·497

# S T #

Schreiben des schweizerischen Bundesrates an

die nationalrätliche Kommission für Revision des Bundesgesetzes vom vom 4. Juni 1902

betreffend die National-

ratswahlkreise.

(Vom 30, Mai 1911).

Herr Präsident l Hochgeachtete Herren Ì Wir beehren uns, über die Frage der Revision des Bundes·gesetzes vom 4. Juni 1902 betreffend die N a t i o n a l r a t s w a h l k r e i s e (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 21, März 1911) Ihnen folgendes mitzuteilen: 1. Kanton Zürich.

Wir hatten im Einverständnis mit der Regierung des Kantons Zürich beantragt, den bisherigen l. Wahlkreis in zwei Kreise zu teilen, wovon der eine (1. Wahlkreis) sieben und der andere (2. Wahlkreis) fünf Vertreter erhielte.

Auf Ihre Einladung hin, die Frage zu prüfen, ob nicht der bisherige erste eidgenössische Wahlkreis in zwei Wahlkreise mit je sechs Vertretern geteilt werden sollte, ersuchten wir die Regierung des Kantons Zürich, sich hierüber vernehmen zu lassen..

Wie Sie nun beiliegendem Sehreiben vom 19. Mai entnehmen, hat der Regierungsrat des Kantons Zürich mit fünf gegen eine Stimme beschlossen, an seinem Vorschlag vom 2. März festzuhalten und von der Antragstellung über die Teilung des ersten Wahlkreises in zwei Kreise mit je sechs Vertretern abzusehen.

498o Die Notwendigkeit einer solchen Teilung scheint der Zürcher Regierung um so weniger zu bestehen, als auch die übrige» zürcherischen Wahlkreise nicht die gleiche Zahl von Vertretern aufweisen.

Die Vereinigung der bürgerlichen Parteien des Grossratswahlkreises Birmensdorf-Dietikon erhebt in einer von 1100 Wählern unterzeichneten Eingabe vom 24. Mai lebhaften Einspruch gegen die vom Regierungsrat des Kantons Zürich dem Bundesrat vorgeschlagene Teilung des ersten eidgenössischen Wahlkreises und verlangt, dass der bisherige Wahlkreis l, auf den 12 Verj treter entfallen, beibehalten werde.

Am 28. Mai fand in Schlieren eine Volksversammlung statt, welche, wie Sie beiliegendem Telegramm entnehmen, beschloss,, die Petition der Vereinigung der bürgerlichen Parteien des; Wahlkreises Birmensdorf-Dietikon zu unterstützen.

In einer Eingabe vom 26. Mai protestieren endlich die Vorstände des freisinnigen Kreisvereins Zürich II und des demokratischen Kreisvereins Zürich II im Namen einer Versammlung der bürgerlichen Wählerschaft von Zürich II dagegen, dass Zürich II mit Zürich III, dem Kantonsratswaalkreise Birmensdorf-Dietikon und dem Bezirke Affoltern, zu einem besonderen Nationalratswahlkreise vereinigt werde, wie Herr Nationalrat Greulich im Schosse Ihrer Kommission beantragt habe.

Aus den in unserer Botschaft vom 21 » Mära dargelegten.

Gründen beharren wir auf unserem Antrage.

2. Kanton Bern.

Dieser Kanton hat nach seiner Wohnbevölkerung Anspruch, auf 32 Vertreter (bisher 29}, und wir hatten beantragt, eine Anzahl Gemeinden vom bisherigen 5. Wahlkreise (Oberland) abzutrennen und dem 7. Wahlkreise (Emmental) zuzuweisen. Auf" diese Weise erhielten die Wahlkreise 6 (Mittelland), 8 (Oberaargau) und 9 (Seeland) je einen Abgeordneten mehr, während die Vertretung der übrigen Wahlkreise (Oberland, Emmental}..

Jura Süd und Jura Nord) unverändert bliebe.

Gegen diese Einteilung wurde in einer- von Einwohnergemeinderäten des Berner Oberlandes und Mitgliedern des Grossem Rates des Kantons Bern unterzeichneten Eingabe Einsprache er^hoben, weil es nicht billig erscheine, dass das Berner Oberland,, dessen Bevölkerung auf 114,312 Seelen angewachsen sei, den*

499Oberaargau mit einer Einwohnerschaft von 91,927 Seelen gleichgestellt werde.

