können.

Dieses sind die Gründe, warum wir heute diejenige Bestimmung des Suspensionsgesezes vom 21. Februar 1878 zur Sprache bringen, welche nach unserer Ansicht am schärfsten in die Militärorganisation eingeschnitten hat und deren Wiederaufhebung daher auch am allermeisten Noth thut, wir meinen die Beschränkung des InfanterieUnterrichts von 45 auf 43 Tage.

Wir bescheiden uns, an dieser Stelle bloß auf die Erfahrungen hinzuweisen, welche mit der reduzirten Dienstzeit gemacht worden sind.

Gestatten Sie uns vorerst, einen Blik auf das Instruktionsprogramm der Infanterie zu werfen. In allen Heeren und von allen Taktikern wird die Infanterie als die Hauptwaffe anerkannt. Ohne eine tüchtige, taktisch gut geschulte Infanterie ist kein einigermaßen schlagfertiges Heer denkbar. ,,Jedweder Staat, der auf seinem eigenen Schwert stehen will, hat daher seine unausgesezte Aufmerksamkeit auf die Erziehung einer guten, festgeschulten Infanterie zu richten."

Die Ausbildung des Infanteristen ist aber nicht nur eine sehr wichtige, sondern namentlich auch eine sehr vielseitige. Der Infanterist soll in der Militärschule so sehr seines eigenen Willens sich begeben lernen, daß er in der geschlossenen Masse wie ein gefügiges Werkzeug in der Hand seines Führers liegt, und der gleiche Infanterist soll im Tirailleurgefecht ein vorzüglicher Schüze und ein findiger, mit vieler geistiger Initiative
ausgerüsteter Taktiker sein. Der Infanterist erhält ein so vervollkommnetes Gewehr in die Hand, daß eine gründliche Kenntniß desselben nicht in wenigen Tagen gelernt ist.

351 Der Sicherheitsdienst stellt an.die Intelligenz und das Wissen namentlich unserer Infanterie, die nicht von zahlreicher Kavallerie sekundirt ist, hohe Anforderungen, wie anderseits die vom Infanteristen geforderte Marschfähigkeit außerordentliche Ansprüche an seine physischen Eigenschaften macht. Leider rükt gegenwärtig noch genügen soll, sehr unvorbereitet in den Dienst. Tage und Tage müssen auf die Wendungen und den Schritt, auf die Einordnung in die geschlossene Ordnung und die einfachsten Evolutionen in derselben verwendet werden. Die große Masse hat noch nie einen Schuß abgefeuert, und sie muß von den Anfängen der Manipulation des Gewehres und den elementarsten Ziel- und Anschlagsübungen bis zur richtigen Abgabe des Schusses herangezogen werden. Die daherige pädagogische Arbeit weiß nur derjenige richtig zu würdigen, der sich vollbewußt ist, welche Aufraffung aller geistigen und physischen Kräfte nöthig ist, um eine so vervollkommnete Waffe, wie das heutige Infanteriegewehr, im entscheidenden Moment richtig gebrauchen zu können.

Nach Abgang von sechs Sonntagen und einem Inspektionstag bleiben 36 Arbeits-, d. h. Unterrichtstage. Bei der angestrengtesten Arbeit, d. h. bei täglich acht Stunden Uebung, kann auf die wichtigsten Fächer nur folgende, Stundenzahl verwendet werden : Stunden Innerer Dienst u n d Signale .

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. 17 Soldatenschule ohne und mit Gewehr .

76 Tirailleurdienst 22 Gewehrkenntniß .

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. 1 5 Schießtheorie, Richten etc.

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. 10 Sicherungsdienst .

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. 4 6 Distanzenschäzen .

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4 Kompagnieschule .

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. 2 8 Bataillonsschule .

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. 1 6 Gefechtsübung 12 Pionnierübung .

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4 Anwendung d e r Feuer .

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. 10 Gefechtsmethode und Ausmarsch .

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16 Reinigungsarbeiten .

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. 1 2 zusammen oder 36 Tage.

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352 IQ dieser Zeitverwendung ist die Ausbildung des Einzelnen zum Schüzen gar nicht gerechnet, und kommt daher von obigen fiktiven Stunden des Unterrichtsprogrammes noch in Abrechnung.

Für Gesundheitslehre, Reinigungsarbeiten, Inspektionen u. s. w. müssen die Sonntage in Anspruch genommen werden.