Sie haben dieser Beschwerde Rechnung getragen und be1schlossen, die bisherige Wahlkreiseinteilung mit der Änderung beizubehalten, dass die Gemeinde Hasle des Amtes Burgdorf mit einer Wohnbevölkerung von 2485 Seelen vom 8. Wahlkreis (Oberaargau) abgetrennt und dem 7. Wahlkreis (Emmental) zugeteilt wird.

Wir erklären uns mit dieser Lösung einverstanden. Der Kanton Bern wäre demnach wie folgt einzuteilen :

II, Kanton. Bern.

6. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Oberhasle, Interlaken, Frutigen, Niedersimmental, Obersimmental, Saanen und Thun mit einer Wohnbevölkerung von 114,312 Seelen : sechs Vertreter.

7. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Seftigen, Schwarzenburg und Bern mit einer Wohnbevölkerung von 148,923 Seelen: sieben Vertreter.

8. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Konolfingen, Signau, Trachselwald und die Gemeinde Hasle vom Amtsbezirk Burgdorf mit einer Wohnbevölkerung von 81,321 Seelen: vier Vertreter.

9. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Burgdorf (ohne die Gemeinde Hasle), Aarwangen, Wangen und Fraubrunnen mit einer Wohnbevölkerung von 89,442 Seelen: vier Vertreter.

10. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Aarberg, Buren, Nidau, Biel, Erlach und Laupen mit einer Wohnbevölkerung von 92,654 Seelen: fünf Vertreter.

500

11. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Neuenstadt, Courtelarj, Münster und Freibergen mit einer Wohnbevölkerung von 64,358 Seelen : drei Vertreter.

12. Wahlkreis.

Die Amtsbezirke Pruntrut, Delsberg und Laufen mit einer Wohnbevölkerung von 51,734 Seelen: drei Vertreter.

X. Kanton Freiburg.

Die Frage ist hier die: wo soll der siebente Vertreter, auf «den der Kanton Freiburg mit einer Bevölkerung von 139,200 Seelen Anspruch hat, untergebracht werden?

Wir haben den eidgenössischen Räten vorgeschlagen, den Kreis Prez (Saanebezirk) mit einer Bevölkerung von 5007 Einwohnern vom 22. Wahlkreise loszulösen und dem 21. Wahlkreise, dessen Bevölkerung sich seit 1900 am stärksten vermehrt hat, zuzuteilen. Auf diese Weise würde der 21. Wahlkreis mit 50,331 Seelen drei (bisher zwei) Mandate erhalten.

Für den Fall, dass diese Lösung der Bundesversammlung nicht beliebte, schlug die Regierung des Kantons Freiburg vor, ·den 21. Wahlkreis unverändert zu lassen und aus den jetzigen Wahlkreisen 22 und 23 einen einzigen Wahlkreis zu bilden, der mit einer Bevölkerung von 93,876 Seelen fünf Vertreter in den Nationalrat entsenden würde.

Gegen unsern Vorschlag wurde vom liberalen Komitee des fiantons Freiburg in einer an Ihre Kommission gerichteten Eingabe vom 30. April abhin eingewendet, dass durch die Zuteilung des in seiner grossen Mehrheit katholisch-konservativen Friedensgerichtskreises Prez zum 21. Wahlkreise die Vertretung der liberalen Minderheit im Nationalrate in Frage gestellt würde.' Das frei.'burgische liberale Komitee empfiehlt daher folgende Einteilung: 21. Wahlkreis.

Seebezirk und Kreis Freiburg mit einer Bevölkerung < von ·35,527 Seelen: zwei Vertreter.

·· '

501 22. Wahlkreis.

Der Sensebezirk, der Saanebezirk ohne den Kreis Freiburg und der Broyebezirk mit einer Bevölkerung von 54,744 Seelen : drei Vertreter.

23. Wahlkreis.

Die Bezirke Greyerz, Vivisbach und Glane mit einer Bevölkerung von 48,920 Einwohnern: zwei Vertreter.