Die Erfahrung in den lezten Jahren hat nun gezeigt, daß das Unterrichtsprograrnm troz aller Beschränkung in 43 Tagen nicht durchgeführt werden kann. Meistens ziehen sich die Schießübungen des einzelnen Mannes bis in die lezten Tage hinaus, also in eine Zeitepoche, in welcher die gesammte Mannschaft im größern Verbände vereint arbeiten sollte. Die geringste Störung durch schlechtes Wetter u. s. w. kann nicht mehr eingeholt werden, selbst wenn die Sonntage dazu verwendet werden. Die jungen Leute sind in einer Weise überarbeitet, daß oft völlige Apathie bei ihnen eintritt, und es läßt sich dies sowohl aus der physischen, wie aus der geistigen Ueberanstrenguug erklären, welche notwendigerweise zu einer Abspannung führen muß.

Die so erzogenen Rekruten entbehren nun einerseits des disziplinarischen Haltes, der nur durch längere Angewöhnung geschaffen werden kann, und andererseits der geistigen Verarbeitung der in so kurzer Zeit gebotenen Ueberfülle des Stoffes. Es ist daher leicht erklärlich, daß unsere Infanterie nie dasjenige sein wird, was anderwärts in Jahren andauernder Ausbildung erzielt wird.

Wir sind auch weit entfernt, anzunehmen, daß eine Zugabe von zwei Tagen die Kraft unserer Infanterie wesentlich erhöhen werde ; davon könnte man höchstens sprechen, wenn ebensoviele Wochen zugegeben würden.

Allein die zwei Tage ermöglichen wenigstens besser die Durchführung des bisherigen Unterrichtsprograinms und die Gewährung etlicher Stunden Sonntagsruhe; die Ausdehnung der Unterrichtszeit auf 45 Tage bringt uns überhaupt wieder auf denjenigen Standpunkt zurük, von dem man ohne die Eingangs erwähnte Nothlage wohl nie abgewichen wäre.

Was nun die finanziellen Konsequenzen unseres Vorschlages anbetrifft, so wird das Budget der folgenden Jahre bei einer Rekrutenzahl von 9000 Mann um 18,000 Mannschaftstage mehr belastet, was bei einem Einheitspreise von Fr. 2.95 (Budget 1881) eine jährliche Mehrausgabe von Fr. 53,100 ausmacht, eine Summe, die sich jedoch ziemlich unter Fr. 50,000 stellen wird, indem durch diese Vermehrung der Rekrutentage in der Folge auf einen etwas reduzirten Einheitspreis gerechnet werden darf.

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Gestüzt auf das Angebrachte empfehlen wir Ihnen die Annahme des nachstehenden Gesezentwurfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. Februar 1881.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenoßenschaft : Schieß.

Bundesblatt. 33. Jahrg. Bd. I.

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(Entwurf)

Bundesgesez betreifend

Aufhebung des Artikels 3 des Bundesgesezes vom 21. Februar 1878 über Suspendirung einzelner Bestimmungen der Militärorganisation.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenoßenschaf£, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 14. Körnung 1881, beschließt: Art. l. Der Artikel 3 des Gesezes vom 21. Hornung 1878, betreffend Suspendirung einzelner Bestimmungen der Militärorganisation, durch welchen die Dauer der Infanterierekrutenschulen von 45 auf 43 Tage reduzirt worden ist, wird hiemit aufgehoben, und es tritt der Artikel J03 der Militärorganisation vom 13. Wintermonat 1874 wieder in Kraft.

Art. 2. Der Bundesrath wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17". Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gresezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Verfassung des Kantons St. Gallen.

(Vom 15. Februar 1881.)

Tit.

Der Große Rath des Kantons St. Gallen beschloß am 18. November 1880 folgende Revision der Artikel 41 und 81 der Kantonsverfassung : ,,Der Große R a t h d e s K a n t o n s S t . G a l l e n , ,,In Beobachtung von Artikel 122 und 123 der Kantonsverfassung und in der Absicht, dem zeitlichen Zusammenfallen der ordentlichen Sommersizung des Großen Rathes mit der Sizung der eidgenössischen Räthe rechtmäßig vorzubeugen, beschließt: ,,I. Dem ersten Saze des Artikel 41 der Verfassung sei folgende Faßung zu geben : Der Große Rath versammelt sich ordentlicherweise zwei Mal im Jahre, und zwar im Frühjahr und im Spätjahr, an einem durch sein Reglement festzusezenden Tage.

,,II.

Der Artikel 81 der Verfassung sei zu fassen, wie folgt : Der Amtsantritt der Mitglieder des Großen Rathes fällt mit dem Tage der Wahl zusammen; der Amtsantritt aller übrigen Behörden findet am ersten Heumonat statt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Aufhebung des Art. 3 des Bundesgesezes vom 21. Hornung 1878 über Suspendirung einzelner Bestimmungen der Militärorganisation. (Vom 14. Februar 1881.)

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1881

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1

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08

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.02.1881

Date Data Seite

349-355

Page Pagina Ref. No

10 010 997

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