Die Regierung des Kantons Freiburg, die wir eingeladen 'haben, sich über den Vorschlag des liberalen Komitees des Kantons Freiburg zu äussern, lässt sich in ihrem Berichte vom 20. Mai ·dahin vernehmen, dass sie durch ihren ersten Vorschlag keineswegs beabsichtigt habe, die Minderheit ihrer Vertretung zu berauben. Obwohl die Regierungspartei im 21. Wahlkreise sehr stark sei, wie die Unterzeichner der Eingabe selbst zugäben, so liabe sie seit Jahren auf eine Vertretung verzichtet. Dies habe bei einem grossen Teil der Bevölkerung Unzufriedenheit erreg^ und die Regierung hätte gedacht, dass die Zuweisung des siebenten Sitzes an den 21. Wahlkreis, wo sich die Bevölkerung am stärksten vermehrt habe, gestatten würde, die politischen Hauptströmungen dieses Landesteiles zu berücksichtigen. Für den Fall jedoch, dass ·diese Lösung nicht belieben sollte, habe sie einen zweiten Vorschlag gemacht, der den 21. Wahlkreis unverändert beibehalte und eine neue Zerstückelung der Bezirke vermeide, was nicht möglich wäre, wenn man für den Rest des Kantons zwei Wahlkreise beibehielte. Der Vorschlag des liberalen Komitees des Kantons Freiburg erweise sieh als durchaus unannehmbar^ weil es nicht angehe, einen Wahlkreis aus Gebietsteilen zusammenzusetzen, die voneinander getrennt seien.

Wir pflichten der Ansicht der Regierung des Kantons Freiburg bei. Es ist allerdings richtig, dass schon jetzt einzelne Teile des Broyebezirkes, die dem 22. Wahlkreise angehören, von dessen Hauptbestandteil getrennt sind, allein es handelt sich hier um Enklaven, die wegen ihrer geringen Bevölkerung keine selbständigen Wahlkreise bilden konnten und die deshalb zum nächstgelegenen Kantonsgebiet geschlagen werden mussten.

Wir halten daher an unserem Antrage fest, wären aber auch mit der von der Regierung des Kantons Freiburg in zweiter Linie vorgeschlagenen Lösung einverstanden, welche den 21. Wahlkreis unverändert bestehen lässt und aus dem Rest des Kantons einen- einzigen Wahlkreis mit fünf Vertretern bildet.

502

XIX, Eanton Âargau.

Das statistische Bureau hat festgestellt, dass die Bevölkerungszahl des Kantons Aargau sich auf 230,534 Seelen beläuft, während die vorläufigen Zusammenstellungen bloss 229,850 ergeben hatten. Der Kanton Aargau hat somit Anspruch auf 12 und nicht bloss auf 11 Vertreter im Nationalrat. Eine Änderung der bisherigen Wahlkreiseinteilung ist notwendig geworden, um den zwölften Vertreter unterbringen zu können.

Die Regierung des Kantons Aargau schlägt in ihrem Schreiben vom 16. Mai folgende Wahlkreiseinteilung vor, die wir Ihnen zur Annahme empfehlen : 37. Wahlkreis.

Die Bezirke Zofingen und Kulm mit einer Wohnbevölkerung Ton 51,693 Seelen: drei Vertreter.

38. Wahlkreis.

Die Bezirke Aarau, Lenzburg und Brugg und vom Bezirk Bremgarten die Gemeinden Dottikon, Hägglingen, Anglikon, Wohlen, Niederwil, Tägerich, Fischbach-Göslikon, Sarmenstorf, Uezwil, Villmergen, Büttikon und Hilfikon mit einer Wohnbevölkerung von 79,308 Seelen : vier Vertreter.

39. Wahlkreis.

Der Bezirk Muri und vom Bezirk Bremgarten die Gemeinden Arni-Isliberg, Berikòn, Bremgarten, Eggenwill, Hermetschwil, Jonen, Ober- und Unterlunkhofen, Öberwil, Kudolfstetten, Widen und Zuflkon mit einer Wohnbevölkerung von 21,660 Seelen: ein Vertreter.

40. Wahlkreis.

Die Bezirke Baden, Zurzach, Laufenburg und Rheinfelden mit einer Wohnbevölkerung von 77,873 Seelen : vier Vertreter.

Wir legen diesem Schreiben, ausser den Berichten der Regierungen der Kantone Zürich, Freiburg und Aargau, vier Karten bei, welche die verschiedenen Wahlkreiseinteilungen im Kanton Freiburg veranschaulichen.

503

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vorzüglichen Hockachtung.

Bern, den 30. Mai 1911.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Schreiben des schweizerischen Bundesrates an die nationalrätliche Kommission für Revision des Bundesgesetzes vom vom 4. Juni 1902 betreffend die Nationalrathswahlkreise.

(Vom 30, Mai 1911).

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1911

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

23

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.06.1911

Date Data Seite

497-503

Page Pagina Ref. No

10 024 222

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.